1913 / 37 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 11 Feb 1913 18:00:01 GMT) scan diff

unter den S 21 oder 2 zu rechnen sind. Der Herr Minister des Innern nimmt an ich glaube, daß auch der Herr Abg. Ablaß derselben Meinung ist —, daß die Aerztevereine wenn sie auch ideale Zwecke verfolgen, jedenfalls auch eine ganze Reihe wirt— schaftlicher Zwecke verfolgen. (Zuruf links) Wenn gesagt wird, daß der Hauptzweck nicht der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb ist, sondern daß Zweifel darüber bestehen können, ob es Vereine sind, die unter den § 21 oder den §z 22 fallen, so kann dieser Zweifel natürlicher⸗ weise obwalten. Der Herr Minister des Innern hat sich auf den Standpunkt gestellt, diese Vereine fielen unter 5 22, seien also nach dem Gesetz nicht eintragsfähig. Da müssen Sie doch zugeben, daß der Herr Minister des Innern in einer juristischen Frage sich eine Meinung gebildet hat, die zwar nach Ihrer Meinung (nach links) falsch, die aber doch immerhin eine juristische Auffassung ist. (Heiterkeit links, Zuruf rechts.) Vielleicht ist sie auch gar nicht unrichtig. (Heiterkeit und Widerspruch links.) Jedenfalls ist der Minister des Innern der Meinung, daß diese Vereine unter den 8 22 und nicht unter den 8 21 fallen. Nun zieht der Minister des Innern daraus die Folgerung; er sagt: wenn die Vereine nicht unter den 21 fallen, sondern unter 8 22, dann dürfen sie nicht in das Vereinsregister eingetragen werden, sondern müssen im Wege der Verleihung die Rechtsfähigkeit erlangen.

Es fragt sich nun, wie solche Vereine eingetragen werden, und wenn ein Verein irrtümlich eingetragen wird, wie erfolgt die Löschung? Der Antrag des Aerztevereins auf Eintragung geht an das Amtsgericht und das Amtsgericht prüft nun, ob der Verein unter 21 oder §z 22 gehört (Zuruf links), nein, nicht der Minister prüft, sondern das Amtsgericht, und die Amtsgerichte sind auch, wie ich gehört habe, in manchen Fällen dazu gekommen, zu sagen: dieser Verein gehört unter 5 21 und wird von mir eingetragen. Andere Amtsgerichte stehen auf dem Standpunkt: dieser Verein gehört unter F 22 und wird von mir nicht eingetragen. Dann hat der betreffende Verein ein Beschwerderecht an das Landgericht.

Nun sagt der Minister des Innern: es muß doch eine gleichmäßige Praxis in der Beziehung obwalten. (Zuruf links: Das geht den Mi— nister nichts an!) doch wohl, es geht den Minister etwas an, ebensogut wie jeden von uns, und ich bin ebensowohl berechtigt wie jeder der Herren, ein Amtsgericht darauf aufmerksam zu machen, daß es einen Verein zu unrecht eingetragen habe. (Zuruf links.) Jawohl, meine Herren, das kann jeder von uns tun. Worauf beruht das, meine Herren? Denken Sie an den § 143 des Gesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit. Dieser Paragraph bestimmt:

Die Löschung einer Eintragung kann gemäß den Vorschriften auch von dem Landgericht verfügt werden, welches dem Registergericht im Instanzenzug vorgeordnet ist. Diese für das Handelsregister gegebene Vorschrift gilt nach 5 159 des Gesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit auch für die Eintragungen in das Vereinsregister. Ist eine Eintragung in das Vereinsregister zu unrecht erfolgt, so kann die Löschung von Amts wegen erfolgen, das heißt, es kann jeder sie anregen. Das Landgericht kann von sich aus in eine Prüfung der Eintragung eintreten, aber auch jeder einzelne Be— teiligte oder Unbeteiligte kann eine solche Prüfung anregen. Das Landgericht kann, ohne daß irgend eine Beschwerde über die Eintragung des Amts- gerichts eingegangen ist, ein solches Verfahren einleiten, und es ist dann in der Lage, die unrichtige Eintragung von Amts wegen löschen zu lassen. Ist daher ein Verein vom Amttkgericht in das Vereinsregister eingetragen, so kann zu einer Nachprüfung der Voraussetzungen seiner Eintragung jeder den Anstoß an das Landgericht geben. Die Anregung kann vom Landgerichtspräsidenten, sie kann vom Oberlandesgerichtspräsidenten kommen; auch der Justizminister kann die Anregung geben; es kann dies quivis ex populo tun. Das Landgericht kann dann von Amts wegen das Verfahren einleiten und den Verein im Vereinsregister löschen lassen, wenn es zu der Ueberzeugung kom mt, daß die Ein⸗ tragung auf Grund des 5 Al nicht hätte erfolgen dürfen, weil der Verein die Rechtsfähigkeit nur auf Grund des § 22 hätte erlangen können. .

Meine Herren, wenn Sie sich das alles vergegenwärtigen, dann wüßte ich wirklich nicht, in welcher Beziehung hier ein Eingriff des Herrn Ministers des Innern in die Rechtspflege stattgefunden haben sollte. Es ist hier gesagt worden: etwas so Unerhörtes, wie dieser Erlaß, sei noch nicht vorgekommen, es führe das zur staatlichen Auf⸗ lösung, zu einer Erschütterung unserer ganzen Rechtspflege, das geltende Recht werde ausgeschaltet, es sei ein unglaub⸗ licher Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit. Meine Herren, ich verstehe das, offen gesagt, nicht. Der Herr Minister des Innern gibt den Landräten den Auftrag, in eine Prüfung der Angelegenheit einzutreten, und beim Amtsgericht anzu— regen, die Eintragung nicht vorzunehmen; hat das Amtsgericht die Eintragung vorgenommen, dann soll die Löschung beim Landgericht an⸗ geregt werden, geht das Landgericht auf die Anregung nicht ein, dann ist dem Minister über das Ergebnis zu berichten. Wie hier ein Ein⸗ griff in die richterliche Unabhängigkeit vorliegen soll, das verstehe ich nicht.

Nun noch ein kurzes Wort zu den Ausführungen über die Ein⸗ tragung des Bundes der Landwirte. Von juristischer Seite sind darüber wenig Worte zu machen. Der Bund der Land⸗ wirte beantragt in Berlin die Eintragung in das Register. Nach F 651 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wird der Verwaltungsbehörde

Selbst wenn der Bund ein politischer Verein ist,

Nachricht gegeben. so braucht die Verwaltungsbehörde gegen seine Eintragung keinen

Einspruch zu erheben, sondein sie kann Einspruch dagegen erheben; sie kann von dem Einspruchsrecht Gebrauch machen, sie braucht es Es ist das eine reine Verwaltungsmaßregel, die Justiz Wenn aber ein solcher Ein spruch nicht erhoben wird, dann muß das Amttgericht, falls im übrigen die Voraussetzungen des 5 21 vorliegen, den Verein eintragen. Ich kann also uicht finden, inwiefern das Reichsjustizamt an dieser (Abg. Heine⸗Dessau: Ist denn das kein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb?)) Die Frage steht im Einspruchs⸗ (Zurufe von den Sozialdemokraten.

aber nicht. hat damit an sich gar nichts zu tun.

Frage beteiligt sein soll.

verfahren nicht zur Entscheidung. Glocke des Präsidenten.) Abg von Trampezyns ki (Pole); Das Reichsjustizamt. hat die Aufgabe, dem Reichskanzler in der Ueberwachung der Reichs⸗ gesetze zur Seite zu stehen. Ich mache dem Staatssekretär des Reichs⸗ justizamts den Vorwurf der Passivität, da er der flagranten Gesetzes⸗ Derletzung seitens Preußens ruhig zusieht. Ich erinnere an die Ver— letzung des Freizügigkeitsgesetzes und an das Besitzbefestigungsgesetz. Den Bundesstaaten ist ausdrücklich verboten, durch ihre amlliche

dagegen verstoßen und zu hohlen Ausflüchten gegriffen, um ihr Vor⸗ gehen zu bemänteln. Es ist unzulassig, be st imm ten Personen das Wohnen in gewissen Grundstücken zu untersagen. Der Staats⸗ sekretär ist offenbar befugt, zu prüfen, ob ein preußisches Gesetz gegen ein Reichsgesetz verstößt, und befugt, dagegen einzuschteiten. 19608 und 1909 hat der Reichstag die An ht ausgesprochen, daß das preu⸗ Rische Enteignungsgesetz mit dem Reichsgesetz nicht übereinstimmt. Das hat auch die Freisinnige Partei ausgesprochen. Nun trat plötzlich ein Redner der Freisinnigen Partei bei unserer Interpella⸗ tion auf, der Abg. Pachnicke, der nicht Jurist, onder Philosoph ist, und meinte, es handle sich um eine preußische Angelegenheit. Das mußte doch wundernehmen. Der Reichstag hat nur ein Mittel, seinen Willen durchzusetzen, die Geldbewilligung zu sparen. Solange er sich nicht aufrafft, auf seinem Rechte zu bestehen, wird der Land⸗ tag bexechtigt sein, über ihn seine Witze zu reißen. In diesen Fragen habe ich dem,. Staatssekretär seine passive Rolle vorgeworfen. Er wird sich da vielleicht mit mangelnder Zuständigkeit decken. Das kann er aher nicht hinsichtlich der Tätigkeit der Staatsqanwaltschaft bei den Prozessen aus Anlaß des Ruhrkohlengrheiterstreiks. Zu keiner Zeit soll mit dem Strafberfahren so viel Mißbrauch getrieben wor⸗ den sein, wie in dieser Streikperiode. Ich habe eine Reihe von Urteilen aus dieser Zeit auf den Tisch des Hauses niedergelegt, ins⸗ besondere solche, wo für das Wort „Streikbrecher“ oder für den Ruf „Pfui!“ Gefängnisstrafen bis zu 2 und 4 Wochen erkannt worden sind. Bergleute sind doch keine Geheimräte; mit 3 „S wäre die Ehre des durch den ph Eu Beleidigten sehr hoch bezahlt gewesen, und „Streikbrecher, ist überhaupt keine Beleidigung. Auf jeden Fall haftet dem Verfahren der preußischen Justizverwaltung in diesem Streik ein politischer Beigeschmack an. Noch schlimmer geht sie frei⸗ lich gegen albes vor, was mit den Polen zusammenhängt. Die Ver— sammlungsverbote ergehen zwar in den polnischen Landesteilen nach den neuesten Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts nicht mehr so häufig, aber den Einberufern wird sofort mitgeteilt, daß sie Straf⸗ mandate zu gewärtigen hätten, und zwar auf Grund von Urteilen der Oberlandesgerichte von Posen und Marienwerder, die anders entschieden hätten als das Oberverwaltungsgericht. Außerdem sucht man sich dadurch zu helfen, daß man mit den unglaublichsten Ver⸗ renkungen geschlossene Versammlungen als öffentliche erklärt. Der Richter ist ja wie jeder Mensch Sklave seines Milieus; die Regie⸗ rung aber klagen wir an, daß sie dieses Milieu für den Richter schafft; aus Selbstachtung schon müßte sie sich hüten, den Politischen Kampf in die Justiz hineinzutragen. Seit 30 Jahren ist kein polnischer Richter mehr in polnischen Landesteilen ernannt worden. Die Er⸗ richtung eines Amtsgerichts in dem polnischen Städtchen Kruschwitz ist vom preußischen Justizminister mit der klassischen Begründung abgelehnt worden, weil das den Interessen des Deutschtums wider— spreche, indem neben dem deutschen Amtsrichter der Sekretär und der Dolmetscher notwendigerweise Polen sein müßten und also das Polentum dadurch gestärkt würde. Gerichtsbeamte und selbst Richter werden wie die Schafe an die Wahlurne getrieben, und ob und wie sie gestimmt haben, wird genau kontrolliert; wenn sie sich enthalten haben, werden sie darüber vernommen, weshalb sie nicht gewählt haben. Wir haben in Preußen über den Minister von Puttkamer, diesen

der

„Ausbund der Reaktion“, hinaus ganz erhebliche Fortschritte gemacht. So schafft die Justizverwaltung erst die vergiftete Atmosphäre, in der so wunderbare Gerichtsentscheidungen vorkommen. Sobald irgendwie die Politik in die Rechtsprechung hineinspielt, gehört der Satz „es gibt noch Richter in Preußen“ sozusagen der Vergangenheit an. Abg. Landsberg (Soz): Die Beschwerde des Abg. Belzer über den Eintritt pensionierter Richter in die Reihe der Rechts anwaltschaft kann ich nicht unterstützen. Die Rechtsanwaltschaft sieht den einzelnen Anwalt nicht in erster Linie als Konkurrenten an; jeder Kollege ist ihr, seine Ehrenhaftigkeit vorausgesetzt, willkommen. Unerhört aber ist ein Fall, der sich vor kurzem erst in Berlin er⸗ eignet hat, wo ein von Schulden überhäufter Staatsanwalt, der sich auch sonst nicht einwandfrei verhalten hatte, sich als Rechtsanwalt niederlassen wollte und, nachdem die Antwaltskammer ihn zurück⸗ gewiesen, vom Reichsgericht tatsächlich zugelassen worden ist. Haben wir beim Reichsgericht eventuell mit einer baldigen abermaligen Erhöhung der Revisionssumme zu rechnen? Dagegen muß schon heute ganz entschieden Verwahrung eingelegt werden. Wenn die Zahl der Prozesse zunimmt, so muß die Zahl der Richter vermehrt werden. Ein anderes Mittel gibt es nicht. Ich überschätze nicht den Wert der Rechtsprechung des Reichsgerichts; dieser Wert besteht darin, daß das Ohberlandesgericht eine Instanz über sich weiß. Der konser— bative Redner hat darauf hingewiesen, daß man in England die Prügelstrafe gegen Zuhälter eingeführt habe, und er hat uns dies Beispiel zur Nachahmung empfohlen. Denken Sie doch an Däne⸗ mark, wo der Justizminister Alberti, der die Prügelstrafe durchgesetzt hatte, beinahe selbst' auf die Prügelbank gekommen wäre. Dänemark hät wenige Jahre nach der Einführung der Prügelstrafe sie wieder abgeschafft. Man sorge lieber dafür, die soziale Lage des weiblichen Geschlechts zu verbessern, dann sind den Zuhältern die Ausbeutungs— objekte entzogen. Die Prügelstrafe kann nur verrohend wirken. Der Abg. Holtschke hat darauf hingewiesen, daß der englische Kriegsminister ein Gegner der Prügelstrafe sei, aber erklärt habe, daß die englische Armee die Prügelstrafe nicht ganz entbehren könne. Ich wilk doch nicht annehmen, daß der Abg. Holtschke für die Einführung der Prügelstrafe in die deutsche Armee ist. Was die Resolutionen be— trifft, so sind wir für die Resolution Belzer. Ueber die Reso⸗ lution Warmuth hat sich meine Partei noch nicht entschieden. Ich persönlich lehne sie ab, denn ich halte eine Haftung über den be— stehenden Zustand hingus nicht für berechtigt. Die Zustände, die die Resolution Schiffer über das Vorkaufsrecht im Auge hat, sind in der Tat schlimm genug. Es ist nur zu bedauern, daß eine solche Resolution überhaupt nötig ist. Man könnte dem Uebelstande auf Grund des 8 826 entgegentreten, indem das Verhalten des Gläubigers als, dolus angesehen wird. Das hat ja auch schon pielfach das Reichsgericht getan. Bedenklich an der Resolution ist auch, daß ein gesetzgeberischer Akt sich auf einem Mißstande aufbauen soll. Auch die Gefahren des Mißbrauchs zu politischen Zwecken sind nicht aus geschlossen, wie ja überall in Preußen, wenn man dem Staate solche Vollmachten erteilt. Auch könnte ein einzelner die Gelegenheit nehmen, seinen Grundbesitz zu vermehren. Trotzdem werden wir für die Resolution stimmen, denn wir wollen abwarten, was die Regie⸗ rung aus unseren Anregungen machen wird. Das Verhalten des Staates gegenüber den unschuldig Verhafteten ist vielfach nicht zu billigen. Als das Gesetz geschaffen wurde, pries man es wie eine Ruhmestat. Daß die Praxis es aber so erheblich verschlechtern würde, das hat doch wohl kein Mensch erwartet. Was hierbei alles mög— lich ist, das zeigt der Fall Mielke. Wegen Mordverdacht saß der Betreffende 2 Monate in Untersuchungshaft. Auf ihn trafen alle Bedingungen des Gesetzes zu, und ihm wurden 139 5 zugebilligt. Diese hat er aber nicht einmal erhalten, sondern man zog ihm 3,50 6 an Verpflegungskosten ab. Das ist doch direkt unerhört. Das Verfahren gegen den Mann wurde eingestellt, weil er wirklich unschuldig war. Die Verpflegung gehörte doch mit zu den Kosten

des Verfahrens, so daß auch sie hätte der Staatskasse müssen auferlegt werden. Die Folge würde doch sein, daß jeder derartige Häftling, der keine Entschädigung erhält, nachher für Verpflegung noch etwas an den Justizfiskus draufzahlen muß. Ich bitte den Staatsfekretär, den, ganzen Einfluß, den er beim preußischen Justizminister hat, auf⸗ zubieten, damit solche Dinge nicht wieder vorkommen. Auf unsere Beschwerde über Klassenjustiz wurde uns stets entgegengehalten, es gebe in Deutschland keinen Richter, der das Recht beuge. Diesmal hat es bloß der Abg. Warmuth getan, aber seine Autorität ist bei uns Sozialdemokraten nicht sehr groß, und wir werden auf seine Mahnung, der deutschen Justiz Vertrauen entgegenzubringen, nicht iel Gewicht legen. Es gibt in seiner nächsten Nähe Männer, wo seine Autorität mehr gilt und wo er ein viel ausgedehnte res Feld für seine, Mahnungen zum Vertrauen vorfände. Der Reichsverband zur Bekämpfung der Sozialdemokratie strengt ja recht gern Beleidigungs— klagen an. So verklagte sein Chef, der Abg. von Liebert, einen sozialdemokratischen Redakteur und erreichte dessen Bestrafung mit einer kleinen Geldstrafe. Nachdem seine Berufung von dem

zufrieden ist denn hat be⸗

spondenz: Im großblockverseuchten Baden müsse man schon sein, wenn man eine kleine Verurteilung erreiche.! Wo da das Vertrauen zur Rechtsprechung? Der Ahg. von Liebert kanntlich das Wort gesprochen, das Urteil in Sachen Peters sei ein

Schandfleck der deutschen Justiz gewesen. Gegen deutsche Richter den Vorwurf bewußter Rechtsbeugung zu erheben, liegt uns voll- ständig fern; die Richter sind eben unfähig, sich von Anschauungen frei zu machen, die sie mit der Muttermilch eingesogen haben. Auch der Abg. Belzer mußte zugeben, die Richter gehörten den bevor zugten Klassen an und seien von ihrem Milieu abhängig. Da sind wir, also ganz einig. Weshalb entnimmt man aber die Richter aus⸗ schließlich bestimmten Ständen? In Preußen verlangt man auch vom Referendar, bevor man ihn ernennt, den Nachweis eines nicht unbedeutenden Vermögens, im Oberlandesgerichtsbezirk Posen ewa 15000 A6. Weshalb macht man die Ernennung von Assessoren zu Richtern von einer gewissen Schneidigkeit abhängig, weshalb be⸗ fördert man mit Vorliebe Richter, die sich in politischen Prozessen bemerkbar gemacht haben? Der Richter hat die Entscheidüng über die wichtigsten Güter seiner Mitmenschen in Händen, von ihm muß man verlangen, daß er die Vorurteile überwindet, die er mit der Muttermilch einsog; und mir sind auch Richter bekannt geworden, die auch dem schärfsten politischen Gegner gegenüber die strengste Gerechtigkeit übten. Aber wir haben auch Richter, die sagen; Noch haben wir die Macht, auch die richterliche; nützen wir sie aus, ehe uns die Sozialdemokratie ans Messer liefert! Nicht ich formu' liere diese Auffassung; sie stammt von dem Reichsgerichtsrat Mittel— städt. In einem besonders prägnanten Falle aus dem Landkreise Breslau ist Verurteilung wegen Hausfriedensbruchs zu 3 bzw. 1 Monat Gefängnis erfolgt, weil die betreffenden Arbeiter bei der Reichstagswahl von ihrem Recht, bei der Wahlhandlung zugegen zu 1. ö J 5 9 8 . 3 3 Tor Morstiöyßo 4

sein, Gebrauch gemacht und eine Reihe schwerer Verstöße gegen das Wahlreglement wahrgenommen und abzustellen versucht haben. Ich bewundere die Breslauer Strafkammer, die jemand zum ersten Male sieht und doch über seine innersten Gefühlsregungen unterkichtet ist, indem sie annimmt, daß es dem Betreffenden nicht darauf ankam, Verstöße gegen die Wahlordnung aufzudecken, sondern seine Macht stellung als Abgesandter der Sozialdemokratie zur Geltung zu bringen. Die Betreffenden sind ja verurteilt worden, aber ich meine, es ist ehrenvoller, solche Strafen zu empfangen, als sie zu verhängen. Ein ähnlicher Fall ist in Piesdorf bei Halle vorgekommen. Es wurde auf 4 Monate Gefängnis erkannt, obwohl der Angeklagte nur aus idealen Gründen das Wahlgeheimnis schützen wollte. Solche Strafen sind ehrenvolle Wunden im Kampfe gegen die Willkür, die leider von der Justiz geschützt wird. Damit vergleiche man die milden Urteile gegen konservative Wahlvorsteher und Wähler. Der Redner geht dann noch unter großer Unruhe der Rechten auf den schon früher erwähnten Fall ein, der sich auf die Lohnbewegung der Bäckergesellen in Magdeburg und die Bäckerinnung und die von dieser verhängter Geldstrafen bezieht. Das Gericht habe den Gemeinsinn der Arbeit— geber in diesem Falle als berechtigt anerkannt, während in anderen Fällen den Arbeitern dies nicht gestattet worden sei. Die Richter hätten nicht das genügende Bestreben, die Klassenvorurteile zu be— kämpfen. Die harten Strafen bei Handlungen gegen Arbeitswillige erklärten sich aus der Abneigung gegen den Streik überhaupt. Im Ruhrrevier sei der gegen Arbeitswillige ausgestoßene Ruf: Pfui, Streikbrecher! ausnahmslos mit einem Monat bis sechs Wochen bestraft worden. Wie lächerlich gering seien dagegen die Strafen wegen Verstöße der Fabrikbesitzer gegen die Bestimmuungen über den Kinderschutz! Ein Arbeiter sei zu einer Woche Gefängnis verurteill worden, weil er einem Arbeitswilligen zugerufen hätte: Du Individuum! Der Amtsanwalt hätte zwei Wochen beantragt. Gerichte und Staatsanwalte drängten nicht immer ihre Vorurteile zurück, darum hätte seine Partei das Recht, ja die Pflicht, pon einer Klassenjustiz zu sprechen. Hoffentlich tragen die Be— sprechungen im Reichstage bei zur Verringerung der Opfer, über die die Justiz hinwegschreite.

Abg. Bo llUsᷓ (Zentr): Die Sozialdemokratie hat sich auch diesmal über Klassenjustiz beklagt. Diese Anklagen gründen sich auf un— zureichende Zeitungsberichte und auf ungenaue Angaben. Die Kritiker unserer Justiz werden niemals verschwinden, auch wenn die Richter durch ihre Kritiker ersetzt werden. Ich bin überzeugt, daß man bei uns viel zu viel Hilfe von den Gesetzen erwartet und bei den Richter zuviel Initiative vermißt. Der Abg. Schiffer⸗Magdeburg hat elne Reihe von Spezialgesetzen vorgeschlagen. Ich halte daz für wenig angezeigt, da in absehbarer Zeit eine allgemeine Kodifikation des formellen wie des materiellen Strafrechts zu er— warten ist. Viel eher wäre es am Platze, einige zivilrechtliche Materien zu regeln. Ich meine vor allem einen größeren Schutz des ehrlichen Gläubigers gegen den unehrlichen Schuldner, Es sind da Praktiken im Gange, die den ehrlichen Gläubiger schwer schädigen, und in denen auch die Nechtsprechung des Reichsgerichts keine Abhilfe geschaffen hat. Die Hoffnung des Staatssekretärs, daß sich auch ohne Eingreifen der Gesetz= gebung auf diesem Gebiete Besserung einstellen werde, wird nicht in Erfüllung gehen; hier muß den unlauteren Schikanen, die die unehrlichen Schuldner ins Werk setzen, gründlich nachgegangen werden. Ebenso hat sich das Gesetz, betreffend die Gesellschaftin mit beschränkter Haftung, das. jetzt zwanzig Jahre in Kraft ist, als revisionsbedürftig herausgestellt. Die Konkursstatistik redet hier eine deutliche Sprache; in den Jahren 1909 bis 1911 waren von 16000, 19 060, 22 00 Gesellschaften m. b. H. in Konkurs 503, 574, 654; dazu kommt die ziemlich hohe Zahl der in Liquidation getretenen, von denen ein großer Teil dies nur getan hat, um die Eröffnung des Konkunses zu umgehen,. Jedenfalls ist es zweifelhaften Glementen in der Geschäftswelt sehr leicht gemacht, mit Hilfe dieser Gesell⸗ schaftsform betrügerische Manipulationen vorzunehmen; bestrafte Subjekte ohne alle Barmittel erlangen auf diesem Wege die Gewährung beträchtlicher Kredite, und die Kreditgeber haben das Nachsehen. Diesen Mißständen tritt ein weiterer hinzu, der sich wenigstens an der Hand der Erfahrung als solcher erwiesen hat, daß nämlich die Gründung dieser Gefellschaften gegenüber der bon Aktiengesellschaften ganz wesentlich erleichtert ist. Die Frage der Revisionsbedürftigkeit dieser Gesetzgebung muß in Erwägung gezogen werden.

Nach 6“ Uhr wird die Fortsetzung der Beratung auf Dienstag, 1 Uhr, pünktlich vertagt. Vorher Anfragen und Abstimmung über Resolutionen zum Etat des Reichs—

gesundheitsamts.

Preusßischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 129. Sitzung vom 10. Februar 1913, Vormitiags 11 Uhr. (Bericht von „Wolffs Telegraphischem Bureau *.)

Ueber den Beginn der Sitzung, in der die zweite Beratung des Etats der Bauverwaltung, und zwar zunächst die bei dem ersten Titel der dauernden Ausgaben, „Gehalt des Ministers“, übliche allgemeine Besprechung fortgesetzt wird, ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Nach dem Abg. Freiherrn von Maltzahn (kons) erhält das Wort

Abg. Dr. König (Zentr): Der Eisenbahnverkehr hat sich in nicht geahnter Weise gesteigert, sodaß unsere Eifenbahnverwaltung, deren ausgezeichnete Leifung wir ohne weiteres anerkennen müssen, wohl kaum in der Lage sein wird, den gestelgerten Anforderungen des Verkehrs zu entsprechen, wenn sie nicht einen wetteren Ausbau der Wasserstraßen vornimmt. Der preußische Elsenbahn— minister braucht nicht seinen einzigen Stolz darin zu sehen daß er die Fisenbahn zur höchsten Entwicklung bringt, er wir

Jätigkeit Reichsangehörige an dem Eigentumserwerbe oder der Niederlassung zu hindern. Die preußische Verwaltung hat systematisch

Landgericht in Karlsruhe verworfen war, schrieb die Verbandskorre—

auch danach streben müssen, durch eine geeignete Autgestaltung der

ö 5653

Wasserstraßen sich in Deutschland ein dauerndes Denkmal der Bau des Rhein Maas. Schelde Kanals.

9. des vorigen Jahrhunderts, hal sich feinerzeit, als der Verkehr noch nicht so stark entwickelt war wie heute, für den Bau dieses Kanals ausgesprochen. Der Kanal ist . als ein Wasserweg vom rhelnischen Gebiet nach einem neutralen Seehafen geschaffen wird. Die Föosten des LKanalz würden nur 13 Millionen betragen. die erreicht werden, außer Zweifel. Angriff zu nehmen, falls der Staat sich Unsere Schiffahrt wird durch vielfach behauptet wird.

Von größter Bedeutung ist 2 Schon. Blsmarck, der größte Staatsmann

auch insofein von großer Bedeutung,

er den großen Vorteilen,

e enüb s gh Die Rentabilität steht

Summe. : ff auch bereit, den Bau in für den Kanal ausspricht. hieses Kanals keineswegs geschädigt, wie Inkeresse der westdeutschen Induftrie Fanalprojekt zu fördern und mit Belgien nehmen zu setzen.

bitte

Hienken gegen den Kanalbau bestehen.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Brei tenbach: Meine Herren! Auch Herr Abg. von Maltzahn hat die Frage der

srhaltung der Parität zwischen Oberschlesien und Stettin am Berliner Platze unter dem Gesichtepunkte erörtert, daß einerseits der Ausbau der Oder und andererseits die Eröffnung des Großschiff⸗ fahrtsweges zu Verschiebungen für die beiden Verkehrsplätze respektive Ich kann in dieser Beziehung was ich in den Vorjahren ausgesprochen habe. Die Staatsregierung ist auf Grund ihrer Zusicherungen gelegentlich der

dustriereviere Anlaß geben könnten.

n r wiederholen,

ni

Verabschiedung des wasserwirtschaftlichen Gesetzes von pflichtet, dafür zu sorgen, daß zwischen den oberschlesischen Interessen auf der einen Seite und den Stettiner Interessen auf der anderen und sie hat alles vorbereitet,

Seite ein Ausgleich herbeigeführt wird, um festzustellen, ob etwa durch

schlffahrtsweges oder durch den

Es

angeordnet,

getreten sind oder eintreten werden.

2 , , . Tro; Zu meiner großen Befriedigung hat der Herr Abgeordnete Frei⸗ herr von Maltzahn auch betont, daß es unerläßlich sei, daß das

Ministerium der öffentlichen Arbeiten auch in Zukunft die Eisenbahnen und die Wasserstraßen gemeinsam verwaltet, obwohl ihm und dem hohen Hause ja bekannt ist, daß die Arbeitslast des Mristeriums anz auf darf feststellen, daß in diesem Meinisterium zurzeit 78 vortragende Räte, 8 Ministerialdirektoren, Ministerialdirigent und 2 Unterstaatssekretäre fätig sind und außer Beamten und vortragenden Räten noch ein großes Hilfspersonal an Geheimen Bauräten und an rungs, und Bauräten, die zum großen Teil auch eigene Referate

ganz außerordentlich groß ist. Ich

diesem umfangreichen Personal an leitenden

( 9

wahrnehmen.

Wenn man den Umfang des Ministeriums und der ihm ob— so wird man andererseits wünschen mn, d ihm aus Zuweisung neuer Arbeitsgebiete nicht neue Arbeitslast und eine Vergrößerung erwächst, und nach dieser Richtung der letzten Sitzung von dem Herrn Abg. von Bülow anz l worden, Wohnungswesen, das jetzt federführend im Handelsministerium wird, auf das Ministerium der öffentlichen Arbeiten über⸗ Der Herr Abg. Freiherr von Maltzahn hat sich darauf s Wohnungswesens tr . möchten, ohne die Stelle zu kennzeichnen, bei welcher die Zentralisierung erfolgen soll. Ich bin ja durchaus der

liegenden Aufgaben berücksichtigt,

müssen, daß

hin sind in ganz positive Anregungen dahin gegeben

ho Rankel behandelt gehen möge. hos Rn beschränkt,

zentralisiert

zu wünschen, daß alle Fragen

werden

deinur

m

eutung ist sordert.

8y*7 61

zu zentralisieren.

Meine Herren, der Herr Abg. Freiherr von Maltzahn fragte mit der Reorganisation der Staatshochbau⸗ r Arbeiten lommission auf die Neuorganisation der Staatshochbauverwaltung eine Einwirkung ausgeübt hätten oder ausüben würden, be ich die Immediatkommission mit der Organisation der Staats hochbauverwaltung noch nicht befaßt. Ich darf aber feststellen, unter Vorjahren, daß ich bemüht gewesen nach den verschiedensten Richtungen hin zu reorganisieren im Sinne einer Dezentralisierung und Vereinfachung Ich habe mir angelegen sein lassen, die Hebung der bezüglich der Selbständigkeit in jeder Weise zu ganz überwiegend dadurch, daß den Ortsbaubeamten geeignete mittlere Kräfte zugewisen wurden, die sie von dem Teile die ebenso gut von einem mittleren Beamten ver— Das Vorgehen hat sich durchaus Die Ortsbaubeamten sind in der Lage, viel freier als früher ö Die Grenzen für die Vergebung von Arbeiten und gen sind sehr erheblich erweltert; das Recht des Zuschlags ist

auch, wie es

perwaltung stehe und ob etwa die

bekannt, hat s

dinweis auf Ausführungen in den din, die Staats hochbauverwaltung

der G z der Geschäfte. vrtsbaubeamten

fördern, und zwar

ihrer Tätigkeit, richtet werden kann, entlasteten. bewährt. zu disponieren.

ebenfalls ausgedehnt worden.

. Minister, das i und Holland sich ins Be⸗ Aus Erklärungen von Ministern diefer Länder fun man entnehmen, daß jenseits der Grenze keine grundsãätzlichen

de

die Inbetriebnahme bereits erfolgten Ausbau der Oder oder den in Zukunft noch erfolgenden Ausbau der Oder solche Verschiebungen eintreten werden und eintreten können.

sind in letzterer Beziehung eine Reihe von Maßnahmen schon die uns in die Lage setzen, auf Grund sehr sorgfältiger Kalkulationen zahlenmäßig nachzuweisen, ob solche Verschiebungen ein⸗

ig de beiden Herren Abgeordneten, daß das Wohnungswesen i 8 Ministerium der öffentlichen Arbeiten von ganz herbor⸗ und dort die sorgfältigste und eingehendste Aber auf der an deren Seite zwingt mich der 8 Ressorts, auszusp rechen, daß es unmöglich sein würde, das Wohnungswesen im Mi nisterium der öffentlichen Arbeiten

Nun habe ich aber feststellen müssen, daß die

dedürfnissen nicht mehr hochbaukreise auch zum aubeamten damtt auch

Teil so klein

nicht

seine Leistungen

eingetreten, ob es nicht

Vr 2. Drtsbauãmtern vorzunehmen. keine Reihe

nommen, in 10 Regierungsbezirken des preußi

auf morgen, erledigung.

fahren.

Ob

gennten preußischen Staate durchzuführen, nicht zu sagen.

*

s

ö h Begrenzung der dochbauämter, wie sie selt Jahrzehnten besteht, den heutigen genügend Rechnung sind so wenig bieten, daß seine Arbeitsfreudigkeit und , Le ö genügend nter diesem Gesichtspunkt bin ich in eine Untersuchung darüber nützlich ist, eine Zusammenlegung von Ich habe diese Untersuchungen auf von Regierungsbezirken ausgedehnt und in Aussicht ge⸗ e ,, i b hen Staats eine Zu⸗ gung von Hochbauämtern eintreten zu lassen, nicht von heute sondern im Laufe der Jahre bei eintretender Stellen fan nn Dei dieser Zusammenlegung von Hochbauämtern sollen M die örtlichen wie die Verkehrs verhäͤltnisse Berücksichtigung er⸗ . und inwieweit. es möglich sein wird, diese Vereinfachung ganzen Organisation, die sich aus der Zusammenlegung ergibt, im vermag ich heute noch n meln Ich will. erst den Erfolg dieser Maßnahme in den cht genommenen Regierungsbezirken abwarten.

gefördert

Wenn Herr Abg. Freiherr von Maltzahn meinte, man solle auch in dem Sinne reorganisieren, daß die Repisionstätigkeit der höchsten In stanzen etngeschränkt werde, so darf ich feststellen, daß in diesem Sinne bereits vorgegangen ist; die Revisionstätigkeit ist in weitestem Maße ausgeschaltet. Auch die Ortsbaubeamten sind viel freier, als sie es früher waren.

Herr Abg. Dr. König hat wie im Vorjahre eine Frage, deren Bedeutung ich nach keiner Richtung hin unterschẽtze, die Ve rbindung von Rhein zur Maas und Schelde, hier erneut zur Erörterung gestellt. Es schweben eine ganze Reihe von Projekten, den Rhein mit Maas und Schelde zu verbinden, und zwar nicht bloß von Crefeld aus. Ich habe alle diese Projekte mit lebhaftem Interesse verfolgt, und kann feststellen, daß gerade die Stadt Crefeld unter der Mit— wirkung eines ausgezeichneten Stadtbaubeamten das Projekt des Rhein⸗ Maas Schelde⸗Kanals vom Crefelder Hafen ausgehend mit großem Geschicke verfolgt. Aber, meine Herren, bei all dem Interesse, das wir an dem Projekte nehmen, muß doch immer wieder festgestellt werden, daß das Hauptinteresse jenseits der Grenze liegt, und daß aus dieser Tatsache sich ohne weiteres für die preußische Staats regierung eine gewisse Zurückhaltung empfiehlt. (Bravo!)

—⸗ Abg. Dr. Röch li ng (nl.): Ich möchte der Regierung die Bitte ans Herz legen, den Rhein-Hannoverkanal nicht bei Hannober enden zu lassen. sondern ihn nach Hildesheim und Braunschweig zu ver⸗ längern. Im übrigen sind meine politischen Freunde darüber erfreut, daß der Etat eine erhebliche Summe auswirft für die Verbesserung der Schiffahrts verhältnisse auf der Weser. Was den Lippe⸗Seitenkangl anlangt, so habe ich den Eindruck bekommen, daß in der Tat sehr wichtige Gründe für die Anlage dieses Kanals sprechen. ÄUnderseits wird man von der Regierung nicht verlangen können, daß sie sämt— liche Kosten aufbringt. Es wird zu erwägen. sein, ob die Provinzial⸗ berbände nicht auch dazu beizutragen haben. Was die Frage der Kon l'urren zwischen Stettin und Oberschlesien betrifft, so muß die Regierung alle Sorgfalt aufwenden, um zu verhüten, daß Stettin in dem schweren Konkurrenzkampf mit Hamburg behindert wird. Anderseits muß sie dafür sorgen, daß die Oberschlefische Industrie zu ihrem Rechte kommt, denn deren Lage ist nicht ganz leicht. Die Absatzmglichkeit für die oberschlesische Industrie nach dem Süden und Welten ist sehr beschränkt. Aufgabe der Regierung ist es, zwischen beiden Interessen zu vermitteln. Was die Frage anlangt, ob außer dem Ministerium der öffentlichen Arbeiten, wie es jetzt besteht, noch ein besonderes Bauministerium errichtet werden soll, so ist ein Teil meiner Freunde für diese Trennung. Wir meinen, daß unser Staatseisenbahnwesen eine solche Ausdehnung und Bedeutung erlangt hat, daß es die Kraft eines einzelnen noch so hervor⸗ vagenden Mannes doch ganz in Anspruch nimmt, sodaß nach unserer Auffassung das Wasserstraßenwesen und Bauwesen besser und kräftiger unter einem besonderen Ministerlum verwaltet werden könnte. Eine wirkliche Entwicklung der Wasserstraßen wird mit der Energie die unsere Verkehrsinteressen erfordern, nur durchgeführt werden, wenn diese Interessen im Staatsministerium selbständig zum Worte kommen. In. der Frage des Reichswohnungsgesetzes hat es mich ge⸗ wundert, daß der ÄÜbg. von Maltzahn in so heftigem Tone gesprochen hat. Die Frage ist ja erledigt. Preußen hat sich ja entschieden, selbständig vorzugehen; es hat den Entwurf eines Wohnungsgesetzes veröffentlicht, und es ist zweifellos ent— schlossen, die Frage in die Hand zu nehmen. Ich bin auch der Auffassung. daß das Wohnunggwesen selbständig von Preußen ge— regelt werden kann. Es ist nicht empfehlenswert, die Kompetenz des Reichs in unitarischer Weise zu erweitern. Der bundesstaat⸗ liche Charakter des deutschen Reichs muß aufrecht erhalten werden. Preußen hat in dieser Frage dieselben sozialen' Tendenzen, wie die Reichsinstanzen, und wir werden auch unserseits tun, was wir unserer Bevölkerung gegenüber zu tun verpflichtet sind. Ich möchte dann noch auf die Interessen der Schiffahrt, namentlich an der Weser, hin⸗ weisen, die durch die Eisenbahntarifherabsetzungen schwer geschädigt worden sind. Ich möchte den Minister bitten, alles zu tun, daß in Zukunft keine Schädigung der Schiffahrtsinteressenten eintritt. Ehe ebensolche Schädigung wie an der Weser und Aller soll auch an der Elße und Oder und bei den kleinen Schiffern am Rhein stattgefunden haben. Die PYrivaten Architekten fühlen sich dadurch in ihrer her uf ichen Tätigkeit benachteiligt, daß ihnen die staatlichen Architelten nebenberuflich eine schwere Konkurrenz machen. Vie Hochbauperwaltung schreibt vor, daß die Staatsbeamten bel den Vorarbeiten und der Vorbereitung derjenigen Schulbauten mitzuwirken haben, zu denen der Staat den Gemeinden eine gewisse Beihilfe gibt. Es ist inlr mitgeteilt worden, daß es zur Regel geworden ist, daß die staatlichen Architekten die Entwurfszeichnungen gegen Entgelt aus⸗ führen. Man ist zu der Annahme gelangt, daß die Regierung darauf dringe, daß den Beamten s der Gemeinden diese

seitens beit übertragen wird. Dadurch bekommen die staatlichen Architekten über die privaten ein großes Uebergewicht.

zu setzen.

Dies ist eine geringe Das Privatkapital

die Anlegung

Im

1905 ver⸗

des Groß⸗

daß das ganze

iber die t . Sie erhalten von den Hochbꝛuämtern Eine Kenntnis von dem Projekt, lange bevor die Privatarchitelten in der Lage sind, sich zu bewerben. Uebrigens sollen die Staagtsarchitekten auch Fabrikhäuser, Kranken— hãäuser und sogar Privathäuser bauen; das wäre eine Konkurrenz, die angesichts der Tatsache, daß die Privatarchitekten schwer um ihre 9 zu ringen haben, nicht zu billigen wäre. Ich möchte den Min ster bitten, daß die Genehmigung zur Uebernahme solcher Arbeiten überall da bersagt wird, wenn nicht besondere künstlerische Interessen vorliegen. .

Abg. Rosenow

der Immediat⸗

Soweit mir

. es en ow (fortschr. Volksp.): Es ist erfreulich, daß der Etat den Bedürfgissen der Wasserstraßen in einem höheren Moße entgegenkommt als bisher. Ebenso freuen wir uns, daß auch bei den Konservativen die Ueberzeugung von der Bedeutung der Wasser⸗ traßer und Kanäle immer mehr wächst. Auch wir bedauern, daß die Wasserstraßen in der Nähe des Dortmund⸗Emzkanals durch Herab⸗ setzung der Eisenbahntarife für Kraft- und Futtermittel gelitten haben. Diese Maßnahme war im Interesse der Allgemeinheit aber not. wendig. Yer Großschiffahrtsweg Berlin Stettin geht der Vollendung entgegen, und man fragt sich, warum Berlin noch immer keinen Hafen erbaut hat. Da bitte ich, daß gelegentlich der Minister des Wasser⸗ hauwesens mit dem Eisenbahnminister ein ernstes Wörtchen spricht. Als der Plan, für den Kanal sichergestellt war, kaufte die Stadt Berlin ein Terrain für den Hafen und brachte auch sonst noch große pekuntäre Qpfer. Die Eisenbahnverwaltung hat aber der Stadt so unendliche Schwierigkeiten gemacht und fo unerfüllbare Anforderungen gestellt, daß der Hafenbau bis jetzt noch nicht in Angriff genommen werden konnte. Die Kanalisierung des Mains soll unabhängig von der Frage der Schiffahrts— ahgaben auf dem Rhein in Angriff genommen werden. Deshalb müßte man aber den Bau einiger Schleusen beschleunigen. Dann beschweren sich Interessenten darüber, daß sie durch Schleusenschluß geschädigt werden, indem man sie nicht rechtzeitig gehört und benachrichtigt hat. Die Tarife auf den märkischen Wasserstraßen sollen keine Einnahmeguelle für den Staat bilden, sondern nur zu ihrem Ausbau dienen. Jetzt soll auf der Unterhavel eine neue Hebestelle errichtet werden, wodurch ohne Grund eine unnötige Verteuerung der Frachten geschaffen wird. In Groß Berlin führt die Polizei zurzeik einen bitteren Kampf gegen Maleratel ers. Die Künstler wurden dadurch beunruhigt, daß man ibnen die Benutzung schon jahrelang innegehabter Ateliers untersagte. Schließlich hat man sich auf eine Uebergangszeit geeinigt. Plötzlich verbietet nun die Regierung in Potsdam in ihrem Bezirke alle Maler⸗ ateliers in den Dachgeschossen und verlangt Räumung in kürzester Zeit. Dadurch werden aber auch die Grundbesitzer unnötig beunruhigt. Sie Baupolizei sollte doch endlich einen Unterschied zwischen Wohn⸗ Geschäfts⸗ und Industriehäusern machen. Die Industrie wünscht ganz besonders, daß man ihr in der Benutzung der Kellergeschosse und Bodenräume entgegenkommt. Dag ist ja schon in allen anderen Ländern der Fall. In den Geschäftsvierteln steigt der Wert

daß die Orts⸗

trägt, und dem

werden.

mehr ausgenußzt werden. Der Minister will kein Betriebszentrum chaffen. Dieses schafft sich aber von selbst. Die Furcht, ö bei Entgegenkommen in dieser Beziehung andere Gegenden geschãdigt werden können, ist wohl unbegründet. Schon aus diesem Grunde halten wir ein Reichswohnungsgesetz für nötig, von dem man nur da absehen könnte, wo ein Bundesstaat in gehöriger Form selbstãndi pPorgegangen ist. Da die Wohnungspolizei und die Wohnungsaufsicht ä schwer scheiden lassen, so bitte ich den Minister, daß die Wohnungs⸗

polizei auf die Städte übertragen wird. Die Strombauarbeiter be⸗ klagen sich darüber,

darüber daß ihnen Erschwernisse auferlegt worden sind in bezug auf ihre Stellung zu den Wohlfahrtzseinrichtungen. Die Strombauarbeiter können . Eisenbahnpensionganstalten eintreten und zwar in die. Pensionskasse . Aber die Pensions⸗ kasse A bietet ihnen verhältnismäßig wenig. Dagegen dürfen sie in die Kasse B, die ihnen erheblich mehr Vorteile bietet, nur eintreten. wenn sie alles das nachzahlen, was sie im Laufe der Jahre, in dener sie in die Kasse B noch nicht eintreten durften, weniger gezahlt haben. Die meisten Stromhauarbeiter sind aber gar nicht in der Lage, diese Beiträge nachzuzahlen. Es ist ein billiges Verlangen, wenn wir an den Minister die Bitte richten, diesen Arbeitern, nach⸗ dem er ihnen einmal den Eintritt in die Pensionskasse er⸗ laubt hat, auch den Eintritt in die Kasse B zu ermöglichen. Die Wasserbauperwaltung hat an die Strombauarbeitèr die Forderun gestellt, sie müßten und sollten aus den Gewerkvereinen austreten. Id halte die ses Vorgehen der Wasserbauverwaltung für einen unberech⸗ i. Eingriff in das Recht der Koalitionsfreiheit. Ich wäre dem Minister dankbar, wenn er mir über diese Frage Aufklärung geben wollte. Wir haben allen Anlaß, die freie Architektenschaft vor einer übermäßigen Bedrückung zu schützen. Wenn auch zuzugeben ist, daß die Künstler, die sich in staatlichen Stellungen befinden, nicht zurück⸗ gedrängt werden sollen, sondern daß ihre Künstlerschaft sich frei be— tãͤtigen, soll, so müssen wir doch anderseits auch fordern, daß die freie Architektenschaft in der gleichen Weise zu staatlichen Arbeiten herangezogen wird. Ich eue mich darüber, daß der Minister in Aussicht, gestellt hat, den Wasserstrgßen eine größere Aufmerksamkeit zu schenken, und ich kann ihm dafür auch den Dank unserer Partei aussprechen. . . , ron, , 6 ö N z

Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenba ch:

Meine Herren! Die beiden Herren Vorredner haben durchaus gegensätzliche Auffassungen vertreten in der Frage, ob die Staats⸗ eisenbahnverwaltung von der Wasserbauverwalt ung zu 5 24 1 6 sche iden, und letztere einem besonderen Ressort zuzuweisen ist. Herr ] . J ee ( Abg. Rosenow hat einen solchen Schritt als verhängnisvoll bezeichnet und hat gemeint, Handel und Verkehr würden unter dieser Trennung schwer leiden. Herr Abg. Röchling ist entgegengesetzter Meinung. Ich war zuerst der Auffassung, daß er zu seiner Meinung gekommen wäre, weil er die Frage unter dem Gesichtę punkte der Mosel⸗ kanalisierung betrachtet. (Heiterkeit Aber er hat ja ausdrücklich hinzugefügt, daß einige seiner Parteifreunde derselben Auffassung sind.

* 5 5 ryro 2 ö 2 ö ; J .

. Meine Herren, ich habe ja bereits die Meinung ausgesprochen, daß ich mit dem Herrn Abg. Rosenow es für, verhängnisvoll will ich nicht sagen, aber für einen erheblichen Rückschritt an⸗ sehen würde, wenn man beide Ressorts trennen wollte. Ich würde den Herren wünschen, daß sie Einblick nähmen in die gemeinsame Arbeit der Staatseisenbahnverwaltung und der Wasserbauverwaltung. Es vergeht kein Tag, wo nicht in gemeinsamen Besprechungen Fragen erledigt werden müssen, die beide Zweige des Ressorts angehen. Fast in jeder Abteilungssitzung sind die Vertreter beider großen Abteilungen anwesend. Alle diese Fragen erledigen sich, wie man sagt, glatt und in kurzer Zeit. Wenn ich mir eine Trennung der beiden Zweige meines Ressorts denke, so würde sich unter allen Umständen auch in einer Reihe sehr nützlicher und dringlicher Fragen eine ganz außer⸗ ordentliche Verzögerung ergeben müssen. Das ist niemals anders,

auch wenn die Ressorts gewillt sind, durchaus zusammenzugehen; diese Verzögerung ergibt sich ganz von selbst aus dem Geschäftsgang.

Ich hätte ja gar keinen Anlaß, meine Herren, mich über diese Frage hier eingehender zu äußen, da die Staatsregierung durchaus nicht mit ihr befaßt ist, Anträge nicht vorliegen und Vertreter großer Partelen eine der Auffassung des Herrn Abg. Dr. Röchling entgegengesetzte Meinung vertreten haben. Aber da die Frage heute hier wiederholt zur Sprache gebracht worden ist, meinte ich, es wäre doch nützlich, daß ich auch meine Auffassung, die doch nun— mehr auf einer mehrjährigen Erfahrung beruht, hier bekannt gäbe. (Bravo! bei den Nationalliberalen.)

Meine Herren, Herr Abg. Dr. Röchling hat, wie das ja auch bereits in der Kommission geschehen ist, nochmals Bezug genommen auf die Einwirkung der ermäßigten Tarife für Futtergerste und Mais auf unsere Wasserstraßen. Es ist ihm zuzugeben, daß die Weser und der Dortmund⸗Ems-Kanal unter dem Einfluß dieser Tarife gelitten haben. Wenn auch die Weser einen relativ guten Verkehr geführt hat 191 vielleicht einen etwas besseren Verkehr als andere Ströme —, so hat die Weserschiffahrt doch darunter ganz zweifellos gelitten, daß sie, um genügende Transporte zu erlangen die Wasserfrachten herabzusetzen genötigt war. (Sehr richtigh Dies hat zu einer Minderung der Erträge der Schiffahrt geführt, die ich selbstverständlich lebhaft beklage. Aber, meine Herren, ich habe schon in der Kommission feststellen müssen, daß ja die Einführung solcher Tarife unter so allgemeinen Gesichtspunkten erfolgt, daß nur der allgemeine Nutzen und die großen Interessen des Landes für ihre Einführung maßgebend sind, und daß solche Schäden, die Folgen der Ermäßigung sind, hlngenommen werden müssen, so schmerzlich es für die Betroffenen auch sein mag. Weil wir wissen, daß die Schiffahrt im Jahre 1911 ein sehr schlechtes Jahr gebabt hat, daß alle Schlffahrtsinteressenten schwer darunter gelitten haben, sind wir ja auch welt entgegengekommen, wie Sie wissen, bezüglich der Schleusengelder, der Hafengelder und der⸗ gleichen. Es ist daz auch ein Grund mit, warum die auf der Elbe beabsichtigte Einführung von Sommerhafengeldern, die gerecht wäre, weil auf allen anderen Strömen Sommerhafengelder erhoben werden, einstweilen zurückgestellt ist, damit die Schiffahrt in der Lage ist, sich erst von den schweren Schäden, die ihr im Vorjahre zugefügt sind, zu erholen.

Herr Abg. Rosenow, der ja den Etat verwaltung sehr freundlich beurteilt hat, hat unter Bezugnahme auf Verhandlungen im Bezirkseisenbahnrat Berlin hier der Meinung Ausdruck gegeben, daß der Hafen Stettin gegenüber Hamburg in dem Eisenbahntarif stark benachteiligt ist. Meine Herren, das ist ja eine Frage, die bei der Erörterung des Eisenbahnetats zur Sprache zu bringen sein wird. Aus diesem Hinweise hat er den weiteren Schluß gezogen, daß alles vermieden werden müsse, was zu einer Schlechter⸗ stellung Stettins in der Konkurrenz gegenüber Hamburg führen könnte; im Gegenteil, die preußische Staatsregierung müsse bemüht sein, die Interessen Stettins in der Konkurrenz gegenüber Hamburg zu fördern und zu heben. Meine Herren, das ist durchaus

der allgemeinen Bau⸗

des Grund und Bodens, und dieser muß dementsprechend immer

1

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auch die Auffassung der Staatsregierung, insbesondere auch meine Auf⸗

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