Freundschaft und eine Reihe alter Verträge, die England als bindend anerkenne, mit ihm verbunden. Die portugiesische Regierung müsse jedoch in Betracht ziehen, daß, wenn sie nicht vorsichtig sei, Verhãältnisse sich ergeben könnten, unter welchen England sich auf. der einen Seite seinen vertraglichen Verpflichtungen gegenübergestellt sehen könnte und auf der anderen Seite einem beinahe unwiderstehlichen Ausbruch der öffentlichen Meinung im eigenen Lande. Er hoffe, die Regierung werde in dieser und vielleicht auch in anderen Fragen nichts tun, was sie in ein solches unglückliches Dilemma bringen könnte.
Frankreich.
Die Deputierten kammer erörterte gestern den Artikel 3 der Finanzgesetze, wonach vom 1. Januar 1915 ab die Grundbesitzsteuer in eine Verhältnissteuer verwandelt, und die persönliche Mobiliarsteuer durch eine allgemeine ge⸗ staffelte Einkommensteuer ersetzt wird.
Der Finanzminister Dumont erklärte laut Bericht des W. T. B.“, daß man im Laufe des Jahres 1915 die Einkommen; steuer auf 250 005 Steuerzahler ausdehnen könne, wenn man dabel die verwasltungstechnischen Möglichkeiten berücksich ige. Er fügte hinzu, daß er nicht mehr versprechen könne, als er zu halten ver⸗ möchte. Es fei aber unmöglich, die Steuer dann auf drei Millionen Stelierzahler auszudehnen. Der Radikale Malvy widersprach unter dem starken Beifall der äußersten Linken und eines Teiles der Linken, indem er darauf bestand, daß die Reform vom JL. Januar 1915 ab vollständig durchgeführt werde. Der Minister des Innern Klotz, der kürzlich als Finanzminister den Senat für eine Febergangsmaßnahme stimmen ließ, stellte sich auf Dumonts Seite und fügte hinzu, daß man kein festeres Versprechen abgeben könne. Der Vijepräsident der Abordnung der Linken Renoult machte eben⸗ falls unter dem Beifall der äußersten Linken und eines Teiles der Linken der Regierung den Vorwurf, daß sie die Entlastung des Grundbesitzes durch die verspätete Anwendung der Einkommensteuer in Frage stelle.
Die Kammer nahm mit 547 gegen 3 Stimmen die Um⸗ wandlung der Grundbesitzsteuer an und schließlich auch mit 424 gegen 136 Stimmen die Anwendung der Einkommensteuer vom J. Januar 1915 ab. Der gesamte Artikel wurde mit 436 gegen 33 Stimmen angenommen.
Die Abgeordneten Jacquier. (Radikal) und Javal ssozialistischer Radikaler) verteidigten sodann einen Zusatzantrag, der dahin zielt, in das Budget für 1914 die Deckung der neuen Militärvorlagen in Gestalt einer gestaffelten Ein kommen⸗ und Vermögenszuwachs steuer einzufügen, und gleichzeitig Maßnahmen vorsieht, um Steuerhinterzlehungen zu unterdrücken.
— Die Armeekommission des Senats hat gestern mit allen gegen eine Stimme die Einstellung der Zwanzigjährigen angenommen. Die Kommission schlägt dor, die von der Kammer angenommene Vorlage anzunehmen unter dem Vorbehalt, daß ein späteres Gesetz in gewissen, weniger wichtigen Fragen in dem Gesetz über die dreijährige Dienstzeit den vom Senat gewünschten Abänderungen Rech⸗ nung trägt.
— Amtlichen türkischen Mitteilungen zufolge ist es bei der Besetzung von Kirkilisse zu einem Gefecht mit der bulgarischen Infanterie gekommen. Die Bulgaren sprengten unmittelbar vor ihrem Abzuge die Kasernen, das Munitions— depot und die öffentlichen Gebäude in die Luft. Der Kom⸗ mandant der Kavallerie des rechten Flügels meldet, daß an verschiedenen Punkten der Stadt noch immer Exzplosionen erfolgen.
Die „Agence Bulgare“ meldet, daß von den Serben und Griechen zahllose Schreckenstaten begangen würden. Be⸗ sonders grausam soll von den griechischen Truppen, die von Antarten und mohammedanischen Baschibozuks begleitet waren, in den Dörfern Djakowo und Novoleso gegen die Bevölkerung verfahren worden sein.
Nach Meldungen des serbischen Pressebureaus haben bei Pirot zwei bulgarische Bataillone mit einem Maschinengewehr die serbischen Vorposten in Garvan angegriffen, wurden aber mit beträchtlichen Verlusten auf bulgarisches Gebiet zurück⸗ gewiesen. Bei Detschani und Kladenatz wurde der Feind, der unerwartet die serbischen Vorposten auf der Grenzlinie an⸗ gegriffen hatte und auf kurze Zeit einige Kilometer weit in serbisches Gebiet eingedrungen war, ebenfalls wieder über die Grenze zurückgeworfen. Am vorgestrigen Tage und in der Nacht versuchte der Feind einen Angriff von Trn her in der Richtung auf Wlassina, wurde jedoch mit beträchtlichen Verlusten geschlagen. In der Gegend von Egri Palan ka spielten sich auf dem äußersten linken Flügel Kämpfe an der Grenzlinie ab, die ohne große Bedeutung sind. In der vorletzten Nacht versuchten die Bulgaren in der Richtung von Zarewo Selo einen Angriff auf die serbischen Truppen. Die serbischen Truppen waren jedoch auf ihrer Hut und warfen die Bulgaren in ihre alten Stellungen zurück. Gestern früh wiederholte der Feind seinen Angriff; der Kampf dauerte mit Unterbrechungen den ganzen Tag über an.
Die griechischen Truppen haben, wie „W. T. B,“ meldet, den linken Flügel der Bulgaren auf Razlok und Me⸗ homia zurückgeworfen.
Rumänien.
Die Depesche, die der König von Bulgarien am 21. d. M. an den König Karl gerichtet hat, hat nach „W. T. B.“ folgenden Wortlaut:
Der lebhafte und tiefgefühlte Wunsch, der mich beseelt, der gegenwärtigen peinlichen Lage endgültig ein Ende zu setzen, drängt mich dazu, mich noch einmal in meinem Namen und im Namen meiner Regierung an Eure Majestät zu wenden, um Sie um
den Abschluß des Friedens zu bitten. Indem wir so handeln, haben wir keineswegs die Absicht, die eventuelle gũnstige Aufnahme, die Eure Majestät dieser Bitte . würden, dazu zu benutzen, um den Kriegszustand mit Serbien und Griechen⸗ land fortzusetzen. Meine Regierung ist im Gegenteil fest entschlossen, mit diefen beiden Ländern rasch Frieden zu schliegen. Sie hat dies eben bewiefen durch die Entsendung ihrer beiden Delegierten nach Nisch, die mit den weitgehendsten diesbezüglichen Vollmathten ver⸗ 6 sind. Sie ist bereit, wenn Serbien und Griechenland ihrer⸗ eits mit derselben Maßnahme erwidern, sofort die Feind⸗ seligkeiten einzustellen und mit der Demobilisierung der Armee vorzugehen. Sie hat alle Bürgschaften gegeben und ist noch bereit, alle Bürgschaften zu geben, die für die Aufrichtig⸗ keil ihrer Absichten und dieser Erklärung, die ich heute in ihrem Ramen abgebe, gefordert werden können. In diesem Gefühle bitte ich Eure Majestaͤt, sie ihrerseits als befriedigend anzusehen und den Vormarsch der Truppen einzustellen. Ich und mein Regierung werden in diesem Akte Eurer Majestät eine glückliche Vor⸗ bedeutung für die baldige und herzliche Wiederaufnahme der Be⸗ ziehungen zwischen umseren Völkern erblicken, die durch so viele Erinnerungen und gemeinsame Interessen geheiligt sind. und die wir mit tiefem Bedauern einen Augenblick K . . erdinand.
Der König Karl erwiderte mit folgender Depesche:
Ich beeile mich, das Telegramm Eurer Majestät zu erwidern, indem ich Ihnen die Versicherung gebe, däß ich von demselben Wunsche wie Sie beseelt bin, sobald als möglich einer Lage ein Ende zu setzen, die ich um so mehr beklage, als sie einen Augenblick die guten Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern zu trüben vermocht hat, die fo viele Erinnerungen geheiligt haben. Meine Regierung hat der Regierung Eurer Majestät die Bedingungen be⸗ kannt gegeben, die die Wiederherstellung vertrauensvoller Beziehungen zwischen unferen beiden Staaten gestatten, deren Auf recht⸗ erhaltung ich den gigen Wert beimesse. Eure Majestät können überzeugt sein, daß die freundlichen Gefühle, die ich Ihnen seit langer Zeit entgegengebracht habe, durch diese letzten Ereignisse, die uns durch die en . aufgedrängt worden sind, nicht beeinträchtigt werden konnten. Ich bin glücklich, von Eurer Majestät zu er⸗ fahren, daß Ihre Regierung fest entschlossen ist, den Kriegs zustand mit Serbien und Grlechenland zu beendigen, und daß Sie bereits
Ihre Delegierten zu diesem Behufe bestimmt haben. . arl.
Einer amtlichen Meldung zufolge stimmen Griechenland und Serbien dem Vorschlage Rumäniens zu, daß die Prä⸗ liminarien und der Friede in Bukare st unterzeichnet werden. Griechenland stehst das Verlangen, daß der Waffen⸗ stilstand gleichfalls in Bukarest unterzeichnet werde. Die bulgarische Regierung hat auf die letzte rumä—⸗ nische Note mit der Erklärung geantwortet, daß sie die formulierten Hauptpunkte annehme, und hoffe, daß die neben⸗ sächlicheren Punkte keine Schwierigkeiten bieten werden. Der König von Bulgarien hat an den König Karl ein drittes Telegramm gerichtet, worin er die Bitte um Frieden unter⸗ stützt. Der König Karl hat den Ministerpräsidenten Majorescu beauftragt, dem König Ferdinand in demselben Sinne wie im zweiten Telegramm zu antworten. Die Verhandlungen über die Friedenspräliminarien und den Waffenstillstand werden gleichzeitig begonnen werden müssen, da die Verhandlungen einen Waffenstillstand erheischen können.
Der König Karl hat gestern an die Könige von Griechenland, Serbien und Montenegro Telegramme gesandt, in denen nach einer Meldung des „W. T. B.“ mit
ü auf die drängende Lage in Sofia sowie auf den weitere Schädigung Bulgariens nicht zu Fin WNoyrschlads der rumähifchen Regierung. , die Einstellung des Vormarsches der sowie der Feindseligkelten vor Beginn der Verhand—
Armeen lungen in Bukarest über einen Waffenstillstand und die Frie dens⸗ präliminarien möglichst bald erfolge.
Um eine Einstellung der Feindseligkeiten zu erleichtern, hat die rumänische Regierung dem General Coanda den Auftrag erteilt, sich ö nach Nisch zu begeben, um dort mit den
Abgeordneten der, Yündeten zusammenzutreffen, die zur
Konferenz nach Blaärest tom men werden.
Bulgarien.
Infolge der Nachricht über das Vordringen der Türken in bulgarisches Gebiet wurden, wie das „Wiener K. K. Telegraphen-Korrespondenzbureau“ meldet, alle Gesandten der Großmächte ins Palais geladen, wo der König und der Minister des Aeußern Ghe—⸗ nadiew ihrer Entrüstung über diese Verletzung des Völkerrechts Ausdruck verliehen und um ein sofortiges Einschreiten der Großmächte baten.
Amerika.
Die amerikanische Regierung zieht, dem „Reuterschen Bureau“ zufolge, die Aufhebung der Neiltralitäts⸗ proklamation, durch die der Waffenexport nach Mexiko verboten wurde, in Erwägung, Der Präsident und die füh⸗ renden Persönlichkeiten des Kongresses werden in dieser An⸗ gelegenheit eine Besprechung haben. Viele von den letzteren haben dem Vorschlag bereits zugestimmt. Es wird eingewandt, daß bei der Freigabe der Waffeneinfuhr die Verhältnisse in Mexiko sich von selbst regeln würden. Die Konstitutionellen in Mexiko erklären, daß nur der Mangel an Waffen sie an einem schnellen Siege hindere.
— Im amerikanischen Senat begann gestern die Abstimmung über die einzelnen Abschnitte der Tarif⸗ vorlage. Acht Progressisten stimmten bei dem ersten Ab⸗ schnitt mit den Demokraten.
A ten.
Der Prinz Salar ed Dauleh, der für kurze Zeit zu einer Besprechung mit seinen Reitern freigelassen worden war, ist nach einer Meldung des „W. T. B.“ unter Mißbrauch des Vertrauens in der Richtung auf Kermanschah geflohen. Die persischen Kosaken verfolgen ihn.
— Eine Abteilung mongolischer Truppen ist obiger Quelle zufolge von Chinesen in der Nähe von Batschalgrais geschlagen worden, das von den Chinesen eingenommen und niedergebrannt wurde. Damit ist den Chinesen der Weg nach Khalka geöffnet. In dem Gefecht kämpften etwa 500 Mon⸗ golen mit zwei Geschützen gegen 5000 CEhinesen mit neun Ge⸗ schützen und vier Maschinengewehren. Die Mongolen befinden sich auf dem Rückzuge.
Wie „W. T. B.“ ferner aus Peking meldet, sind die Rebellen genötigt worden, sich von Sutschaufu im Norden von Kiangsu zurückzuziehen. Sie sind auf Liuhweikwan in Anhui zurückgegangen, um Verstärkungen abzuwarten. YMuanschikai erklärte, er werde alle Fahrzeuge mit Rebellen an Bord versenken lassen, gleichviel welche Flagge sie führen. Vorgestern machten die Rebellen einen Angriff auf das
Arsenal von Tiangyan. Der Angriff wurde am Abend“ erneuert, aber mit Verlusten zurückgewiesen. Die an⸗ reifenden Truppen beziffern sich auf etwa 3000 Mann, während . Garnison 1000 Mann beträgt.
Statistik und Volkswirtschaft.
Ueber bayerische Volks- und Mittelschulen. Wie in den Jahren 1901 und 1906 haben auch 1911 in allen
Staaten des Deutschen Reichs gleichartige schulstatistische Erhebungen
ssattgefunden, diẽ sich diesmal außer auf Volksschulen auch auf einige höhere Lehranstalten erstreckten. Das für Bayern festgestellte Er⸗ gebnis ist in der Zeitschrift des Königlich bayerischen Statistischen Landesamts' (Heft 4 des Jahrgangs 1912) veröffentlicht worden.
Danach bestanden 1911 in Bayern 75666 öffentliche allgemeine Volksschulen neben 42 öffentlichen Semingrübungsschulen, Waisen⸗ hausschulen sowie Schulen für Gebrechliche und Verwahrloste, Priwatschulen mit Volksschulziel wurden 34 gezählt, zu denen noch 71 Privatschulen für Nichtvollsinnige, Blinde, Taubstumme und Ver⸗ wahrloste, 1 private Seminarübungsschule und 10 private Waisen⸗ bausschulen und Erziehungsheime treten. An den öffentlichen allge⸗ meinen Volksschulen wirkten 13 521 vollbeschäftigte männliche und 4831 vollbeschäftigte weibliche Lehrkräfte; unterrichtet wurden in ihnen 521 662 Knaben und 520 014 Mädchen.
Bei den öffentlichen allgemeinen Volksschulen Bayerns kamen auf 1 vollbeschäftigte Lehrkraft an Schülern:
Regierungs⸗ Regierungs⸗ bezirk 1901 1906 1911 behirt Oberbayern. 60 58 55 Mittelfranken 54 54 54 Niederbayern. 63 Unterfranken . 53 54 54 f 5 Schwaben.. 568 56 54
Königreich Ober franken. 60 Bayern. . 59 58 56.
Der Prozentsatz der Steigerung beträgt bei einem Vergleich der Jahre 1906 und 1911: hinsichtlich der
Regierungs- hinsichtlich der r r bezirk Schüler Lehrkräfte Schüler Lehrkräfte — Mittelfranken 12, 139
Oberbayern 9,1 15.38 Niederbayern. 3.36 Unterfranken . 11,3 10,0 Fil, ö Schwaben. T. 11,8 Oberpfalz. . 5.1 Königreich Oberfranken. 8,2 Bayern 9, 12.8. Die Aufwendungen für die öffentlichen allgemeinen Volksschulen beliefen sich für 1915 auf insgesamt 62 Millionen Mark, wovon 37 Millionen aus Gemeindemitteln, 17 Millionen aus Staatsmitteln, 5 Millionen aus Kreismitteln und 3 Millionen Mark aus verschiedenen sonstigen Quellen flossen. An Aufwendungen entfielen auf 1 Schüler der öffentlichen Volks⸗ schulen in Bayern Mark:
Regierungs⸗
bezirk 1901 1906 Oberbayern . HH. Niederbayern . 29,
1901 19066 1911
Regierungs⸗ bezirk
ail Regierungs⸗
ion deren ne, lor hö, Mittelfranken 66, 34,6 AUnterfranken . 38, ö 3 Schwaben .. 40,3 54, Oberpfalz .. 283 343 417 Königreich
Sberfranken . 38, 43.5 533 Bayern
Von sogenannten Tagesfortbildungsschulen waren 1911 im ganzen 16 vorhanden, in denen 5833 Schüler von 24 vollbeschäftigten Lehr⸗ kräften unterrichtet wurden; die Aufwendungen für diese Anstalten betrugen 1910 rund 100 000 .
Mädchenschulen, an denen ein gegenüber dem Lehrziel der Volks— schulen gehobener allgemeiner Unterricht erteilt wird, ohne daß aber das Lehrziel der höheren Mädchenschulen erreicht wird, wurden 51 ge⸗ zählt, davon 11 6ffentliche und 40 private; insgesamt wurden in ihnen 4066 Mädchen von 421 vollbeschäftigten Lehrkräften unterrichtet.
Die humanistischen Lehranstalten erforderten 1910 einen Aufwand von rund? Millionen Mark, wovon rund 4 Millionen aus Staats mitteln und rund Million aus Kreismitteln aufgebracht wurden. Die realistischen Lehranstalten beanspruchten rund 5. Millionen. Mark, wovon etwa z Million aus Staatsmitteln und rund 37 Millionen aus Kreismitteln flossen.
Höhere Mädchenschulen wurden 1911 im ganzen 77 mit 14 625 Besucherinnen gezählt, davon 19 öffentliche und 58 private. Von Mäͤdchengymnasien war im Schuljahr 1910/11 eins in Betrieb.
1906 1911 83.8 .
535 57, 56,5 59,3.
45,8 hh,
Zur Arbeiterbewegung.
Zu dem Werftarbeiterstreik in Stettin wird dem W. T. B.“ berichtet, daß dle dortige Organisationsleitung der freien Gewerkschaften auf dem Standpunkt steht, der Stettiner Ausstand der Werftarbeiter sei von dem Ausstand in Hamburg unabhängig und müsse wegen seines korrekten Zustandekommens vom Zentralvorstand einer gerechten Beurteilung unterzogen werden. Gestern hielten die Vertrauensmänner der freien Gewerkschaften eine Besprechung ab, in der gegen das Verhalten des Zentralvorstands wegen Versagung einer Streikunterstützung für die Stettiner Werftarbeilter Stellung genommen wurde. Man einigte sich auf eine Protest—⸗ resolution, die einer für heute abend nach Grabow einberufenen Werftarbeiterversammlung zur Stellungnahme bezw. zur Annahme vorgelegt werden soll. Eine ähnliche Stellung nehmen die Vertreter der im Gewerkverein der Maschinenbau⸗ und Metallarbeiter organi⸗ sierten Arbeiter ein. Auch sie haben eine entsprechende Resolution aufgesetzt. Die Zahl der Streikenden ist jetzt auf 6400 festgestellt, wobon rund 1200 dem Gewerkverein angehören.
Von den rund 10000 Arbeitern der Kieler Privatwerften sind, nach einer Mitleilung der Köln. Itg.“, 2609 nicht am Aus— stand beteiligt, also reichlich ein Viertel der Arbeiterschaft. Es arbeiten auf der Germaniawerst rund 1500, auf den Howaldtwerken 1009 und auf der Werft von Stocks u. Kolbe 100. Der Betrieb läßt sich in beschränktem Maße durchführen. Verhandlungen zwischen den Unter⸗ nehmern und den Arbeitern sind noch nicht eingeleitet. Aus Flens⸗ burg, wo gegen 2000 Mann ausständig sind, wird gemeldet, daß unter den Beteiligten große Mißstimmung, ja Erbitterung gegen die Leitung der Gewerkschaften herrsche. Man werfe namentlich den Vertrauensmännern vor, daß sie die Arbeiter nicht ausreichend über die Verhandlungen unterrichtet hätten. ;
In einer stürmisch bewegten Versammlung der streikenden Kupferschmiede der Hamburger Werften wurde, wie die Voss. Ztg.“ berichtet, neuerdings . so lange im Ausstande zu beharren, bis die Unternehmer Lohnerhöhungen ,, haben. Vie , hatte ihnen die Wiederaufnahme der Arbeit empfohlen. Eine dahin gehende Resolution wurde aber gegen ganz wenige Stimmen abgelehnt. ;
In Darmstadt ist nach einer Mitteilung der Köln. Ztg. über eine Abteilung der chemischen Fabrik von C. Merck, in der sich die Arbelterschaft in einer Lohnbewegung befindet, die Sperre ver⸗ hängt worden.
Aut Paris berichtet W. T. B.“, daß nach einer Meldung gug Cranfac gestern die Arbeiter des Bergwerks von Auby, wo kuͤrzlich 12 Bergleute verunglückten, in den Ausstand getreten sind; sie ver⸗ langen Lohnerhöhungen.
mischen Seite viel Interesse verdient,
Kunst und Wifsenschaft.
A FE. Die Gesellschaft für Anthropologie ersffnete ihre letzte Sitzung vor den Sommerferien durch die Aufforderung des Vorsitzenden, Geheimrats Professors Dr. Hans Virchow an die Mit⸗ glieder, an den bevorstehenden Kongressen und Versammlungen sich rege zu beteiligen. Für die 44. Versammlung der Deutschen Änthro⸗ vologhjchen Gesellschaft in Nürnberg vom 3. bis. 9. August liegt die reiche Tagesordnung vor. Der 9. Congrèes préhistorique de France in Lons-le-Saunier (Jura) vom 27. Jult bis 2. August legt be—⸗ sondern Wert auf die Beteiligung der deutschen Forscher, und die 85. Versammlung deutscher il or er und Aerzte in Wien vom 21.— 26. September verheißt in mehrfachen Richtungen interessante Verhandlungen.
Vor Eintritt in die Tagesordnung erhielt Dr. Eduard Hahn das Wort zu einigen interessanten Mitteilungen. Aus Ischl bat er einen dort als Spielzeug verkauften Kinderschuh aus gegerbter Tannenrinde mitgebracht als Beweis dafür, daß diese in den Älpen⸗ ländern uralte Technik noch unvergessen ist. Der scheibenförmige Duerschnitt eines starken Baumes mit ausgestemmtem Loch im Mutel— punkt erinnerte den Redner daran, wie der Mensch zur Erfindung des Rades gelangt ist, und einige Lichtbilder belehrten darüber, daß diese ursprünglichste Form des Rades gegenwärtig noch mehrfach, sogar in Portugal, in Anwendung ist. Das hohe Alter des Pfluges und seine wahrscheinliche Herkunft aus Mesopotamien beweist ein jüngerer baby⸗ lonischer Fund: ein im Lichtbilde vorgeführter, von Keilschrift be— . nu. . ö. des ,. Jahrtausends vor unserer Zeitrechnung, der Feldarbeiter als Begleiter eines als deutlich erkennbaren Gerätes zeigt. s j
Die sehr reiche Tagesordnung brachte zunächst die Vorführung des Kraftmenschen JFean⸗.Je-Breton. Daß gewisse körperliche Höchst⸗ leistungen des Menschen für den Anthropologen und Anatomen von hohem Interesse sind, bezeichnete einleitend der Vorsitzende als selbst⸗ verständlich und naheliegend. In diesem Sinne wurden im Lauf der letzten Jabre der Kautschukmensch, der Schlangenmensch, der Degen schlucker der Gesellschaft vorgeführt. Auch der nun vorzustellende junge Mann ,, als ein Unikum von Kraftleistung, wofür die Betrachtung seiner Muskulatur nur annähernd eine Erklärung gebe. Auf die an den Athleten gerichtete Frage, wie er zu den körperlichen Fähigkeiten gelangt sei, habe er eine besondere Ausbildung und Trainierung verneint und sich geäußert, er wisse es selbst nicht, wie er dazu gekommen; es müsse ihm wohl angeboren! sein. In der Tat liegt hier, wie später, nachdem der Athlet seinen Oberkörper entkleidet und seine Muskulatur in wiederholter kräftiger Betätigung von der Brust- und Rückenseite her gezeigt hatte, der allgemeine Eindruck einer ungewöhnlichen natürlichen Veranlagung vor, die allerdings wohl erst im Wege der Uebung zu bedeutenderer Leistungsfähigkeit entwickelt worden ist. Der Athlet, eine mittelgroße, breitschultrige Gestalt, gab, bevor er auf Wunsch die Oberkleider ablegte, folgende Proben s'iner Kraft: Er durchschlug mit einem neunzölligen eisernen Nagel, den er in der rechten Hand, diese mit einem Taschen⸗ tuch umwunden, führte, ein 10 em starkes hölzernes Brett, er zerbrach mit den Händen einen ebensolangen eisernen Nagel von 1 Quadratzentimeter mittleren Querschnitts und zerriß zwei . Spiele Karten. Im halbentkleideten Zustande wurde der Athlet dann noch zu zwei mittels Dynamometer ju kontrollierenden Krasileistungen aufgefordert: der mit einer Hand vorzunehmenden Zusammenbiegung einer starken stählernen Feder und einer mit beiden Händen zu bewirkenden Zugprobe, genauer bebeprobe, in Richtung von unten nach oben. Beide Fälle ergaben kewunzernswerte Leistungen, blieben vergleichsweise aber gegen die Erwartung zurück — ein Beweis mehr, daß zur natürlichen Befähigung die Uebung zu treten hat, um höchste Leistungen zu erreichen. In allen Fillen war die gewaltige Kraftanstrengung äußerlich erkennbar.
Im weiteren zeigte der Vorsitzende das nach Form zusammen—⸗ gesetzte Skelett eines künstlich deformierten Chinesinnenfußes und be— schloß hiemit dies in früheren Vorträgen von ihm behandelte Thema. Die angewandte Methode, um jeden einzelnen Knochen zu sieren, die auch auf anderen Gebieten mit Nutzen anzuwenden ist, sand die Bewunderung der Kenner. Mit Recht ist der merkwärdigen Sitte der absichtlichen Fußverkrüppelung, die auch nach der anato— ) Aufmerksamkeit gewidmet worden, ehe sie, wie es jetzt den Anschein hat, gänzlich ver— schwindet — ein den hiermit geplagten Chinesinnen sehr zu wänschendes Ziel! Einem chinesischen Schädel aus der Han⸗Zeit galt die folgende Mitteilung des Vorsitzenden. Dieser Schädel ist durch manche Eigen tümlichkelten ausgezeichnet, u. a. durch ein lang ausgezogenes Hinter— haupt und damit im Bunde durch die Verlegung des höchsten Punktes des Schädels welt nach hinten. Eigentümlich ist auch der runde, sehr niehrige Unterkiefer. Es besteht nicht der geringste Zweifel, daß der Schädel aus einem Grabe der angegebenen Zeit herrührt. Ein ganz anderes Bild gewährte die Gipzabnahme eines Buschmannkopfes, der wohlerhalten aus Südwestafrika eingetroffen und bestimmt ist, endlich die hiesige Schädelsammlung mit dem bisher fehlenden Buschmann— schädel zu versehen. Auch diesec inzwischen präparierte Schädel war ut Hand; aber von größerem Interesse erschlen die betr. Gipsmaske, weil sie eine der seltsamsten Eigenschaften der Buschmannrasse deutlich zeigt, nämlich das nahezu vollständige Fehlen der Nase, mindestens lhrer oberen Hälfte, die in einer breiten, unter den Augen erüber laufenden Fleischwulst verborgen ist, sodaß von der guschmannase eigentlich nur die Spitze sichtbar ist. Nerkwürdig ist auch, daß die vordere 6 des Zuschmannkopfes nicht wie an anderen Menschenhäuptern ausgebogen st, sondern eine gerade Linie bildet. Die letzte Mitteilung des Vor— sizenden galt, auf Grund von Untersuchungen eingehendster Art, aus— geführt von Dr. Henckel, dem Sohlenpolster des Menschen. Wie ginge Ahnung haben wir doch davon, daß die Natur den mensch— lichen Fuß mit einem Fettpolster unter der Sohle ausgestattet hat, ine dessen Vorhandensein uns längeres Gehen, zumal auf harten Degen, wahrscheinlich kaum möglich sein würd?! Wie wunderbar dies polster im Verhältnis zu den Muskeln des Fußes angebracht und muägestattet ist, das wurde an zahlreichen ausgezeichneten Lichtbildern trläutert. Es liegt hler ein bisher wenig von den Anatomen be- ichteter Gegenstand vor. Die entsprechenden Untersuchungen u. a. uf Hund und Katze, auszudehnen, empfiehlt sich sehr. Vom dlefanten allein ist die Fettpolsterung der Sohle genauer bekannt; denn sie ist so auffällig und, der enormen Schwere des Tieres an— messen, so stark, daß sie vier Gummipolstern, die sich das Tier an es Bein geschnallt, vergleichbar ist. Entsprechend ist der Gang des dlefanten auch elastisch und der Schein trügt, wenn er uns nicht so hein Die in der Naturbeobachtung uns überlegenen Völker haben hon die richtigere Vorstellung, und die Inder sagen wahrscheinlich mit Recht von einem jungen, beweglichen Mädchen: „Es geht wie ein Elefant!“
Den letzten Punkt der Tagesordnung bildete ein Vortrag des afolgreichen Brasilienreisenden Dr. Georg M. Hassel über die
ndianerstämme des oberen Amazonas. Der von dielen Lichtbildern algltete Vortrag (bon denen leider nur wenige als gelungen anzu—⸗ Hechen, die meisten als Pbotographien nicht erfreulich waren) schilderte
E untereinander recht verschiedenen indianischen Bewohner am rechten . linken Ufer des oberen Amazonas, nahe der peruanischen Grenze, 6 im Gebirge hausend, teilz im dichten Urwald, teils in sumpfiger
ragebene. Schon diese verschiedenen Wohnplätze, mehr aber noch die re benfren Unt erynun gen begründen die Verschiedenheit, die natür⸗ ö auch eine große Sprachberwirrung und nahezu vollständige Un⸗ unntnis eines Stammes bezüglich des andern mit sich bringt. Die fra ghunterschiede setzen nicht einmal weite Entfernungen voraus. er Vortragende kannte einen Fall, wo ein Häuptling der Putumayos ters Frauen, die er sein eigen nannte, eine von einem benachbarten amm eben sowenig verstand, als sie ihn und die anderen Frauen. i Kinder dieser Frau aber sprachen nur die Sprache der Mutter 1 verstanden den Vater nicht. Daß die Zivilisation dieser in mme von höchstens 20 —36 9000 Köpfen gesonderten Menschen ch auf einem Tiefpunkt steht, ist erklärlich. Selbst in ihrer Be⸗ waffnung sind sie über Bogen, Pfeile, Wurfspleße noch nicht hinaus
ekommen. Die plumpe, grelle Bemalung der Weiber am ganzen eibe spottet jeder Beschreibung, wenigstens de wo das Klima Kleider überflüssig macht. Wo Kleider zu tragen ein Bedürfnis ist, steht die Zivtlisation auch einige Grade höher. Ackerbau bestebt nur in größter Ursprünglichkeit. Db sie Menschenfresser sind, ist schwer zu ergründen; Gefangene mögen sie zuweilen wohl verzehren, ehe sie genötigt sind, solche zu ernähren.
*
Von dem Dampfer Großer Kurfürst? des Norddeutschen Llovd ist, wie W. T. B. meldet, gestern durch Funkspruch folgende Nach⸗ richt in Bremen eingegangen:
Bordbesuch Möllerbai. Gestern Dr. Rabitzsch vom deutschen Abservatorium Croßbal wertvolle Mitteilungen über Schröder⸗ Strantz. Hilfe erhalten. Ausführliches drahtlos ab Tromsoe. Reise glänzend verlaufen. An Bord alles wohl.
Leider ist obige Meldung nicht ganz klar. Jedenfalls läßt sie verschiedene Deutungen zu. Es wäre höchst erfreulich, wenn ah ö. neuem Lie Aussicht eröffnete, daß die Hilfsaktion für den lange ver= mißten Leutnant Schröder Strantz doch noch erfolgreich gewesen ist. Nähere Mitteilungen darüber sind nach der Ankunft des Dampfers Großer Kurfürst“ in Tromsoe zu erwarten, die fahrplanmäßig am Freitag erfolgt.
Literatur.
Die englische Verfassung. Von A. Lawrence Lowell, Professor der Staatswissenschaft an der Harvard⸗Universität. Auto risierte deutsche Ausgabe, herausgegeben und übersetzt von Regierungs— rat Dr. Herr unter Mithilfe des Regierungsassessors ö von Richthofen. 2 Bände. XII, 550 und VI, 509 Seiten. Verlag von Veit u. Comp., Teipzig. Geh. 20, geb. 23 6. — Das politische und wirtschaftliche England ist seit der Mitte des 18. Jahr- hunderts die Bezugsquelle fertiger Doktrinen für kontinentale Theoretiker des Staatsrecht; und der Wirtschaftspolitik. Mit vorge⸗ faßten Meinungen über Die Bedürfnisse des heimischen Staatslebens machte man sich an das Siudium des englischen Staatswesens, in dem man ö seiner praktischen Erfolge a priori das Vorbild einer idealen staatlichen Organisation erblickte. Die Folge war unaus— bleiblich, daß die Betrachter des öffentlichen Lebens Großbritanniens auf dem europäischen Festlande ihre subjektiven, auf dem Wege philo— sophischer und stagtsrechtlicher Spekulationen gewonnenen, den be— sonderen Verhältnissen des eigenen Vaterlandes unwillkürlich ange— paßten Ansichten über die beste Staatsform und die zweckmäßigste Ausbalancierung der gegebenen Kräfte des staatlichen Lebens dem englischen Vorbilde suggerierten und demgemäß jenen gotischen Bau, den der englische Staat darstellt, utopistisch schilderten. Diesem Fehler verfiel Montesquieu, als er aus der englischen Staatspraxis heraus die Lehre von der Dreiteilung der stagtlichen Gewalt aufstellen zu müssen glaubte. In Deutschland var es später vor allem Gneist, der jener uto— pistischen Darstellungsweise des englischen öffentlichen Rechts anheim— fiel, dessen allgemeine Konstruktionen über die englische Verfassung und Verwaltung aber gleichwohl lange Zeit die Anschauungen der deutschen juristischen und politischen Welt beherrschten. Heute läßt sich von der Auffaßung, dle Gneist in seinen Werken über die eng— lische Staatsverwaltung und ihr Funktionteren im einzelnen nieder— gelegt hat, nicht viel mehr aufrecht erhalten. Einen großen Fort— schritt in der Erkenntnis des englischen Staats- und Verwaltungs rechts bedeutete das in den Jahren 1905 und 1906 als Bestandteil von Marquardsens Handbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart nter dem Titel „Englisches Staatsrecht“ erschienene Werk von Professor Dr. Julius Hatschek, eine seinzrzeit auch im „Reichs- und Staats— anzeiger! gewürdigte systematische Darstellung, die in Anwendung und Vervollkommnung der rechtsvergleichenden Methode eln von subjektip— politischen Wertungen unabhängiges Bild des englischen Staatskebens zu entwerfen sucht, im ersten Band das Verfassungsrecht und im zweiten daz Funktionieren der englischen Verwaltung? maschinerie und der Kabinetts, und Parteiregierung behandelt Da das englische öffent- liche Recht in seiner vielhundertjährigen Entwicklung jün den Aus— länder so unübersichtlich geworden ist, daß es eines n mühe⸗ vollen, langjährigen und intensiven Spezialstudiums bedarf, um seiner Herr zu werden, ist es mit besonderer Freude zu begrüßen, daß auch von einem sachkundigen englischen Juristen, Lawrence Lowell, zurzeit als Rechtslehrer an der angesehensten Universität Nord⸗ amerikas in Cambridge tätig, in seinem hier angejeigten, von Regierungsrat Dr. Herr und Regierungsassessor Freiherrn von Richthofen in die deutsche Spcache überseßten Werk- uns ein Bild der englischen ö in ihrer gegenwärtigen Gestalt geboten wird. Der Verfasser, der bei der Bearbeitung des umfangreichen, nur zum Teil in Urkunden sich findenden Materials des englischen Staats⸗ rechts von bekannten englischen Politikern aus den verschiedenen Parteilagern, den ständigen Beamten der allgemeinen Staats. und Lokalverwaltung, den Angestellten der politischen Vereine, hervor⸗ ragenden englischen Juristen und anderen unterstützt worden ist, führt zunächst in einer Einleitung den Leser in die britische Verfassung ein und behandelt dann den gesamten Stoff in sieben Teilen. Der erste, über die Zentralregierung unterrichtende Teil zerfällt in die Kapitel: die Krone,. Krone und Kabinett, Kabinett, und Minister, die einzelnen Reichsämter, das Schatzamt, verschiedene andere Aemter, das ständige Beamtentum, Minister und ständiges Beamtentum, das Unterhaus, Wahlbezirke und Wähler, Wahlverfahren, Wahlrecht, Geschäftsgang des Unterhauses, die Kontrolle des Kabinetts über das Unterhaus, die Kontrolle des Unterhauses über das Kabinett, Form und Inhalt der Gesetze, das Haus der Lords, Kabinett und Haus der Lords, das Gesetz von 1911 über die Ver— minderung der Macht des Hauses der Lords, Kabinett und Land. Der zweite Teil der Darstellung handelt vom Parteiwesen, der dritte bon der Lokalverwaltung, der vierte vom Unterrichtswesen, der fünfte von der Kirche (Organisation, Einkünfte usw.) der sechste vom Reiche (Bestandteile des Reichs, Kolonien mit Selbstberwaltung, Kron. kolonien, Indien und die Protektorate, Reichsstaatenbund), der siebente von den Gerichten, und als achter Teil folgen allgemeine Schluß⸗ betrachtungen. Auf Einzelheiten einzugehen, ist hier nicht der Ott. Die gründliche, von politischen Einseitigkeiten freie Darstellung er⸗ scheint geei net, das politische Urteil über die englischen öffenklich rechtlichen Einrichtungen zu vertiefen und so manche unzutreffende Vorstellungen von den einzelnen staatsrechtlichen Institutionen Eng— lands bei den kontinentalen Beschauern zu berichtigen, und sie wirkt so lehrreich und anziehend, daß der Leser trotz ihres großen Umfangg nicht ermüdet, sondern sie angeregt gus der Hand legt. Den Ueber— setzern gebührt aufrichtiger Dank dafür, daß sie das bedeutsame Werk über die englische Verfassung und Verwaltung für die deutsche Staats- rechtswissenschaft und die politische Welt zugänglicher gemacht haben.
Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart. Band VII, 1913. VIII, und 507 Seiten. Verlag von J. C. B. Mohr (Paul Siebech in Tübingen. Geh. 20, geb. 22 4. — Der unter diesem Titel erscheinende fortlaufende Teil des groß angelegten, don H. von Marquardsen und Max von Seydel begründeten, von Peofessor Dr. Max Huber (Zürich), Professor Dr. Georg Jellinek F, Wtrkll em Geheimen Rat, Professor Dr. Paul Laband (Straßburg i. E.] und Professor Dr. Robert Pilotꝰ (Würzburg) herausgegebenen Sammelwerks „Das öffentliche Recht der Gegen— wart“, das dem neuesten Stand der wissenschaftlichen Forschung ent— sprechende Darstellungen des Staats- und Verwaltungsrechts der Kulturstagten und der diesem Rechtsgebiete nahestehenden allgemeinen dehren (Völkerrecht usw) bietet, dient vornehmlich der pertodischen Berichterstattung Über die Wandlungen, die das öffentliche Recht aller Staaien durch die Gesetzgebung erfährt. Daneben soll es auch eine Sammelstätte von Abhandlungen über wichtige Gegenstände aus dem gesamten Gebiete des Staats- und des Völkerrechts sein. Durch die alljährliche Berichterstattung wird der spystematische Teil des Sammelwerks, der das Staatsrecht der einzelnen Kulturstagten und die allg'meinen Lehren in selbständigen Bänden wissenschaftlich be— handelt, auf dem Laufenden erhalten und ergänzt, indem über die wichtigsten staatsrechtlichen Fragen auch in denjenigen Staaten unter⸗
richtet wird, deren öffentliches Recht im systematischen Teil noch nicht bearbeitet worden ist. Der seit kurzem vorliegende siebente Band des Jahrbuchs“ enthält zunächst fünf Abhandlungen: Pribatdozent Dr. Kormann (Berlin) erörtert die „Beziehungen jwischen Justiz und Verwaltung“; Professor Dr. Nippold (Bern) verbreitet sich über Vorfragen des Völkerrechts, Professor Dr. von Frisch (Czernowitz über das österreichische Staatsbürger— recht. Privatdozent Tr. Wittmayer (Wien) über die Bedeutung und Entwicklung der sekundären! Gesetzgebung in Frankreich, und ein Beitrag von H. Wittmaack (Leipzig) handelt von der nord— amerikanischen Rechtsprechung über die Frage, ob fremde Staaten der inländischen Jurisdiktion unterliegen. Sodann folgen Berichte über die Gesetzgebung auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts, von denen besonders derjenige von Professor Dr. von Hoffmann (Düssel. dorf) über die Gesetzgehung des Deutschen Reichs im Jahre 1912 und der von Professor Dr. Giese (Posen) über die Entwicklung des öffentlichen Rechtes in Preußen in den Jahren 1911 und 1912 hervorzuheben sind. Für Bayern fehlt in diesem Jahrgang ein Bericht; dagegen sind Referate über die verwaltungsrechtliche Hhese g gebeng des Königreichs Sachsen seit 1906, über die Eniwicklung des ofen fi hen Rechts in Hessen im Jahre 1912, über wichtigere Gefetze und Staatsverträge in den thüringischen Staaten seit 1906, über die braunschweigische Gesetzgebung in den Jahren 1908 bis 1912 und über die hamburgische the e rng in den Jahren 1910 und I9ll erstattet. Endlich wird noch über die Gesetzgebung der letzten Jahre in elner Reihe, außerdeutscher Staaten (Belgien, Frankreich Großbritannien, Italien, Desterrelch⸗Ungarn, Portugal, Rußland und Finnland, Schweden, Spanien, Ching und Japan) berichtet. Im Inhaltsverzeichnisse sind zugleich Hinweise auf einschlaägige Ab⸗ handlungen und Berichte in den ersten sech⸗ Bänden des *, Jar buchs gegeben. ö
Jahrbuch der Rechtsprechung zum Verwaltungs- recht, enthaltend die gesamte Rech ng ans zum ö. and Verwaltungsrecht des Reiches und der Bundesstaaten. herausgegeben von Hofrat Dr. jur. H. Th. Soergel unter Mitwirkung von Geheimrat Behr in Karlsruhe, G. von Morhart, Senatspräßi— denten beim bayerischen Verwaltungsgerichtshof 4. D., Oberland 8. gerichts rat Seidler, Rat am Verwaltungsgerichtshof in Braun— schweig, Ministerialrat Dr. Becker in DBarmstadt, W. von Vschoppe, Oberverwaltungsgerichtsrat in Berlin, Dr. Mehr und Dr. Meier, Oberverwaltungsgerichtsräten in Dresden, und . Geier, Oberyerwaltungsgerichtsrat in Stuttgart. V. Jahr⸗ gang, XIX und 579 Seiten. Verlag von W. Kohlhammer, Stutt— gart, Geb. 6 S6. — Dieses Jahrbuch, auf dessen Bedeutung im Reichs und Staatsanzeiger“ schon wiederholt hingewiesen worden ist unterrichtet über die oberste richterliche Rechtsprechung zu allen Reicht und Landesgesetzen sowie Verordnungen, deren Anwendung den Ver— waltungsbeamten obliegt, dabei zwischen zu großer Ausführlichkeit und mißverständlicher Kürze die richtige Mitte haltend. Im Anschluß an die einzelnen Gesetzesparagraphen werden in syste— matischer Anordnung die einschlägigen Entscheidungen des Reichs— gerichts, des Reichsversicherungs mts, der Oberverwaltungsgerichte und der Oberlandesgerichte aus dem Jahre 19512 in Form bon aus— führlichen, den Kern der betreffenden Entscheidung enthaltenden Rechts— sätzen mitgeteilt. Bei jedem Rechtssatz sind die Zeitschriften oder Sammlungen angegeben, in denen der vollständige Wortlaut der betreffenden Entscheldung nachgelesen werden kann. Die Rechtsprechung zu den Reichsgesetzen ist von dem Herausgeber, die zu den Landes- gesetzen der Einzelstaaten von Mitglledern der für diese bestehenden obersten Verwaltungsgerichtshöfe bearbeitet. Dank dieser Mitarbeit hervorragener Praktiker enthält das Jahrbuch nicht nur sämtliche im Jahre 1912 in den Tachzeitschriften veröffentlichten Entscheidungen derwalt ung rechtlichen Inhalts, sondern auch zahlreiche sonst nirgends mitgeteilte Rechtsgrundsätze. Zu den Landesgesetzen sind ferner die sie erläuternden Zeitschriftenaufsätze angegeben.
Die Versäumung von Prozeßhandlungen de = teien im , 9 1 schen Landes verwaltungsgesetze vom 30. Fuli 1853 bildet den Gegenstand eingehender Erörterungen in einer Abhandlung, die der Senatspräsident beim preußischen Oherherwaltungsgericht, Wirk= liche Geheime Oberregierungsrat Dr. Max Schultz enstein im neuesten Heft des Verwaltunggarchivs, Zeitschrift für Verwaltungs recht und Verwaltungsgerichtsbarkeit“ (Heft h des 2j. Bandes), veröffent- licht hat und die auch als Sonderabdruck erschienen ist (56 Seiten, Berlin, Karl Heymanns Verlag). In dieser für weite Kreise der Bevölkerun ein erhebliches Interesse bietenden Abhandlung werden auch die 1 auf die Belehrung über die Rechtaverhältnisse bei Entscheidungen, Verfügungen usw. beziehenden Resolutionen und der Gesetzentwurf besprochen, die im Februar und März dieses Jahres von dem Reichs— tag und dem Abgeordnetenhause angenommen worden und von großer allgemeiner Tragweite sind. Es find hiergegen zunächst allgemelne Einwendungen erhoben. Besonders aber wird unter Beschränkung auf das, preußisch. Verwaltungsstreitverfahren dargetan, wie dafür die Belehrung nicht bloß unzulänglich, sondern vielfach geradezu schädlich sein würde, und zwar namenklich deshalb, weil dann die unentbehr— liche, jetzt durch die Rechtskraft gewährte Rechtssicherhelt und Rechts— gewißheit zum Nachteile des einzelnen wie der Gesamtheit schwer ge— fährdet wären. Zum Schluß werden als Ersatz der Belehrung andere Besserungen des gegenwärtigen Rechts vorgeschlagen. Die Ausfüh— rungen des als Praktiker und Theoretiker wohlbekannten Verfassers verdienen jedenfalls allseitige und eingehende Beachtung.
. , . neu erschienener Schriften, deren Besprechung vorbehalten bleibt. Finsen dungen sind nur an die Redaktion, Wiihe ? m straße 32, zu richten. Rücksendung findet in keinem Falle statt.
Tenienbücher. 2. Folge Nr. 13 bis 30; Robert Hohl-
baum: Simpligius academicus. Eine Nobelle. — Benno Rüttenauer: Von Einem, der sich für den Ritter Blau— ö. 3 ö 5 . Luntowski: Char⸗ otte von Stein. — Goethe und Käthchen Schönkopf. Mit einem Bilde Käthchen Schönkopfs. — Goeth 3 und . r 9 Oeser. Mit einem Bilde der Friederike Oeser. — Goethes Leipziger Lieder. Mit Seffners Leipziger Goethe⸗Denkmal. — Beethovens Briefe an geliebte Frauen. Herausgegeben und eingeleitet von Dr. W. A. Thoma s-San-Galll. — Wilhelm Waiblinger: Der kranke Hölderlin. Herausgegeben und ein— geleltet von Pnul Friedrich. Mit dem Hölderlinbilde h. C. Lauf er. — Carl Dallagę: Jesus von Nazareth. Mit dem Bilde Dallagos von M. Esterle. — Carl von Vincenti: Schön brunn. Mit 22 Abbildungen. — Alfred de Musset: Aut— gewählte Gedichte. In Uebersetzungen herausgegeben und ein— i. von Arthur Schmidt. Mit einem Bilde und einem aksimile Mussets. — Henrich Steffens: Breskau 1813. Mit dem Porträt von Henrich Steffens — Paul Burg; Lützower in der Leipziger Völkerschlacht. — Karl! Koberstein: Der böse Baron. — Dr. J. C Groß; Die Franzosenzeit in Leipzig. — Foseph Bonaparte: Moina. Uebersetzt und ein⸗ geleittt von Hertha Michel. Mit einem Bilde Jofeph Bona— partes. — Friedrich von Schiller: Der Ve nuswagen. Die Tugend in ihren Folgen betrachtet. — Die fünf portugiesischen J,, . ö iber gt und eingeleitet von Georg Hecht. In solidem Pappband je 5 ; dein . par R no un emeinde. Von Dr. Warstat und Fra Bergmann. Eichtbühnenbibliothek, 3. Heft. ö . der Lichtbilderei G. m. b. H., Me⸗Gladbach) So (112). 1,50 , postfrel 1,69 M6. M.-Gladbach, Volksvereins⸗Verlag.
Deutsche Reichs gesetze. Textausgabe mit alphabetischem Sachregister. Wehrbeitraggesetz, und Reichsbesitzsteuer⸗ , , 1496. München, C. H. Becksche Verlagsbuchh.
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