1913 / 90 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 16 Apr 1913 18:00:01 GMT) scan diff

Klasse die erste Klasse ausschließlich und der Mittelstand die zweite Klasse beherrschen soll. Vie große Measse des Volkes, die arbeitende Klasse, soll nach wie vor eantrechtet bleiben. Darauf können wir uns natürlich unter keinen Umständen einlassen. Der französische Sozialist in Magdeburg war Gast des deutschen Volkes, der Gast der Arbeiter. Man hätte inn deshalb respektieren sollen. Er hatte lediglich die Absicht, hier in Deutschland aufklärend zu wirken über die Friedfertigk it des französischen Volks. Es ist unbegreiflich, wie die Polijsei diesen Leuten das Reden verbieten konnte, dadurch wird der Chauoinismus in Deutschland und Frankreich nur gefördert. Die Rede des Ministers des Innern war inhaltlos, aber nicht die unsrigen, denn er hat die substantiierten Behauptungen unserer Redner keines wegs widerlegt. sondern nur allgemeine Redewendungen dagegen an— geführt. Daß sich auch die ausläudischen Arbeiter bei uns nicht wohl⸗ fählen, beweint die Tatsache, daß sie sich der Sozialdemokratie anschließen. Es ist nicht zu verst hen, wie der Minister sagen kann: den Arbeitern geht es gar nicht so schlimm. Dies erklärt sich nur daraus, daß die Migister die Angest-llten der besitzenden Klasse sind. Das Volk will nicht regiert und beherrscht werden, sondern will sich selbst regieren, deshalb verlangt es das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht.

Abg. Herold (Zentr.): Der Kampf gegen die Sozialdemokratie wird außerhalb dieses Hauses zu führen sein, und dabei werden meine Freunde ihren Mann stehen. Wir erstreben mit aller Energie eine gründliche Reform des Wahlrechts, aber um Verbesserungen auf der einen Seite willen wollen wir nicht Verschlechterungen nach der anderen Seite in Kauf nehmen. Eine solche Verschlechterung liegt in der Forderung der Nationalliberalen, die Drittelung in den Ur⸗ wahlbezirken zu beseitigen Das ist eine Verstärkung des pluto⸗ kratischen Charakters des Wahlrechts, dadurch verhindern die National⸗ liberalen de Reform des Wahlrechts.

Abg. Lippmann (Fortschr. Volksp.): Bei allem Respekt vor dem Recht, das die Auslänzer auch im Inlande genießen, können wir ihnen nicht zugestehen, sich in unsere inneren Angelegenheiten zu mischen. Die Abg. Leinert und Siröbel betonen die Friedferligkeit der französischen Nation in einem Augenblick, wo harmlose deutsche Bürger in Nancy mißhandelt worden sino! Wenn unsere Sozialdemokraten im Bunde mit den französischen jeden Krieg verhindern wollen, werden sie ins Gefängnis oder Irrenhaus gesperrt werden. (Zwischenruf bei den Sozialdemokraten.) Vielleicht werden sie dabei von einem französischen Sozialdemokraten tot⸗ geschosser. Die Sozialdemokraten treiben hier geradezu Terrorismus, wenn sie mit persönlicher Herabsetzung kämpfen. Es ist nicht an⸗ genehm, sich hier öffentlich beleidigen zu lassen, das fördert nicht die Geschäfte und verletzt den parlamentgrischen Anstand. (Abg. Hoff— mann: Wie Ihre Zwischenrufe!) Der Abg Hoffmann beschwert sich über meine Zwischenrufe. Quis tulerit Gracchos de seditione querentes! Daß ich reaktionär sei, ijt eine der ozialdemokratischen Uebertreibungen. Wir sind aufrechte Wählrechtsfreunde und kämpfen für die Wahl⸗ rechtsreform nach der kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung. Natürlich folgen wir darin nicht den Formen der Sozialdemokratie; durch verletzende und verhetzende Ausdrucksweise können die Ver— handlungen nicht gefördert werden. Wenn die Sozialdemokraten draußen nur Fanfaren blasen wollen, so werden ihnen auch die Trompeten von Jericho nicht helfen. Wir wollen in ehrlicher, aus⸗ dauernder A beit für die Wahlreform kämpfen.

Abg. Dr. Friedberg (nl): Die Brütelung im Urwahlbezirk steht in W derspruch mit dem ganzen Wahlrecht, denn es hringt die Verschiedenheit des Wahlrechts in derselben Gemeinde mit sich Wic haben andere Maßregeln vorgeschlagen, um die plutokratische Wirkung des Wahlrechts abzuschwächen. Ich mache dem Abg. Herold keinen PBVorwurf daraus, daß er die Drittelung in Urwahlbezirke von seinem Standpunkt festhält, aber ich mache ihm daraus einen Vor⸗ wurf, daß er mit Hilfe der Konservativen die Abschaffung der indirekten

Wahl verhindert hat. Daß der Abg. Hoffmann sich über die Unter⸗

hrechung des Abg Lippmann beschwerte, war der beste Witz, den

SBDoff mann je gemacht hat.

Auf Antrag des Abg. von Pappenheim (kons.) wird die Debatte geschlossen. Auf der Rednerliste steht noch der Abg. Leinert.

Persönlich bemerkt

Abg. Hoffmann (Soz.): Meine Reden sind nicht ennstudiert und frisiert, ich spreche, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Der Abg Friedberg benutzt die Worte, um die Gedanken zu verbergen; deshalb müssen wir mit Zwischenrufen nachbelfen. Meine Witze passe ich immer dem Objekt an, um das es sich handelt. Ist das Objekt schlecht, so ist mein Witz schlecht. Der Abg. Friedberg sagt, ich hätte den besten Witz gemacht, als ich mich über den Zwischen ruf des Abg. Lippmann beschwerte. Als der Abg. Ströbel während der Rede des Abg. Dr. Friedberg zwischenrief, er möchte doch keine Faufaren blasen, rief der Abg. Lppmann: Von hinten!“

Abg. Dr. Friedberg (nl): Der Abg. Hoffmann hat mit seiner Bemerkung, wenn das Objett schlecht sei, sei sein Witz schlöcht, eine Anleihe bei Talleyrand, dem Vertreter der hocharistokrat schen Staateverfassung gemacht. Danach muß ich doch annehmen, daß sein Genius in Eischöpfung begriffen ist.

Abg. Hoffmann (Soz) Wenn ich dem Abg. Friedberg gegenüberstehe, kann ich unmöglich an den Genius von Talleyrand gedacht haben.

Bei der Spezialberatung wird eine Reihe klesnerer Etats ohne Debatte genehmigt.

Beim Etat des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten bemerkt

Abg. Johannssen lfreikons): Im Einverständnis mit meinen Freunden habe ich in bezug auf die Verhältnisse in Nordschles wig solgendes zu erklären: Der Optantenvertrag vom 11. Januar 1907 legte der dänischn Regierung die Verpflichtung auf, ihrerseits alles zu tun, u die Beunruhigung der noroöschleswigschen Be⸗ völkerung durch bänische Agitation zu beseitigen. Trotzdem be⸗ teiligen sich an dieser Agitation bis in die neueste Zeit hinein aklive däische Beamte, sogar auch Offiziere sowie die dem däniscen Ministerium nahestehende Presse. Wir erwarten, 3 die Königliche Staatsregierung die dänische Seaatsregierung auf diese Tatsache aufmerksam macht und ihre Unterlassung verlangt. Inbeireff der Staatenlosen in Nordschleswig sprechen wir die Erwarlung aus, daß bei der geplanten Neuregelung nicht wieder wie beim Optantenvertrag verfahren wird, der 6000 Per— sonen das Recht der preußischen Staatsangehörigkeit mit dem Erfolg gab, daß diese Optanten nun offen in das dänische Lager übergingen. Wir würden die heste und einfachste Regelung der Frage darin sehen, daß der dänische Staat seinem Gesetz vom 15. März 1898 über die Staatsangehörigkeit rückwirkende Kraft gäbe. Wir erblicken in der ganzen Entwicklung der nordschleswigschen nationalen Verhältnisse cinen Gegenstand, der die größte Aufmerksamkeit und die feste, ziel⸗ hewußte Politik unserer Regierung verlangt, und wir erwarten, daß sich die Königlich Staatsregierung nicht durch Rücksichten irgend—⸗ welcher Art beeinflussen läßt bei der Erreichung des Endziels: der Stärkung des Deutschtums in der Nordmatk.

Beim Etat der Forst verwaltung bemerkt

Abg. Weis sermel (kons): Die Etatsfonds für Forstankäufe reichen nicht aus. Der Fonds von 1,5 Million für das jz be⸗ gonnene Etatsjahr ist bereits verausgabt oder belegt. Ankäufe von Forstgrundstücken wie überhaupt von Grundstücken, vollziehen sich nicht so einfach wie ein Kauf bei Wertheim oder Tietz, sondern es muß erst das Katastermaterial beschafft werden, Vermessungen, Tarn usw. festgestellt werden. Sind endlich alle Verhältnisse geregelt, dann ist schon zu Anfang des Jahres kein Geld mehr für die Ankäufe da, diese müssen eventuell auf Jahre zurück enellt werden. Deshalb müssen mehr Mittel für die Forstankäufe zur Verfügung gestellt werden. Allerdings kann die Finanzverwaltung sagen, daß im Laufe des Jahres noch aus . Mittel für Ankäufe gewonnen werden können; die Verhandlungen mit dem Zweckverband über den

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Verkauf des Grunewalds sind aber ins Stocken geraten, und wenn die Forstverwaltung noch irgendwo Stäcke des Grunewalds verkauft erhebt sich ein Sturm der Entrüstung. Eine ganze Reihe von Interessenten

kein Geld vorhanden ist. im nächsten Et t der Forstverwaltung für Ankäufe bestimmte Summen zur Verfugung zu stellen, mit denen sie rechnen und haushalten kann.

Abg. Dr. Schrsder⸗Cassel (nl) wünscht Verbesserung der Wegezeichen im Walde und Milderung des Rauchverbots für die Forstverwaltung.

Zum Etat der landwirtschaftlichen Ver⸗ waltung liegt der Antrag des Abg. von Kessel (kons.) vor, im nächsten Etat 150 000 6 mehr für den Obst— und Gemüsebau auszuwerfen.

Abg. Krieg e⸗Bentheim (freikons.) bittet um möglichste Be⸗ schleunigung der Regulierung der Vechte sowie einiger anderer Kanäle im Keeise Bentheim und um Gewährung größerer Selbständigkeit an die Kreise bei Bebandlung der inneren Kolonisation.

Abg. Dr. Gaigalat (kons.) wünscht eine bessere Chausseever⸗ bindung von Heydektug nach Kinten über das fiskalische Augstumalmoor. Abg. Fisch beck (fortschr. Volksp.) bittet um Unterstützung der Kreise Goldberg, Schönau, Hi schberg Haynau, welche im vorigen Fahre von Hochwasserschäden betroffen worden sind. Des weiteren beklagt sich der Redner darüber, daß eine Polizeiverordnung, betreffend die Beseitigung verstorbener Tiere im Politzeibezirk Schöneberg, nicht befolgt wird. Ferner beklast sich der Redner über angebliche Ueberschreitungen der Amtshefugnisse seitens des Landrats in Meseritz gegenüber den Gemeinde⸗ vorstehern bei der Verpachtung von Jagden. Zum Schluß wünscht der Redner die Erhöhung der Fonds zur Förderung des Obstbaues, sowie einheitliche Festsetzung der Termine für den Beginn und Schluß der Schonzeit.

Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Frei⸗ herr von Schorlemer:

Es ist eine bekannte Tatsache, daß die Jagd zu denjenigen Dingen gehört, die selbst die besten Freunde auseinander bringen, und von diesem Gesichtspunkt aus ist es wohl erklärlich, daß auch im Kreise Meseritz anläßlich der Jagdverpachtungen die Gemüter sehr heftig aufeinandergeplatzt sind. Ich habe nun aufrichtiges Mitleid mit den Jagdpächtern von Berlin und Hamburg (Heiterkeit), die trotz aller Anstrengungen und trotz des festlichen Gelages, das sie in Meseritz ver⸗ anstaltet haben, schlleßlich doch nicht in den Besitz der Jagd gelangt sind. Aber seitens der landwirtschaftlichen Verwaltung kann unmöglich ein anderes Ergebnis der Jagdverpachtung herbeigeführt werden. Mein Referent ist in der Lage, noch nähere Mitteilungen über die von dem Heren Abgeordneten, soweit ich habe übersehen können, richtig vorgetragenen Ereignisse (hört, hört! bei der fortschr. Volksp.) zu machen.

Ich möchte mich nur auf die Bemerkung beschränken, daß ich glaube, das Verfahren des Landrats von M sserltz in dieser Angelegen⸗ heit auch nicht billigen zu können (hört, hört! bei der fortschrittlich n Volkspartei), daß ich auch gern bereit bin, im allgemeinen auf die Landräte dahin einzuwirken, daß bei Verpacht ing von Jagden den verpachtenden Gemeindevorstehern frele Hand gelassen wird, soweit nicht das Gesetz eine Mitwirkung des Landrats und des Kreis— ausschusses vorsieht. (Sehr gut! bei der fortschrittlichen Volkspartei) Aber darüber dürfen Sie sich nicht täuschen: ebenso oft wie über die Willkür des Landrats geklagt wird, wird auch jetzt üher die Willkür des Gemein devorstehers, der Jagden verpachtet, geklagt. (Sehr richtig! rechts) Ich könnte dem Herrn Vorredner zahlreiche Fälle anführen, bei welchen nach dem von ihm gemißbilligten Landrat gerufen und der Wunsch ausgesprochen wurde, daß der Landrat an Stelle des Ge⸗ meindevorstehers die Jagdverpachtung in die Hand nehmen möge.

Der Herr Vorredner hat sich sodann mit den Hochwasserschäden beschäftigt, die im vorigen Jahre im Kreise Goldberg⸗Haynau und außerdem übrigens auch in den Kreisen Schönau, Hirschberg und Lauban eingetreten sind. Es handelt sich im wesentlichen um Aus— uferung der Schnellen Deichsa, eines Nebenflusses der Katzbach, und des Zippelbachs, eines Nebenflasses des Bobers, infolge von Wolken— brüchen, die im Juni 1912 nledergegangen sind. Nach den amt⸗ lichen Feststellungen bestehen die Schäden in der Haupt— sache in der Abschwemmung von Wegen, in der Be— schädigung und Zeistörung von Stegen und Brücken sowie in beträchtlichen Uferabbrüchen; dagegen sind landwirtschaftliche Grundstücke im allgemeinen weniger beschädigt worden. Die Be⸗ hörden haben sofort alle nötigen Feststellungen getroffen, um die geboten erscheinende Hilfe zu gewähren. Richtig ist es, daß einige Einwohner, hauptsächlich drei, größere Schäden erlitten haben. Es ist diesen auch Hilfe zuteil geworden, indem ihnen aus Kreis- und Ptovinzialmitteln Beihllfen gewährt worden sind. Im übrigen hat aber eine amtliche Bereisung der geschädigten Gebiete unmittelbar nach dem Hochwasser ergeben, daß es sich in keinem Falle um einen Notstand und auch abgesehen vielleicht von den drel Einzel⸗ fällen nicht um Schäden handelt, die geeignet wären, die Be⸗ troffenen in ihrem Haus⸗ und Nahrungsstande zu gefährden. Infolge⸗ dessen kann auch von einer allgemeinen staatlichen Hilfsaktion im vorliegenden Falle nicht die Rede sein. Soweit es sich um die Wiederherstellung von Brücken und Wegen handelt, die im Besitze der Provinzialverwaltung waren, hat letztere, soweit die Kreise be⸗ teiligt waren, haben diese die erforderlichen Kosten getragen. Bei Wegen und Einrichtungen, deren Unterhaltung den Gemeinden obliegt, ist den Gemeinden, die nicht hinreichend leistungsfähig waren, aus Kreis, und Provinzialmitteln eine Beihilfe gewährt worden. Ich möchte daher glauben, daß das Erforderliche behördlicherselts geschehen ist.

Meine Herren, was sodann den Antrag auf Erhöhung des Titels ? im Kapitel 107 betrifft, so habe ich schon bei früherer Verhandlung erklärt, daß die Staatsregterung gern bereit ist, die Frage zu prüfen, inwieweit eine Erhöhung dieser Mittel angezeigt sei und dementsprechende Vorschläge im nächsten Etat zu machen. Ich glaube, für die landwirtschaftliche Verwaltung in Anspruch nehmen zu können, daß sie schon selt Jahren bemüht ist, in den ein— zelnen Provinzen mit Hilfe der Landwirtschaftskammern und der Kom— munalverbände den Ob stbau nach Mögllchkeit zu fördern. Aber die Förderung des Obstbaues ist eine Angelegenheit, die nicht von heute auf morgen erledigt werden kann; es gehört dazu auch eine ent— sprechende Schulung und Unterweisung der Bevölkerung in ländlichen Bezirken, und ich spreche nicht ohne Grund die Befürchtung aus, daß die Bereitstellung allzu erheblicher Staatsmittel in einem Jahre leicht zur Vergeudung der Mittel verleiten könnte, die im Laufe der Jahre besser und zweckmäßiger angewendet werden könnten. Sie dürfen auch eines nicht außer Acht lassen: daß wir in einem Klima leben, das nicht überall dem Obstbau günstig ist. (Sehr richtig rechtg.) Gerade die Greignisse der letzten Tage haben wiederum be⸗ wiesen, welchen Gefahren der Ertrag des Obstbaues bei uns ausgesetz t

ist; der Frostschaden, welcher in den letzten Tagen eingetreten ist, wirkt auf die Bevölkerung, welche sich bisher mit dem Obstbau befaßt hat,

wird dadurch geschädigt, daß schon beim Beginn des Etatejabret geradezu entmutigend und hält manche, die sich dem Qbstbau zuwenden ; Ich blite deshalb die Finanzverwaltung,

möchten, davon ab. Hier heißt es ganz richtig: Eile mit Weile! Sie dürfen aber überzeugt sein, daß die Staatsregierung alle Be— strebungen zur Förderung des Obstbaues nach Möglichkeit zu unter. stützen bereit ist.

Wag sodann die Frage der Beseitigung der gefallenen Tiere in den Bezirken Berlin und Schöneberg angeht, so hatte der Herr Abg. Fischbeck bereits vor einigen Tagen in meinem Ministerium Mitteilung davon gemacht, daß er diese Angelegenheit besprechen würde. Wir sind bei der Kürze der Zeit nicht in der Lage gewesen, andere wie bloß mündliche und außeramtliche Auskunft ein—⸗ zuziehen. Aus dieser Auskunft ergibt sich allerdings, daß die in Frage stehende Polizeiverordnung erlassen worden ist. Wir werden in eine Prüfung der Frage eintreten, aus welchen Gründen diese Polizei⸗ verordnung erlassen ist und ob ihre Aufrechterhaltung gerechtfertigt ist. Ich möchte dabei nicht unterlassen, hervorzuheben, daß die von der Stadt Berlin eingerichtete Abdeckerei bei Bernau als durchaus mustergültig bezeichnet werden kann, und daß ich nur wünschen kann, daß sie auch entsprechende Benutzung findet!

Ich möchte noch mit wenigen Worten auf eine weitere Klage des Herrn Abgeordneten Fischbeck eingehen, die sich mit der Festsetzung der Termine für den Beginn und Schluß der Schonzeit befaßt. In dieser Sache haben, wie bekannt, die Bezirksausschüsse freie Hand, und die vorgesetzten Behörden sind nicht in der Lage, eine Aenderung der Entschließungen des Bezirks— ausschusses herbeizuführen. Es ist aber schon seit Jahren über den Mißstand Klage geführt, daß in benachbarten und in ihren Verhält— nissen gleichartigen Bezirken die Schonzeiten verschieden festgesetzt worden sind. Aus diesem Grunde ist an die Oberpräsidenten ein Erlaß ergangen, in dem sie ersucht worden sind, auf die Bezirks— ausschüsse benachbarter Regierungsbezirke dahin einzuwirken, daß sie in ihren Bestimmungen über Beginn und Schluß der Schonzeit Ueber— einstimmung herbeizuführen suchen. Seltdem dieser Erlaß ergangen ist es sind schon mehrere Jahre her —, sind uns Klagen über Festsetzung der Schonzeiten durch die Bezirksausschüsse nicht zu— gegangen. Ich glaube nicht, daß seitens der Landwirtschaftlichen Ver⸗ waltung mehr in dieser Beziehung augenblicklich veranlaßt werden kann.

Und nun noch ein kurzes Wort zu den Ausführungen des Herrn Abg. Kriege. Ich hatte schon vor einigen Tagen in der Kommission dieses Hauses, welche sich mit der Vorberatung des Gesetzes über die Bereitstellung weiterer Staatsmittel zur Förderung der Oedlandkultur und der inneren Kolonisation befaßte, Gelegenheit, über die Tätigkeit der großen Besiedlungs⸗ gesellschaften, der kleinen Siedlungsgenossenschaften und auch der Kreiskommunalverbände zu sprechen. Ich glaube, daß mir die Be— ratung dieses Gesetzes im Plenum dieses hohen Hauses noch Anlaß bieten wird, auf diese Angelegenheit zurückzuhsommen. Für heute möchte ich nur bemerken, daß die Staatsregierung an der Ansicht festzuhalten gewillt ist, daß die Besiedlung der Oedländereien Sache der Kreise, der Gemeinden und der zu diesem Zweck gebildeten Ge— sellschaften bleiben muß, und daß der Staat sich selbst zum Träger der Besiedlung nicht machen soll. Dabei ist es selbstverständlich, daß denjenigen, welche sich mit der Besiedlung befassen, auch die er— forderlichen Staatsbeihilfen zur Verfügung gestellt werden, den provinziellen Bestedlungsgesellschaften dadurch, daß der Staat sich mit Stammanteilen an ihnen beteiligt, den Kleinbesiedlungsgesellschaften durch die Prämien, welche ihnen für jede Besiedlung gewährt werden. Der Herr Finanzminister hat sich bereit erklärt, mit mir die Frage zu prüfen, ob eine Erhöhung der letzt— gedachten Beihilfen angezeigt erscheint. Ich glaube, daß auch die kleinen Besiedlungegesellschaften ebenso wie die Kreise darauf rechnen können, in ihrem anerkennenswerten Bestreben zur weiteren Kultur und Besiedlung der Oedländereien auch staatlicherseits die nötige Unterstützung zu finden. (Bravo!)

Ich möchte bei dieser Gelegenheit, da sich mir ein anderer Anlaß nicht mehr bietet, noch auf eine Aeußerung zurückkommen, die der Herr Abg. Leinert bei der zweiten Lesung des Domänen— etats am 29. Januar 1913 bezüglich des verstorbenen Pächters der Domäne Ruthe im Kreise Hildesheim gemacht hat. Ich darf die Außerung des Herrn Abg. Leinert sie ist nicht sehr lang wohl zunächst verlesen:

„Der Pächter der Domäne Ruthe bei Saarstedt im Kreise Hildesheim hatte die Domäne zu einem Preise von 45 000 ( gehabt und er war dabei zu einem Einkommen von 2700 S ver⸗— anlagt; später wurde die Domäne neu verpachtet, und da zahlte der bisherige Pächter statt 45 000 45 67 000 ½6. Wenn er nur 2700 A Einkommen, das in letzter Zeit bis auf 3300 M heraufgebracht worden ist, hat, dann wäre er ja gar nicht in der Lage, pro Jahr 22 000 ½ Pacht mehr zu zahlen. Aber die Herren verstehen es ja, nach jeder Seite hin ihr Einkommen möglichst gering zu d. klarleren, und wenn ihre Einkommensquelle in Gefahr gerät, dann sind sie natürlich auch in der Lage, bedeutend mehr Pacht zu zahlen.“

Diese Angaben des Herrn Abg. Leinert haben mich veranlaßt, folgendes festzustellen: In der letzten Pachtperiode von 1887 bis 1905 betrug der Jahrespachtpreis der Domäne Ruthe 57 585 S und nicht, wie Herr Leinert gesagt hat, 45 000 M. Der Pachtpreis für die neue Periode von 1905 bis 1923 beträgt 60 050 M und nicht, / wie Herr Leinert gesagt hat, 67 000 Æ; der Unterschied zwischen der früheren und der neuen Pacht beträgt daher nur 2465 Æ und nicht, wie Herr Leinert gesagt hat, 22 000 S. (Lachen rechts.) Der Pächter von Ruthe hat seit dem Jahre 1892 so weit läßt sich seine Einkommensteuerveranlagung feststellen bis zum Ende der vorigen Pachtperiode 1905 jährlich ein Durchschnittseinkommen von 12316 (6 versteuert, und in keinem einzigen Jahre ist das versteuerte Einkommen auf die Summe von 2700 ½ gesunken. Ich kann hier⸗ nach feststellen, daß alle ziffernmäßigen Angaben des Abg. Leinert falsch waren. Ich überlasse es dem hohen Hause, aus diesen meinen Mitteilungen die Schlußfolgerungen zu ziehen. (Lebhaftes Bravo! rechts.)

Abg. von Kessel (kons): Ich kann nur meiner Entrüstung darüber Ausdruck geben, daß die Sozialdemokraten gegen unbescholtene Männer in dieser Weise vorgehen. Ich bitte den Minister, meinem Antrag gemäß 150 0990 ½ mehr in den nächsten Gtat zur Förderung des Obst⸗ und Gemüsebaueg einstellen zu wollen. Der Abg. Delius hatte bei der zweiten Etatsberatung bert g An riffe gegen die Fidei⸗

n

kommisse gerichtet, und obwohl feine Angaben hierüber unrichti waren bezw. auf falschem Material beruhten, hat er bis heute no

kein n Anlaß genommen, sie zurückzunehmen. Dieser Fall zeigt, wie die Großgrundbesitzer augenblicklich wieder einmal angegriffen werden. Statt daß man besnebt ist, friedenheit auf dm Lande zu schaffen, betzt man die Kleinen Grundbefitzer gegen die großen auf. Ganz hesond ers gibt de Tuerung dazu Anlaß Man gibt sich nicht die Mühe die Ursachen der Teuerung zu unterruchen sondera setzt sie einfach auf das Schuldkonto des Landwirts. Deiartige unbegründete B öhauptungen finden sich zu unserem Bedauern in allen liberalen eitungen. Selost die Wehrvorlage und die W hrsteuern haben dem lbg. Gothein Gelegenbeit gegeben, scharfe Angriffe gegen die Agrarier zu richten Daß die landwirschaftlichen Erzeugnisse augen⸗ blicklich so teuer sind, liegt an den Verhältnissen eines sich schnell entwickelnden Kulturstaates. Daß die Zwischenhandler höhere Preise nehmen, kann man ihnen nicht verdenken. Die Anforderungen, die heutzutage an die Gewerbetreibenden gestellt werden, sind in den letzten Jahren ganz außerordentlich gestiegen. Ich halte es für richtig, daß man gegen die Bickereien, in denen Unsauherkeit herrscht, vorgeht. Für die Landwirtschaft sind in den letzsen Jahren Lasten entstanden, von Lenen sich ein Landwirt vor 10 Jahren noch nichts träumen ließ. Was wissen die Herren in der Stadt von den sozialen Lasten der Landwirte? Was wissen die Herren von den Schulabgaben, die von Jahr zu Jahr in erheblicher Weise steigen? Auch bei den Arbekltslöhnen ist in den letzen Zeiten eine Erhöhung eingetreten. Lgrüber kenn kein Zweifel bestehen, daß bei diesen Ver⸗ hältnissen der Landwirt icht ohne Sorgen in die Zukunft sieht, und daß zu fürchten ist, daß eine normale Wirtschaft eine einigermaßen genügende Rente nicht mehr abwirft. Ich halte es für außerordent⸗ lich bedauerlich, daß nun, nachdem die schweren Kämpfe der letzten Reichstagswahlen vorüber sind, noch immer keine Ruhe eingetreten ist; und daß man in dieser schrecklichen und abscheulichen Weise ver— sucht, Volksgenossen gegen Volksgenossen aufzuhetzen.

Abg Leinert (Soz.): Der Minister hat gesagt, daß meine Angaben über die Domänen nicht richtig gewesen sind. Wenn dies taisächlich der Fall sein sollte, werde ich meine Ausführungen hierüber natürlich zurücknehmen., (Lachen rechts.) Ich verstehe nicht, wieso Sie dies lächerlich finden, ritterlicher könnten Ste auch nicht handeln. Dte sozialen Lasten der Landwirtschaft sind nicht so erheblich. Die Industrie redet auch immer von ihren großen sozialen Lasten, und nicht ein Wort davon ist wahr. Bis jetzt ist noch nicht der Nachweis erbracht worden, daß ein landwittschaftlicher Betrieb unter den so talen Lasten zusammengebrochen wäre. Wie Sie Ihre sozialen Pflichten erfüllen, sieht man am besten bei der Unfalloe sicherung. Ez ist geradezu ein Skandal, wie zu Schaden gekommene Landarbeiter abgespeist werden.

Abg, Dr. Be cker-Siegkreis (Zentr.): Ich glaube dem Vorredner, daß die Sozialdemokratie auf dem Lande auch gern Fuß fassen möchte, aber Ihre Bestrebungen werden keinen Erfolg haben. Der Abg. Leinert hat kein Verständnis für ländliche Verhältnisse, das geht klar aus seinen Ausführungen hervor. Abg. Leinert, haben Sie schon je etwas gehört von Krankenkassen, Unfall-“, Invaliden usw. Versicherung auf dem Lande? Sie haben ja gar keine Ahnung davon. Sie sprechen immer davon, daß die landwirtschaftlichen Betriebe ihre Arbeiter ausbeuten. In einem dem früheren Abgeordneten Singer nahestebenden Beiriebe wurde gesagt, wenn die Arbeiterinnen mehr Lohn haben wollten, könnten sie ja auf die Straße gehen. (Abg. Hirsch (Soz): Gemeine Verdächtigung! Präsident Dr. Graf von Schwerin: Ich lufe Sie wegen dieses Ausspruches zur Ordnung)) Der Redner bespricht ferner die Schwierigkeiten bei der Jagdoerpachtung in einem Spezialfall und regt eine Aenderung des Jagdg setzes dahin an, daß bei dem Verfahren vor dem Kreisausschuß beiden Parteien die Möglichkeit gegeben werde, die Sache vorzutragen.

Ein Regierungskommissar erwidert, daß der Spezial⸗ fall das Minijsterlum noch nicht beschäftigt habe, da eine Beschwerde noch nicht eingegangen sei, daß aber Lem Kreisausschuß kein Vorwurf C macht werden könne, da nach dem Gesetz die Weiterverpachtung einer Jigd nur mit Zustimmung des Kreisausschusses zulässig sei. Dem Jagdvorsteher sei auch kein Vorwurf zu machen, da er die Jagd aus⸗ geboten und den Gemeindevorstand befragt habe.

Abg. Dr. Mug dan fortichr. Volksp.): Wir wissen, daß neben der blühenden Industrle auch die Landwirtschaft blühen muß, aber wir bekämpfen die in der konservativen Partei vertretene Richtung, welche sich den notwendigen Reformen in der Landwirtschaft wider⸗ setzt. Der Bund der Landwirte hat dahin gewirkt, daß bei der Be⸗ lastung mit den sozialen Lasten der Großgrundbesitz bevorzugt ist. Die Krankenversich«rung auf dem Lande wäre leichter zu tragen, wenn sie vom Großbesitz, mittleren und kleinen Besitz gemeinsam ge⸗ tragen würde, aber die Konservativen haben es im Reichstag durch— gesetzt, daß in der Landwirtschaft von dem Großgrundbesitz betriebene Krankenkassen errichtet werden können. Ich behaupte nicht, daß der Großgrundbesitz dadurch materielle Vorteile hat, aber durch den Aus— tritt des Großbesitz s aus der Krankenversicherung hat der übrige Grund⸗ besitz schwerer an den Lasten dafür zu tragen Es ist für den Besitzer bequemer, die Versicherung bei sich selbst durchzuführen, statt immer mit der Krankenkasse abrechnen zu müssen. Der Großgrundbesitz im Osten wird von der Befugnis zur Errichtung von Betriebskrankenkassen reichlichen Gebrauch machen, und dadurch wird der übrige Besitz mehr belastet. Wir bekämpfen nicht die Landwirtschaft, sondern den Bund der Landwirte, wir behaupten, daß der Bund der Landwirte der Land⸗ wirtschaft schadet. Daß der Großgrundbesitz verschwinde, verlangen wir keineswegtz. In allen Vertretungen der Landwirischaft, dem Bund der Landwirte, den Kreisausschüssen usw. hat der kleine Grundbesitz überhaupt nichts zu sagen, der Liberalismus steht der Landwirschaft nicht feindlich, sondern freundlich gegenüber, viel freundlicher als Sie. Sie suchen nur die Vorteile für den Großgrundbesitz in der Gesetz. gebung Wir werden schließlich den größeren Teil der Landwirtschaft auf unserec Seite haben.

Abg. Dr. Roesicke (B. d. L.): Solche Reden zeigen, daß die Wahlen nahe vor der Tür stehen. Wenn ich bloß das sagen wollte, waz noch niemals ein anderer gesagt hat, so werden Sie es oft nicht verstehen, denn im allgemeinen versteht man leichter, was schon wiederholt gesagt ist (3vischenruf des Abg. Ho ff⸗ mann). Wenn ich von mir schließe, so habe ich das Richtige ge⸗ troffen, Abg. Hoff mann, denn Sie bestätigen es mir. Der Vor⸗ redner hat eine Wahltede gehalten und die alten Töne angeschlagen, die ihm geläufig sind. Die Herren Freisinnigen und Sozialdemokraten konstruieren immer einen Gegensatz zwisch'n Großbesitz und Kleinbesitz und werfen uns vor, daß wir nicht, für den Klein⸗ besitz tätig seien. Wir werden sie von der Unwahrheit dieser Be⸗ bauptung nicht überzeugen, aber in der Landwirtschaft besteht bis zum kleinsten Teil hinein das Verständnis dafür, daß nur in der Zusammen⸗ fassung der Landwirtschaft von Großgrundbesitz bis zum Kleinbesitz die Möglichkeit liegt, von der Gesetzgehung richtig hehandelt zu werden und sich ihr Recht zu schaffen. (Zwischenrufe bei den Sozialdemo⸗ kraten. Ganz richtig, Calwer! Ich glaube, Sie haben ihn raus— gesetzt. (Zwischenruf bei den Sozialdemokraten: Wenn Sie den nicht hätten! Sie haben das Beste, was Sie hatten, rausgesetzt. Herr Calwer meint, es sei eine große Torheit, die Bauern so dumm einzuschäßen, daß sie nicht erkennen sollten, daß der Bund der Landwitte, für sie Großes geleistet habe, und daß er nicht nur für den Großgrundbesitz wirke. Der Abg. Mugdan meint, daß seine Freunde eigentlich diejenigen seien, die der Landwirtschaft alles Gute gönnen. Als es sich aber darum handelte, das Vieh des kleinen Besitzers vor den Seuchen des Auslandes zu schützen, da waren die Freisinnigen nicht zu haben; im Gegenteil, wenn fich darum handelt, kommt das Geschret, von der Fleischteuerung, und der kleine Besitzer kann sehen, wo er hleibt, hei den Freisinnigen findet er keine Unterstützung. Wenn man so im Glaghause fitzt, soll man nicht mit Steinen werfen. Nirgends ist der Bund der Landwirte nur für den Großgrundbesitz eingetreten, sondern immer dafür, ö. der kleine Besitz genau in derselben Weise ja sogar noch mehr beröcksichtigt werde als der große Besitz Daß der er r lh, Besig in den Seibstverwaltungskörpern nicht ge. nligend vertreten sel, ist auch unrichtig. Ist er denn micht . den KRreigtagen genau ebenso berückfichtigt? Ich will Ihnen . reise nennen, wo der Großgrundbesitz auf sein Necht, im Kreistag zu sitzen, verzichtet Und den? Sitz dem kleinen Grundbesitz

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welche auf diese Weise von den Arbeitgebern für die landwirt⸗

; großer oder ein kleiner Be⸗ sitzer da ist, ist für die Landwirtschaft gleichgültig. Wir werden das tun, was wir für recht halten. (Zuruf des Abg. Hoffmann) In kann nicht auf alle Ibre Worte eingehen (zum Abg Hoffmann), weil Sie nicht immer versiandlich sind sowohl nach dem Wo tlaut, wie nach dem Inhalt. De Abg. Dr. Magdan hat noch immer nicht behalten, daß Freiherr von Wangenheim es gewesen ist, der die innere Kolonifation gefördert hat. Zar inneren Kolonisation gehört aber der entsprechende Boden und das entsprechende Ansiedlungs⸗ material von Menichen, und außerdem müssen die Preise so be⸗ schaffen sein, daß die Ansiedler auch existieren können. Sie (nach links) treten aber nicht dafür ein, daß die Landwirtschaft auch ihr Aumkommen hat. Wenn einmal die Preise steigen, ohne daß die Landwirtschaft eiwas dafür kann, so erhebt Ihre ganze Presse großes Geschrei, und nachher tun Sie so, als ob Sie alles für die Bauern getan hätten. Sie wollen sich damit Agitationsstoff verschaffen. Sie sind niemals zugunsten des kleinen Bauern eingetreten. Wer sich auf dem Lande auf den Freisinn verläßt, der ist verlassen, Abg. Dr. Mugdan. Der Abg. Dr. Mugdan und auch der Abg. Leinert haben sich dann mit den landwirtschaftlichen Krankenkassen beschäftigt. Der Abg. Leinert hat gesagt, die Landwirtschafts kammern hätten sich dagegen gewandt. Ja warum wollten denn die Landwirt⸗ schaftskammern die obligatorischen Landwirtschaftskassen nicht haben? Weil sie überzeugt sind, daß da, wo keine Versicherung war, die Arbeitgeber viel mehr für ihre Arbeiter aufwenden. Wir müssen uns darüßer klar sein, daß die Landversicherung eher die Fürsorge für die Arbelter abschwächt. Deshalb wollten jene Teile, die sich bewußt waren, daß sie in hervor⸗ ragender Weise für ihre Arbeiter gesorgt hatten, nicht die Ver⸗ sicherung. Dr. Mugdan hat behauptet, wir verzögerten die notwendigen Reformen in der Landwirtschaft und wir hätten dahin gewirkt, daß bei der Belastung mit den sozialen Lasten der Großgrundbesitz bevorzugt sei. In größeren Betrieben wird man nicht so sehr für die einzelnen Arbeiter sorgen können, wie in den kleineren. Deshalb kommen auch in den kleineren Be⸗ trieben Krankheitsfälle nicht so häufig vor, wie in den größeren Betrieben. Deshalb ist auch die Belastung durch die Kassen in den größeren Betrieben eine größere als in den kleineren. Daher ist die Tatsache, daß Hilsskrankenkassen geschaffen werden, berechtigt. Wenn diese Kassen sich verpflichten, alle Lasten zu übernehmen, und auch nachweisen, daß sie die Fähigkeit dazu haben, dann tritt ein, daß die betreffenden Arbeiter sich sehr wohl dabei befinden. Deshalb wollen diese Arbeiter auch jene Kassen nicht aufgehoben haben. Dann wurde darauf hin⸗ gewiesen, daß in der Landwirtschaft Maschinenunfälle am häufigsten vorkämen, und daß deshalb besondere Schutzvorschriften not⸗ wendig seien. Wir können doch aber nicht einem Ochsen sagen, auf welche Weise er sich benehmen soll, damit nicht ein Unfall eintrete. Deshalb müssen wir darauf verzichten, daß wir besondere Vorschriften machen. Trotzdem bhesteben aber solche. Vorschriften schon, welche durchaus ausreichen. Daß die sozialistische Alitation einen großen Einfluß auf das Ver⸗ halten der Arbeiter den Arbeitgebern gegenüber ausübt, kann nicht be⸗ stritten werden. Ich bin nach wie vor der Meinung, daß der sozialistische Geist geradezu das Volk aufstachelt gegen die Äebeitgeber. Gewiß ist es ja leicht, nachher zu sagen: wir sind nicht daran schuld. In Ihrer Presse wird so lange gehetzt, daß die Leute schließlich die Konsequenzen daraus ziehen müssen. Dann hat der Abg Leinert b hauptet, die Ueberschüsse aus den Sparkassen des Bundes der Landwirte würden für die Bedürfnisse des Bundes verwendet. Wenn Sie (zu Abg. Leinert) die Satzungen der Sparkasse gelesen hätten, dann hätten Sie dieselben wohl auch verstanden als Abge⸗ ordneter. Wenn Sie aber die Satzungen verstanden haben, dann konnten Sie so etwas nicht behaupten. Es ist keineswegs richtig, daß die Ueberschüsse in die Agitationskasse des Bundes der Land⸗ wilte fließen. In den Satzungen ist ausdrücklich erwähnt, daß das Vermögen der Sparkassen vom übrigen Ver nögen des Bundes ge⸗ trennt hleiben muß, und daß alle Ueberschüsse nur zugunsten der Sparkasse verwendet werden dürfen. Eine Verwendung für jegliche Zwecke des Bundes ist ausgeschlossen. Der Bund haftet mit seinem ganzen Vermögen für die Einlagen. Sie müßten doch anerkennen, daß die Arbeitgeber bereit sind, den Sparsinn des Arbeiters zu fördern. Wenn die Landwirtschaft so viele Einnahmen haben würde wie die Industrie, dann würde sie auf diesem Gebiete noch viel mehr tun. Die Arbeitgeber leisten sogar eine Einzahlung zuaunsten ihrer Arbeiter aus der eigenen Tasche. Es sind große Summen,

überlassen hat. Ob ein

werden. Die Anbeitgeber dadurch die Möglichkeit geben, sich eigenes Heim zu gründen. Wenn Sie darüber lachen,

schaftlichen Arbeiter wollen ihren Arbeitern herauszuarbeiten und sich ein (Lachen bei den Sozialdemokraten.) dann weiß ich, daß es Ihnen unangenehm ist, das zu hören, und das ist ein Beweis dafür, daß der einge⸗ schlagene Weg der richtige ist. Sie werden mit Ihrer Agitation bei den Landarbeitern kein Glück haben. Die landwirtschaftlichen Arbeiter kennen Sie und werden von Ihnen nichts wissen wollen. Die Arbeiter auf dem Lande sind ganz anders wie die sozialistischen Arbeiter. Die landwirtschaftlichen Arbeiter sind zuverlässig. Auf dem Lande sind die Interessen des Arbeiters mit denjenigen des Arbeitgebers innig verquickt, denn der Arbeitgeber ist in gewissem Sinne auch Arbeiter, und in dem Moment, wo der Arbeiter wieder andere Arbeiter stellt, ist er auch Arbeitgeber. So geht das in der Landwirtschaft hin und ber. Uns können Sie nicht trennen, wir, die wir zusammen aufgewachsen sind, wollen zusammen arbeiten. Dann hat der Abg. Leinert behauptet, die landwirtschaftlichen Arbeiter seien nicht verfügungsberechtigt über das, was sie eingezahlt haben. Das ist unrichtig. Die Arbeiter sind jeden Tag und jede Stunde verfügungsberechtigt über das, was sie eingezahlt haben. Nur über das, was durch Prämien aufgebracht wird, oder was durch Arbeit⸗ geber eingezahlt wird, darüber steht ihnen kein Verfügungsrecht zu. Das ist auch recht. Denn jede Leistung muß auch eine Gegen— leistung fordern. Sie wollen dagegen nur Rechte, aber teine Pflichten, dadurch unterschelden wir uns von Ihnen. Wir achten auch auf die Rechte anderer, aber Sie achten nicht auf die Rechte

ausgegeben

anderer. Ich freue mich sehr, daß unsere Sparkassen Ihnen

so sehr auf die Nerven fallen. Ich halte die landwirt⸗ schaftlichen Arbeiter für praktijsch gut veranlagt, das sind si⸗ und werden es auch bleiben. Wir wolle auch daß sie es sind. Wir fühlen uns mit ibnen einig. Wir wissen auch, daß das für das allgemeine Wirischaftelchen in Deuischland für alle Berufe, insbesondere aber für rie Entwickl ing der Landwirt- schaft erforderlich und nützlich ist. Darum tieten wir vor allen Dingen ein für ein gutes Gedeihen der landwirtschaftlichen Arbeiter.

Die Debatte wird geschlossen. ̃ z Der Etat der landwirtschaftlichen Verwaltung wird be⸗ willigt. . Der Antrag von Kessel, den Fonds für Obst⸗ und Gemüsebau allmählich auf 150 000 S zu erhöhen, wird an⸗ genommen, ein Antrag Delius auf volle Erhöhung auf diese Summe im nächsten Etat wird abgelehnt. Schluß 6i / Uhr. Nächste Sitzung Mittwoch, 11 Uhr. Etat.)

Statistik und Bolkswirtschaft.

Die Bewegung der Bevölkerung in Preußen in den Jahren 1911 und 1912.

Im preußischen Staate sind im Laufe des Jahres 1911 beur⸗ kundet wo den 1225 091 Geburten, 732728 Sterhe fälle (einschließ! ich von 35 874 Totgeburten) und 321 151 Eheschlleßungen. Der Ge⸗ burtenüberschuß betrug somit 4927 363 oder 12.1 auf das Tausend der mittleren Bevölkerung. Im Jahre 1912 sind nach den vor⸗ läufigen Eimtttlun len 1219 857 Kinder geboren (einschli, lich der Totgehorenen) und 671 909 Personen gestorben; Eheschließungen gab es 328 415. Somit ist die Geburtenzahl gegen das Vorjahr um 5224 und die Zahl der Todesfälle um 60 819 zurückgegangen. Der Geburtenüberschuß ist dementsprechend um 55 595, und jwar von 492 363 auf 547 9658 gestiegen. Eine besonders auffällige Er⸗ scheinung der letzten Jahre ist die abnehmende Geburtenzahl bei stetgender Ehefrequenz. Während sich nämlich im Jahrzehnt 1902 1911 im Durchschnitt die Geburtenzahl auf 12584 110, die Zahl der Sterbefälle auf 725 241, der Gehurtenübersch somit auf ob 8 869 belief, ist die Geburtenzahl im Jahre 1911 bereits 59 019, 1912 aber sogar 54 243 unter dem zehnjährigen Durchichnitt gewesen. Die Zahl der Todesfälle hat 1911 allerdings 7487 über dem zehn⸗ jährigen Durchschnitt betragen, ist 1912 jedoch mit 53 332 unter dem zehnjährigen Durchschnitt geblieben. Die Zahl der Eheschließungen stellte sich 1911 auf 17631, im Jahre 1912 sogar auf 24 895 über dem zehnzährigen Durchschnitt 1902—1911. Es ist also klar, daß die eheliche Fruchtbarkeit in einer nicht unerheblichen Abnahme be— griffen ist. Des besseren Vergleichs wegen geben wir hier die fol⸗ gende Uebersibt: Es sind beurkundet

sGheschie. ßungen

Geburten Sterbefälle einschl. Totgeborene überschuß 578 504 527 354 562 485 ol 066 596 021 578 747 575 429 581 317 581 465

281 532 285 384 294 732 299 988 309 922 313039 311131 307 904 710 415 419 363 321151 547 958 328415. Es stellte sich auf 1000

717663 747 496 7142 425 I65h 249 713 0973 719729 233 0935 70h 867 675 148

1296167 1274 850 1304910 1280 258 1309094 1298 476 1308 464 1909 1287 184 , 1256 613 1911 1225 091 732 735 1912 (vorl. Ergebn.) ] 1219 867 671 909 Wichtig sind noch die Verhältniszahlen. der mittleren Bevölkerung

1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908

die der die Sterbe Geburten. Helrats⸗ ziffer überschuß ziffer

203 164 36 8 147 303 155 306 155 150 153 185 173 16,9

die Geburts⸗ ziffer

19605

1903

1904.

1905

1906.

w

19608.

1909. .

1,

190 181

1912 (vorl. Ergebn.) 16,4 Während also die Geburtenziffer um etwa 18 v. H. gesunken

ist, hat sich die Sterbeziffer bis 1911 um 11 v. H verringert und

war im letzten Jahre um 22 v H. niedriger als 1903. Die Heirat

ziffer für 1912 entspricht mit 16,9 dem zehnjährigen Durchschnitt. Dem Geschlechte nach verteilen sich die Geborenen und die

Gestorbenen der letzten vier Jahre 1908 bis 1911 folgendermaßen

Gestorbene einschließlich Tot⸗ geborene

männl. weibl.

381 480 351 248 Ih0 722 324 428 6h 455 336 437 384 62 318 40.

2 2

D

868

DC O M0

de e Ge ee e d o. SS SFS L

darunter Tot⸗

Geborene geborene männl. weibl

20 100 15774 20771 16395

weihl.

593 604 609 811

männl.

1911 631 487 1510 5616 S5: 1909 662 356 624 828 21 216 16779 1908 673 499 634 972 21 979 16912 Von den Lebendgeborenen waren unehelich:

männl. weibl.

1 45 844

1910 18108 46338

180 663 46 872

1e, . 46 652. (Nach der Stat. Korr..)

A. für Zigaretten

Zeitraum

im Kleinverkaufspreise über 1 bis über 25 2. 34 bis über 5 43 1 das Stück

zusammen A .

, 16

Im 4. Viertel des Rechnungsjahres 1919. Im Rechnungsjahr 19197

3 108 718 2191 9458 24941567 265 gs 234 637i 982 53h 12582 904 8788 33 2421 314 2984 627 959 0972149 82 342

fir Zigarettent B. für Zigarettentabak Gesamt⸗

e,, über 5 über 10 über 20 is i l 5 6

im Kleinverkaufspreise fir ö steuer⸗ retten⸗ l = hüllen 9

.

ö

bis bis bis 10 ½ 20 M 30 4

das Kilogramm ö

A6

k R 2

Im 4. Viertel des Rechnungssahres 187. Im Rechnungsjahr 1912 JJ ; Berlin, den 15. April 1913.

. f 1

36 986 164 896 130 093 122004

Kaiserliches Statistisches Amt.

11677 489 778

30 446 27677 11524 47 625 Delb rück.

5945 26 1656

149 . o 436 di Kohli gz s;