mehr als Bedenken habe ich aber bezüglich des Antrags der Budget— kommission überhaupt nicht geltend gemacht. Es hat mir völlig fern gelegen, das Budgetrecht oder das Kontrollrecht des Reichstags
irgendwie bezweifeln oder einschränken zu wollen. Meine Herren, Sie sind in der Lage, durch thre Budgetkommission, durch Sube
kommissionen der Budgetkommission, durch besondere parlamentarische Kommissionen sovlel zu verhandeln und soplel zu beschließen, wie Ihnen zur Ausübung Ihres verfassungsmäßigen Rechts auf dem Ge— biete des Etatswesens irgendwie notwendig und nützlich erscheint. Ich habe nur gesagt: der Reichstag ist nicht in der Lage, eine gemischte Kom mission niederzusetzen, in der Mitglieder der verbündeten Re⸗ glerungen sowie andere, dem Parlament nicht angehörende Mitglieder sitzen sollen, sondern eine derartige gemischte Kommission kann nur der Herr Reichskanzler niedersetzen, weil es sich bier nicht mehr um die Aus= übung des Budgetrechts des Reichstags, sondern um eine reine Veiwal— tungsmaßregel handelt. (Sehr richtig! rechts.) Ich habe mich dann aber ausdrücklich bereit erklärt, Ihren Wünschen entsprechend eine derartige Kommission niederzusetzen, mit der einzigen Einschränkung, daß ich die Berufung der Reschstagsmitglieder für den Herrn Reichskanzler in Anspruch nehme, weil es sich eben um eine Verwaltungsmaßnahme und nicht um die Ausübung eines parlamentarischen Rechts handelt.
(Beifall rechts.)
Abg. Dr. Frank (Soz.): Diese Ausführungen bedeuten einen Rückzug gegenüber dem Vorher. Der Staats sekretär hat zuerst den Aus⸗ druck verfassungswidrig gebraucht und diesen schweren Vermurf bis zur Stunde nicht zurückgenommen; es wird Sache. des Reichstags sein, diesen Vorwurf zurückzuweisen. Ich bedauere, daß die von ver⸗ schiedenen Vorrednern gehaltenen Vorlesungen über staatswissen⸗ schaftliche Vorbildung so wirkungslos geblieben sind, Eine Kom⸗ mission, die die bewußten Vorgänge prüfen soll, übt doch keinen Akt der Exekutive aus. Dat denn der Reichstag bloß die in der Verfassung vorgesehenen Rechte? Es ist in der Verfassung nicht verboten, solche Kommissionen einzusetzen, also hat der Reichstag dazu daß Recht. Die Regierung sollte unt dankbar sein für unsere Anträge. Sie weiß offenbar gar nicht, bis zu welcher Tiefe das Mißtrauen draußen gediehen ist, und sie irrt, sich wenn sie meint, daß sie die nötige Autorität und das not wendige Vertrauen genießt. Eine solche Kommission kann irgend eine Dedeutung nur haben, wenn sie vom vollen Vertrauen des Landes, und des Volkes getragen ist; glauben Sie, daß man draußen im Lande zu den Er gebnissen einer Kommission Vertrauen haben würde, die die Re, gierung ohne jede Bindung beruft und deren Aufgaben sie bestimmt: Die Kommission wird so piel Vertrauen haben, wie die Regierung selbst, und dieses ist auf ein Minimum zusammengeschrum pft. Gewif bedeuten unsere Anträge eine Fortentwicklung der Verfassung. Werden sie nicht angenommen, so bitten wir, wenigstens die Kom— missionsresolution durch unsere Amendements zu verbessern.
Abg. Dr. Spahn Gentr); Der Staatssekretär hat in seiner zwelten Ausführung sich darauf beschränkt, zu sagen, der Antrag entbehre der Begründung durch die Verfassuug. Darüber läßt sich reden. Der Staatssekretär verkennt ganz und gar das Maß bon Mißtrauen, das gegen unsere Heeresverwaltung besteht. IJ bin brieflich von einer Seite, deren Berechtigung dazu ich durchaus anerkennen muß, gebeten worden, dafür einzutreten, daß der Kommission richterliche Befugnisse übertragen, würden, weil sonst das Mißtrauen im Volke nicht zu beseitigen wäre. Wir gehen mit unserer Forderung in der Resolution nicht über die uns gezogenen Grenzen hinaus. Der Effekt des Antrages liegt darin, daß die KRommission möglichst rasch zusammentritt und möglichst rasch ver⸗ handelt. Der Brief von den Deutschen Waffen, und Munitions— fabriken ist noch lange nicht aus der Welt geschafft. Deshalb haben wir das allergrößte Interesse, möglichst rasch in die Erörterung ein— zutreten. Es handelt sich hier um eine reine Frage des Kontroll—= rechts, wie es dem Reichstage überhaupt zusteht; wir können nach keiner Richtung darauf verzichten.
Abg. Graf We st arp (kons.): Ueber den Begriff der Verfassungs⸗
ö habe ich heute namentlich von dem Abg. Dr. Müller⸗ Meiningen sehr überraschende Aeußerungen gehört. Stillschweigende Verfassungsänderungen, Verfassungsänderungen durch konkludente Handlungen gibt es doch wahrhaftig nicht. Es werden hier Einzelhandlungen, die nicht im Einklang mit der Verfassung stehen, verwechselt init Verfassungsänderungsanträgen. Deshalb kann auch der Vorgang von 1905 nicht. maßgebend sein. Unsere Verfassung ist geschriebenes Recht und kann also nur auf demselben Wege abgeändert werden. Gegenüber dem Abg. Dr. Frank sage ich: Die Staatsgewalt geht aus von den verbündeten Re— ierungen, und der Reichstag ist zur Mitwirkung nur insoweit berufen, als ihm die Verfassung diese Mitwirkung ausdrücklich üver— trägt. Mit dieser Auffassung befinde ich mich mit sämtlichen Staats⸗ rechtslehrern in Uebereinstimmung. Als Eingriff in die Exekutive hatte ich die Nummer 2 des Antrags Albrecht bezeichnet. Als ich das tat, nahm ich an, er verlange, es sollten Zeugen und Sach— verständige vernommen werden, während er tatsachlich verlangt, es soll ein bezügliches Gesetz eingebracht werden. Da habe ich mich geirrt; ich habe sagen wollen, ohne eine solche gesetzliche Aenderung wäre es ein Eingriff gewesen. Dagegen kann ich nicht zugeben, daß der Reichstag das Recht hat, gemischte Kommissionen zu bilden, denen auch außerhalb des Reichstages stehende Personen angehören. Das ist lediglich Sache der Exekutive. Einen Eingriff habe ich auch darin erblickl, daß der Reichstag die einer solchen Kommission an— gehörigen Reichstagsmitglieder wählen soll; ihre Berufung ist wie die Berufung der Kommission Sache des Reichskanzlers, und der Reichstag hat nicht das Recht, den Kanzler zu zwingen, diese Mitglieder einzuberufen. Von dem, was ich über das Stats recht des Reichstages sagte, haben sich die Abgg. Erzberger, Paasche und. Müller⸗Meiningen ein völlig falsches Bild gemacht. Sie haben gegen eine Puppe gefochten. Ich habe gefordert, daß die Kommission sich beschränke auf das (Gebiet der etatsrechtlichen und rechnungsmäßigen Kontrolle, wobei ja auch die Zweckmäßigkeit der Vertbendung der Gelder gepruft werden könne; ich habe also die Prüfung der Zweckmaßigkett nicht. in Abrede gestellt. Gewarnt habe ich davor, daß die Kommission versuche, für die einzelnen Regierungshandlungen ein Recht der Zu— stimmung und Mitwirkung in Anspruch zu nehmen. Nicht aus den Worten des Staatssekretärs habe ich den Anlaß zu meinen Be— merkungen entnommen, sondern den allgemeinen Erfahrungen, die man mit solchen Dingen zu machen pflegt, und die Ausführungen des Abg. Dr. Frank haben mich abermals in meiner Auffassung bestärkt. Der Abg. Spahn wies auf die Größe des Mißtraueng hin. Dem möchte ich doch widersprechen. Ein gewisses Mißtrauen haben mir, das ist unsere Verpflichtung bei der Prüfung und Kontrolle. Aber daß darüber hinaus ein allgemeines Mißtrauen gegen unsere Kriege verwaltung bestehe, vor allem aber, daß es begründet sei, kann ich nicht zugeben.
Abg. Wal dste in (fortschr. Volksp: Graf Westarp ist gar nicht mißverständlich gewesen, noch mißverstanden worden. Er hat das Wesentlichste des Antrags Albrecht, daß ein Gesetz verlangt wird, erst nachträglich entdeckt, sonst hätte er seins Vorwürfe gegen den Kollegen Dr. Müller⸗Meiningen gar nicht erheben können. Daß sich die Nr. 1 des Antrages Altzrecht durchaus in den Grenzen der jetzigen Befugnisse des Reichetages hält, darüber ist alles einig. In Nr. 2 wird nichts als ein gewöhnliches Gesetz verlangt, wenn es auch materiell eine gewisse Fortbildung unserer konstitutionellen Verhältnisse hedeutet. Die Ausführungen des Abg. Spahn gehen doch in ihrer Konsequenz auf die Annahme des Antrages Albrecht. Man kann für beide Resolutionen stimmen, man kann auch den Wunsch nach einer varlamentarischen Untersuchungskommission aussprechen, und diese ist die bessere, namentlich in dem vorliegenden Fall.
Stellvertreter des Reichskanzlers, Staatssekretär des Innern Dr. Delbrück:
Meine Herren! Ich will auf die verfassungkrechtlichen Erörte— rungen nicht weiter eingehen. Ich nehme an, daß die Resolution der Budgetkommission zur Annahme gelangt. Sie wird mit der von mir angegebenen Modifikation durchgeführt werden. Ich hoffe, daß die Parteien des Hauses bereit sein werden, an den Arbeiten dieser Kom— mission teilzunehmen.
Ich muß mich aber gegen einige nicht staatsrechtliche Aus— führungen des Herrn Abg. Dr. Frank wenden. Herr Dr. Frank hat gesagt, die Regierung übersehe, wenn sie sich dem Antrage der Linken widersetze, daß im Volke ein tiefes Mißtrauen bestünde (sehr richtig! bei den Sozialdemokraten), daß man im Volke zur Regierung und ihren Vertretern nicht das Vertrauen habe, daß eine von ihr ein— berufene Kommission unparteiisch und mit absoluter Zuverlässigkeit arbeiten würde (Sehr richtig! bei den So sldemokraten. Meine Herren, Tatsachen für diese Behauptung sind nicht vorgebracht worden. (Unruhe bei den Sozialdemokraten.) Es ist also für mich einiger⸗ maßen schwierig, eine derartige Behauptung zu widerlegen. Denn die wenigen Fälle von Bestechungen, die gelegentlich und vereinzelt einmal vorkommen können, werden doch unmöglich die Behauptung begründen können, daß eine ganze Reglerung mit ihren Beamten und ihren Organen das tiefste Mißtrauen im ganzen Lande genieße!
Auch der Herr Abg. Dr. Spahn hat von einem tlefen Miß— trauen gegen die Regierung — — (Unruhe) gegen die Heeresberwal— tung gesprochen. Auch gegen diesen Ausdruck des Mißtrauens muß ich mit aller Entschiedenheit Verwahrung einlegen. (Andauernde Un— ruhe und Zurufe links.)
Meine Herren, wir sind bereit, die gemischte Kommission mit den von mir angegebenen Modifikationen einzuberufen, weil wir uns alle bewußt sind, daß wir, vom ersten bis zum letzten, redlich bestrebt sind, unsere Pflicht zu tun, und weil wir wissen, daß in weiten Kreisen des deutschen Volkes die Vorstellung davon besteht, daß unsere Re— gierung und unser Beamtentum absolut intakt sind und ihre Pflicht so tun, wie es von uns verlangt werden kann. (Bravo! rechts.)
Abg. Ledebour (Soz.): Ich möchte meine Befriedigung dar⸗ über aussprechen, daß der Abg. Spahn sich prinzipiell auf den Boden unseres Antrages gestellt hat. Ich hoffe, daß er daraus die logischen Konsequenzen ziehen wird. Der Staatssekretär hat eigentlich auch die Berechtigung unseres Antrages anerkannt, denn dieser verlangt die Einsetzung einer Kommission bloß aus Mitgliedern des Parlaments. Es ist relativ gleichgültig, ob der Gesetzentwurf, den wir vorschlagen, eine Verfassungsänderung involviert oder nicht. Die Verfassung kann jederzeit durch einfaches Gesetz geändert werden. Der Staatssekre— tär Delbrück und der Kriegsminister haben sich feierlichst dagegen derwahrt, daß die Regierung in diesen Tagen gewissermaßen eine Mitschuld auf sich geladen hätte. Was die Waffen- und Munitions⸗ fabriken anbetrifft, so mußte der Regierung doch der von meinem Freunde Liebknecht verlesene Brief bekannt sein. Es ist eine Unter— lassungssünde schwerster Art, wenn die Regierung nicht die prakti— schen Konsequenzen gezogen hat. Mußten da nichk die Interessenten der Regierung gegenüber zu der Auffassung kommen: Wir brauchen uns nicht zu genieren, sie schluckt alles? Eine schwere Sünde besteht auch in der Tatsache, daß der Kriegsminister gegenüber Enthüllungen, deren Richtigkeit er durchaus nicht bestritt und nicht bestreiten konnte, doch eine Abschwächung dadurch zu bewirken suchte, daß er sagte, mit demselben Rechte, wie man diesen Kanonen- usw. Fabrikanten vor— werfe, durch ihre Machenschaften europäische Geschichte zu machen, könnte man ihnen vorwerfen, daß sie heute den Balkankrieg ver— ursachen. Ich stehe nicht an, den Versuch, diese gravierenden Tat— sachen durch solche Bemerkungen abzuschwächen, als frivol zu be⸗ zeichnen. Der Präsident ruft den Redner wegen dieser Aeuße⸗ rung zur Ordnung.) Wir sind bereit, noch weitere Beweise an⸗ zuführen, wenn es nötig sein sollte. Ich erinnere nur an Tippels⸗ kirch u. Co. und ihre Hintermänner. Es kann nicht bestritten werden, daß das Reich durch alle diese Machenschaften schwer geschädigt worden ist.
Abg. Mert in⸗Oels (Rp.): Der konservative Redner hat auch in unserem Namen gesprochen. Der sozialdemokratische Antrag hat vor dem Kommissionsantrag einen Vorzug, daß er die Dinge bei ihrem Namen nennt. Er will ein Gesetz und damit eine Aenderung der Ver— fassung, und dabei wirft die Sozialdemokratie gerade immer der Rechten vor, daß sie die Verfassung ändern wolle. Man darf nicht vergessen, daß es sich hier nicht um eine rein parlamentarische Kommission handelt. Glauben Sie nicht, daß, wenn wir einer solchen Kommission widersprechen, wir keine Aufklärung wünschen, im Gegenteil, wir wollen diese Aufklärung durchaus und überall. Vergessen wir aber auch nicht, daß der Fall, der gerade in den letzten Tagen erörtert worden ist, dem Gericht zur Rechtsprechung überwiesen worden ist. Die Herren auf der Linken wollen doch sonst immer die Entscheidung durch die ordentlichen Gerichte. Eine solche Untersuchungskommission müßte gerade von allen politischen Dingen befreit sein. Glauben Sie nicht, daß bei uns in dieser Frage der Gedanke mitspielt, daß wir in dieser Kommission etwa nicht vertreten sein könnten. Die mehr oder deniger witzigen Bemerkungen des Abgeordneten Frank über unsere Fraktionsstärke oder -⸗schwäche fangen an, an Reiz zu verlieren. Cha— rakteristisch ist, daß heute im Abgeordnetenhause der sozialdemokratische Abgeordnete Borchardt in die Geschäftsordnung die Bestimmung aufnehmen wollte: als Fraktion gilt jede Gruppe von Abgeordneten mit besonderen Parteigrundsätzen. Sie sehen, die Sozialdemokraten haben zu dem Parlament der „Dreiklassenschmach“ mehr Vertrauen als zu dem Reichstage.
Abg. Dr. Spahn (Sentr.): Ich will noch einmal wiederholen, daß ein gewisses Mißtrauen vorhanden ist, aber dieses richtet sich nicht gegen die Regierung oder einzelne Beamte, sondern gegen die Verwaltung.
Abg. Dr. Pa asche (nl): Es ist bedauerlich, daß diese ganze Frage in diesem Moment aufgeworfen worden ist. Im Volke besteht nun einmal ein Mißtrauen. Von diesem Gesichtspunkte ist auch die Kommission ausgegangen. Sie verlangt deshalb, daß die Verhältnisse vor aller Oeffentlichkeit dargelegt werden, um zu beweisen, daß dieses Mißtrauen ungerechtfertigt ist. Deshalb müssen wir an Lieser Kommission festhalten. Gegen die Ausführungen des Grafen Westarp muß ich Protest erheben. Er will das Recht des Reichs⸗ tags beschränken. Wenn auf die Rechnungskommission hingewiesen ist, so prüft diese doch nur die etatsmäßige Verwendung.
Abg. Graf Westarp (kons ):; Der Ahg. Paasche macht mir den Vorwurf, als ob ich das verfassungsmäßige Recht des Reichstags beschränken will. Ganz energisch maß ich den Ausführungen des Abg. PDaasche widersprechen. Ich stelle ein für allemal fest, daß ich gesagt habe, der Reichstag hat das Recht der etatsmäßigen und iechnungs⸗ mäßigen Kontrolle. Ich habe auch hinzugefügt, daß auch die Zweck— mäßigkeit zu prüfen ist.
Nach einer weiteren Bemerkung des Abg. Dr. Paasche wird der Zusatzantrag der Sozialdemokraten durch den Abg. Bebel in einen wirklichen Antrag umgewandelt.
Der erste Absatz dieses Antrages wird gegen die Stimmen sämtlicher Sozialdemokraten und der großen Mehrheit der Fortschrittler abgelehnt, ebenso der zweite Absatz, für den diesmal alle Fortschrittler stimmen. Die Amendements der Sozialdemolraten werden von derselben Mehrheit abgelehnt. Der Kommissionsantrag wird unverändert angenommen gegen die Stimmen der Deutschkonservativen und der Reichspartei.
Bei dem Kapitel „Einnahmen aus dem Generalstabskarten“ bemüht sich der
Abg. Zimmermann (al) unter andauerndem Lärm und Unruhe des Hauses, Beichwerden der Buchhändler vorzubrin en, die sich dagegen wenden, daß jetzt das Meinisterium Ver n e ene in verschiedenen Staͤdten eingerichtet hat, die diese Karten der⸗
kaufen.
Abg., Erzberger (Zentr): Den Buchhändlern ist es mit ihren Klagen hitterer Ernst, und die Vorwürfe gegen sie sind nicht gerechtfertigt. Man sollte ihnen den üblichen Rabatt bewilligen, dann würde der Umsatz gesteigert werden.
Generalleutnant Staabs: Die Gründe, die zur Veränderung in der Vertriebsweise der Generalstabt karten geführt haben, sind in der Kommission genügend klargelegt worden. Für die Vertriebsstellen sind ausführliche Beslimmungen ergangen, wonach die Buchhändler in erster Linie von diesen berücksichtigt werden. Den Buchhãändlern ist auch ein angemessener Verdienst gesichert.
Abg. Liz. Mum m (wirtsch. Vg Auch daß dem berechtigten Verlangen der ö tragen wird.
Verkauf von
ich wünsche,
9 uchhändler Rechnung ge—
mit den Buchhändlern Vertrag mit d
Generalleutnant Staabs; Der Vertrag mit dieser Firma ist aufgehoben und an ihre Stelle ist die Landesaufnahme getreten. Weil sie nicht mit den Buchhändlern direkt in Verbindung treten kann, hat man die Vertriebsstellen eingerichtet.
Abg. Dr. Semler (nl): Wird hier keine Abhilfe geschaffen, wie es unsere Resolution vorschlägt, daß mit den Buchhändlern selbst ein Abkommen getroffen wird, dann werden diese leicht geneigt sein, sich andere Karten zuzulegen, sodaß wir aus dem Verkauf der Karten gar keinen Erlös hahen. Es ist auch die Frage nicht genau geprüft worden, ob die Zwischeninstanzen nicht auch den Kleinhandel treiben und so in Konkurrenz mit dem deutschen Buchhandel treten.
Die Resolution wird angenommen.
Die Einnahmen werden genehmigt.
—
Hierauf wird um T3½ Uhr die Fortsetzung der Etats⸗ beratung auf Donnerstag 2 Uhr vertagt; außerdem kleinere Vorlagen.
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 173. Sltzung vom 23. April 1913, Vormittags 11 Uhr.
(Bericht von „Wolffs Telegraphischem Bureau“ .)
Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen
ummer d. Bl. berichtet worden. ;
Bei der dritten Beratung des Gesetzentwurfs über
Maßnahmen zur Stärkung des Deutschtums in den
Provinzen Westpreußen und Posen und zwar bei der
allzemeinen Besprechung erklärt in Erwiderung auf Bemerkungen des Abg. Grafen Praschma (Zentr.) der
Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten
Dr. Freiherr von Schorlemer:
Meine Herren! Ich habe bereits in der Kommission bei der Beratung der Denkschrift der Ansiedlungskommission, als der Verkauf der Domäne Kotowiecko an den Kammerherrn von Lekow zur Sprache gebracht wurde, ausdrücklich erklärt, daß die Eigenschaft dieses Herrn als Kammerherrn auf den Abschluß dieses Vertrages irgend welchen Einfluß nicht gehabt hätte. Ich war, nachdem ich bis 14 Uhr ungefrühstückt in diesem Hause ausgehalten hatte (Heiterkeit), genötigt, während der Rede des Herrn Abg. Borchardt mich zu stärken, und war deswegen auch nicht in der Lage, seine Ausführungen über den Verkauf der Domäne entgegenzunehmen. Ich habe dieselben erst heute morgen in den Zeitungen gelesen und glaube mich auf die Bemerkung beschränken zu können, daß weder die Akten des Land— wirtschafte ministeriums, noch die inzwischen von mir eingezogenen Erkundi— gungen den geringsten Anhalt dafür bieten, daß die Gründe, welche der Herr Abg. Borchardt angeführt hat, für den Abschluß des Vertrages mit Herrn von Lekow in irgendeiner Weise ausschlaggebend gewesen sind. Ich habe die Akten auf das sorgfältigste geprüft, bzw. prüfen lassen, und aus denselben ergibt sich überhaupt kein besonderer Grund für den Abschluß dieses Vertrages. (Hört, hört! bei den Polen und Sozialdemokraten Wenn ich gestern ausgeführt habe, daß ver⸗ mutlich der Wunsch maßgebend gewesen wäre, bei dem öffentlichen Verkauf in der Subhastation die Konkurrenz zwischen dem Domänen— fiskus und dem Herrn von Lekow als Nachbar auszuschließen und unter allen Umständen den Verkauf an einen polnischen Käufer zu ver— hindern, so sind das meinerseits auch nur Vermutungen, die ich aus der ganzen Situation und der Lage der Verhältnlsse geschöpft habe, für die aber ein positiver Anhalt ebenfalls in den Akten nicht vor⸗ handen ist. (Abg. Hoffmann: Na, so dumm wird man doch nicht sein, es zu den Akten zu schreiben! — Glocke des Präsidenten.)
Abg. Korfant y (Pole): Der Behauptung des Ministers, daß die Domäne Kotowiecko in trostlosem, verlassenem Zustande gewesen sei, muß ich energisch entgegentreten. Die Domäne befindet sich in ganz ausgezeichneter Verwaltung. err von Leckow hat das Gut zu demselben Fin erstanden, den die Ansiedlungskommission ge⸗ zahlt hat. Da das Gut aber tatsächlich za. 150 006 „6 mehr wert ist, als dafür bezahlt worden ist, so hat Herr von Leckow 150 000 K geschenkt. bekommen. Das ist ein Beweis dafür, in welcher unver— antwortlichen Weise Staatsgüter an derartige Persönlichkeiten ver⸗ schleudert werden. Ich habe keine Veranlassung, auf diese Sache näher einzugehen. Ich überlasse es jedem, in seinem eigenen Hause für Sauberkeit zu sorgen. Der Abg. Kardorff hat fich in seinen gestrigen Ausführungen auf einen Franzosen berufen, der sich über die berrotteten Zustände, die im Polenreiche vor der Einverleibung in Preußen nach seiner Ansicht herrschten, geäußert hat. Aber dieser Behauptung, daß in der damaligen Zeitz, derartige Zustände bestanden haben sollen, widersprechen doch die Mitteilungen, die Friedrich der Große von den polnischen Verhältnissen gemacht hat. Im Jahre 1771. hob er in einem Briefe lobend hervor, daß die neuerworbenen ö dem preußischen Staat bereits 13 000 Taler ein— ringen. Im Jahre 1772 verbesserte er sich dahin, daß die nen⸗ erworbenen Probinzen der preußischen Staatskasse einen Reinertrag bon 1690 009 Talern zuführen können. Aber trotz der außerordent⸗ lich großen Vorteile, die Polen dem reußischen Staate bot, scheute sich Friedrich der Große nicht, die 6. mit Schimpfworten und den größten Verleumdungen, zu belegen. Präsident Dr. Graf von Schwerin: Ich bitte Sie, eine zerartige Kritik der preußischen Könige zu unterlassen; ich rufe Sie zur Ordnung)
(Schluß in der Zweiten Beilage.) K
Zweite Beilage
zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
Berlin, Donnerstag, den 24. April
18913.
M 9X. : ——— —
(Schluß aus der Ersten Beilage)
Was ich hier angeführt hahe, sind alles geschichtlich erwiesene Tat⸗ sachen. (Präsident Dr, Graf von . Ich bleibe bei meiner Ansicht und halte den Ordnungsruf aufrecht) Auch die Behauptung des Königs, daß er im Jahre 1775 180 Schulen in dem polnischen Lande gegründet, habe, entspricht nicht den Tatsachen. Wie man bei uns Kultur einzuführen versuchte, geht daraus herbor, daß man uns Soldaten als Volksbildner auf den Hals schickte. Die landesväterliche Fürsorge der preußischen Könige ging sogar fo weit, daß sie 12 000 polnische Familien aus ihrem Lande verwiesen. Fried⸗ rich Wilhelm II. hat den, Polen freie Religionsübung, Aluftecht⸗ erhaltung ihrer Nationalität und den Gebrauch der Muttersprache zugesichert, aber er hat sein Versprechen nicht gehalten. Polnische Güter wurden konfisziert, verschleudert und an Günstlinge verschenkt. So sieht es mit der landeshäterlichen Fürsorge preußischer Könige aus. Der Boykott ist gar keine neue Erscheinung. Als Preußen die polnischen Landesteile mit Beschlag belegte, begann auch der amt— liche Boykott; Güter durften an Landeseingefessene, also an Polen, nicht verkauft werden. Dunderte polnischer Existenzen gingen da⸗ mals zu Grunde. (Der Redner geht dann sehr ee rü auf die innere Kolonisation Friedrichs II. ein und sucht nachzuweisen, daß diesem und dem Staate kein Verdienst hieran n. — Der Präsident ersucht den Redner, seine historischen Exkurse nicht zu weit auszudehnen. Die Beamten waren bestechlich und suchten sich auf Kosten der einheimischen Bevölkerung zu bereichern. Die damali⸗ gen K. erinnern in mancher Beziehung an die heutigen. Auch heute tastet man unsere Religion, unsere Nationalität, unfere Sprache, unser Eigentum an. Man treibt eine Ausrottungöpolitik. Wie begründet man dieses Vorgehen? Durch angebliche revolutionäre Bestrehungen, die wir niemals gehabt haben. Weil der Pole spar— sam, fleißig, genügsam ist, muß er drangsaliert werden. Der preußische Richter ist den Einflüssen des Hakatismus zugänglich. Wir boykottieren nicht, wir verteidigen nur unseren Besitzstand. Man wirft uns vor, daß wir den Polen verrufen, der sein väterliches Gut an die Ansiedlungskommission verkauft. Natürlich, das ist ein Ver— räter, ein nichtswürdiger Mensch. Würden Sie (nach rechts) an unserer Stelle anders denken? Gewiß hat sich der Wohlstand in den polnischen Landesteilen gehoben. Aber das ist nicht Ihr Verdienst. Haben Sie eine Schule, einen Kilometer Eisenbahn uns zuliebe gebaut? Wir unterdrücken nicht, wir werden von Ihren Beamten unterdrückt. Glauben Sie, daß die Kulturwelt derartige Taten als Heldentaten lobt? Ist das ein Einfluß Ihrer christlichen Welt— anschauung? All diese Taten sind kein Ruhm, sondern eine Schande für unsere Unterdrücker. (Präsident Dr. Graf von Schwerin: Ich rufe Sie zum zweiten Male zur Ordnung und mache Sie auf die geschäftsordnungsmäßigen Folgen aufmerksam.) Wir vertrauen darauf, daß unsere gerechte Sache schließlich doch siegen wird.
Abg. Winckler (kons): Ich wollte nur einen Protest er— heben, und zwar nicht allein aus dem Kreise meiner politischen Freunde, sondern über die Grenzen meiner Fraktion hinaus, gegen die Art und Weise, wie der Abg. Korfanty die landesväterliche Fürsorge in den Propinzen Westpreußen und Posen zu verspotten unter— nommen hat, insonderheit gegen die Art und Weise, wie der Abg. Korfanty es unternammen hat, die Person und die Politik König Friedrichs des Großen zu enn , Die Worte des Vor⸗ redners sind nicht imstande, das Ürteil der Geschichte zu erschüttern. In der Geschichte steht fest, in welchem Zustande die Landesteile, die König Friedrich der Grech einer Monarchie zugefügt hat, vorher gewesen sind. In der Geschichte steht fest, wie diefe Landesteile aufgeblüht sind unter der Fürsorge der preußischen Könige und in allererster Linie unter der persönlichen Fürsorge Friedrichs des Großen. Ein unsterbliches Ruhmesblatt der Geschichte König Fried— richs des Großen und seines Staates wird immer die kolonisatorische Tätigkeit bleiben, die in jenen Landesteilen der König in persön⸗ licher Arbeit geleistet hat, persönlich im höchsten Sinne des Wortes gemeint. Was an Wohltaten diese Tätigkeit den polnischen Landes— teilen zugefügt hat, hat die damalige polnische Bevölkerung durchaus anerkannt. Me zur zweiten Teilung Polens geschritten wurde, kamen polnische Bauern zum König und baten darum, daß die schwarz- weißen Grenzpfähle . ihrer Güter gesteckt würden, und was die preußische Schule in jenen Landesteilen geleistet hat, in denen es damals noch keinen Mittelstand gab, das steht im Urteil der Geschichte fest. Die Rücksicht guf das Volkstum und auf die Sprache der polni⸗ 6e Bewohner ist betätigt worden, solange sie sich selbst als loyale Intertanen gefühlt haben, und erst als das Gegenteil eintrat, mußte eine andere inn zur Geltung kommen. Wenn uns jetzt von polni⸗ scher Sejte entgegengehalten wird, daß die Polen loyale Untertanen des preußischen Staates seien, so wird man in Zukunft auf die heutige Rede des Abg. Korfanty hinweisen, die nach dieser Richtung die genügende Klarheit geschaffen hat. Auch bei uns sind Erinne⸗ tungen vorhanden, wir wissen, wie die Wohltaten, die die landes⸗ bäterliche Fürsorgé der Provinz Posen erwiesen hat, mit Undank be— lohnt sind, mit Auflehnungen und Aufständen. Die gegenwärtige Haltung der polnischen Vertreter hat uns in die Politik hineinge— drängt, die wir in dem Namen der Ostmarkenpolitik zusammenfassen, und deren defensiven Charakter der Minister mit Fug und Recht betont hat. Wenn wir in Konsequenz der uns aufgedrängten Politik im Osten jetzt nicht nur durch allerlei Maßnahmen den deutschen Besitz schützen, sondern guch deutsche Bauern wiederum ansiedeln, so werden wir durch die Notwendigkeit gedrängt in die Bahnen, die Friedrich der Große uns gewiesen hat, dessen unsterblichen Namen zu derunglimpfen und herabzusetzen das vergebliche Bemühen des Abg. Korfanty und seiner Freunde bleiben wird.
Ein Schlußantrag wird angenommen.
Abg. Borchardt (Soz) bemerkt zur Geschäftsordnung: Ich bedaure, durch den Schluß verhindert zu sein, dem Minister mein inniges Mitleid dafür auszudrücken, daß er gestern bis 3M Uhr nicht geffrühstict hat. Ich bedaure weiter, verhindert zu sein, dem Minister mein Mitleid dafür auszudrücken, daß er nach echter Bureaukraten⸗ manier 1. damit begnügt hat: was nicht in den Akten ist, ist nicht in der Welt.
Abg. von Trampezynski (Pole) bedauert, an dem Nach⸗ weis verhindert zu sein, daß der Abg. Winckler die Geschichte in ihr Gegenteil verkehrt hat. ⸗
Abg. Borchardt (Soz): Ich habe noch etwas vergessen. Ich bedaure drittens, durch den Schluß verhindert zu sein, den Äbg. Winckler zu fragen, ob vielleicht auch dem Herrn von Leckow sein Gut aufgedrängt ist. ; .
Abg. Korfanty (Pole) bemerkt, daß er nicht das Andenken
Friedrichs des Großen verunglimpft, sondern sich lediglich auf diplo⸗
matische Akten und Privatbriefe des Königs bezogen habe. . Die Vorlage wird darauf in ihren einzelnen Teilen und bei der Gesamtabstimmung im ganzen gegen die Stimmen der Polen, des Zentrums, der Freisinnigen und Sozialdemokraten angenommen.
Darauf wird bie am ö ,. zweite Be⸗ ratung des Gesetzentwurfs, betr. Ab cnderungder rheinischen k und Ge⸗— meinheitsteilungsgesetze, fortgesetzt.
Die Kommission hat die Beschränkung auf die Rheinpro⸗ vinz fallen en und die Vorlage so geändert, daß sie für den ganzen Staat gilt. Nach der Kommissionsfassung kann die Aus⸗ einandersetzungsbehörde, wenn von der wirtschaftlichen Um— legung (Jusammenlegung, Konsolidation, Verkopplung, Ge⸗ meinheitsteilung, Spezialseparation) von Grundstücken eine er— hebliche Verbesserung der Landeskultur zu erwarten ist, die e nnen lenng einleiten, und sie hat es zu tun, wenn ein Viertel der betroffenen Eigentümer es beantragt.
Die Abgg. von Pappenheim (kons., Leppel— mann (entr.) und Freiherr von Zedlitz sfreikons.) be⸗ antragen, das . wieder 29 die Rheinprovinz zu beschränken und die Worte „Konsolidation, Verkoppelung“ zu streichen.
Der Abg. St upp (Zentr) hat am Montag bereits einen von ihm gestellten Antrag begründet, wonach die durch die zorlage beseitigte Bestimmung des geltenden rheinischen Zusam⸗ menlegungsgesetzes von 1885, daß bei einem Widerspruͤch von . Sechsteln der Eigentümer die K unter⸗
leibt, wiederhergestellt werden soll. er Abg. Stupp bean— tragt ferner folgende Resolution:
„»die Regierung zu ersuchen, möglichst bald einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den das Verfahren in Zusammenlegungsfachen in einer den Rechtdanschauungen der neueren Zeit entsprechenden Weise geregelt wird“.
Abg. Weis sermel (kons): Ein großer Teil meiner Freunde und auch das Zentrum und die Freikonserbativen sind der Auffassung, daß die Uebertragung des Gesetzentwurfs auf die ganze Monarchie nicht zuträglich wäre. Wir sind der Ansicht, daß eine solche Ausdehnung nicht ohne provinzielle Zustimmung angängig ist. Ramens meiner Freunde bitte ich deshalb, den Antrag Pappenheim an— zunehmen. Die Bestimmung im Gesetz von 1885, daß bei einem Widerspruch von fünf Sechsteln der Eigentümer die Zusammenlegung unterbleibt, hat nur ungünstig gewirkt. Sie hat Unzufriedenheit und Erregung unter den Beteiligten hervorgerufen. Sie hat auch nur in zwei Fällen seit 1885 die Jusammenlegung verhindert. Deshalb haben wir keine Veranlassung, diese Bestimmung aufrecht zu er⸗ halten. Ich bitte daher, den Antrag Stupp abzulehnen.
Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer:
Meine Herren! Ich glaube mich in der Annahme, daß Sie den ausführlichen Bericht Ihrer Kommission inzwischen zur Kenntnis ge⸗ nommen haben, nicht mehr eingehend über den Zweck des Gesetzes und über die zur Vorlage der Staateregierung gemachten Abände— rungsvorschläge verbreiten zu sollen.
Es ist ja allseitig bekannt, daß die landwirtschaftliche Ver— waltung mit diesem Gesetzentwurf im wesentlichen zwei Ziele ver⸗ folgte: sie wollte einmal die Zusammenlegung als solche durch Be⸗ seitigung derjenigen Bestimmungen erleichtern, welche in den gegen⸗
wärtig geltenden Gesetzen für die Rheinprovinz im Gegensatz zu
anderen Provinzen enthalten sind, und sie wollte außerdem durch die in Art. V des Gesetzentwurfs vorgesehenen besonderen Vorschriften die Aufforstung und den Schutz gegen Hochwasser durch Aufforstung fördern! Die Staatsregierung beabsichtigte, wie schon aus der Ueberschrift des Gesetzes hervorgeht, diese Bestimmungen nur für die Rheinprovinz zu treffen. Wenn Ihre Kommission weitergegangen ist und eine Aus— dehnung dieser Bestimmungen auch auf andere Landesteile in Vor— schlag gebracht hat, so erkenne ich ohne weiteres das Zweckmäßige und Nützliche einer solchen Ausdehnung des Gesetzentwurfs an; ich habe aber doch Bedenken, ob es richtig sein würde, ohne Anhörung der Provinziallandtage und Landwirtschaftskammern (sehr richtig! rechts) den Gesetzentwurf auf andere Landesteile auszudehnen, und ich möchte deshalb auch befürworten, den Antrag des Heirn Abg. von Pappen⸗ heim anzunehmen und insoweit die Regierungsporlage wieder herzustellen. (Bravo! rechts und im Zentrum.)
Meine Herren, ich kann mich dann auch mit den Abänderungen einberstanden erklären, welche Ihre Kommission in Artikel v des Gesetzentwurfs vorgenommen hat. Unsere Absicht war ja nicht die einer besonderen Schikane oder Belästigung der in Frage kommenden Grundstückseigentümer, sondern lediglich dahin ge— richtet, in den hochwassergefährdeten Gebieten und in den Gebieten wo durch Aufforstungen ein besseres Zurückhalten des Niederschlags⸗ wassers berbeigeführt werden kann, die Zusammenlegung und im Zu— sammenhang damit auch die Aufforstung zu erleichtern. Dieser Zweck wird, wenn auch nicht in so ausgedehntem Maße, auch durch die in der Kommission gemachten Abänderungsvorschläge erreicht, und ich kann mich, wie bemerkt, aus diesem Grunde auch damit einverstanden erklären.
Anders, meine Herren, liegt es mit dem Antrage des Abg. Strupp den er in der vorigen Sitzung hier eingehend begründet hat. Nach diesem Antrage sollen in dem Gesetze vom 24. Mai 1885, und zwar in 5 1 Abs. 2, die Wort stehen bleiben: Die Zusammenlegung unterbleibt, wenn im Einleitungstermin „, der Eigentümer wider—⸗ sprechen. Schon der Herr Vorredner hat hervorgehoben, daß diese Bestimmung eine Eigentümlichkeit der Rheinprovinz darstelle, die mit Rücksicht auf die dort obwaltenden Verhältnisse, mit Rücksicht auf die gleichen Verhältnisse in anderen Provinzen und auch mit Rücksicht auf die Erfahrungen, welche im Laufe der Jahre gerade mit dieser Ge⸗ setzesvorschrift gemacht worden sind, unbegründet ist. Meine Herren, wir haben die Akten der Vergangenheit eingehend geprüft und haben fest— gestellt, daß seit dem Jahre 1885 von dieser Gesetzesbeslimmung nur in zwei Fällen wirklich hat Gebrauch gemacht werden können, einmal bei einer Zusammenlegung in der Gemeinde Worringen, Landkreis Cöln, und dann bei einer Zusammenlegung im Kreise Neuß. Aber anderseits ist es ebenso nach den übereinstimmenden Berichten der Spezialkommtssare und der Generalkommission in Düsseldorf fest⸗ stehende Tatsache, daß gerade diese Bestimmung dauernd Anlaß zur Erregung, Unzufriedenheit und Agitation in den beteiligten Gemeinden gegeben hat und die wünschenswerte Zusammenlegung in vielen Fällen direkt in Frage stellt. Ich glaube, Sie werden mit mir der Meinung sein, daß es zweckmäßiger ist, eine Bestimmung zu beseitigen, die den ursprünglich gewollten Erfolg nicht gehabt hat, die aber auch in Zukunft geeignet erscheint, die doch zweifellog wichtige und nützliche
Zusammenlegung in vielen Bezirken unnötig und gewiß nicht in Wahrung der Interessen der Beteiligten zu erschweren.
Meine Herren, der Abg. Stupp wird es mir nicht übel nehmen, wenn ich im übrigen aus seinen Ausführungen an verschiedenen Stellen den Eindruck gewonnen habe, daß er noch etwas in den Anschauungen befangen ist, welche in den 70er und 80er Jahren in der Rheinprovinz herrschten, Anschauungen, welche die Zusammenlegung vielfach nicht als Vorteil, sondern direkt als eine Benachteiligung der Beteiligten auffassen, von denen ich aber in genauer Kenntnis der Verhältnisse und der Stimmung in der Rheinprovinz sagen kann, daß sie im Laufe der Jahre beinahe überall überwunden worden sind. (Abg. Glatzel: Sehr richtig h
Meine Herren, wenn man als Vorteil des bisherigen Zustandes der Zusammenlegung gegenüber anführt, daß gerade die Beibehaltung der einzelnen Parzellen die Seßhaftigkeit der Landbevölkerung er— leichtere und sichere, so sprechen dagegen doch die Erfahrungen, die in weiten Gebieten der Rheinprovinz, in der Eifel und auf dem Huns⸗ rück gemacht worden sind; gerade da ist die Parzellenwirtschaft so ausgedehnt, daß man schon vielfach dem Gedanken näher— treten wollte, gesetzlich eine Minimalparzelle gegen die weitere Zerkleinerung des Grundbesitzes festzulegen. (Sehr richtig) Ich glaube, der Wegzug so mancher Bewohner aus den dortigen Gegenden, die Verödung mancher Dörfer und kleineren Städte ist der sprechende Beweis dafür, daß ohne ein Eingreifen durch Zusammenlegung die Landbevölkerung auf ihrer Scholle nicht erhalten werden konnte. Ganz abgesehen dapon ist auch unter allen Beteiligten die Meinung übereinstimmend, daß nichts zweckmäßiger für den kleinen landwirtschaftlichen Betrieb ist als die Zusammen—⸗ legung der Parzellen, die die Wirtschaft erleichtert und verbilligt und dem Besitzer auch wieder Freude an seinem Eigentum gibt, das er nun sobiel wie möglich in einer Hand und in geschlossenem Besitz zusammenhalten kann. (Sehr richtig) Ich muß offen erklären, daß die Annahme des Antrages des Herrn Abg. Stupp einen wesent— lichen Vorteil des Gesetzentwurfs für die landwirtschaftliche Verwaltung beseitigen würde, und daß ich wohl nicht in der Lage sein würde, bei Annahme dieses Antrages den Gesetzentwurf als annehmbar zu erachten!
Ich darf dann gleich nech den zweiten Antrag des Herrn Abg. Stupp erwähnen, der die Vereinfachung und Reform der gegen— wärtigen Gesetzgebung über Zusammenlegung und Verkoppelung von Grundstücken betrifft. Ich habe schon in der Kommlssion erklären können, daß ich anerkenne, daß zahlreiche in den verschiedenen Zu⸗ sammenlegungsgesetzen enthaltenen Bestimmungen den modernen Ver⸗ hältnissen nicht mehr entsprechen, und daß auch eine Verein fachung des Verfahreng an sich angezeigt ist. Aber so einfach und so leicht, wie sich manche diese Aenderung der Gesetzgebung vorstellen, ist fie nicht (sehr richtig! rechts), und es wird sehr eingehende rüfungen und Beratungen erfordern, wenn eine Gesetzezborlage im Sinne der Herren Antragsteller dem Landtag unterbreitet werden sollte. Ich glaube, aber daß sie auf anderem Wege dazu kommen, Ihre Ansichten auf dem in Frage stehenden Gebiete zu äußern. Es ist, wie bekannt, in Aussicht genommen, daß schon in der nächsten Session des Landtags eine Vor⸗ lage eingebracht werden soll, welche in den Provinzen Ostpreußen, Westpreußen und Posen unter Aufhebung der Generalkommission in Königsberg die Geschäfte der Auseinandersetzungs behörden auf die ordentlichen Gerichte und die Behörden der Allgemeinen Landes⸗ verwaltung überträgt. Die Erörterung dieser Vorlage wird jeden⸗ falls Gelegenheit bieten, die ganze in Betracht kommende Gesetzgebung zu prüfen, und der Gesetzentwurf, den die Staatsregierung für die von mir genannten Provinzen vorschlagen will, wird gleichzeitig An— haltspunkte dafür ergehen, ob und in welcher Weise auch in den anderen Provinzen, insbesondere in Westfalen, in der Rheinprovinz und in Hessen-Nassau, gleichartige Bestimmungen getroffen werden können.
. Abg. Stupp Gentr): Nach den Erklärungen des Ministers ziehe ich meinen Abänderungsantrag zurück. . Abg. Freiherr von Los entr): Die Meinung in den kleinbäuerlichen Kreisen über die Zusammenlegung hat sich in letzter Zeit wesentlich gebessert, nachdem man die Vorteile gesehen hat, die sich aus der Jufammenlegung ergeben haben. Aber immer noch be⸗ denklich findet man es, daß man in den Gesetzentwurf eine Be⸗ stimmung aufnehmen will, wonach die Enteignung angewandt werden darf. Wir werden der Enteignung nur dann zustimmen, wenn uns Sicherheit dafür gegeben wird, daß sie nur da angewendet wird, wo Ras unbedingte Staatswohl in Frage steht. Wir bitten auch, bei der Enteignung mit äußerster Vorsicht vorzugehen, Ferner wünschen wir, daß unsere in der Kommission geäußerten Wünsche auch in dem Ge⸗ set. Berücksichtigung finden. Wir. halten es für richtig, daß nach dem Gesetz der Behörde auch eine Initiative beim Verfahren borhehal ten ist. Die Befürchtung, daß durch die Zusammenlegung der Latifundien⸗ besitz ausgedehnt werden könnte, teile ich nicht. Wäre diese Befürch= tung begründet, so wäre ich der letzte, der für dieses Gesetz stimmen könnte. Die JZusammenlegung wird gerade dem kleinen und mittleren 66 wesentliche Vorteile bringen. Ein besonderer Vorteil ist auch der, daß die Kostenverteilung in einer der Billigkeit entsprechenden Weise vorgenommen werden kann. Das ist bei Brückenbauten und anderen Veranstaltungen von großem Wert. Meine politischen Freunde hoffen, daß das Gesetz für die Rheinprovinz und für die
rheinische Landwirtschaft von reichem Segen sein wird.
Abg. Glatze! (al): Auch ich kann die Zustimmung meiner Freunde zu dieser Vorlage erklären, auch die Zustimmung zu den von der Kommission vorgenommenen Aenderungen, die als Verbesserungen zu betrachten sind. Was die Anträge betrifft, so hätten wir gegen den Antrag Stupp gestimmt, wenn er nicht zurückgezogen worden wäre. Für den Antrag von Pappenheim stimmen wir aus Zweck= mäßigkeitsgründen, um das Schicksal des Entwurfs nicht im letzten Moment aufs Spiel zu setzen. Ueber den Entwurf ist nicht viel mehr zu sagen. Dem Grundgedanken der Stuppschen Resolution können wir zustimmen. Ich hoffe, daß die Landbevölkerung sich mit dem Gesetz befreunden und daß dieses dann Segen stiften wird. ,
Abg. Dr. Flesch . Volksp.): Ich würde es für gut gehalten haben, das Gesetz gleich auf den ganzen Staat auszu⸗ dehnen; die n r nn, und der Landesausschuß der Rhein. e, hätten jedenfalls die Ausdehnung auf den Regierungsbezirk
iesbaden gewünscht, weil dadurch die Konsolidation erleichtert 2 en würde. Für die efolution des g. Stupp sind wir natürlich auch, denn das jetzige Zusammenlegungsverfahren ist sehr schwierig, und es ist mindestens eine Kedifikatien und Vereinheitlichung bieset Gefeßz