1913 / 85 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 10 Apr 1913 18:00:01 GMT) scan diff

TDentscher Reichstag. . 135. Sitzung vom 9. April 1913, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von. Wolffg Telegrayhischem Bureau.)

Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der ersten Be⸗ ratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeres vom 27. März 1911514. Juni 1912 und des Befol— dungsgesetzes sowie zur Aenderung des Gesetzes über die Ver⸗ sorgung der Personen der Unterklafsen des Reichs— heeres, der Kaiserlichen Marine und der Kaiserlichen Schutztruppen vom 31. Mai 19066 (des Mannschaftsversor— gungsgesetzes in Verbindung mit der Fortsetzung der ersten Beratung der Ergänzung zum Entwurf eines Gesetzes, be⸗ treffend die Feststellung des Reichshaushaltsetats für das Rechnungsjahr 1913.

Abg. Do ormann ffortschr. Volksp.) in seiner Rede, deren 5 in n, Nummer d. Bl. ,, ,. ist, fortfahrend: Der frühere

iegsminister Bronsart von Schellendorf machte gegen die zweijährige Dienstzeit geltend, daß 50 25 Rekruten mehr eingestellt werden müßten und bezweifelte, ob diese unbedingt diensttauglich sein würden; man könne nur Leute gebrauchen, die den Anstrengungen des Friedens⸗ dienstes vollständig gewachsen seien. 1888 hat man die Mindestgröße der Rekruten bei der Infanterie herabsetzen müffen. Ich frage: ann man noch unter die Grenze von 1,K57 bzw. J herabgehen? Wür⸗ den nicht die bisherigen Mißstände, namentlich die, Militärmiß⸗ handlungen dadurch neue Nahrung erhalten? Wir müffen bindende Erklärungen von der Kriegsperwaltung verlangen, daß die Reklama⸗ tionen von Mannschaften für bürgerliche Zwecke möglichste Berück= sichtigung finden, namentlich im Interesse der Landwirtschaft. Zu begrüßen ist die Schonung der älteren Jahrgänge im Kriegsfalle. Man hat das Heer als eine Schule bezeichnet. Das ist bis zu einem ge— wissen Grade richtig. Aber der Hienst im Heere ist nicht die einzige Schule; es gibt auch andere Erziehungsmittel für den herxanwachsenden jungen Mann. Auch in der beruflichen Tätigkeit muß Disziplin ber⸗ langt werden. Die Vorlage kostet große persönliche Dpfer. Läßt sich überhaupt die Kriegslast gleichmäßig verteilen, wie die Steuer⸗ last? Die Mehraushebung von 53 6h Mann bedeutet für manche Familien die Ginstellung von zwei Söhnen statt einem. Nun sollen auch noch 15000 Unteroffiziere und 4000 Offiziere neu eingestellt werden. Der wirtschaftliche Körper des Deutschen Reiches zählt ja nach Millionen Erwerbstätiger, und diese Zahlen sind verhältnis— mäßig klein, aber es kommt doch eins zum andern, und die Entziehung LO, bieler Kräfte wird sich auch für die Volkswirtschaft fühlbar machen. Die Zahl der ausländischen Arbeiter, die in Deutschland beschäftigt werden, ist bereits unverhältnismäßig hoch, obgleich eine genaue Sta— tistik darüber leider nicht existiert. Auch die Landwirtschaft wird die Wirkung der vermehrten her ng sofort zu püren bekommen und dauernd verspüren müssen, denn erfahrungsmäßig kehrt ein großer Teil der vom platten Lande stammenden Ausgehobenen nech der Dienstzeit nicht mehr auf das Land zurück. Daß wir diese Bedenken in den Vor— dergrund stellen, liegt in der Natur der Sache. Sie müssen zer— streut werden. Neigt sich am letzten Ende durch das Gewicht der Gründe die Wage zugunsten der Vorlage, so darf doch nichts ver— säumt werden, um auch die andere Wagschale nach Gebühr zu be—

lasten. Generalleutnant Wandel: Ich will einige schwer⸗ wiegende Bedenken widerlegen. Der Vorredner hat Zweifel

darüber ob es der ist, die

; jeue deutsche Wehrvorlage nicht durch, so

t in Frankreich die dreijährige Dienstzeit unter den Tisch. Das französische Volk würde von einem Alpdruck aufatmen. Die große Mehrheit des französischen Volkes würde eine Sabbatruhe in den , freudig begrüßen. Die 5 bringt eine Ueber⸗ pannung der Steuerlast. Dem . des Volkes und des Welt— friedens dient die Ablehnung der Vorlage am besten. Es ist Aufgabe der Diplomatie, den n, aufrecht zu . es ihr auch früher ge⸗ lungen ist, die jahrhundertelangen Gegensätze zwischen fie fi und Rußland aufzulösen. Auch der scharfe Gegensatz zwischen England und Deutschland ist ausgeglichen worden. Auf diesem Boden soll und kann weiter gebaut werden. Das jetzt vorgeschlagene Verfahren können wir nicht mitmachen. Die Deckungsborlage wäürde unsere Landes inanzen in die t, erwirrung bringen. Notwendig . eine Ver⸗ i der Völker mit Hilfe, des Haager Schiedsgerlchts, Gine erständigung der Völker ist möglich, das haben auch englische Staats= männer anerkannt. Seit dem Friedensmanifest des russischen Zaren ist der Friedenswille erstarkt, auch in Frankreich. Wir begrüßen die Initiatibe des Komitees, die von deutschen, schweizerischen und fran—

zösischen Parlamentariern ausgegangen ist; dieses Komitee verdient nicht die Beschimpfung, die ihm Von einem Blatte zuteil geworden ist. Es will dem Frieden dienen. Die französischen Parlamentarier sind 3 * glücklichen Lage, auch bei Kriegserklärungen ein Wort mitzu⸗ prechen. ö ö

Abg. We rner⸗Hersfeld (wirtsch. Vgg.):; Elsaß⸗Lothringen hat an dem Zustandekommen der Vorlage das größte Interesse, denn es würde unter einem Kriege mit . am ersten zu leiden haben. Der Vorredner berief sich auf Friedensmanifeste. ie war es mit dem Verhalten des Abg. Wetterls; diente sein Auftreten dem Frieden? Eine Spannung zwischen dem Kriegsministerium und dem General⸗ stabe hat nicht bestanden. Wohin kämen wir wenn wir alles glauben wollten, was in den Zeitungen steht. Der Abg. Scheidemann sagte, er wolle mit den französischen Sozialdemokraten den Frieden aufrecht erhalten. Das ist eine etwas gewagte Behauptung. Er wird den französischen Chauvinismus nicht, unterdrücken können. Selbst Mille— rand hat auf die Notwendigkeit einer schlagfertigen französischen Armee hingewiesen. Ich erinnere an den Depeschenwechsel zwischen dem neuen französischen Präsidenten und dem Zaren. Dann verweise ich auf die unfreiwillige Landung des Z. 4. Damit war den Franzosen Gelegen⸗ heit gegeben, den Hüft? zu untersuchen. Die Rede des Reichskanzlers ist im Auslande, namentlich in Desterreich, fast durchweg begrüßt worden; selbst die französische Presse spricht sich im allgemeinen nicht ablehnend aus. Aus den Verhandlungen klang heraus, daß die Militär⸗ vorlage keine Angriffsvorlage ist, sondern nur eine Sicherstellung dessen, was wir 1870/71 erworben haben. Zwischen England und Deutschland ist allerdings in letzter Zeit eine Entspannung eingetreten. Aber wir müssen nach dem Ausspruch der Königin Viktoria von Eng— land uns schon im Frieden für alle Eventualitäten rüsten ohne Rück— sicht auf andere Staaten. Seit 1911 sind Verhältnisse eingetreten, an die man damals nicht denken konnte. Der König von Montenegro, der Spouverän sämtlicher Hammeldiebe, führt eine Sprache, die nicht er— träglich ist Wir begrüßen es, daß sich die Bundesfürsten an den ein⸗ maligen Ausgaben für die Vorlage beteiligen wollen. (Präsident Dr. Kaempf bittet, auf die Veckungsvorlage nicht einzugehen.) Wir wünschen, daß das Deutsche Reich dem deutschen Volke erhalten bleibt; wir wollen keine aggressibe Politik, aber wir wollen die Sicher— stellung des Reiches, und wir wollen aus einem Kriege, der uns aufge— drungen wird, siegreich hervorgehen.

Präsident Dr. Kaempf ruft den Redner dafür, daß er den König von Montenegro als Souberän sämtlicher Hammeldiebe be— zeichnet habe, nachträglich zur Ordnung.

Abg. Dr. Frank (Soz):; Weder der Reichskanzler, noch der Kriegsminister besitzen in dem Reichstage die Autorität, so gewaltige Vorlagen wie die jetzige zu vertreten. Es hat sich ein ganz plötzlicher Umschwung der deutschen Politik vollzogen, der durfte fich aber nicht bollziehen durch einen Meinungswechsel, sondern nur durch einen Ministerwechsel; der Reichskanzler von 1913 hat denn auch noch nicht genügend unigelernt; ihm stand mehrfach noch der Reichskanzler don 1912 im Wege. Er hat eine Friedensrede gehalten, er hat sich nach allen Seiten verheugt, wie ein Türke beim Gebet. Er hat die Quadra— tur des Zirkels zu lösen versucht; eine Vorlage, die probokatorisch ist, kann man nicht begründen, ohne irgend jemand herauszufordern. Die eigentliche Begründung der Vorlage steht immer noch aus; die Regierung übt sich im Schweigen. Eine Reihe von wichtigen Fragen sind bis jetzt unbeantwortet geblieben. Verlassen Sie sich ja nicht auf die Kommission; auch dort kommt zuletzt vielleicht nur an Offen— barungen heraus, was jedermann längst weiß. Wir hätten die Vor—⸗ lage nicht bekommen, wenn nicht die Jubiläumsfeier gewesen wäre. Es ist etwas Gefährliches um geschichtliche Parallelen. Nach Karl Marx wird jedes geschichtliche Drama in einer Farce wiederholt. Bei dem Vergleich mit. Stein käme ja der Kanzler ebenso wenig zu kurz wie der Kriegsminister von Heeringen bei dem Vergleich mit Scharn— horst; in Verlegenheit kämen wir bloß wegen Napoleon, ob wir ihn mit Peter von Serbien oder mit Nikita von Montenegro vergleichen sollten. Wie stellen sich denn zur südslawischen Gefahr diejenigen, die den Ansturm auszuhalten hätten, wie stellen sich dazu unsere öster= reichischen J Ein Auszug aus einer sehr angesehenen . lilitärzeitung besagt, daß es sich dabei nur . ob esterreich gegenüber ö und Montenegro bestehen könne, und antwortet, daß 2— österreichische Korps das schaffen könnten. Uns aber kommt man mit einer Vermehrung des stehenden Heeres um 136 009 Mann mit der Begründung, daß im Sildosten ein gefähr— licher Feind uns erwachse! Von den 41 russischen Armeekorps müffen wir ferner mindestens 10 abziehen, die in Sibirien und Turkestan stehen. Gestern wurde das Parlament der chinesischen Republik er— öffnet, deren Anerkennung durch Deutschland hofsentlich nicht allzu lange mehr auf sich warten läßt. Vielleicht kommt bald der Tag, an dem Rußland schwerere Sorgen an seiner Ostgrenze hat, als wir. Wir haben mindestens 3090 090 russische Arbeiter, die meist Reservisten sind, jährlich in Deutschland. Ich traue unferer Regierung jede Dummheit zu, ich glaube aber nicht, daß sie diese Leute dann nach 6 läßt. So ist Rußland um weitere 300 000 Mann im Kriegs— alle geschwächt. Das ist das Doppelte, was unfere Vorlage an Mannschaften verlangt. Aber die Vermehrung des Heeres wird ja für notwendig gehalten, um der Weiterentwicklung der Sozialdemo— kratie wirksam entgegenzugrbeiten. Unter den neu geforderten Re⸗ kruten befinden 6 mindestens immer 50 909 Sozialdemokraten, und 86 000 werden sicher jedesmal aus der Kaserne heimkehren. Das Zentrum tritt mit Begeisterung für die Vorlage ein. Wie in der ganzen Welt sind auch unsere Klerikalen die eigentlichen Kriegshetzer geworden. Der Abg. Erzberger meint, daß das Zentrum durch Ju— stimmung zur Vorlage nur in unserem Interesse handelt, weil wir bei Auflösung des Reichstags sehr viel Mandate verlieren würden. Das wäre aber doch die beste Art für das Zentrum, uns zu be— kämpfen, wenn es dann diese Vorlage ablehnt. Aber wir haben früher immer nur an Stimmen verloren, wenn wir einmal mit dem Zentrum zusammengegangen sind. Es wurden allerlei freiheitliche Forderungen für das Volk gestellt. Aber dies sieht fo aus, als ob es eine Belohnung für Wohlverhalten sein soll. Wir verlangen aber Demokratisierung im Interesse des Reiches. In der Zahl der Sol— daten können wir ja nie mit dem russischen Reiche wetteifern. ber in bezug auf den Geist der Armee können wir es überflügeln. Des— halb gibt es keine bessere Sicherung des Reiches, als eine Reform des preußischen Wahlrechtes und Aufhebung der Sondergefetze gegen die Polen. Der Abg. Bassermann träumte von einem großen, sich selbst regierenden Volke. Durch Träumen und Schlafen erreicht man aber nichts, sondern nur durch Kämpfen. Erzbergers Kritik follte nur die Zustimmung des . bemänteln. Aber wir werden ihn in seiner Forderung nach gleichem Recht im Heere beim Worte nehmen. Das Zentrum kämpft gegen das Duell. Vielleicht nimmt es jetzt mit uns eine Bestimmung in dieser Vorlage an, wonach jeder Sffizier mit schlichtem Abschied le ff. wird, der eine Duellforderung annimmt. Die Mitglieder regierender Häuser sind nicht wehrpflichtig. Man kemmt ihren Wünschen sicher entgegen, wenn man sie jetzt dem Volke gleichstellt. Wo man jetzt den Bauern und Arbeitern weitere Laften aufbürdet, sollte man es auch bei den Besitzenden tun, indem man wie in Frankreich das Privileg der Einjährig-Freiwilligen aufhebt. Auch den Militärboykott, der gerade den Mittelstand schädigt, follte man unmöglich machen. Aus Sachsen kommt nicht viel Gutes. (Zuruf; Ein großer Teil von Ihnen kommt doch daher) Das ist auch eins von dem wenigen Guten. In Sachsen ist der Militär— boykott viel fach aufgehoben. Nötig ist auch eine , . der Bürger⸗ rechte der Reserveoffiziere. Hier wird eine beschämende Schnüffelei über das Pribatleben getrieben. Sogar einen Prästbenten des Hauses zog man zur Rechenschaft, weil er hier seine Pflicht getan haf. Un einer anderen Stelle wurde nachgespürt, ob, ein Referbeoffizier in einem bestimmten Lokale und an einem bestimmten Tage einem Sozialdemokraten Prosit zugerufen hat, * glaube, es gibt nur wenige Abgeordnete, die sich über diese Vorlage wirklich freuen. Mancher hät sich sicher unter vier Augen geäußert, daf er die Vorlage ablehnen würde, wenn er die Gewißheit hätte, da Frankreich dann auch die seinige zurückzieht. Nur das Rüstungskapital und feine Presse hat ein Interesse an solchen Rüstungen. Die Kommission wird ernsthaft prüfen müssen, ob endlich die Zeit gekommen ist, die Waffen

muß auch das Zentrum ein Interesse haben. Was soll denn geschehen nach der, Annahme der Heeresborlagesß. Es herrscht eine Stimmung der Hoffnungslosigkeit bei den bürgerlichen Parteien, weil die Ant' wert, die die Franzosen geben werden, die Wirkungen der Heeresver⸗ stärkung aufheben würde. Wäre es nicht richtiger, den Versuch zu einer Verstandigung mit Frankreich zu machen? wen, sehen wir, daß eine Verständigung mit England angebahnt ist, die man früher als unmöglich bezeichnet hat. Man hat eine einjährige Rüstungspause mit England vorgeschlagen. Wäre es möglich, diefe Pause mit Frank reich durchzusetzen dann würden zwei Völker erleichtert aufatmen. Wenn Schweizer Bürger aller Richtungen uns eine Verstaͤndigung auf c weizerischem Boden geraten haben, so verdient das Beherzigung. Wenn es gelänge, ein Abkommen dort herbeizuführen, so würde das einen ganz gewaltigen moralischen Eindruck in Europa machen. Deutschland und Frankreich bilden doch heute eine kulturelle Gemein— schaft. Ich bin überzeugt, daß die Vernunft auf dem Marsche ist und zu, einer europäischen Großmacht werden wird. Wir hoffen und wünschen, daß auch die bürgerlichen Friedensfreunde mit uns arbeiten werden. Lassen sie uns allein, so gehen wir einen Weg, von dem wir wissen, daß hinter uns der Wille zweier arbeitender Nationen steht. Wir dienen damit dem Vaterlande.

Abg., Haeusler (Zentr): Wie die meisten Mitglieder des Hauses, bin ich der Ueberzeugung, daß neben einer starken Flotte nur ein starkes Heer die Grundlage unserer nationglen Existenz bildet. Daß in technischer Beziehung alles geschehen muß, um die Armee auf der Höhe zu erhalten, darüber sind wir uns alle einig. Ob aber die Vorlage das Richtige trifft, ist eine andere Frage. Es herrschen in militärischen Kreisen darüber die größten Widersprüche. Wir haben die Maschinengewehre verdoppelt, und doch werden die Etats in die Höhe gesetzt. Man beruft sich darauf, daß die allgemeine Wehrpflicht nur auf dem Papier steht. In der Begründung liegt eine vollständige Bankerotterklärung unserer, Septenats-⸗ und Duinquennatswirt— schaft. Was haben diese für einen Zweck, wenn alle Jahre solche Vorlagen kommen? Nur eine Maximalpräsenzziffer würde das Richtige sein. 1905 sagte die Verwaltung zur Begründung ihrer Vorlage, die volle Wehrpflicht würde sich niemals durchführen lassen. Für die kriegerische Nutzbarmachung unserer Volkskraft gibt es nur einen Weg, die weitere Verkürzung der Dienstzeit unter Beseitigung aller Ungleichheiten, bei der dreijährigen Dienstzeit der Kavallerie und beim SFinjährigenprivileg. Die Kavallerie wird auch in diefer Vorlage erheblich vermehrt, ohne daß in Sachen der Dienstzeit das mindeste Entgegenkommen gezeigt ist. Das ist ein Verkennen der militärischen und wirtschaftlichen Erfordernisse. Die Aufrechterhaltung einer dreijährigen Dienstzeit bei der Kavallerie ist nicht mehr zu rechtfertigen. Für den einjährigen Dienst ist entscheidend der mehr oder weniger gefüllte Geldbeutel der Väter. Bei beiden Forderungen braucht man nicht an die allgemeine zweijährige Dienstzeit oder gar an das Milizsystem zu denken; es können Urlaubszeiten von zwei Monaten im ersten, 3 Monaten im zweiten Dienstjahre gesetzlich fest⸗ gelegt werden. In unserm ganzen Heeresorganismus ist noch sehr biel Raum für Dienstzeitersparnis. (Es kommen für die militärische Ausbildung ernsthaft nur die Marschleistungen und die Schießfertig keit in Betracht, und wieweit man es da auch bei kürzerer Bienst⸗ zeit bringen kann, zeigt uns die Schweiz. Es muß eben die ganze Arbeit auf die kriegsgemäße Ausbildung gerichtet sein. Geben wir Frankreich mit seiner Rückkehr zur dreijährigen Dienstzeit die Ant wort durch eine Herabsetzung der Dienstzeit des deutschen Heeres! Damit erreichen wir zwei Ziele zugleich: die Ueberspannung unserer Finanzkraft wird vermieden, und ein guter Teil der Bevölkerung über den jetzigen Prozentsatz hinaus der kriegsgemäßen Ausbildung teilhaftig. Für die Effektivhaltung aller unserer Formationen er eint eine dreimongtliche Ausbildung der Ersatzreserven genügend. Wenn die militärischen Autoritäten diese Dreimonatsausbildung füt wertlos erklären, so lehrt die Kriegsgeschichte, auch die von 1876, das Gegenteil; und gerade die Jahrhundertfeier gibt Gelegenheit, darauf hinzuweisen, daß die Truppen, welche 1813 die größten Siege erfochten, zum größten Teil aus ungusgehildeten Mannschaften, aus Krümpern bestanden. Alle diese Vorteile würden sich bieten, wenn man die Ausbit.

schie der nervus rerum versagt; es muß also auch für die finanzielle Kriegs- bereitschaft gesorgt werden. Die Verdreifachung des Kriegsschatzes ist ja ganz schön; der Krieg selbst läßt sich immer nur mit Hilfe der Anleihe durchführen, wo eben steuerliche Reserven vorhanden sein müssen. Die wirksamste finanzielle Vorbereitung eines Krieges ist also unzweifelhaft die bis zum letzten Moment geschonte Steuerkraft des Volkes; jede neue Umdrehung der Steuerschraube für unproduktive Rüstungen ist daher vom Uebel. Wenn es richtig war, was man dem Volke als zwingenden Grund für die Finanzreform von 1909 angab, daß gesunde Finanzen eine Vorbedingung für die Existenz des Reiches sind, so sind gesunde Finanzen auch die Vorbedingung für einen glück— lichen Krieg. Die Löhnung der deutschen Soldaten ist nicht hoch genug; dabei kostet uns jeder Soldat 20 26 mehr als der französische, indem auf anderen Gebieten eine unberechtigte Verschwendung ge— trieben wird. Die Bezüge der Generale sind viel zu hoch; neben dem Gehalt haben sie eine Menge Nebeneinkünfte und beziehen auch Repräsentationsgelder. Ein Staat, der für die Armee zu Vermögens⸗ konfiskationen greifen muß, hat für Repräsentation der Generale doch eigentlich überhaupt keine Mittel mehr übrig. Viele Millionen können erspart werden durch Beseitigung einer Menge hoher Stellen, von denen wir in der Armee viel zu viel haben. Auch die Führung der Armeekorps könnte anders geregelt werden. Durch Ersparungen an Gehältern können Millionen erspart werden, die für die Srgani— sation der Armee für den Krieg gewonnen werden können. Jetzt kommt auf einmal eine ganz kolossale Vermehrung der Stabsofföier— stellen. Dies soll angeblich im Interesse der Schlagfertigkeit unserer

„Armee nötig sein, aber es liegt gerade im Interesse unseres Offizier⸗

korps, daß keine Stellen geschaffen werden, für die im Frieden keine rechte Beschäftigung vorhanden ist. Im Kriege entstehende Lücken können leicht durch Offiziere des Beurlaubtenstandes ausgefüllt wer— den. Deshalb empfiehlt sich auch die französische Einrichtung von Stellen, die zwischen Offizieren und Unteroffizieren stehen. Durch Streichung der Tischgelder lassen sich weitere Millionen sparen. Die Forderung im Etat für die Dienstwohnung des Chefs des Milisär— kabinetts zeigt, wie bei uns gewirtschaftet wird. Die Schießübungen im Gelände sollten in Fortfall kommen, wenn jedes Armeekorps seinen Uebungsplaz hat. Dieses Versprechen ist nicht erfüllt. Ebenso sollte nach Bewilligung der Mittel für die feldgraue Uniform mit dem Luxus in den Uniformen gebrochen werden. Das ist doch nichts wie reine, Soldatenspielerei. Auch Tressen, Litzen Und audere Kinker— litzchen können gut fortfallen. Der Geist unserer Armee ist gewiß gut, und unsere Offiziere sind mit Eifer und Pflichttreue bestrebt, sich auf ihre verantwortungsvollen Aufgaben vorzubereiten. Nichtsz⸗ destoweniger sind in unserer Heeresberwaltung Mängel vorhanden, deren Beseitigung verdienstvoller ist, als dieser unsinnige Rüstungs⸗ wettlauf. Das entspricht, nicht einer Nalion, deren Intelligenz im Steigen begriffen ist. Die Ausbildungszeit unserer Offiziere ist vie zu kurz. Nicht nachdrücklich genug kann die geheime Qualifizierung der Reserveoffigiere getadelt werken. Auch der Ausschluß weiter Volkskreise, z. B. der jüdischen, ist ganz unstatthaft. Es gibt Fak— toren, die den Ausgang eines zukünftigen Krieges beeinflussen. Alle solche, die einen unguͤnstigen Einfluß ausüben können, follte man unweigerlich ausmerzen. (Der Reichskanzler erscheint am Bundes⸗ ö 3. . es Heeres gehoben werden, Es ist deshalb ganz uner ört, wenn der, Kriegsminister hier erklärt hat, daß ein Offer i, im Heere bleiben könne, der einer Forderung zum Zweikampf nicht Folge leiste. Unsere Intendantur ist im höchsten Grade rückstandig. Auch an eine Reorganisation des ärztlichen Dienstes muß gedacht werben. Der Aerztemangel nimmt geradezu einen erschreckenden Umfang an. Wachsende Unruhe rechts und laute Iwischenrufé Auf Ihren zur Rechten gewendet) Beifall verzichte ich, Jeßt wenden wir Milliarken auf. Aber wir müssen mit Sicherheit weitere aufwenden, sobald Frankreich das automatische Gewehr einführt und weitere Ver⸗

labrikation vollständig in die Regie des Reichs zu übernehmen. Daran ! besserungen trifft. Auch ist es ein öffentliches Geheimnis, daß unser

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in, auf das Kriegsgemäße beschränkt ünd allem Paradedrill den Abe gibt. Die Aktionsfähigkeit einer jeden Armee erlahmt sofort, sobald

Vor allen Dingen muß der sittliche und religiöse Wert

Artilleriematerial den Anforderungen nicht mehr entspricht. Auch die Entwicklung des Luftkrieges wird weitere Opfer nötig machen, zumal wir ja erst am Ausgangspunkt der ganzen Entwicklung stehen. Das Deutsche Reich hat eine ganze Anzahl von Kulturaufgaben zu erfüllen. Wir haben für unsere Altpensionäre in erhöhtem Maße zu sorgen und für mehr als die Hälfte . Veteranen, für die man trotz des Milliardenopfers nichts übrig hat, und die als Dank des Vaterlandes für ihre Aufopferung bisher nichts als schöne Redensarten empfangen haben. Mit allen solchen Bedenken muß man an diese Vorlage

herangehen.

Preußischer Kriegsminister, von Heeringen:

Meine Herren! Wenn die Kritik des Herrn Abg. Haeusler auch nur zu wenigen Prozenten richtig wäre und zuträfe, dann stände es um die deutsche Armee allerdings schlecht. (Sehr richtig! rechts.) Aber so ist es nicht. Uebertreibung, wenn ich mir den Ausdruck er— lauben darf (lebhafte Zurufe von den Sozialdemokraten), war vieles, ein großer Teil trifft überhaupt nicht zu. Ich weiß nicht, wo der Herr Abgeordnete in der Armee diese Erfahrungen seinerzeit gesammelt hat. Ich kenne doch die jetzige Armee und mit mir stehen sehr viele, ja wohl die weitaus meisten Kenner, auf einem durchaus anderen Standpunkt als der Herr Abgeordnete. (Sehr richtig! rechts. Zurufe von den Sozialdemokraten: Das glauben wir) Wenn man Sparsamkeitsbestrebungen in der Welse, wie es der Herr Abgeordnete vorgeschlagen hat, auf den Etat des Reichsheeres anwenden wollte, dann würde ich lieber vorschlagen, den Rotstift in die Hand zu nehmen und ohne Durchlesung dessen, was auf der Seite steht, einfach rücksichtslos alles durchzustreichen. (Lachen und Zurufe von den Sozlal⸗ demokraten. Glocke des Präsidenten.)

Wo bleibt bei den Vorschlägen des Herrn Abgeordneten die Aus⸗ bildung, die Schlagfertigkeit der Armꝛe? (Zurufe von den Sozial⸗ demokraten.)

Der Herr Abgeordnete hat gesagt, der deut sche Soldat koste mehr als der französische. Da hat er durchaus recht. (Zurufe von den Sozialdemokraten: Also) Aber weshalb kostet der deutsche Soldat mehr als der französische? Weil der deutsche Soldat gerade im Gegensatz zu dem, was der Herr Abg. Haeusler behauptet hat, erheblich mehr Löhnung bekommt und erheblich besser unter⸗ gebracht ist. (Sehr richtig! rechts) Der deutsche Soldat bekommt 108 S Löhnung, der französische 14,40 S6. (Hört! hört! rechts.) Der deutsche Soldat wird für 57 6e jährlich untergebracht, der französische für 40 A6. (Zuruf von den Sozialdemokraten.) Die Bekleidungskosten aber, die der Herr Abgeordnete als in Deutschland zu hoch angegriffen hat, sind in Deutschland geringer wie in Frank⸗ reich, wir wirtschaften billiger! Summa summarum kostet der deutsche Soldat 440 ½ jährlich, während der Franzose 362,40 S kostet. Also darln, daß wir für unsere Leute besser sorgen, liegt die Begründung, weshalb der deutsche Soldat mehr kostet. Die Sache liegt das betone ich nochmals gerade umgekehrt, wie der Herr Abgeordnete meint.

Der Herr Abgeordnete hat von der zu reichlichen Bezahlung der deutschen Offiziere gesprochen. Meine Herren, ich möchte den deutschen Offizier kennen lernen, der in und durch seinen Dlenst Reichtümer gesammelt hat. (3Zurufe von den Sozialdemokraten: Soll er auch nicht) Ich habe noch keinen kennen gelernt, sondern um⸗ gekehrt manchen, der sein Vermögen zugesetzt hat. (Zurufe von den Sozialdemokraten)

Die Or gan isationsvorschläge dez Herrn Abgeordneten, die da⸗ hin gehen, daß wir die Korps in Divisionen, diese in 3 Brigaden gliedern und auch bei den Bataillonen eine Dreiteilung vornehmen sollen, sind ja schon von vlelen Seiten gemacht worden. Das hätte militärisch viel⸗ leicht etwas für sich. Aber Organisationen kann man nur auf dem Bestehenden aufbauen und das Bestehende nur verlassen, wenn eine zwingende Notwendigkeit dazu vorliegt. Die liegt aber nicht vor, die Umänderung unserer jetzigen Organisation würde auch sehr, sehr viele Millionen kosten.

Dle Mobilmachung fordert unbedingt höhere Offiziere, die sich schon im Frieden in ihrer Stellung befinden, um sich für ihre Kriegsaufgabe vorzubereiten. (Sehr richtig! rechts.) Es ist unmöglich, daß man überall oder auch nur in erheblichem Umfange inaktive Offiziere dazu heranzleht. Man kann solche allenfalls für die Stellen der zweiten Linie verwenden. Die Zahl unserer inaktiven Generale, die 60 Jahre und älter sind, überwiegt weit die derjenigen, die im Lebensalter unter 60 Jahren sich befinden. Schon daraus geht hervor, daß die körperliche Leistungsfähigkeit der meisten dieser Herren beschränkt ist (sehr richtig! rechts), und daß wir sie im nennentzwerten Umfang für Feldstellen nicht ver⸗ wenden können.

In einem Punkte hat der Herr Abgeordnete vielleicht recht, daß

General der Infanterie

die wissenschaftliche Ausbildung unserer Offiziere noch zu

förꝗrdern wäre. Da stimme ich ihm in gewisser Beziehung bei. Das wird aber im Auge behalten und allmählich gefördert werden. Ein anhaltender Fortschritt ist übrigens in dieser Hinsicht deutlich zu erkennen.

Wenn der Herr Abgeordnete aber weiter sagt, das Material unserer Artillerie genüge nicht mehr, so muß ich dagegen den aller⸗ entschiedensten Protest einlegen (sehr richtig! rechte); denn das hätte unabsehbare Folgen, wenn das im Ausland geglaubt würde. (Sehr richtig! rechts) Das Material unserer Artillerie ist durchaus gut, und ich glaube, der beste Beweis dafür ist der, daß unsere westlichen Nachbarn, die in früheren Jahren die gleiche Behauptung, wie der Herr Abgeordnete, öffentlich ausgesprochen haben, jetzt denselben Weg beschreiten, den wir seit ungefähr 10 bis 15 Jahren schon für richtig erachten, ich meine die Aus⸗ stattung der Feldarmee mit Steilfeuer. (Hört! hört! rechts.) Ich muß dem Herrn Abgeordneten ferner sagen, daß für den Sieg im Kriege nicht nur die Marsch⸗ und Schießfertigkeit allein die aus— schlaggebenden Momente sind, sondern daß hauptsächlich auch die Disziplin hierbei in Frage kommt, eine Disziplin, die man den Truppen nur in gründlicher Arbeit anerziehen kann. Es ist durchaus ein Irrtum, wenn man glaubt, daß diese Disziplin, die im Kriege so ausschlaggebend ist, in einer kurzen Zeit erzielt werden könnte. (Sehr richtig! rechts) Eine Verkürzung der Dienstzeit wäre deshalb nur dann möglich, wenn man die Schlagfertigkeit der Armee herab⸗ setzen wollte. Ich meine, dte jetzige Heeresvorlage hat aber den Zweck, die Schlagfertigkeit des deutschen Heeres zu stärken. Wem die Folgen einer Verkürzung der Dienstzeit noch zweifelhaft sind, sehe sich einmal unsere westlichen Nachbarn an. Die Verlängerung der

*

*

Dienstzeit beij ihrer Kapallerie war schon beschlossene Sache, ehe die deutsche Heeresborlage vorgelegt wurde, weil man den Ruin der französischen Kavallerie durch das Beibehalten der zweijährigen

Dienstzeit herbeizuführen fürchtete.

Dle Weglassung alles nur Parademäßigen ist in der deutschen Armee in vollem Umfange bereits vorgeschrieben. (Lachen bei den Sozialdemokraten.) Natürlich könnte das hier und dort vielleicht noch etwas besser durchgeführt werden. Aber ich will Ihnen aus dem Exerzierreglement den Passus vorlesen, der die Gesichtspunkte angibt, nach denen die Ausbildung der deutschen Truppen geregelt werden soll. Dieser Passus lautet:

Die Ausbildung der Truppe ist nur dann nach richtigen Gesichts⸗ punkten erfolgt, wenn sie das kann, was der Krieg erfordert, und wenn sie auf dem Gefechtsfelde nichts von dem abzustreisen hat, was sie im Frieden erlernte.

Auf die Ausbildung der Ersatzreserven läßt sich die deutsche Heeresverwaltung nicht ein. Wir würden die Ersatz⸗ reservisten, deren Ausbildung in Summa 20 Wochen beträgt, doch

nicht auf einmal diese 20 Wochen abdienen lassen können, sondern in

mehreren Jahren. Aber ein so ausgebildeter Ersatzreservist würde immer, ehe ich ihn mit ins Feld nehmen kann, zunächst in einer Ersatzformation längere Zeit eine Wiederholung des Erlernten durch⸗ machen müssen, und da steht zur Frage, ob ich die Schaffung eines großen Rekrutenreservoirs für vorteilhafter erachte, als eine vielleicht kleinere Zahl gut ausgebildeter Mannschaften des Beurlaubtenstandes, die ich aber sofort im Felde verwenden kann. Ich glaube, die Wahl ist für jeden Soldaten nicht schwer.

Dann hat der Herr General Haeusler gewiesen, daß in anderen Staaten, wo eine kürzere Dienst⸗ zeit besteht, die Soldaten sich gut geschlagen haben, und speziell hat er das Jahr 1813 genannt. Gewiß hatten die preußischen Soldaten und Landwehrmänner, die damals in den Krieg zogen, zum Teil eine nach unseren heutigen Begriffen sehr minderwertige Aue⸗ bildung. Aber, meine Herren, nur zum Teil, und dann ist doch auch in Betracht zu ziehen, was für einen Gegner sie hatten. Wenn das sestgefügte alte napoleonische Heer aus früheren Jahren ihnen noch gegenübergestanden hätte, so wäre der Stand der preußischen Armee ein erheblich schwierigerer gewesen. Und vergessen Sie doch auch nicht, wie viel einfacher damals die Kampfverhältnisse lagen. Von den preußischen Bataillonen, die damals in den Krieg rückten, hat bei manchen nur das den Schützenzug bildende dritte Glied einige scharfe Pa tronen verschossen, die übrige Mannschaft blieb geschlossen in der Hand des Offiziers. Und dann denken Sie daran, daß nach der Schlacht bei Dennewitz die preußische Landwehr das Gewehr um⸗ kehrte und mit dem Kolben dreinschlug. Wenden Sie das Verfahren einmal bei der heutigen Bewaffnung an, und Sie werden den Unter⸗ schied erkennen. Nein, das deutsche Heer kann in Zukunft seine Auf⸗ gaben nur dann erfüllen, wenn jedem einzelnen Soldaten im Frieden eine gründliche, wohldurchdachte Ausbildung und Erziehung zuteil wird. (Bravo! rechts.)

Königlich bayerischer Generalmajor Wenning er: Der Abg. Häusler hat in der Zeit, in der er der Feldartillerie angehörte, zweifellos als Sachverstandiger gegolten. Wenn man während seiner Dienstzeit von der Anschauung ausgegangen wäre, die er heute aus gesprochen hat, daß man täglich mit einer 1 bis 2 stündigen Dienstzeit auskomme, so würde er wohl kaum General geworden sein. Ich wiederhole, daß der Abg. Häusler innerhalb seiner Waffe zweifellos Sachverständnis besaß. (Zurufe im Zentrum und links: Besitzt!) Aber da der General vorhin selbst erklärt hat, daß gerade die Feldartillerie infolge der Fortschritte der Technik jetzt so weit vor⸗ geschritten ist, und er, nachdem er dieser Waffe nicht mehr an— gehört, diese Fortschritte am eigenen Leibe und aus eigenen An⸗ schauungen nicht miterlebt hat, so wird er zugestehen, daß sein Sachverständnis hierdurch zweifellos etwas eingeschränkt worden ist. Im übrigen kommen hier auch noch andere Waffengattungen in Be⸗ tracht, die Infanterie und die Kavallerie, und da kann ich nur darauf hinweisen, daß dem General nicht genügend Gelegenheit geboten gewesen ist, in diesen Kenntnisse zu gewinnen, die ihn zu einem Urteil in diesen anderen Waffen befähigten. Was ganz besonders die Kavallerie betrifft, so hat der Abg. Häusler durch seine eigenen Aus— führungen schlagend bewiesen, daß er ein Sachverständnis inbezug auf die Kavallerie nicht besitzt.

auch darauf hin⸗

Dies wollte ich feststellen, weil vielleicht die Meinung entstehen könnte, als hätte der General seine Sachæ verständigkeit aus eigener Erfahrung geschöpft. (Vizepräsident Dove: Der Abg. Häusler ist hier nur Abgeordneter.) Ich habe den Abg. Häusler nur aus einem Gefühl der Wohlanständigkeit heraus als General bezeichnet. Ich habe es sür meine Pflicht gehalten, als Vertreter der bayerischen Armee das festzustellen, was ich fest⸗ gestellt habe.

Abg. Laux (Bayerischer Bauernbund) Ich muß dem Abg. Häusler in vielem zustimmen, kann aber nicht alles billigen, was er gesagt hat, schon deshalb nicht, weil doch alles, was er ausgeführt hat, auch ins Ausland dringt. (Große, sich immer steigernde Unruhe, die zeitweisg den Nedner völlig, verhindert, sich verständlich zu machen) Die Befürchtungen, die der frühere Kollege Dr. Heim bezüglich der Wirkungen der vermehrten Aushebung auf die ländliche Bevölkerung ausgesprochen hat, sind nicht von der Hand zu weisen. Die Landbevölkerung wird das allergrößte Opfer zu bringen haben. An die einzelnen Forderungen der Vorlage wird der allerstrengste Maßstab der Kritik anzulegen sein. Itzt will man die Qffizigrestellen wieder um 4000 vermehren, und dabei gehen zahllose Offiziere als Hauptleute in verhälinismäßig jungen Jahren in Pension. Die Schaffung so vieler neuer Offizier⸗ stellen erscheint nach keiner Richtung notwendig; man soll doch die inaktiven Offiziere mehr heranziehen. Die Bevorzugung des Adels im Qffizierkorps und namentlich in den führenden Stellen muß aufhöten. Weshalb sträubt man sich, das französische Beispiel da nachzuahmen, wo es besonderen Vorteil böte, indem man auch die Unteroffiziere zu Offizieren apancieren läßt? Das Ansehen der Offiziere wird dadurch gewiß nicht vermindert. Die Paradeuniformen, die oft direkt nach einer Maskerade aussehen, sollten wegfallen, ein solcher Firlefanz hat mit der Wehrhaftigkeit doch gar nichts zu tun. Der Tendenz der Vorlage müssen wir zustimmen, weil wir nicht verantworten können, daß wir im nächsten Kriege unterliegen, weil nicht alles für die Wehrhaftigkelt des Landes getan war; aber der ist der größere Patriot, der nicht mit Hurra alles unbesehen annimmt, sondein der strenge Prüfung verlangt und nicht höheren Wünschen blindlings folgt. In erster Linie wird es Sache des Jentrums sein, dle erforderliche strenge Prüfung der Vorlage eintreten zu lassen.

Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg:

Meine Herren, es ist nicht der letzte Teil der Debatte, der mich veranlaßt, das Wort zu nehmen. Aber ich habe das Bedürfnia, zu zwei Punkten, die gestern und heute erwähnt worden sind, kurz Stellung zu nehmen.

Zunächst will ich der Auslegung entgegentreten, welche einige Redner meinen Bemerkungen über slawisch⸗germanische Gegensätze gegeben haben. Ich habe, meine Herten, von pan⸗ slawistischen Strömungen gesprochen, und ich konnte an diesen Strömungen nicht vorübergehen, weil sie in der gegenwärtigen

Balkankrisis eine markante Rolle spielen. (Sehr richtig! rechts) Aus diesen panflawistischen Tendenzen hat ein Teil der Publizistik eine kommende Auseinandersetzung zwischen dem Slawentum und dem Germanentum gefolgert. Gegen dieses Schlagwort habe ich ent⸗ schiedenen Widerspruch eingelegt, habe vor ihm gewarnt, und ich wiederhole diese Warnung heute noch einmal mit ernstem Nachdruck. (Sehr gut! rechts)

Das Schlagwort verwechselt die panslawistischen Strömungen mit der Zugehörigkeit zur slawischen Rasse. Die slawische Rasse ist ebenso wie auch die germanische auf viele Länder verteilt und wohnt da im Zusammenhang mit anderen pölkischen Bestandteilen. Schon insofern ist dieses Schlagwort unwahr und unrichtig. Das Schlagwort ist auch um deswillen unrichtig, weil es reale Interessen⸗ gegensätze zwischen uns und Rußland nicht gibt. Auch das habe ich mit großer Entschiedenheit betont. Und das Schlagwort schädigt endlich die Politik, die ich zu führen wünsche, und die auf die Erhaltung eines guten nachbarlichen Verhältnisses zu Rußland ge⸗ richtet ist.

Meine Herren, der zweite Grund, weshalb ich das Wort er⸗ griffen habe, ist der, daß hier von verschiedenen Rednern ganz irr⸗ tümliche Darstellungen über die Entstehung der Wehr⸗ vorlage ausgesprochen worden sind. Weder hat der Wehrverein die Wehrvorlage veranlaßt, noch ist eine Kapitulation des Herrn Kriege ministers oder meiner Person vor dem Generalstab vor⸗ gekommen. i ö

Meine Herren, aus außeipolitischen und militärpolitischen Gründen habe ich mich im November vorigen Jahres von der Notwendigkeit überzeugt, neue Rüstungen für unsere Armee vorzunehmen. (Hört, hört! links und bei den Sozialdemokraten) Auf Grund dieser Ueber⸗ zeugung, die von meinem Nachbarn, dem Herrn Kriegsminister, und dem Chef des Großen Generalstabes geteilt wurde, sind die Vor⸗ arbeiten in Angriff genommen worden. (Zuruf von den Sozial⸗ demokraten: Im Dezember!) Daß wir damit nicht sofort in die Oeffentlichkeit getreten sind, meine Herren, dafür werden Sie wohl ein Verständnis haben. (Sehr richtig! rechts) Aber der Entschluß stand damals fest, und dieser Entschluß ist entstanden aus dem Verantwortungsgefühl für die Sicherheit unserer Zukunft. (Bravo! recht.

Meine Herren, ich habe aus dem bisherigen Verlauf der Ver handlungen den Eindruck gewonnen, daß die große Mehrheit der Parteien dieses hohen Hauses sich bei ihren kommenden Entschlüssen von dem gleichen Gefühl der Verantwortung leiten lassen will (Sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberalen), und daß sie erkannt haben, welche große und ernste Bedeutung für Deutschland die Ent⸗ schlüsse haben werden, dle sie fassen wollen. (Lebhafter Beifall rechts und bei den Nationalliberalen.)

Damit schließt die Generaldiskussion.

Persönlich bemerkt der

Abg. Häusler (Zentr): Meine Aussührungen sollten in keiner Weise eine Inferiorität unserer Artillerie behaupten. Ich habe nur Wünsche und Anregungen geäußert, die u. a. auch im „Militärwochenblatt“ zu finden gewesen sind. Ich werde doch nicht als ehemaliger Artillerist meine eigene Waffe herabsetzen. Was den bayerischen Bevollmächtigten anbelangt, so nehme ich ihm seine Be⸗

merkungen als bayerischer Landsmann in keiner Weise übel, aber eine Kritik meiner Fähigkeiten als Abgeordneter lehne ich ab.

Bayerischer Generalmajor Wenninger: Ich möchte nicht auf das persönlich gegen mich Gerichteie erwidern, aber ich habe noch das Bedürfnis, im Namen des hayerischen Offizierkorps hier das ziefste Bedauern darüber auszusprechen, daß der Abg, Häusler hier Worte in selner Rede gesprochen hat, die ihren Beifall nicht in der eigenen Partei, sondern nur auf der äußersten Linken gefunden haben.

Vizepräsident Do ve: Die Debatte ist wieder eröffnet. Wort hat der Abg. Ledebour.

Abg. Ledebour (Soz.):

Das

In der wieder eröffneten Debatte habe ich mir das Wort erbeten, um entschieden Verwahrung dagegen einzulegen, daß einer der Milttärbevoll mächtigten sich erlaubt, einem Abgeordneten Vorhaltungen darüber zu machen, und zwar in einer Form, die den Anschein eiwecken mußte, als ob ihm dadurch eine moralische Minderwertigkeit be—⸗ zeugt werden sollte, daß er auf irgend einer Seite des Hauses und nicht bei seiner eigenen Partei Beifall erhalten hat. Das geht den bayerischen Bundesratsbevollmächtigten gar nichts an. Und ich sollte glauben, daß auf allen Seiten diefes Hauses, bei allen Parteien so viel Selhstgefühl bei den Herren als Volksvertreter vorhanden wäre, daß sie mir da zustimmen müßten.

Baycrischer Generalmajor Wenninger: Das habe ich nicht als Bundesratsbevollmächtigter getan, aber als bamherischer Offizier... (Lebhafte Unruhe, in der die weiteren Ausführungen unverständlich bleiben.)

Abg. Dr. Frank (Soz.): Die erneute Erklärung des bayerischen Bevollmächtigten ist die beste Illustration dessen, was heute ver⸗ schiedentlich gesaat wurde über die Anmaßung milttärischer Kreise, über ihre Cinmischung in das bürgerliche Leben, die auch nicht davor zurückschreckt, das Parlament heimzusuchen. Wenn die Bemerkung einen Sinn haben sollte, so konnte es nur der sein, daß dem Abg Häusler in seiner Eigenschaft als Mitglied des Heeres außerhalb dieses Hauses Schwierigkeiten gemacht werden sollten, und wenn das nicht der Fall war, dann ist der Sinn wenigstens der, daß man ihn in den Kreisen der Berufekollegen herabsetzen will. Ich weise diesen Versuch, in die Selbstbestimmung des Parlaments einzugreifen, auf das energischste zurück und erwarte von dem Selbstbewußtsein aller Parteien, daß sie sich unserem Protest anschließen.

Die Wehrvorlagen werden an die Budgetkommission ver⸗ wiesen.

Es folgt die erste Beratung der Deckung svorlagen.

Staatssekretär des Reichsschatzamts Kühn:

Meine Herren! In der Tageßordnung, die uns seit Beginn dieser Woche vorliegt, gelangen wir nunmehr zu dem zweiten Teil, der sich mit der Aufbringung der Kosten befaßt. Ich werde Ihnen sachliche und zum Teil wohl auch nach Ihrer Auffassung trockene Aus führungen machen müssen, das läßt sich aber nicht ändern, das liegt in dem Gegenstande begründet. (Andauernde große Unruhe) Es wäre mir lieb, wenn ich etwas mehr Gehör fände. (Glocke des Präsidenten.)

Die Ausführungen, die ich zu machen habe, bieten, wie ich eben schon hervorhob, durchaus keinen Anlaß, die Unruhe des Hauses zu provozieren. Wie Sie wissen, sieht sich die Reichefinanzverwaltung infolge der Anforderungen der neuen Heeresvorlage, die nach dem Ergebnis der dreitägigen Debatte auch von der Mehrheit des Hauseg, teils in größerem, teils in geringerem Umfange, gebilligt werden, einer Aufgabe gegenüber, wie sie ihr in dieser Schwere, seit das Reich steht, nicht gestellt worden ist. (Sehr richtig! Üinks) Auch die umfangreichste der Heeresborlagen der letzten 40 Jahre er⸗ forderte bei den fortlaufenden Aufgaben nur einen Bruchteil von dem