Betriebs in technischer und wirtschaftlicher Beziehung die Schwierig⸗ keiten auf der Stadtbahn beseitigen kann. Daß wir bei der Be⸗ urteilung dieser Frage vorsichtig gewesen sind, kann uns kein Mensch übel nehmen. Wir wissen, daß in der Vergangenheit die Verhältnisse auf der Stadtbahn sich nicht in der Weise haben entwickeln lassen, daß sie einen wirtschaftlichen Erfolg aufweisen können. Es steht fest. daß 141 Millionen Anlagekapital unverzinst und unamorttsiert in diesem Unternehmen stecken. Rechnen Sie dazu die Zinfeszinfen, fo kommen Sie zu enormen Summen, von denen der Minister selbst an⸗ erkennt, daß auch in Zukunft eine Verzinsung nicht zu erwarten ist. Daß wir bet einem solchen Unternehmen uns wohl überlegen, ob es ratsam ist, wieder neue Mittel anzuwenden, ist natürlich. Sie werden sich deshalb nicht wundern können, wenn wir neben der technischen Seite auch die wirtschaftliche Frage eingebend behandelt haben. Wir sind bei der Prüfung der Voranschläge zur Ansicht gekommen, daß die Kosten sich wesentlich erhöhen werden, weil die Unterlagen zu dem ursprünglichen Kostenanschlag sich wesentlich verschieben werden durch den Uchergang von den elektrischen Lokomotiven zu dem neuen Triebgestellsystem. Es ist unzweifelhaft, daß die in Auzsicht ge⸗ nommene Zahl nicht entfernt ausreichen wird bei dem System, das man jetzt zugrunde legen will. Alle diese Kosten stehen absolut noch nicht fest und können auch noch nicht feststehen, weil von den einzelnen Fabriken, die zur Lieferung in Aussicht genommen find, noch nicht
engue Angaben vorliegen. Wir befürchten deshalb, daß der
ostenanschlag nicht ausreicht. Jedenfalls ist Taisgche, daß für solche Grundlagen die Erfahrungen mit dem elektrischen Be— trieb noch ungenügend sind. Das ist für, uns ausschlaggebend. Zur militärischen Bedeutung der Sache will ich auf einen ganz be⸗ sonderen Punkt aufmerksam machen. Zurzeit haben wir auf der Berliner Stadtbahn ungefähr 606 Lokomotiven zur Verfügung, Wir haben im ganzen 20 060 Lokomotiven im Betrieb. Nun wird im Falle der Mobilmachung gerade die große Zahl von dienstbereiten Lokomotiven von großer Bedeutung für die Sicherhest des Betriebs sein. Nehmen Sie an, daß auf den Vorortbahnen irgendwelche Störungen eintreten, so werden nicht nur die 500 Lokomotiven nicht mehr zur Disposition stehen, sondern es werden sogar eine große Anzahl anderer Lokomotiven in Anspruch genommen, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. So hat auch grundsätzlich die Heeres⸗ verwaltung darauf hingewiesen, daß sie als Vorbedingung für die Elektrisierung die Anforderung. stellen müsse, daß alle Bahnen dauernd auf den Dampfbetrieb eingerichtet bleiben müssen. Das ist aber eine schwere Belastung. Aber die Hauptsache ist für mich nicht die e T fran, sondern die Sicherheit für die Aufrecht⸗ erhaltung des Betriebes durch die Zahl der zur Verfügung stehenden Lokomotiben. Auch der Vertreter der Postverwaltung hat sich sehr vorsichtig geäußert und ausdrücklich festgestellt, daß die Erfahrungen zurjeit noch nicht derart sind, daß man beurteilen könne, durch welche Maßregeln etwaige Schwierigkeiten beseitigt werden könnten. In unserem Interesse muß es liegen, daß alle diese Versuche auf dem Gebiet der Elektrisierung abgeschlossen sind, bevor wir unsere Beschlüffe faffen. Sonst könnten wir die Verantwortung dafür nicht tragen. In der tech⸗ nischen Frage berufen wir uns auf die Urteile anerkannter Autoritäten. Wir haben uns seit Jahr und Tag bemüht, uns von solchen Autoritäten Aufschluß geben zu lassen. Deshalb können wir auch für uns in Anspruch nehmen, auch die technische Frage zu beurteilen, um so mehr, da die technischen Autoritäten noch heute durchaus derselben Ansicht sind, daß die Frage noch nicht spruchreif ist. Die ganze Elektrisierung soll auf dem Einphasensystem aufgebaut werden. Das st ein ganz neues System. Der Minister hat auf die Erfahrungen mit diesem System hingewiesen, er sagt aber nicht, eb Erfahrungen mit diesem System in Verbindung mit dem Triebgestellsystem gemacht worden sind. Die mit dem Einphasensystem auf den Fernbahnen gemachten Erfahrungen sind unzweifelhaft nicht ausrelchend. Ich muß anerkennen, daß es sich hier um einen genialen Gedan en handelt, der aber noch weiterer Erprobung bedarf. Der Minislser hat auf die Erfahrungen in London hingewiesen. Das Resultat eines Vergleichs unserer alten Lokomotiven mit dem Londoner System ist das, daß wir mit unseren alten Lokomotiven Turchschnittlich noch mehr Perfonen befördern können als mit dem Londoner System. Es handelt sich nicht um die Zahl der beförderten Personen, sondern um die Zahl der Befgrderungzgelegenheiten, In dieser Beziehung leisten wir 10 , mehr, als die Londoner Bahnen er⸗ reichen. In Amerika beruht das dort angewandte System aber auf anderer Grundlage und kommt daher für uns nicht in. Betracht. Nach den Urteilen von Sachverständigen können die Müßstände, die 65. bei der Erprobung der Lokomotiven neuester Konstruktlon erausgestellt haben, durch einige Abänderungen sich leicht beheben lassen. Die Frage, ob wir heute schon an die endgültige Einführung des elektrischen Betriebes denken können, ist wesenklich beeinflußt von der wirtschaftlichen Bedeutung. Da muß ich doch darauf hinweisen, daß wir mit unserer Ansicht in dieser Beziehung nicht allein dastehen, sondern übereinstimmen mit dem Urteil hervorragender Autoritäten. So hat der Geheime Baurat Prof. Fauer, der Dozent an der Char, lottenhurger Hochschule, in einem längeren Gutachten hauptsãchlich vler Bedenken gegen die Vorlage erhoben. Er betont besonders, daß die Leistungsfähigkelt des elektrischen Betriebes beschränkt sei. Ferner erhebt er wichtige Bedenken gegen die Betriebssicherheit und erklärt, daß die Begründung der are e rer des elektrischen Betriebes auf schwachen Füßen stehe. Die Praxis werde wahrscheinlich ein anderes Bild in dieser Frage ergeben. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß die Einführung deg elektrischen Betriebes auf der Berliner Stadtsahn zweifellos eine Frage der Zeit ist. Der Minister hofft, daß das Be⸗ triebsdefizit mit der Einführung des elektrischen Betriebes verschwinden wird. Solche theoretischen Berechnungen haben immer eine Schwäche, weil sie oft von den Tatsachen überholt werden, und wenn man sich auf eine schwache Statistik gründet, so kommt man oft zu Zahlen, die Ueberraschungen mit sich bringen. Aus den Angaben des Berliner Jahrbuchs für Handel und Industrie geht hervor, daß die Berechnung des Ministers nicht richtig ist. Die, bisherige Frequenz auf den Vorortbahnen ist nämlich wesentlich geringer, als daß sie zur Grundlage für den elektrischen Betrieb gelten könnte. Ich spreche nicht für alle meine Freunde; wie wohl in allen Parteien zu dieser wirtschaftlichen Frage, ist eine Minorität unserer erf anderer Meinung, und es wird noch ein anderer Redner ür sie sprechen. Wenn es sich jetzt darum handelte, ein bewährtes
System einzuführen, würde ich den Schritt mitmachen, namentlich
für die Strecke Charlottenburg —Kummelsburg. Aber anders ist es mit der Wirtschaftlichkeit der Sache auf den anderen Strecken. Wir bemühen uns hier um die Verbesserung eines lokalen Verkehrs. Bei anderen Gelegenheiten hält sich die Regierung sehr zurück; andere Städte haben auch darum gebeten, und zwar sehr bedeutende Städte, wie Cöln und Breslau, einen ähnlichen Vorortverkehr zu erhalten wie Berlin, doch bestanden dagegen prinzipielle Bedenken. Der Minister meint, in Berlin läge es anders. Hier sei ein Zentrum von Industrle, wo auf kleinem Raum nicht nur die Roherzeugnisse an den Veredlungsverkehr der Industrie hergnzubringen, sondern auch die Angestellten dieser Industrie in ihre Werkstätten zu befördern seien; wenn sich das in einem wirt⸗ schaftlichen Rahmen machen ließe, würde ich dies trotz der Ungleich⸗ beit mit anderen Städten begrüßen. Aber wir haben doch keine Veranlassung, diese reiche Industrie durch Stagtsmittel zu unter⸗ stützen in einem Umfange, wie der Staat durchaus nicht durch das Eisenbahngesetz von 18338 verpflichtet ist. Bei der vorjährigen Vorlage über den Bau von Nebenbahnen brachten 136 Mit— lieder des Hauses ihre Wünsche nach Nebenbahnen auf dem platten kad vor, darunter waren gewiß viele berechtigte Wünsche, wieviele von diesen Wünschen gehen in EFrfüllung? Der Prozentsatz wird nicht sehr hoch sein, weil erhebliche Staahs—
ittel dazu erforderlich sind. . den Neubgu von Nebenbahnen . wir in den letzten fünf Jahten 240 Millionen bewilligt, um 100 kim augzubauen. Diese . hier wird annähernd die gleiche Gumme in Anspruch nehmen, und darum wird ein großer Teil von
ebenbahnen zurückstehen müssen oder der Geldmarkt wird sehr enorm in Anspruch genommen werden. Ist es berechtigt, fo erhebliche Summen für die Verbesserung dieses Vertehls auszugeben, während
aber
draußen im Lande so viele Verkehrsbedürfnisse der Befriedigung harren? Man sollte lieber da eingreifen, wo im Lande die Erwerbsmöglichkeiten zu fördern sind, anstatt hier, wo wir noch gar nicht übersehen können, ob es technisch und wirt— schaftlich begründet ist. Ich begrüße dankbar die veränderte Stellung der Regierung in der Frage des Stromsystemg. Die Regierung kann aber noch gar nicht beurteilen, zu welchen Konse⸗ guenzen diese veränderte Stellungnahme führt, denn die Entwicklung der elektrischen Wissenschaft ist sprunghaft. Als wir die Vorlage bekamen, waren wir sehr überrascht Üüber den niedrigen Strom; preis, wir wissen aber jetzt, daß der Strom durch die Ge⸗ winnung von Nebenprodukten schon für 19 3 erzeugt werden kann. Nach Ansicht der Fachleute dürfte es eine Frage weniger Monate sein, wo auch in Berlin der elektrische Strom zu einem ähnlichen Preise wird erzeugt werden können. Für den ersten Teil des Antrages des Zentrums werden meine Freunde wohl die Verantwortung übernehmen müssen, er deckt sich mit unserem Antrage in der Kommission. Wir halten es allerdings für nötig, den üblen Verkehrsverhälinissen abzuhelfen und wollen dem Minister die Mittel bewilligen, die ohne Beschlußfassung über die endgültige Einführung des elektrischen Betriebs für beide Systeme nötig sind. Wir wollen also für die Verlängerung der Bahnsteige, für die Ein⸗ richtung von 366 Zügen in der Stunde, für die verbesserte b 12⸗Loko⸗ metive, für die auiomatische Signaleinrichtung ufw. 6 620 000 M be— willigen, und ferner die 3 Millionen zu Verfuchen. Diese 3 Zahl ist willkürlich gegriffen. Aber wir wollen fie zu den 29 3 illionen, die wir schon früher für die elektrischen Versuche auf den Fern⸗ bahnen bewilligt haben, noch hinzufügen, damit die Leistungsfähigkeit der in Aussicht genommenen Systeme erprobt werden kann. Wenn der Minister diese 3 Millionen für zu hoch findet, fo haben wir doch das Zutrauen zu ihm, daß er nicht mehr ausgeben wird, als nötig ist. Wir haben keinerlei Bedenken gegen die Tätigkeit des Ministers, aber er darf uns nicht übel nehmen, wenn wir bei aller Hochachtung bor seinen Verdiensten in diesem Fall einmal andere Wege gehen. Darin liegt nicht im entferntesten eine Minderung unseres Ver⸗ trauens. Wir haben allerdings 1910 beschlossen, daß die Mittel für solche Vervollkommnungen der Elfenbahnen aus dem Extraerdingrium genommen werden sollen, aber die außergewöhnlichen Verhältnisse rechtfertigen wohl eine kleine Abweichung von diesem Grundsatz, ohne daß daraus Schlüsse für die Zukunft gezogen werden können. Wir wollen nicht grundsätzliche Schwierigkeiten machen, es handelt sich nur darum, in vorsichtiger Weise sichere Grundlagen für eine Entschließung von einer Tragweite, wie sie wohl selten vor⸗ kommt, zu finden.
Kommissar des Kriegsministers, Oberstleutnant Groener: Unsere grundsätzliche Stellung ist in der Kommission eingehend dargelegt worden, und der Minister der öffentlichen Arbeiten hat sich heuke durchaus im Sinne der Heeresverwaltung geäußert. Es handelt sich für uns durchaus nicht um eine grundsätzliche Frage, sondern um eine Frage des großstädtischen Ortsverkehrs, und in diesem Sinne haben wir unter Berücksichtigung aller Einwendungen, die in der Presse und in Broschüren an uns herangetreten, die Ueberzeugung gewonnen, daß keinerlei Bedenken der Heeresberwaltung bestehen. Pie Loko— moliven der Stadt- und Vorortbahnen sind vermöge ihres geringen Aktionsradius für die Heeresperwaltang Überhaupt nur bedingt brauchbar. Die hierin vorgetragenen Bedenken, daß durch die Elektrisierung der Stadtbahn der Heeresverwaltung Nachteile erwachsen würden, sind keineswegs stichhaltig. Der Wagenvark der Stadtbahn spielt eine be⸗ sondere militärische Rolle nicht. Die zurzeit auf der Sradibahn ver— kehrenden Lokomotiven sind für militärische Bedürfnisse auch nicht sehr geeignet; das sind alles nur halbe Zugkräfte und infolge des geringen Wasserfassungsbermögens für die Durchführung der schweren Militärzüge unzweckmäßig. Der Bedarf an Lokomotiven für die Heeresverwaltung ist schon dadurch sichergestellt, daß der Ver⸗ kehr auf den deutschen Cisenbahnen in außerordentlichem Maße zu⸗ genommen hat. Die yreußische Eisenbahnverwaltung geht mit der Beschaffung von Dampflokomotiven in so reichlicher Weise vor, daß kein Bedenken gegen den Ausfall dieser Lokomolspen der Stadt. und Ringbahn hei der Heeresberwaltung vorhanden ist.
Unterstaatssekretär Dr. Michaelris: Der Finanzminister hat gegen diese Vorlage zunächst von seinem Standpunkt aus eine Reihe von Bedenken erhoben, besonders dagegen, daß in einer Zeit, in der der Anleihemarkt ohnedies schon außerordentlich belastet ist, eine weitere Anleihe von 50 Millionen Mark aufgenommen werden soll. Aber nach eingehender Prüfung der Sachlage ist der Finanzminiffer doch zu der Ueberzeugung gekommen, daß der Einbringung diefer Vorlage stich⸗ haltige Gründe nicht entgegenstehen. Wenn auf der rechten Seite befürchtet wird, daß durch die neue Anleihe die Meliorationsbahnen Schaden leiden, so ist diese Befürchtung unbegründet. Die Eisen⸗ bahnverwaltung steht den Meliorationsbahnen nach wie vor wohl⸗ wollend gegenüber. Sie hält es für ihre Pflicht, ihre Entwicklung nach Möglichkeit zu fördern. Was die tarifagrischen Maßnahmen anlangt, so müssen diese nach der Meinung der Regierung so getroffen werden, daß sowohl eine angemessene Verzinsung des Anlagekapitals wie eine Amortisierung möglich ist. Wir müssen hier noch eine Reihe von Fragen klären, z. B. die, ob Braun⸗oder Steinkohle zur Erzeugung der Elektrizität derwendet werden soll usw. Aber die Kommission' hat ja mit Recht hervorgehoben, daß die Prüfung dieser Einzelfragen den späteren Ver— handlungen im Plenum vorhehalten bleiben kann. Jedenfalls waͤre es dem Finanzminister erwünscht, wenn hier im Prinzip die Umwand⸗ lung des Dampfbetriebes in elektrischen Betrieb beschlossen würde.
. Schmieding (nl): Die Ausführungen des Abg. von Pappenheim können uns in keinem Falle in . Ueberzeugung irremachen. Wir sind bereit, für den Kommissionsantrag einzutreten. In der Tat ist der wachsende Verkehr auf unseren Stadt- und Ring⸗ bahnen mit den bestehenden Einrichtungen nicht mehr zu bewältigen. Besonders an Feiertagen sind die Wagenabteile geradezu unleidlich überfüllt. Hier kann nur auf die Dauer Abhilfe geschaffen werden, wenn wir unsere Stadtbahn elektrisieren. Die Bedenken ber Gegner dieser Vorlage sind ja recht erheblicher Art und müssen eingehend geprüft werden. Die Bedenken, die man gegen die Beschaffung des elektrischen Stromes erhoben hatte, sind ja erfreulicherweise dadurch besettigt, daß die Regierung erklärt hat, die Strom— erzeugung in eigene Regie zu übernehmen. Die Frage, ob Wechsel oder Gleichstrom bei der Elektrisierung zu verwenden sein würde, ist ja zugunsten des Wechselstromes gelöst worden. Ich will mich aber nicht als Lale in weitere technische Einzel⸗ heiten vertiefen. Die Gegnerschaft dieser Vorlage har“ die Ent scheidung darüber schon um ein volles Jahr verschoben. Es wäre höchst bedenklich, wenn sie diefes Manöder noch einmal wiederholen würde, zumal der Minister ausdrücklich erklärt hat, daß er unter den jetzt bestehenden Verhältnissen für die Betriebssicherheit unserer Stadtbahn die Verantwortung nicht weiter übernehmen könne. Was die wirtschaftliche Frage anbetrifft, so ist man nach eingehender Er⸗ wägung zu der Ueberzéugung gekommen, daß der elektrische Betrieb ökonomischer ist.
Abg. Dr. Wuermeling (Sentr): Wir werden, ebenso wle der Abg. von Pappenheim, ganz unabhängig von unserer Stellung
nahme zu dieser Vorlage, nach wie vor dem Minister unser Vertrauen
nicht versagen. Ich freue mich, daß der Minister en n, hervorgehoben hat, daß nicht nur die Regierung, sondern au
die Volksvertreter einen Teil der Verantwortung für die Ent— scheidung dieser außerordentlich wichtigen Frage zu tragen haben. Ich habe auch den Eindruck, daß die Dampfinteressenten sich in dieser Frage reichlich geregt haben. Aber wir sind ja unabhängig genug, um uns dadurch nicht beeinflussen zu lassen. Der Vorredner hat zugegeben, daß doch erhebliche Bedenken . die Vorlage bestehen, und daß beide Betriebe nebeneinander bestehen sollten. Den von dem Abg. von Pappenheim erhobenen Bedenken kann ich mich nur guschließen. Der größere Teil meiner Freunde ist der An cht, daß die Vorlage ung zu verantwortlich scheint, als daß wir uns jetzt für die Vorlage entschließen könnten. Wir glauben, daß es angemessen ist, die Regigrung in die Lage zu setzen, durch Bewilligung der erforder⸗ lichen Mittel die Gefahren inbezug auf die Betriebs sicherheit zu beseitigen und weitere Verfuche mit elektrischen Betriebt⸗
mitteln anzustellen. Deshalb haben wir unseren Antrag einge⸗ bracht. Wenn in der Vorlage nur vom Lokalverkehr im engsten Sinne die Rede ist, so ist das nicht richtig. Durch das Zweckverhandtz⸗ 6 haben wir eine gesetzlich abgegrenzte und wirtschaftliche Einheit zu Verkehrszwecken , Wenn die Gesetzgebung einmal dazu übergegangen ist, eine wirtschaftliche Einheit derart anzuerkennen, wie sie es bei dem Zweckverband getan hat, dann muß das auch bei der jetzigen Vorlage Berücksichtigung finden. Deshalb erschien es uns eigenartig, 2 in der Vorlage keine Bestimmung enthalten ist, wie wir sie durch unseren Antrag hineinbringen wollen. Wir wollen die Schranken beseitigen, daß der Zweckverband, der an sich die Aufgabe hat, für die Verkehrsverhältnisse Berlins zu sorgen, wenn erhebliche weitere Opfer nötig werden, durch Ge etz ausgeschlossen sein soll, zu diefen Opfern beizutragen. Wir sind der Ansicht, daß der Zweckverband dabei besser fortkommt, als wenn er die Verkehrsberhältnisse ganz unabhängig allein regeln müßte. Der Einwand gegen unseren Antrag auf dem Gebtet der Wohnungspolitik ist gegenstandslos. Die billigen Tarife haben nicht dazu gedient, daß die breiten Massen in weitem Umfange von Berlin ansässig gemacht und aus den unerträglichen Verhältnissen der Großstadt in naturliche Verhältnisse hinausgebracht wurden, sondern diese Tarif⸗ politik hat im großen und ganzen dazu gedient, daß Milliarden pon Vermögen künstlich geschaffen und den Bauspekulanten in den Schoß ge⸗ worfen werden konnten. Ich bin nicht der Ansicht, daß die Posstlon der Vegierung gegenüber der Stadt Berlin durch eine Betetligung der Stadt an den Mehrkosten so geschwächt wird, wie es die Regierung behauptet. Die Stadt Berlin konnte sehr wohl die Zinsen für das neu angelegte Kapital übernehmen. Die dadurch entstehenden Ueber= schüsse des Eisenbahnbetriebes konnten dann zur Deckung des Be⸗ triebsdefizits verwendet werden. Warum soll übrigens Berlin allein so niedrige Tarife haben? Es liegt gar keine Veranlassung vor, der Stadt Berlin solche einseitigen Vorteile zu gewähren. Ich hoffe, daß Sie durch die Annahme unserez Antrages die Möglichkeit schaffen, Berlin zu den Kosten für die hohen Ausgaben für Verkehrszwecke heranzuziehen.
Ministerigldirektor Dr. Freunde: Ich bedaure, den Antrag betreffs der Beteiligung des Zweckverbandes bekämpfen zu müssen. Das Zweckverbandsgesetz wollte die Zersplitterung Tes Verkehrs in den einzelnen Gemeinden beseitigen. Die kommunalen Aufgaben sollten dahm ergänzt werden, daß die Rechte und Pflichten, die ein Privatunternehmer der einzelnen Gemeinde gegenüber übernommen hat, auf den Zweckverband übergehen können, und daß ferner der. Zweckverband die Berechtigung erhalt, selbst Bahnen ein⸗ zurichien und zu betreiben. Dabei wurde aber ausdrücklich das Verhältnis des Zweckverbandes zu den Staatsbahnen aufgenommen, weil bei den Staatsbahnen eine solche Zersplitterung gar nicht in Betracht kam. Nun foll diese Ausnahme fur die Staatsbahnen dahin eingeschränkt werden, daß der Zweckverband Leistungen für die Staatebahnen übernehmen kann. Das ist ein eigenartiger legis— latorischer Vorgang. Soll hier eine Pflicht oder ein Recht übertragen werden? Soll eine Pflicht übertragen werden, so kommt in Betracht, daß es auf dem Verkehrsgebiete bisher nur eine einzige obligatorische Aufgabe der Gemeinden gibt, nämlich Wege anzulegen; aber es gibt keine gesetzliche Bestimmung, die eine Gemeinde verpflichtet, auf diesen Wegen Bahnen anzulegen. Nach dem Antrage würde alfo der erste Kommunalverband mit der Pflicht zur Unterhaltung von Bahnen beglückt werden. Aus dem Kopfschütteln des Vorredners entnehme ich, daß er an eine solche Pflicht nicht gedacht hat. Eine Aufgabe aber, für deren Erfüllung nicht eine Pflicht besteht, ist keine Aufgabe. Soll dagegen durch den Antrag ein Recht auf den Zweckverband über⸗ tragen werden, so würde es sich nur um das Recht handeln, Opfer zu bringen. Ein solches Recht steht aber nur auf dem Papier, und wer ein Interesse an dem Zweckverband hat, kann ihm keine Rechte geben, die nut auf dem Papier stehen blelben. Ich hitte deshalb, den Antrag betreffs Beteiligung des Zweckverbandes abzulehnen.
Abg. Dr. von Woyn a lfreikons.): Aus Interessentenkreisen ist in ungewöhnlichem Maße, sowohl bei Mitgliedern der Kommission, wie, bei Mitgliedern dieses Hauses, einzuwirken versucht worden. Bei einem großen Teil meiner Freunde hat die Empfindung Platz gegriffen, daß diese Versuche der Beeinflussung nicht ganz der hohen sozialen Stellung entsprechen, die die be— treffenden Interessentenkreise selbst einzunehmen wünschen. Es ist gesagt worden, daß hinter der Vorlage der Regierung der große Elektrizitätstrust stände; ich muß es der Regierung überlassen, die Selbständigkeit ihrer Entschließungen in diesem Falle nachzu⸗ weisen. Eine Einflußnahme auf unfere Entschließungen ist von den Vertretern der Elektrizitätsindustrie nicht versucht worden. Ich bin der Gerechtigkeit schuldig, dieses zu bemerken, um nicht in den Verdacht zu kommen, daß ich mich von irgend einer Gruppe beeinflussen ließe. Von mir selbst ist ja der Antrag ausgegangen, nur aus staatseigenen Werken Elektrizität zu beziehen. Ich ging von dem Gedanken aus, daß unser Land mit Esefktrtzität versorgt werden müsse, und ich freue mich, daß der Minister diesem Gedanken sympathisch gegenübersteht und die Regierung bereit ist, die Strompersorgung aus staatseigenen Werken zu übernehmen. Die Gegner der Vorlage weisen auf den statistischen Rücksch lag des Verkehrs im Jahre i912 hin. Damit kann man nscht sicher vperieren, denn der Verkehr hängt von Wind und Wetter ab. Auch der Tourlstenverkehr war in jenem Jahre ungewöhnlich niedrig. Man glaubt ferner, daß im Rahmen des gegenwärtigen Systems durch Teilung des Verkehrs zwischen Ringbahn und Stadtbahn erhebliche Verbesserungen möglich sind, die Regierung hält aber mit Recht an der organischen Beherrschung des Verkehrs fest, weil nur damit dem Gesamibedürfnis gedient ist. Alle die heutigen Vorortlinien waren zunächst nur Fernbahnen, der Ortsverkehr entwickelte sich erst im Laufe der Zeit, und daher kann von einer rechtlichen oder tatsächlichen Verpflichtung Berlins, für dieses System mitzuleisten, nicht die Rede sein. Berlin hat allerdings durch diese Ent⸗ wicklung ungeheure Vorzüge erfahren, aber daz Berliner Bahnnetz dient auch der gesamten Bevölkerung. Die nachträgliche Heranziehung Berlins oder des Zweckverbandes zu den ursprünglichen Anlagekosten dieser Bahnen ist also nicht zu begründen. Eine andere Frage ist die, ob nicht durch entsprechende Tarife dafür gesorgt werden kann, daß die Einwohnerschaft Berlins, die doch die Eleftrisierung wünscht, dazu beiträgt, die Anlagen angemessen zu verzinfen und die Anleihe zu amortisieren. Ich freue mich, daß die Regierung diesbezügliche Vorschläge in der Begründung der Vorlage gemacht hat. Weiter ist zu prüfen, ob nicht, wenn der Vorlage nicht statt⸗ gegeben, wird, für die Betriebssicherheit Gefahr im Ver- zuge liegt. Dies müssen wir nach den Ausführungen des Ministers und feiner Vertreter in der Kommission unbedingt bejahen. Aus diesem Grunde halte ich es für durchaus zweckmäßig, die Vor⸗ lage, wie sie die Kommission vorschlägt, anzunehmen. Wer will denn von Ihnen die Verantwortung Übernehmen, wenn die Be— triebssicherheit der Stadtbahn gefährdet ist? Per Minister allein ist derjenige, der hierfür die Verantwortung zu tragen hat. Die Ge— fahr, die hier im Verzuge ist, muß un aber auch darüber hinweg helfen, die Vorlage anzunehmen, obwohl vollständig abgeschlossene Vorschläge über die, wirtschaftliche und technische Anlage noch nicht vorhanden sind. Aus den Kommissione verhandlungen haben, wir ersehen, daß in technischen Fragen Techniker gegen Techniker in einer fast doktrinären' Starrheit an ihrer Auf— fassung festhalten. Deshalb halte sch ez für wünschens⸗ wert, daß man die technischen Arbeiten einem praktisch erfahrenen und befähigten Techniker überträgt, der auch nachher die volle, Verantwortung für die , Einrichtungen zu tragen hat. Vatürlich auch die Frage, welches System hier in dem vorliegenden alle das richtige ist, muß einem verantwortlichen Techniker der
oͤniglichen Eisenbahnperwaltung überlassen werden? Ez hat sich bei der Agitation zugunsten oder ungunsten der Elektrisierung der Stadtbahn die betrübliche Erscheinung gezeigt, daß unsere deutsche Großindustrie, anstatt in einer folchen ien des Fortschritts sich die and zu reichen und zu versuchen, gemelnsam diese Aufgabe zu Hösen, ich hier aufs heftigste bekaͤmpft. Ich möchte aber der Hoffnung
ngewiesen, daß
susdruck geben, daß die hier zur at . auf die deutsche Intastri⸗ nn m t i in gr . Runsch.
Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach:
Meine Herren! Die Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Wuerme⸗ ing über die Betriebspflicht der Staatgeisenbahnverwaltung auf dem netze der Berliner Stadt, Ring- und Vorortbahnen geben mir zu nigen Gegenbemerkungen Anlaß. Ich bin geradezu erstaunt, daß herr Abg. Wuermeling dem Artikel 43 der Reichs verfassung eine, die ich aussprechen muß, restriktive Auslegung angedeihen läßt. Die Ftaatseisenbahnen haben den Artikel niemals anders ausgelegt, als sahin, daß die Bestimmungen der Reichs verfassung ihnen unbedingt se Verpflichtung auferlegen, sich dem Ver kehrsbedürfnis anzupassen, niuschmiegen, ihm zu genügen. Das ist auch die Auffassung der ltenden Stellen des Relches. Ueber diese Bestimmungen der Reichz⸗ erfassung, über die Ausführung der Bestimmungen haben Stellen es Reiches, in diesem Fall das Reichseisenbahnamt zu wachen. Wir ben in der Kommission sehr eingehend nachgewiesen, daß die Staats⸗ senbahnverwaltung sich der Betriebspflicht in dem von mir begrenzten imfange auch auf dem Berliner Lokalbahnnetz, um es kurz so zu nnen, stets bewußt gewesen ist. Wie ist dieses Netz entstanden?
Die Stadtbahn Berlin haben wir als viergleisige Bahn über— ommen, und man entschied sich von vornherein dahln, daß zwei
Fleise von diesen vier dem Stadtbahnverkehr dienen sollten. Die
inzbahn haben wir zunächst als eine zweigleisige Bahn ausgebaut der ausgesprochenen Absicht — es war vor nunmehr bald vierzig hihren — über sie den Güterverkehr zu leiten. Diese Absicht stieß f Schwierigkeiten, weil sich im Laufe der Zeit um die Ringbahn eum ganz gewaltige Vorortgemeinden bildeten. Die Folge war
wissermaßen zwangsweise die Erbauung zweier weiterer Gleise, um
im wachsenden Verkehr dieser Orte zu genügen. Beise hat sich twickelt.
Herr Abg. Dr. von Woyna hat soeben mit Recht darauf sich alles um die vor vielen Jahren noch von n Privatbahnen angelegten Stationen kristallisiert hat. Das seraudzwachsen der Orte an diesen Stationen, das dann lmählich auch zum Ausbau des Vororthahnnetzes zu viergleisigen zahnen führte, ist keineswegs abgeschlossen. Das wissen wir nz genau. So werden wir z. B. in kurzer Zeit, gleichviel ob das zahnnetz Berlins elektrisch ausgebaut wird oder nicht, bis Kaulsdorf ei, bis viergleisig bauen müssen, desgleichen bis Oranienburg. Der erliner Vorortverkehr entwickelt sich also — ich möchte sagen, ohne iß wir ihn irgendwie zu fördern besonders geneigt wären — aus h heraus.
Nun hat der Herr Abg. Wuermeling gemeint, daß die Wohnungs⸗ lisik Berlins durch die ermäßigten Tarife der Staatseisenbahn in zünstiger Weise beeinflußt sei in dem Sinne der Förderung der rrainspekulation. Meine Herren, es ist eine sehr strittige Frage, der Tarif der Staatseisenbahnen auf die Terrainspekulation einen fluß ausgeübt hat; aber das steht unter allen Umständen fest, daß Tarif der Staatseisenbahnen — der sehr niedrige Tarif, wie ich mn weiteres anerkenne — zu einer Dezentralisation des Wohnungs⸗ ksens in Berlin geführt hat, einer Dezentralisation, die im Interesse r Millionenbevölkerung eine absolute Notwendigkeit war und eine oße Wohltat ist. (Sehr richtig) Die Anregung, die Tarife so zu höhen, daß das alte Anlagekapital verzinst wird, führt
wie ich bereits einleitend ausführte — dahin, daß r dem normalen Tarif uns nähern; oder ihn in gewissen lationen sogar noch überbieten müßten. Das kann nicht gewollt n; der Herr Abg. Wuermeling wird doch nicht verlangen wollen, 5 die Staatsregierung, nachdem sie Jahrzehnte lang aus guten künden im Interesse der dicht zusammengedrängten Bevölkerung hen Tarif in Geltung gelassen hat, der diese Zwecke erreichte, ihn kt erhöht und gerade das Gegenteil von dem tut, was sie bisher richtig anerkannt hat.
Nun meinte der Herr Abg. Wuermeling, ich hätte bereits in der
Ganz in derselben der Verkehr auf unseren eigentlichen Vorortstrecken
hmmission ausgesprochen, daß die Betriebspflicht der Eisenbahn—⸗
waltung eine gewisse Begrenzung dadurch erfahre, daß wir einen ssentlichen Eingriff in die Substanz nicht als unsere Aufgabe an— ennten. Ich habe in der Tat diese Aeußerung gemacht. Ich bin bei von der Erwägung ausgegangen, daß man uns beispielsweise
cht zwingen könne, den Potsdamer Bahnhof mit dem Stettiner
sahnhof unterirdisch zu verbinden, oder im Interesse der Entwicklung 5 Stadtbahnverkehrs die eigentliche Stadtbahn etwa sechegleisig Ejubauen; ich bin aber nicht etwa von der Meinung ausgegangen, 5 wir jeder Pflicht zur Entwicklung des Vorortverkehrs, insbesondere Verpflichtung enthoben sein sollten, den Vorortsverkehr durch den obau dritter und vierter Gleise weiter zu fördern, wenn diese erweisung des Vorortverkehr auf besondere Gleise zugleich durch
R Interessen des Fernverkehrs geboten ist.
Es ist richtig, daß aus den 50 Mlllionen Mark, die die Regie⸗ ngevorlage anfordert, ein Teil für die Erweiterung der baulichen lagen bestimmt ist; das sind im wesentlichen die Erweiterungskosten E Abstellbahnhöfe, die für den elektrischen Verkehr ganz besonders gerichtet sein müssen. In diesem Zusammenhange kann ich auf den nwand des Herrn Abg. von Pappenheim eingehen, daß er meinte, E wäre ein ganz ungewöhnlicher Vorgang, daß die Regierung hier e Vorlage machte ohne spezifizierte, revidierte Kostenanschläge. Das ein Irrtum. Die Vorlage ist durch Einzelanschläge weitgehend bereitet. Ein großer Tell der Mittel, die wir hier fordern, sind Mittel
die eigentlichen Installationen. Da sind selbstverständlich Anschläge her angefertigt, die zur Verfügung stehen. Ein anderer Teil ist für Erweiterung unserer vorgesehenen Bahnhoftzanlagen bestimmt; auch ö Pauschalanschläge liegen vor; ste können ebenfalls vorgelegt rden.
Ich wende mich dann zu den übrigen Ausführungen des Herrn s. von Pappenheim, die aber nur einige wenige Lichtseiten für mich ten. Ich erkenne dankend ay, daß er mir und meinem Ressort ein ertrauensvotum ausgesprochen hat — wie es auch Herr Abg. nermeling tat. Besonders hervorheben möchte ich ferner seine Aus— rungen, er erkenne an, daß man in Zukunft sich die Vervoll⸗
mnnung der Betriebeinrichtungen auf der Stadtbahn nur im elek— schen Betriebe vorstellen könne. Freilich fügte er die Einschränkung uu, daß ein elektrischer Betrieb für die Strecke von Rummelsburg
Charlottenburg erwogen werden müsse; dieser Vorbehalt aber deutet für mich die Schattenseite seines Jugeständnisses. Denn darf ich aussprechen; den eleltrischen Betrieb lediglich
auf den reinen Stadtbahnverkehr zu beschränken ist nach meiner Auffassung und nach Auffassung meiner Berater völlig aus⸗ geschlossen, weil über die Stadtbahn sich der Vorortverkehr nach den verschiedensten Richtungen und der Verkehr mit der Ringbahn im Nord⸗ und Südringverkehr volljteht. Diese Verkehre würden wir, wenn wir ein anderes Betriebssystem auf der Stadtbahn und ein anderes für den Vorortverkehr und Ringverkehren einführten, meines Erachtens recht erheblich schädigen.
Der Herr Abg. von Pappenheim hat seine Einwendungen in zwei große Abteilungen, in die technischen und wirtschaftlichen Ein⸗ wendungen gegliedert. Ich habe leider aus seinen Worten ent⸗ nommen, daß die Auffassungen in technischer Beziehung sich nach wie vor ganz unvermittelt gegenüberstehen. Wenn er auch anerkennt, daß der Uebergang zum elektrischen Betriebe gewisse Vorteile biete, so ist er doch eigentlich in allen Spezialfragen anderer Meinung, zum mindessen zwelfelhaft, und verlangt weitere Eiprohungen. Er ist auch in Fragen, die meines Erachtens zutreffend nur von der Be⸗ triebs verwaltung beurteilt werden können, z. B. in der Frage, wieviel Triebgestelle oder elektrische Lokomotiven für den Betrieb gebraucht werden, ganz anderer Meinung. Er sagte: es ist unzwelfelhaft, daß die vorgeschlagene Zahl der Triebgestelle nicht genügt. Ja, meine Herren, in solchen Fragen muß ich mich doch mehr auf das Gut— achten melner Technlker verlassen.
Herr Abg. von Pappenheim meinte auch, daß das Einphasen⸗ system, wie es von uns eingeführt und begünstigt wird, wohl nur ein genialer Gedanke wäre oder daß es einem genialen Gedanken ent⸗ spränge. Ich verstehe wohl, worauf diese Wendung des Herrn Abg. von Pappenheim abzielt: es ist in der Tat ein genialer Erfinder, von dem dieser Gedanke herrührt, und um den dle preußische Staats⸗ eisenbahnverwaltung vom Inlande und vom Auslande beneidet wird (Abg. Vorster: Sehr richtigh, der aber auch schon sehr erhebliche und große Erfolge aufzuweisen hat. Ich verweise wiederholt auf unseren Blankenese=—Ohlsdorfer Betrieb und auf unsere Versuchs—⸗ strecke zwischen Dessau und Bitterfeld, wo der elektrische Betrieb nach unseren Feststellungen technisch Ausgezeichnetes leistet.
Was der Betrieb wirtschaftlich dort leistet, das können wir aller— dings heute noch nicht bestimmt sagen. Das wird sich erst ergeben, wenn das ganze Netz, fär welches wir die Elektrisierung vorgesehen haben, und für das wir daz große Kraftwerk bauen, dem Betriebe übergeben sein wird. Da soll man nicht zu früh schon verlangen, daß wir darüber Auskunft erteilen.
Herr Abg. von Pappenheim behauptete, daß meine Bezugnahme anf die Erfolge des einphasigen Wechselstroms auf ausländischen Bahnen, insbesondere auf englischen Bahnen, durchaus nicht zuträfe; ich glaube, er erwähnte die London — Brigthonbahn, vielleicht meinte er die Metropolitanbahn. Diese habe, trotzdem sie einphasigen Wechselstrom verwendet, nicht entfernt die Betriebsleistungen erzielt, von denen ich gesprochen hätte. Das ist richtig. Für die eben von mir erwähnte Bahn trifft das zu, aber sie fährt nur kurze Züge, weil sie nur kurze Bahnsteige hat, und ist gar nicht in der Lage, die elektrische Kraft so auszunützen, wie wir es hier tun werden, angesichts viel günstigerer örtlicher Verhäͤltnisse.
Herr Abg. von Pappenheim sagte: ja, wenn die Staatseisen. bahnverwaltung den veralteten Betriebspark beseitigt haben wird, wenn sie den Lokomotivpark der Stadt⸗, Ring⸗ und Vorortbahnen ausschließlich aus Typ P 12 zusammengestellt haben wird, dann wird sie eine außerordentliche Leistungssteigerung erzielen, dunn kann sie ruhig warten, ob der elektrische Betrieb seinerzeit, wenn eine Reihe von Zweifeln beseitigt sind, sich bewähren wird. Herr Abg. von Pappenheim ist mir aber doch nicht in meinen Ausführungen gefolgt, in denen ich darauf hinwies, daß nach Auffassung meiner erfahrenen Betriebs- und Maschinentechniker der Typ P 12 uns fast gar nicht fördern wird, daß die Einstellung von Lokomotiven dieses Typs, wie sie beabsichtigt ist — bis 1914 soll der Fanze Park mit diesen Maschinen versorgt sein — nur gerade genügen wird, um dem steigenden Verkehr Rechnung zu tragen. Auf den steigenden Verkehr komme ich später zurück.
Herr Abg. von Pappenheim hat uns dann die Auffassungen einer Reihe von hervorragenden Technikern vor Augen geführt, die sich gegen das von uns geplante System durchaus ablehnend verhalten, unter anderem auch des Dozenten an der hiesigen Technischen Hoch⸗ schule, Professor Cauer und des früheren Mitgliedes der Verwaltung, Herrn Garbe. Ich möchte darauf hinweisen, meine Herren, daß keiner von diesen Herren eine Verantwortung trägt. (Sehr richtig!) Die Verantwortung für den Betrieb und für die Durchführung des Betriebes kann allein die Staatgeisenbahnverwaltung übernehmen. (Sehr richtig) Mir ist die wissenschaftliche Bedeutung beider Herren durchaus gegenwärtig. Aber, meine Herren, vom Katheder sieht sich die Sache ganz anders an, als in der Praxts; das möchte ich sehr bestimmt aussprechen. (Sehr richtig!) Der Geheimrat Garbe ferner hat mit dem Erfinder der Heißdampf⸗ maschine, dem bekannten Ingenieur Schmidt in Cassel gearbeitet und ist ebenfalls ein hervorragender Erfinder. Er hat zweifellos große Verdienste um die Einführung der Heißdampfmaschinen. Frei⸗ lich darf ich bemerken, daß in den Jahren, seitdem er aus der Staats⸗ eisenbahnverwaltung ausgeschieden ist, die Heißdampflokomotive sich schon technisch weiter entwlckelt hat und heute ganz anders aussieht als vor 5, 6 Jahren. Aber daß eine Persönlichkeit, deren Bedeutung ich in jener Beziehung anerkenne, eine Persönlichkeit, die einer so hervorragenden Erfindung im Lokomotivwesen nahe steht, nicht sehr geneigt ist, den elektrischen Betrieb zu begünstigen, darüber, glaube ich, brauche ich wohl nicht viel Worte zu verlieren. In technischer Beziehung stehen eben die Auffassungen wie in der Kommission fast unüberbrückt gegenüber. ;
Ich meine aber, es sollte doch in jeder Beziehung beruhigend wirken, wenn ich ausspreche, wie ich es vorhin schon getan habe, daß die Staatseisenbahnverwaltung in einem Jahre oder in dem Zeit⸗ raum, den wir brauchen, um die nächste Gesetzesvorlage an den Land⸗ tag zu bringen, alle die technischen Zweifel klären und dem Landtage vor Augen führen wird, wie sich die Sache an der Hand der selbstverständ⸗ lich anzustellenden Versuche entwickelt. Es liegt darin eine so große Sicherheit, daß das hohe Haus sich wohl schon jetzt auf den Standpunkt der Regierung stellen könnte.
Nun hat Herr Abg. von Pappenheim auch die wirtschaftlichen Unterlagen angegriffen. Er hat sich darauf berufen, daß die Frequenzsteigerung, die wir von dem reichshauptstädtischen Verkehr erwarten, auf rein theoretischen Berechnungen beruhe, und er hat auf das Jahr 1912 hingewiesen, das bestätigen soll, daß
die Verkehrsentwicklung denn doch nicht so rapide ist, wie wir es angenommen haben. Meine Herren, wenn wir fest⸗ stellen wollen, wie sich der Verkehr voraussichtlich entwickelt, dann stellen wir nicht die Zahlen von einem Jahr zum andern fest, dann nehmen wir eine Reihe von Jahren, verglechen die Verkehrs— ziffern und kommen so zu Durchschnittswerten. Diese Durchschnitts⸗
werte sind allein zutreffend.
Herr Abg. von Pappenheim hat die Zahlen für das Jahr 1912 mitgeteilt; meine Zahlen lauten etwas anders. Auch im Jahre 1912 haben wir eine Vermehrung von praeter propter 4 bis 5 Millionen Passagieren. Jedoch sind die Zahlen, die sich in diesem Jahr ergeben haben, recht auffällig. Der Verkehr der gewöhnlichen Fahrkarten, d. h. namentlich für die Sonntagsausflügler, hat sich mit einem Plus von über 4 Millionen Passagieren normal entwickelt, obwohl der vorige Sommer, wie bekannt, einer der regenreichsten gewesen ist. (Sehr richtig! links Der Zeitkartenverkehr hat sich sogar glänzend entwickelt und ist um mehr als 5 Millionen gestiegen. Nur der Verkehr der Arbeiterwochenkarten ist beträchtlich zuräck— gegangen. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten) Er war freilich von 1910 auf 1911 um fast 13 Millionen Passagtere gestiegen, er ist aber von 1911 auf 19512 um 4 Millionen zurückgegangen. Der Grund ist ganz natürlich und erklärlich: er liegt in dem Darnieder⸗ liegen des Baugewerbes; und zwar ist das der einzige Grund, wie meine erfahrenen und zuständigen Betriebsstellen berichten. Wenn wir mit diesem Niedergang des Baugewerbes im Jahre 1912 nicht zu rechnen gehabt hätten, würde die Entwicklung des Verkehrs ebenso groß und großartig gewesen sein, wie in den letzten Jahren. Meine Herren, das, glaube ich, können Sse als sicher annehmen, daß die Schätzungen der Staatseisenbahnverwaltung nicht zu gering gegriffen sind; dafür bürgt eben die steigende Bevölkerung von Großberlin. Es wäre ja ein Wunder, wenn die Steigerung der Bevölkerung in den nächsten Jahren oder im nächsten Jahrzehnt geringer sein sollte als in dem abgelaufenen Jahrzehnt.
Nun hat Herr Abg. von Pappenheim gemeint, die Staatsg⸗ eisenbahnverwaltung verführe doch ungleichmäßig. Für Großberlin mache sie große Aufwendungen und gewähre billige Tarife, und draußen im Lande halte sie sich zurück, tue für den Vorortsberkehr nichts Be— sonderes und gäbe insbesondere keine Tarifermäßigungen. Das war wohl der Kern der Ausführungen. Ja, meine Herren, die Staats⸗ eisenbahnberwaltung muß eben für die Hauptstadt des Reichs, die 6 bis 7 mal so viel Einwohner hat als die größte Stadt Preußens, die etwa soviel Einwohner hat wie, glaube ich, die 14 größten preußischen Städte zusammen, angesichls der Verteilung der Be⸗ völkerung und angesichts des Bedürfnisses, in den Außenorten zu wohnen, außerordentlichz tun. Es gibt keine einzige Stadt im Königreich Preußen, die sich mit Berlin vergleichen kann. Das möchte ich aber doch feststellen: für die Beförderung der Bevölkerung sorgen wir allerorten! Wir haben unseren Nahverkehr in einer Weise entwickelt, daß kaum noch Wiünsche übrig bleiben; wir haben beispielsweise für den Nahverkehr in Ruhrrevier im Laufe der letzten 6 Jahre ganz Ungewöhnliches getan, und wenn ich vorher von den großen Kosten sprach, die wir in den Industrierevieren für die Güter- und Personenverkehrsanlagen auf⸗ wenden müssen, so beruhen diese zum nicht unerheblichen Teil darauf, daß wir unseren Fahrplan in ganz ungewöhnlicher Weise verdichtet haben, um dem Nahverkehr, dem Vorortverkehr Rechnung zu tragen. Daß wir nicht geneigt sind, dtese Tarifanomalien, diese Ausnahme⸗ tarife, die wir in Berlin haben und haben müssen, auf das Land auß⸗ zudehnen, werden Sie begreifen, und ich glaube mich zu erinnern, daß diese Auffassung, die ich hier schon wiederholt dargelegt habe, von der großen Mehrheit des Hauses und gerade von der Rechten als zutreffend anerkannt worden ist.
Abg. von Pappenheim meinte dann weiter, man sollte sich nur einmal die Rednerliste gelegentlich der Erörterung des Eisenbahn⸗ anleihegesetzes ansehen; Hunderte von Rednern sprächen für den Bau von Meliorationsbahnen, und wieviel käme dabei heraus! Er hat uns auch Zahlen vor Augen geführt, durch die der Beweis ge⸗ liefert werden sollte, daß in einer Reihe von Jahren für Neben⸗ bahnen nicht mehr Kapital hergegeben worden wäre, als jetzt für die Elektrisierung der Stadt⸗ und Vorortbahnen gefordert wird. Herr Abg. von Pappenheim, Sie haben aber doch vergessen zu erwähnen, daß jährlich 6 bis 8 Millionen zur Unterstützung des Baus von Kleinbahnen eingestellt werden, und ich darf weiter darauf hinweisen — und ich habe das schon wiederholt betont, und man hat mir von allen Seiten des Hauses zugestlmmt —, daß die Summen, die für den Bau von Meliorationsbahnen angeführt worden sind, noch ergänzt werden müssen durch die Summen, die wir für den Bau von Haupt⸗ bahnen einstellen, weil ja auch diese Hauptbahnen in weitestem Maße das Land meliorieren. (Sehr richtig! Ich wäre in der Lage, Ihnen im einzelnen nachzuweisen, was das Anleihegesetz, das in diesem Jahre mit einer kolossalen Summe abschließt, für den Aufschluß des Landes bedeutet. Ich meine, an diesen Tatsachen kann man denn doch nicht vorübergehen.
Dann ist Herr Abg. von Pappenheim auf die staatlichen Kraft⸗ werke eingegangen und hat gemeint, das bedeute doch wiederum einen neuen und unsicheren Faktor in unserm ganzen Kalkul. Ja, aber seine Ausführungen bewiesen mir — und seinen Ausführungen kann ich nur zustimmen — daß dieser unsichere Faktor nur zu einer er⸗ heblichen Verbesserung unserer Ertragsberechnung führen kann; denn er führte aus, daß nach der Regierungsvorlage der Strom von den Werken zu einem Preise von 3, 3 pro Kilowattstunde, glaube ich, angeboten werde, daß man vor Jahren dlesen Preis für außerordentlich niedrig gehalten habe, daß man aber heute etwas anderer Auffassung sei, daß die Kilowattstunde unter gewissen günstigen Verhaͤltnissen erheblich billiger produziert werden könne, namentlich wenn man die Nebenprodukte zu verwenden in der Lage wäre. Ich stelle nochmals, weil ich höre, daß Zweifel geäußert worden sind, folgendes fest: G3 ist die ausgesprochene Absicht, meine Herren, die se Kraftwerke als staatliche Kraftwerke zu bauen. (Brabo! links. Hört, hört! rechts. Es ist die Absicht, Strom, soweit er zur Ver— fügung steht, an alle abzugeben, die ihn nehmen wollen, namentlich an das platte Land. Es ist freilich auch erwogen worden, ob es nicht für den Betrieb eines solchen Kraftwerkes, das sich gleichzeitig auf privat⸗ wirtschaftlichem Gebiete nutzbar machen will, nützlich und notwendig sein werde, das gemischt, wirtschaftliche System anzuwenden, jedoch immer unter der Voraussetzung, daß der Staat maßgebend und ent. scheidend ist; anders ist es nicht gewollt.