1913 / 63 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 13 Mar 1913 18:00:01 GMT) scan diff

man von allen Seiten das Bedürfnis gefühlt, nicht nur die Kenntnisse der jungen Leute zu erweitern, sondern sie auch sittlich und religios zu fördern. Die Kirche hat seit jeher sich der Jugend augenommen, Jugendvereine gegründet, sie ist also die erste Jugendpflegerin gewesen. Aber die überhandnehmende Not unserer Zeit zeigt, daß die Jugendpflege der Kirche nicht genünt. Um so größere Anerkennung verdient die Staatsregierung, daß sie mit ihren Mitteln eingetreten ist, um die. Jugend—= pflege zu organisieren und ju fördern. Sie will damit nicht den bestehenden Jugendveieinen Abbruch tun, sondern sie unterstützen und, wo es notwendig ist, ergänzen. Ich darf in dieser Beziehung auf die Erlasse der Staatsregierung, namentlich auf den von 1911, hinweisen. An diesen Grundsätzen hat die Staats. regierung auch bis in die nrueste Zeit festgehalten. Noch in dem Erlaß von 1911 hat sie die kirchlichen Jugendvereine anerkannt und ihnen Lob gespendet und die Erwartung ausgesprochen, daß die Geist⸗ lichen bei der Jugendpflege mitarbeiten. Im Laufe der Zelt sind aber einzelne Eischesnungen herporgetreten, die sich mit diesen Erklärungen nicht ganz decken. Die Jugendvereine bedürfen der Unterstützung, um die Kosten für die Anschaffung der notwendigen Unterrichts- gegenstände zu bestreiten. Die. Jugendlichen selbst können diese Kosten nicht aufbringen, weil sie meist keinen Verdienst haben. Die größeren Vereine haben, glaube ich, einen Anspruch auf Unterstützung aus den bereitgestellten Mitteln des Etats. Nun werden aber diese Mittel zum allergrößten Teil den Ver⸗ anstaltungen der Jugendpflege zuteil, die sich mit der körperlichen Ertüchtigung der Jugend befassen. Es ist das gewiß nicht die Absicht der Staateregie ung. Es besteht die große Gefahr, daß die christlichen und kirchlichen Jugendvereine in den Schatten gestellt werden. Ertüchtigung der Jugend, alle Anerkennung den Wandervögeln usw. Die körperliche Ertüchtigung ist notwendig und berechtigt für die Wehrhaftmachung und Verteidigung der Nation. Aber die körperliche Ertüchtigung allein macht die Nation nicht stark. Wir befinden uns in der Zeit der Jahrhundertfeier, der vorhin der Derr Präsident in warmen Worten gedacht hat. Es war die sittliche Kraft der Nation, die sie jene große, Taten, verrichten Ließ, die wir jetzt feiern, es ist also notwendig, neben der körperlichen Ertüchtigung auch die sittliche Festigung der jungen Leute im Auge zu behalten. Unser Gesetzentwurf hat vor allen Bingen den Mangel, daß er die sittliche Seite der Jugendpflege nicht berücksichtigt, die religiöse Fortbildung der Jugend außer acht läßt. Dieser Mangel wird von vielen Seiten mit Befremden empfunden. In der Ver⸗ fasfung steht doch, daß der Religionsunterricht für jedes Bekenntnis gesondert erteilt werden muß. Trotzdem bleiben diese Schulen hier paritaätisch, simultan, neutral. Wie soll, sich der junge Mann Achtung und Ehrfurcht vor der Religion bewahren, wenn ihm auf den Fortbhildungsschulen dazu keine . gegeben wird. Man will mit diesem Gesetz einen Schulzwang einführen. Es ist unerfindlich, weshalb man gerade die Beeinflussung auf religiösem Gebiet so ängstlich vermeiden will. Es mag schwierig sein, nach der ganzen Struktur des Gesetzes den Religionsunterricht hineinzubringen. Aber ez muß sich ein Weg finden lassen. Ein Ministerialerlaß von 1897 wollte ja schon die Möglich- keit geben, neben der gewerblichen auch die religißse Fortbildung zu ermöglichen. .

Graf zu Rantzau: Die Regierungsvorlage und auch die der Kommission überläßt es überall in den Provinzen den Gemeinden, den Fortbildungsschulzwang einzuführen. Nur Schleswig-Holstein macht darin eine Ausnahme, hier hängt dies vom Kreisausschuß und vom Regieiungspräsidenten ab. Ein früherer Antrag von mir wollte dies nur für die national gesährdeten Gegenden der Provinz beschränkt wissen. Trotzdem die dänische Propaganda infolge der Ver⸗ söhnungspoliiik des Fürsten Bülow weiter nach Süden vorgerückt ist, kann man doch pon einer Gefährdung der ganzen Provinz nicht sprechen. Aber die Regierung fürchtet sich wohl, hier dem Gesetze einen politischen Charakter zu geben. Auf die Landwirtschafiskam me

der P ovlnz kann man . hierbei nicht berufen. Denn diese wollte

ja gerade diesen Zwang für die national gefährdeten Teile der Provinz. Auch den Einwand kann ich nicht gelten lassen, als ob durch einen solchen . das Gese tz würde. enn in Nordschlegwig ein Kampf zwischen Deutschen und Danen besteht, dann bedauere ich es. Ich erkenne vielmehr die wirtschaftliche Tüchtigkeit des dänischen Elements an. Wir wünschen mit ihm in Frieden ju leben. Aber man muß doch verlangen, daß sie ihre preußische Untertanenqualität nicht als etwas Vorüber⸗ gehendes ansehen. Das vorliegende Gesetz will die Bildung fördern. Gerade in Nordschleswig erfolgt in dieser Beziehung von dänischer Seite aus sehr viel. Bisher kannte man nur den Besuchszwang fur gewerbliche n nen, Dieser ist aber gerade in den gefährdeten Teilen nötig. Dadurch ist Gewähr geleistet, daß der Unterricht überhaupt stattfindet, aber auch dann können erst die richtigen Lehrmitlel beschafft und andere Maßnahmen in genügender Weise getroffen werden. Neben dänisch Gesinnten und deutsch Ge— sinnten gibt es laue und gleichgültige Elemente, die ihre Söhne da fortbilden lassn, wo sie die heste Gelegenheit dazu haben. Gerade jür diese liegt eine besondere Gefahr in den dänischen Fortbildungs— bestrebungen. Dieser kann man nur durch den Schuljwang ent— gegentreten. Ich werde für die Regierungsvorlage stimmen, wenn mich der Minister darüber beruhigt, daß keine Gefahr vorliegt, in die Versöhnungspolitik zurückzufallen und man die Probinz nur aus genommen hat, weil es auch bei den gewerblichen Fortbildungsschulen der Fall ist. Sonst müßte man sich zu einem radikaleren Vorgehen im allgemeinen entschließen und den Besuch in der Volksschule verlängern. Beim Kultusetat werde ich auf diese Frage noch genauer zurückkommen. . Herr I. Dryander: Daß die Fortbildungsschule nicht bloß technische Kenntnisse vermitteln soll, sondern auch dem Charakter, dem Menschen zu einer sittlichen Ausbildung verhelfen soll, darüber sind wir wohl alle einig, einig, wenn auch, mit gewissen Modifikationen, auch darin, daß dafür die religiösen Motive und Kräfte nicht zu entbehren sind, daß darum für diese fh Charakterbildung auch diese religtösen Agentien mohil gemacht werden müssen. Die Frage dreht sich nur um das Wie. Mit der obligatorischen Ein führung des Religiongunterrichts in die kee r r , wird das Ziel meinen Auffassung nach nicht erreicht. Mit dem Religionsunterricht verhält es sich doch etwas anders als mit allen anderen Unterrichtsfächern Zweifellos gedeiht der Fortbilbungsschulunterricht nur als obli— gatorischer, darüber sind sich alle Sachverständigen einig, und der Er— folg hat es bestätigt. Junge Leute fühlen . eigentlich gar nicht wohl in absoluter Freiheit, sondern auf die Dauer nur unter einem gewissen Zwange, und wenn sie den nicht haben, dann geben sie ihn sich selbst, und zwar dann noch viel drückender. Im Religionsunter— richt aber soll, der innerste Mensch beeinflußt werden, sein Verstand, sein Wille, sein ganzes Gemütsleben und das gedeiht nur in der Luft der Freiheit, der Freiwilligkeit. Die rechte Beeinflussung religiöser Art wird sich nicht anders vollziehen, als wenn zwischen Lehrer und Schüler ein Vertrauensberhältnis, ein Verhältnis der Liebe und Ehr— furcht besteht, und das wird nicht erzwungen, sondern das wächst langsam und still in der Freiheit heran. Es gibt ja Gemeinden in Westfalen und Ostpreußen, die die religlöse Fortbildung und damit den Neligionsunterricht in der Schule als selbstverständlich ansehen. Wohl, man lasse es dabei; im allgemeinen werden solche Gemeinden seltener werden. Alles in allem sind die Resultate mit einem solchen Zwangsunterricht nicht glaͤnzend, und ich stehe durchaus auf dem Boden der Synoden und der evangelischen Kirchenbehörden, die diesen Zwang zurückgewiesen haben. Wie ließe sich nun der Gedanke der Freiheit und Freiwilligkeit verwirklichen? Man könnte den obligatorischen Religiongunterricht in das Schulprogramm einfügen aber die Beteiligung daran als freiwillig erklären. Diese Lösung möchte aber keinen Beifall finden, der Pfarrer, der sich die für die Religion besonders Interessierten oder religiös Veran. lagten aussuchen würde, würde keinen großen Erfolg erzielen. Der 35 würde rasch abnehmen und zuletzt durch einen solchen Mißerfolg das Gegenteil des Gewollten errelcht werden.

Alle Anerkennung für die Bestrebungen der körperlichen

zu einem ö gestempelt werden

wirkun 7 zu stellen. Der ganze Schulbetrieb muß von dem innerlich sittlichen, religiösen, christlichen Geiste erfüllt werden, bei dem jwar nicht viel Neligion geboten wird, aber alles religiös be⸗ trieben wird. Fast alle Unterrichtsfächer 3 sich dazu, diese Motive in Betrieb zu setzen. In dem Alter, um das es sich handelt, geht das Interesse dieser Jugendlichen vor allem au

eine angewandte Religion, auf eine religiös fundamentierte populäre Ethik, die sich in allen Lebenslagen bewährt. ie mannig⸗ fach ist die Möglichkeit, die Quellen des sittlichen Lebens zu erörtern, in Anknüpfung an den Beruf, Verkehr, Familie, Staat, Kirche, Sitte, Freundschaft, Vaterland, Natur, Heimat usw., usw. Würde unsere Fortbildungsschule von diesem Geiste durchdrungen, so würde in unser ganzes Volksleben eine Wandlung aus inneren Motiven hineingetragen werden. Haben wir auch z. B. gegenüber der Beurteilung der Jahrhundertfeier durch einen Teil der Presse nicht alle Ursache, diesen christlichen Geist in unseren jungen Leuten einzupflanzen, sodaß er nicht mehr hergqus—⸗ gerissen werden kann? Nun dürfen ja auch die entgegenstehenden Schwierigkeiten nicht übersehen werden. Die allerschönsten Gesetze helfen an sich nichts; man denke an das Fürsorgeerziehungsgeseß. Niemand zweifelt an dem vortrefflichen Willen der Nögierung, aber es koinmt schließlich alles auf die Ausführung an. In erster Linie stehen hier die Lehrer, und ich zweifle auch an ihren vortrefflichen Kräften keinen Augenblick. Mein herzlicher Wunsch an den Minister aber geht dahin: neben den Lehrern stehen vortreffliche Kräfte berelt,

ö Weg erscheint mir n. um diese religiöse Ein⸗ u

brennend darauf, auch ihre Fähigkeiten in diesen Dienst zu stellen,

die Vertreter der evangelischen Kirche, die der katholischen. Ich bitte dringend, diese Freiwilligen mit ihrer selbstlosen Hingabe und ihren Fähigkeiten nicht aus kleinlichen Rücksichten, nicht aus Eifersüchtelei beseite zu lassen. Ich möchte anregen, ob es nicht möglich wäre, dem Pfarrer in dem Vorstand der Fortbildungsschulen obligatorisch eine Stelle anzuweisen, damit er offiziell mit dem Schul⸗ betrieb zu tun hat und irgendwie helfend, korrigterend einwirken kann. Durch die Ausführungsbestimmungen sollte darauf hingewirkt werden, daß, soweit irgend möglich, neben den Lebrern unter Beseitigung alles Konkurrenzneides die Geistlichen berücksichtigt werden, etwa. so, daß die Regierung nachfrüge, warum an einer Schule kein Geistlicher tätig ist. Viele Gemeinden sind ja sozialdemokratisch, die werden von vornherein den Geistlichen eliminieren. Ich verhehle mir nicht, daß auch unter den Pfarrern solche sein werden, die nicht die allerbesten sind, um von sich aus den sprühendsten Einfluß ausgehen zu lassen. Aber das Beste, was wir haben, müssen wir in den Dienst der Schule

stellen, und wenn das gelingt, dann werde ich das Gesetz mit hoher

Freude begrüßen.

Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer:

Meine Herten! Ich kann es nur mit tiefempfundenem Dank begrüßen, daß die Herrrn Vorredner übereinstimmend vom Stand punkte der evangelischen und katholischen Kirche aus die Bedeutung der religiösen Unterweisung für die heranwachsende Jugend hervor⸗ gehoben haben. Ich stimme den Herren Vorrednern gern bei in der Auffassung, daß auch der Unterricht in der Fortbildungsschule der religiösen Grundlage, der religiösen Einwirkung nicht entbehren darf.

In dieser Beziehung den Wünschen der Religionsgesellschaften ent⸗

gegenzukommen, den Geistlichen die Möglichkeit zu geben, sich am Unterricht in den verschiedenen Fächern zu beteiligen, wird die land⸗ wirtschaftliche Verwaltung nicht unterlassen. Ich habe darüber bereits in der Kommission dieses hohen Hauses wie auch bei der letzten Be— ratung im Plenum mich ausführlich ausgesprochen. Der Gegenstand der Meinungeverschtedenheit liegt ja, soweit ich übersehen kann, lediglich auf dem Gebiete des Zwanges; er ist entstanden durch die Frage, ob die Staatsregierung in diesem Gesetz den Vorschlag machen sollte, auch auf den Besuch des Religionsunterrichts in den Fortbildungsschulen einen Zwang auszuüben. Ich nehme in dieser Beziehung auf das, was ich in der vorigen Sitzung gesagt habe, Bezug: die Staats⸗ regierung ist nicht in der Lage, einen Zwang zum Besuche des Religtonsunterrichts in der Fortbildungsschule vorzuschlagen, sie wird aber, wie ich ebenfalls früher erklärt habe, gern die Hand dazu bieten, die Erteilung des Religionsunterrichts im Anschluß an den Unterricht in der Fortbildungsschule zu ermöglichen.

Herr Graf zu Rantzau hat den Wunsch ausgesprochen, daß ihm bezüglich der für Schleswig⸗Holstein getroffenen Sonderbestimmung noch eine Zusicherung gegeben werde, daß diese Bestimmung nicht eine Abschwächung der bisher in der Nordmark eingehaltenen Politik bedeuten könne. Ich möchte Herrn Grafen Rantzau darauf hin— welsen, daß der Absatz 3 dieses Gesetzes von der Staats— regierung doch augenscheinlich zu dem Zwecke in Vorschlag gebracht worden ist, um in der Provinz Schleswig⸗-Holstein den Zwang zum Besuch von ländlichen Fortbildungsschulen auch dann einzuführen, wenn in der Bevölkerung die Neigung dazu nicht vorhanden und also ein entsprechender Beschluß der Gemeinden oder eines Gutsvorstandes nicht zu erreichen ist. Ich glaube, durch diese Bestimmung hat die Staatsregierung in genügender Weise zu erkennen gegeben, daß sie auch die Fortbildungsschule in den Dienst nationaler Interessen stellen will und daß sie die Hoffnung hegt, daß auch die Fortbildungsschule dazu beitragen wird, das Deutschtum in der Nordmark in dem berechtigten Kampf gegen das Dänentum zu stärken.

Ich mache dabei noch auf folgendes aufmerksam: In dem Gesetz für die Provinz Schleswig ⸗Holstein besteht die gleiche Vorschrift, wie sie hier im Absatz 3 des Gesetzentwurfs für die Provinz Schleswig⸗ Holstein vorgesehen ist. Aber auch in der Provinz Schlesien ist die Anwendung dieser Vorschrift nicht in der ganzen Provinz erfolgt, sondern lediglich auf den national gefährdeten Teil der Provinz Schlesien, auf den Regierungsbezirk Oppeln, beschränkt geblieben. Die Regierungspräsidenten sind dort angewiesen worden, ihre Zu⸗ stimmung, die nach Absatz 3 zu derartigen Beschlüssen des Kreis⸗ ausschusses erforderlich ist, nur in dem Fall zu erteilen, wo es sich um national gefährdete Bezirke handelt. Falls dieser Entwurf, wie ich hoffe, Gesetz wird, wird auch in gleicher Weise in der Provinz Schleswig⸗Holstein verfahrsn werden. Der Regierungspräsident wird angewiesen werden, seine Zustimmung zu einem den Besuchszwang einer Fortbildungsschule aussprechenden Kreisausschußbeschluß außer⸗ halb der national gefährdeten Kreise von Schleswig⸗Holstein zu ver⸗ sagen. Auf diese Weise wird für Landgemelnden in den nicht national gefährdeten Kreisen die Einführung des Besuchszwangs nur dann möglich seln, wenn die Gemeinden selbst durch Gemeindestatut eine dahin gehende Bestimmung treffen.

Für Gutsbezirke wird die Anweisung an den Regierungspräsidenten dahin lauten, daß er seine Zustimmung zu einem Zwangsbeschlusse des Kreigausschusses in den nicht national gefährdeten Kreisen nur in den senigen Fällen erteilt, wo die Zustimmung des Gutsbesitzers und Gutsvorstehers für den Besuchszwang der ländlichen Fortbildungs⸗ schulen vorliegt. Ich glaube, daß damit auch die Bedenken des Grafen Rantzau gegen den Gesetzentwurf beseitigt sind.

Damit schließt die Generaldiskussion.

In der Spezialdiskussion empfiehlt

Graf von Haeseler seinen 1 unter Hinweis auf die Notwendigkeit, die jungen Leute, soweit möglich, körperlich auszubilden.

Herr von Beeler tritt für seinen Antrag ein, mit dem er sich keineswegs in Gegensatz zu dem Antrage des von ihm hoch— verehrten Grafen Haeseler stellen, sondern den Antrag Graf Haeseler nur annehmbarer machen wolle. Mit einer Stunde in der Woche lasse sich

wenig erreichen, zweckmäßiger wäre es, für diesen Zweck einen ganzen

Nachmittag zur Verfügung zu haben, um die jungen Leute in Wald und Feld daran zu gewöhnen, ihre Augen und ihren Geist zu schärfen

und sie damit für ihre spätere Militärdienstzeit k zu machen.

Um eine militärische Ausbildung handele es sich dabei nicht, sondern nur um vorbereitende Uebungen. Bisher sei die Jugendpflege auf das Gebiet der freiwilligen Tätigkeit verwtesen. Es wäre ein großer Gewinn, wenn die Sache gesetzlich geregelt würde.

Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer: .

Meine Herren! Wir stimmen, glaube ich, ausnahmslos den guten Absichten der Herren Antragsteller dahin bei, daß es gewiß wünschenswert erscheint, auch in der ländlichen Fortbildungsschule den vaterländischen Geist zu heben und auch dort Gelegenheit zu geben zu einer Ausbildung, welche für den kommenden militärischen Beruf von vorbereitender Bedeutung ist. Aber ich habe trotzdem erhebliche Bedenken gegen die hier gemachten Vorschläge geltend zu machen! Einmal handelt es sich um Bestimmungen, welche doch inhaltlich eigentlich schon im Rahmen des Lehrplans darüber Verfügung treffen, in welcher Weise die Unterrichtsstunden benutzt werden sollen. Nach der ganzen Struktur unseres Gesetzentwurfs gehört eine derartige Vorschrift nicht in das Gesetz, sondern in den Lehrplan, und es würde Sache des Lehrplans beziehungsweise der ortsstatutarischen Be— stimmungen sein, Fürsorge zu treffen, in welcher Weise den Wünschen der Herren Antragsteller stattzugeben ist. Ich glaube aber noch hinzu— fügen zu müssen, daß sich für ländliche Fortbildungsschulen ein weitergehender Zwang wie der im Gesetz vorgesehene nicht empfiehlt, daß es vielmehr sehr schwierig und in vielen Gegenden unausführbar sein wird, auch nur an einem Nachmittag in der Woche, den Unter— richt das Sommerhalbjahr hindurch oder auch nur bis zum August fortzusetzen. Ich glaube, wir werden uns zunächst darauf be— schränken müssen, auch hier die Freiwilligkeit an die Stelle des Zwanges treten zu lassen. Und wenn wir in der glücklichen Lage sein würden, in jeder Gemeinde und in jeder Fortbildungsschule einen Grafen Haeseler und einen Herrn von Bissing zu haben, dann bin ich fest überzeugt, daß es an Uebungen im Gelände und der sonstigen Aus— bildung für die demnächstige Kriegsbrauchbarkeit der Jugend sicher nicht fehlen wird.

Herr von Beseler bemerkt berichtigend, daß sein Antrag nicht von jeder Woche, sondern von jedem Monat spreche.

Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von, Schorlem er;:

Ich gebe zu, daß ich mich insofern geirrt habe, als der Antrag des Herrn von Beseler nur einmal monatlich Uebungen im Gelände vorsieht. Aber auch gegen diesen Antrag bestehen Bedenken. Wenn er angenommen werden sollte, müßte übrigens der Absatz 1 geändert werden; denn darin ist bestimmt, daß durch statutarische Bestimmung einer Gemeinde für die nicht mehr schulpflichtigen, unter 18 Jahre alten männlichen Personen für drei aufeinander folgende Winter— halbjahre die Verpflichtung zum Besuch einer ländlichen Fort⸗ bildungsschule begründet werden kann. Also auch hier geht der Entwurf von der Annahme aus, daß es sich nur um einen Unterricht im Winter handelt und daß der Sommerunterricht vollständig aus⸗ fallen muß. Ich kann im übrigen nur nochmals das wiederholen, was ich vorhin schon bemerkte: ich habe den dringenden Wunsch, daß die Absichten der Antragsteller auch verwirklicht werden, aber ich glaube, es ist nur möglich im Wege der freiwilligen Emrichtung und nur da, wo sich in den betreffenden Gemeinden auch die geeigneten Herren finden, die eine derartige Unterweisung in die Hand nehmen können.

Die Anträge des Grafen von Haeseler und des Herrn von Beseler werden abgelehnt.

Zu der Bestimmung des Entwurfs: „An Sonntagen darf in der Regel Unterricht nicht erteilt werden“ spricht

Herr Dr. von Kopp die Erwartung aus, daß die Jugend⸗ . in der Erfüllung ihrer kirchlichen Pflichten nicht behindert werden.

Der Gesetzentwurf wird hierauf mit großer Mehrheit an— genommen.

Zu der oben mitgeteilten Resolution drückt

Herr Dr. von Kopp die Hoffnung aus, daß die Staats— regierung die von ihr kundgegebenen Absichten in bezug auf den Re— ligionsuntericht wohlwollend ausführen werde. Die Absicht, einen gewissen Zwang mit der Resolution auszuüben, bestehe nicht. Da— gegen könne er mit seinen Freunden der Hoffnung nicht entsagen, daß, wenn es einmal zu einer , des Fortbildungs⸗

schulwesens komme, auch dem Religionsunterricht die volle Berechti⸗ gung werde zuerkannt werden.

Die Resolution wird angenommen.

Es folgt die Beratung und Beschlußfassung über den vom Abgeordnetenhause unter Abänderung der Regierungsvorlage angenommenen Gesetz entwurf, betr. das Schlepp⸗ monopol auf dem Rhein-Weser⸗Kanal und dem Lippekanal.

. Die XIII. Kommission, bestehend aus 21 Mitgliedern, hat die Vorlage nach eingehender Diskussion unverändert in der Fassung des anderen Hauses mit 11 gegen 10 Stimmen an— genommen, außerdem aber folgende Resolutionen be— antragt:

„I) die Regierung zu ersuchen, J. Kanalabgaben und Schlepy— lohn so zu bemessen, daß ein Anreiz zur Benutzung der Kanäle auch dann bleibt, wenn für den Trangzport zum Schiffe und vom Schlffs eine mäßige Eisenbahnanschlußpflicht aufjuwenden ist, II. über die , von Abgabetarifen und die Schlepp— ordnungen geeignete Vertretungen des Handels und des Schiff— fahrtsgewerbes zu hören und mit deren Aeußerungen Tarife und Schleppordnungen den Wasserstraßenbeiräten und Finanzbelräten vorzulegen; III. nach Verlauf der ersten zwei Betriebsjahre erneut eine Begutachtung durch die sub 11 erwähnten Vertretungen herbeizuführen; 27 die Regierung im Hinblick darauf, daß der Verholverkehr zwischen verschiedenen Hafenanlagen desselben Ünter— nehmers, namentlich der Städte Hannover und Minden, dem Schleppmongpol unterworfen ist, zu ersuchen, auf die sich hieraus ergebenden Härten bei der Tarifierung der Schleppgebühren für den Verholverkehr zwischen solchen Häsen Rücksicht zu nehmen.“

Herr Holle⸗Fssen: Der Monopolgedanke wurde dadurch in das Wasserstraßengesetz eingeführt, weil man den Kanal

leistungsfähiger machen wollte. Es wurde damals den Kommissions⸗ mkigliedern die elektrische Treideleianlage vorgeführt, von der alle ent— zück waren. Man glaubte so einerfeits den Ausfall zu decken, den die Gisenbahnen durch den Kanal erlitten, indem man die Tarife für die Kanalbenutzung dementsprechend erhöhte. Dann aber auch glaubte

man die Konkurrenz des ausländischen Getreides abhalten zu können.

ine derartige elektrische Treidelei konnte natürlich nur in einem Monopolhetrtebe rationell durchgeführt werden. Die elektrische Treidelei wurde auch auf anderen Kanälen, z. B. dem Teltowkanal eingeführt. Sie hat sich aher nicht so bewährt, wie man anfänglich glaubte. Der Staat selbst hat die elektrische Treidelei fallen gelassen. Er will jetzt Schleppdampfer halten, die die Schiffe hin- und herziehen. Damit fällt natürlich die technische Begründung für das Schlepp— monopol fort. Dann ist es doch auch nicht angängig, Schfffe, die mit eigenem Motor fahren, auf einmal stoppen zu lässen und zum Geschlepyptwerden zu zwingen. In dieser Form ist das Schlepp monopol direkt ein Verkehrshindernis. Dazu kommt der ganze schwer⸗ fillige Apparat und die hohen Tarife. Der Minister hat ja schon eine Revision der Tarife versprochen. Das hat ja die Bedenken gegen das Gesetz eiwas gemildert. Trotzdem kann es uns nicht überzeugen, doß das Schleppmonopol vorteilhaft ist. Selbst der rheinische Provinziallandtag betrachtet es als einen Vorzug, wenn man das Monopol fallen läßt. Seit 1905 haben wir ja auch im Eisenbahn—⸗ verkehr gelernt. Wir müssen die überlastete Eisenbahn etwas entlasten. Däs tut aber der Kanal. Deshalb brauchen wir eine Minderung der Gisenbahneinnahme nicht zu fürchten. Die Furcht der Einfuhr fremder Produkte und ausländischen Getreides wird ja durch unsere Zollpolitik erledigt, an der voraussichtlich auch in Zukunft fest— gehalten werden wird. So sind alle Hauptpunkte, die man seinerzeit für das Monopol geltend machte, hinfällig geworden. Soll man jetzt so weit gehen, daß, weil damals ein Kempromiß gemacht worzen ist, wir es jetzt unter allen Uniständen halten müssen? Wir müssen. doch dle Gesetze so machen, daß sie für die Allgemeinheit förderlich sind. Wir können uns deshalb nicht mehr auf den Stand— punkt stellen, der ja bequem sein mag, daß wir das Gesetz machen mässen, weil es damals die Männer des Abgeordnetenhauses und die Idealisten des Monopolgedankens für notwendig gehalten haben. Gewöhnliche Gesetze werden wir jeden Tag ändern, mit gewissen Einschränkungen quch Verfassungsgesetze. Aber bei einem Kompromiß— gestz ist das nicht möglich. Das Gesetz wäre ein parlamentarischer Widerspruch. Es spricht demnach alles dafür, ein Schleppmonopol nicht einzuführen.

Herr Dr. Eichhof ⸗Dortmund: Die Frage ist, ob der auf dem Doꝛrtmund⸗ Emskanal vorhandene eigene Verkehr von dem staatlichen Schleppmonpol dauernd oder für bestimmte Zeit frei gelassen werden soll. Nach der Stellungnahme des anderen Haufes und unserer Kommission, den eigenen Verkehr nur auf 15 Jahre von dem Monopol frei zu lassen, ist meine Hoffnung, daß das Plenum für die dauernde Freilassung sich aussprechen wird, sehr gering. Wenn ein „einheitlicher Schleppbetrieb auf dem Kanal

vom Rhein zur Weser eingerichtet werden soll, muß er auch die

gemeinsame Strecke Herne Bevergern erfassen; daraus ergibt sich aber noch nicht, daß das staatliche Monopol auch den längst bestehenden Verkehr des Dortmund⸗Emskanals ergreifen soll. Fine Reihe von Einzelheiten der Verhandlungen über das Wasser— straßengesetz von 1905 läßt vielmehr die gegenteilige Annahme zu, daß ein solcher Eingriff nicht beabsichtigt gewesen ist. Auch die Regierung, die entgegengesetzter Meinung ist, erkennt an, daß Zweifel bestehen können. Bei dieser Sachlage wäre ein Entgegenkommen gegenüber den dringenden Wünschen der Interessenten des Dortmund— Emskanals doch nicht allzu schwer gewesen. Staatlicher und privater Schleppbetrieb können sehr wohl nebeneinander bestehen. Auch die Regierung will das ja für mindestens 15 Jahre zulassen. Die Eisen— bahn erfährt auch keine Schädigung, dazu ist die Frachtdifferenz zu groß. Die Befürchtung, daß der Dortmund⸗Emskanal ein Einfallstor für ausländisches Getreide werden könnte, ist durch eine 14 jährige Er⸗ fahrung widerlegt. Einnahmeausfälle entstehen dem Staat auch nicht, denn er will ja auf dieser Strecke ohnehin recht erheblich zusetzen. Das Mon pol würde aber anderseits auf dem Dortmund⸗Emekanal den Verkehr von Norden nach Süden völlig zerreißen, den nördlichen Verkehr verteuern und ihn nach dem Rhein und den ausländischen Häfen abdrängen; den Schaden davon würden die Schiffahrtsbetrie be, die Städte, die Garant everbände und der Staat haben, dieser wegen der großen Opfer, welche er für die großzügigen Emdener Anla gen gebracht hat. Ich beantrage daher die dauernde Freilassung dieser Strecke von dem staatlichen Schleppmonopol.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach:

Meine Herren! Der Standpunkt, den die Königliche Staats⸗ regierung bei Einbringung des Gesetzes über die Einführung eines staatlichen Schleppzwanges auf den westlichen Kanälen einzunehmen hatte, war ein gegebener, gegeben durch S 18 des Wasserstraßengesetzes vom 1. April 1905. Die Entstehungsgeschichte des Wasserstraßen— gesetzes ist ja noch in aller Erinnerung. Reglerung und Parteien mußten sich gegenseitig Zugeständnisse machen, erhebliche Zugeständnisse, damit das Gesetz verabschiedet werden konnte. Die Regierung ver⸗ zichtete schon bei Einbringung des Gesetzes auf die Verbindung von Rhein und Elbe und ließ die Wasserstraße in Hannover abschließen. Die Parteien, die Freunde des Wasserstraßengesetzes waren, mußten einige Auflagen in Kauf nehmen, zu denen gehörte die Einführung von Schiffahrtsabgaben auf den natürlichen Strömen und die Einführung eines staatlichen Schleppzwanges auf den west— lichen Kanälen. Man kann wohl behaupten, daß kaum ein Gesetz, das in den letzten Jahrzehnten verabschiedet ist, so sehr den Charakter eines Kompromißgesetzes hat wie dieses, und das mußte sich die Staatsregierung bei Einbringung des Schlepp⸗ monopolgesetzes durchaus gegenwärtig halten. Sie mußte es geradezu ängstlich vermeiden, den Anschein zu erwecken, als ob sie ihrerseits ausweichen wollte, als ob sie wesentliche Voraussetzungen, die für die Verabschiedung des Wasserstraßengesetzes maßgebend gewesen sind, bei⸗ seite schieben wolle. Strittig ist in allen Vorstadien, die seit der Einbringung gegenwärtiger Gesetzesvorlage vergangen sind, nur die Frage gewesen, ob der Dortmund Ems⸗Kanal auch in seiner bisherigen Gestaltung für seinen heutigen Verkehr oder nur für den zwischen Rhein und Weser neu entstehenden Verkehr dem Monopol des Staats unterworfen werden sollte. Die Staatsregierung hat in allen Stadien auf dem Standpunkt gestanden und ihrer Auffassung nach stehen müssen, daß auch der alte Verkehr dieses Kanals dem Monopol unterworfen sei, und sie beruft sich für diese ihre Ansicht auf die Fassung des 5 18 des Wasserstraßengesetzes, welcher vorsieht, daß auf dem Kanal vom Rhein zur Weser mit seinen Anschlüssen ein einheit⸗ licher staallicher Schleppbetrieb einzurichten wäre, und zwar, wie es in dem folgenden Satze heißt, unter Untersagung der mechanischen Schlepperei durch Private auf eben diesen Wasserstraßen. Aus der Verbindung dieser beiden Sätze schließt die Staatsregierung, daß der einheltliche staatliche Schleppbetrieb ein ausschließlicher sein sollte, daß neben dem staatlichen Schleppbetrieb auf dem Mittel- stück des Rhein⸗Weser⸗Kanals zwischen Herne und Bevergern ein privater Schleppbetrieb nicht bestehen könne. An dieser Rechts⸗ auffassung hat die Staatsreglerung, obwohl sie in der Kommission des Abgeordnetenhauses angefochten worden ist, festgehalten, und sie hat sich dabei auch auf die Auffassungen des Herrn Justizministers berufen kznnen, die dort eingehend vertreten und begründet worden

sind. Die lebhasten Widerstände, die sich gegen die grundsätzliche

Durchführung des staatlichen Schleppzwanges auch auf dem Dort— mund ⸗Ems-Kanal geltend machten, haben aber schon von allem An— beginn an, schon in den Vorstadien, bei den Verhandlungen im Wasserstraßenbeirat die Staatsreglerung dazu veranlaßt, in Aussicht zu stellen und in Erwägung zu nehmen, um den Uebergang des Schleppbetriebes auf den Staat auf dem Dortmund⸗Ems⸗Kanal zu erleichtern, für einen gewissen Zeitraum zu gestatten, daß neben dem staatlichen Schleppbetrieb ein privater zugelassen werde. Die Staatsregierung ist sich darüber klar, daß dieser Zustand in der Uebergangszeit ein wenig erwünschter ist. Der staat— liche Schleppbetrieb hat, wie die Verhandlungen der letzten Jahre und auch die Erörterungen im Parlamente gezeigt haben, mit einem grundsätzlichen und heftigen Widerstande zu rechnen. Es kann mit Sicherheit vorausgesetzt werden, daß die Einbürgerung des staat⸗ lichen Schleppbetriebes durch das Fortbestehen eines eingelebten und sich großen Ansehens erfreuenden Privatbetriebes nicht erleichtert, sondern erschwert werden wird. Wir hoffen freilich, in der Lage zu sein und den Nachweis führen zu können, daß auch ein Schleppbetrieb des Staates Erfolge erzielen kann und Erfolge erzielen wird in dem— selben Maße, wie es bei privaten Schleppunternehmungen der Fall ist. Zu dieser Auffassung gelangen wir, wenn wir unter anderem die Leistungen des größten Staatsbetriebes vergleichen, des Staats— eisenbahnbetriebes, der meines Erachtens unter unendlich schwierigeren Verhältnissen, insbesondere in unseren Industriebezirken, zu arbeiten hat, als ein Schleppbetrieb auf unseren westlichen Wasserstraßen müßte. Man muß sich doch vergegenwärtigen, daß es sich im Maximum um 120 bis 140 Schlepper handeln wird, die auf einzelnen Teilen des Kanals, zum Teil im Pendelbetrieb zwischen den großen Schleusen, verkehren werden, eine Verkehr, der wahrlich keine besonderen Schwierigkeiten bieten kann. Die Schwierigkeiten dürften meines Ermessens ausschließlich darin liegen, daß der staatliche Betrieb zu—⸗ nächst nicht die Kräfte zur Verfügung haben würde, um den geschäft⸗— lichen Verkehr vielleicht in derselben koulanten Weise zu regeln, wie es die Privatgesellschaften vermögen. Aber für diese Uebergangszeit ist auch in Aussicht genommen, daß besondere Angestellte, die nicht im Staatsbeamtenverhältnis stehen, die Stellen von Staatsbeamten ausfüllen, um die Verbindung mit den Interessenten zu unterhalten. Ich hoffe, daß dieses Uebergangsstadium nicht so lange dauern wird, und daß, wenn es überwunden ist, der staatliche Schleppbetrieb sich zum mindesten ebenbürtig dem Privatbetrieb an die Seite stellen kann und wird. Meine beiden Herren Vorredner, insbesondere Herr Holle, sind nun der Meinung, daß der ganze Gedanke der Einführung eines staatlichen Schleppbetriebes auf den westlichen Kanälen ausgegangen ist von der Voraussetzung, daß wir in der Lage wären, eine elektrische Treidelei einzuführen. Ich bin nicht in der Lage, dieser Auffassung zu folgen. Ich gebe ohne weiteres zu, daß bei der Besprechung des Wasserstraßengesetzes im anderen Hause, insbesondere in der Kommission die Einführung einer elektri⸗ schen Treidelei mit Vorllebe erörtert worden ist, und daß vielleicht deijenige Abgeordnete, der den Gedanken des Schleppmonopols zuerst in die Diskussion geworfen hat, auch der Auffassung gewesen ist, daß mit der Einführung des staatlichen Schleppbetriebes die elektrische Treidelet verbunden sein müsse. Die Vertreter der Regierung haben aber sogleich darauf hingewiesen, daß es doch zweifelhaft wäre, ob ein elektrischer Betrieb sich von Anbeginn rechtfertige, weil es unsicher sei, ob er bei einem erst sich entwickelnden Verkehr wirtschaftlich wäre. Nun meinte mein Herr Vorredner: die elektrische Treidelei ist ab⸗ getan. Dieser Auffassung muß ich durchaus widersprechen. Dle elektrische Treidelei ist nicht abgetan. Sie kann nur heute nicht ein— geführt werden, weil es unwirtschaftlich wäre, sie bei dem sich erst entwickelnden Verkehr einzuführen. Es ist durchaus möglich und muß offen gehalten werden, die elektrische Treidelei später einzuführen, vielleicht auch einen anderen einheitlichen Schleppzug. Mein Herr Vorredner war auch der Meinung, daß das Schleppmonopol ein absolutes Hindernis für die Entwicklung eines ordnungsmäßigen Verkehrs hier wäre. Er gab sogar der Auffassung Ausdruck, daß es eine verkehrsfeind⸗ liche, jedenfalls keine verkehrsfreundliche Einrichtung sei, und er berief sich hierbei in erster Linie darauf, daß Kanalgebühren und Schlepplöhne den Verkehr erdrosseln würden, daß der Verkehr beide Gebühren nicht ertragen könne. Diese Auffassung halte ich für unzutreffend. Ich glaube, sie läßt sich auch ohne weiteres damit widerlegen, daß nach den von Herrn Holle angegebenen Zahlen, wenn man sie als richtig unterstellt und sie auf eine Schiffsladung von etwa 800 t bezieht, eine Tonne Kohlen von Essen nach Hannover an Kanalgebühren und Schlepplöhnen belastet wird mit 1,36 Mc, eine Tonne Getreide mit 2,2 , während die Eisenbahnfrachten von Essen nach Hannober nach einer überschläglichen Berechnung für Kohle etwa 6 S½6 und für Ge⸗ treide etwa 12 ( per Tonne betragen werden. Diese Differenz zwischen 6 und 12 ½ auf der einen Seite und 1,ů36 ½ resp. 2.52 S0 auf der anderen Selte würden dem Schiffer noch genügend Raum lassen, um an der mit etwa 0.5 3 vom Tonnenkilometer einzusetzenden, also bei 300 km etwa 1,50 betragenden Fracht zu verdienen, und ebenso den Interessenten, um den erwarteten Nutzen von der Schiff⸗ fahrtsstraße zu ziehen. Ich würde mich freuen, wenn auch dieses hohe Haus an der grundsätzlichen Auffassung der Staatsregierung fest⸗ hielte, daß der einheitliche staatliche Schleppzwang auf den ge— samten westlichen Kanälen einschließlich des Dortmund-Ems⸗ Kanals bis Bevergern durchzuführen ist, einer Auffassung, der sich das Abgeordnetenhaus angeschlossen hat. Ich würde es ferner begrüßen, wenn die Uebergangsbestimmungen, die das Abgeordnetenhaus dem Entwurfe einverleibt hat, daß für 15 Jahre auf dem Dortmund⸗Ems⸗Kanal ein privater Schleppbetrieb neben dem staatlichen fortbestehen soll, ebenfalls Annahme fänden. Ich füge hinzu, daß es der Staatzregierung nicht leicht geworden ist, sich auf einen so langen Zeitraum zu binden, weil die Schwierigkeiten mit der Länge des Zeitraums zunehmen werden, well die Einbürgerung des staatlichen Betriebes erschwert werden wird. Da aber auch diese Be⸗ stimmungen des Gesetzes nur im Kompromlßwege zur Annahme ge⸗ langen konnten, so hat die Staatsregierung geglaubt, es hinnehmen zu können, daß ein so langer Zeitraum und nicht der von ihr in Aussicht genommene zehnjährige Zeitraum festgesetzt worden ist.

Das Schleppmonopolgesetz ist der letzte Ausläufer wenn ich so sagen darf des großen und bedeutsamen Gesetzes vom 1. April 1905, des Wasserstraßengesetzes. Seine Durchsetzung hat langjährige Kämpfe erfordert. Die Verwirklichung seiner Bestimmungen, nament⸗ lich der, daß auf den natürlichen Strömen Schlffahrtsabgaben erhoben werden sollen, hat neue erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Sle sind überwunden worden. Ich würde es mit Dank begrüßen, wenn es

möglich wäre, durch die Verabschiedung des Gesetzentwurfes, wie er aus dem Abgeordnetenhause herübergekommen ist, auch diesen letzten Ausläufer des wasserwirtschaftlichen Gesetzes vom April 1905 zu ver— abschieden. (Bravo!)

Fürst zu Salm-⸗Horstmar: Als Mitglied des Provinzial⸗ landtages von Westfalen erkläre ich, daß mich die Kommiffions⸗ verhandlungen nicht davon überzeugt haben, daß die Auffassung jener Körperschaft nicht zutrifft. Ich halte dafür, daß die Freilassung des Dortmund⸗Emskanals aus rechtlichen, m irtschafilichen nnd Billigkeirs⸗ gründen anzustreben ist. 19053 sind die Ansichten darüber mindestens nicht geklärt worden. Minister Budde hat damals ausorücklich er= klärt, in alte, erworbene Rechte solle nicht eingegriffen werden. Auch aus dem einheitlich“ ist nicht zu folgern, daß der bestehende Verkehr

auf dem Kanal mit in das Monopol einbegriffen werden soll. Eine

Aeußerung des Geheimen Oberbaurats Sympher in einer Denkschrift, auf die in der Kommission Bezug genommen wurde, kann als zwingender Beweis nicht angesehen werden. Es ist mindestens unbillig, die Garanten de? Dortmund Emtkanals mit einer Ein⸗ richtung zu beglücken, die sie bei Uebernahme der Garantien nicht erwarten konnten.

Graf von Behr⸗Behrenhoff: Für die Stellungnahme zu dem vorliegenden Gesetzentwurf ist von ausschlaggebender Bedeutung die Vorgeschichte und Entstéehungsgeschichte des 818. Man könnte sagen, die wirtschaftlichen Verhältnisse haben sich inzwischen derartig ber= schoben, daß Anlaß gegeben ist, anzunehmen, von den Vorschriften des 5 18 wenigstens bezüglich der Strecke Herne Bevergern ab⸗ zusehen, oder aber man nimmt an, die Gründe, die seinerzeit vor⸗ lagen, den 18 so zu fassen, wie es seinerzest geschehen ist, bestehen noch, dann wird man sich auf den Standpunkt stellen müssen, daß es sich um ein Ausführungsgesetz handelt. Handelt es sich aber darum, so wird man sich dahin schlüssig machen müssen, daß an den grund⸗

legenden Bestimmungen des ls nichts zu ändern ist. Ich für meine

Person bin der Ansicht, daß die Gründe, die damals für die Parteien dieses Hauses und des anderen Hauses bestanden, den 5 18 so zu fassen, noch heute bestehen. Es ist ein fehr weites Entzegenkommen gegen die Gegner dieses Gesetzes, wenn man nicht sofort das autschließliche Schleybmonopol einführt, sondern, wie es das andere Haus be⸗ schlossen hat., für 15 Jahre den Bortmund-⸗Emskanal vom Schlepp⸗ betrieb freiläßt. Nun sst von den Gegnern gesagt worden, daß zwar der einheitliche Schleppbetrieb im Sinne des Gesetzes von 1905 liege, aber nicht der ausschließliche. Nun weiß ich nicht, was der einheit liche Betrieb für einen Sinn haben soll, wenn er nicht ein aus⸗ schließ icher ist Auch bin ich der Ansicht, daß eine Schädigung von Rbeinlandund Westfalen durch diesen Schleppbetrieb auf dem Dortmund⸗ Emskanal nicht zu erwarten ist. Die Herren haben doch gewußt, daß die Sache kommen würde. Auf dem Propinziallandtag war die Vorlage bekannt. Solange wir den bestehenden Zolltarif haben, müssen wir auch an dem 8 18 festhalten, um wirtschaftliche Verschiebungen zu vermeiden. Daß der Staat die fes Geschäft nicht so gut besorgen könne wie die privaten Betriebe, kann ich nicht anerkennen. Bei der Verstaatlichung der Eisenbahnen wurden ähnliche Bedenken erhoben, die sich als un⸗ hegründet erwjesen haben. Ein Einwand aus dem Umstande, daß die Eisenbahnen im vorigen Jahre dem Verkehr nicht gewachsen waren, kann nicht erhoben werden, weil die Regierung aus jener Verkehr stockung gelernt hat. Selbstverständlich würden wir verlangen, daß die Interessen Emdens ausreichend gewahrt und nicht zum Vorteil Rotterdamt zurückgesetzt werden. Ich komme also zum Schluß, daß wir eigentlich nach dem, was 1905 vereinbart wurde, zur Regierungs⸗ vorlage zurückkehren müßten. Mit Rücksicht aber auf die allgemeinen staatlichen Interessen sind wir bereit, uns auf den Standpunkt der jetzigen Vorlage zu stellen.

Dr. Freiherr von Lands b erg; Landwirtschaft und Industrie Westfalens sind sich absolut darin einig, daß das Schleppmonopol auf der Strecke Dortmund Ems unzulässig ist. Auch innerhalb der Kommission des Abgeordnetenhaufes war man sich über § 18 nicht einig, Der Ahg. Herold, sonst ein Freund des Monopols, erklärt es für unzulässig, das Monopol auf neuen Kanälen einzuführen. Es handelt sich hier um keine politische, sondern um eine rein wirt⸗ schaftliche Frage, und aus wirtschaftlichen Gründen sind wir gegen dieses Monopol.

Herr Dr. Eichhoff: Die Schrift des Geheimen Rats Sympher war eine rein private Dentschrift und ist dem westfälischen Landtag gar nicht zur Kenntnis gekommen. Selbst wenn der staatliche Betrieb so beweglich sein könnte wie ein privater, so wird er doch nicht in der Lage sein, den außerordentlich wechselnden Schleppbedürfnissen sich anzupassen, weil er nur die Schleppdampfer in der Hand hat, nicht die Schleppkähne.

Herr von. Koęester: Auf dem Kaiser Wilhelm⸗Kanal besteht das staatliche Schleppmonopol neben dem privaten. Zu Zeiten großen Verkehrs ist dies sogar der Kanalverwaltung fehr angenehm. Nach 15 Jahren wird wahrscheinlich jedes Schiff auch auf den Binnengewässern mit eigener Kraft fahren. Dadurch wird der Ge⸗ danke des Schleppmonopols dann wesentlich geändert.

Herr Holle: Ich möchte noch einmal auf die Verteuerung hinweisen, die der Verkehr durch das Schleppmonopol erhält.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach:

Wenn die Staatsregierung sich entschließt, ein so umfassendes und kostspieliges Werk, wie es die Kanäle sind, dem Betrieb zu Über⸗ geben, dann wird man ohne welteres präsumieren dürfen, daß sie die Benutzung dieser großen Verkehrsstraßen nicht durch eine unzweck⸗ mäßige Festsetzung der Tarife unmöglich machen wird, und so sind die Tarife, die wir in Aussicht genommen haben, auch abgegriffen. Wenn Herr Dr. Holle darauf hingewiesen hat, daß die Differenzen der Schlepplöhne und Kanalgebühren auf der einen Seite und der Eisenbahnfrachten auf der anderen Seite nicht erheblich genug wären, um dem Schiffer einen Verdienst zu lassen und dem Fracht interessenten, auf den es doch auch sehr wesentlich ankommt, wenn er es für nützlich hält, die Kanäle zu benutzen, so kann ich ihm nach den vorliegenden Berechnungen darin nicht folgen. Wir sind der Mei⸗ nung, daß jeder auf seine Rechnung kommt, sowohl der Schiffer wie der Frachtinteressent, wenn er den Kanal benutzen wird; und sollten unsere Tarife nach der Richtung, die Herr Dr. Holle andeutete, nicht zweckmäßig aufgestellt sein, dann müssen sie eben geändert werden. (Hört, hört! Sehr richtig!)

Herr von Koester wies darauf hin, daß auf dem Kaiser Wilhelms⸗ Kanal Staats- und Privatdampfer friedlich nebeneinander verkehren und daß ein Privatschleppbetrieb auf dem Dortmund⸗Ems⸗Kanal möglich sein müsse. Soweit mir die Verkehrsziffern für den Kalser Wil belms⸗Kanal vorschweben, einer Wasserstraße, die eine außerordent⸗ lich viel größere Kapazltät hat, sind diejenigen des Dortmund ⸗Ems⸗ Kanals schon heute wenig geringer. Wir sind der Auffassung und können es überall auf unseren künstlichen wie auf den natürlichen Wasserstraßen beobachten, daß es durchaus möglich ist, mehrere Einzel⸗= betriebe auf diesen Wasserstraßen nebeneinander zu führen. Wir stehen aber auf dem Standpunkt, daß ein so stark befahrener Kanal, wie der Rhein-Herne⸗Kanal es ist, und gerade dieses umstrittene Mittelstäck des Dortmund ⸗Emt⸗Kanals es sein wird, ein Nebenelnanderbestehen von staatlichen und privaten Betrieben auf die Dauer nicht vertrage kann. Vielleicht in der Zeit des Uebergangsberkehrs. Wir fahren heute auf dem Dortmund Ems. Kanal beinahe 4 Millionen Tonnen und rechnen nach Inbetriebnahme des Rhein, Herne Kanals, wenn auch streckenweise dann eine gewisse Verkehra⸗

minderung eintreten mag, im ganzen mit elner erheblichen Verkehrg.

J ;

n t / /