Den Förstern Otto Banse in Callinenberg, Friedrich Birkholz in Fünfeichener Mühle, Wilhelm Klatte in Rautenkranz und Theodor Walper in Ullersdorf ist der Charakter als Königlicher Hegemeister beigelegt worden.
Bekanntmachung.
Auf Grund der Nummer 4 der in Nr. 23 des „Deut⸗ schen Reichs- und Königlich Preußischen Stagtsanzeigers“ vom 9. September 1913 veröffentlichten, am 22. Mai 1912 in Kraft getretenen Grundsätze für amtliche Tintenprüfung haben ferner folgende Firmen Kennmarken für ihre Tinten bei dem unterzeichneten Amt eintragen lassen:
Nr. der Kenn⸗ marke
Firma Bezeichnung der Tinte
Chemische Fabrik Dr. Alsatia Urkunden⸗Tinte. . St. udwig / E.
Dieselbe
Alsatia Eisengallus⸗Schreib⸗
tinte. Berlin⸗Lichterfelde West, den 20. Oktober 1913. Königliches Materialprüfungsamt. J. V.: Ru deloff.
Bekanntmachung.
Unter Bezugnahme auf 5 4 der allgemeinen Vorschriften für die Markscheider im Preußischen Staate vom 21. Dezember 1871 bringen wir zur öffentlichen Kenntnis, daß dem Mark— scheideraspiranten Wilhelm Nysten in Aachen die Kon⸗ zession zum Betriebe des Gewerbes der Markscheider von uns erteilt worden ist.
Nysten wird seinen Wohnsitz in Aachen nehmen.
Bonn, den 24. Oktober 1913.
Königliches Oberbergamt. Krümmer.
Aichtamtliches. Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 27. Oktober 1913.
Seine Majestät der Kaiser und König hörten heute vormittag auf der Rückreise von Wien nach Wildpark den Vortrag des Vertreters des Auswärtigen Amts, Gesandten von Treutler.
Der Bundesrat versammelte sich heute zu einer Plenar⸗ sitzung.
Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Möwe“ am 24. Oktober in Bagamojo eingetroffen.
In der Dritten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staatsanzeigers“ ist eine Genehmigungs⸗ urkunde, betreffend eine Anleihe der Stadt Mar— burg, veröffentlicht.
Bahern.
Die Kammer der Abgeordneten setzte vorgestern die Beratung des Antrags, betreffend die Rückvergütung von zu Unrecht erhobenen Reichsstempelabgaben in Bayern, fort.
Nach dem Bericht des. W. T. B. erklärte der Finanzminister Ritter von Breunig, daß die zu Unrecht bejahlten Beträge nach Beschluß des Bundesrats allerdings zurückbezahlt werden müßten, aber nur dann, wenn sie nach der bestehenden Praxis nicht erhoben werden dürften. Die Regierung hätte ihre Kompetenzen überschritten, wenn sie eine Rückoergütung in der verlangten Ausdehnung hätte ein— treten lassen. Die gleichen Fälle wie in Bayern seien auch in anderen Staaten zahlreich vorgekommen. Die Regierung nähme aber keinen Anstand, die Rückvergütung einzuleiten, soweit sie diese dem Bundes⸗ rat gegenüber vertreten könne.
In Beantwortung einer Interpellation des Abg. Dr. Hamerschmidt (lib über die Malzweinfrage erklärte der Minister Freiherr von Soden: .
Die Regierung habe sich im Frühjahr mit der Reichsleitung ins Benehmen gesetzt wegen Maßnahmen, die geeignet seien, die durch die Herstellung des Malzweins, wie ihn eine Malzweinfabrik im Elsaß herstelle, für den Weinbau befürchteten Schädigungen auszuschließen. Es könne sich bei diesen Maßnahmen nur um ein gleichmäßiges Vor— gehen im ganzen Reichsgebiet handeln, und das Reichtamt des Innern werde in nächster Zeit an die Bundesregterungen mit Vorschlägen für ein weiteres Vorgehen herantreten.
— Die Kammer der Reichsräte trat heute zu ihrer ersten Sitzung in dieser Session zusammen.
Württemberg.
Bei der vorgestrigen Landtagsersatzwahl wurde, wie W. T. B.“ meldet, der sozialdemokratische Kandidat Redakteur Pflüger⸗Stuttgart mit 5646 Stimmen gegen den National⸗ liberalen, Stadtpfarrer Samparter gewählt, der 4162 Stimmen erhielt. Die Stärke der Fraktionen in der Zweiten Kammer ist nunmehr endgültig folgende:; Zentrum 25, Bund der Landwirte und Konservative 20, Volkspartei 19, Sozial— demokraten 17, Nationalliberale 11. Die Rechte hat somit 45, die Linke 47 Sitze in der Zweiten Kammer.
Oesterreich⸗Ungarn.
Von seinem Jagdbesuche bei dem Erzherzog Franz Ferdi⸗ nand auf Schloß Konopischt traf der Deutsche Kaiser, wie „W. T. B.“ meldet, gestern vormittag zu eintägigem Besuch bes Kaisers Franz Joseph in Penzig ein, wo er auf dem Bahn⸗ hofe vom Kalser Franz Joseph, den Erzherzogen Peter Ferdinand, Ludwig Salvator, Franz Salvator, . und Karl Albrecht, dem Korpskommandanten,
General der Infanterie von Ziegler, dem Stadtkommandanten, Feld⸗ zeugmeister Wikullil, dem Statthalter Dr. Freiherrn von Bienerth, dem Bürgermeister Exzellenz Dr. Weißkirchner, dem Polizei⸗ präsidenten von Brzesowsky, den Herren der deutschen Botschaft, dem sächsischen Gesandten Grafen Rex, dem bayerischen Ge⸗ schäftsträger Freiherrn von Frays, dem deutschen General— konsil in Budapest Grafen von Fürstenberg⸗Stammheim, dem deutschen Konsul Dr. Edler von Vivenot, dem österreichisch-unga⸗ rischen Botschafter in Berlin von Szögysny⸗Marich u. a. empfangen wurde. Nach sehr herzlicher Begrüßung und der Vorstellung der Gefolge schritten die beiden Monarchen die Front der Ehren⸗ kompagnie ab und fuhren darauf, gefolgt von den Erzherzogen, unter sich immer wieder erneuernden Hochrufen der Bevölkerung nach dem Schloß in Schönbrunn, wo Kaiser Wilhelm von den Erzherzoginnen Maria Annunziata, Maria Therese, Blanca und Isabella bewillkommnet wurde. Gegen 1 Uhr fand Frühstückstafel statt, nach der Kaiser Wilhelm im Schlosse das Präsidium des Oesterreichischen Jagdklubs, dessen Ehrenmitglied der Monarch ist, zur Entgegennahme des Klubabzeichens empfing. Durch den Militärattachs, Major Grafen von Kageneck ließ der Kaiser in der Kapuzinergruft an den Sarkophagen der Kaiserin Elisabeth und des Kronprinzen Rudolf zwei prachtvolle Kränze nieder⸗ legen. Im Laufe des Nachmittags fuhr Kaiser Wilhelm bei den Erzherzogen, die zu seinem Empfang erschienen waren, sowie bei den Erzherzoginnen, die ihn in Schönbrunn begrüßt hatten, vor, um überall selbst seine Karte abzugeben, und begab sich darauf mit den Herren seines Gefolges und des Ehrendienstes zum Besuch des deutschen Botschafters von Tschirschky und Bögendorff nach der deutschen Botschaft, wo er den Tee nahm. Nach der Rückkehr Kaiser Wilhelms nach Schönhrunn begab sich der Kaiser Franz Joseph in die Gemächer seines erlauchten Gastes, wo die Majestäten längere Zeit zusammen verweilten. Um 8 Uhr Abends fand im Antoinettenzimmer des Kaiser—⸗ lichen Schlosses Familientafel und im Rößchenzimmer Marschall⸗ tafel statt. Nach der Tafel verabschiedete sich der Deuische Kaiser in herzlichster Weise vom Kaiser Franz Joseph und den übrigen Mitgliedern der Kaiserlichen Familie und reiste vom Penzinger Bahnhof nach Wildpark ab. Zur Verabschiedung hatten sich auf dem Bahnhof der deutsche Botschafter mit den Herren der Botschaft, der Fürst Fürstenberg, der Botschafter Graf von Szöghény⸗Marich und die Herren des Ehrendienstes eingefunden. Auf besonderen Wunsch Kaiser Wilhelms war jede sonstige Abschiedsaufwartung unterblieben.
Der Kronprinz und die Kronprinzessin von Rumänien sind mit ihren drei ältesten Kindern heute vor⸗ mittag in Wien zu kurzem Aufenthalt eingetroffen. Wie „W. T. B.“ meldet, stattete der Kaiser Franz Joseph dem Kronprinzenpaar einen Besuch ab. Mittags fand zu Ehren der rumänischen Gäste beim Kaiser in der Hofburg ein Frühstück statt, an dem der Erzherzog-Thronfolger Franz Ferdinand, die Herzogin von Hohenberg und die übrigen in Wien weilenden Mitglieder des Kaiserhauses teil⸗ nahmen. — Im ungarischen Abgeordnetenhause brachte der Abg. Kostyal vorgestern vor dem Eintritt in die Tages⸗ ordnung die Konzession der Spielbank auf der Mar⸗ gareteninsel zur Sprache. Der Ministerpräsident Graf Tisza gab, obiger Quelle zufolge, nachstehende Erklärung ab:
Als er einige Wochen vor der Ernennung zum Ministerpräsidenten von der Angelegenheit Kenntnis erlanst hätte, habe er Len damaligen Ministerpräsidenten Lukacs sofort von seinem gegenteiligen Stand—⸗ punkte unterrichtet und seine Bedenken gegen die Spielbank aus— gesprochen. Erst bei der Uebernahme der Geschäfte habe er erfahren, daß die Konzessionäre 1400 900 Kronen für Parteizwecke gezahlt hätten. Er habe dem zurücktretenden Ministerpräsidenten erklärt, daß er die Konzession nicht ausfolgen könne und sich gegenüher den Konzessionären zu nichts verpflichtet fühle, als den Betrag für Partei⸗ zwecke zurückzuerstatten. Eine identische Erklärung sei dem Minister des Innern und den Direktoren der Spielgesellschaft gegenüber ab— gegeben worden. Er selbst habe abgelehnt, mit diesen zu verhandeln, weil er irgendwelche Entschädigungen, insbesondere wenn dabei mit Skandalen gedroht würde, nicht habe anerkennen wollen. Der Minister⸗ präsident drückte sodann sein Bedauern darüber aus, daß die Oppo⸗ sition, die sich bei der Verhandlung der wichtigsten Gesetzentwürfe zurückgehalten habe, gerade diesen verhältnismäßig geringfügtgen Anlaß ergreifen wolle, um wieder an den Sitzungen teilzunehmen. Sie habe diese Absicht später wieder aufgegeben, weil sich die Hoffnung gemindert habe, mit dieser Angelegenheit der Regierung Verlegenheiten zu bereiten.
Der ungarische Justizminister Balogh hat den Entwurf eines Preßgesetzes unterbreitet, in dem u. a. strenge Be⸗ stimmungen gegen die Winkelpresse und gegen die Veröffent⸗ lichung von schamverletzenden Ankündigungen getroffen werden. Ferner werden in dem Entwurf für die durch Presseangriffe Geschädigten Geldentschädigungen, die den nachweisbaren Ver— mögensnachteil übersteigen, vorgesehen; auch wird das Be⸗ richtigungs verfahren eingeführt. Dem Redakteur wird das Recht der fristlosen Kündigung eingeräumt für den Fall, daß der Herausgeber die Richtung des Blattes ändert.
Großbritannien und Irland.
Der Premierminister Asquith hielt vorgestern in Lady⸗ bank (Grafschaft Fife) eine Rede, die im wesentlichen die irische Frage zum Gegenstand hatte. Wie „W. T. B.“ meldet, führte Asquith aus:
Der Kanzler der Schatzkammer Lloyd George habe unter herz⸗ lichem Beifall seiner Kollegen die Grundlagen der Landreform skijziert. Vorher müßten jedoch ungelöste Fragen erledigt werden, vor allem die Homerule-Frage. Asquith erklärte, in der nächsten Session die Parlamentzzakte auf die Homerule— bill anwenden zu wollen. Die Regierung werde sich durch die An⸗ drohung gewaltsamen Widerstandes nicht beeinflussen lassen. Wenn das Gesetz, nachdem es Rechtskraft erlangt habe, organisiertem, be— waffnetem Widerstand begegnen sollte, so werde es die Pflicht der Exekutive sein, durch alle notwendigen entsprechenden Maßregeln dem Gesetz Achtung zu verschaffen. Aber die eingewurzelten aufrichtigen NUeber⸗ zeugungen der Ulsterleute müßten berücksichtigt werden. Die beste Lösung der Frage wäre eine Erledigung in göägenseitiger Uebereinstimmung. Eine förmliche Konferenz halte er für ,, Aber wenn eine allgemeine Neigung für einen Meinungsaustausch vorhanden sei, so sei die Regierung durchaus zur Teilnahme bereit, unter der Voraus⸗ setzung, daß in Dublin ein irisches Parlament und eine Exekutive ge— schaffen und kein dauerndes unüberwindliches Hindernis für die Ein⸗ heit Irlands errichtet würde.
Frankreich.
Die „Agence Havas“ veröffentlicht den Erlaß des Marine⸗ ministers vom 23. September, der sich auf die religiösen Zeremonien an Bord der Kriegsschiffe bezieht. Aus diesem geht hervor, daß Kultuszeremonien an Bord der fran⸗ zösischen Kriegsschiffe sowohl in den ausländischen wie in den Heimatshäfen verboten sind, ausgenommen bei äußeren Ver—
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anstaltungen aus internationaler Höflichkeit in einem Lande, in
dem Frankreich das Protektorat über die Katholiken ausübt. Es handelt sich in diesem Falle besonders darum, daß die Flagge am Karfreitag und dann halbstock gesetzt wird, wenn ein ausdrückliches Ersuchen des diplomatischen oder konsularischen Vertreters Frankreichs in Uebereinstimmung mit den Behörden des Landes vorliegt.
Rußland.
Der Minister des Aeußern Ssasonow ist vorgestern wieder in St. Petersburg eingetroffen.
Italien.
In ganz Italien haben gestern die allgemeinen Wahlen zur Abgeordnetenkammer stattgefunden. Durch das neue Wahlgesetz, das zum ersten Male zur Anwendung gelangt, ist das Wahlrecht fast allgemein geworden, und die Zahl der Wahlberechtigten hat sich von 3319 207 auf 8672 249 erhöht. Die Wahl vollzieht sich, wie „W. T. B.“ meldet, in 508 Wahlkreisen mit je einem Abgeordneten, die Abstimmung erfolgt in Wahlbezirken. Die Stimmenzählung soll in der Regel um 5 Uhr Nachmittags beendet sein, wenn aber noch Wähler anwesend sind, kann die Abstimmung auch bis 8 Uhr Abends fortgesetzt werden; um Mitternacht muß die Zählung beendet sein. Ist sie das nicht, so werden die Urnen und die Wahl— protokolle dem Gericht ausgehändigt, das die Zählung zu Ende führt. Die Wahl erfolgt durch Stimmzettel, die neben dem Namen des Kandidaten ein Gegenzeichen tragen, das auch das Bildnis des Kandidaten sein kann, um den Analphabeten den Wahlzettel kenntlich zu machen. Der Stimmzettel wird in einen amtlichen Umschlag von einheitlichem Typus gelegt, der von der staatlichen Wertpapierfabrik hergestellt wird. Zur Sicherung des Wahlgeheimnisses und zur Verhinderung jeder Art von Betrug sind strenge Vorsichtsmaßregeln getroffen. Das Ein— stecken des Stimmzettels in den Umschlag erfolgt durch den Wähler in einer besonderen Kabine. Die Wahlurnen zeigen ebenfalls einen einheitlichen Typ, bestehen aus Glas und sind durch einen Metall— faden gegen jedes Erbrechen gesichert. Die Zahl der Kandidaten für die 50s Mandate beträgt ungefähr 1300. In einzelnen Wahlkreisen sind bis zu 7 Kandidaten, in 46 Wahlkreisen nur se ein Kandidat aufgestellt; solche Kandidaten ohne Gegner sind der Ministerpräsident Giolitti, der Schatzminister Tedesco, der Justizminister Finochiaro-Aprile und der frühere Minister— präsident Luzatti. Etwaige Stichwahlen werden am nächsten Sonntag, den 2. November, vollzogen.
Bis heute 5 Uhr Morgens lagen die Ergebnisse aus 126 Wahlkreisen vor. In diesen sind 72 Ministerielle, 8z verfassungstreue Oppositionelle, 3 Radikale, 3 Katholiken, 5 Republikaner, 11 offizielle Soziglisten, 6 reformierte Sozia⸗ listen gewählt worden. In 18 Wahlkreisen ist eine Stichwahl erforderlich.
Spanien.
Die Cortes haben vorgestern ihre Arbeiten wiederaufge— nommen. In der Kammer brachte, wie „W. T. B.“ meldet, der Finanzminister einen Gesetzentwurf ein, der die Organisation des Zolldienstes abändert, die Erhebung mehrerer Steuern einführt, besonders eine Einkom men— steuer, eine Alkohol-, eine Zucker- und eine Stempel— steuer, und der die Salzsteuer wieder einführt, deren Er— hebung am 31. Dezember aufhören sollte. Der Gesetz⸗ entwurf, durch den die Einkommensteuer eingeführt wird, wird auf alle Einzelpersonen, Korporationen, Gesellschaften, Vereinigungen, Gründungen und Gemeinden mit einigen Aus— nahmen angewendet werden. Die Steuer wird die Gesamt⸗ summe des jährlichen Einkommens zur Grundlage haben, das von Kapital-, Grundbesitz, Handels- und Industrieunterneh⸗ mungen, Berufen, Pensionen und jeglichen anderen Einnahme— quellen herrührt. Einkommen von 5000 Pesetas und darunter werden von der Steuer nicht betroffen werden. Der Minister brachte ferner einen Gesetzentwurf ein, betreffend einen außerordentlichen Kredit von zwei Millionen Pesetas für ein Dienstgebäude des Ministerpräsidenten. Der Kriegs minister brachte einen Gesetzentwurf ein, der als Altersgrenze für Generalleutnants 70 Jahre, für Divisionsgenerale 66 Jahre, für Brigadegenerale 60 Jahre und für Obersten 59 Jahre festsetzt. Die Anwendung des Gesetzes soll so erfolgen, daß wohl erworbene Interessen be⸗ rücksichtigt werden. Die auf diese Weise frei werdenden Stellen sollen eingehen. Weiter brachte der Kriegsminister einen die Organisation der Armee betreffenden Gesetzentwurf ein, der die Truppen ersten Aufgebotfs auf 215 009 Mann, zweiten Aufgebots auf 90000 und dritten Aufgebots auf 60 000 Mann festsetzt, was zusammen mit den Truppen in Afrika, auf den Balearen und den Kanarischen Inseln, die S80 (000 Mann betragen, eine Gesamtzahl von 445 000 Mann ergibt. Das stehende Heer soll aus 1390 000 Mann bestehen, davon 81 000 für die Hauptstadt, 51 000 für Afrika, 4100 für die Balearen und 2800 für die Kanarischen Inseln. Die Kompagnie soll aus mindestens 100 Mann, die Eskadron aus 110 Mann bestehen. Die Truppen ersten Aufgebots werden aus acht Divisionen, einer Feldartilleriebrigade, einer Flug—= zeugpatrouille und Hilfstruppen bestehen. Ferner wird in jedem Militärbezirke eine Kadredivision organisiert werden. Die Truppen zweiten Aufgebots werden acht Divisionen, eine selbständige Kavalleriebrigade, acht Reserveartillerieregimenter und die Verwaltungseinheiten ent⸗ halten, die für die Truppen des stehenden Heeres eingesetzt sind und zu allen Hauptwaffengattungen, Spezialwaffen und dem Sanitätskorps gehören. Die Truppen dritten Aufgebots Landwehr) werden nicht in Divisionen und Brigaden eingeteilt sein. Sie werden im Kriegsfalle die gleiche Anzahl von Bataillonen stellen wie die Truppen zweiten Aufgebots unter hinz fü gung eines Kavallerieregiments und eines Pionier— bataillons.
— Der Senat hat vorgestern eine Tagesordnung, in der der Regierung das Vertrauen ausgesprochen wird, mit 106 gegen 163 Stimmen abgelehnt. Ueber den Verlauf der Sitzung berichtet das „W. T. B.“, wie folgt;
Bald nach Beginn der Sitzung nahm der Ministerpräßdent Romanones unter großer Ae n Fan fal des Hauses das Wort und erinnerte an die Demission des Praͤsidium des Senats, die infolge der Einbringung des Zweckverbandsgesetzes erfolgt sel. Er skißzierie sodann den Verlauf der Ereignisse in Marokko und die Streikbewegung in Barcelona und setzte die Beweggründe auseinander, die die Regierung zur Vertagung der Cortes veranlaßt hätten. Er gedachte der; esuche des Königs Alfons in Paris und des Präsidenten Poincaré in adrid, durch die' fich die französisch⸗spanischen Beziehungen enger gestaltet hätten. Vie Politik der gegenwärtigen Regierung sei derart, daß die ihr folgenden Regierungen sie nur entweder sortsetzen aher auslöschen könnten. Romanones kündigte ferner ein Gesetz über
die Gewissensfreiheit an, sprach von den vom Finanzminister einge⸗
Prachten Gesetzentwürfen und von der wirtschaftlichen Lage des Landes
und bemerkte, daß seit 1909 das öffentliche
um 155 000 0900 Pesetas zugenommen habe. Der Minisser⸗ präsident erwähnte weiter die Annäherung gewisser republi⸗ fanischer Elemente an die Monarchie und sprach die Hoffnung aus, daß der Tag nahe sei, wo alle demokratischen Ideen im Schoße der Monarchie Platz finden würden. Die Regierung wünsche eine wahre Mehrheit. Sie wolle diesen Saal nicht verlassen, ohne diese Mehr⸗ beit kennen zu lernen, und sich nicht mit einer ungewissen Mehrheit beanügen. Er bitte nicht um die Stimmen des Senats, aber er wünsche, daß der Senat seine Haltung klar zu erkennen gebe, denn von seiner Haltung werde die der Regierung abhängen.
Der Liberale Pulido brachte darauf eine Tagesordnung ein, in der der Regierung das Vertrauen ausgesprochen wird. Der General Azearaga bekämpfte diese Tagesordnung, da die Konservativen die Gründe, aus denen die Regierung die Cortes für so lange Zeit ver— tagt habe, nicht anerkennen könnten. Der Abbadal Labra (Re— publikaner) erklärte, daß seine Partei sich der Abstimmung ent halten werde. Die Abstimmung ergab das obige Resultat. Nachdem das Ergebnis bekannt geworden war, entstand eine außer— ordentliche Bewegung im Saal, und der Präsident versuchte vergeblich, die Ruhe wieder herjustellen. Die Anhänger des Ministerpräsidenten brachten Hochrufe auf den König und Romanones aus, der schließlich den Saal verließ, worauf die Sitzung geschlossen wurde.
Infolge der Abstimmung des Senats hat das Kabinett Romanones dem König seine Demission ein— gereicht. Der König hat obiger Quelle zufolge Maura mit der Bildung des Kabinetts betraut. Dieser aber lehnte ab und überreichte dem König ein Exposé, das schriftlich die Gründe anführt, die ihn abhielten, die Bildung des Mini⸗ steriums zu übernehmen. Maura riet dem König, den früheren konservativen Präsidenten der Kammer Dato mit der Kabinettsbildung zu betrauen. Dato nahm an, behielt sich aber Bedenkzeit bis heute mittag vor.
Türkei.
Der Ministerrat erörterte vorgestern die Vakuffrage, um den türkischen Delegierten in Athen endgültige Instruktionen zu geben.
Schükri Pascha, der Verteidiger von Adrianopel, und andere höhere Offiziere, die in Bulgarien gefangen waren, sind vorgestern in Konstantinopel eingetroffen und mit großen Ehren empfangen worden. Eine zahlreiche Menschenmenge be⸗ reitete ihnen lebhafte Huldigungen.
Griechenland.
Die Subkommission der Friedensdelegationen hat gestern, wie „W. T. B.“ meldet, ihre Arbeiten beendet, deren Ergebnis der Vollversammlung der Delegierten vorgelegt werden wird. Die Frage der Muftis ist geregelt; der Obermufti wird ein griechischer Staatsbeamter sein, der sein Gehalt aus dem griechischen Staatsschatz, nicht von der Türkei bezieht. Der Scheich⸗ul⸗Islam wird ihn bloß an— zuerkennen haben. Zwischen den Mitgliedern der Subkommission ist ein vollkommenes Einvernehmen erzielt worden. Man er— wartet noch die Antwort der Pforte, die die jüngsten Ent⸗ scheidungen der Subkommission ratifizieren soll.
Serbien.
Wie amtlich gemeldet wird, haben vorgestern mittag die letzten serbischen Truppen die Grenzen des autonomen Albaniens verlassen.
In dem Entwurf einer Adresse der natio nalistischen Partei wird die Politik der Regierung während der beiden Kriege als durchaus unbefriedigend bezeichnet und laut Meldung des „W. T. B.“ gesagt:
Die Regierung babe sich der Illusion hingegeben, daß Bulgarien in leyaler Weise Serbien unterstützen werde. Diese Illusion habe wichtige Interessen geschädigt, da sich die Aktion der serbischen Re⸗ gierung statt auf Serbisch Mazedonien auf Gebiete erstreckt habe, deren Schicksal schon durch ein Uebereinkommen zweier Großmächte entschieden gewesen sei. Die serbische Armee sei hierdurch zahlreichen unnützen Opfern ausgesetzt worden, ohne daß es der Regierung gelungen sei, sich auch nur einen der von der serbischen Armee eröffneten Wege zu zwei Meeren politich zu sichern. Ebenso habe es die Regierung unterlassen, rechtzeitig von Bulgarien eine Repision des Bündnisvertrages zu fordern und die Einverleibung der erorberten Ge— biete durchzuführen. In dem Augenblicke, als die Regierung die Ent⸗ scheidung über die strittigen Gebiete einem unerläßlichen Schieds⸗ gerichtsurtetl überlassen habe, sei die serbische Armee von den Bulgaren bei Nacht aus dem Hinterhalt überfallen worden. Schließlich habe die Regierung durch ungenügenden Schutz der serbischen Grenze den Einfall der Albanesen erleichtert und dadurch der kaum demobilisierten serbischen Armee neue Opfer auferlegt.
Vermögen
Montenegro.
Das Amtsblatt veröffentlicht einen Königlichen Ukas, durch den die Skupschtina aufgelöst wird. Die Neuwahlen finden am 11. Januar statt und die neue Skupschtina ist für den 28. Januar einberufen.
Der Vizeadmiral Burney ist heute in Cetinje eingetroffen und, wie die „Südslavische Korrespondenz“ meldet, vom König mit außerordentlichen Ehren empfangen worden. Burneny konferierte später längere Zeit mit dem Ministerpräsidenten und dem Minister des Aeußern und reiste dann nach Cattaro ab.
Albanien.
Das Komitee der in Valona weilenden Flüchtlinge aus Südalbanien hatte für vorgestern eine Versammlung ein⸗ berufen, um gegen die Behandlung der Bevölkerung in den von den Griechen besetzten südalbanischen Gebieten Ein spruch zu erheben. Nach einer Meldung des Wiener „K. K. Telegraphen - Korrespondenzbureaus“ wandten sich in der überaus zahlreich besuchten Versammlung sämtliche Redner gegen das Vorgehen der Griechen gegenüber den Südalbanesen und gaben dem Wunsche Ausdruck, daß die Mächte diesen Zuständen ein Ende machen möchten. Die Teilnehmer an der Versammlung überreichten der Kontrollkommission ein Memorandum, in dem sie auf die harten Bedrückungen und Qualen des unglücklichen albanesischen Volkes und die Grausamkeiten der griechischen Soldaten hinwiesen und an die Großmächte und alle zivilisierten Völker die flehentliche Bitte richteten, dafür zu sorgen, daß das Leben ihrer Brüder geschont und das albanesische Land . als möglich von der Besetzung durch fremde Heere befreit werde.
Amerika.
Gestern hat die Präsidentenwahl in Mexiko bei nur schwacher Beteiligmng der Wähler stattgefunden. Wie „W. T. B.“ meldet, glaubt man, daß die geringe Zahl der abgegebenen Stimmen für eine verfassungsmäßige und gesetzliche Wahl nicht ausreicht und daß daher der Präsident Huerta weiter⸗
ist der Girobestand um 100 bezw. 50 Millionen höher.
hin provisorischer Präsident bleiben wird. Ruhestörungen sind nicht vorgekommen.
Durch ein Dekret Huertas ist der Bestand des Heeres von S5 000 auf 150 000 Mann erhöht worden.
Asien.
Nach einer Meldung der „St. Petersburger Telegraphen⸗ Agentur“ ist in der Festung Suidung, wo die chinesische Obrigkeit residiert, ein Bürgerkrieg ausgebrochen, wobei die Regierungspartei die Oberhand gewonnen hat. Der Anführer der Meuterer Sudukuang hat sich unterworfen. Der Gouverneur von Urumtschi, ein Gegner des letzteren, und die Generale Funtang und Lisuntschang sind ermordet worden.
Handel und Gewerbe.
In der heutigen Sitzung des Zentralausschusses der Reichsbank führte der Vorsitzende, Vizepräsident des Reichs⸗ bankdirektoriums Dr. von Glasenapp bei Besprechung der vorliegenden Wochenübersicht folgendes aus: Während der Gesamtstatus der Reichsbank bis zur ersten Septemberwoche trotz des um 1 und 11 Proz. höheren Zinsfußes schlechter war als im Vorjahr, hat sich vom 15. September ab nach und nach eine Besserung angebahnt, die dahin geführt hat, daß wir jetzt 202 Mill. Mark weniger ungedeckte Noten haben als in der gleichen Zeit im Vorjahre. Diese Besserung hat sich vor allem bei der Anlage gezeigt. Der Wechselbestand von 970 Millionen ist jetzt um 474 Millionen geringer als im Vorjahre, beträgt also nur etwa * des vorjährigen Bestandes. Der Lombardbestand hält sich auf ungefähr gleicher Höhe, während der Effektenbestand sich infolge der Ansprüche des Reichs um 124 Millionen höher stellt als im Vorjahre. Die Anlage insgesamt ist um 350 Millionen geringer als 1912. Hierbei muß allerdings daran erinnert werden, daß im vorigen Jahre der Balkankrieg und die am 24. Oktober erfolgte Diskonterhöhung auf 56 die Handelswelt zu umfang⸗ reichen Diskontierungen veranlaßt hatte. Verfolgt man die Rückflüsse seit dem 30. September für mehrere Jahre zurück, so ergibt sich für die ersten 3 Wochen des Oktober:
im Jahre 1909 ein Rückfluß von 550 Mill. Mark,
ö. 19160 . 59] ö. 191 . 586 . 1912 ! 161 g 1915 J 60
In diesem Jahre ist also die Anlage am zurückgegangen. Auch der Metallbestand zeigt liches Bild. Er beträgt jetzt 1494 Mill. Mark darunter Gold 1220 Mill. —, d. i. gegen das Vorjahr mehr 296 Mill. Mark; die Vermehrung des Goldes beträgt sogar 333 Mill. Mark. Die Notendeckung hat sich gegen das Vorjahr gebessert um 311 Millionen Mark. Sie beträgt jetzt 78,8 gegen 66,6 Proz. im Vorjahre. Banknoten befanden sich im Umlauf 1959 Millionen Mark, d. s. 109 Millionen mehr als im Vor⸗ jahre. Auch hierin ist eine Besserung zu verzeichnen, denn an den meisten Wochenschlüssen war der Banknotenumlauf weit über 290 Millionen höher als im Vorjahre. Am un⸗ günstigsten ist der estand der fremden Gelder; es sind jetzt vorhanden 7095 Millionen gegen 854 Millionen im Vorjahre, also 149 Mill. Mark weniger. Auch hier macht sich die Dis⸗ konterhöhung vom 24. Oktober v J. bemerkbar, indem die Beträge der vorher diskontierten Wechsel dem Girokonto gut⸗ geschrieben worden sind. Gegen die Jahre 1909 —1911 Ver⸗ gleicht man den Status vom 23. Oktober in seinen wesent⸗ lichen Positionen mit denen der Vorjahre, so ist der Gold⸗ bestand noch nie so hoch gewesen wie jetzt, dagegen ist die Kapitalanlage in den Vorjahren durchweg zum Teil be⸗ trächtlich höher gewesen. Man muß bis zum Jahre 1904 zurückgehen, wo sie niedriger war als jetzt. Bei den un⸗ gedeckten Noten muß man bis zum Jahre 1903 zurückgehen, wo sie 30 Millionen geringer war. Der Status der Reichs⸗ bank hat sich also zusehends gekräftigt. Was gegen eine Herabsetzung des Diskonts sprach, war bisher, ab⸗ gesehen von den politischen Verhältnissen, die Lage des internationalen Geldmarkts, die auch jetzt noch zu wünschen übrig läßt; der Privatdiskont in London und Paris ist der Bankrate nahegerückt, und der Scheckkurs auf London ist infolge der alljährlich wiederkehrenden amerikanischen Be⸗ dürfnisse auf 20,49 gestiegen. Der letzte Status der Bank von England zeigt jedoch ebenso wie der der Bank von Frankreich eine kleine Besserung. Recht günstig ist die Entwicklung unserer Handelsbilanz. Im Monat September ist die Warenausfuhr sogar größer als die Wareneinfuhr gewesen. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände und im Hinblick auf die sinkende Tendenz der Konjunktur und auf die Besserung der politischen Lage erscheint nunmehr eine Ermäßigung der Bank⸗ rate angängig und deshalb — angesichts der schweren Opfer, die ein Diskontsatz von 6 Proz. dem wirtschaftlichen Leben auferlegt auch geboten. Bei der noch unklaren Lage des internalionalen Geldmarkts glauben wir aber die Ermäßigung auf ½ Proz. beschränken zu müssen.
Der Zentralausschuß erklärte sich mit diesen Ausführungen einstimmig einverstanden. Schließlich wurden noch die Aktien einer Deutschen Eisenbahngesellschaft sowie mehrere Stadt⸗ anleihen zur Beleihung im Lombardverkehr zugelassen.
1 kräftigsten ein erfreu⸗
(Weitere Nachrichten über „Handel u. Gewerbe“ s. i. d. Ersten Beilage.)
Kunsft und Wissenschaft.
Erdbebenforschung in Deutsch Südwestafrika.
Bisher hielt man, abgesehen vom mittelländischen Küstengebiet, das afrikanische Festland für seismisch sehr ruhig. Gegen diese alther⸗ gebrachte Auffassung mußten sich aber die Bedenken mehren in dem Maße, wie sich unsere Kenntnisse des geologischen Aufhaus von Afrika erweiterten, und diesen Bedenken gaben, mit zunehmender Erschließung des Erdteils, einzelne zu uns dringende Nachrichten Recht. So wurde am 13. Dezember 1910 im Bruchgeblet von Deutsch Ostafrika ein sogenanntes Weltbeben ausgelöst; im deutschen Schutzgebiete wurde eine Fläche von fast 1 Million Quadratkilometern erschüttert, was höchstens den dritten Teil des gesamten Schüttergebiets ausmacht. Auch aus Deutsch Südwestafrika r im Laufe der letzten Jahre eine Reihe von Erschütterungen bekannt geworden.
JInfolgedessen hat die Kaiserliche Hauptstation für Erdbeben forschung in Straßburg sich bemüht, ebenso wie in den anderen Schutz- gebieten, in Deutsch Südwestafrika einen Erdbebenmeldedienst
einzurlchten. So wurden Fragebogen und Anleitungen abgegeben. an die wichtigsten meteorologlschen Stationen und eine Reihe inter⸗ essterter Persönlichäetten, unter denen Bertrksgeologe Dr. P. Range in Kuibis und Oberleutnant a. D. von Thümen in Windhuk be⸗ sonders ju nennen sind. In ein ganz neueg Stadium trat die An⸗ gelegenheit, als im Laufe dieses Jahres der Kaiserliche Gouverneur von Deutsch Südwestafrika die Sache in die Hand nahm und die Beobachtung nach dem Schema der Kaiserlichen Hauptstation für die ihm untersiellten Behörden ge sz machte und auch sonst noch eine Reihe privater Beobachter gewann. Die ESrgebnisse werden der Kaiserlichen Hauptstation vollinhaltlich sofort mit⸗ geteilt. Infolgedessen ist Deutsch Südwestafrika mit einem dichten Netze von Beobachtern überzogen, sodaß heute wohl kaum mehr eln Erdbeben dort der Beobachtung entgehen dürfte. Wenn man außerdem berücksichtigt, daß die Beobachtung nach dem von der Kaiserllchen Hauptstation ausgearbeiteten Schema geschieht und dadurch über alle für die wissenschaftliche Forschung nur wünschens⸗ werten Fragen Auskunft gibt, so kann man unbedenklich sagen, daß der heutige Erdbebendienst in Deutsch Südwestaftika einer der besten existierenden ist. Schon in der kurzen Zeit seines Bestehens hat das praktische Ergebnis dieses Dienstes den gehegten Er⸗ wartungen vollauf entsprochen und ein äußerst wichtiges Beobachtungs⸗ material gellefert, Es zeigt sich daraug, daß Deutsch Südwest⸗ afrika in seismischer Hinsicht ein sehr erregtes Land ist. Neuerdings hat der Gouverneur von Deutsch Si hr fte rita auch eine seismische Station in Windhuk einrichten lassen, die mit den neuesten Instrumenten ausgerüstet ist. Da in den sämtlichen deutschen Schutz⸗ gebigten eine recht lebhafte Erdbebentätigkeit herrscht, vor allem aber in Neuguinea, so wäre sehr zu wünschen, daß auch die übrigen Kolonien hald in ähnlicher Weise ihren Erdbebendienft ausbauen würden. Ein solcher Dienn hat nicht nur wissenschaftliche Bedeutung, sondern ist auch von großem praktischen Wert. Schon jetzt konnte die Kaiserliche Hauptstation in einer Rethe von Fällen für die Er⸗ richtung größerer industrieller Anlagen und Gebäude wichtige Gut⸗ achten abgeben.
Theater und Musik.
Komödienhaus.
Im Komödienhause wurde gestern das vieraktige Schauspiel „Hinter Mauern“ des dänischen Schriftstellers Henri Nathansen (deutsch von Dr. J. Josephsohn) zum ersten Male aufgeführt und sesselte besonders durch die gute Zustandsschilderung des Familien⸗ lebens in einem jüdischen Hause. Die Handlung selbst ist zu breit ausgesponnen, auch in der Motivierung des Geschehent nicht immer ganz folgerichtig aufgebaut. Man muß sich z. B. darüber wundern, daß zwischen den jüdischen und christlichen Familienhäuptern, deren Kinder sich miteinander verlobt haben, just das nicht, oder erst sehr spät ausgesprochen wird, was unbedingt gleich zwischen ihnen hätte klargestellt werden müssen. Daran, daß auch manches für deutsche Begriffe als veraltet Anmutende mit unterläuft, darf man weniger Anstoß nehmen, weil eben nicht deutsche, sondern däntsche Verbältnisse die Unterlage des Schauspiels bilden. Indessen werden diese Mängel durch den oben erwähnten Vorzug, durch eine vortreffliche Zeichnung der Charaktere und durch eine Lebensbeobachtung, die den echten Humoristen verrät, wieder aufgewogen. Ganz besonders glaubhaft werden die Mitglieder der Familie Levin auf die Bühne gestellt: der alte Bankier Lehin, der start an dem Herkommen festhält, nament⸗ lich an den Familienzusammenkünften am Freitagabend, bei aller Strenge der Lebensauffassung aber auch gütig und väterlich im Hause das Regiment führt, seine Frau, die ihn mit sicherem weiblichen Instinkt zu beeinflussen und Unstimmigkeiten auszugleichen versteht, seine Söhne, von denen der jüngere ganz in der Familientradition aufgeht, während der ältere schon freier über das neuzeitliche Leben denkt, und schließlich die Tochter, die fast ganz und gar aus der Art geschlagen ist und sich, ohne zu fragen, mit einem christlichen Privat⸗ dozenten verlobt hat. Komplöriert wird dieser Fall dadurch, daß der Privatdozent der Sohn eines Mannes ist, der den alten Levin dereinst schwer in seiner jüdischen Ehre kränkte, und unüberbrüchar scheinende Gegensätze die beiderseitigen Eltern zu trennen scheinen. Aber die Liebe der Jungen bisiegt schließlich alle Hindernisse, sodaß man zuletzt enn vereinigtes Liebespaar vor Augen hat und ahnt, daß sich mit der Zeit durch gegenseitiges Verstehen manches zwischen den Alten mildern wird. Eine geradezu glänzende Darstellung verhalf dem Schauspiel zu einem lebhaften Erfolge. Vor allem verdient Artur Bergen in der Rolle des alten Levin genannt zu weiden. Dieser Darsteller, der auf den Bühnen von Meinhard und Bernauer leider nicht immer auf den rechten Platz gestellt worden ist, rückt mit, dieser Leistung plötzlich in die erste Reihe. Eine ebenbürtige Partnerin hatte er in Frieda Richard, welche das mütterlich fürsorgliche Wesen der Frau Levin mit sicherem Takt wiedergab und ihm kleine unauffällige humoristische Lichter aufsetzte. Eugen Burg als der ruhigere ältere und Fritz Lion als der jüngere lebhaftere der beiden Söhne Levins schufen nicht minder wirkungsvolle Charaktertypen, desgleichen Max Junak als schüchterner jüdischer Prokurist. Die Tochter Levins fand in Mathilde Brandt eine temperamentvolle und sympathische Ver- treterin. Walter Steinbeck als Privatdozent, Gustav Botz und Olga Engl als dessen Eltern vervollständigten mit ebensoguten Leistungen das unter der Regie von Ernst Welisch stehende, künstlerisch fein ab⸗ getönte Zusammenspiel.
Im Königlichen Opernhause findet morgen, Dienstag, eine Wiederholung der ‚Fledermaus“ unter der musikallschen Leitung des Kapellmeisters Dr. Besl statt. Die Rollen der Rosalinde und Adele werden vertretungsweise durch zwei Gäste: Frau Beatrice Kernie vom Königlichen Theater in Hannover und Fräulein Alma Saccur gesungen. Frau Götze singt den Orlofski, Herr Philipp den Eisenstein. Herr Clewing und Herr Böttcher vom Königlichen Schauspielhause wirken als Gefängnisdirektor bezw. Dr. Falke mit, Herr Sommer singt den Alfred, Herr Krasa den Dr. Blind, und Herr Schulz ist der Vertreter des Frosch. In der Balletteinlage des II. Aktes sind die Damen Peter und Geisel beschäftigt. — Die Hohen für die nächste Neuheit: ‚Der Satansweg“ C, Les Voitures verses“), Musik von Boieldien, Neubearbeitung von G. Droescher, werden unter der musikalischen Leitung von Dr. Richard Strauß in den nächsten Tagen beginnen. In den Hauptrollen werden die Damen Andrejewa⸗Skilondz, Alfermann, von Scheele⸗Müller, sowie die Herren Hoffmann, Henke, Sommer, Schwegler, Philipp, Schulz und Bach⸗ mann beschäftigt sein. Die Erstaufführung ist für den 5. November festgesetzt. Am gleichen Abend geht, neueinstudiert und mit neuen Einlagen versehen, „Slavische Brautwerbung“, Tanzbild von E. Graeb, Musik von P. Hertel, in Szene.
Im Königlichen Schauspielhausfe wird morgen Shake⸗ . oni Richard II“, mit Herrn Mühlhofer in der Titelrolle, wiederholt.
Mannigfaltiges. Berlin, N. Oktober 1913.
Die unter der Schirmherrschaft Seiner Majestät des Kaisers und Königs stehende Deutsche Garten baugesellschaft veranstaltet in der Zeit vom 30. d. M. bis zum 2. November im Reichstags⸗ gebäude eine große Herb stblum en schau. Von den großen Locken⸗ köpfen des vielfarbigen Chrysanthemums bis herunter zu den zarten einfachen Herbstastern, von dem unscheinbaren Alpenveilchen, wie es in seiner Heimat vorkommt, bis zu den staunenswerten Cyelamen⸗ Neuzüchtungen der letzten Jahre, von Begonien, Bromeltaceen, Farnen, Primeln, Gladiolen und den reichen Sortimenten der so be⸗ lebten Stauden wird Außerordentliches zu sehen sein. Die Aus⸗ . wird von 10 bis 7 Uhr geöffnet sein, der Einirittspreis 1 6 etragen. .