Birkenhain erboben hat: erstens, daß er einen lächerlichen Bescheid erlassen habe, zweitens, daß er den Minister angelogen, daß die Be⸗ hörden den Minister angelogen haben, vollständig unzutreffend, da der Fall sich, wenn überhaupt, so jedenfalls nicht in Birkenhain zu— getragen hat. (Hört! hört! rechts.) Nun behauptet er, Neudeck wäre so in der Nähe von Birkenhain gelegen, daß das doch hätte bekannt sein müssen. Ich gestatte mir, darauf hin⸗ zuweisen, daß Neudeck in einem ganz anderen Kreise gelegen ist als Birkenhain. Der Landrat des Kreises Beuthen konnte daher gar nicht wissen, was in einer Ortschaft des Kreises Tarnowitz passiert war
Ich überlasse nach wie vor das Urteil über das Verhalten des Abg. Korfanty und die Genauigkeit und Glaubwürdigkeit seiner An— gaben dem hohen Hause. (Bravo! rechts.)
Abg. von Goßler (kons.): Ich habe persönlich die Angriffe, die in den letzten Jahren gegen die Landräte erhoben worden sind, genau verfolgt, und ich kann heute an der Hand der amtlichen Sitzungsberichte feststellen, daß in den meisten Fällen die Beschperden, welche sich auf tatsächliches Material stützten, sofort an den Minister gingen und von ihm als nicht stichhaltig hingestellt werden konnten. Wenn der Abg. Wenke heute sagt, daß diese Feststellungen ihm nicht genügen, so muß ich sagen, daß, wenn der Minister hier auf Grund amtlicher Feststellungen uns Mitteilungen gemacht hat, dies uns genügt. Als im vorigen Jahre der Abg. Friedberg hier . ganzen Bukett von fünf Beschwerden aufwartete, war der Meinister sofort in der Lage, drei von diesen Beschwerden als absolut unbe gründet hinzustellen. Eine Beschwerde war ihm nicht belannt und nur in einem einzigen Falle konnte man vielleicht einen Grund zur Beschwerde anerkennen. Wenn das dem Abg. Friedberg Passiert, der immerhin sehr vorsichtig ist, so können wir uns ein Bild machen, welch hoher Prozentsatz der Beschwerden, die weiter links gegen die zandräte vorgebracht wurden, ganz unbegründet ist. Ich habe ein sehr erhebliches Mißtrauen gegen alles, was von jener Seite por gebracht wird, nachdem uns der Fall Becker kontra Maltzahn ö. schäftigt hat. Dieses Mißtrauen hat sich allerdings durchaus nich etwa vermindert nach dem, was wir heute gehört haben. Ih kann feststellen, daß das Material, was in diesem Jahre gegen die Land. räte vorgebracht worden ist, ein derartiges war, daß eine irgendwie nennenswerte erhebliche Belastung der Landräte nicht nachgewiesen werden konnte. Wenn man bedenkt, daß die Landräte auf einem außerordentlich schwierigen Posten stehen, und wenn man weiß, wie die Herren von der Linken fast jeden Schritt der Landräte auf amt. lichem oder privatem Gebiete verfolgen, wenn man hört, daß die Landräte von einem ganzen Spionagesystem umgeben sind, und wenn man Dann sieht, wie wenig wirklich herauskommt, dann. kann man dem Minister des Innern nur gratulieren. Etwas mehr Berechtigung und etwas mehr Objektivität können wir aber wohl guch von Ihnen verlangen. Letzten Endes kommen wir noch darauf hinaus, daß Sie den Landrat mundtot machen wollen. Was Sie verlangen, ist die Entrechtung der Landräte als Staatsbürger. (Widerspruch und Un— ruhe links. Der Präfident bittet, den Redner nicht zu unter— brechen. Wir würden uns wohl bald mit Ihnen einigen, wenn Sie festhalten, daß die Landräte sich nicht Kagitatorisch betätigen, daß sie ihre Machtmittel nicht im Parteiinteresse gebrauchen, sondern daß sie sie anwenden in der Eigenschaft als Staatsbeamte. Ihnen aber kommt es nur darauf an, daß die Landräte überhaupt keine. Mei⸗ nung, jedenfalls keine politische Meinung hahen. Für Sie ist der Tatbestand der politischen Parteiagitation erfüllt, wenn der Landrat in eine konserbative Versammlung geht oder wenn in einem Kreis⸗ blatte, auf das der Landrat in den wenigsten Fällen einen Einfluß hats ein konserbgtiver Artikel steht. Wenn etwa der Landrat in einer konservativen Versammlung das Wort ergreift, dann laufen Sie gleich zum Minister. Bgmit machen Sie den Landrat zum Stgatsbürger, zweiter Klasse. Sie verkümmern ihm die ihm verfassungsmäßig zustehenden Rechte, auf die Sig ja gerade auf der Linken ein so großes Gewicht legen. Wenn der Abg. Friedberg vor wenigen Tagen dem Minister gesagt hat, es würde nötig sein, daß der Minister des Innern den ihm unterstellten Be amten ans Herz legt, gegenüber den Parteien eine völlige Neutralität zu beobachten, so bedeutet das, daß Sie den Landräten auch als Privatpersonen jede politische Betätigung verkümmern wollen, daß Sie die ihnen verfassungsmäßig zustehenden Rechte beschneiden wollen. Anders ist eine völlige Neutralität gar nicht denkbar. Oder Sie müßten verlangen, daß, wenn er heute in eine konservative Versamm⸗ lung geht, er morgen eine liberale Versammlung besucht. Man muß vielleicht zugeben, daß die Landräte früher in vielen Kreisen politisch die führenden Persönlichkeiten gewesen sind. es tat⸗ sächlich nicht mehr der Fall. politischer nicht gebr u in libere * .
. Eine kom daß er nicht nur Er hat ge⸗ als Staatsbeamter, als nunglbeamter und als gewöhnlicher Staatsbürger. Daraus können Sie doch aber nicht die Folge ziehen, daß er auch nach drei Farben schillern soll. Nun kommt noch eine hinzu. Es ist ganz ge— wiß, der Landrat soll der Vertrauensmann seines Kre es sein und soll sich deshalb eine größere Reserve in der politischen Betätigung guferlegen. Aber dieser Satz bedarf doch einer Einschränkung. Ein Landrat, der der Vertrauensmann der Sozialdemokraten eines Kreises wäre, wäre doch eine ungewöhnliche Erscheinung. Der Abg. Ströbel wird doch noch ein paar Jahre warten müssen, ehe er zu seinem sozialdemokratischen Landrat kommt. Der Landtat hat dem König Treue geschworen, er muß also jederzeit für das monarchische Kraft— staatsbewußtsein eintreten. Wenn der Abg. Ströbel dem Landrat ) ;
—
von Trotha in dieser Beziehung einen besonderen Vorwurf macht, wird jeder Patriot dem Landrat von Trotha dahin beipflichten, er in energischer Weise sein Gefühl zum Ausdruck gebracht hat. denn der Landrat sagen, daß die Sozialdemokrafie nicht mehr die staatsgefährliche Partei seis Sie sollten doch überhaupt endlich ein⸗ mal aufhören, Jahr für Jahr immer nur die Landräte anzugreifen. Sie sollten doch auch einmal ein Wort der Anerkennung finden für alles das, was die Landräte für Preußen getan haben. Der Abg. Ströbel macht den Landräten den Vorwurf, daß sie Voꝛsitzende der Kreisvereine seien und daß sie sich für alle Dinge, die sie eigentlich nichts angehen, interessieren. araus können wir doch den Landräten keinen Vorwurf machen, das ist gerade ein Ruhmesblatt der preußi⸗ schen Landräte, daß sie sich auf allen Gebieten der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes annehmen. Sie sollten sich doch erinnern, daß die Geschichte Preußens aufs engste mit den Landräten verbunden ist. Jede Schwächung der Landräte hedeutet zugleich a
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ch auch eine S kung der Demokratie, und deshalb sollte jeder, dem die Erhe der preußischen Monarchie am Herzen liegt, sich mit uns vereinen, wenn wir die Stellung den Landräten nicht schwächen, sondern stärken.
Darauf wird ein Schlußantrag angenommen.
Zur Geschäftsordnung bemerkt
Abg. Cassel (fortschr. Volksp.): Es liegt uns fern, die Landräte entrechten zu wollen.
Abg. Ooffmann (Soz.): Ich bin durch den Schlußantrag leider verhindert, tatsächliches Materlal über einen diesem Hause an⸗ gehörigen Landrat, den Landrat von Hassel, vorbringen zu können.
Abg. von Campe (natl) bedauert, daß er nach Annahme des Schlußantrags nicht mehr in der Lage ist, in einigen Punkten den Ausführungen des Abg. von Goßler entgegenzutreten.
Abg. .orfanty (Pole) hält seine Ausführungen über den Fall Birlenhain aufrecht. Der Fall Neudeck sci ein anderer. Die Aus— führungen des Ministers seien nicht richtig.
Das Kapitel der Landratsämter wird bewilligt.
Bei dem Kapitel der Polizeiverwaltung in Berlin und Umgebung, Charlottenburg, Berlin⸗Lichtenberg und Stralau, Neukölln, Berlin⸗Schöneberg und Wilmersdorf referiert
Abg. Winckler (kons.) über die Verhandlungen der Kommission bezüglich der Uebertragung der Wohnungspolizei auf dle Stadt Berlin.
Abg. Dr. Grunenberg JZentr. ): Die Statistik zeigt eine Zu⸗ nahme der Automobilunfälle in Berlin; der Automobilverkehr ist beinahe gemeingefährlich geworden. Klage ist darüber schon genug geführt worden, aber ich will doch keinen Vorwurf gegen die Polizei- verwaltung erheben, sondern nur den Wunsch aussprechen, daß Piaß— nahmen von der Regierung getroffen werden, um Wandel zu schaffen. Bei Unfällen sind viele AÄutomobilisten gar nicht in der Lage, den Schaden zu ersetzen, den sie angerichtet haben. Es wäre deshalb not⸗ wendig, eine Zwanasberufsgenossenschaft der Automobilisten zu bilden. Die Automobile sollten, wie es in Nürnberg geschieht, die Konzession nur erhalten, wenn der Besitzer nachweisen kann, daß er gegen Haft⸗ pflicht versichert ist.
Abg. Dr. Bell (Zentr.): Ich habe schon in dem vorigen Jahre über die Umgestaltung des Strafgesetzbuchs und der Strafprozeß⸗ ordnung sowie über die Reorganisation der Kriminalpoltzei gesprochen. Es bedarf einer zweckentsprechenden Aushildung unserer Kriminal⸗ beamten, und zwar nicht nur der unteren Beamten sondern auch der höheren. Im Dezember hat elne Konferenz der Polizeiverwaltungen der deutschen Bundesstaaten unter dem Vorsißz des preußischen Ministers des Innern stattgefunden. Diese Konferenz hat sich mit wichtigen und schwierigen Materien befaßt. Ich hoffe, daß sie noch manche Nachfolger haben wird, und daß die Anregungen auf fruchtbaren Boden fallen, und daß sie schließlich dazu beitragen, eine Reform herbeizuführen. Die Presse kann der Kriminalpolizei wertvolle Dienste leisten. Leider aber wird sie nicht immer dieser Aufgabe gerecht. So hat kürzlich ein Berliner Blatt einen Artikel über den Fall Sternickel gebracht, der geradezu ein Lob des Ver⸗ brechertums bedeutet. Gerade der Fall Sternickel gibt Veranlassung zur Prüfung der Frage, ob unsere Kriminalpolizei nicht einer Reform bedarf. Vor allem dürfte es sich empfehlen, die Daktyloskopie nicht nur in ganz Preußen, sondern in ganz Deutschland allgemein einzu⸗ führen. Bedauerlich ist, daß dieses Verfahren von den messten Provinz⸗ behörden nicht gehandhabt wird. Auch in der Organisgtion der Kriminalpolizei bedarf manches einer Besserung. Man müßte unsere gesamte Kriminalpolizei in Preußen zentralisieren und einheitlich organisieren. Wenn es möglich ist, eine internationale Verständigung der Kriminalpolizei herbeizuführen, dann muß es doch auch möglich sein, durch eine Verständigung unter den Bundesstaaten eine einheit⸗ lich zentralisierte Kriminalpolizei in Deutschland zu schaffen. Was die preußische Kriminalpolizei anlangt, so müßte eine Landes. keiminalpolizei errichtet werden, wie dies berelts in Württemberg und Sachsen geschehen ist. Dann werden wir in Zukunft nicht mehr die Kompetenzbedenken erleben, wie sie in Prerßen manchmal. vor⸗ gekommen sind. Im Anschluß an den Fall Sternickel ist auch eine Aenderung des Legitimationspverfahrens in der Presse als notwendig bejeichnet worden. Wenn auch in Berlin und in anderen Groß⸗ städten Las Legitimationsberfahren gut geregelt ist, so ist dies leider in der Provinz nicht der Fall. Wie wäre es sonst möglich, daß ein Mann mit gefälschten 6 von Ort zu Ort ziehen kann, ohne behelligt zu werden? Die Steckbriefe sollten in folchen Zeitungen erlassen werden, die mehr gelesen werden. . geschulten Ver⸗ brecher halten fich meistens auf dem Lande auf, weil sie dort nicht so leicht entdeckt werden. Diese Tatsache spricht auch für eine Zentralisierung der Polizei in Preußen. Dann richte ich an den Minlster die Frage, ob die Errichtung einer Zigeunerzentrale nach dem Vorbilde Münchens für ganz Deutschland beschlossene Sache ist. Mit der Reform der Kriminalpolizei hängt die, Ausbildung der Kriminalbeamten eng zusammen. Ich würde dem Minister dankbar sein für eine Auskunft darüber, ob in der deutschen Polizeikonferenz die Frage der Poltzeiakademien erörtert morden ist. Die seit 1906 in Berlin stattfindenden Polizeikurse haben sich ja gut bewährt, aber es ist auch notwendig, daß in der Provinz derartige Kurse abgehalten werden, und daß auch in der Ausbildung der höheren Beamten mehr geleistet wird. Weiter wäre es wünschenswert, wenn wir chemische Laboratorien für polizeiliche Zwecke unter wissenschaft⸗ licher Leitung einführen würden, nach dem Muster derjenigen im Aus: land. Wenn ich hier auch an den Einrichtungen der Kriminalpolizei Kritik geübt habe, so muß ich doch anerkennen, daß unser Kriminal⸗ poltzeiwesen sich im großen und ganzen bewährt hat und nicht vor dem Ausland zurückzustehen braucht.
Unterstaatssekretär Holtz: Die Errichtung einer dandepolizei⸗ stelle ist mit großen Kosten verknüpft. Deshalb glaube ich nicht, daß sie in dem Umfange errichtet werden kann, wie es der Vorredner ge⸗ wünscht hat. Bezüglich der Ausbildung der Beamten möchte ich darauf hinweisen, daß wir bemüht siad, durch die Kurse in Berlin eine einheitliche Aushildung herbeizuführen, und daß wir dazu übergehen werden, auch in den Proyinzstädten derartige Kurse abzuhalten. Unsere Organisation hat sich in Preußen im großen und ganzen bewährt, sodaß wir keine Veran⸗ lassung haben, von dem gegenwärtigen Zustand abzuweichen. Die erwähnte Konferenz wird voraus sichtlich eine Verbesserung und Ve vollkömmnung der Organisation herbeiführen. Bezüglich des Steckbriefverfahrens wird die Konferenz vorauesichtlich zu einem Beschluß kommen, der sich in der Richtung der Ausführungen des Vorredners bewegt. Es besteht kein Zweifel mehr, daß das daktyloskopische Verfahren eine Verbesserung des Bertillonschen Verfahrens bedeutet, und ich kann mitteilen, daß sich die Bandesstaaten über die Errichtung einer Zentralstelle auf diesem Gebete voraussichtlich einigen werden. Zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens wird eine Zentral⸗ stelle errichtet werden, und zwar wahrscheinlich in München. Zurzeit schweben Verhandlungen mit den anderen Bundesstagten wegen der Ueberwachung und Begleitung der Zizeuner über die Landesgrenze hinaus. Ferner verhandeln wir gegenwärtig über die Einrichtung einer Zentrale, in der das Nachrichtenwesen über die Zigeuner zu⸗ sammenläuft.
Ministerialdirektor Dr. Freund. Der Appell des Abg. Bell an die Presse, die großen Verbrecher nicht so zu gloꝛifiz eren, wird von der Reglerung als beherzigenswert angesehen. Die Polizeiver= waltung leistet solchen sensationellen Pressemitteilungen keinen Vor⸗ schub. Eine Untersuchung hat ergeben, daß sich kein Polizeibeamter elner Indiskretion schuldig gemacht hat. Aber bei den großen Kapitalverbrechen sind zahlrelche Zeugen zu vernehmen, und diese werden von der Presse geradezu umlagert, um aus ihnen heraus— zuhören, was sie ausgesagt haben oder aussagen wollen; bekanntlich zahlt die Presse bei solchen Anlässen hohe Honorare.
Abg. Dr. Liebknecht (Soz): Die Zentralisation einer deutschen. Kriminalpolizei würde durchaus nach unseren Wünschen sein. Die sensationellen Artikel der Presse, die die Verhrecher geradezu verherrlichen, sind zu bedauern, aber diese Artikel sind oft so ge⸗ halten, daß sie nur aus amtlichem Material entnommen sein können. Unsere Kriminalpolizei hat mancherlei Sünden auf dem Gewissen, mancher Winkel in ihrem Tun ist dunkel; unter irgend einem Deck mantel arbeiten die Polizeispitzel, die Achtgroschenjungen“. Die Spitzel sind natürlich nicht von vornherein vorhanden, die Polizei erzieht sie sich erst. Ein Kriminalbeamter erkundigte sich einmal bei der Mutter eines jungen Mannes, der aller⸗ dings als der verlorene Sohn der Familie galt, über ihren Sohn, und auf die Frage, was er von ihm wolle, antwortete der Beamte: „Ihr Sohn arbeitet für uns, wenn wieder einmal über ihren Sohn etwas vorkemmt, dann werden wir ihn aber decken.“ Die Kriminalpolizei hatte sich also an den jungen Mann. hergn⸗ gemacht, um ihn für ihre Dienste zu gebrauchen. Bei Sternickel lag ein Mangel des Legitimationsverfahrens vor, in der Regel wicd aber bei uns zu viel nach Legitimatlonen gefragt. Oft sind die Legiti—⸗ mationspapiere gestohlen oder gefälscht. Die Arbeiterlegitimations karten der Feldarbeiterzentrale sind völlig ungesetzlich, sie stügen sich lediglich darauf, daß es sich um ausländische Arbeiter handelt, die bei uns rechtles sind, und mit denen die Palizei machen kann, was sie will, die sie ein ach ausweisen kann, wenn sie sich nicht fügen. Die ausländischen Staaten sind bereits
wegen dieses Arheiterlegitimationszwanges in Deutschland vorstellig geworden. Die 8 hat sich in den Dienst der Feldarheiter⸗ zentrale gestellt, sie zwingt die Arbeiter, sich unter die Feldarbeiter⸗ zentrale zu begeben. Die neue Straßenpolizeiverordnung des Herrn von Jagow kann zu kleinlichen Schikanen führen. Unser Genosse Dr. Eckstein ist mit Ausweisung bedroht worden, wenn er die Partei⸗ schule nicht einstellt. Die Belliner Polizeireblere sollen zu Groß⸗ revieren zusammengelegt werden; ob diese Organisation zweckmäßiger ist, darüber kann ich nicht urteilen, aber einen Erfolg wird Je nur haben, wenn die neuen Nevierbureaus in das Jentrum der Vezirke gelegt werden. Der Polizeipräsident hat diese Organisation in An— griff genommen, ohne vorher mit den Berliner Stadtbehörden Fühlung zu nehmen. Das ist auf das entschiedenste zu verurteilen. Allerdings ist Berlin keine Rücksicht von den Behörden gewöhnt. Die Annahme, als ob die Berliner Arheiterschaft zu Unruhen neige, ist völlig verkehrt; es gibt nirgends eine so wobldisziplinierte Arbeite r⸗ schaft wie gerade in Del trotz aller Polizeipropokationen. Der Polizeipräsident will den inneren Feind bekämpfen, er ist von einer Revolutionsphantasie befangen. ö. Abg. Kopsch (fortschr. Volksp.): Die Berliner Bürgerschaft ist ja so wenig verwöhnt, daß sie sich über nichts mehr wundert; so ist sie auch über die Veränderung de Polizeireviere nicht gefragt worden. Das Anwachsen der Stadt Berlin erfordert allerdings eine Reformierung der Polizei. Nun sollen neue Bezirksämter eingerichtet und die Polizeireviere sollen zu Großrevieren zusammengelegt werden. Die Bildung der Bezirksämter, von denen nach offiziösen Mitteilungen sechs errichtet werden sollen, hat auf keiner Seite Widerspruch gefunden. Auf 60 000 bis 100 o0 Einwohner soll ein Großrevier fallen. Die Umänderung der Polizeireviere in Groß⸗ reviere hat in mancher Beziehung sowohl in der Bürgerschaft als auch bei den beteiligten Beamten Bedenken hervorgerufen. Man muß sich fragen, haben denn irgendwelche Mißstände in den bestekenden Bezirken zu dieser Umänderung Veranlassung gegeben? Bisher ist von keiner Seite darüber geklagt worden, daß die bestehenden Revier⸗ ämter nicht ihren Aufgaben genügen. Auch in offiziösen Blättern wird gegen diese Reviere kein Vorwurf erhoben. Eines mird aber angeführt: die bestehenden Aemter seien mit Arbeit überlastet. Dieser Vorwurf erledigt sich aber dadurch, daß jetzt Bezirksämter eingerichtet werden, wodurch ein e Teil der Arheit den jetzigen Aemtern abgenommen Es läßt sich nicht leugnen, daß den jetzigen Aemtern eine Reihe Vorzügen nachgerühmt werden kann. Diese kleinen Reviere sind in der Lage, die Bevölkerung viel besser zu kennen, als es bei den Groß— repieren der Fall wäre. Die jetzigen Vorstände der Polizeireviere sind mit den Hausbesitzern zum großen Teil vpersönlich bekannt. Es hat sich ein gewisses Vertrauen verhältnis zwischen den Revieren und der Ginwohnerschaft herausgebildet, was zur schnellen Erledigung der Ge— schäfte erheblich beiträgt. Wenn nun nach Angabe des Polizeipräsidenten ein Großrevier von dem anderen durchschnittlich 15 Km entfernt sen
soll, so bedeutet das immerhin eine Entfernung von 20 bis 30 Minuten,
ebe es möglich ist, eine Nachricht nach dem Großr bier zu bringen. Die Bevölkerung ist gern geneigt, Partei gegen die Polizei zugunsten
des Sistierten zu nehmen. Die Schutzleute werden nun, wenn irgend
möglich, von der Sistierung Abstand nehmen, da sie fich fanen, du mußt den Renitenten 30 Minuten durch bevülkerte Straßen h ringen. Diese Auffassung wird auch bei den beteiligten Kreisen, bei den Polizeileutnants selbst vertreten. Ich glaube, daß der Gedanke fern gelegen hat, durch diese Zusammenziehung der Kleinrehiere in E reß reviere die Stoßkraft der Polizet zu verringern. Ich möchte g och zum Ausdruck bringen die Anerkennung der weitesten Vol ke kreise darüber, wie unsere Polizeiorgane ihres Amtes walten. Insonderheit bemüht sich die Verkehrspolizei, den Bedürfnissen des Publikums e recht zu werden. Minister des Innern Dr. von Dallwitz: — eine Herren! Daß der zunehmende Verkehr in Berlin, die e 8 58 ĩ.
5 . z d vr . 9 , Zunahme der Bevölkerung und die Kompliziertheit der Einrichtungen eine Neuorganisation der Polizei von Zeit zu Zeit nach manchen Richtungen erforderlich machten, ist eine Tatsache, die wohl nicht bestritten werden kann. Im vorliegenden Fall hat der Herr Polizeipräsident auf Grund langjähriger Beobachtungen, die er entweder selbst gemacht hat, oder die in seinem A trag gemacht worden sind, nach vielfachen Erörterungen Besprechungen im Gremium des Polizeipräsidiums, selbstverständlich auch nach Anhörung des Kommandos der Schutzmannschaft nach zwei Richtungen hin eine Neuorganisation vorgeschlagen:
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einmal, wie der Herr Vorredner schon zutreffend angegeben hat, nach
der Richtung hin, daß durch Einrichtung von Bezirkspolizei
ämtern eine Dezentralisation herbeigeführt werden solle, andererseits nach der Richtung hin, daß durch Zusammenfassung einzelner Reviere in Großreviere eine räumliche Zentralisation der Dezentralisation bei den Bezirkspolizeiämtern die Wage halten möchte. Es ist keines⸗ wegs in Aussicht genommen, eine große Anzahl von Bezirke polizei—
ämtern einzurichten: etwa sechs Bezirkspolizeiämter ist das Maximum woran man gedacht hat. Zurzeit ist nur ein Bezirkspolizeiamt, auch dieses nur probeweise, eingerichtet. Ebenso besteht nicht die Ab— sicht, auch wenn der Versuch glücken sollte, die sämtlichen 126 od noch mehr Poltzeireviere die Zahl ist mir nicht ganz geger wärtig — nun durchweg zusammenzufassen und daraus lauter Groß reviere zu bilden. Vielmehr würde es sich immer nur um eine Aenderung in beschränktem Umfange handeln können. Dement— sprechend sind ursprünglich nur zwei Großreviere probeweise durch Zusammenlegung von je drei Revieren gebildet, und ein drittes Poltzei— revier in einer anderen Stadtgegend ist neuerdings genehmigt worden, um auch dort Erfahrungen zu sammeln und zu sehen, wie diese Ein⸗ richtung unter anderen Verhältnissen sich bewähren wird. Ich gehe dem Herrn Vorredner zu, daß Befürchtungen und Bedenken gegen di Einrichtung mehrfach geltend gemacht worden sind; andererseits sind ja auch gewisse Vorzüge der Einrichtung nicht zu verkennen, sodaß eü doch wohl zweckmäßig ist, wenn, wie es hier geschieht, zunächst einmal nur die Probe im Kleinen veranstaltet wird und sowohl der Hen Polizeipräsident wie auch die Zentralstelle sich vorbehalten haben, je nach dem Ergebnis dieser Probe eventuell die Sache welter aus zubauen oder rückgängig zu machen. Dies ist der Standpunkt, ; den der Herr Polizeipräsident eingenommen hat, der von der Zentral tel gebilligt worden ist und gegen den Einwendungen wohl nicht geltend gemacht werden können. Wenn der Herr Vorredner vorhin erwähnt hat, daß ebenso gut. wie man bei den Großrevieren die Bureaus in die Mitte des Nerieis verlege, dies auch jetzt schon bei den einzelnen Revieren g schehen könne, und daß es ein Vorwurf gegenüber den Reviervorstehern jeh wenn man annähme, daß sie nicht die geeignetsten Lokale zu beschafft⸗ bemüht gewesen seien, so möchte ich darauf hinweisen, daß es bei 12 oder annähernd soviel Revieren kaum möglich sein würde, üherer ohne sehr erhebliche Mehrkosten geeignete Lokale in der Mitte . Reviere ausfindig zu machen, daß dagegen, wenn man nur eng n neue Großreviere schafft und zwar nur allmählich und in dem 2 wie geeignete Bureauräume in geeigneter Lage sich finden, . eine Ersparnis als eine Vermehrung der Kosten entstehen würde—
(Schluß in der Dritten Beilage.)
Dritte Beilage
(Schluß aus der Zweiten Beilage.
Es ist mithin eine Rücksichtnahme au tragende Stadt Berlin, reviere nicht ohne welteres aufgibt und ohne vielleicht besser gelegene Gegenden verlegt. Dieses wie gesagt, im Falle einer w
ch auf die zu den Kosten bei— Bureaus der Polizei⸗ Rücksicht auf die Höhe der
wenn man die jetzigen
Kosten in andere, Bedenken würde, Großrevieren nicht zutreffen.
Meine Herren, über die Erfahrungen, sind, glaube ich mich noch nicht abschließe Ich möchte nur erwähnen, daß gegen die
eiteren Bildung von
die inzwischen schon gemacht nd aussprechen zu können. Bezirkspolizeiämter, soviel
zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
M 31.
mir bekannt geworden ist, im wesentli gemacht worden sind, und daß tat diese Einrichtung sich zu bewähren s bei den Großrevieren der Fall ist, ist Bedenken geltend gemacht worden, welteres von der Hand zu w nötig sein, noch abzuwarten, Vorteile überwiegen werden, machen, ob
Abg. von kämpfung des sächlich in eine Befugnisse de
chen keine Bedenken geltend sächlich auch im inneren Dienste Ob und in wie weit das strittig; denn dort sind mehrfach deren Berechtigung nicht ohne Darum wird es wohl ob die Bedenken nicht die etwaigen und erst später sich darüber schlüssig zu man mit der Einrichtung fortfahren will oder nicht Pappenheim (kons.):
igeunerwesens auf dem pla
r Abmachung mit anderen Bu Vielfach traut m
eisen sein wird.
Die Maßnahmen zur Be— ande bestehen haupt⸗ ndesstaaten über die an sich auf dem Lande weil man immer Zusammen— Polizeiorgane,
ch lahmgelegt, daß sie d Meist bereitet auch die zelnen Personen Schwieri rfolgung der Zigeuner er aptere oder solche, hmen ist, ih
r Polizeiorgane nicht mehr einzeln auf einsame igeunern befürchtet. Zigeuner verfolgen, werden dadur ihres Staates nicht Feststellung
ie Grenzen en dürfen. der Indentität und dadurch wird die energische Ve er haben meist falsche P it nicht mit Sicherheit z d Platz gelöst, s r Gemeinden.
Die Zigeuner ha Personlichke m ganz anderen zum Schrecken der weiter ab von der Zentrale gegen die Zigeuner aufgeboten. keiten bei der Bewachung der Die Verfolgung der eib und Leben verbunden, stand, der sich besonders im wenden Revolber und alle mö liche Bevölkerung wird dadur ersonalpapiere müßten eine ellung des Gewerb Zuverlässigkeit bei Zigeunern a als Voraussetz 3 Zigeunern wird de keit immer schwierig sein.
Jeuner wegen Vagabund versehen sind.
aus denen ihre r Gewerbeschein ie ziehen von Ort zu Ort kleinen Gemeinden, die besondere Polizeiwachen
liegen, werden aber immer
Es entstehen ude und Pers der Zigeuner ist g sie sind auch meist letzten Jabre glichen Schießpr ch in Angst und Schrecken unterzogen werden, die Aus— veis der persönlichen Zuverlässigkeit sollte Gewerbeordnung eschein aufgeführt. der persönlichen Zupe die Richter nicht age zu bestrafe
Das Geld sollte vielmehr bei zagabondieren. gie und Zielbewußtsein sie doch kaum zu erwägen sein, ob ni Wenn alle anderen M dem Erlaß eines Ges
Schwtierig⸗ onen innerhalb der eradezu mit Gefahr bewaffnet, ein Uebel⸗ geltend gemacht hat, sie und die länd—⸗
Ortschaften.
escheins sollte nicht o und die persönliche geprüft werden.
ung für den Gewerb r Nachweis Leider sind zu bewegen, n, wenn sie mit Geld— kein Beweis gegen die den Zigeunern befürchte allerdin die Maßregeln der Re— n einen Erfol
annehmen, daß fie v wenn auch mit Ener durchgeführ werden, und es wird deshalb Maßnahmen eintreten sollen. sagen, sollte die
cht gesetzliche aßregeln ver⸗
Regierung vor etzes nicht zurück⸗
Minister des Innern keine Herren! Ich habe im vorigen auf diesseitige V
R. von Dallwitz:
Jahre bereits erwähnt, daß eranlassung der einzelnen Regierungen der M aufgegeben ist, Verordnungen zu erlassen, mäßige Herumziehen der Zigeun den bei mir eingegangenen einen guten Erfolg geh zestdeutschland bereits erpro
durch welche das banden— er unter Strafe gestellt wird. Nach Berichten soll diese Maßnahme bereits Sie ist in Süddeutschland, in bt und hat auch dort den Erfolg gehabt, Zusammenhalten der Zigeuner einigermaß schehen ist, und daß dadurch die Mö anz wesentlich eingeschränkt worden ist.
aß man sich auch für die Identifizierung führung oder Verallgemeinerung druckverfahrens wird versprechen die Identifizierung der Zigeuner t auf Grund der Legitimations⸗ erfolgen wird.
abt haben.
en Eintrag ge— glichkeit ihres gewaltsamen Auf⸗
Ebenso glaube ich, d der Zigeuner gute Erfo der Daktyloskopie oder des Fingerab können, welches dazu führen wird, daß in Zukunft weit besser als es jetz papiere geschehen kann,
Auch wegen der Ausstellung der W manches geschehen, wenn i schriften bisher einen Es ist den Polizeibehs
lge von der Ein
andergewerbescheine ist doch ch auch zugeben will, daß die erlassenen Vor⸗ vollen Erfolg noch nicht herbeigeführt haben. rden unter Hervorhebung der gesetzlichen Ver⸗ agungsgründe die genaueste Vorprüfung der von Iigeun Anträge auf Ausstellung von Gewerbeschei angeordnet, daß die Anträge den Bezirksau von sonstigen
ern gestellten nen zur Pflicht gemacht und sschüssen in einer besonderen, weisung vorgelegt werden ß Meldungen über alle Fälle, in escheinen getroffen werden, unter agungsgründe erstattet, an sämt⸗ und dort alphabetisch gesammelt scheine sollen die
Anträgen getrennten Nach Es ist ferner bestimmt, da denen Zigeuner mit Wandergewerb Angabe etwa bemerkenswert Bezirksausschůsse weitergegeber werden sollen. Register eingeseher hiernach als Zige
Vor Erteilung der Wandergewerbe und dadurch verhindert werden, daß Personen, die hi uner festgestellt worden sind, ohne bes fältige Vorprüfung Wandergewerbes
Meine Herren, es si vorigen Jah staaten eing der einzelne eines bena
ondere sorg⸗ cheine erhalten. nd dann noch Verhandlungen, die ich auch im re zu erwähnen mir erlaubte, mit den anderen Bundes⸗ eleitet worden zu dem Zweck, daß die verfolgenden Beamten n Staaten in Fallen, wo die 3 chbarten Bundesstaates dem fremden Bundesstaate fortsetz sind bisher noch nicht zum daß dies in der allernãchst Hiernach glaube ich, um die nicht zu leugnen Falls diese Maßnahmen sollten, würde nichts and gebung zu beschreiten.
igeuner sich auf das Gebiet begeben, die Welterverfolgung auf Diese Verhandlungen Abschluß gediehen. Es ist aber zu erwarten, en Zeit der Fall sein wird.
daß in der Tat doch manches geschehen ist, den Mißstände einigermaßen abzuschwächen. auf die Dauer nicht zu einem Erfolg führen eres übrig bleiben, als den Weg der Gesetz Ich glaube allerdings, daß dann der Weg der
en dürfen.
Beschluß ? Minister des Innern Dr. von Dallwi .
bestimmt seien.
Personen sich eine anderweite Unterkunft suchen möchten. Es ist bei
Rücksicht vorgegangen ist. Was den Polizeipräsidenten anlangt, so
wurf gemacht werden. Was die weitere Frage anbelangt, auf Grund welcher Bestimmungen
Niederlassung gestellt worden ist, so fühle ich mich zwar sehr dadurch geschmelchelt, daß Herr Abg. Trimborn gerade mir gegenüber diese Anfrage gestellt hat, muß ihm aber doch sagen, daß das federführende Ministerium in dieser Angelegenheit das Kultusministerium ist (Heiter⸗ keit); ich möchte ihm daher anheimstellen, diese Frage bei Beratung des Kultusetats zu wiederholen, da dieses das zuständige Ministerium zur Beantwortung der Anfrage ist. (Große Heiterkeit.) Das Kapitel wird bewilligt. Bei den Ausgaben für die Polizeiverwaltun g in den Provinzen bemerkt
Abg. Goebel Gentr.): Schon bei der Etatsberatung für 1911 und 1912 habe ich hervorgehoben, daß die Zunahme des Verbrecher— tums und der Unsicherheit in Oberschlefien Zustände geschaffen hat, die dringend der Abhilfe bedürfen. Die Zustände haben sich in⸗ zwischen nicht . sondern weiter verschlechtert; fast täglich hört man von Bandendiebstählen, von Raub, Mord und Totschlag. Ein ganz besonders verwegener Ueberfall ist am 25. September 1912 auf einer belebten Straße in Kattowitz verübt worden; dabei wurde ein alter Bantbeamter schwer verletzt. Eine russische Bankräuber— und Verbrecherbande ist ja inzwischen zum Teil auch unschädlich ge— macht worden. Andere Verbrecher haben einen Mann, der mit 42 060 Bergarbeiterlöhnen von einer Grube zu einer anderen unterwegs war, angefallen und ihn durch einen Schuß in den Kopf schwer ver— wundet; mit einem Teil des Geldes entkamen fie anscheinend über die österreichische Grenze; auch sie sollen russische Staatsangehörige sein. Die dortigen Kapitalverbrechen sind also hauptsächlich auf das Konto ausländischer, meist russischer Verbrecher zu setzen. Seit dem japanischen Kriege hat in den russischen Industriebezirken die Zahl der Verhrechen und der Verbrecher ganz außerordentlich zugenommen; seitdem hier die Polizeiorgane vermehrt worden ind, haben die Ver⸗ brecher teilweise ihren Wirkungskreis nach Ober chlesien verlegt und diesen in Angst und Schrecken versetzt. Erst jüngst, in der Nacht zum 1. Februar, wurde wieder ein Raubanfall auf eine asse versucht. Die nahe öoͤsterreichisch russische Grenze bietet den Ver⸗ brechern günstige Gelegenheit, zu entkommen. Die Verbrecher zu identifizieren, ist sehr schwer, weil die oberschlesischen Gemeinden weder ein Verbrecheralbum, noch Messungsapparate usw. besitzen. Die Verfolgung der Verbrecher ist durch die Zuständigkeit der kom— munaglen Polizeiorgane beschränkt. Gelingt es ihnen, in den nächsten Polizeibezirk zu entkommen, so muß die Polizei des Be— zirks, in dem das Verbrechen vorgekommen ist, erst die Zustimmung des anderen Bezirks einholen, ehe sie den Berbrecher in dem anderen Bezirk verfolgt, und inzwischen hat der Verbrecher natürlich Gelegenheit, sich in Sicherheit zu bringen und seine Spur zu ver wischen. Die Zahl der kommunalen Polizeibeamten ist zu gering, um mit Erfolg den Kampf gegen die Verbrecher aufzunehmen. Der Polizeipräsident von Oppeln hat nun letzthin bei der Einweihung der Polizeischule in Königshütte eine Rede gehalten, die nicht unwidersprochen bleiben darf. Er hat die Pflichttreue und die Opferwilligkeit der kommunalen Polizei hervorgehoben und die Zuwver⸗ sicht ausgesprochen, daß sie sich durch Angriffe nicht entmutigen lassen und ohne Rücksicht auf eine 35 Kritik ihr Amt so gewissenhaft und zuverlässig ausüben würde wie bisher. Wes⸗ halb der g , rn n sich genötigt gesehen hat, feinen Dank an die oberschlesischen Polizeibeamten so zu begründen, ist mir nicht recht klar. Von keiner Seite ist die Pflichttreue und Opfer⸗ willigkeit der oberschlesischen Polizeibeamten bestritten oder angezweifelt, sondern stets anerkannt worden. Bemängelt ist nur der unzulängliche Polizeiapparat, und auch der Regierungspräfident hat eine Vermehrung der Polizeibeamten und eine anderweitige
Neichsgesetz gebung angezeigt wäre (sehr richtig! rechts, da bei dem
Organisation der oberschlesischen Kriminalpolizei angekündigt. Ebenso
schränkung auf einem Beschluß des preußischen Staatsministeriums be⸗ ruhen, Wenn das zutrifft, auf welchen Erwägungen beruht dieser
Meine Herren! Da die Anfrage des Herrn Abg. Trimborn beim Kapitel des Polizeipräsidtums erfolgt ist, nehme ich an, daß er auch Auskunft darüber zu haben wünscht, welche Gründe das Polizeipräsidium veranlaßt haben, im vorigen Jahre darauf zu dringen, daß einige evangelische Personen, welche in der Niederlassung der Grauen Schwestern hier in Berlin untergebracht waren, veranlaßt worden sind, sich ein anderes Unterkommen zu suchen. In der Genehmigungsurkunde für das Mädchenheim und das Siechenheim dieser Afrastiftung oder des Grauen Schwesternheims hier in Berlin ist ausdrücklich vorgesehen, daß das Mädchen- und Siechenheim nur für katholische Personen
Bei der Prüfung des periodisch vorzulegenden Personalbestandes durch den Polizeipräsidenten stellte sich heraus, daß im Mädchen⸗ heim 9, im Siechenheim 5 evangelische Personen sich befanden. Auf Grund der in dem vorerwähnten Erlasse gestellten Bedingungen ersuchte der Polizeipräsident die Oberin, dafür zu sorgen, daß diese
einzelnen, bei denen dies Schwierigkeiten bereitete, eine Frist von einem Jahre nachgelassen worden, sodaß nach dieser Richtung hin mit tunlichster
war er meines Dafürhaltens einfach verpflichtet, nachdem ihm durch die alljährlich vorzulegenden Präsenzlisten bekannt geworden war, daß, entgegen den vorgeschriebenen Bedingungen, in der Niederlassung epangelische Personen sich aufhielten, darauf zu dringen, daß sie, soweit es angängig und möglich war, sich einen anderen Aufenthalt wählen möchten. Ich glaube, daraus kann dem Polizeipräsidenten kein Vor⸗
die Bedingung, von der eben die Rede war, bei Genehmigung dieser
Berlin, Mittwoch, den 5. Februar 1913.
Herumwandern der Zigeuner innerhalb des deutschen Reichsgebiets gesetzliche Vorschriften, die sich auf einzelne Bundesstaaten beschränken, elnen vollen Erfolg gleichfalls nicht verbürgen würden. (Bravo rechts.)
Abg. Trimborn Zentr.): Es ist von dem Abg. Marx neulich darauf hingewiesen worden, daß evangelische Pensionäre, die in katholischen Klöstern ein Unterkommen gesucht haben, von der Polizei göwungen worden sind, diese Anstalten zu verlassen. Es war mir üäberraschend, daß der Minifter nicht darauf eingegangen ist; vielleicht hat er es nur unterlaffen, weil der Abg. Marx diese seine Bemerkung nur gelegentlich einer Polemik gegen einen anderen Redner machte. Im einzelnen möchten wir Auskunft, wenn auch nicht gerade heute, darüber haben, worauf sich diese Beschränkung des Aufnahmerechts der Anstalt gründet; in dem Klostergesetz steht davon epressis verbis nichts. Man wird vielleicht erklären, die Beschränkung befinde sich in den Bedingungen für die Genehmigung der betreffenden klöster⸗ lichen Niederlassungen, und diese Bedingungen gründeten sich auf die Staatzaufsicht. Nun soll aber die Auferlegung einer derartigen Be⸗
unerfindlich ist mir, wie er von einer unberufenen Kritik sprechen konnte. Wenn er die kriminelle Epidemie für eine vorüber⸗ gehende hält, so vermag ich diesen Optimismus nicht zu teilen, so⸗ lange in dem benachbarten Rußland derartige Zustände bestehen. Auch die sonstigen Vorwürfe des Regierungspraͤsidenten muß ich als unbegründet zurückwelssen. Der Staatsregierung liegt die Pflicht ob, für die Sicherheit von Leib und Leben der Bevölkerung ein⸗ zutreten. Wenn es so weit gekommen ist, daß man in Oberschlesien mit einer größeren Summe Geldes nicht über die Straße gehen darf, so Finnert das beinahe an russische Zustände. Fast alle deutschen Zeitungen jeder Parteirichtung haben den Zustand in Oberschlesien als unhaltbar und die Einführung der Königlichen Poltzei als not⸗ wendig bezeichnet. Die Kostenfrage darf hierbei keine Rolle spielen. Die Gemeinden können die Polizeilasten nicht weiter tragen; sie sind mit Zuschlägen zur Kommunal, und Realsteuer überlastet. Leistungsfähig ist in der Hauptsache nur die Großindustrie, und diese hat ihren Sitz in den Gutsbezirken. Die Stadtverordneten⸗ bersammlung von Kattowitz hat noch in der neuesten Zeit hervor⸗ gehoben, daß Kattowitz auf die Dauer die Polizeilasten ohne staatlichen Zuschuß nicht mehr tragen könne, es sei ein unhaltbarer Zustand, daß es 25900 Zuschläge zahle, während die Gutsbezirke nur 25 0,69 erheben. Die Polizeikosten stiegen ständig weiter, weil die Grenze nach Rußland nicht genügend eschützt werde. Mindestens 5 die Polizei an der russischen Frenze verstaatlicht werden. Diefe Ansicht entspricht der Auffassung weiter Kreise und scheint auch die Billigung des Regierungspräfidenten gefunden zu haben. Wir glauben ja nicht, daß mit der Einführung einer solchen Maßnahme die Verbrechen in Oberschlesien mit einem Schlage aufhören würden; aber eine, erhebliche Verbesserung ist doch dabon zu erwarten. Die Maßregel ist auch notwendig zur Bekämpfung des Mädchenhandels. Die Mädchenhändler bringen ihre Opfer zum größten Teil aus Rußland und Galizien über die oberschlesische Grenze ins Ausland. Viele mögen nicht wissen, welcher geradezu erschütternde und scheuß⸗ liche Kinderhandel in Rußland getrieben wir. Die Schlesische Zeitung“ hat darüber sehr eingebende Mitteilungen gemacht. Die Kinder werden zu verbrecherischen Zwecken nach Rußland verschleppt, in Krüppelfabriken systematisch künstlich verstümmelt, zum großen Teil geblendet und dann an Bettler weiter verkauft. Ich möchte die Aufmerksamkeit der Staatsregierung auf die Ermittlungen hin⸗ weisen, welche die frühere Polizeiafsistentin Arendt angestellt hat.
Abg. von Goßler (kons): Ich kann mich dem soeben Ge⸗ hörten nur voll und ganj anschließen. Die Verhältnisse in Ober⸗ schlesien sind tatsächlich in den letz ten Jahren immer schlimmer ge⸗ worden. Es ist mir unerfindlich, weshalb das Gesetz, das wir erst por kurzem hier angenommen haben, erst in einem so kleinen Bezirk eingeführt ist. Auch ich kann den Standpunkt des Regie rungspräsidenten in Oppeln nicht für richtig halten. Ich meine, daß die dort getroffenen Maßnahmen nicht genügen, um durchgreifend dem Uebel zu steuern. Ver Regierungepräsident stellt die Kostenfrage in den Vordergrund. Aber wenn die Ver⸗ hältnisse sich so entwickeln, wie wir es hler sehen, dann dürfen doch die Kosten kein Hindernis bedeuten. Es würde geradezu eine Benachteiligung für Schlesien sein, wenn man dag Gesetz nur auf Rheinland beschränken wollte. Sb man einen einheitlichen Bezirk für das ganze Grenzgebiet schaffen oder die einzelnen Teile für sich organisieren will, das sind Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit, die wir dem Minister überlassen können. Ich kann mich nur dem Wunsche anschließen, daß der Minister Sorge tragen möge, daß das Gesetz bald zur Durchführung kommt.
Minister des Innern Dr. von Dallwi tz:
Meine Herren! Daß die polizeilichen Verhältnisse in Oberschlesien sehr bedenkliche geworden sind und eine Abhilfe dringend erfordern, ist auch der Königlichen Staatsregierung bekannt. Diese Notwendigkeit wird auch von dem Herrn Regierungspräsidenten nicht in Abrede gestellt. Dies dürfte sich auch aus seiner Rede, die der Herr Abg. Goebel zitiert hat, ergeben, nach der er meines Wissens nicht gegen eine etwaige Ausdehnung der staatlichen Polizeiverwaltung als solche sich definitiv hat aussprechen wollen, sondern überwiegend
den Zweck verfolgt hat, eine Beruhigung der Bevölkerung herbeizu⸗ führen, das Selbstgefühl der polizeilichen Organe, welches durch die neuerlichen Vorkommnisse einigermaßen gelitten haben mag, wieder zu stärken; wie er denn auch bei der Besprechung etwaiger Neuerungen in seiner Stellung die gebotene Vorsicht nicht außer Acht lassen konnte. Endlich möchte ich noch erwähnen, daß der Regierungspräsident in seiner Rede weniger gegen eine Ausdehnung der staatlichen Polizeigewalt auf andere Bezirke sich ausgesprochen hat als dagegen, daß innerhalb des ganzen Industriegebietes in Oberschlesien eine einheitlich organisierte Polizeigewalt mit einer einheitlichen Spitze geschaffen werden solle, weil er — und das ist etwas, was mir wohl einleuchtend zu sein scheint, — davon ausgegangen ist, daß ein so umfangreicher Polizei⸗ bezirk mit einer so zahlreichen Bevölkerung von einer Stelle aus nicht wirksam wird geleitet werden können.
Meine Herren, bisher hat man versucht, den Mißstãnden, die ja schon seit längerer Zeit im Industriebezirk bestehen, durch Vermehrung der kommunalen Polizeimannschaften entgegenzutreten, namentlich aber durch eine ganz außerordentlich starke Vermehrung der Gendarmerle⸗ kräfte, weil gerade die Gendarmen als dasjenige Element angesehen werden, die auf dem flachen Lande noch am ehesten in der Lage sind, dem Verbrechertum zu imponieren und es von verbrecherischen Taten abzuhalten. Erst in neuester Zeit ist ein Antrag des oberschlesischen Industrieverelns aus Kattowitz bei mir eingegangen, in dem unter Bezugnahme auf die gesteigerten Mißstände und auf die Außtzführungen des Regierungs⸗ präsidenten in seiner Rede in Königshütte der Wunsch ausgesprochen ist, daß eine einheitliche staatliche Polizeiverwaltung für den ober⸗ schlesischen Polizeibezirk eingeführt werden möge. Dieser Antrag unterliegt zurzeit der Prüfung und wird in durchaus wohlwollende Erwägung gezogen werden. Etwas weiteres bin ich zurzeit Ihnen mitzuteilen noch nicht in der Lage.
Was den von dem Herrn Abg. Goebel erwähnten Kinderhandel anbetrifft, der speziell in einer Broschüre der Schwester Arendt, die früher in Stuttgart als Polizeischwester tätig war, erwähnt worden ist, so ist der Versuch gemacht worden, festzustellen, ob ihre Angaben, die in dieser Broschüre wie auch in elner früheren Broschüre enthalten sind, die den Kinderhandel in Berlin betrifft, zutreffend sind. Es hat sich herausgestellt, daß die Angaben der Schwester Arendt doch zum Teil auf Uebertreibungen beruhen, zum Teil auch auf Quellen, die nicht zu kontrollieren sind, wie sie beisptelsweise es in bejug auf einzelne in Berlin angeblich vorgekommene Fälle selbst abgelehnt
hat, die Quellen mitzuteilen, aus denen sie ihre Kenntnis und ihre