Veranlassung der Internationalen Vereinigung für Arbeiterschutz gesammelt worden ist. Alles das sind Feststellungen, die nicht lose Aufzählungen enthalten. Der Bundesrat hätte afso sicher, wenn er gewollt hätte, das nötige Material zum Ein. schreiten gebabt und hätte dem Verlangen Rechnung tragen können.
Schluß des Blattes.)
Dem Hause der Abgeordneten ist der Entwurf
eines Gesetzes, betreffend ältere Hypotheken in Neu vorpommern und Rügen, nebst Begründung zugegangen.
Statistik und Volkswirtschaft.
Zur Arbeiterbewegung.
In der Bahnfabrik der Allgemeinen Elektrizitäts— Gesellschaft in der Brunnenstraße 107 ist, dem Berl. Tagebl.“ zufolge, vorgestern abend ein Teilausstand unter den Arbeitern ausge⸗ brochen. Wegen Lohnstreits stellten 200 Mann die Arbeit ein. Gestern morgen baben sich weitere 150 Arbeiter den Ausständigen angeschlossen, sodaß sich im ganzen 350 Mann im Ausstand befinden.
„Aus Magdeburg wird dem . W. T. B.“ gemeldet: Die Mannschaften der Elbe⸗Oder⸗Kanalschiffahrtsgesell⸗ schaften beabsichtigen, am 15. d. M. in den Ausstand zu treten. Die. Gesellschaften haben die verlangten Lohnerhöhungen be⸗ willigt, aber die Forderung der Sonntagtnachtruhe wegen des Mit— bewerbs der selbständigen Schiffer abgelehnt. Sie haben behördliche Erhebungen bezüglich eines gesetzgeberischen Vorgehens vorgeschlagen, worauf aber die Mannschaften nicht eingegangen sind. Ein Teil der aus Anlaß der bevorstehenden Eröffnung der Binnenschiffahrt ein— berufenen Mannschaften ist bereits ausgeblieben.
(Weitere . Statistische Nachrichten‘ s. i. d. Dritten Beilage.) Kunst und Wissenschaft.
Lovis Corinths Lebenswerk. Ausstellung in der Sezession.
Das Haus der Sezession hat dem Lebenswerk Lovis Corinths alle seine Räume geöffnet. Dennoch haben die Bilder nicht alle Platz finden können, auf die Zeichnungen hat man von vornherein ver zichtet, und von der Graphik nur die zwei biblischen Illustrations— werke ausgestellt. Und dabei gilt diese Heerschau einem Manne in voller Schaffenskraft, der die Mitte der fünfzig noch nicht über— schritten hat und seinen Weg noch weiter fortzusetzen gedenkt“. Dem Umfang nach muß te eine solche Vorführung sich Achtung erzwingen, inhaltlich stellte sie eine Probe dar — und vielleicht die gefährlichste, die es gibt — auf den überragenden Wert der künstlerischen Persönlichkeit. Kein Zweifel, Corinth besteht diese Probe sicherer und selbstverständ— licher, als man ahnen konnte. Es gibt Maler mit reicherer Palette, mit mehr Wechsel der Stimmung: Corinth setzt sich trotzdem durch, und man kann nicht einmal sagen. daß es nur eine großartige Ein— förmigkeit sei, die von diesen Wänden rede. Gleichmäßig ist— wenigstens bei den reifen Werken nur der Eindruck einer malerischen Naturkraft, die sich Luft machen muß, die zu stark ist, um viel zu wählen, zu überlegen und zu berechnen, die bisweilen ungestüm und polternd einherfährt, aber ihr Ziel nicht verfehlen kann. Mag der Geschmack des Beschauers von dem des Malers himmel⸗ weit verschieden sein, die Art seines Sehens ruhiger, inniger, liebe— voller, — er wird dennoch nicht dieses Abstandes zuerft gewahr werden, sondern von der Wucht, der strömenden Lebendigkeit dieser Gestaltungen sich mitgerissen und überwunden fühlen.
Merkwüroig genug; das, was uns den heutigen Corinth groß er— scheinen läßt, die Unmittelbarkeit und der leidenschaftliche Schwung seines Ausdrucks, erscheint auf dieser Ausstellung fast mehr ein Er gebnis seiner Arbeit als seiner Anlage. Die Bilder bis gegen die Jahrhundertwende hin zeigen ein seltsames Nebeneinander genialer Eingebungen und konventioneller Mache. Er hat auch damals leicht geschaffen; aber er versucht fich in allen möglichen Vortragsweisen, und man hat wohl den Eindruck, daß er malen kann, aber nicht, daß er so und nicht anders malen muß. Vielleicht am meisten von ihm selbst steckt in Arbeiten wie dem Gruppenporträt der Loge „In Treue fest' aus dem Jahre 1885. Wie hier die Charakterköpfe der alten Herren eng zusammengedrängt sind, wie sie beinahe über den Beschauer herfallen, wie die Lebendigkeit des einzelnen die Formlosig— keit des Ganzen vergessen läßt, das ist noch nicht als Malerei, aber als Empfindung — der Atem des echten Corinth.
Erst in Berlin hat er ganz sich selbst gefunden. Es ist eine Freude für sich, die stolze Reibe der Schöpfengen seit 1960 beiein ander zu sehen und an der Hand der Jahreszahlen des Katalogs den Wandel seiner Farbigkeit und seiner Pinselführung zu beobachten, die immer leichter und durchsichtiger, immer freier und freudiger zu werden scheint. So bekannt die meisten der Bilder sind, ihr Zusammen— klingen ist doch ein neuer Eindruck, der manches vorschnelle Urteil berichtigen wird. Wer Corinth nur als Schilderer physischer Lebendigkeit kennt, wird betroffen sein von dem Gehalt seiner Menschen⸗ schilder ungen. Sieht man ab von den prächtigen Selbst— bildnissen, wodie eigenen Züge oft nur als nächstliegendes Modell verwendet sind, so läßt sich etwa an einigen Perfönlichkeiten des heutigen Berlin, wie Eduard Meyer, Conrad Ansorge, George Mosson, Alfred Kerr, leicht nachprüfen, wie Corinth nicht bloß das Aeußere zu treffen, sondern gerade das Geistige zu formen versteht wo es ihm der Mühe wert erscheint. Schon das frühe Bildnis des Vaters ist dafür ein bedeutsames Zeugnis, und aus den letzten Jahren bildet die Ge— stalt des Paulus“ in dem Altarbild von Tapiau, die frele Schöpfung der Gestalt eines religiösen Schwärmers, geistig einen Höhepunkt im Schaffen des Meisters.
Trotzdem, es zieht ihn nicht zuerst nach dieser Richtung. Er faßt die Fülle des Lebendigen am liebsten in der Pracht des nackten menschlichen Körpers. Sieht man seine Akte, so scheint es, als fei alles andere nur um ibretwillen gemalt. Hier erzielt er eine Stoff⸗ lichkeit, die nur dem höchsten Ernst der Konzentration geschenkt wird. Diese Stofflichkeit, die früher vor allem dem festen Aufbau, jetzt mehr der schimmernden Oberfläche des Fleisches gilt, wirkt bald derb, bald zart; aber niemals schwül und lüstern, sondern stets mit befreiender Frische Alles andere, außer dem Menschenleib, kann ihm zur bloßen Dekoration werden: seine Blumen sind ein Nichts in sich selbst, ihn interessiert nur der schmetternde Zusammenklang der Farben, zu dem er sie aufruft; seine Stilleben, seine Innenräume (der Kronleuchter“), ja, selbst seine Landschaften sind eiwas durchaus Unstoffliches, Spiegelungen einer Farben⸗ und Raumphantasie, die sich wie zufällig jetzt diesen und jetzt einen andern Gegenstand heranholt.
Nichts natürlicher, als daß es den Schilderer des Körpers auch zu großen Kompositio nen drängt. Hier folgt man ihm nicht immer mit dem gleichen Genuß. Wo er seine Gestalten absichtlich zusammenfügt, wirkt der Aufbau der Gruppen nicht selten äußerlich und matt, so bei der Kreuztraaung von 1909; wo er scheinbar alles dem Zufall überläßt (die ‚Malerfamilie“ von 1909), kann das Ergebnis roh eischeinen, wie eine Skisze, die zu einem Riesenformat gedehnt wird. Aber es gibt daneben eine Reihe von mythologischen Szenen (die „Kindheit des Zeus“, dann auch Der Raub der Sabinerinnen“, der Orpheus‘), wo die leichten frohen Farben, die über dem Grundton liegen, das lockere, auseinanderstrebende Gebilde wieder zusammenfügen und einen Gesamteindruck heiterer Bewegtheit erzeugen, der durchaus als eine bildmäßige Schöpfung wirkt.
Lovis Corinth ist oft mit den großen Flamen des 17. Jahr— hunderts verglichen worden. Die äußeren Berührungspunkte mit ihnen sund manchmal auch mit Caravaggio) sind so augenfällig, daß es nicht lohnt, sie aufzuzählen. Wichtiger erscheint es, auf die
ö
Duellen des Schaffens hinzuweisen, die in der Tat hier und dort dieselben sind: auf die starke und gesunde Sinnenfreude, die zur Natur gewordene Sicherheit des Handwerklichen und den lauteren Ernst der Kunstgesinnung. 3
Im Kaiser Friedrich⸗Museum befinden sich zwei Bildwerke der
Florentiner Spätrengissance, Flußgötter darstellende Tonmodelle, die
man bisher für Kopien Trüibolos nach verloren gegangenen
Modellen Michelangelos hielt. Eine neue Untersuchung Dr. Fritz
Goldschmidts hat, wie er im Februarheft der „Amtlichen Berschte aus den Königlichen Kunstsammlungen“ mitteilt, zu dem Ergebnis geführt, daß die Autorschaft Tribolos für die eine Figur völlig sicher— gestellt ist, während sich die andere als ein Werk Giovannt da Bolognas erwies. Es handelt sich bei ihr um ein Modell dieses Tünstlers zu einer Darstellung des Euphrat, die dann auch an der Fontana del Isolotto im Florentiner Boboligarten ausgeführt worden ist.
In das Kupferstichkabinett ist zu den 7 meist beiderseitig be
druckten Blättern, die es bisher von Burgkmairs Holzschnitten zur Genealogie des Kaisers Maximilian besaß, im Pariser Kunsthandel ein neues Blatt erworben worden, das in mehrfacher Beziehung besonders merkwürdig ist. Die Genealogie Kaifer Maximilians ist nie fertig und nie veröffentlicht worden. Das Manuskript zu ihr lag 1509 vor, und in den folgenden Jahren arbeitete Burgkmair seine Holzschnitte. Da die Gelehrten sich aber über Einzelheiten des Stammhaumes nicht zu einigen vermochten, blieb das Werk liegen. Von Burgkmairs Holzschnitten zu ihm sind nur einige Seiten Probedrucke auf uns gekommen, die dem Kaiser nach Wien gesandt waren und sich noch dort befinden. Nur einzelne Blätter oder kleinere Folgen sind im Besitz von Sammlungen in München, Augsburg, Berlin, Stuttgart, London und Dresden. Das neuerworbene Blatt ist also an sich schon eine Seltenheit; eine be— sondere Bedeutung erhält es aber durch einen mit Tinte unter das Bildnis — ein Porträt König Philivps J., des Schönen, von Spanien — geschrlebenen Vierzeiler. Er lautet: Diser kinig stet hie unt wag / daron vnfal vnd gelick lag / vnd vngelick nam iher hand / des abber sein Kind, iberwasid. Vermutlich sollten die einzelnen Bilder der Genealogie mit solchen Versen ver— sehen werden Mit dem Anfangswort „Diser“ führt der erklärende Text den Beschauer beim Blättern zu dem neuen Bildnis über und der Vers weist auch schon auf das folgende Bild, das des Sohnes König Philipps hin, auf den nachmaligen Karl V., der auf dem folgenden Blatt als Knabe dargestellt war. Der oben mitgeteilte Vers ift von Burgkmair selbst geschrieben, wie eine Vergleichung der Handschrift mit anderen von Burgkmair herrührenden Schriftproben ergibt. Allerdings kann der Künstler den Vierzeiler erst nach dem Jahre 1516 ge— schrieben haben, da in ihm nicht nur auf König Philipps Ungluͤck, sondern auch schon auf Karls N. glänzenden Aufstien kbingedeutet ist. Man kann annehmen, daß Burgkmair an dem liegen gebliebenen Werk auch in der Folgezeit Interesse nahm und auf den Blättern eines in seinem Besitz gebliebenen Probedrucks später die Verse ein. trug. Es ist also sehr wahrscheinlich, daß das neuerworbene Blatt aus dem Besitz Burgkmairs selbst stammt.
Literatur.
— Der Generalfeldmarschall Freiherr von der Goltz veröffent— licht in dem Februarheft der ‚Deutschen Rundschau“ einen Aufsatz über das Thema: Der jungen Türkei Niederlage und die Möglichkeit ihrer Wiedererhebung.! Die preußische Politik im Winter 1812 —1813 schildert der Geheime Archivrat Paul Bailleu in einem Aufsatz „Preußen am Scheidewege'. Neben der Fortsetzung des Steyrer Romans „Stephana Schwertner“ von Enrica von Handel Mazzetti sei auf die Arbeit von Irene Forbes⸗Mosse „Fremde Erden, einer Ballade in Dramenform, aufmerksam gemacht. Ueber Beethovens literarische Bildung spricht der Jenaer Literaturhistoriker Albert Leitzmann. Theodor Birt steuert eine Charakteristik der Gracchen bei. Der Aufsatz von Bernhard Groethuysen über den verstorbenen Philo— sophen Wilhelm Dilthey wird zu Ende geführt. W. v. Seidlitz be— handelt Fragen der Kunstgeschichte in neuer Beleuchtung. Richard M. Meyer den neuesten Band des Briefwechsels zwischen Wilhelm und Karoline von Humboldt. Eine Studie von Hugo Bieber über ostasiatische Kulturkritik und literarische Notizen beschließen das Heft.
Das Februarheft der von Ludwig Stein herausgegebenen Monatsschrift Nord und Süd“ hat folgenden Inhalt: Sultan Abdul Hamid II.. Gedanken und Erinnerungen. Tagebuchblätter, herausgegeben von Ali Vahbi Bey. König Nikolaus J.: Sonnen— untergang in Montenegro. Erinnerungen an den 1860 zu Cattaro ermordeten Fürsten Danilo, seinen Vorgänger. Deutsch nachgebildet von Axel Lübbe. Chefredakteur Wilhelm Georg: Erinnerungen au Alfred von Kiderlen. Max Roloff: Der Panislamismus. Lord Courteney of Penwith: Nationen und Nachbarn. Ein Brief an einen deutschen Freund. G. H. Perris (London): Mehr Licht über die Agadir⸗-Krifis. Professor Dr. Ernst Sieper: Die deutsch-englische Verständigungs— konferenz. 1II und III. Dr. J. von Ferenezy, ordentlicher Hochschul professor in Budapest: „Krieg dem Kriegen. Dr. Franz Ledermann: Der Krieg als Kultur- und Wirtschaftsereignis. Vorschläge zur Be— gründung eines Zivilarchips des Krieges. Werner Bloch: Vom Wesen der Kritik. Geheimrat Dr. K. Koppin: Hellenisches Lachen. (Eine ganz unmoderne literarische Epistel Sigmar Mehring: Philomelens Klagelaut. Gräfin L. Uxkull: Das Haus des Hasses. Novelette. Hans Land;: Alfred von Ingelheims Lebensdrama. Roman. (Fort⸗ setzung Rundschauen.
Theater und Musik.
Im Königlichen Opernhause findet morgen, Donners— tag, eine Wiederholung des Festspiels „Kerkyra“ (Corfu) in der be kannten Besetzung statt.
Im Königlichen Schauspielhause wird morgen das Butze, Arnstädt, Meyer und Heisler sowie den Herren Vollmer, Vallentin, Boettcher und Keßler in den Hauptrollen, gegeben. Die Rolle der Frau Schünemann spielt Fräulein Senta Söneland als Gast.
Zu dem am Donnerstag im Konzertsaal der Kgl. Hochschule für Mu sik auf Veranlassung des Schöneberger Oberbürgermeisters Domintecus stattfindenden Konzert zum Besten des Lette— vereins unter dem Protektorat Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin hat neben den bereits genannten Künstlern (Eugenie Stoltz,
Lussspiel Die glückliche Hand“ von Hugo Lubliner, mit den Damen.
des Obermusikmeisters Schrader ausgeführt. Wihrend des Pig“ menadenkonzerts findet eine Verlosung von Gemälden und Plastiten erster Künstler statt, darunter Werke von Liebermann. Kallmorgen, Kampf, Breuer, Janensch, Georg Koch, Maximilian Schäfer, Schulte im Hofe, Douzette, Hans Hartig u. a. Eintrittskarten zu 10 (, 6 , 3 M sind in der Hofmusikalienhandlung von Bote u. Bock und im Warenhaus A. Wertheim zu haben.
Der diesjährige Gesindeball des „Vereins Berliner Bühnen künstlern findet Sonnabend, den 1. März, in den Sälen des Restaurants Zoologischer Garten statt. Schrifiliche Eintritts⸗ gesuche sind an das Gesindeball⸗Bureau“, Kalserhotel, Friedrichstr. 7, zu richten. Die Zusendung der Einladungen erfolgt demnächst. Bertha von Suttner wird am Montag, den 17., und Mitt— woch, den 19. Februar, im Wissenschaftlichen Theater der MUrania“ in einem Vortrag ‚Reisebilder aus Amerika“ über ihre Eindrücke und Erlebnisse auf ihrer im Vorjahre unternemmenen Reise in die Vereinigten Stagten Nordamerikas berichten. Eintritts- karten für beide Vorträge sind bereits von heute ab an der Kasse der „Urania“ zu haben.
Der Freiwillige Erziehungsbeirat für schulentlassene Waisen in Berlin muß zu Ostern d. J. wieder eine große Anzahl seiner Pfleglinge, männliche und weibliche, in Lehr- und Dienststellen unterbringen. Er ist bemüht, senen Schützlingen nur solche Lehrstellen nachzuweisen, die ihren körperlichen und geistigen Kräften entsprechen und gibt dadurch auch den Lehrherren die Gewißheit, sich in ihren Lehrlingen geeignete Mitarbeiter heranzubilden. Während der Aus bildungszeit werden die Pfleglinge durch die Pfleger des Erztehungs— beirates überwacht. Der Beirat bittet, Meldungen über freie Stellen unter Angabe der Bedingungen der Geschäftsstelle. Alte Jakob— straße 20 22, baldigst zugehen zu lassen. Erwünscht sind auch Lehr— stellen in der Umgegend Berlinz mit Kost und Wohnung.
Von erfreulichem Wachstum nach innen und außen erzählt der soeben erscheinende 5. Jahresbericht des Berliner Frauen⸗ vereins gegen den Alkoholismus, der jetzt 704 Mitglieder umschließt. Seine vorbeugende Arbeit praktischer Art umfaßt bereits 14 Wirtschaftsbetriebe, nämlich 4 Erfrischungshallen am Stettiner, Schöneberger, Görlitzer Bahnhof und eine Kaffeehalle im Osten, 4 Erfrischungskarren (Brandenburger Tor, Potsdamer Bahn— hof, Am Zeughaus, Hausvogteiplatz), eine Kantine auf dem Neubau des Rathauses in Schöneberg, 3 Büfetts im Kriminalgericht, die städt. Wärmehalle in Charlottenburg, den städt. Unterkunftsraum in Schöne⸗ berg. Mehr als eine Million Portionen Milch, Buttermilch, Joghurt, Kaffee, Kakao, Limonade, Selter, Fleischbrübe, alkoholfreien Punsch, Butterbrote, Kartoffelpuffer, Würsschen mit Salat, Kuchen und anderes Gebäck) wurden im Jahre 1912 verkauft, zumeist für 5 3 die Portion, trotz der starken Steigerung der Einkaufspreise. Vor beugend wirken auch seine stark besuchten Elternabende, die zahlreichen Vorträge in Vereinen, Seminaren und Schulen. Der Jahres bericht des Vereins, der die Groß Berliner Frauengruppe, des Deutschen Vereins gegen den Mißbrauch geistiger Getränke bildet, ist kostenlos von der Geschäftsstelle (Berlin⸗Wilmersdorf, Täbinger— straße 1) zu beziehen.
Die Ortegruppe Charlottenburg des Deutschen Flotten vereins veranstaltet Montag, den 10. d. M., Abends 8 Uhr, eine Festversammlung im Kaisersaal der Festsäle von Gustap Pohl, Charlottenburg, Bismarckstraße 84. Herr Professor Dr. Wegener wird über Samoa an der Hand selbstaufgenommener Lichtbilder sprechen. Außerdem findet ein Konzert des Gardejäger⸗ bataillons und zum Schluß Tanz statt. Eintrittskarten (fi Mitglieder und deren Angehörige 50 „, für Nichtmitglieder 5 sind auf dem Geschäftszimmer des Hauptausschusses (Berlin, Schöne⸗ berger Ufer 301) in den Stunden von g—4 Uhr sowie an der Abendkasse zu haben. Der Ueberschuß ist für das Seemanns Erholungsbeim „Kaiser Wilhelm. und Kalserin Auguste Viktoria— Stiftung“ in Klein Machnow bestimmt.
Guben, 4. Februar. (W. T. B.) Aus Anlaß der Ein— weihung des neuerbauten Stadtmuseums (vgl. Nr. 30 d. Bl.) hat der Fabrikant Max Wilke der Stadtgemeinde Guben für gemeinnützige Zwecke die Villa seines verstorbenen Vaters, de Geheimen Kommerzienrats Friedrich Wilke, und 10000 M über wiesen. Der Stadtrat Lewin stellte der Stadt anläßlich seines bevorstehenden 25jährigen Jubiläums als Direktor der Berlin⸗Gubener Hutfabriken A.-G. zu Wohlfahrtszwecken 25 000 6 zur Verfügung.
Braunschweig, 4. Februar. (W. T. B.) Wie der „Braun schweigischen Landeszeitung! aus Bad Harzburg berichtet wird, wurden heute früh auf der Eisensteingrube „Friederike“, die zur - Mathilden⸗Hütte“ gehört, durch herabstürzende Erdmassen die Bergleute Karl und Otto Wolters, zwei Brüder und beid verheiratet, sowie der Betriebsführer Gellhausen, ebenfalls verheiratet, getötet und der Steiger Kunstmann schwer verletzt. Die Leichen sind bereits geborgen.
nde
Wagen des Schnellzuges sind stark Der Sal onwagen des Prinzen Eitel Friedrich ist unversehrt. Der Prinz und das Gefolge nahmen rüstig an der Hilfeleistung für die Verwundeten teil. Die Fahrt wurde durch Antuppeln des Salonwagens des Prinzen an einen anderen Zug fortgesetzt. Die übrigen Reisenden sind gleichfalls in den anderen Zug umgestiegen.
London, 5. Februar. (W. T. B.) Wie das Liverpoole „Journal of Commerce“ erfährt, finden zwischen der Regierung und den wichtigsten atlantischen Dampferlinien Ver handlungen statt, um gemeinsam die Kosten für die Ent sendung eines Beobachtungsschiffes in das nors— atlantische Eisgebiet aufzubringen. Das Schiff soll mit einem mächtigen funkentelegraphischen Apparat ausgerüstet sein und an die amerikanischen Küstenstationen und an die Dampfer
Alexander Heinemann, Richard Rößler, Orchester des Symphonie—
ihre Mitwirkung zugesagt. Eintrittskarten zu 20, 10, und 3 0s sind in der Hofmusikalienhandlung von Bote u. Bock und im Waren— haus A. Wertheim erhältlich.
Mannigfaltiges. Berlin, 5. Februar 1913.
Eine Veranstaltung zum Besten eines Jungdeutschland— jugendheims und der Auferstehungskrippe findet am 14. Fe— pruar unter dem Protektorat Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen August Wilhelm von Preußen im Kaisersaal des Zoologischen Gartens statt. Der Abend wird mit einem Künstlerkonzert ein— geleitet, zu dem außer dem Generalmusikdirektor Dr. Richard Strauß folgende Künstler ihre Mitwirkung zugesagt haben: Karl Clewing, Lillh Hafgren⸗Waag, Frau bon Keudell, Walther Kirchhoff, Frau . von Mendelssohn, Mafalda Salvatini. Nach dem Konzert Abendessen, das Gedeck zu 250 S und 5 S. in, der weißen Veranda und in den Kaiserzimmern.
vereins) auch die Königliche Sängerin Elisabeth Boehm van Endert
Die Orchestermusit des nachfolgenden Prtomenadenkonzerts wird durch das verstärkte Musitkorps des 4. Garderegiments z. F. unter Leitung!
auf der Fahrt über den Ozean die geographische Länge und Breite der Lage von Eisbergen berichten.
Schemacha (Kaukasus), 5. Februar. (W. T. B.) Heute vor— mittag um 9 Uhr 13 Minuten wurde die Stadt von einem star ken Erdbeben mit heftigen Erdstößen heimgesucht. Die Bevölkerung
lagert in den Straßen. Die Eidstöße dauerten gegen mittag noch an.
Kopenhagen, 4. Februar. (W. T. B.) Der norwegische Dampfer „Faney“ ist gestern mittag im Kattegatt zwischen Kullen und der Insel Anholt mit dem finntischen Damp fer „Urania“ aus Helsingborg, der sich auf der Reise von Eng, land nach Kopenhagen befand, zusam mengestoß en. Die Urania sank sof ort nach dem Zusammenstoß. Bie Mann schaft und die Reisenden wurden von dem norwegischen Dampfer gerettet, der darauf die Reise nach Helsingör fortsetzte. Die „Fancy“ ist nur leicht beschädigt.
— 2 4 9811 1. 1 ‚ . . ö m (Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Zweiten, Dritten unt Vierten Beilage.)
2 31.
Zweite Beilage . zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
Berlin, Mittwoch, den 5. Februar
1913.
mere erer, e, e, m,
Prensischer Landtag. Herrenhaus. 24. Sitzung vom 4. Februar 1913, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von „Wolffs Telegraphischem Bureau“. )
Das Haus setzt die Spezialberatung des Entwurfs eines Wassergesetzes bei dem dritten Abschnitt „Wassergenossenschaften“ fort. Der erste Titel, Ss§ 184 — 215, umfaßt die „allgemeinen Vorschriften“. 8 184 zählt die Unternehmungen auf, für die Wassergenossen⸗ schaften gebildet werden können. 5 185 besagt u. a., daß die Bildung der Genossenschaft erfolgt 1) durch Genehmigung der Satzung auf Grund eines einstimmigen Beschlusses der Be⸗ teiligten, durch Genehmigung der Satzung auf Grund eines Beschlusses der Mehrheit unter zwangsweiser Heranziehung der Minderheit, 3) durch Erlaß der Satzung ohne Zustimmung der Mehrheit.
Herr Dr. von Hagens: Der Weg, der zwischen der Beschluß⸗ fassung über die Bildung der Genossenschaften und ihrer Ge—⸗ nehmigung liegt, ist sehr lang, und es können daher Jahre ver⸗ gehen, bis ein endgültiger Zustand herbeigeführt ist. Ich empfehle deshalb, die Genossenschaft vom Tage der Beschlußfassung an zu rechnen. Dadurch werden manche Unklarheiten vermieden, ins—⸗ besondere ist die Verteilung der später entstehenden Kosten dann sehr einfach, während sonst Zweifel darüber entstehen könnten.
Herr Dr. von Dziembowski: Der Antrag erscheint mir zweck— mäßig, da die erwähnten Schwierigkeiten tatsächlich leicht entstehen können.
Minister für Landwirtschaft, Domänen und Dr. Freiherr von Schorlemer:
Meine Herren! Der § 185, auf den sich der vorliegende An⸗ trag bezieht, steht im Zusammenhang mit den §§ 232 und 233 des Gesetzes. Ich muß gegenüber den Ausführungen des Herrn Antrag⸗ stelleis darauf hinweisen, daß auch nach dem bisherigen Recht für den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Genossenschaft nicht die Beschlußfassung über das Statut, sondern regelmäßig dessen Genehmigung maßgebend gewesend ist! Unzuträglichkeiten aus diesem Rechtszustande haben sich in der Praxis nicht ergeben. Es kommt aber — und das spricht gegen den Antrag — in Betracht, daß es sich nach 5 232 nicht um einen einheitlichen Termin für die Beschlußfassung, sondern unter Umständen um mehrere Termine handeln kann; deshalb wird mit dem Vorschlag des Herrn Antrag⸗ stelers, die Absicht, einen übereinstimmenden Termin für das Inkrafttreten der Genossenschaft festzusetzen, nicht erreicht. Die Unzuträglichleiten, welche von dem Herrn Antragsteller und dem Herrn Vorredner hervorgehoben worden sind, werden meines Erachtens durch den Absatz 2 des § 233 beseitigt. Nach dieser Vorschrift können mit Genehmigung des Kommissars für den Fall der Genehmigung oder des Erlasses der Satzung Verträge im Namen der zu bildenden Genossenschaft also auch zu Lasten derselben geschlossen werden. Es würde also keinem Zweifel unterliegen, daß die aus einem solchen Vertrage entstehenden Kosten auf die Genossen im Wege der Umlage verteilt werden können.
Ich möchte aus diesen Erwägungen die Bitte aussprechen, den Antrag abzulehnen und es beim Beschlusse der Kommission zy belassen.
Herr Dr. von Hagens: Die Abhilfe in den späteren Para⸗ graphen des Gesetzes, auf die der Minister verwiesen hat, ist doch nur eine teilweise. Auch ist der bisherige Zustand, auf den der Herr Minister sich berufen hat, zwiespältig.
Minister für Landwirtschaft, Domänen und Dr. Freiherr von Schorlemer:
Meine Herren! Ich glaube, der Herr Antragsteller verkennt einigermaßen, wie sich die Bildung von Genossenschaften in der Wirklichkeit vollziehen wird. Es werden sehr häufig nicht eine einzelne Gemeinde, sondern verschiedene Gemeinden für die Bildung einer Genossenschaft in Betracht kommen. Aus diesem Grunde werden die in Frage kommenden Beschlüsse auch nicht an einem, sondern an verschiedenen Tagen gefaßt werden. Der Wortlaut des Antrages enthält keine genaue Bestimmung darüber, welcher Tag nun für das Inkrafttreten der Genossenschaft maßgebend sein soll! Es erscheint schon aus diesem Grunde zweifellos zweck— mäßiger, es bei dem Vorschlage der Kommission und des Entwurfes zu belassen und ein für allemal den Tag der Genehmigung auch für das Inkrafttreten der Genossenschaft maßgebend bleiben zu lassen. Ich wieder⸗ hole nochmals, daß Unzuträglichkeiten dadurch beseltigt werden, daß die Bevollmächtigten auf Grund des § 233 Abs. 2 schon vorher namens der zu bildenden Genossenschaft bindende Verträge schließen können! Diese Verträge werden auch für den Fall, daß der Antrag des Herrn Antragstellers angenommen werden würbe, insofern bedingte sein, als sie bei nicht erfolgter Genehmigung der Satzung wieder hin— fällig werden würden. In dieser Beziehung wird auch durch den Antrag des Herrn Antragstellers die Sachlage nicht gebessert!
§z 185 wird unter Ablehnung des Antrages von Hagens unverändert angenommen, ebenso die 88 186 — 200.
Zu § 201 hat Herr Dr. von Hagens in Konsequenz seiner Anträge zu § 185 Abänderungsanträge gestellt. Nachdem sich Herr Dr. von Dziembowski gegen diese ausgesprochen hat, wird der Paragraph unverändert angenommen. Ein weiterer Antrag von Hagens will in 8 210 bestimmen, daß die neu eintretenden Mitglieder für die vorher eingegangenen Ver— bindlichkeiten der Genossenschaft haftbar zu machen sind. Aber auch dieser Paragraph wird in der Kommisstonsfassung an— genommen.
Ss§ 216 ff. betreffen die Genossenschaften mit Zulässigkeit des Beitrittszwanges.
S 2l16 bestimmt im letzten Absatz, daß Eigentümer von Grundstücken, für welche das Unternehmen keinen Vorteil in Aussicht stellt, zum Beütritt gezwungen werden können, soweit es im Interesse der Beschaffung oder Erhaltung der Vorflut oder zur Durchleitung von Entwässerungs⸗ oder Bewässerungs⸗ anlagen erforderlich ißt.
Forsten
Forsten
—Fürst zu Salm-⸗-Horstm ar will diesem Absatz folgenden Schlußsatz geben: .
„Eigentümern von Grundstücken kann es nicht als Vorteil an— gerechnet werden, wenn es sich um Beseitigung von Verunreinigungen handelt, welche von anderen verursacht sind.“
Referent Graf von Behr-Behrenhoff spricht sich gegen diesen Zusatz aus.
Minister für Landwirtschaft, Domänen und Dr. Freiherr von Schorlemer:
Meine Herren! Ich halte die Ausführungen des Herrn Referenten für zutreffend und möchte gegenüber den Bedenken, die in dem Antrage zum Ausdrucke kommen, nochmals hervorheben, daß in den Fällen, die der Herr Referent erwähnt hat, zweifellos dem Ge— nossen nicht als Vorteil angerechnet werden kann, wenn durch die ge⸗ troffenen Einrichtungen die Verunreinigung beseitigt wird. Aber auf der andern Seite steht ebenso fest, daß, wenn jemand ein Grundstück im Zustande der Verunreinigung erwirbt und nachher eine Genossenschaft zur Reinhaltung gebildet wird, er auch zu den Lasten der Genossenschaft herangezogen, bezw. ihm die Beseitigung der Ver⸗ unreinigung als Vorteil angerechnet werden kann! Da, wie der Herr Referent meiner Ansicht nach zutreffend ausgeführt hat, in einem solchen Falle durch Annahme des hier vorliegenden Antrags auch die Beteiligung des Genossen an den Kosten ausgeschlossen würde, so würde ich es für richtiger halten, es bei dem Entwurfe zu belassen und den Antrag auf Hinzufügung des vlerten Absatzes abzulehnen.
. Fürst zu Salm-Hoxr st mar zieht mit Rücksicht auf diese Er— klärung seinen Antrag zurück.
Ss 223 ff. handeln von den Zwangsgenossenschaften.
Nach einem Antrage des Herzogs zu Trachenberg sollen Zwangsgenossenschaften auch gebildet werden können zur Unterhaltung natürlicher Wasserläufe dritter Ordnung, wenn es zur Sicherung ordnungsmäßiger Erhaltung erforderlich ist.
Außerdem hat Fürst zu Salm⸗Ho r st mar seinen zum sz 216 gestellten Antrag hier ebenfalls eingebracht; er zieht ihn jedoch in der Voraussetzung, daß die Erklärungen des Ministers sich auch auf den vorliegenden Paragraphen beziehen, zurück.
Herzog zu Trachenberg:; Nachdem man die Wasserläufe zweiter Ordnung den Zwangsgenossenschaften unterworfen hat, wäre es eine logische Inkonseguenz, die Wasserlaͤufe dritter Ordnung von den Zwangsgenossenschaften auszuschließen, auch dann, wenn es zur Sicherung der ordnungt mäßigen Unterhaltung notwendig ist. Jeder Landrat oder Amts vorsteher wird mir zugeben, daß nichts schwieriger ist, als eine ordnungs mäßige Unterhaltung der hier in Betracht kommenden Anlagen. Die Anlieger haben in vielen Fällen gar kein besonderes Interesse an der Unterhaltung, sie haben gar keinen Nutzen davon, und wenn sie aufgefordert werden, den Graben zu räumen, so greifen sie zu Ausflüchten. Es ist auch nicht richtig daß in manchen Fällen die Räumung eines Wasserlaufes dritter Ordnung seitens der Ad⸗ jazenten einen besseren Erfolg haben würde. Billiger würde es ja sein, aber in den meisten Fällen würde gar nichts geschehen. Ich bitte Sie, im Interesse einer intensiven Ackerkultur meinen Antrag anzunehmen.
Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer:
Meine Herren! Der § 223, zu dem der vorliegende Antrag des Herzogs zu Trachenberg gestellt worden ist, beschränkt bezüglich der Wasserläufe dritter Ordnung die Bildung einer Zwangsgenossenschaft auf diejenigen Fälle, wo auf Grund des schlesischen Auenrechts ein besonderer Unterhaltungspflichtiger für diese Wasserläufe vorhanden ist. Ich kann ein Bedürfnis nicht anerkennen, über diese Beschränkung hinauszugehen, und möchte bitten, den Antrag auch schon deshalb abzulehnen, weil seine Annahme im Abgeordneten— hause zweifellos erheblichen Schwierigkeiten begegnen würde. Das ist aus den dort geführten Verhandlungen klar ersichtlich. Ich verkenne keineswegs die Tendenz des Antrags und seine Bedeutung für die Besserung der Wasserwirtschaft, aber ich glaube, daß wir auch auf Grund der in dem Entwurf enthaltenen und von Ihrer Kommission gebilligten Bestimmungen unser Ziel erreichen können, weil ja immer— hin die Möglichkeit besteht, einen Wasserlauf dritter Ordnung, bei dem ein besonderes Bedürfnis zur Bildung einer Zwangsgenossenschaft vorliegt, zu einem Wasserlaufe zweiter Ordnung zu machen und damit die Absicht des Herrn Antragstellers zu erreichen.
Herr Dr. von Dzie m bowgski; Auch ich verkenne nicht die Ten⸗ denz des Antrages im Interesse der Melioration. Ich glaube aber, daß die Regierung weise getan hat, das Recht zur Zwangsgenossenschaftsbildung zu beschränken. Es liegt kein Anlaß vor, auch für die Wasserläufe dritter Ordnung zu dem Recht der Zwangsgenossenschaftsbildung zu greifen; dies wurde auch erhebliche Aufwendungen notwendig machen.
Der Antrag des Herzogs zu Trachenberg wird abgelehnt, 8s 223 bleibt unverändert, ebenso die übrigen Paragraphen des dritten Abschnittes.
Der vierte Abschnitt betrifft die Verhütung von Hochwassergefahren, s§ 261 ff.
Nach 8 261 kann zur Verhütung von Hochwassergefahren der Regierungspräsident beziehungsweise Oberpräsident Polizei— verordnungen erlassen, wonach von der Genehmigung des Land⸗
! — ** ö . * 3364 rats, in Stadtkreisen der Ortspolizeibehörde Vertiefungen der Erdoberfläche im Hochwafferabflußgebiet, wie die Entnahme von Lehm, Kies, Steinen usw., und das Bepflanzen hochwasser⸗ freier Grundstücke, die der Unterspülung ausgesetzt sind, mit Bäumen und Sträuchern abhängig gemacht werden können.
Ein Antrag von Dr. Grafen von Wedel⸗-Gödens will, wie in den Stadtkreisen, auch in den 19 sogenannten selbständigen hannoverschen Städten, deren Polizeiverwaltung der Aufsicht des Landrats nicht untersteht, an die Stelle des Landrats die Ortspolizeibehörde setzen.
Herr Dr. von Kopp: Der Antragsteller ist verhindert, hier im Hause zu erscheinen, und hat mich gebeten, seinen Antreg zu begründen. Es gibt in Hannover Städte, die trotz ihrer beschränkten Einwohnerzahl doch die Rechte von Kreisstädten haben. Dieses Recht stammt aus einer rechtsgeschichtlichen Entwicklung der jetzigen Provinz Hannover, und dieses Recht ist für die betreffenden Stäßrte ganz besonders wertooll. Es handelt sich keineswegs um ein besonderes Privilegium, sondern um ein bestehendes Recht. Das
Forsten
Abgeordnetenhaus hat sich bemüht, dieses Recht wiederum zur Geltung
zu bringen; zu meinem großen Bedauern hat unsere Kommission den betreffenden Zusatz gestrichen, und der Regierungsvertreter hat diese Streichung sogar zu begründen gesucht. Er hat darauf bingewiesen, daß alle Städte mit über 10000 Einwohnern in derselben Lage wären. Wenn die hohe Stagtsregierung den Städten mit über 10 000 Ein⸗ wohnern ein gleiches Recht beilegen will, jo mag sie es tun. Wenn die Regierung den Städten durch Ausführungsbestimmungen helfen will, so ziehen es doch die getroffenen Städte vor, im Gesetz geschützt zu sein statt durch Ausführungsbestimmungen, denen sie doch etwas Mißtrauen entgegenbringen. Sie haben schon bei dem Reichs⸗ versicherungsgesetz bezüglich der Errichtung von Versicherungsämtern und beim Arbeitsscheuengesetz schlimme Erfahrungen gemacht. Wenn es sich darum handelte, ein einheitliches Recht im ganzen Lande zur Geltung zu hringen, einen unberechtigten Partikularismus zu beseitigen, dann ließe sich die Haltung der Staatsregierung, wohl begreifen. Die Probinz und das Land Hannover hat sich aber in die preußische Staatsverfassung und in den preußischen Staat im allgemeinen von Anfang an willig hineingefunden, und wenn sie dieses Recht he⸗ ansprucht, so kann sie sich auf das Wort des preußischen Königs be⸗ rufen, daß alle ihre Eigentümlichkeiten geschont werden sollten. Es handelt sich hier um ein althergebrachtes Recht, das durch ein Königs⸗ wort garantiert ist. Die Provinz ist für dieses Königswort auch dankbar gewesen. Ihre besten Söhne haben sich der Verwaltung des neuen Staates angegliedert; ich will keine Namen nennen. Die niedersächsischen Hannoberaner würden für das Staatsinteresse Spfer zu bringen bereit sein, aber hier handelt es sich nicht um ein fraat⸗ liches Interesse. In dieser friedlosen Zeit sollte man alles ver⸗ meiden, was Verstimmung oder Verwirrung im Innern des Landes hervorrufen könnte.
Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer:
Meine Herren! Der Vertreter des Herrn Ministers des Innern hat im Abgeordnetenhause sowohl bei der Beratung dieses Gesetz⸗ entwurfs wie auch des Moorschutzgesetzentwurfs den Standpunkt der Königlichen Regierung dargelegt und insbesondere darauf hinge— wiesen, daß ein Eingriff in das sogenannte Privileg der sechzehn hannoverschen Städte, welche als Kreisangehörige in ihrer Polizeigewalt selbständig sind, nicht beabsichtigt wäre und auch nicht vorliege. Ich muß auch dem Herrn Referenten in der Ausführung beitreten, daß tatsächlich in vielen Fällen ein Bedürfnis besteht, die Wasserpolizei bei denselben Fluß⸗ läufen nicht verschiedenen Händen anzuvertrauen, sondern einer Behörde zu unterstellen. Entsprechend dieser Auffassung hat auch die Staats⸗ regierung sowohl in der urspränglichen Vorlage wie auch in ihrer Begründung gegenüber dem Abgeordnetenhause den Standpunkt ein⸗ genommen, daß es am zweckmäßigsten sein würde und auch im Interesse der Provinz Hannover liege, wenn es bei den Bestim⸗ mungen des Entwurfes verbliebe. Wenn die Staatsregierung trotzdem gegenüber den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses ein tolerari posse ausgesprochen hat, so ist das unter der selbstverständlichen und ausdrücklichen Voraussetzung geschehen, daß der Staatsregierung auf Grund der §§ 318 und 319 dieses Gesetzentwurfs die Möglichkeit
bleibt, die Wasserpolizeibehörde anders zu regeln, wie es nach dem § 261 der Fall sein würde. stach den 55 318 und 319 ist die Staatsregierung zweifellos in der Lage, im Falle eines Bedürfnisses bei Wasserläufen zweiter und dritter Ordnung die Wasserpolizei dem Landrate zu übertragen, bei Wasserläufen zweiter Ordnung auch der Ortepolizeibehörde, wo es sich um Stadtkreife handelt, und zwar auch für den Teil des Fluß laufes, der in Landkreisen liegt. Ich habe ausdrücklich zu erklären, daß von dieser Befugnis, falls der Antrag des Grafen Wedel an— genommen werden sollte, in den Fällen, wo sich ein Bedürfnis heraus⸗ stellt, auch Gebrauch gemacht werden muß!
Der 8 261 wird mit dem Antrag des Grafen von Wedel angenommen.
Die S8 262 bis 267 schwemmungsgebiets von Zu § 2602 bittet
Graf von der Schulenbur in dem Verzeichnis der Wasserläufe, für welche die Vorschriften dieser Abschnitts gelten sollen, das Gebiet der Oberaller von der Ein mündung der Ocker aufwärts aus den Ueberschwemmungsgebieten herauszunehmen oder Erleichterungen für diese Kulturgebiete zu ge— währen.
Minister für Landwirtschaft, Domänen und Dr. Freiherr von Schorlemer:
Meine Herren! Ich bin nicht in der Lage, zu prüfen, ob die Gründe, welche der Herr Antragsteller für seine Anfrage und deren Bejahung hat, zutreffen. Es ist zunächst Sache des Serrn Ober⸗ präsidenten, darüber zu entscheiden, ob die Aller ganz oder nur in ihrem oberen Teile in das Verzeichnis der Flüsse gehört. Falls die Interessenten damit nicht einverstanden sein sollten, bleibt ihnen nach dem Gesetz die Möglichkeit, die ministerielle Entscheidung bherbei⸗ zuführen. Ich muß anheimstellen, diesen Weg zu beschreiten, und kann deshalb augenblicklich die von dem Herrn Antragsteller gewünschte Zusage nicht geben.
Der V. Abschnitt handelt von den Zwangsrechten. Nach sz 308 kann zugunsten eines Unternehmens, das die Ent⸗ wässerung von Grundstücken, die Beseitigung von Abwässern oder die bessere Ausnützung einer Triebwerksanlage bezweckt, der Unternehmer von dem Eigentümer des Wasserlaufes sowie von den Eigentümern der zur Durchführung des Unternehmens erforderlichen Grundstücke Duldung der vor⸗ zunehmenden Veränderung des Wasserlaufes gegen Entschädigung verlangen. Dasselbe ist im 5 309 zugunsten eines Unter⸗ nehmens der Fall, das die Entwässerung oder Bewässerung von Grundstücken, die Wasserbeschaffung zu häuslichen oder gewerb⸗ lichen Zwecken oder die Beseitigung von Abwässern statuiert. Hierzu beantragt Fürst zu Salm⸗Horst mar, in Ss 308 die dort statuierte Befugnis des Unternehmers bei der Beseitigung von Abwässern einer Triebwerksanlage auf das öffentliche Interesse zu beschränken, ebenso will er in 09 diese Befugnis des Unternehmers nur für Entwässerungs zwecke im öffentlichen Interesse zulassen und die Wasserbeschaffung für
etreffen die Freihaltung des Ueber⸗
rg⸗Wolfs burg den Minister,
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gewerbliche Zwecke wieder beseitigt wissen.
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