1913 / 127 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 31 May 1913 18:00:01 GMT) scan diff

mit einem Nachtwächter inen Zusammenstoß hatte; er mußte dafür eine geringfügige Geldfsfr e zahlen. Nach zwei mir zugegangenen Depeschen handelt es sich bei der Bestrafung wegen Diebstahls darum, daß der Mann als Schulknabe mit Spielgenossen zusammen sich etwas Obft angeeignet hat. Er hat deshalb eine Verwarnung er⸗ halten. Wie der Regierungsvertreter solche Bagatellsachen darstellt, grenzt an groben Unfug.

Direktor im samt des Innern Dr. Lewald: Ich habe über diesen Fall gestern mitgeieilt, was mir nach dem Bericht der Behörden vorliegt. Ich bin bereit der Sache nachzugehen und, wenn fie sich fo verhält, das bei der dritten Lefung zu bemerken. (Nuf bei den Sozialdemokraten: Zuverlässigkeit der Behörden! Große Unruhe. Vizepräsident Dr. Paasche: Ich glaube, Sie können von einem ; Regierungsvertreter keine andere. Erklärung erwarten. Abg.

ö Ledebour: Das ist ja ganz gleich! Andauernde Unruhe. Vize⸗ . präsident Dr. Pa asche: Ich bitte um Ruhe! Ahg. Ledebour: . Erst soll sich der preußische Regierungsrat entschuldigen. Vize⸗ . präfident Dr. Paasche: Sie haben nicht das Wort, Herr Abg.

Ledebour!) Die 13 und 14 werden nach Ablehnung der Anträge k unverändert in der Kommissionsfassung angenommen. Zu 8 15, der bestimmt, daß zur Entlassung einer Person,

ö die unter elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft steht, die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts notwendig ist, diese aber nicht nötig ist, wenn der Vater oder die Mutter die Entlassung für sich oder zugleich kraft elterlicher Gewalt. für ein Kind beantragt, beantragt der Abg. Dr. Bl un ck ffortschr. Volksp., daß diess Genehmigung auch bei Ehescheidungen in den Fällen notwendig ist, wo die Institution der Sorge für die Person des Kindes in Frage kommt. Der Paragraph wird mit diesem Zusatz angenommen. . .

Sz 20 der Vorlage, wonach der Angehörige eines Bundes⸗ staates die Staatsangehörigkeit in diesem Staate mit der Auf⸗ nahme in einen anderen Bundesstaat verliert, ist von der Kom—⸗ mission abgelehnt worden.

Ohne Diskussion wird die Streichung vom Hause ge— nehmigt. J . ̃

Nach 8 22 verliert ein militärpflichtiger Deutscher, der im Inlande weder seinen Wohnsitz noch seinen dauernden Auf⸗ enthalt hat, seine Staatsangehörigkeit mit der Vollendung des 31. Lebensjahres, soforn er bis zu diesem Zeitpunkte noch feine endgültige Entscheidung über seine Dienslpflicht herbei⸗ geführt hat, auch eine Zurückstellung über diesen Zeitpunkt hinaus nicht erfolgt ist. Ein fahnenflüchtiger Deutscher verliert unter denselben Voraussetzungen seine Staatsangehörigkeit mit dem Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntmachung des Be⸗ schlusses, durch den er für fahnenflüchtig erklärt worden ist,

Wer auf Grund dieser Vorschriften seine Staatsangehörig⸗ keit verloren hat, kann von einem Bundesstaat nur nach An⸗ hörung der Militärbehörde eingebürgert werden. Weist er nach, daß ihm ein Verschulden nicht zur Last fällt, so darf ihm die Einbürgerung von einem Bundesstaat, dem er früher angehört hatte, nicht versagt werden. .

Die Sozialdemokraten beantragen die Streichung des 322 und für den Fall der Ablehnung dieses Antrages die Ein⸗ schaltung der Worte „oder daß er militäruntauglich war“ hinter den Worten „zur Last fällt“.

Abg. Lands berg (Soz.): Nach diesem Paragraphen verliert die Staatsangehörigkeit auch derjenige, für den eine Dienstpflicht gar nicht bestand. Nun sollen allerdings die Behörden entsprechenden⸗ falls darauf Rücksicht nehmen. Wir haben aber eben gehört, daß es Behörden gibt, die sich nicht scheuen, durch wissentlich falsche Berichte die Zentralbehörden irrezufübren.

Vizeprästdent Dr. Ba asche; Ich nehme an, daß Sie mit Ihrer Aeußerung nicht den vorhin eiwähnten Fall gemeint haben.

Abg. Landsberg (Soz): Ich habe allerdings den Fall im Auge gehabt, den Kollege Hanssen hier angeführt hat.

Vijepräsident Dr. Pa asche: In diesem Falle muß ich Sie zur Ordnung rufen. .

Äbg. Landsberg (Soz.): Ich habe nur von den Behörden gesprochen, die den Regierungsvertreter trregeführt haben.

Vljepräsident Dr. Pa asche; Es ist kein Beweis dafür erbracht worden, daß die Behörden in diesem Falle wissentlich falsch berichtet haben. Ich bitte, in Zukunft derartige Aeußerungen zu unterlassen.

Der 5 22 wird unter Ablehnung aller anderen Anträge in der Kommissionsfassung angenommen.

Nach § 25 soll sich der Verlust und der Wiedererwerb der Stagtsangehörigkeit in den Fällen des 8 22 zugleich auf die Ehefrau und auf diejenigen Kinder erstrecken, deren gesetz⸗ liche Vertretung dem Ausgeschiedenen oder dem Wieder⸗ eingebürgerten kraft elterlicher Gewalt zusteht, soweit sich die Ehefrau oder die Kinder mit ihm in häuslicher Gemeinschaft befinden. Ausgenommen sind Töchter, die verheiratet sind oder verheiratet gewesen sind. .

Der s 25 wird entgegen einem Antrage der Sozialdemo⸗ kraten auf Streichung angenommen. .

s 25a der Kommissionsbeschlüsse gelangt in folgender, von dem Abg. Belzer Gentr.) beantragten redaktionell verbesserten Fassung zur Annahme:

„Ein ehemaliger Deutscher, der vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes die Reichsangehörigkeit durch Entlassung verloren hat, aber bei Anwendung des 3 ig (die Entlassung gilt als nicht er⸗ folgt, wenn der Entlassene beim Ablauf eines Jahres nach der Aushändigung der Entlassungsurkunde seinen Wohnsitz oder seinen dauernden Aufenthalt im Inlande hat) als nicht entlassen gelten würde, muß auf seinen Antrag von dem Bundesstaat, in dessen Gebiet er sich niedergelassen hat, eingebürgert werden, wenn er seit dem im 8 19 bezeichneten Zeitpunkt seinen Wohnsitz im In⸗ lande behalten hat und den Anforderungen des 57 Absatz 1 ent⸗ spricht, auch den Antrag innerhalb eines Jahres nach dem Inkraft⸗ treten diefes Gesetzes stellt. Die Vorschrift des 5]? Absatz 2 findet Anwendung.“

§ 26 der Kommissionsbeschlüsse besagt:

„Ein ehemaliger Deutscher, der vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes die Reichsangehörigkeit nach dem Gesetz von 1870 durch zehnjährigen Aufenthalt im Auslande verloren hat, muß ven dem Bundesstaat, in dessen Gebiet er sich niedergelassen hat, eingebürgert werden, wenn er keinem Staate angehört. . .

Das gleiche gilt von dem ehemaligen Angehörigen eines Bundesstaates oder eines in demselben einverleibten Staates, der Fereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 1. Juni 1870 nach Landesrecht seine Staatsangehörigkeit durch Aufenthalt außerhalb seines Heimatstaates verloren hat.“

Die Sozialdemokraten wollen hier hinter den Worten Wenn er keinem Staate angehört“ die Worte hinzufügen: „Oder die auswärtige Staatsangehörigkeit durch die Einbürge⸗ rung verliert.“ Denselben Antrag hat die Fortschrittliche Volkspartei gestellt.

Abg. Landsberg (Soz.): Unser Antrag bezweckt nur eine Klarstelkung. Es gibt eine Reihe von Staaten, die eine Entlassung aus dem Staatsverbande nicht kennen. Wir dürfen eine Person, die aus einem fremden Staatenverband entlassen worden ist, nicht besser stellen, als eine solche, die daraus gar nicht entlassen werden kann.

Abg. Dr. Bl unck (Fortschr. Volkex.): Da sich unser Antrag inhaltlich mit dem der Sozialdemokrafie deckt, so ziehe ich den unserigen zurück.

1

Direktor im Auswärtigen Amt Dr. Kriege: Die Regierungsvorlage geht von dem Gedanken aus, daß man die Staatsangehörigkeit, die man durch zehnjährige Atwesen keit verloren hat, wiedererwerben kann. Es ist deshalb kein Grund vorhanden, noch über die vorliegenden Be⸗ stimmungen hinauszugehen. Insbesondere darf man nicht denjenigen, die noch im Besitz einer fremden Staaisangehörigkeit sind, ein Recht geben, die deutsche Staatsangehörigkeit zu erwerben. er Gesetz⸗ entwurf gibt ja schon im weitesten Maße die Möglichkeit, das deutsche Staatsburgerrecht wieder zu erwerben. Wird der vorliegende Antrag angenommen, dann können leicht allerhand Schwierigkeiten entstehen, wie es schon der Fall gewesen ist. Das kann dadurch geschehen, daß der Betreffende ja als Angehöriger eines fremden Staates auch an dessen politischem Leben regen Anteil nehmen wird.

Der 8 26 wird in der Kommissionsfassung angenommen. Der Rest des zweiten Abschnittes, 85 27 29, wird nach den Kommissionsvorschlägen erledigt. Der dritte Abschnitt, 85 30, 30a und 30, handelt von der „unmittelbaren Reichsangehörigkeit“. § 30 der Kommissionsvorschläge lautet: „Die unmittelbare Reichsangehörigkeit kann verliehen werden

1) einem Ausländer, der sich in einem Schutzgebiet niedergelassen

hat, oder einem Eingeborenen in einem Schutzgebiete, 2) einem

ehemaligen Deutschen, der sich nicht im Inland niedergelassen hat; einem ehemaligen Deutschen steht gleich, wer von ihm abstammt oder an Kindesstatt angenommen ist.“

Ueber den Begriff „Eingeborenen“ in S 30 gibt der

Direktor im Reichsamt des Innern Dr. Lewald folgende Erklärung ab: „Auf die Anfrage des Abg. von Liebert in der Sitzung vom 258. Mai, welchen Eingeborenen in den deutschen Schutz⸗ gebieten die Reichsangehörigkeit verliehen werden soll, habe ich folgendes zu erklären? Die Befugnis des Reichskanzlers, Ein. geborenen in den Schutzgebieten die Reichsangehörigkeit zu ver— seihen, wird nicht erst durch den 5 30 der Gesetzesvorlage be⸗ gründet, sondern besteht hereitß auf Grund des 59 des Schutz- gebietsgesetzes, dessen Inhalt, soweit er den Erwerh und Verlust der unmittelbaren Reichsangehörigkeit behandelt, lediglich in S 30 wiedergegeben ist, wie das auch die Begründung der Gesetzes⸗ vorlage zum 5 36 hervorhebt. An den Grundsätzen, die schon bisher für die Verleihung der Reichsangehörigkeit an Eingeborene in den Schutzgebieten maßgebend waren, wird daher nichts geändert. Die Kolonialverwaltung versteht unter Eingeborenen die Angehörigen der in den Schutzgebieten heimischen eingesessenen Stämme, die ihnen rechtlich gleichgestellten Angehörigen fremder farbiger Stämme und die Mischlinge, indessen nur, insofern nicht die Stammesangehörigen oder Mischlinge die Reichsangehörigkeit oder eine ausländische Staats— angehörigkeit besitzen. Bie Verleihung der Reichsangehörigkeit an Eingeborene ist bisher nur unter der Voraussetzung er—

folgt, daß der Bildungs⸗ und Wirtschaftsstand, sowie die sittliche Lebensführung. des Eingeborenen die bürger— rechtlich Gleichstellung mit den Nichteingeborenen recht—

fertigten. Die Kolonialverwaltung hat mangels dieser Voraussetzungen bislang überhaupt davon abgesehen, rein rassische Eingeborene einzu⸗ bürgern, und wird auch für die Zukunft, sofern die angegebenen Voraussetzungen fehlen, davon Abstand nehmen. Dagegen hat sie in einzelnen Ausnahmefällen Mischlingen, bei denen die Voraussetzungen zutrafen, die Reichsangehörigkeit verliehen, um Härten zu beseitigen, die sich aus einer Gleichstellung mit den Eingeborenen ergaben. Diese Fälle werden jedoch, wie auch in der Begründung der Gesetz's— vorlage zum 5 30 ausgeführt ist, auch in Zukunft eine seltene Aus⸗ nahme bilden.“ ;

sz 30 wird angenommen.

Die Sozialdemokraten beantragen einen neuen 8 30 c, wonach gegen ablehnende Bescheide auf Grund dieses Gesetzes das Verwaltungsstreitverfahren bzw. der Rekurs zugelassen wird. Von den Nationalliberalen ist beantragt, den Rekurs zuzulassen; die Fortschrittliche Volkspartei beantragt die Er— teilung schriftlicher Bescheide und die Zulassung des Verwal⸗ tungsstreitverfahrens bzw. des Rekurses, sowie in einer Reso⸗ lution die baldige Einbringung eines Gesetzes, welches ein Reichsverwaltungsgericht schafft, dem auch die Entscheidung dieser Streitfrage in letzter Instanz obliegt.

Abg. Dr. Liebknecht (Soz.): Im S 23 heißt es, daß dem⸗ jenigen, der seine Staatsangehörigkeit verloren hat, die Aufnahme nicht versagt werden darf. Damit ist ein Recht auf Einbürgerung verliehen. Das Gesetz muß aber vollkommen sein, deshalb muß auch ein Rechtsschutz gewaͤhrt werden für das Recht der Einbürgerung. Bereits das allgemeine Landrecht hat den Grundsatz aufgestellt, daß das Recht auch mit einem Rechtsschutz versehen werden muß. Bedenken formaler Art können nicht erhoben werden. Wir haben zahlreiche Präzedenzfälle. In Preußen unterliegen z. B. der ver— waltungsgerichtlichen Entscheidung die Berufungen gegen Ent⸗ scheidungen auf Grund des Vagabundengesetzes. In Preußen heißt es durchaus noch nicht, daß man ein Recht auch ausüben kann, wenn man ein Recht hat; der preußischen Regierung gegenüber muß man sehr vorsichtig sein, man darf ihr nicht trauen. Dafür sind erst in der gestrigen und auch in der heutigen Sitzung Beweise geliefert worden. Das ganze Verhalten der preußischen Regierung, die natürlich der Inspirator der Vertreter der Reichsregierung ist, hat bewiesen, daß die Regierung die Gewissenhaftigkeit, die sie bon. jedem Staatsbürger verlangt, ich verschlucke lieber das Weikere, denn jeder weiß, was ich sagen will. Von den drei vorliegenden Anträgen ist der nationalliberale Antrag entschieden der schlechteste, denn dieser ver⸗ langt nur das Rechtsmittel des Rekurses. Unser Antrag und der fortfschrittliche Antrag dagegen erfordern wenigstens das Verwaltungs, streitverfahren. Das ist ein entschiedener Vorzug. Wir haben nicht das Vertrauen zur preußischen Regierung, daß, wenn der national— liberale Antrag angenommen wird, sie dann guf diese Dinge das Ver— waltungsstreitverfahren anwenden würde. Mit Rücksicht auf dieses abtrünnige Mißtrauen bitten wir, unsern Antrag anzunehmen.

Direktor im Reichsamt des Innern Dr. Lewald bittet, den sozialdemokratischen Antrag abzulehnen. . . ;

Abg. Beck⸗Heidelberg nl: Auch wir wollen die Schaffung eines solchen Rechtsschutzes als den. Anfang für die Erfüllung des Wunsches auf Einsetzung eines Reichsverwaltungsgerichts. Wenn wir darauf verzichten, in einem ganz bestimmten einzelnen Fall dies Recht in Anspruch zu nehmen, so haben wir uns dazu entschlossen aus den gewichtigen Gründen, die wir von dem Regierungsvertxeter vernommen haben. Wir wünschen also bei dieser Gelegenheit die Ein— führung des Reichsberwaltungsgerichts anzubahnen, Ich bitte Sie, unseren Antrag anzunehmen und die anderen Anträge abzulehnen.

Abg. Stehr (sortschr. Volksp.): Ohne richterliche Entscheidung würde das Recht des Antragstellers wertlos sein. Man hat empfohlen, diese ganze Sache am besten den Einzelstaaten zu überlassen, denen man bereits Rechtsgarantien gegeben habe. Darauf können wir uns nicht verlafsen. Nur einzelne Bundesstaaten haben diese Frage ge— regelt, und sie können diese gesetzliche Regelung nach Belieben jeder⸗ zeit wieder andern. Nachdem wir einmal das Recht auf Einbürgerung geschaffen haben, muß auch reichsgesetzlich dafür gesorgt werden, daß Garantien für die Durchführung dieses Rechtes gegeben werden. Diese Rechtsgarantien müssen schon im Gesetz festgelegt werden. In den Bundesstaaten, die kein Verwaltungsstreitverfahren haben, kann der Rekurs Platz greifen. Ich hatte gehofft, daß die nationalliberale Partei rückhaltslos für das Reichsverwaltungsstreitverfahren eintreten würde. Ihre Wortführer ließen erkennnen, daß sie dies tun würden. Run kommt der nationalliberale Antrag, der diese Hoffnung vernichtet. Die Herren wollen solche Fälle, wo es sich um die Einbürgerung don Ausländern handelt, die im Heer gedient haben, nicht der Ent— scheidung des Verwaltungsgerichts unterbreiten, weil diese Entschei⸗ dung zu schwierig sei. Nach dem neuen Spionagegesetz soll der höchste Gerichtshof noch über viel schwierigere Fragen ent cheiden. Wir

wurf, betreffend Aenderung des

6.

Teil unseres Antrages ist allerdings nur ein gewisser Notbehelf, des

halb verlangen wir im zweiten Teil eine einheitliche Spitze durch das

Reichsverwaltungsgericht. Wird eine einheitliche Spitze der Reichs⸗

kontrolle geschaffen, so werden auch diejenigen Einzelstaaten, die noch

kein Veraltungsftreitverfahren kennen, eher geneigt sein, es ein⸗

e, Hoffen wir, daß der gute Wille zur Durchführung dieser eform an keiner Stelle fehlt.

Die Anträge Ablaß und Albrecht werden abgelehnt, der Antrag Bassermann gelangt gegen die Stimmen der Sbzial⸗ demokraten zur Annahme.

Ohne Debatte wird der Rest des Gesetzentwurfs nach der Kommissionsfassung angenommen. Die Resolution Bassermann auf Schaffung eines Reichsverwaltungsgerichts wir eben⸗ falls angenommen, die Resolution der Sozialdemokraten be⸗ treffend die Einbringung eines Gesetzes über ein einheitliches Reichs indigenat 353 ;

Der mit der Vorlage in , . stehende Gesetzent⸗

eichsmilitär⸗ gesetzes, und des Gesetzes, betreffend Aenderung der Wehrpflicht, wird hierauf ebenfalls in zweiter, Lesung er⸗ 6 Gegen die neue Fassung des 8 11 des Reichsmilitär⸗ gesetzes:

im Reichsgebiet oder in einem Schutzgebiet dauernd aufhalten, zur Erfüllung der Wehrpflicht wie Deutsche herangezogen werden.“ erklärt sich namens der Sozialdemokraten der Abg. Bern⸗ stein. § 11 wird unverändert angenommen, ebenso ohne De⸗ batte der Rest der Vorlage nach den Kommissionsvorschlägen. Es folgt die Interpellation Albrecht (Soz.):

„Ist der Herr Reichskanzler bereit, Auskunft darüber zu er⸗ teilen, ob im Bundesrat neue Diktaturgesetze (Einschränkung des Reichsvereinsgesetzes und des pre gehe für Elsaß⸗Lothringen vorgeschlagen sind? Billigt der Herr Reichskanzler die zuerst in Pariser Blättern veröffentlichte Vorlage und ihre Begründung?“

Die Beantwortung der Interpellation ist für Ende der Woche seitens des Vertreters des Reichskanzlers zugesagt worden.

Zur Begründung der Interpellation bemerkt der

Daraus kann man schließen, daß in den oberen Regierungskreisen doch Das k Mate⸗

läufig allerdings nur von solchen in französischer ö Das ist eine Ausnahmebestimmung für Elsaß⸗Lothringen. s ist nicht zu⸗

für Elsaß-⸗Lothringen, sondern daß man diese Bestimmungen sofort als allgemeine Reichsgesetze erläßt, und daß man dann diese Bestim— mungen nicht nur in der Sstmark, sondern auch in Schleswig-Holstein anwendet, und daß man diese Bestimmungen da anzuwenden berechtigt sein soll, wo es der Regierung gefällt. Diesen Blättern wäre es am liebsten, jene Ausnahmebestimmungen vielleicht auch gegen die Sozial⸗ demokratie anzuwenden, was schon lange der Wunsch dieser Kreise ist, der aber bis jetzt noch nicht verwirklicht worden ist. Die Schaffung solcher Ausnghmebestimmungen widerspricht dem Geist der Reichs⸗ berfassung. Die Reichsgesetze haben für das ganze Reich zu gelten. Es ist außerordentlich bedenklich, wenn man für, einzelne Landesteile besondere Spezialgesetze erläßt. Die reichsländische Regierung hat bis jetzt ausländische Zeitungen verboten. Sie will aber auch Romane ufw', Bücher verbieten und darüber hinaus die Möglichkeit haben, daß Zeitungen, die in Elsaß Lothringen in fre , Sprache er⸗ scheinen, berboten werden. Sie will vor allem die Möglichkeit haben, das „Journal d'Alsace-Lorraine“ und den Mouvelliste! des Abg. Wetterls zu verbieten; das würde aber ein Schlag ins Wasser sein, denn Wetkerls hat bereits angekündigt, daß er in diesem Falle sein Blatt in deutscher Sprache erscheinen lassen würde. Dann würden auch diejenigen das Blatt lesen, welche die französische Zeitung nicht gelesen haben. Denn bisher hat nach der eigenen Meinung der Regierung nur eine dünne Schicht der Bourgeobisie diese Blätter ge⸗ lesen. Die Regierung würde also das gerade Gegenteil von dem er⸗ reichen, was sie erreichen will: die betreffenden Blätter würden in, die breiten Massen des Volkes eindringen, und der Nationglismus würde in Kreife hineingetragen werden, die ihm bisher fernstanden. Auch im Landtage hat der Staatssekretär Zorn von Bulach keine besseren Gründe angeführt, als sie von der französischen Presse aus der Be— ründung mitgeteilt worden sind. In Lothringen sollen diese, Be⸗ , . nicht angewendet werden, weil man dort ohne französische Blätter nicht auskommen kann. Die Ausnahmebestimmungen richten sich also eigentlich nur gegen die beiden erwähnten Blätter. Man hat mit dem persönlichen. Vorgehen gegen Wetterls eine unnötige Reklame für den kleinen Abbé gemacht. Niemand hat sich mehr gefreut als Wetterls über dies ungeschickte Vorgehen der Regierung. Es war eine unbezahlbare Reklame für ihn. Die Ver⸗ anläaffung des ganzen gesetzlichen Vorgehens ist die Tour des Abg— Wetterlé und zweier anderer nach Frankreich. Wegen dieser drei Personen verlangt man Ausnahmegesetze für ganz Elsaß⸗Lothringen! Die ganze nationalistische Gruppe fällt zahlenmäßig kaum ins Ge⸗ wicht. Sie hat bei den Wahlen von 1911 nur 32 * aller Stimmen erhalten, trotzdem sie uns als kaiserliche Sozialdemokraten bekämpfte. Diese Bewegung hat keinen Boden im elsaß⸗lothringischen Volke, nur eine duͤnne Oberschicht hat für sie ein Interesse. Bei den Reichs⸗

können also diesen Einwand nicht als stichhaltig ansehen. Der erste

„Personen, die keinem Staat angehören, können, wenn sie sich

J

nichts gemerkt. 2 Zentrum, Liberalen, 8 und Sozial⸗ demokraten gab es keine andere Partei, die überhaupt aufgetreten ist. Wetterls wäre als Kandidat des Nationalbundes durchgefallen; er ist nur durchgekommen, weil das Zentrum ihn unterstützt hat. Man schießt also mit Kanonen ge Spatzen und will nur die Oeffent⸗ lichkeit täuschen, ihr blauen Dunst vormachen, wenn man es so hin— stellt, als gähe es in Elsaß-Lothringen eine ernsthafte nationalistische Bewegung. Die reichsländische Regierung kann ernstlich so etwas nicht behaupten, und daß gesetzgeberische Maßnahmen gegen sie not⸗ wendig wären. Was wirft man denn den dortigen Blättern vor? Gewiß enthalten sie Geschmacklosigkeiten, aber ein Verbot zu er⸗ lassen, liegt keine Veranlassung vor, Auch andere Blätter haben faule Witze über die Einfälle des Zeppelin gemacht usw. Alles, was man anführen kann, zeigt höchstens, daß die Schreiber wenig taktvoll und ziemlich geschmacklos sich ausgedrückt haben, aber ein Ausnahmegesetz gegen die ganze Bevölkerung rechtfertigt das nicht. Der Unterstaatssekretär Mandel meinte im Landtage denn auch: das Gesetz solle nur eine , sein, es solle wie ein Damokles⸗ schwert über den Leuten schweben, um eventuell auf sie niederzusausen. Eine solche ständige Bedropbung eines Blattes mit dem Verbot sehe ich aber schon als direkt unmoralisch an. Die Regierung verliert J. Maßstab für die wirkliche Meinung der Bevölkerung, wenn sie erart eine Betätigung dieser Richtung in der Presse verhindern will;

und wirksam wäre ein solches Verbot doch nicht. Wenn die Regie—

rung ausnahmsweise einmal vernünftig denken würde, müßte sie das:

selbst einsehen. Weiter ist eine Einschränkung des Vereinsrechts beabsichtigt. Man will Vereine auflösen können, nicht bloß auf Grund des Reichsvereinsgesetzes, sondern auch wenn sie durch ihre Tätigkeit die öffentliche Sicherheit, den öffentlichen Frieden ge— fährden. Sie alle wissen, was hinter diesen schönen Ausdrücken steht. Sie sollen aber auch aufgelöst werden, wenn sie andere als in den Statuten festgestellte Zwecke verfolgen. Dann würden schließlich die Polizeispitzel der Regierung die letzte Entscheidung in der Hand baben. Beim Verein der Fremdenlegionäre, eben o wie beim fran— zösischen Luftschifferverein hat es sich nur um Behauptungen von Spitzeln gehandelt. Die Regierung hat diese Behauptungen zu den ihrigen gemacht. Der Verein der ehemaligen Fremdenlegtonäre hat den Zweck, junge Leute durch Wort und Schrift von dem Eintritt in die Fremdenlegion abzuhalten sowie zurückgekehrte Fremdenlegionäre zu unterstützen und schließlich Geselligkeit und Kameradschaft zu pflegen; Biskussionen über Politik und Religion sind unter allen Umständen ausgeschlossen. Nur deutsche Reichsbürger können Mitglieder sein; Ausländer, welche zum Aufent— halt in Elsaß-Lothringen berechtigt sind, können Mit⸗ alieder des Vereins, aber nicht des Vorstandes werden. Das sind die fürchterlichen Statuten dieses Vereins, dessen Tätigkeit man für die Begründung von Ausnahmegesetzen heranzieht! Die Fahne des Vereins, die auch beanstandet worden war, hat ein Land— agskollege von mir in den Landtag mitgebracht, und es hat sich heraus— gestellt, daß keine staatsgefährliche Zusammenstellung von Farben vor— anden war. Der Unterstaatssekretär Mandel meinte aber, wenn die Fahne im Winde flattere, könne man blau-weiß⸗rot erkennen. Soweit geht also die Unterstellung autgesuchter Bosheilen in dieser Richtung; und der Unterstaatssekretär Mandel wollte sich durchaus nicht belehren lassen. Einem Soldaten in Uniform, der zum Vorsitzenden kam und ihm mitteilte, er wolle desertieren und in die Fremdenlegion eintreten, und um Rat fragte, ist die Tür gewiesen worden; gegen diesen Soldaten, der ganz gewiß nicht aus eigenem Antrieb kam, der dem Vorsitzenden offenbar eine Falle stellen wollte, ist bisher nicht eingeschritten worden. Es handelt sich unzweifelhaft um eine ganz nichtswürdige Polizeifalle. In der für den Bundesrat bestimmten Begründung wird weiter gesagt, es habe sich eine 300 Köpfe starke Gruppe des französischen kuftschiffervereins gegründet, der für die Entwicklung der französischen Uftflotte arbeiten soll. Es gibt in Mülhausen, wie wir jetzt er— fahren haben, allerdings Einzelmitglieder dieses Vereins, «aber keine Nrttsgruppe; auch handelt (5 sich da nur um rein sportliche Be—

migung. Wenn eine, Ortsgruppe nicht besteht, kann sie ich auch nicht aufgelöst werden. Von einer AUnterstützung

n französischen nationalen. Bestrebungen auf diesem Gebiete inn nach der Aussage dieser Mitglleder gar keine Rede sein. Der ganze Jahresbeitrag beträgt 6 Fr. gleich 48090 ½½. Dafür be—⸗ kmmen sie eine Vereinsschrift, eine reine Sportschrift, zugeschickt, und die Mitglieder des Vereins haben zu allen Sportveranstaltungen in, Frankreich Freien Zutritt oder Preisermäßigungen. Den Mit— gliedern des Vereins sind Zwecke der Sportveranstaltung gegen Deutschland nicht bekannt. Als Delegierter des Pariser Vorstandes existiert im Elsaß nur eine Person. Dieser war beauftragt bei der Beerdigung des verunglückten Leutnants Neumann einen Kranz niederzulegen. Die Leute verfolgen also rein sportliche Zwecke, keinen politischen Zweck. Die Behörden haben sich gar nicht an zuständiger. Stelle informiert, sie stützen sich auf den Bericht eines Polizeispitzels. Als dritter gefährlicher Verein muß der lothringische Verein herhalten. Der Souvenir Lorrain

hat sich aufgelöst und ist jetzt ein elsaß-lothringischer Verein. Seine Mitglieder bestehen allerdings auch aus solchen, die

1870 bis 71 im französischen Heere gedient haben. Wollen Sie dem Sohne eines solchen Vaters verargen, daß er seines Vaters ge— denkt? Das ist doch rein menschlich. Was hat die Regie ung mit ihrem Vorgehen gegen den Verein erreicht? Die Auflösung des Vereins ist zu Unrecht geschehen, die Regierung hat von dem Gericht in Metz eine eklatante Ohrfeige erhalten, denn der Voisitzende des Vereins ist freigesprochen worden. An den Feiern des Vereins haben Regierungsvertreter tellgenommen. Es ist ein merkwürdiger Zickzack— kurs der Regierung, wenn sie einen solchen Verein erst einführt und dann sagt, wie kann ich ihn wieder loswerden. Vielleicht wird man sagen, es handle sich nicht um Ausnahmebestimmungen gegen die Laß lothringische Bevölkerung, sendern nur gegen die Nationalisten. Die Erfahrung lehrt, daß in der Praxis es ganz anders kommt, aber gegen Ausnahmemaßregeln gegen die Nationalisten müssen wit pro— testieren, gegen diese kleinen vorlauten Gruppen, wie sie der Unter— staatssekretär Mandel genannt hat. Uebrigens haben für die Resolution der Zweiten Kammer nicht alle, Mitglieder gestimmt. (Der Redner zitiert die Resolution Die Resolution ist an— genommen mit allen Stimmen mit Ausnahme der Wetterlés und eines Kollegen ven ihm, die sich der Abstimmung ent⸗—⸗ halten haben. Die Regierung kann daran ersehen, daß alle Kreise der elsaß⸗lothringischen Bevölkerung bis auf die kleinen vorlauten Zzruppen gegen Ausnahmemaßnahmen sind. Diese würden diese Gruppen nur stärken. Auch die Erste Kammer hat gegen das Vor— gehen der Regierung Stellung genommen, darunter auch 9 sogenannte Päisermitglieder. (Der Redner zitiert auch die Resolution der Ersten mmer.) Gegen die Resolution haben einige Generale, Professor Fband und Blumenthal gestimmt. Glaubt dle Reichsregierung, h auß, dem vorgeschlagenen Wege ihr Ziel erreicht wird? Der mtionalismus ist schon tatsächlich niedergejwungen worden bei den andtagswahlen von 1911. Daran hat die Sontaldemokratie ein größeres Verdienst als die ungeschickte Regierung. Die Regierung . dem Nationalismus mit solchen Ausnahmebestimmungen nur auf 1 Beine helfen. Sie überschätzt diese Leute und hat nicht das aktgefühl gehabt, das Reich mit folchen Dingen zu verschonen, und handelt sich um Lappalien, die noch dazu übertrieben sind. Die Presse der Rechten ist daran schuld, daß der Nationalismus noch iht ganz verfchtäunden sst, namentlich die „Nheinisch-Westfälijche Itun . Solche Preßstimmen tragen nicht zur Versöhnung bei. ie Aldeutschen und die Nationalisten wetteifern in der Aufhetzung 9 Bevölkerung, sie haben sich nichts, vorzuwerfen. Mit herhenschlagen, Reden usw. macht man die Dinge nicht besser. el Berner Konferenz hat, nirgends einen solchen Widerhall e men wie in Elsaß-Lothringen. Eine friedliche Verständigung kisgen, Deutschland und Frankrelch ist das Ideal, der elsaß— 3 ringischen Bevölkerung. In diese ruhige stetige Entwicklung sollte uh, nicht ungeschickt eingreifen, wie es durch diese Ausnahme— ö regeln geschehen würde. Der Reichskanzler sollte eine Be—

tagswahlen von 1912 haben wir von den Nationalisten überhaupt

zu Frankreich gestaltet sei. Das ist ganz richtig. Den elsaß-lothringi—

Lothringen werden ohne diese besser fertig werden mit dem Nationalismus. Der Zickzackkurs der Regierung hat diese Ent— wicklung gestört. Die Regierung sollte ruhiger, weniger nervös sein und einsehen, daß ein Eingreifen mit Ausnahmebestimmungen nur schädlich sein kann. Wir sind selbstverständlich gegen jede Aus— nahmegesetze und wir erwarten, daß auch der Reichstag sie ablehnt, selbst wenn die Regierung dafür eintreten wollte.

Zur Beantwortung nimmt das Wort der

Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg—:

Meine Herren! Da die Anträge der elsaß⸗lothringischen Re— gierung, welche den Gegenstand Ihrer Interpellation bilden, vom Bundesrat noch nicht verhandelt worden sind, kann ich heute nicht im Namen der verbündeten Regierungen sprechen. Es liegt mir aber daran, für meine Person einer Reihe von Vorstellungen entgegenzu— treten, welche die Kritik namentlich in Elsaß-Lothringen an diese An— träge geknüpft hat.

Man hat in Elsaß-Lothringen darüber geklagt, daß die Anträge der reichsländischen Regierung ein Schlag ins Gesicht der vor zwei Jahren gewährten Verfassung sind. Meine Herren, mit der Ver⸗ fassung von Elsaß-Lothringen haben diese Anträge gar nichts zu tun. Die durch die Verfassung dem Reichsland gewährte Selbständigkeit der Landesgesetzgebung, die beiden Kammern, die Be— teiligung Elsaß⸗Lothringens am Bundesrate bleiben vollständig da— von unberührt, welches Vereinsgesetz oder welches Pressegesetz in Elsaß— Lothringen besteht. Die durch die Verfassung gewährte größere Selbständigkeit staatlichen Eigenlebens fordert in keiner Weise, daß nun alle einzelnen Materien im Reichslande genau ebenso geordnet sind wie in den anderen Bundesstaaten oder wie im Reich. So ist es doch, meine Herren, gerade bei den Materien der Fall gewesen, die uns hier beschäftigen: beim Vereinsrecht und beim Pressegesetz. Elsaß Lothringen ist, als das Reichsvereinsgesetz erlassen wurde, in seinen Bereich einbezogen worden, und niemand hat damals danach gefragt, wie die elsaß⸗-lothringischen Verfassungszustände gestaltet werden sollten. Und als vor zwei Jahren die Verfassung erlassen wurde, da ist in gleicher Weise nicht in Frage gekommen, um des— willen nun auch das Reichspreßrecht auf Elsaß-Lothringen auszu— dehnen. Die Dinge stehen eben in keinerlei ursächlichem Zusammen⸗ hang.

Dabei will ich aber eins zugeben. Als ich vor zwei Jahren hier im Reichstag die elsaß-lothringische Verfassung vertrat, da habe ich es in dem ausgesprochenen Vertrauen getan, daß der Kern der elsaß · lothringischen Bevölkerung nichts anderes wolle, als unter Wahrung seiner Eigenart friedlicher Arbeit nachzugehen, daß er in größerer Selbständigkeit als zuvor sein eigenes Haus in eigener Ent— schließung auszubauen wünscht, und daß es auf diesem Wege gelingen werde, die innere Verschmelzung Elsaß-Lothringens mit dem Reiche besser als zuvor zu fördern.

. Meine Herren, trotz des Widerspruches, dem ich auf manchen Seiten, namentlich hier auf der Rechten (Sehr richtig! rechts), be— gegnen werde, halte ich an der Auffassung fest, daß ich mich in dieser Beurteilung der großen Masse des werktätigen elsaß⸗-lothringischen Volkes nicht geirrt habe. Cebhafte Zustimmung) Ich halte auch heute noch an der Ueberzeugung fest, daß mit der Zeit das Verfassungs— werk das leisten wird, was es leisten soll. (Sehr richtig) Und weil ich an dieser Ueberzeugung festhalte, kann ich mich in die Gefühle der— jenigen Elsaß⸗Lothringer hineindenken, die in allen Ausnahmebe— stimmungen eine capitis diminutio erblicken. (Erneute Zustimmung.) . Aber ich möchte doch die Herren in den Reichslanden und auch die Herren hier im Reichstage bitten, zu bedenken, daß diese Aus. nahmebestimmungen, über die sich der Herr Vorredner so beschwert hat, gar nicht, wie er richtig gesagt hat, gegen diejenigen Elemente Elsaß Lothringens gerichtet sind, welche eine ruhige und friedliche Ver— ständigungspolitik wollen, sondern gerade gegen diejenigen Elemente, welche diese Verständigungspolitik zu hintertreiben versuchen. Ich ver— kenne durchaus nicht, daß sich in neuerer Zeit in Elsaß-Lothringen eine entschiedene Opposition gegen den Nationalismus zu bilden beginnt. Eachen bei den Soz) Ich weiß nicht, was darüber zu lachen ist. (Zuruf von den Sozialdemokraten: Ueber das „be— ginnt'h Gewiß, meine Herren, „beginnt“! Genau dieselbe An— sicht. hat der Vertreter derjenigen Herren hier eben ausgesprochen, die jetzt durch meine Worte zur Heiterkeit gestimmt werden. (Sehr richtig) Also, meine Herren, ich habe den Eindruck, daß sich diese Opposition zu bilden beginnt. Aber gerade diejenigen Herren in den Neichs landen, welche diese Opposition zu fördern suchen, welche in dieser Opposition tätig sind, werden mir zugeben müssen, daß seit langem der Nationalismus in Elsaß-⸗Lothringen nicht so herausfordernd aufgetreten ist wie in den letzten Jahren. (Sehr richtigh Nun verlangt der Herr Vorredner, man solle diesen Nationalis— mus nicht überschätzen. Ich halte das für richtig. Man soll der— artige Bestrebungen nicht überschätzen, man soll ihnen nicht ein Relief geben, das sie nicht haben und das sie nicht verdienen. Aber man soll auch solche Bestrebungen nicht unterschätzen. (Sehr richtigh Wenn der Herr Abg. Emmel gemeint hat, daß diese ganze nationa— listische Bewegung eine absolute quantits négligeable sei, so setzt er sich damit in Widerspruch mit der berechtigten Entrüstung, mit der weite elsaß⸗lothringische Kreise die nationalistischen Taten, nament— lich des Herrn Wetterls in diesem Winter, von sich gewiesen haben. (Sehr richtig Sie wollen, meine Herren, auch noch ein weiteres dabei bedenken. Mir ist einmal die Ansicht entgegengetreten, man soll über die Aeuße— rungen des Nationalismus nicht nervös werden was durchaus richtig ist denn dieser Nationalismus, das Steigen und Fallen des Nationalismus hinge davon ab, wie die auswärtige Lage Deutschlands

schen Nationalisten schwillt der Kamm ganz besonders stark, wenn die nationalen Gefühle in Frankreich stark erregt sind. Der elsaß— lothringische Nationalismus macht sich die Spannung der äußeren Lage, wenn sie einmal eintritt, für sich dienst- und nutzbar, und, meine Herren, darin liegt eine große über Elsaß⸗Lothringen hinausgehende Gefahr des Nationalismus, die man nicht unterschätzen soll. Der Nationalismus ist der ärgste Feind nicht nur Elsaß-Lothringens, sondern unserer gesamten deutschen Politik, und jede Maßregel, welche bezweckt, diesem Nationalismus sein Handwerk zu erschweren, befördert das Wohl des Landes und des Reiches.

Nun, meine Herren, die Anträge der elsaß⸗lothringischen Regie⸗ rung sind lediglich darauf gerichtet, diesen Machenschaften entgegen⸗ zutreten, Auswüchse der Preßfreiheit und der Vereinsfreiheit zu be— kämpfen, die das Land nicht zurn Ruhe kommen lassen wollen und die

eilgung daran ablehnen. Die politischen Parteien in Elsaß⸗

letzten Ende nichts anderes predigen, als den Revanchekrieg Frank— reichs gegen Deutschland. (Sehr richtig! rechts. Zurufe bei den Sozialdemokraten.) m m , F ng

Diejenige Bevölkerung Elsaß-Lothringens dagegen, die diese nationalistische Bewegung verurteilt, würde durch die Ausnahme⸗ bestimmungen, wie sie vorgeschlagen sind, in keiner Weise betroffen werden. Es ist daher eine völlige Verkennung der Sachlage, wenn behauptet wird und ich möchte das gegenüber den Stimmen in Elsaß Lothringen ausdrücklich feststellen —, daß diese Ausnahme⸗ bestimmungen eine Abkehr von der Politik seien, welche zur Ver⸗ fassung geführt hat. 0 0 6 m

Mit schuld an diesem unrichtigen Urteil sind gewisse maßlose Uebertreibungen, mit denen man namentlich im Anfang, als die Vor⸗ schläge der elsaß⸗lothringischen Regierung jedenfalls durch einen groben Vertrauensbruch in die Oeffentlichkeit gekommen sind, den Inhalt der Anträge dem Publikum dargestellt hat. Ein Teil der französischen Presse, in der ja die Veröffentlichungen zuerst erschienen sind, hat sich mit den Anträgen befaßt, als ob es sich um eine französische Ange— legenheit handelte. Dieser Teil der Presse wird sich damit be— scheiden müssen, daß die elsaß-lothringischen Verhältnisse bei uns in Deutschland reguliert werden. Aber auch in der deutschen Presse, allerdings, wie ich gern anerkenne, eigentlich nur in wenigen Aus— nahmen, habe ich scharfe Worte gelesen, als ob diese Anträge ein drakonisches Ausnahmerecht, die Rückkehr zur Diktaturherrschaft dar— stellten. Solche Behauptungen richten sich doch selbst.

Was wollen denn die Anträge? Die Abänderung zum Vereins— recht will den Vereinen zu Leibe gehen, die den öffentlichen Frieden und die öffentliche Sicherheit stören und andere Zwecke als die satzungsgemäßen verfolgen. Meine Herren, kein vernünftiger Mensch in Deutschland hat ein Interesse daran, daß solche Vereine bestehen, und am wenigsten, daß sie in Elsaß-Lothringen ihr Wesen treiben. Und, meine Herren, die Bestimmungen für das Vereinsrecht, die hier von der elsaß⸗lothringischen Regierung in Aussicht genommen sind, bewegen sich fast genau in der gleichen Linie, in der das elsässische Vereinsgesetz von 19605 sich bewegt, und sind seinerzeit vom Landes— ausschuß in Straßburg einstimmig angenommen worden. Dabei sind diese Bestimmungen damals im Landesausschuß ich glaube, der Herr Staatssekretär Zorn von Bulach hat das unlängst zitiert noch ausdrücklich als liberal gelobt worden im Verhältnis zu den im benachbarten Frankreich bestehenden Vorschriften.

Meine Herre st 6 5 Meine Herren, dann die Bestimmungen über die Presse. Es soll das Reichspreßrecht unter Aufgabe bisher be—

stehender Beschränkungen auf Elsaß-Lothringen ausgedehnt werden. Dabei soll eine schon jetzt bestehende Spezialbefugnis der elsaß— lothringischen Regierung aufrecht erhalten werden, ausländische Zeit⸗ schriften zu verbieten, und als Neuerung soll im wesentlichen nur die Handhabe eingeführt werden, fremdsprachige inländische Presse— erscheinungen zu verbieten. Die letztere Bestimmung ist bekanntlich in dem republikanischen Frankreich rechtens, und ist dort, wie mir be⸗ kannt ist, in zwei konkreten Fällen ausgeführt worden, und zwar mit dem ganzen Nachdruck, mit dem in Frankreich polizeiliche Bestim— mungen in Kraft gesetzt zu werden pflegen. Ich glaube wirklich, daß diese eine Vorschrift die Behauptung nicht rechtfertigt, daß wir es hier mit unerträglichen Ausnahmebestimmungen zu tun haben sollen. Auch diese Pressebestimmungen sind lediglich auf diejenigen Machen— schaften gemünzt, die deutschfeindlich sind, und was deutschfeindlich ist, meine Herren, hat in Deutschland kein Recht auf Existenz. (Sehr richtig! rechts.)

Also, meine Herren, man sollte alle diese Vorschriften doch ruhig beurteilen und an sie nicht mit der Aufregung herantreten, wie es teilweise geschehen ist.

. Nun muß ich es mir selbstverständlich versagen, in dem gegen— wärtigen Stadium der Angelegenheit auf die Einzelheiten der Be⸗ gründung so einzugehen, wie es der Herr Vorredner getan hat. Der Derr Vorredner hat wenn ich mir diese Kritik erlauben darf hier eine Rede gehalten, als ob Ihnen bereits bestimmte gesetzgeberische Vorschläge. des Bundesrats vorlägen. (Zustimmung rechts. Solange das nicht der Fall ist, muß ich mir selbstverständlich eine gewisse Zurückhaltung auferlegen. Ich habe nur versucht, Ihnen die Grund⸗ linien der Anträge der elsaß⸗lothringischen Regierung darzulegen, aber ich meine, diese Grundlinien sind doch für das Urteil über das Ganze maßgebend. Ich habe mich gefreut, aus den Ausführungen des Herrn Vorredners entnehmen zu können, daß auch er den Nationalismus auf das schärfste verurteilt. Ich hoffe, man wird auch in Elsaß-Lothringen weiterhin immer mehr Verständnis für das Gefühl finden, daß es bei uns in Deutschland als unerträglich empfunden wird, wenn auf deutschem Boden eine Presse ihr Wesen treibt, die sich häufig schlimmer gebärdet als die deutschfeindlichste Presse des Auslandes (Sehr richtig! rechts), und wenn Vereine an der Arbeit sind, die nicht die Zwecke . Inlandes, sondern die, Zwecke des Auslandes fördern. Wenn die elsaß⸗lothringische Regierung den Wunsch hat, diesen Machen— schaften mit größerer Energie entgegentreten zu können, als sie es bisher vermag, so verdient sie keinen Tadel, sondern sie handelt in dem Pflichtbewußtsein, das ihr gegenüber dem Wohle des eigenen Landes und des gesamten Reiches obliegt. (Zustimmung rechts. Ich bitte die Herren, auch diejenigen, welche bei dieser Gelegenheit eswa glauben sollten: flat justitia, pereat mundus, und welche deshalb gegen alle Ausnahmevorschriften stimmen, auch wenn dann das Wohl des Landes und des Reiches nicht so gut gefördert werden kann, wie es sonst möglich wäre, ich bitte Sie alle, mit ruhiger Erwägung an die Materie heranzutreten: es handelt sich darum, die stetige und friedliche Entwicklung Elsaß-Lothringens im Rahmen der gegebenen Verfassung zu fördern (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten) und diejenigen Machenschaften zu bekämpfen, denen es ein Dorn im Auge ist, daß Elsaß-Lothringen unlöslich mit Deutschland verbunden ist. (Bravo! rechts und bei den Nationalliberalen.)

; Auf Antrag des Abg. Haase (Soz.) wird die sprechung der Interpellation beschlossen.

Abg. Fehrenbach (Zentr): Wenn der Reichskanzler blttet, ruhig an die Materie heranzutreten, so glaube ich, daß das ganze Haus gewillt ist, durchaus ruhig an die Materie heranzutreten, daß aber ein weiteres Herantreten an diese Materie nicht mehr erforder⸗ lich ist. Wenn noch Zweifel bestanden hätten über die JZweckmäßig— keit der Anregung der elsaß⸗lothringischen Regierung: durch die Art der Behandlung Ldieser. Angelegenbeit in beiden elsaß lothringischen Kammern müßte diese Sache für die Reichsleitung ent= chieden sein. Wenn vielleicht die Regierung von ihrem Stand punkt aus guf die Anschauungen der demokratischen Zweiten Kammer

Be⸗

ja, meine Herren, darüber müssen wir uns klar sein in ihrem

geringes Gewicht legen sollte, so erinnere ich daran, daß die