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ö Dr, Hegensche idt (Rp): Ich fühle mich nicht be— k. feblenden Auffassungtzvermögen 3 . 8 die Beine zu helfen. Schluß 6i /n Uhr. Nächste Sitzung Sonnabend 11 Uhr k der Beratung des Etats der Reichspost⸗ und elegraphenverwaltung).
Preusꝛischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 132. Sitzung vom 14. Februar 1913, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von „Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nwmmer d. Bl. berichtet worden.
. Das Haus setzt die zweite Beratung des Etats der direkten Steuern, und zwar zunächst die Debatte über den Titel der Einnahme aus der Einkommensteuer (379 Millionen Mark, 261, Millionen mehr gegen das Vor⸗ kahn fort, zu dem die Uebersicht der Ergebnisse ber Ein— ommensteuerveranlagung für das Jahr 19.12 vorliegt, welche die Budgetkommission nach Kenntnisnahme für erledigt zu erklären beantragt. .
Nach dem Abg. Freiherrn von Zedlitz und Neukirch (freikons.) erhält das Wort
Abg. von Strombeck (Zentr.: Der Abg. von Zedlitz hat zemeint, mit dem Zustandekommen der Steuernobeffe werde die volle
zeranziebung der Steuerpflichtigen gewäbrleistet. Das Ober⸗ verwaltungsgericht bat in Steuersachen 13 Bände zu 500 Seiten voll Entscheidungen gefallt, die zumeist die Einkommenftenter betreffen. Bei großen Vermögen, die sich aus Kapitalverm ögen, Grundbesitz und Gewerbe⸗ betrieb zusammenfsetzen, ist eine richtige Veranlagung ein kleines Kunststück. Der Redner geht dann ausführlich auf eine Anzahl dieser Entscheidungen ein. Er unterzieht diese Entscheidungen einer eingebenden Kritik und kommt zu dem Schluß, daß die Quellentheorie unhaltbar sei, nament⸗ lich sei die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts eine große Un— gerechtigkeit, die dahin gegangen sei, daß auch ein Arbeitslofer feuer- Pflichtig sei, weil er die Quelle des Einkommens, die Arbeitskraft, in sich habe. Der Redner streift bei der Erörterung der verschiedenen Ein—⸗ kommensmöglichkeiten auch die neue Novelle zum Einkommensteuer⸗ gesetz und wendet sich gegen dieselbe.
Präsident Dr. Graf von Schwerin teilt mit, daß im ganzen noch vierzehn Redner gemeldet sind, und daß er nach den getroffenen Vereinbarungen eventuell genötigt sein würde, für heute eine Abendsitzung anzuberaumen.
Finanzminister Dr. Lentze:
Meine Herren! Der Herr Abg. von Strombeck hat die unserem Einkommensteuergesetz zugrunde liegende Quellentheorte einer ein— gehenden Kritik unterzogen und ist dabei zu einer Verwerfung der Quellentheorie gelangt. Obschon er mehrmals erklärt hat, er wolle auf die dem Hause vorltegende Steuernovelle nicht näher eingehen, hat er trotzdem im Laufe seiner Ausführungen wiederholt darauf Bezug genommen; seine ganzen Darlegungen gipfelten eigentlich in einer Kritik der Grundlagen dieser neuen Steuernovelle. Die Fragen, die er behandelt hat, sind in der Kommission zur Beratung der Ein— kommensteuernovelle sehr eingehend erörtert worden, und dort ist auch das Für und Wider der Quellentheorie ausführlich besprochen worden.
Meine Herren, es ist ja durchaus zutreffend, daß das derzeitige Einkommensteuergesetz mit seiner Quellentheorie mancherlei Mängel, mancherlei Lücken aufweist, welche es ermöglichen, daß ein Zensit aus den Maschen der Steuerpflicht durchschlüpfen kann.
Aber, meine Herren, auf der anderen Seite würde die Ein⸗ führung der von dem Herrn Abg. von Strombeck befürworteten Art der Einschätzung dasselbe zur Folge haben; es würde eine ganze An⸗ zahl von Steuerpflichtigen mit ihrem Einkommen auch nicht voll herangezogen werden, wenn sie lediglich nach der Vergangenheit zu besteuern wären. Ich will ja in keiner Weise verkennen, daß die Veranlagung nach dem Einkommen des vergangenen Jahres ganz wesentliche Erleichterungen für die Behörden zur Folge haben würde. Die Behörden würden sehr viel bequemer und einfacher handeln können, wenn sie von jedem einzelnen Zensiten nur das Einkommen des vergangenen Jahres zur Steuer heranzögen. Aber, meine Herren, davon darf doch schlleßlich die Sache nicht abhängen. Die Staats regierung muß doch auch eine möglichst große steuerliche Gerechtigkeit herbeiführen und vor allen Dingen die Steuerfähigkeit des einzelnen Zensiten bei der Heranziehung zur Steuer nach Möglichkeit berücksichtigen, und da ist das Verfahren, das bis dahin in unserem Steuergesetz zugrunde gelegt ist, das entschieden bessere. Die Kommission hat sich auch davon überzeugt, und sich schließlich, wenn ich nicht irre, mit allen gegen eine Stimme dafür ausgesprochen, daß die bisherige Steuertheorie unserem neuen Steuergesetz weiter zugrunde zu legen sei.
Zur Ausfüllung der bisher hervorgetretenen Lücken hat die Kom— mission und auch die Staatzregterung mehrere Vorschläge in das Gesetz hineingebracht; es sind Vorschriften vorgesehen, die eine ganze Reihe von Fragen, die Herr Abg. von Strombeck hervorgehoben hat, für die Zukunft beseltigen. (Sehr richtig) Es ist dann auch in der Zukunft nicht mehr möglich, daß z. B. ein Gerichtsassessor für die Einnahmen aus seinem Kommissarium nicht mehr herangezogen werden kann, oder daß jemand, der ein Gutachten abgegeben und daraus hohe Einnahmen erzielt hat, dafür nicht steuerpflichtig ist usw. Kurz, derartige Fälle sind vorgesehen. Ebenso ist auch der Fall vor⸗ gesehen, den Herr Abg. von Strombeck erörtert hat, daß jemand zu ultimo März seine Papiere verkauft, den Erlös liegen läßt und infolgedessen nicht jur Steuer aus dem Erlsse der Papiere herangezogen werden kann. Es ist in der Steuernovelle ausdrücklich bestimmt, daß für derartige Kapitalien ein bestimmter Zinsfuß fiktiv zugrunde gelegt werden muß.
Aber, melne Herren, ich will auf alle diese Fragen nicht eingehen, denn sie werden doch bei der Beratung des neuen Steuergesetzes sehr eingehend erörtert werden müssen. Dat führt mich zu den Aus— führungen, die Herr Abg. Freiherr von Zedlitz gemacht hat.
Herr Abg. Freiberr von Zedlitz hat, wenn ich ihn recht ver— standen habe, angedeutet, daß eigentlich der Finanzminister die Schuld daran trüge, daß das neue Steuergesetz bis jetzt in diesem Hause noch icht zur Verabschiedung gelangt sei. (Widerspruch des Abg. Frei⸗ errn von Zedlitz) Meine Herren, ich möchte genau das Gegenteil behaupten. Das neue Steuergesetz befindet sich seit über einem Jahre in den Händen dieses hohen Hauses und es haben sehr ein— gehende und weltgehende Erörterungen über dieses Gesetz in der Kom- mission stattgefunden Die Herren Mitglieder der Kommission haben äußerst fleißig gearbeitet, aber ich habe trotzdem nicht das Gefühl dabei gehabt, daß den Herren an der endgültigen Verabschiedung des Steuergesetzes in ihrer Gesamthelt wesentlich gelegen wäre.
Meine Bitte, als das Haus in diesem Sommer vertagt wurbe, doch das Steuergesetz gerade so zu behandeln wie das Wassergesetz und auch das Steuergesetz während der Ferien zu beraten, traf auf taube Ohren. Es wurde erwidert, das Steuergesetz wäre so wichtig, daß die Herren erst während der Ferien mit ihren Wählern in Berührung treten müßten, um sich darüber zu informieren, was diese zu dem neuen Steuergesetz saaten. (Heiterkeit) Jedenfalls konnte die zweite Lesung des Steuergesetzeg erst nach dem Wiederzusammentritt des Landtags stattfinden.
Alle meine Versuche, die Erledigung des Steuergesetzes zu be⸗ schleunigen, sind fehlgeschlagen. Ich bin bei allen Kommissions⸗ sitzungen bis auf eine oder zwei immer zugegen gewesen und habe mich für das Zustandekommen des Gesetzes bemüht. Meine Herren ⸗ ich bin auch nicht derjenige, der das Steuergesetz auf die Tagesordnung zu setzen hat. Die Etatsberatungen drängen, und bis dabin hat es noch nicht auf der Tagesordnung gestanden. Mir persönlich und auch der Staatsregierung liegt außerordentlich viel daran, daß das Gesetz zur Verabschiedung gelangt; denn es hat doch sehr wesentliche Vor⸗ züge gegenüber dem bisherigen Gesetz, und vor allen Dingen ist es sehr viel gerechter aufgebaut und gibt den Veranlagungsbehörden sehr viel mehr Machtmistel, in die verwickelten Einkommensteuerverhältnisse einzudringen, wie das bisher der Fall gewesen ist, sodaß vom Stand⸗ punkt der Staatsregierung dieses Gesetz eine dringende Notwendig⸗ keit ist.
Nun ist leider in der zweiten Lesung — in der ersten Lesung ist es nicht der Fall gewesen; nebenbei bemerkt ist die Kommission in der zweiten Lesung fast vollständig neu besetzt gewesen — ein Schluß⸗ paragraph angenommen worden, der die frohe Hoffnung auf das Zu⸗— standekommen des Gesetzes ja wesentlich getrübt hat, nämlich der Paragraph, daß die Steuerzuschläge nach dem Ablaufe von drei Jahren erlöschen sollen. Alle meine Hinweise auf die Finanzlage des Staates erfuhren kein Gehör. Es wurde einfach präsumiert, das neue Steuer— gesetz wird dem Finanzminister so viele Mehreinnahmen bringen (sehr richtig), daß es absolut unnötig ist, die Steuerzuschläge auf⸗ rechtzuerhalten. Trotzdem ich, der ich ja wohl der beste Sach⸗ verständige dabei sein mußte, immer wieder betonte, daß das ein Irr⸗ tum sei und nicht zu beweisen wäre, ist über meine Behauptung zur Tagesordnung übergegangen und beschlossen worden, daß die Steuerzuschläge in Wegfall kommen sollen. Meine Herren, ich möchte doch behaupten — bei der Etatberatung ist das leider mehrmals zum Ausdruck gekommen —, daß die Ansicht, die Steuerzuschläge wären zu entbehren, durchaus unzutreffend ist. In der Kommission wurde mir gesagt: die Verbesserung des Steuer⸗ gesetzes ist so groß, daß ganz ohne Frage der Finanzminister mindestens so viel Mehreinnahmen erhält, wie die Steuerzuschläge betragen Meine Herren, ich habe demgegenüber erklären müssen, das wäre eine Behauptung, die bis dahin einen reellen Untergrund nicht hätte (sehr richtig), und daß eine Finanzverwaltung, welche für die Geschäfte des Staates verantwortlich wäre, unmöglich auf eine solche willkürliche Annahme ihre zukünftigen Berechnungen und Maßnahmen bauen könnte. Zu gleicher Zeit hatte die hohe Kommission aber dem Finanzminister noch 10 Millionen Ein— nahmen aus dem Steuergesetz herausgestrichen. Die von Herrn von Zedlitz vorhin erläuterten Erleichterungen der Abzugs⸗ fähigkeit der Realsteuern bei der Steuererklärung und außerdem die Erweiterung des Kinderprivilegs auf ein Kind bet einem Einkommen bis zu 1200 ½ haben tatsächlich einen Minderertrag von 19 Millionen im Gefolge. Die Staatsregierung soll also auf der einen Seite die vollen Zuschläge verlieren und auf der anderen Selte soll sie diese 10 Millionen auch noch einbüßen; die vollen Zu⸗ schläge machen momentan 63 Millionen Mark aus, und kommen die 10 Millionen noch dazu, dann sind es 73 Millionen, und da wird glatt angenommen, die Verbesserungen des Steuergesetzes werden nach Ablauf von 3 Jahren mindestens 73 Millionen Mehreinnahme ein— bringen, sodaß dadurch die Steuerzuschläge entbehrlich sind. Meine Herren, daß eine Finanzverwaltung darauf nicht eingehen kann, ist doch ganz selbstverständlich, und infolgedessen ist für mich das Steuer⸗ gesetz in die ser Form unannehmbar.
Meine Herren, ich habe mich aber bereit erklärt, um nicht als der gewinnsüchtige Finanzminister dazustehen, dem es nur darum zu tun ist, Geld einzuheimsen, aus dem neuen Steuergesetz, aus den Ver⸗ besserungen für die Finanzverwaltung überhaupt keinen Gewinn ziehen zu wollen und habe den Gedanken, der von dem Herrn Vorredner in der Kommission geltend gemacht war, aufgegriffen und erklärt, auf alles, was das neue Steuergesetz dem Staate an Mehreinkommen gegenüber dem bisherigen Gesetz bringt, will ich verzichten. Ich habe daher versucht, mich auf dem Wege zu verständigen, daß automatisch, sofern sich herausstellt, daß Mehreinnahmen entstehen, diese sofort an den Steuerzuschlägen in Abzug gebracht werden sollen. Also der Staat soll die Mehreinnahmen aus dem neuen Steuergesetz nicht erhalten. Ich glaube, meine Herren, das ist doch dann ein gutes und weitgehendes Entgegenkommen, das die Finanzverwaltung Ihnen bezeigt hat. Das Steuergesetz ist ja leider unter einem un— günstigen Stern eingebracht. Ich habe ja auch damals schon erklärt, daß der Zeitpunkt des Einbringens nach der Auffassung der Staats⸗ regierung sehr unglücklich wäre, weil das Verhältnis des Staates zum Reich in keiner Weise geklärt sei, und deshalb sind wir auch mit der ganzen Reform garnicht so recht vom Fleck gekommen.
Ich habe aber doch noch die lebhafte Hoffnung, meine Herren, daß Sie die Steuergesetze in dieser Session verabschieden werden, und möchte mich dem Appell des Freiherrn von Zedlitz anschließen und das hohe Haus bitten, an der Verabschtedung des Steuergesetzes mit⸗ zuarbeiten und vor allen Dingen auch die Frage mit in nähere Er— wägung zu ziehen, ob es für eine Finanzverwaltung tatsächlich möglich und zulässig sein kann, daß diese 73 Millionen an Einnahmen durch das Steuergesetz weggenommen werden, ohne daß sie weiß, womit sie diese Einnahmen ersetzen soll. (Bravo
Abg. Dr. Friedberg (nl.): Das einzig Neue, was der Abg. von Zedlitz gesagt hat, ist, daß er eine Majorität für die neue Ein— kommensteuernovelle als vorhanden annimmt. Wie sich die Frei⸗ sinnigen verhalten werden, werden wir vielleicht noch erfahren. Mit viel größerem Rechte könnte aber der Abg. von Zedlitz auf die Unter⸗ stützung der Sozialdemokraten hoffen. Der Minister hat gesagt, er könne unter keinen Umständen auf die Steuerzuschläge verzichten und halte es für ganz unmönlich, daß die 73 Millionen durch eine Steigerung der Ginkommensteuer gedeckt werden können. Daran haben wir gar nicht gedacht. Wir bringen diese, Steigerung auch nicht da⸗ mit in Zusammenhang, sondern die Steigerung der ganzen Finanz⸗ lage. Wir rechnen mit einer Steigenung des Ausgleichs fonde. In⸗ folgedessen werden in absehbarer Zeit die Steuerzuschläge überflüssig fein.
was in die Staatskasse
Der Abg. von Zedlitz hat mit Recht die Vorzüge der ne
novelle hervorgehoben und bedauert, wenn man hrer ban g Steuer Wir sind mit ibm der Ueberzeugung, daß eine gerechtere Veranlẽ ingen dringend notwendig ist, namentlich im Interesse der Gewerk ene e n
In der Handhabung der Veranlagung durch die Landräte ede große Reihe von Mißständen hervorgerr - ten. Die en n an t ö.
von einem technischen Finanzmann ausgeführt werden. Eg sollen d Volke 80 Millionen neuer Steuern auferlegt werden, ohne daß 4 zwingender Grund dafür. vorhanden ist. Außerdem droht im Rei ; eine Helastung durch die Besitzsteuer. Deshalb darf man in de Einzelstaaten nicht weiter gehen, als es unbedingt erford n lich ist. In Preußen sind jedenfalls 60 Millionen! . schläge in keiner Weise erforderlich. Die Eisenbahnen bringen ja so große Einnahmen, daß man auf Zuschläge verzichten kann. Am 13. Januar hat sich der Abg. von Zrdlitz dafür erklärt, daß die Steuer. zuschläge beweglich gemacht würden, also für eine Quotisierung der Zu⸗ schläge. Er sagt, die Zuschläge würden ja doch beste hen bleiben. Es vn wohl jetzt die richtige Gelegenheit, einen Druck auf die Regierum auszuüben, daß sie nicht bestehen bleiben. Es liegt im Interesse der Bevölkerung, die Steuern nur so weit zu zahlen, al es dem Staatz, bedarf entspricht.
Finanzminister Dr. Lentze:
Meine Herren! Der Herr Abg. Or. Friedberg hat die Augz⸗ führungen, die ich vorhin gemacht habe, nach der Richtung zu ber bessern gesucht, daß er gesagt hat, es würden dem Staat ja gar nit die 3. Millianen fehlen, da der Staat diese 73 Millionen trohnen besäße; die ganze Finanzlage wäre so, daß die Einnahme von 3 Millionen aus den Steuerzuschlägen für den Staat nicht mehr not, wendig wäre. Ich war neugierig darauf, wie der Herr Abg. Dr. Friedberg diese Behauptung begründen würde. Bei der ersten desung des Etats hat er eine andere Begründung gewählt als jetzt bei der zweiten. Bei der ersten Lesung hat er sich darauf berufen, daß die Rechnungsabschlüsse bereits erwiesen hätten, daß unsere Voranschlige zu niedrig wären, und daß wir mit einer Mehreinnahme zu rechnen hättten, sodaß wir uns auf mindestens 38 Millionen, wenn (ch mich recht entsinne, Mehreinnahmen einrichten könnten. Diesmal hat der Herr Abg. Dr. Friedberg hiervon nichts gesagt, sondem auf die Eisenbahneinnahmen verwiesen und ausgeführt, der Auß, gleichsfonds ist jetzt aufgefüllt oder wird doch im nächsten Jahre voll, ständig aufgefüllt sein, und es ist nicht mehr nötig, diese Beträge dem Ausgleichsfonds zuzuführen. Meine Herren, diese Art der Finanzierung des Staatsbedarfs würde eine ganz bedeutende Gefahr in sich bergen. Wenn wir die Mittel, welche für die Auffüllung des Ausgleichsfonds vorgesehen sind, in Zukunft für Staatszwecke mitverwenden wollten, dann wäre der Etat auf Sand gebaut; es würden dann die Betrage, welche für den Ausgleichs fonds überflüssig würden, zu dauernden Ant gaben verwendet werden, während der Ausgleichsfonds seiner S stimmung gemäß ganz unabwendbar nach einiger Zeit wieder entlent werden wird und dann wieder aufgefüllt werden muß. Wo sollten denn die Mittel herkommen, um den Ausgleichsfonds, sobald er einmal geleert ist, wieder aufzufüllen (Zuruf bei den Nationalliberalen), wenn wir die Beträge, die wir bisher an den Ausgleichsfonds abführten, zu dauernden Ausgaben verwenden wollten! Ich mochte den Herrn Abg. Dr. Friedberg bitten, mir dieses Exempel einmal vorzumachen. Da dies unmöglich ist und deshalb mit Hilfe der bisher für den Aus— gleichsfonds bestimmten Mittel die 73 Millionen nicht ergänzt werden können, fällt die ganze Behauptung des Herrn Abg. Dr. Friedberg zusammen, daß die Eisenbahneinnahmen die nötigen Mittel dazu bieten könnten.
Es wäre nur ein einziger anderer Ausweg möglich, nämlich der, daß man die 210 0½ Grenze, die wir bis dahin für die Ueberweisung der Eisenbahnüberschüsse an den Staat haben, in die Höhe setzt. Ob das möglich sein wird — ich habe es bisher in keiner Weise in Abrede gestellt — wird sich erst überblicken lassen, wenn wir einen gräßeren Zeitraum hinter uns haben. Einen fünfjährigen Zeitraum muß man doch für eine so sehr weittragende Maßnahme mindestens hinter sich haben, um übersehen zu können, ob die Eisenbahneinnahmen es ver⸗ tragen, daß wir einen höheren Betrag davon an den Staat abführen. Aber daß die für den Ausgleichsfords bestimmten Beträge zu einem Ersatz der Steuerzuschläge verwendet werden, das ist unmöglich. Das sind einmalige Einnahmen, während die Einnahmen, die wir für Staatszwecke haben müssen, dauernd sein müssen Diese können also nicht auf einmalige Einnahmen gestützt werden; das ist unmöglich.
Ich habe ja vorhin aus dem Beifall, den die Behauptung des Herrn Abg. Dr. Friedberg gefunden hat, daß die Steuerzuschlage entbehrlich seien, die Freude aller der Herren, die Beifall spendeten, herausgehört, und auch ihren Wunsch, daß sie die Steuerzuschläge gern in Zukunft nicht mehr entrichten möchten. Ich persönlich wäre auch dafür, daß die Steuerzuschläge in Wegfall kommen könnten, ich würde sie auch lieber nicht bezahlen; aber, meine Herren, gegenüber dem Staatsbedürfnis ist es unmöglich, darauf zu verzichten.
In der ersten Lesung habe ich schon darauf hingewiesen: die Ab rundung des Etats macht es allein noch nicht. Wir haben be unserem Etat zum erstenmal das Gleichgewicht zwischen Ausgabe und Einnahme herbeigeführt und haben das, was wir uns als Ziel gesz haben, desgleichen erreicht, daß wir gegen die unabwendbaren Schwan— kungen im Eisenbahnhaushalt einen Sicherheitsfonds haben. Ctwaz Weiteres haben wir noch nicht erreicht; trotzdem wird mir entgehen gehalten: jetzt schwimmen wir so im Geld, daß wir von unseren bisherigen Einnahmen einen großen Teil wegnehmen können; die können wir wegfallen lassen, die Steuerzuschläge können wir unter den Tist fallen lassen. Das ist aber unmöglich; denn wir haben doch für die Zukunft noch mit weiteren Ausgaben zu rechnen als mit denen, die wir momentan in dem Etat haben. Meine Herren, ich habe no keiner Sitzung hier im Abgeordnetenhause beigewohnt, ohne daß gam wesentliche Anforderungen an die Staatsregierung gestellt worden wären (sehr richtig! bei den Freikonservativen); und ich habe uich kaum aus irgend einer Rede etwas anderes entnommen, sobald es ih um fiskalische Interessen handelte, als daß dann gesagt worden ist: ja, fiskalische Interessen können wir natürlich dabei nicht berick— sichtigen; wir müssen die anderen Interessen vorgehen lassen. Ia meine Herren, was hat das zur Folge? Sobald Sie die sibkalischen Interessen hintenansetzen, muß der Staat sein Portemonnaie weiter aufmachen und für die Differenz aufkommen. Denn pre einer Stelle aus muß es doch bezahlt werden. Alt hineinfließt, wird nur zu Ke meinnützigen Zwecken verwendet; und wenn Ste die Zwech die der Staat nun noch dazu erfüllen soll, immer mehr erweitern 9 trotzdem dem Staat die Einnahmen beschnelden, dann ist es für . Staat unmöglich, dem allem nachzukommen, dann müssen die bor handenen Steuermittel ihm erhalten werden.
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
zum Denutschen Neichsanzeiger und Kön:
Zweite Beilage
Berlin, Sonnabend, den 15. Fehruar
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Schluß aus der Ersten Beilage.)
Also, meine Herren, ist gar kein Gedanke daran — das muß ich hier positiv erklären — daß wir nach Lage der jetzigen Verhältnisse auf die Steuerzuschläge verzichten können, und es ist seitens der Finanzverwaltung nicht Eigensinn, weil sie auf dem Gelde sitzen will, daß sie sich dem entgegenstemmt, fondern das Bewußtsein, daß sie ohne diese Erträgnisse nicht wirtschaften kann. (Beifall rechts.)
Abg. Dr. Pachnicke (fortschr. Volksp.: Widerlegt hat der Minister den Abg. Friedberg nicht. Wir werden in 1513 im Aug— gleichsfonds 372 Millionen haben, und das sind nicht einmalige Ein—⸗ nahmen. Es kommen dazu Mehrbeträge durch die verschärfte Ein— schitzung. Wir brauchen eben eine Quotisierung, um die Steuern abstufen zu können. Wenn wirklich einmal in den nächsten Jahren ein Ausfall entstehen sollte, so kann der Minister das Vertranen zu dem Abgeordnetenhause haben, daß es die Deckung bewilligen wird. Wenn wir die Quotisierung haben, läßt sich das leicht machen, und wir rechnen gegenwärtig mit der Fortdauer der Konjunktur, und ein Abflauen wird jedenfalls nicht fo plötzlich eintreten, daß es ge⸗ fährlich werden könnte. Ein so unmittelbarer Zusammen hang zwischen den steigenden Einkommen und der Wirtschaftspolitik, die Herr von Zedlitz meint, besteht nicht; das beweist England, das eine ganz entgegengesetzie Wirtschaftspolitik und auch steigendes Einkommen Pat' Wir rechnen mit einer Sleigerung der Einkommensteuer von 4 C jährlich, und diese Zahl ist nicht nach irgendwelchen Monatz— ergebnissen, sondern nach der ganzen wirtschaftlichen Bewegung festgestellt. Auch die Eisenbahnverwaltung rechnet mit einer jaͤhrlichen Steigerung ihrer Einnahmen um 3 υ, und zwar auch nicht nach den Ergebnissen der letzten Monate, sondern unter Berückfichtigung aller Verhãltnisse. Es wäre gut, wenn uns der Etat einen Monat früher vorgelegt würde. Das Finanzministerium fagt, das sei nicht möglich, wie im Reich, weil Preußen so große Betriebsverwaltungen habe, die nicht früher abschließen könnten. Hat aber nicht das Reich auch große Betriebt⸗ verwaltungen? Im Reich ist es möglich, den Grat früher vorzulegen. Gegenwärtig legen die einzelnen Ressoris am J. September dem Finanz⸗ ministerium ihre Forderungen vor, wir wünschen, daß es schon am J. August geschteht; dann kann die Feststellung des Etats um einen Monat vor⸗ geschoben werden. Das ist nicht der Wunsch einer Partei, sondern das ganze Daus hat die Regierung schon darum erfucht. Wenn wir im Dezember schon die erste Lesung des Etats erledigen, können wir gleich nach Neujahr mit der zweiten Lesung beginnen und dann können wir in größerer Ruhe und Gründlichkeit beraten. Die Finanjverwaltung wird sich dazu entschli ßen müssen. Das ist auch der Wunsch des Herren hauses. Der Generalberichterstatter für den Etat hat dort denselben Wunsch ausgesprochen, daß die Forderungen der Ressorts schon im August angemeldet werden. Der Generalberichterstatter im Herrenhause ist ausdrücklich von der Finanzkommission aufgefordert worden, diesen Wunsch der Regierung vorzutragen. Meine Freunde haben in der Kommission an der Steuernobelle redlich mitgearbettet und sind bereit, weiter daran mitzuarbeiten und Alle Eileichte⸗ Inngen und Vorzüge des Gesetzes im Interesse der Steuerzahler zu sichein, aber der Abg von Zedlitz siehl in dem Gesetzentwurf nur Ächtseiten, er weist aber nicht auf die Schattenseiten hin. Es fehlt in dem Gejetz die Quotisierung, deren Wert ich dargelegt habe, und dann sind es die Zuschläge, die abgebaut werden müssen und 1916 ganz in Wegfall kommen ollen. Wenn der Abg von Zedlitz meint, in diesen Worten und unserer Haltung einen ,, finden zu können, so geht er fehl. Warum kanm denn die Regierung nicht nachgeben? Wir ändern unsern Standpunkt nicht in vier Wochen, das können Sie uns nicht zumuten, daß diese Beweglich⸗ keit mit dem Abg. von Zedlitz möglich sei. Aber wir halten an unserem Standpunkt fest, daß die Steuerzuschläge nicht aufrecht er— halten werden können in einer Zeit, wo wir fort. zesetzt steigende Ein⸗ nahmen haben. Das verstehen die Steuerzahler nicht, das können wir ihnen nicht zumuten. Warum richtet der Abg. von Zedlitz seine Mahnung nicht nach der rechten Seite? Die Kommissionsbeschlüsse, für den allmahlichen Abbau der Zuschläge sind mit großer Mehrheit gefaßt worden, die bis in die Reihen der Konservativen hinein— ging. Die Steuer⸗ und Wirtschaftsreformer haben vor einem Jahre diesen Gegenstand behandelt, und da hat Graf Mirbach diese Novelle überaus murrend kritisiert und eine Resolation vorgeschlagen, die nicht die Annahme dieses Gesetzes befürwortete, sondern das Gegen⸗ teil. Auch Graf Kanitz sagte vor einain Jahre, daß er schwere Bedenken gegen die dauernde Last der Steuerzuschläge habe, und daß das finanzielle Bedürfnis des Stact's nicht so groß sei, daß es vielmehr durch die steigenden Eisenbahneinnahmen“ erh blich derrtngert, werde, und er warnte vor einem Staatssozialismus Der Minister meint, daß es den Parteien nicht wesentlich daran läge, daß das Gesetz zuftande kommt. Nach solchen Aeußerungen muß er allerdings diesen Cindruck baben. Aus der Verbesserung der Veranlagung werden auch höhere Erträge erzielt werden. Aber diese Aendernng ist nicht mehr eine Verbesserung der Ver— anlagung, sondern zum Teil eine Verschärfung. Der Landrat bleibt Vorsitzender der Veranlagungskommission. Allerdings fordert dieser Etat einige wenige Slellen für besondere Vorsitzende der Ver⸗ anlagungskommission, aber nur für den Westen, für die
ndustrie. Im übrigen sollen die Regierungsassessoren bei der Ver⸗ anlagung den Landraͤten helfen, diese verlassen aber ihre Stellen ei den Landratsämtern nach wenigen Jahren, wenn sie sich erst ein—⸗ gearbeitet haben. Wir verlangen für den Ssten dasselbe ile für den Westen, daß die Steuerveranlagung von den Landratsämtern los⸗ . werde. Es heißt, der Landrat kenne am besten die wirtschaft⸗ lichen, Verhältniffe feines Kreifeg, aber er wird am besten mit' ben Verhältnisfen seines Kreises in Fühlung bleiben, wenn er mehr don dem Bureaudienst befreit wird. Der konservative Redner hat n der Landratsdebatte vor einiger Zeit gesagt, daß die gonserbativen die Stellung des Landrats stärken wollten. Wir meinen, er habe bereits zu biel Macht. Man sprach davon, daß in der Brust des Landrats drei Seelen wohnen müßten, die vierte Seele kat man vergessen, das ist die, die die guten Wablen machen soll. Diese Fülle der Geschäfte verhindert den Landrat, sich um die Dinge killen zu kümmern, die seine Aufgabe sein sollten. Der Landrat at nicht allein mit der Veranlagung zu tun, sondern auch mit den erichtigungen und Beanstandungen, und die sind auf dem Lande sehr jahblreich, viel zahlreicher als in den Städten. Wir sind sogar land⸗ Atsfreundlich, wenn wir den Landrat Von dieser Last befreien wollen. ine Beanstandung der Steuererklärung eines Standesgenossen durch den Landrat wirkt immer verletzend. Wir wünschen eine richtige Er— assung aller Einkommen. Die Einschätzung des Einkommens der ge— werblichen Betriebe, die auf der doppelten Buchführung beruht, kann der . nicht machen, dazu gehören technische Kenntnssse, und es handelt nicht nur um die zunehmenden gewerhlichen Betriebe auf dem ande, sondern auch der Großbetrieb der Landwirtschaft wird immer mehr fabrikmmäßig., Nur von besonderen Bureaus können alle diese nge bearbelke? werden. Wenn! man Mein daß die besonderen er linden der Veranlagungs kom mission nicht genü end beschäftigt ö. würden, so braucht man nur die 400 Krelss in 200 zufammen— ö n, dann sind sie genügend beschäftigt. Die Kosten der Vor⸗ henden würden durch die Verbesserung der Veranlagung heraus⸗ . * noch etwas mehr. Professor Wagner fagt in der neuen
einer „Finanzwiffenschaͤft“, daß die Landräle und Bürger⸗
meister nicht nur nicht die genügenden Kenntnisse, sondern auch, nicht die genüge de Zeit fur die Veranlagung haben. Hoffentlich erfüllt der Finanzminister unseren Wunsch, wir werden jeden falls diese Forderung siellen, bis sie erfüsst ist. Die Vorteile der Steuernovelle erkennen wir gern an, und wir wollen sie sichern. Es liegt nicht an uns, fondern an der Regierung. Warten wir ab, wie die Herren sich entscheiden werden. Uns bestimmen nicht agita⸗ torische, sondern sachliche Rücksichten. Es ist Sache der Regierung, von dem Volke die Lasten fernzuhalten, die es nicht zu tragen braucht.
Abg. Freiherr von Richthofe n-Mertschütz (kons.): Wir haben gegen die zehn neuen Stellen für Vorsitzende der Veranlagungs⸗ kommissionen nichts einzuwenden und bewilligen sie. Es ist aller⸗ dings in unserer Fraktion das Bedenken erhoben worden, daß man diese Einrichtung in industriellen Bezirken dazu benutzen könnte, auch Teile von Landkreisen diesen Veranlagungsbezirken anzugliedern, wo ein Bedürfnis dafür nicht vorliegt. Ich hoffe, daß eine solche Annahme unbegründet sein wird. Aber bezüglich der industrtellen Bezirke, wo die Verhältnisse kompliziert sind, haben meine Freunde sich in der Kommission überzeugt, daß gegen diese Vorschläge des Etats Einwendungen nicht zu machen sind. Von den Kreisrentmeistern sind uns Petitionen zugegangen bezüglich des Wohnungsgeldzuschusses und der Wohnungsverhältniffe; die Rent⸗ meister haben darin Gesichtspunkte geltend gemacht, die eine wohl- wollende Prüfung erforderlich machen. 967 in Petitionen von Katasterzeichnern ist viel Begründetes angeführt, aber ein Haupt⸗ beschwerdepunkt die ser Petitionen ist dadurch beseitigt, daß in diesem Etat dreißig neue Stellen für Katasterzeichner vorgesehen sind, und die Regierung hat eine weitere Vermehrung zugesagt. Die Befürchtung, daß die Katasterzeichner ausgeschaltet werden sollen, trifft also nicht zu. Wenn ich nun auch meinerseits nameng meiner Freunde auf das Ein—⸗ kommensteuergesetz zu sprechen komme, so habe ich nicht die Atsicht, auf alle Einzelheiten einzugehen. Ich verweise auf die eingehende Erörteyung in der Kommission, wo Auch die hier erwähnten Bedenken besprochen worden sind. An die Spitze meiner Ausführungen über diese Frage möchte ich die Anerkennung setzen, daß man dem Finanz— minister keinerlei Vorwurf machen kann. Er har in allen Stadien die Eiklärung abgegeben, daß er die Zuschläge nicht entbehren will. Man kann von der Regierung nicht verlangen, daß sie ihren Stand punkt ändert und unseren Standpunkt einnimmt. Wir beanspruchen auch, nach unserer Ueberzeugung zu dem Gesetz Stellung zu nehmen, und müssen dies deshalb auch der Regierung über⸗ lassen. Auch den Vorwurf, der meinen Freunden in der Presse gemacht worden ist, als ob die Konservativen etwa den Wunjsch hätten, daß das Gesetz nicht zustande kommen sollte, muß ich zurückwelsen. Die Urheber eines solchen Vorwurfs sind keineswegs ortentiert über die Stellungnahme meiner Freunde und über deren Arbeit in der Kommission Aus etwaigen Aeußerungen, die einzelne meiner Freunde außerhalb des Hauses gemacht haben, kann nicht auf die Stellung meiner Fraktion geschlossen werden. Sie werden mir zugeben müssen, daß wir alle fleißig in der Kommission gearbeitet haben, um etwas Gates zustande zu bringen. Wir haben versucht, ein brauchbares Gesetz zustande zu bringen, wir haben auch keines⸗ wegs der Verhandlung während der Sommermonate widersprochen. Allerdings besteht ein gewisser Unterschied jwischen der Materie des Wassergesetzes und der Materie des Einkommen steuergesetzeg. Das Wassergescß verlangte ein Spezialstudium einzelner Abgeordneter, die mit den schwierigen Fragen dieses Gesetzes besonders vertraut sind. Mit dem Einkommensteuergesetz verhaͤlt es sich dagegen anders. Es waren Mitglieder unserer Fraktion ohne Spezialnudium mit den Verhältnissen des Einkommenstenergese tzes vollauf vertraut, da solche Mitglieder zum Teil einer Einschatzungskommission angehörten. Wir hatten den Wunsch, daß die Kommission nicht einseitig
Beschlüsse fassen sollte, ohne mit der anwesenden Fraktion Fühlung zu haben. Nachdem das Haus im Heibst zusammenge:reten ist, haben wir alles getan, um die Verhandlung zu einem schnellen Ab schluß zu bringen. Der Atg. Fiiedberg hat ja auch betont, daß die Arbeiten der Kommission seit Wochen abgeschlossen sind, und daß dies also nicht der Grund ist, wenn das Gesetz in dieser Tagung nicht zur Verabschiedung kommt. Wir haben die Tendenz der Re— girrung durchaus gebilligt, welche die Bestimmungen des Gesetzes fo sfassen will, daß das Ziel, durchweg eine gleichmäßige und gerechte Durchführung der Einkommen, und Ergänzungssteuer herbeizuführen, gefördert werden soll. Wir sind dabei der Ansicht gewesen, daß zur Erreichung dieses Zieles nicht eine neue Organisation der Steuer— behörden notwendig ist. Ich glaube nicht, daß es polisische Gründe sind, die den Abg. Pachnicke zu semner Stellungnahme g gen die Vor— sitzenden der Einschätzungskommission veranlaßt haben. Der Abg. Pachnicke hat selbst betont, die Vorsitzenden dieser Kommission müssen Beamte sein, die mit Land und Leuten wirklich bekannt sind. Sind denn die von dem Abg. Pachnicke gewünschten Regierungsassessoren und inneren Verwaltungsbeamten ohne weiteres den Landräten vorzuziehen? Sind die Landräte nicht mindestens ebenfo gut mit Land und Leuten bekannt? Glaubt der Abg. Pachnicke, daß ein erfahrener Verwaltangsbeamter, der von dem Kreis tag präsentiert und von der Regierung zum Landrat ernannt wird, weniger orientiert ist über die wirtschaftlichen Verbältnisse als ein bisher vi lleicht nur in der Stadt tätig gewesener B amter? Meine Freunde sind der Ansicht, daß der Landrat, von einigen be— dauerlichen Ausnahmen abgesehen, in der Lage ist, die Verhãͤltnisse ebenso gerecht zu beurteilen wie der Bürgermeister. Sis verlangen auch nicht vom Regierungspräsidenten oder Oberbürgermeister, daß er alle Details selbst macht. Ec muß nur der spiritus rector sein und im übrigen ein geschultes Material jüngerer Beamten haben, dann wird er seine Aufgabe erfüllen können. In meiner früheren Tätigkeit als Landrat habe ich mich sehr gut über die wirtschaftlichen Verhält⸗ nisse orientieren können. Gewissenhafte Beamte tun das eben. Wenn die Revision ergibt, daß ein Landrat seine Schuldigkeit nicht tut, dann muß die Regierung einen anderen Landrat an seine Stelle setzen. Auch der Ein⸗ wand, daß die Landräte deshalb nicht zum Vorsitzenden der Einschätzungs⸗ kommission geeignet seien, weil sie mit vielen Kreisen der Zensiten in gesellschaftlickem Verkehr stehen, ist nichtig. Wir können bon dem Landrat ebenso viel Objektivität erwarten, als von einem Beamten, der als Veranlagungskommissar auf das Land geschickt wird. Die Regierung ernennt in der Regel nur solche Leute zu Land- räten, von deren Tüchtigkeit sie überzeugt ist. Es sind also viele Gründe, die dafür sprechen, daß wir den Landrat als Voisitzenden der Steuerkommission beibehalten müssen. Meine Freunze sind der Ansicht, daß, wenn das Gesetz in der von der Kommission beschlossenen Fassung perfekt werden sollte, eine nicht unerhebliche Vermehrung der Einnahmen die Folge sein würde. Das Gesetz soll aber doch deshalb eingebracht werden, um die Einnahmen, die durch das Gesetz wegfallen, zu ergänzen, deshalb heißt doch das. Gesetz auch Ergänzungesteuergefetz. Da wir glauben, daß durch Las Gesetz erhebliche Mehreinnahmen erzielt werden, haben wir den Gedanken in der Kommission bekämpft, daß durch das neue Gesetz Steuern auf Vorrat geschaffen werden. Da wir der Ansicht sind, daß die etwaigen Mehreinnahmen nicht im Interesse des Staates, sondern im Interesse der Zensiten verlangt werden sollen, sind wir auf den Gedanken gekommen, ob daz durch das neue Gesetz erzielte Mehr nicht den Zensiten durch Abbau der Zuschläge zu gute gebracht werden kann? Wir können natürlich dem Staatshauzhalt keine Einnahme wegnehmen, wenn wir nicht klar sehen, daß Ersatz geschaffen wird. Wir
glich Preußischen Staatsanzeiger.
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können deshalb dem Antrag der fortschrittlichen Volkspartei nicht zustimmen. Der großen Mehrheit meiner Freunde ging auch der Antrag der Natignalliberalen zu weit, daß gewissermaßen die Zuschläge in drei Naten wegfallen sollen. Meine Freunde sind durch die Ausführungen des Finanzministers und des Kommissars der öffentlichen Arbeiten in der Kommission der Ueberzeugung gewesen, daß man aus den sich rapide steigernden Eisenbahneinnahmen keines⸗ wegs folgern darf, daß der Betriebskoeffizient infolgedessen dauernd derselbe bleiben wird wie jetzt. In der Kommission ist eine graphische Darstellung des Eisenbahnministers vorgelegt worden, aus der hervor⸗ geht, daß eine rapide Verkehrs- und Einnahmesteigerung auch natur⸗ gemäß eine Erhöhung der Ausgaben zur Folge hat. Deshalb muß ich dem Finanzminister zustimmen. Dem Vorschlag, daß das Plus aus der Novelle zur Bejeitigung der Kommunalsteuern verwendet werden sollte, kann ich nicht zusimmen. Wir bestreiten nicht, daß die Ueberbü dung mit Kommunaksteuern beseitigt werden muß, aber das kann nicht durch das Einkommensteuergesetz geschehen, sondern durch eine entsprechende Aenderung, des Kommunalst uergesetzes. Wir geben zu, daß es nicht angängig ist, lediglich ein Plus aus den Steuereinnahmen zur Entlastung für die Zensiten zu verwenden. Wir werden für die zweite Lesung des ,, einen dahin⸗ gehenden Antrag stellen. Wir haben jedenfalls alles getan, um das Gesetz zustande zu bringen. Aber wenn auf diesem Wege eine Einigung nicht zu erzielen ist, dann ist doch nicht zu erwarten, daß wir bei der jttzigen Lage der Geschäfte uns ohne weiteres damit ein⸗ verstanden erklären, daß wir hier vier oder fünf Tage im Plenum debattieren, ohne Ausficht auf ein Zustandekommen des Gesetzes. Zunächst muß doch erst der Etat erledigt werden. Die schwer⸗ wiegenden Fragen, die bei der zweiten Lesung des Einkommensteuer⸗ gesetzes im Plenum wieder aufgerührt werden, müssen auch noch im Verrenhause erledigt werden. Es ist nicht ohne weiteres anzunehmen, daß das Herrenhaus, wo doch eine große Anzahl sehr gut drientierter Perren sitzt, keine Aenderung! vornimmt. Zudem ist uns mitgeteilt, daß im Mai das Abgeordnetenhaus seine Pforten schließen soll. Es ist also zweifelhaft, ob die Arbeiten der Kommission noch zu einem Ergebnis führen werden. Meine Freunde scheuen keineswegs eine weitere Verhandlung im Plenum. Wenn das Gesetz nicht perfekt wird, dann möge wenigstengs' die fleißige Arbeit, die in der Vorlage der Regierung und in den Verhandlungen der Kommission zu finden ist, einen dauernden Nutzen zeitigen.
Abg. Ströbel (Soz): Wag der arbeitenden Bevölkerung durch Erhöhung des Einkommens gegeben worden ist, wird ihr durch die hohen indirekten Steuern wieder abgenommen. Daß die Besteuerung der Konsumvereine ein Vorzug des neuen Gesetzs ist, wie Abg. von Zedlitz sagt, kann ich nicht anerkennen. Die Konfumwpereine sind doch gerade dazu geschaffen, durch Ausschaltung des Zwischen handels der arbeitenden Bevölkerung einen kleinen Vortell einzutragen. Davon kann doch keine Rede sein, daß durch das neue Gesetz wirklich eine schärfere Heranziehung der besitzenden Klassen stattfinden wird, und daß damit gewissermaßen eine Ehrenpflicht, wie sich Abg von Zedli ausdrückte, den Arbeitern gegenuber eingelöst fei. Der Landrat . unter allen Umständen aus der Steuer beranlagungskommission aus⸗ scheiden. Solange daß nicht geschieht, haben wir keine Garantie, daß der Besitz genügend herangezogen wird Gerade bei dem landwirt. schaftlichen Grundbesitz ist eine Steuerhinterziehung leicht möglich. Bei Anrechnung des Hausbedarfs, der doch auch zum Einkommen ge⸗ rechnet werden muß, werden vielfach Fehler zuungunsten des St uer⸗ fiskus begangen. Dacsselbe trifft auch bei der Industrie, bei dem mobilen und Börsenkapital zu. Ach ist es außerordentlich schwierig, festzustellen, ob der Besitz, der in Papieren festgelegt ist, richtig ver⸗ steuert wird. Angesichts dieser Tatsachen wäre es notwendig, daß jedes Ausnahmerecht gegen die besitzlosen Kreise beseitigt wird. Auch der Denunziationszwang für die Arb itgeber bei der Ein⸗ schätzung ihrer Arbeiter muß aufgehoben werden. Das Zentrum hat gegenüber dem neuen Steuergesetz keine klare Stellung eingenommen. Wie sollen im Reiche die 125 Millionen aufgebracht werden, die die Militärvorlage kostet? Das Jent um will darüber seine Karten noch nicht aufdecken. Herr von Heydebrand will im Reich keine Besitzsteuer, weil sie in dem von den Sozialdemokraten beeinflußten Reichstag zu einer ‚Vermögenskonfiskation“ gemacht werden könnte. Meinen die Herren wiklsch, daß die Freisinnigen bis zur Ver— mögenskonfis kation gehen würden? Die Konserbativen wollen hier in Preußen die Besitzsteuer machen, um nicht selbst zahlen zu müssen. Herr Friedbeig will dem Volke die Last der 9ö NVeillionen nicht auferlegen, aber diese go Millionen sind doch das, was aus den Taschen der Steuerdefraudanten genommen werden soll. Aus der Einkommensteuerstatistit wird man wieder folgern, daß die Ver⸗ Lendungethorte der Sozialdemokratie in die Brüche gegangen sei. Die Sozialdemokratie hat aber niemals die absolute Verelendungs⸗ theorie vertreten, daß die Lage der arbeitenden Klasse sich absolut ver⸗ schlechtere, sondern nur die relatioe Verelendungstheorie, daß die Lage der besitzenden Klasse sich schneller verbessere, als die Lage der breiten Masse. Bet der Betrachtung der Steuerstatisti muß man die gesunkene Kaufkraft des Geldes berücksichtigen, ein Einkommen von 1200 „S ist heute nur so viel wert wie ein Einkommen von go0 A6 vor 15 Jahren. Das Zentrum ist gegen die Steigerung der Progression bis zu 50; staatssoztalistisch soll es sein, wenn die Herren mit einem Einkommen von 100000 og davon als Steuern zahlen müssen. Die Steuerzuschläge sollte man bei den hohen Einkommen ruhig be⸗ stehen lassen, aber bis zu dem Einkommen von etwa 7000 ƽ mußten sie entschieden beseitigt werden. Gerade in den höheren Stufen wird das wirkliche Einkommen nicht richtig von der Steuer erfaßt. Die hohen Vermögen nehmen schnell zu, es ist aber nicht nötig, daß auf Kosten der großen Masse Millionäre gezüchtet werden. Der Abg. von Dewitz hat einmal zugegeben, daß das Vermögen der Besitzenden sich viel mehr vermehrt als das Vermögen der Besitzlosen. Die Erwerbstätigen müssen durchschnittlich jährlich 100 M mehr erar— beiten, nur um die 6000 Reichsten in den Stand zu setzen, ihre Vermögen zu akkumulieren. Die Grenze der Steuerfreiheit von 900 „6 müßte auf 1500 6 heraufgesetzt werden. Wir müssen immer⸗ fort die volksfeindliche Steuerpolitik dieses Hauses brandmarken. Im Jahre 1883 hat sogar die Regierung die steuerfreie Grenze bei 1200 ziehen wollen. Wir verlangen eine Steuerpolitik, die den Interessen der breiten Massen und des Mittelstands gerecht wird. Sie j tz ige Steuerpolitik ist nur möglich in einem Hause, das seine beschämende Existenz dem elendesten aller Wahlsysteme verdankt.
Vizepräsident Dr. Porsch: Das ist eine Beschimpfung des Hauses. Ich rufe Sie zur Ordnung.
Abg. Her old (Zentr.) : Wir haben eine Steuerdebatte nicht erwartet, müssen aber nun unfere Stellung darlegen. Die Be chlüsse der Kommission enthalten gemiß Verbesserungen; das Kinderpriwileg ist ver⸗ vollkommnet, wenn auch noch nicht ganz fo, wie es un eren Wünschen ent. spricht. Das Kinderprivil g ist gerade auf unsere Initiative zurückzuführen. Eine wettere Verbesserung ist die Abzugsfähigkeit der kommunalen Realsteuern. Der Schwerpunkt in der Frage der Steuerzuschläge liegt in der Gestaltung der gesamten Rinanzderhältnisse. Wenn heute eine Vorlage gemacht würde, um diese Zuschläge neu einzuführen, so würde sie keine Majorttät im er finden. Wegen geringer Mehreinnahmen aber, etzt die Steuerzuschläge zu beseitigen, waͤre nicht vorsichtig. Die Verbesserung nach der einen Seite und die Aufhebung der . müssen zugleich erfolgen. Jeßt noch das Gesetz zu verabschteden ist nicht angängig, denn wegen der Militärvorlage muß das Reich neue Steuern machen, und es muß abgewartet werden, welche Rück