1913 / 62 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 12 Mar 1913 18:00:01 GMT) scan diff

. . . ö Anstedlungskommission bestanden 71,3 3 aus Erwerbungen que den ?. und 28,7 , aus polnischer Hand. Dieser Prozentsatz stellt . in den letzten Jahren wesentlich ungünstiger. Jedenfalls ist . ; zu Jahr mehr deutscher Groößbesitz erworben worden und hät si h 26 Verhältnis zu ungunsten des deutschen Sr mb bes e fl beg, 2 fortgesetzte Verschiebung gibt zu ernsten Bedenken 2 8 ö . dadurch das Schwergewicht des Grunzbesitzes auf dem . in . ö. schaftlicher und auch politischer Beziehung von der den eg n r bofnischen Seite verschoben. Diese Bedenken nötigen uns, der ö i Staatsregierung dringend ans Herz zu lien hei ö. weite: ö. Erwerbungen deutschen Besitzes durch Die Ansied lunge ö außerste ih walten zu lassen und dieselben 99 gun begchten wie bei der , , ,,,, c olitischen Freunde dieselben Aufgabe der Grin r en n . Durch Einzelwünsche, die in 9 . näher geprüft werden könnten, lassen wir jedoch un gte . , zu diesem Werke nicht beeinflussen. Vie n rei erun,, ö. getzi⸗ ein, daß sie bei allen gesetzlichen Maßregeln. zur ö. , Deutschtums in der Ostmark meine politischen Freunde stets an ihre Seite finden wird. . ö . Zentr.); Unsere Stellung zu die ser. Vorl . dieselbe, welche wir immer eingenommen habeß. Wir ö . lehnen, weil sie der Gerechtigkeit und der , n e . Aber noch eins kommt hinzu. Die bisherige Pwolcnpgitit, ha sich (. vollständig erfolglos erwiesen. Das giht. selbst, . . Begründung des Gesetzentwurfes zu. Eine J ö

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ü Regierung ausgesprochen worden. Polen we k so . sie in die Stadt. Werden 5 West⸗ preußen und Posen von Land und Stadt den, ,. ö . andere Provinzen, insbesondere in die westlichen. ,, is ; den westlichen Provinzen ein Anwachsen der polnischen . e, . beobachten. Durch den Kampf gegen das en n mn, etzie man . daß sich die Polen immer sester zusammenschließen, i 3 ö. radikaler und oppositioneller werden, und daß sie ö 3 Sozialdemokratie übergehen, obwohl an sich die holnische d eb . cinen durchaus konserbativen Charakter in sich trägt. Die Po nif ö Bevölkerung wächst immer mehr, und kein Mittel der Regierung 63 das verhindern können. Die neuen Millionen önnen auch zum Tell mit zur Enteignung verwandt werden. In. der I nenn wird ö. drücklich schon auf die Enteignung. hingewiesen. Sie wird ja imn

mit der Staatsnotwendigkeit begründet. Man sollte die Gelder, die

für diese Zweck endet werden, lieber dafün verwenden, um . außen hin, gegen den äußeren ö,, staͤrken. Wir erwerben ung ja mit un erer Slellunn zur ,. it n weiten Kreisen keine Freunde. Wir können unserer Par ei im Gegenteil politisch Schaden bereiten; das hält ung aber nicht ab. auf dem Boden des Rechts zu bleiben und für das einzutreten was wir im Intereffe des Staates als richtig anerkennen. Aber dereinst in der Geschichte wird man das anerkennen, dann wird. es e, e , . Verdienst der Zentrumspartei sein, daß sie, die an K und Opfersinn von keiner anderen Partei übertroffen wird, in ö

chweren Zeit den Mut und die Entschlossenheit gehabt. han für ö. Recht einzutreten. Unsere Stellungnahme, wenn wir, sie konsequen innehalten, dient auch den Interessen des Vaterlandes.

inanzminister Dr. Lentze:

. ö Der Herr Abg. Herold hat die Vorlage aus zwei Gründen bekämpft. Als ersten Grund führte er an, er und seine Freunde müßten gegen das Gesetz auftreten, weil es durchaus ungerecht sei. (Sehr richtig! im Zentrum und bei den Polen) Das Gesetz kämpfe gegen die Polen, und zwar mit Geld welches auch die Polen mit aufzubringen gezwungen seien. (Sehr richtig! im Zentrum und bei den Polen.) ;

Zweitens hat der Herr Abg. Herold erklärt, er müsse auch deßs⸗ halb gegen dieses Gesetz sein, weil die bisherigen Maßnahmen nach dem eigenen Ausspruch der Regierung bis dahin wirkungelos gewesen wären.

; Meine Herren, ich möchte mir erlauben, gegen diese beiden Aus⸗ führungen einiges zu sagen. Der Kampf, den die Regierung gegen die polnischen Bestrebungen führt, wird von ihr nicht freiwillig ge⸗ führt, sondern er ist ihr aufgedrungen worden; nicht die Regierung hat angefangen, sondern die Polen. (Unruhe bei den Polen. Zuruf von den Polen: Unwahrheit! Glocke des Prãsidenten. ö

Nachdem der jetzt preußische Teil von dem srüheren Königreich Polen zu Preußen gekommen ist, hat Preußen die Pflicht und die notwendige Aufgabe, diesen Teil auch vollständig als Glied des Königreichs Preußen zu erhalten und darüber zu wachen, daß dieses Land unbedingt der Krone und dem Lande Preußen erhalten bleibt. Preußen hat alle Wohltaten der Kultur, alle Fürsorge, die in seiner Verwaltung liegt, auch auf diese Provinzen angewandt. e,, Zurufe bei den Polen.) Als dieser Teil Polens seinerzeit an Preußen kam, war es eln völlig zerrüttetes Land (sehr richtig! rechts), es war vollständig zurückgekommen (sehr richtig! bei den Freikonserpatiben), und erst durch die preußische Kultur, durch die Aufwendungen, die das Königreich Preußen dem ehemaligen polnischen ande gegenüber gemacht hat, ist es vorwärts gekommen. (Sehr richtig! rechts. . Zurufe bei den Polen. Preußen hat die Polen gelehrt, wie sie wirtschaften müssen, und die Polen sind ja darin auch gelehrige Schüler gewesen und haben ihrerseitz gut zu wirtschaften gelernt; aber die Polen (andauernde Zwischenruse bei den Polen. Glocke des Prãäsidenten) haben das nicht damit gelohnt, daß sie sich dem preußischen Staate angeschlossen haben, sondern sie haben sich nach wie vor abgesondert und sich von den Deutschen vollständig ferngehalten. ;

Meine Herren, die preußische Regierung war infolgedessen aus Gründen der Selbsterhaltung genötigt (Lachen bei den Polen), gegen dieses Bestreben der Polen vorzugehen und Maßnahmen zu treffen, die es verhindern, daß 13 Meilen von Berlin entfernt ein besonderer Staat entsteht, der das ganze Preußen gefährdet. (Sehr richtig! rechts) Meine Herren, die Polen können sofort Frieden haben, sie können sofort alle Maßnahmen der Regierung unnötig machen, wenn sie sich auf den Standpunkt stellen, daß sie loyale Preußen sein wollen. (Sehr richtig! rechts) Sobald sie das tun, ist die ganze Anstedlungspolitik unnötig; aber da sie das nicht tun, ist der preußische Staat gezwungen, seinerseits Maßregeln zu ergreifen, um für alle Fälle zu sichern, daß dieser Gebtetsteil, der zu Preußen gekommen ist, auch preußisch bleibt. (Bravo! rechts.)

Meine Herren, infolgedessen ist es auch nicht richtig, wenn gesagt wird, es sei eine schreiende Ungerechtigkeit, daß aus Mitteln, zu denen die Polen durch Steuern mit beitragen müssen, gegen die Polen ge⸗ arbeitet wird. Mit solchen Deduktionen können Sie jeden Staats⸗ gedanken zertrümmern. (Lachen und Zurufe bei den Polen.)

Jawohl! Denn der Staat ist verpflichtet und gejwungen, alle Maß⸗ nahmen zu ergreifen, die zur Auftechterhaltung seiner Integrität er⸗ forderlich sind. (Sehr richtig! rechts. Wenn er dazu jedesmal prüfen

sollte, sofern von einzelnen Seiten gegen die Integrität des .

vorgegangen wird (lebhafte Rufe bei den Polen: Wo, woh,

woher die Geldmittel kommen, dann wäre er absolut lahmgelegt und wehrlos. Die Staatspflicht und die Selbsterhaltung gebietet

Maßnahmen zu treffen, die zur Erhaltung des Staates notwendig sind. Ob die Mittel aus dieser oder jener Gegend stammen, ist einerlei (Lachen bei den Polen); der Staat hat jedenfalls im Inter— esse seiner Selbsterhaltung zu handeln. (Cachen bei den Polen.) Meine Herren, die Veduktion, die Sie eben gemacht haben, würde auch in anderen Fällen vollständig zusammenbrechen. Der Staat wäre dann gar nicht einmal in der Lage, gegen irgendeinen Menschen eine Freiheitestrafe zu vollstrecken; denn der betreffende Mann hat mit seinen Steuern auch dazu beigetragen, daß der Staat leben kann. (Lachen und Zurufe bei den Polen. Abg. von Tramp cjyüski: Sommerlogik) Jawohl, das ist die Logik bis aufs „tz ausgedehnt; mit Ihrer Logik kommen Sie nicht weiter. . Wenn dann ferner von Herin Abg. Herold gesagt worden ist, die Zwangsmaßregeln, dle der preußische Staat gegen die Polen durchgeführt hätte, hätten die Polen erst so erbittert, und wir sollten doch ja lieber mit dieser Polenpolltik aufhören, denn nur dadurch würde es uns möglich werden, die Polen zu versöhnen, so trifft auch das nicht zu. Ich glaube, meine Herren, man muß in dieser Hinsicht doch von der Geschichte lernen, und die Geschichte hat uns gerade das Gegenteil bewiesen. (Sehr richtig! rechts) Nicht die Preußen haben mit den Polen angefangen (Lachen bei den Polen), sondern umgekehrt haben sich die Polen abgesondert, sie sind vollständig für sich geblieben. Und daß sie das Bestreben haben und die Hoffnung naͤhren, daß sie wieder einmal ein selbständiges Königreich Polen werden können und werden wollen, das können sie nicht leugnen, und das bringt auch ihre eigene Nationalität mit sich. Infolgedesen sieht sich der preußische Staat ebenso genötigt, in seinem eigenen Interesse Gegenmaßtegeln zu ergreifen. Mit der Aussöhnungspolitik kommen wir nicht weiter. Das hat die Erfahrung gelehrt. Das Herz der Polen können wir überhaupt nicht erobern. Wir köanten daß Herz der Polen nur dadurch erobern, daß wir ihnen das Königreich Polen wiederherstellen. (Zurufe bei den Polen.)

Wenn nun Herr Abg. Herold weiter sagt: die bisherigen Maß⸗ regeln sind alle verfehlt gewesen und deswegen müssen wir es ab⸗ lehnen, weitere Mittel für die Polenpolitik zu bewilligen, so ist das doch nicht richtig Meine Herren, ich gebe zu, daß die Holen⸗ politik in vieler Hinsicht nicht alles das erreicht hat, was man damit hat erreichen wollen. Es ist aber auch ein sehr schwieriges Problem, und zweifellos sind bei dessen Durchführung auch große Fehler gemacht worden. (Hört, hört! bei den Polen) Aber, meine Herren, wenn man ein großes Ziel verfolgt, muß man es auch unentwegt im Auge behalten und darf sich nicht durch einzelne Fehler und einzelne Rück⸗ schläge irre machen lassen. Wenn man das Ziel als richtig erkannt hat, wird man auf diesem Wege auch dahin kommen.

Meine Herren, ich möchte die Frage wiederholen, die vorhin der Herr Landwirtschaftsmlnister gestellt hat. Er hat an das hohe Haus die Frage gerichtet, wieviel Deutsche jeh wohl noch in der Provinz Posen sein würden, wenn dle preußische Regie, rung nicht diese Maßregel ergriffen, wenn sie die Anstedlungt politit nicht verfolgt hätte? Ich glaube, diese Schlußfolgerung ist absolut richtig. Denn selbst, wenn Ste die Berichte aus den 50er und 60er Jahren des vorigen Jahrhundert, lange vor dem Kulturkampf, lesen, wird sich daraus überall ergeben, daß ein starker Rückgang der Deutschen zu verzeichnen ist, weil die Deuischen absolut ispliert zwischen den Polen wohnten und sich dort eben nicht wohl fühlten. (Wlderspruch und Zuruf bet Len Polen.) Infolgedessen war die An⸗ siedlungspolitik durchaus notwendig. Wir wollen ja die Polen gar nicht eischlagen oder ausrotten (Lachen bei den Polen) wie der Abg. Herold sagte; daran denkt niemand. Aber das eine muß die preußische Regierung allerdings tun: in diese wichtigen Gebtete Deutsche hineinsetzen, sie dort in größerer Zahl ansiedeln, damit dort nicht ein fremder Staat im preußischen Lande entstehen kann (ehr richtig), und dahin müssen wir wirken. Darum sind auch die hohen Mittel, die der preußische Staat dafür aufwenden muß, gut an⸗ gewendet. Ich möchte Sie dringend bitten, die neue Vorlage anzu⸗ nehmen. (Bravo! rechts und bei den Nationalliberalen Zischen bei den Polen.)

Abg. Dr. Bredt kfreikons.): Die Vorlage findet unsere grund⸗ sätzliche Unterstützung. benso wie meine Freunde die bisherigen Ist⸗ maͤrkenvorlagen unterstützt haben, so werden meine Freunde auch dieser Vorlage zustimmen. Wir wünschen, daß Liese Vorlage nicht etwa ein Schlußfstein in der Polenpolitik sein wirz. Einstweilen reicht sie ja aus; sollten aber weitere Bedürfnisse sich heraus stellen, 10 erwarten wir, daß die Regierung auf dem bisherigen Wege fortfährt. Gegen⸗ über dem Landwirtschaftsminister sind wir der Ansicht, daß die An⸗ siedlungspolitik nicht nur eventuell, sondern unter allen Umständen fortgesetzt wird, denn die Ansiedlungspolitik ist ein Kulturweck ersten Ranges. Zweifellos haben wir, ganz abgesehen von ber technischen Seite, in politischer Beziehung Hieles mit dieser Politik erreicht. Es hat sich heraus gestelst, daß das deutsche Element in den polnischen Gebietzsteilen sich vermehrt hat. Da die Ansiedlung ländlicher Kreise schwieriger ist, als die Anfiedlung in den Städten, bleibt nichts anderes übrig, als die Städte mit einem Kranz deuischer Ansiedler zu umgeben. Auch die Art und Weise, wie unsere Ansiedlungepelitit seither betrieben worden ist, möchten wir fortgesetzt haben. Mit der bäuerlichen Be⸗ sitzbefestigung sind wir absolut einperstanden. Nuffallend ist, daß die ür den Ankauf großer Güter ausgesetzten Fonds noch nicht auf⸗ gebraucht worden sind. Es scheint, daß die Großgrundbesitzer von der Besitzbefestigung wenig Gebrauch gemacht. haben. Es wäre, wünschens⸗ wert, daß in zukünftigen Vorlagen eine andere Einteilung der Fonds für große und kleine Güter gemacht wird, damit man sich ein besserez Bild davon machen kann, welche Fonds für bie Befestigung, des bäuerlichen Besitzes und welche Fonds für die Befestigung des Großgrunzbesitzeß ausgeworfen Dsind, Es handelt sich um die Seßbaftmachung Ländlicher Arheiter. Dieser Puntt des Gesetzesz ist von allergrößter Wichtigkeit, Was nützt aller Grundbesitz im Often, wenn er auf polnische Arbeiter angewiesen ist. Wir können aber ganz gewiß große Mengen deutscher Arbeiter an⸗ siedeln, wenn man ihnen die Gewähr gibt, ein Stück Land erwerhen zu können. Gexade in den Industriebeyirken macht sich hei vielen Arbeilern die Neigung geltend, in die Landwirtschaft zurückzukehren. Man fagt, es fomme nicht so sehr auf die Zahl, sondern, auf die Stärkung des Deutschtums an. Aber gerade die Zahl spielt eine wichtige Rolle, ich erinnere nur an die Wahl zu den Kreigtagen. Ich bitte deshalb, gerade auf die Seßhaftmachung, von Arbeitern großes Gewicht zu legen. Wir können, uns damit einverstanden erklären, daß im Osten von weiterem Ankauf von Domänen abge⸗ sehen wird. Unfer Domänenbefitz ist dort sehr groß, jedoch möchte ich darauf die Aufmerksamkeit richten, daß bei späteren Domänen⸗ ankäufen schon vorher darauf Rücksicht genommen wird, da wir manchmal zu teuer gekauft haben. Wir wollen unbedingt, daß unfere Polenpolitik wie bisher fortgesetzt wird. Die Ansiedlungs⸗ kommission ist auf dem rechten Wege,; Trotzdem möchte ich den Minister bitten, die Tätigkeit der Kommission sich einmol. an⸗ zusehen, und ganz besonders, wie dort gearbeitet wird. Man he⸗ kommt manchmal den Eindruck, als ob ihr von zu vielen hinein⸗

Wenn hier eine versöhnliche Politik den Polen gegenüber verlangt wird, fo haben eine solche ja fast alle preußischen Könige ver⸗ sucht. Alle haben aber keine guten Erfahrungen Tamst gemacht. Die schlimmsten Erfahrungen haben wir zu Anfang der 90 er Jahre des vorigen Jahrhunderts gemacht. Wenn man damals, zu Ziten der äußerst niedrigen Gäterpreise Ernst gemacht hätte, dann hätte man jetzt so viel Boden zur Verfügung, um eine großsügige Polen. politik treiben zu können. Wenn wir jetzt die ln ie dlungẽ hel uit sortfetzen, dann machen wir die Erfahrung, daß polnischer Boden so gut wie gar nicht zu haben ist. Die beste Gelegenheit ist dabei verpaßt worden. Es ist erfreulich, wenn die Regierung in der Begründung der Vorlage schreiht, daß ihr jetzt genügend Boden zur Verfügung steht. Auf die Enteignungsvorlage will. ich jetzt hier nicht weiter eingehen. Aber wenn man einmal dieses Schwert angewandt hat, und wenn man einmal das Gesetz ausführen mußte, dann hätte man auch klüger getan, gleich o viel zu ent— eignen, daß man genügend polnischen Boden, zur Verfügung hat. Jetzt hat man die Polen nur erbittert, aber wirtschafilich doch nicht errküicht. Wir können und wollen die Polen nicht ausrotten. Aber unsere ganze Polenpolitik bezweckt das, was vor hundert Jahren an⸗ gefangen wurde und weswegen das Volk sich erhob, einen einheitlichen zreußischen Staat zu schaffen. 32

] ih. k , Es ist charalteristssch, wie die Polen den Verhandlungen dieses Gesetzentwurfes folgen. Während die anderen Redner sich der größten Sachlichkeit befleißigen und sich darin die arößte Mühe geben, fällt das Verhalten der Polen dem ganzen übrigen Hause auf. Wenn die Minister mit Rupe und Sachlichkeit ihre Gründe vortragen, verletzen, beleidigen, beschimpfen sie sie. Ich kann mich, da die Denkschrift der Ausiedlungskommissien heute nicht zur Erörterung steht, auf, das notwendige Maß beschränken Eine nachhaltige Polenpolitik halten wir so lange für notwendig, b.s unfer Ziel erreicht ist, das bescheidene Ziel, zu verhindern, daß in der Oftmark die Deutschen verdrängt werden, und zu versuchen, Dem ganzen Charakter der Ostmark deutsches Gepräge zu geben; von Ver⸗ drängen oder gar Vernichten der polnischen Bebölkerung ist gar kelne Rede. Das Ziel der deutschen Änsi⸗dlungspolitik ist also mit der polnischen Agitation sehr wohl vereinbar; es haben beide ationen doch Platz. Aber den Deutschen müssen wir aus nationalen Gründen die Pöehrheit zu verschaffen suchen. Ueber die bisherigen Erfolge der Polenpolitik sind ja die Meinungen geteilt; wir unserseits halten diefe Erfolge für günstig. Noch viel günstiger würden diese erscheinen, wenn man sich fragte, weicher Zustand heute herrschen würde, wenn die Regierung nicht eingesriffen hätte, Daß wirtschaft⸗ lich die Maßnahmen dieser Politik nach allen Richtungen einwands⸗ frei sind, darüber sind alle bürgerlichen Parteien, abgeschen von den Polen, einig. Herr Herold stellt sich auf den polnischen Standpunkt, daß diese Politik schon deshalb keine gerechte sei, weil die Polen mit shren Steuern mit dafür aufkommen müßten. Das Ziel der Volitit ist die Sicherheit des Staates, und daju müssen auch die Staats⸗ angehörigen polnischer Zunge, beitragen. Zuzugeben ist, Faß daß Anwachsen der Einnahme, die schon durch diesen Etat 24 Millionen beträgt, den Ansiedlungsfonds später allein genügend auffüllen kann; aber die Mehrheit wir, eintretenden⸗ falls auch gern und freudig neue Summen zur Verfügung stellen. Ob man nicht besser getan hätte, sofort die ganzen 79 0b ha zu Ent eignen, die zu enteignen gesetzl ch möglich ist, lasse ich dahing stellt daz Geschrei hätte jedenfalls nicht größer sein können, als es jetzt ist. Auch die Einführung eines gesetzlichen Verkaufsrechts sollte von neuem einer ernsten Prüfung unterzogen werden, das hahe ich namens meiner Freunde ausdrücklich auszusprechen. Für die Besitzfestigung neue Mittel herzugeben, ist absolut unbedenklich. Auch hier erblicken wir die Notwendigkeit, sehr gewichtige Interessen zu wahren; wir kommen außerdem auf diesem Wege sehr viel rascher als diztck die Anfiedlung vorwärts, wenigstens was die Erhaltung deutschen Besitzes anlangt. Erwünscht wäre ein etwas planmäßigeres Vorgehen bei der Besitzfestigung; es möchte sich eine genauere Sichtung der. Anträge, die man jetzt e ledigt, wie sie kommen, empfehlen. In Verbindung mit der Besitzfestigung wird die gleichzeitige Neuansiedlung ins Auge zu fassen sein; insbesondere bei größeren Gütern möchte damit zu⸗ gleich ein Fortschritt auf dem Wege zur Lösung der so bedeutenden Ikrheiterfrage zu machen sein. Außer dem platten Lande muß aber auch den kleinen Städten Hilfe gebracht werden. Man soll nicht bedenklich sein, auch industrielle Arbeiter in der Nähe tleiner Städte anzusiedeln, man soll auch mit der Seßhaftmachung von. Unterbeamten vorgehen. Handel, Gewerbe und Verkehr in der Ostmark mien gleichzeitig auf alle Weise gefördert werden. In. dieser Be⸗ ziehung läßt die Entwicklung des Eisenbahnnetzes zu wünschen übrig; auch die neueste Vorlage berücksichtigt den Osten umberhäl nis: mäßig wenig. Auch das Wasserstraßennetz muß ausgebaut we den; eine Verbindung der masurischen Seen mit der Weichsel ist erforderlich. Dieser Kanal würde 80 Millionen kosten. Für solche und andere Zwecke kann die Regierung der Unterstützung meiner Freunde sicher sein. Sie hat durch Einbringung dieser Vorlage bewiesen, daß sie die Ziele der Ansiedlungspolitik mit Ruhe und Stetigkeit weiter, der⸗ folgk, sie kann sich auf eine zuverlässige Majorität stützen. Leider sfehen Zentrum und Freisinn noch abselts. Ich bedauere died, weil die Stoßkraft des Deutschtums dadurch leider etwas geschwächt weed. Daß das Zentrum seine Haltung ändert, glaube ich, a nicht. Er⸗ seichtert wird sie ihm dadurch, daß eine Majorität für die Durchführung dieser Politik immer noch vorhanden ist, denn ich kann mir nicht denken, daß diese Herren, ernstlich vor die Frage gestellt, die große Verantwortung übernehmen würden, die Polenpolitik, einzustellen, ihre Stellung zu dieser Frage nicht einer erneuten Prüfung unter⸗ werfen würden, dean daß eine Gefahr für den preußischen Staat besteht, können auch sie nicht leugnen. Wenn sie nicht in der ae sind, bessere und andere Mittel anzugeben, werden sie sich unseren Be⸗ strebungen anschließen müssen. Wag die Vorlage selbst betrifft, so werden' wir ihr' natürlich borbehaltlich der Prüfung im einzelnen zu⸗ stimmen; wir schließen uns auch dem Antrage auf Ueberweisung an die Budgetkommission an. Wir hoffen, daß, wenn gie erneut auch hier im Plenum verhandelt wird, sie eine große Mehrheit sinden wird. Das Zusammenhalten der nationalen. Mehrheit in dieser Frage ist notwendiger als je, denn der polnische Uebermut wächst. Möchte dies auch außerhalb, des Hauses in allen Kressen beachtet werden, damit nicht duich Uneinlgkeit der Deutschen die Zahl der Gegner wächst.

ee 3g J Pachnicke (fortschr. Volksp.): Ich habe namens meiner Fraktion eine Erklärung abzugeben. Wir erkennen an, daß die mit ungewöhnlich großen Mitteln hetriebene Ansiedlungs⸗ tätigkeit wirtschaftlich und kulturell in mancher Hinsicht Nutzen gestiftet hat, eine Wirkung, die allerdings durch die vollständige Außerachtlassung der Städte wesentlich abgeschwächt worken ist. Ver politische Zn ck ist aber nicht erreicht worden, wie die Begründung des Gesetz⸗ entwurfes zugibt, indem sie feststellt;, daß Lie gefahr⸗ drohende Entwicklung des polnischen Volksteils weitergedrungen ist. Diesen Mißerfolg schreiben wir dem Ausnahmecharakter der ge⸗ troffenen Maßregeln zu. Um sie in Zukunft ihres Aus nahmecharalters zu entkleiden, werden wir in dem entsprechenden Stadium der Ver handlungen den Antrag einbringen, statt der in dem vorliegenden Gesetzentwurf geforderken 239 Millionen und statt der für Ansiedlungs⸗ zwecks vorgesehenen 25 Millionen 300 Millionen für die innere Kolonisation im ganzen preußischen Staate aufjuwenden, um auf diese Weise den . ö. Ansiedlung allen Gebieten unseres preußischen Vaterlandes zuzuführen. ö . . Abg. n. . pezynski Pole): Es ist ein eigentümlicher Zufall oder Absicht, daß die Vorlage gerade in dem Augenblick einge⸗ bracht wird, wo eine erhebende . zum Gedächtnis des Kampfes gegen die Fremdherrschaft stattgefunden hat, eine Feier, die auch jedem nicht deutschnationaler Gesinnung nur ympathisch sein kann. Will man damit dem polnischen Volke zu Gemüte führen, daß es selbst unter einer Fremdherrschaft steht? Abgesehen von der Frage der politischen Klugheit, war es nicht besonders taktvoll, in dem Jubiläumsjahr des Monarchen diesem eise Vorlage zur Unterschrift vorzulegen, deren Voraussetzung der schändlichste Bruch eines den

ez dem Staat, ohne Rücksicht darauf vorzugehen und diejenigen .

geredet wird und sie demnach nicht die nötige Bewegungsfreiheit hat.

Polen gegebenen Königswortes ist. Es freut uns, daß die Be⸗

gründung der Vorlage jetzt unverblümt eingesteht, daß der Zweck der 8

Vorlage i gegen das polnische Volkstum anzukämpfen, gleichgültig. ob unf ich loyal verhält oder nicht. der Deutschen haben wir Polen wenig bemerkt. Ohne Vergnlassun kam es 1832 durch die Anstellung des Oberpräsidenten von Flottwe ä. einem schändlichen Bruch des Königswortes, (Vizepräsident Di, Kraguse: Ich bitte Sie, solche verletzenden Ausdrücke zu ver— meiden, sie sind nicht parlamentarisch) Unter der Herrschaft des Kaisers Wilhelm J. war von einer Versöhnungspolitik wenig zu merken. Ein klug geleiteter Staat arbeitet mit Mitteln, wie sie sind, aber nicht wie sie sein sollen. Deshalb widerspricht die heutige Polen⸗ politik der Vernunft. Das der r , nn,, zur Verfügung gestellte Kapital soll sich relativ gut verzinsen, aber es verzinst sich kaum mit 1 25. Bei einer gesunden Finanzwirtschaft muß also drei Viertel dieses Kapitals als verloren betrachtet werden. Staat kann jedenfalls die Ansiedlungskommission nicht machen. Das ist um so weniger der Fall, wenn man bedenkt, wie sich die landwirtschaftliche Privattätigkeit in denselben Provinzen entwickelt hat. Diese hat sich in kurzer Zeit um über 190 3 gehoben. Das trifft dank der Tätigkeit des polnischen n n,, Zentralvereins auch für die preußische Landwirtschaft zu. Aber gerade ihn hat der Regierungsprästdent Kramer in Posen durch die Polizei in brutalster Weise auseinander⸗ , . Ferner behaupte ich auch, daß das Material, welches die Ansiedlungsksmmission nach Posen und Westpreußen bringt, nur als Ausschuß zu betrachten ist. Man weist immer auf die alten Katen der Preußischen Bauern hin. Diese haben sie sich jedoch aus eigenen Mitteln J während die Ansiedler sie aus Mitteln erhalten, wozu die per i fh evölkerung noch 19 9. zugegeben hat. Minderwertig e. diese Ansiedler in unseren Augen deshalb, weil sie wissen, daß ie sich materielle Vorteile für ein Sündengeld verschaffen. ner einziges Verbrechen it das Eintreten für unser Volkstum. Wenn man ein Kulturwerk schaffen will, dann kommt es aher auch auf die Mittel an. An der Grenze saß früher einmal ein Besitzer, der für seine Arbeiter alles Mögliche tat, also auch ein Kulturwerk geschaffen hatte. Nach seinem Tode stellte es sich heraus, daß er ein Vermittler zwischen Leuten war, die in London falsche Rubel nigchten, und solchen, die sie in Rußland umsetzten. Ein Staat, der die Polen so behandelt, wie Preußen, schafft sich eine morsche Grundlage. Man mißbraucht den Heeresdienst, um den polnischen Soldaten seinem Volkstum ab— spenstig zu machen. Das ist auch das Prinzip der preußischen Volks— schule. Deshalb lernen auch die jungen Leute dort nichts, und es be— darf, später der Anstrengungen ihrer Volksgenossen, damit sie wenigstens etwas das Versäumte nachholen und sich einen Erwerb schaffen können. Man macht uns jetzt unsere Kreditorganisationen zum Vorwurf. Wir haben sie geschaffen, gewarnt durch frühere be⸗ zeichnende Vorgänge, insbesondere durch die 1834 erfolgte gleichzeitige Kündigung einer Unmasse von Hypotheken auf Veranlassung des Ober⸗ präsidenten von Flottwell, wodurch in einem Jahre totalen Miß— wachses zahllose polnische Besitzer an den Bettelstab gebracht wurden. Aehnliches haben wir neuerdings, so u. a. seitens der Kreissparkasse in Lissa, erlebt. Die polnischen Kreditorganisationen haben ja ein Kapital don 309 Millionen Mark, ein großes Ergebnis angesichts der unglaub— lichen Widerwärtigkeiten, auf die wir stoßen. Der Regierung dafür aber noch zu danken, haben wir keine Ursache; ein solches Verlangen sieht genau so aus, als wenn jemand, der auf einen anderen ein Gewehr abdrückt, von ihm Dank verlangen würde, weil er vorbeigeschossen hat. Der polnische Großgrundbesitz hat tatsächlich abgenommen, das gibt auch die Vorlage zu, Wenn die Begründung den wohltätigen Einfluß der Tätigkeit der Ansiedlungskommission auf die Wahlen hervorhebt, so muß man streng unterscheiden zwischen Landtags- und Reichstags— wahlen. Bei den Wahlen zum Abgeordnetenhause erzielt die Re⸗ gierung Erfolge, sie wird vielleicht die Polen aus diesem Hause bis guf 2 oder 3 verdrängen; aber bei den Reichstagswahlen haben wir keine, Einbuße erlitten. Und mit welchen Mitteln werden die Er— folge, der Polenpolitik bei den Reichstagswahlen erzielt? Angesichts der Vorgänge bei den Wahlen in Schwetz muß man ja die Hände über dem Kopf zusgmmenschlagen. Bei der letzten Wahl sind dieselben unglaublichen Mogeleien wie bei den beiden vorhergehenden verübt worden. Der Abg. Bredt sollte sich also schon aus Fraktionsrücksichten lieber nicht auf diese 6 . berufen. Der Abg. Glatzel fühlte sich beschwert, weil wir die Minister unterbrochen hätten; der Abg. Glatzel ist von uns nicht unterhrochen worden; untergeordnete Persönlichkeiten negligiert man eben. Die Polenpolitik erreicht deshalb keine Erfolge, weil der Deutsche von anständiger Gesinnung überhaupt nicht mit— ansehen kann, wie die polnische Bevölkerung behandelt wird, und er verläßt deshalb, soweit er irgend ungbhängig ist, das Land. Der Abg. Rapitza hat ja allerdings unser Verhalten gemißbilligt; er wollte, wir sollten mehr Realpolitik treiben, blieb aber die Antwort darauf schuldig, wie wir das zu machen hätten. Wir werden nicht aufhören zu berlangen, daß die Existenzberechtigung unseres Volkstums im deut— schen Staate anerkannt wird. Wir werden vom Staate seit Jahr— zehnten in der unerbittlichsten Weise boykottiert, und seit 1896 ist dazu noch ein verhüllter Boykott getreten, indem den Deutschen empfohlen worden ist, ja nicht von Polen zu kaufen. Aehnlich arbeitet der Sst— markenverein, ähnlich der Präsident der Ansiedlungskommiffion. Und dagegen sollen wir gleichgültig bleiben? 90 75 der deutschen Bevölke— rung haben uns boykottiert; sollen wir nicht ausgepobert werden, so müssen wir uns dieser Maßregel vorübergehend auch bedienen. Wenn man uns . verübelt, daß wir diejenigen . boykottieren, die an die An , n, verkaufen, dann hört einfach jede Logik auf. Der Minister von Dallwitz scheint geglaubt zu haben, wir würden uns einfach wie die Schafe abschlachten lassen. Ein Oberst hat den Ab— schied bekommen, weil er ein für ihn wertloses Gut an einen polni⸗ schen Landwirt verkaufte. Kommt man uns mit diesem Vorwurf wieder, so werden wir einfach antworten: Quis tulerit Gracchos de seditione querentes?

Abg. Kloppęenborg (Däne): Diese ungeheure Moral, die Sie mit Ihrer Ansiedlungspolitik bewiesen haben, ist original preußisch. Sie häufen mit dieser Politik, mit welcher die regierende Kaste Preußens seit 1886 auf der schiefen Ebene hinabrutscht, Un— recht auf Unrecht. Schon die Aufteilung des Königreichs . unter die drei. Staaten war ein großes Unrecht, eine große Gemeinheit. Vizepräsident Dr. KrausFe rügt diesen Ausdruck) Seinerzeit ift den Polen versprochen worden, daß man ihre Volkstümlichkeit nie an— tasten wolle. Dieses Versprechen haben Sie schlecht gehalten. Das alles, was Sie den Polen vorwerfen, sind ja lauter Tugenden; darüber sollten Sie sich doch freuen. Durch Ihre Politik vermehren Sie ja nur die Polen und ihr Vermögen. Sie sagen, daß Ihre Politik von der Not diktiert sei, weil sich die Polen über die Grenze Westpreußens und Posens sogar nach Pommern verbreiten. Man hat bis 725 r lionen Mark verwendet, um die Polen aus ihrer Heimat zu vertreiben. Daher kommt die Verbreitung der Polen über ihre Heimatprobinzen hinaus, denn die Polen sind ein kräftiges, gesundes und widerstands— fähiges Volk. Die preußische Polenpglitik ist ein Schandfleck auf dem preußischen Namen. (Vizepräsident Dr. Kraus—,e ruft den Redner zur Ordnung) Ihre Arbeiten laufen darauf hinaus, uns zr demoralisieren. Wenn Sie nur mit Lumpen und Taugenichtsen zu tun haben, dann haben Sie leichteres Spiel. Den Dänen verbieten Sie das Heiraten, und den Polen verbieten Sie das Wohnhäuserbauen. Das Prinzip ist dasselbe. Seien Sie doch ein bißchen vernünftig. Durch solche Ungeheuerlichkeiten gedeiht nichts Gutes für das Land. Sie erfüllen friedfertige Bürger mit Haß und beflecken den deutschen Namen in Gegenwart und Zukunft.

Abg. Ströbel (Soz.) : Es ist ein eigentümliches Zusammen⸗ treffen, daß heute in derselben Sitzung, wo wir eine Rede gehört haben, in der der nationale Gedanke mit pomphaften Worten gefeiert wurde, eine Vorlage behandelt wird, die 225 Millionen fordert, um eine fremde Nation aus ihrer Heimat zu vertreiben. Wenn wir für die deutsche Niation das Recht in Anspruch nehmen, den nationalen Ge⸗= danken zu hegen dann sind wir moralisch verpflichtet, dasselbe Recht auch anderen Nationalitäten einzuräumen. Wir Sozialdemokraten reden nicht gern von Moral, aber wir üben sie. Und unsere Moral gebietet uns, daß wir die Rechte anderer Volksstämme achten.

Von einer Versöhnungspolitik

dadurch gehoben werden, wenn es in dieser Beziehung uns folgte. Irgendwelche Gefahr würde jür den Staat Preußen oder das Deutsche Reich nicht entstehen. Im Gegenteil, das preußische Land würde einheitlicher und gefestigter werden und allen Gefahren nach außen hin besser widerstehen, als es jetzt der Fall ist. Mit der Milliarde, die wir bisher für die Polenpolitik ausgegeben haben, wird es auch noch nicht erledigt sein. Bie Milliarde hat vor allen Dingen dazu gedient, daß die Grundstückspreise außerordentlich in die Höhe gegangen sind. Das ist natürlich den deutschen Großgrundbesitzern außerordentlich angenehm. Sie waren dabei in der Lage, zu einem ganz anormal hohen Preise ihre verschuldeten Grundstücke los zu werden. Und das nennt man dann Patriotismus der Herren Konser— vativen! Daß die Konservativen die Boden'nteignungspolitik mur so weit mitmachen, als si ihnen selbst nicht gefährlich wird, ist ja bekannt. Den Polen will man ihre natzonalen Erinnerungen nicht gönnen. Von dem Enteignungesgesetz hat man Gebrauch gemacht zu einer Zeit, als die Polen sich außerordentlich loyal ge⸗ zeigt und für die Erhöhung der Krondotation gestimmt hatten. Wollte man wirklich Bauern ansiedeln, so ließe sich darüber reden, aber tatsächlich verfolgen die Herren ihre junkerlichen Arbeitgeber— interessen. Die Dentschrift sagt, der polnische Mittelstand wachse be⸗ drohlich; kurz vorher heißt es aber, die Siedlungspolitik habe dies hervorgerufen, d. h. man erreicht das Gegenteil von dem, was man erreichen will. 173 Quadratmeilen sind an den polnischen Grundbesitz verloren gegangen. Vor der Siedlungepolitik ging der polnische Grundbesitz zurück. Die ganze Siedlungspolitik ist schon insofern ein Nonsens, weil sie die Polen nicht aus der Welt schaffen kann. Die Polen vermehren sich und ziehen als Arbeiter nach dem Rheinland oder Westfalen und leben in nationaler Abgeschlossenheit; sie sind dort eine mindestens ebenso große Gefahr wie im polnischen Osten. Die Verfolgungspolitik hat gar keinen Zweck, die Polen werden sich von Preußen nicht lostesßen; sollten sie es aber wollen, so hilft die Polenpolitik ja dagegen auch nichts. Nur die Lust am Schikanieren, am Pol zeiknüppel ist die Ursache dieser Politik. Das Gleiche gilt von dem Kampfe gegen die Dänen. Das Zentrum lehnt die Polenpolitik aus verfassungsmäßigen Gründen ab. Ueber die Ver⸗ fassungswidrigkeit dieser Politik kann gar kein Zweifel sein; das Ge— setz verstößt gegen die Freizügigkeit. Aber der Abg. Herold hätte sich die Frage vorlegen sollen, was die preußische Regierung tun wird, nachdem der Reichstag das Enteignungsgesetz als einen Verfassungs— bruch bezeichnet hat! Wird die preußische Regierung sich in einen direkten Gegensatz zum Reichstag 1 Geschahe es, so müßte das Zentrum dagegen den entschiedensten Protest einlegen. Darüber hat sich der Abg. Herold vollständig ausgeschwiegen. Er und seine Partei müßte dafür sorgen, daß das Deeiklassenparlament als Hort des Verfassungsbruchs ein anderes Aussehen bekommt. Das Zentrum ist um den springenden Punkt wle die Katze um den heißen Brei herumgegangen, dieser springende Punkt ist die Aufhebung des Dreiklassenwahlrecht:s. Die Erklärung des Abg. Herold war aber lediglich eine platonische, das Zentrum kümmert sich um die wirklichen Rechte des Volkes nicht einen Pfifferling. Durch die Besitzfestigung werden die großen Güter besonders hegünstigt; auch hier eine Bevor— zugung der Herren Junker und Agrarler. Wenn der Minister von den großen Vorteslen der Kultur sprach, die die Polen Preußen verdanken, so liegt es nahe, zu fragen, worin dlese Kultur denn eigent⸗ lich besteht. Man sollte nicht vergessen, daß die Polen sich große Verdienste um die Kultur erworben haben, auch durch die Abwendung der Türkengefahr. England und Frankreich haben es verstanden, ohne den Polizeiknüppel mit den eroberten Völkern fertig zu werden; die rheinische Bevölkerung dankt heute noch Frankreich für dessen Segnungen der Kultur. Man sollte die Polen vernünftig behandeln, ihnen gestatten, ihre Sprache, ihr Volkstum zu pflegen, dann würden sie in Frieden und Eintracht mit den Deutschen leben; sie würden sagen: Wir fühlen uns wohl, und wo wir uns wohl fühlen, da ist unser Vaterland. Wir befinden uns in einer recht gespannten inter⸗ nationalen Situation. Die Lage auf dem Balkan soll keineswegs eine so rosige und optimistische sein. In demselben Augenblick, wo die Möglichkeit eines Krieges nicht ausgeschlossen ist, sollte man sich hüten, so große Volkselemente immer von neuem zu reizen. Es kommen nicht nur die Polen, Dänen und Elsässer in Betracht, sondern auch die Millionen Sozialdemokraten, die man durch Vorenthaltung ihrer Rechte verbittert. Wollen Sie alle diese in empörender Rechtlosigkeit erhalten? Eine solche Politik trägt dem deutschen Volke keinen Ruhm ein, sie ist ein Denkmal der Schande.

Vizepräsident Dr. Krause: Wegen dieser Aeußerung rufe ich Sie zur Ordnung!

Hierauf wird die Diskussion geschlossen.

Zur Geschäftsordnung bemerkt

Abg. von Trampezynski (Pole): Durch den Schluß der Debatte ist es unmöglich geworden, eiwas über den Etat der An— siedlungskommission zu sagen. Vizepräsident Dr. Krause: Bei Eintritt in die Verhandlungen ist beschlossen worden, die Beratung dieser Vorlage mit der Spezial⸗ beratung des Etats zu verbinden. Abg. von Trampezynski (Pole): Ich halte dieses Vor— gehen für beispiellos. Ich wollte zur Sprache bringen, daß die An⸗ siedlungskommission mit dem Gelde unverantwortlich wiritschaftet. Vizepräsident Dr. Krause: Wie hier, ist auch schon bei anderen Gelegenheiten verfahren worden. Es wäre Ihre Sache gewesen, gegen den Vorschlag Widerspruch zu erheben. Nach einer Bemerkung des Abg. von Saß-Jaworski (Pole) wird die Vorlage der Budgetkommission überwiesen. Der Etat der Ansiedlungskommission wird ohne Debatte erledigt. Zum Etat des Herrenhauses bemerkt Abg. Hoffmann (Soz.): Wir bedauern es, daß diese Ausgabe notwendig ist, und daß das Haus noch existiert. Es verdankt seine Existenz dem Umstande, daß der König die Verfassung von 1849 nicht innehielt. Die lleberflüssigkeit des Hauses haben ja Mitglieder des Herrenhauses selbst zugegeben. Die im vorigen Jahre von mir gerügten Uebelstände bestehen noch immer. Der Präsident des Herren⸗ hauses hat eine Prüfung vorgenommen. Diese soll ergeben haben, daß einzelne Sachen zwar richtig, aber übertrieben und falsch dargestellt worden sind. Der Präsident hätte, anstatt mit dem Direktor auf das Dach zu steigen, lieber dem Schuldigen auf das Dach steigen sollen. Dazu wäre aber eine eidliche Vernehmung notwendig gewesen, da man jedem, der so etwas aussagen würde, mit Rausschmeißen gedroht hat. Im Herrenhaufe herrschen überhaupt unglaubliche Zuftände. Ein Angestellter, der die Hunde des Präsidenten, für die ja etgentlich der Garten da ist, zur Steuer angemeldet hat, wurde deswegen an— geschnauzt. Unglaublich ist es auch, daß selbst der Polizeipräsident im Herrenhause erscheinen mußte, weil ein Schutzmann auf dem Leipziger Platz die Pferde der Frau Herrenhauspräsidentin beleidigt hat. Nur etwas höflicher ist man gegen die Angestellten geworden. Sonst geht s ihnen immer noch schlechter, als denen dieses Hauses. Auch geben die Möbel des Hertenhauses allmählich in Privatbesitz über. Das Dienst⸗ persongl des Hauses, namentlich die Frauen, wird bon den Beamten für ihre Privatdienste, sogar für Krankenpflege auf Kosten des Etats des Herrenhauses benutzt. Zwei Angestellte des Hauses bringen monatlich mehr erspartes Geld auf die Bank, als sie überhaupt Ge— halt bezishen. Die . Zeitung“ hat eine sog. Berichtigung meiner Behauptungen gebracht; aber ich halte auch demgegenüber alles aufrecht, was ich vorgebracht habe, und bin bereit, vor Gericht Zeugen zu stellen, welche bekunden werden, daß die Dinge noch weit schlimmer liegen. Im Sommer empfangen hohe Beamte des Hauses Familienbesuch, der nicht in Hotels, sondern im Herrenhause wohnt, ja in den Betten schläft, die dem Herrn Präsidenten und der Frau Präsidentin zur Verfügung stehen. Ein kostbares Büfett hat der Hausinspektor aus dem Präsidentenzimmer heraus und in seine Privatwohnung bringen lassen. Von einem anderen Büfett fehlten

Das moralische und politische Ansehen des deutschen Volkes würde nur

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versteigert, und der Inspektor erstand es für 5 6. Bald karauf. welches Glück, fanden sich die beiden Türen. Hier sollte doch endlich Wandel geschaffen werden.

Der Etat für das Herrenhaus wird bewilligt.

Zum Etat des Abgeordnetenhauses ist, wie der

Referent Abg. Dr. Pachnicke (fortschr. Volkep.) berichtet, in der Kommission der Wunsch geäußert worden, den Abaeordneten die preußische Gesetzsammlung kostenlos zu liefern. Die Restaurationg⸗ verhältnisse hätten verschiedenartige Beurteilung gefunden. Der Grundfehler liege darin, daß der jetzige Unternehmer keinen weiteren Betrieb habe; angesichts der großen, ihm zugestandenen Vorteile: un⸗ entgeltliche Hergabe der Räume, Heizung. Lüftung, Feuerung, un⸗ entgeltliche Hergahe aller Bedarfsgegenstände usw, müsse er auch Vollwertiges bieten. Beim Mittagessen werde eine Art Trinkzwang ausgeübt. Ferner seien Anregungen dahin eifolgt, ob man nicht die Plenarsitzungen um 1 Uhr beginnen und nach dein Muster den Reichs⸗ tages bestimmte Tage frei lassen solle; zu Anträgen hätten sich aber diese Anregungen nicht verdichtet.

Abg. Hoffmann (Soz.): Daß die Restaurationsverhältnisse, auch bezüglich der Kellner, anders geregelt werden müssen, habe ich auch schon im vorigen Jahre erklärt. Unser Restaurateur ist abbängig von dem täglichen zufälligen Besuch. Manchmal sind von den 443 Ab⸗ geordneten nur 43 anwesend, manchmal sogar noch weniger; davon tann kein Restaurateur bestehen. Im Relchstag hat der Restaurateur sehr viel mehr Zuspruch; obwohl man nun hat sagen hören, daß es doch sonderbar sei, daß Baronen und Fürsten das Essen schmecke, aber dem roten Hoffmann nicht, scheint meine Kritik doch nicht unberechtigt gewesen zu sein, denn diesmal war in der Kommission diese Klage allgemein. Die Portionen sind immer kleiner geworden; ein starker Esser kann seine ganzen Diäten hier in Mittagessen anlegen. Sonder⸗ bar ist auch, daß wir hier, im Gegensatz zum Reichstag, ins Segment gehen müssen, wenn wir mit Damen ins Restaurant kommen. Bitten möchte ich auch, daß endlich der Trinkzwang aufgehoben wird; heute genügt es nicht, daß man eine Tasse Kaffee trinkt, man muß noch etwas anderes trinken. Die Stellung unserer Bibliothekarinnen ist eine unsichere; sie können jeden Tag auf die Straße gesetzt werden, auch wenn sie 19 Jahre tätig sind; das ist des Hauses unwmürdig. Es wird mir mitgeteilt, daß im Hause ein Stenographiefräulein mit einem Monatsgehalt von 90 beschäftigt wird, während die Ver⸗ mittlerin mehr erhält, als diese eine Dame, nämlich 120416 für 4 Damen, deren Stelle sie vermittelt hat. Den Dienern sollte wenigstens ein freier Tag alle 14 Tage gewährt und ihre Arbeitszeit verkürzt werden. Ihre Arbeitszeit ist viel schwerer als reguläre Arbeit. Auch im Ah⸗ geordnetenhause ist ein Dachgarten vorhanden, auf dem zwar nicht Hühner und Kaninchen, aber Gänse gehalten werden; vielleicht können diese Gänse einmal zwar nicht mehr das Kapitol, aber das Vaterland retten, wenn Sie es nicht mehr vermögen. Ein Berichterstatter ist auf das Dach gestiegen, um den Einzug des Prinz-Regenten von Bayern besser zu sehen, und da ist er beinahe dem Attentat eines Gänserichs erlegen. Auch im Abgeordnetenhause sollte man sich etwas mehr kümmern um die Nebenbeschäftigung seiner Beamten usw. Der Lesesaal sollte mit mehr Zeitungen versorgt werden, auch mit so ialdemokratischen, damit Sie sich besser orientieren können. Der „Simplicissimus“ ist aus dem Lesesaal verschwunden, nicht durch Be⸗ schluß des Hauses, sondern aus reiner Willkür. Ein Friseur in Zehlendorf sagte, den „Simplieissimus“ darf ich nicht mehr halten. Warum nicht, wurde er gefragt. Er antwortete: Man hat es mir verboten. Wer denn? Der Abg. Hammer. Sehr gut wäre es, wenn das Abgeordnetenhaus ein paar Tage frei bekäme. Jetzt findet hier eine wahre Arbeltshetze statt.

Abg. Dr. Schroeder-⸗-Cassel (n.): Es wird mir gesagt, daß unsere Hilfsdiener wesentlich schlechter bezahlt werden als die im Reichstage. Ihr schwerer Dienst erfordert, daß sie den Hilfsdienern im Reichstage gleichgestellt werden.

Abg. von Bockelberg (kons.):; Wir sind mit dem jetzigen Restaurateur zufrieden. Der Abg. Hoffmann hätte mit seinem Hinweise auf die Barone usw. recht, wenn wir nicht zu⸗ frieden wären. Es ist einem Restanrateur wirklich schwer, ein gutes und billiges Mittagessen zu liefern, wenn er keinen Absatz hat. Wir unsererseits besuchen zum größten Teil das estaurant, aber es kann niemand gezwungen werden, das Restau⸗ rant im Abgeordnetenhause zu besuchen. Jedenfalls ist ein Wechsel in dem bisherigen Verhältnis nicht notwendig. Es handelt sich hier im Abgeordnetenhause nicht um Stenographen, son⸗ dern um Stenographenschreiber. Früher wurden junge Studenten dazu benutzt, jetzt hat ein Schreibergeschäft es übernommen, die er⸗ forderlichen Kraͤfte zu stellen, und zwar nach einem bestimmten Pauschquantum, das nicht zu hoch ist, denn es werden keine weiteren Gebühren erhoben. In einer halben Stunde können solche Kräfte herangezogen werden. Das Monitum des Abg. Hoffmann dürfte also nicht begründet sein.

Damit schließt die Diskussion.

Per sönlich bemerkt

Abg. Sammer (kons.): Der Ahg. Hoffmann hat behauptet, ich hätte einem Friseur in Zehlendarf den Bezug des Simplieissimus verboten. Ich erkläre, daß die Geschichte von Anfang bis zu Ende erlogen ist und zu dem Altweibergewäsch gehört, wie das vom Herren⸗ hause. (Vizepräsident Dr. Krause: Sie meinen mit dem Ausdruck „erlogen“ nicht die Mitglieder des Hauses?) Nein, diejenigen, die es dem Abg. Hoffmann zugetragen haben.

Vizepräsident Dr. Krause: Ich nehme an, daß Sie mit diesem Ausdruck keinen Abgeordneten gemeint haben.

Abg. Hoffmann (Soz.): Der betreffende Barbier in Zehlen⸗ dorf hat diese Aeußerung dem Reichstagsabgeordneten Südekum gegenüber getan.

Abg. Hammer (kons.): Die ganze Angelegenheit ist von An⸗ fang an gelogen. Ich werde den Mann morgen zur Rede stellen. Bei den Ausgaben für die Bibliothek des Hauses referiert Abg. Dr. Pachnicke über die Forderung der Bibliotheks⸗ beamten, mit denen des Reichstags gleichgestellt zu werden. Die Regierung hat demgegenüber den Standpunkt vertreten, daß diese Bibliotheksbeamten sich nur mit den analogen preußischen Beamten in Vergleich bringen lassen. Die AÄUn⸗ gelegenheit wurde nicht zu Ende geführt, da erst über die Stellung der Beamten des Hauses Klarheit geschaffen werden soll.

Der Etat des Abgeordnetenhauses wird bewilligt. Schluß nach Hi / Uhr. Nächste Sitzung Mittwoch, 1 Uhr (Anträge aus dem Hause; Eisenbahnanleihegesetz; Etat des

Finanzministeriums in Verbindung mit den Äntraͤgen, betreff. die Altpensionäre).

Parlamentarische Nachrichten. Der Entwurf eines Eisenbahnanleihegesetzes ist nebst Begründung dem Hause der Abgeordneten

zur Beschlußfassung zugegangen.

Die Staatsregierung wird ermächtigt, hehufg Erweiterung, Ver= vollständigung und besserer Ausrästung des n netzes sowie behufs Beteiligung des Staates an dein Baue pon Kleinbahnen

Er lautet, wie folgt:

zwei Türen; da hieß es, solch ein Stück ist ja nichts wert, es wurde

die folgenden Beträge zu verwenden:

8 /

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