noch nicht von Ihnen gefaßt worden sar. Es ligt nur cine Resolution vor, in der Sle den Herrn Reichskanzler ersucht haben, diejenigen Oberpostassistenten, die vor 1900 in den Dienst getreten sind, und die drei Jahre das Höchstgehalt bezogen haben, eine Zulage von 300 M zu gewähren. Ich habe damals bereits in der Kommission gesagt, wenn diese Resolution gefaßt würde, so wäre das eine Ungerechtigkeit gegen diejenigen Assistenten, die nach 1900 eingetreten sind, namentlich gegenüber den Militäranwärtern, die eine schärfere Sekrelärprüfung ablegen müssen, wie diejenigen, die vor 1900 eingetreten sind. Der Resolution konnte also, weil sie den Ver⸗ hältnissen nicht Rechnung trägt, auch nicht entsprochen werden. Aber eine Resolution, die Ihren heutigen Wünschen Rechnung trägt, ist noch nie an ung herangekommen, und Sie sehen es aus Ihrer eigenen Tagesordnung, daß die Resolution, die Sie im vorigen Jahre in der Kommission gefaßt haben, von Ihnen im Plenum überhaupt noch nicht angenommen worden ist. Die muß eirst noch an den Bundesrat kommen. So liegen die Verhältnisse doch nicht, als wenn sich der Bundesrat ganz ablehnend verhalten hätte und die Schuld auf den Bundesrat fiele. Und gegenüber den Petitionen, die an den Reichstag gelangt sind, sind Sie, meine Herren, auch der Meinung gewesen, man solle das Besoldungsgesetz nicht ändern; denn sobald man das Besoldungsgesetz ändert, gehen alle Schleusen auf und kommen Ansprüche von allen Seifen. Das möchte ich, um den Tat⸗ sachen gerecht zu werden, doch feststellen.
Es ist dann, ich glaube vom Herrn Abg. Ebert, die Frage an die Veiwaltung gerichtet worden, wie sich durch die erfolgte Ein⸗ stellung von 4000 Unterbeamtenstellen die Verhältnisse ändern werden. Meine Herren, die Anstellungsverhälinssse bessern sich dadurch, und das ist auch der Zweck der Forderung. Es ist bereits erklärt worden, daß wir dahin streben, die Diätarzeit für die Unterbeamten möglichst herabzusetzen. Das kann aber nicht mit einem Male, sondern muß allmählich geschehen, und wir gehen auf diesem Wege weiter vor.
Einzelne Herren haben dann große Bedenken wegen der neuen höheren Karriere geäußert. Dabei ist gesagt worden, es sei richtiger, die Beamten für die höhere Karriere aus den Gerichts— assessoren usm. zu nehmen und nicht eine besondere Fachkarriere ein⸗ zurichten. Meine Herren, diese Frage hat selbstverständlich die Zentralbehörde lange und eingehend beschäftigt. Nach allen Er— fahrungen, die sie gemacht hat und die sich auf viele Jahre und Jahrzehnte erstrecken, hat man doch darin das Richtige zu finden geglaubt, daß akademisch- wissenschaftliche Ausbildung mit praktischer Ausbildung vereinigt würde, um einen den Ver— hältnissen des steigenden Verkehrs entsprechenden befähigten Beamtenstand zu schaffen, und ich glaube, es wäre doch besser, erst einmal abzuwarten, wie sich die Sache bewähren wird. Von anderer Seite wird wieder betont, daß das seitherize Verfahren vielleicht besser gewesen wäre. Sie sehen also, es sind Stimmen auf dieser und auf jener Seite, und da sollte man nicht gleich von vorn— herein sagen, daß das Neue nichts taugt, sondern sollte abwarten. Zur Giprobung gehören Jahre und Jahrzehnte. (Sehr richtig! rechts.)
Meine Herren, bei der Gelegenheit möchte ich ein Wort gegen diejenigen Herren sagen, die sich in so absprechender Weise über unsern ö. und die ihm jetzt in die Schuhe schieben möchten, daß alle Uneben— heiten in der Gestaltung der Beamtenperhältnisse ihm zur Last fielen. Ich möchte erklären, daß Herr von Stephan für die soziale Entwick- lung des Postbeamtenstandes ungeheuer viel getan hat (sehr richtig! und Bravo!), und wenn ich in der angenehmen Lage bin, von fast allen Parteien gestern und heute zu hören, daß sie die Bestrebungen der Postverwaltung, den Bedürfnissen des Verkehrs Rechnung zu tragen, anerkennen, dann wollen wir uns daran erinnern, daß der größte Teil der Beamten, der in der Lage ist, von dieser Anerkennung Kenntnis zu nehmen, sich aus Beamten zusammensetzt, die unter der Organisation des Herrn von Stephan angenommen worden sind. (Bravo) Ich glaube, daß wir uns immer dessen erinnern müssen, daß Herr von Stephan uns den Weltpostverein ge⸗ schaffen hat (sehr richtig), daß seine Beamten es ermöglicht haben, uns die Anerkennung von allen fremden Verwaltungen zu erwerben, und daß die Organisation nicht so schlecht gewesen sein kann. (Sehr richtig!)
Von Mitgliedern dieses hohen Hauses und auch außerhalb dieses hohen Hauses wird nun häufig gesagt, die mittlere Karriere müsse anders gestaltet werden, man müsse von den Anwärtern einen höheren Bildungsgrad fordern. Meine Herren, wir sollen doch zufrieden sein, wenn wir Karrieren haben, bei denen nicht gleich die höchsten Anforderungen gestellt werden, und sollen die Ansprüche nicht künstlich in die Höhe schrauben. (Sehr richtig! rechts) Von den Eltern wird heute vielfach darüber geklagt, daß sie große Schwierig⸗ keiten haben, für ihre Kinder einen Beruf zu finden, bei dem nicht gleich so hochstrebende Anforderungen gestellt werden. Aus allen diesen Erwägungen heraus haben wir seinerzeit für den mittleren Beruf die Befähigung für Untersekunda gefordert, und wir glauben auch heute noch, daß das genügen wird. Nach meinen Erfahrungen möchte ich auch davor warnen, einem solchen Rufe nach Erhöhung der An forderungen Gehör zu schenken. Sie haben ja schon gehört, was dann die Folge sein wird. Wenn höhere Anforderungen gestellt werden, dann glaubt man auch, höhere Gehälter verlangen zu können, und dann kommen diese fortwährenden Vergleiche der einzelnen Beamtengattungen untereinander. Das ist ungesund, das sollten wir nicht machen.
Wir sollten auch nicht wieder in den alten Fehler verfallen, fär jede besondere Kategorie von Beamten nun wieder besondere Gehalts— klafsen zu schaffen; denn das führt immer wieder zu Vergleichen zwischen den Beamtengattungen: der eine stellt sich höher als der andere und glaubt deswegen, Anspruch auf ein höheres Gehalt zu haben.
Wegen der Unterbeamtenkategorte hat der Herr Redner der Zentrumsfraktion gestern gesagt, er wünsche keine Loslösung der Oberschaffner aus der Unterbeamtenkategorie. Ich habe bereits früher, als Sie alle noch nichts von den gehobenen Stellen wissen wollten, die Ehre gehabt auszuführen, die Sache scheine sehr entwicklung fähig, und man müsse daran festhalten, sowie daß zu einer richtigen Beurteilung einer neuen Beamten⸗ organisation eine längere Zeit gehöre. Die Unterbeamten hatten früher gar keine Gelegenheit zu avancieren, sie blieben ihr ganzes Leben lang in derselben Stellung, und es ging ihnen so, wie
es früher den Assistenten gegangen war, die mit 30 Jahren schon die Stellung, die für sie in Frage kommen konnte, erreicht hatten. Deshalb sind für die Unterbeamten die gehobenen Stellen geschaffen worden, in die nun die Tüchtigeren und Gewandteren einrücken können. Ich glaube, daß das eine sehr gesunde Entwicklung be— deutet. Wir wollen uns doch jetzt nicht den Kopf darüber zerbrechen, was nun später einmal geschehen kann. Eine solche Neuorganisatlon muß sich erst bewähren und muß richtig funktionieren, und dann wird man ja sehen, ob man späterhin im Wohnungsgeldzuschuß oder im Gehalt Veränderungen eintreten lassen kann; und dasselbe gilt bezüglich des Titels. Aber von vorherein gleich wieder Aenderungen vorzunehmen, das wäre eine ungesunde Polltik; davor möchte ich warnen.
Betreffs der Wünsche auf Krankenkassen für die Unter— beamten möchte ich das wiederholen, was ich in der Kommission gesagt habe: solche großen Einrichtungen können nicht gleich fertig dastehen; man muß erst sehen, wie sich die Sache gestaltet, und muß allmählich und später mit Verbesserungen vorgehen. Wenn man von vornherein solche Einrichtungen, für die wir im ersten Jahre mehr als eine halbe Million neu ausgeben, so belastet, daß sie nachher schlecht funktionieren, dann ist das viel schlimmer, als wenn man allmählich weiter fortschreitet und Verbesserungen nach dieser oder jener Richtung eintreten läßt. Dazu würde später der Fortfall der erhöhten Beiträge für die Familien mit vielen Kindern gehören und eine Ausdehnung nach der Richtung hin, daß mehr Leistungen gewährt werden.
Der Redner des Zentrums bat um den Bau von Fernsprech⸗ anlagen im badischen Lande. Meine Herren, wir geben für neue Verbindungsleitungen in jedem Jahre viele Millionen aus. Im Jahre 1910 haben wir für Fernsprechverbindungen zwischen den ein— zelnen Orten zirka 5 Millionen ausgegeben, 1911 5 Millionen, 1912 10.5 Millionen; 1913 sind 1955 Millienen dafür vorgesehen. Darunter befindet sich im nächsten Rechnungsjahr eine Summe von 6 Millionen, im vorigen Jahre von 5.5 Millionen für die unterirdischen Fern⸗ sprechverbindungen nach dem Westen. Was dann insbesondere Baden betrifft, will ich dem Herrn Abgeordneten einzelne für 1913 geplante Verbindungen nennen: Karlsruhe Konstanz, Lörrach — Basel, Pforzheim Freiburg, Mannheim — Heilbronn, Stuttgart — Freiburg, Berlin — Straßburg, Freiburg — Karlsruhe. Ich glaube also, den Wünschen des Herrn Abgeordneten ist Rechnung getragen worden. (Bravo h) .
Die Reichspostverwaltung läßt sich auch die Ausbildung des,
Kraftwagenverkehrs angelegen sein. Es ist dem Herrn Ab— geordneten ja bekannt, daß in seinem Heimatland sehr viel solcher privater Verbindungen sind, die wir zur Postbeförderung benutzen. Ich brauche wohl die einzelnen Strecken nicht zu nennen; die werden ihm ja besser bekannt sein. Auch sind wir mit reichseigenen Kraft⸗ wagenfahrten in verschiedenen Gegenden vorgegangen und wir werden sie überall einführen, wo es nützlich ist.
Dann haben verschiedene Herren den Wunsch geäußert, über die Stellung der Reichs postverwaltung zu dem nächsten Weltpostkongreß und zu dem Pennyporto unterrichtet zu sein. Wir haben ung darüber schon häufiger unterhalten, und ich habe nicht damit zurückgehalten, daß die Reichspostverwaltung bestrebt ist, auch auf diesem Gebiete den Forderungen‘ des Verkehrs Rechnung zu tragen, daß das aber selbstverständlich nicht so schnell gehen kann; denn wir sind nicht allein da, und den Herren ist bekannt, daß bei den meisten Verwaltungen ein großes Streben oder eine Eile, das Pennyporto einzuführen, noch nicht vorhanden ist. Das hängt mit den Ver— hältnissen der einzelnen Staaten zusammen. Immerhin hat auch die Reichspostverwaltung für den nächsten, 1914 in Madrid stattfindenden Kongreß Veibesserungen und Veränderungen in Aussicht genommen. Insbesondere liegt uns am Herzen, die Verschiedenheiten zu heseitigen, die sich allmählich eingeschlichen haben, und die darin bestehen, daß in den verschiedenen Ländern noch verschiedene Gewichtsstufen und verschiedene Tarifsätze angewandt werden. Dadurch ist ein sehr buntes Bild entstanden, und daran liegt es auch, daß verschiedene Länder noch nicht in der Lage sind, auf weltere Ermäßigungen einzugehen, da sie in ihrem eigenen Lande noch sehr hohe Tarifsätze haben. Sie behaupten, sie könnten infolgedessen nicht so vorgehen, wie es wünschenswert wäre. Es liegt aber in der Absicht, besonders un— angenehm empfundene Bestimmungen, so z. B. die, daß bei un⸗ genügend frankierten und unfrankierten Briefen die Steigerungen des Portos gleich sehr groß sind, zu beseitigen oder doch zu mildern. Also die Ermäßigung des Zuschlagsportos für unfrankierte Briefe ist in Aussicht genommen.
Dle weitere Ausdehnung der Antwortscheine halten wir nicht für einen großen Vorteil. Wir streben eher an, wenn es mög⸗ lich ist, eine Antwortmarke für den ganzen Weltpostverein einzuführen. Das ist viel gesünder; denn die Antwortscheine erweisen sich immer mehr als ein Rückschritt insofern, als die Abrechnungen, die früher bestanden haben, dadurch wieder notwendig geworden sind und viel Mühe machen.
Die Ermöglichung von Zeitungsabonnements im ganzen Weltpostverein ist ein Wunsch, der sehr verständlich, aber nicht ausführbar ist, weil eben sehr viele Postvereinsverwaltungen mit dem Postzeitungswesen sich Überhaupt nicht befassen, sondern es dem Publikum überlassen, sich mit seinen Zeitungen zu versorgen.
Wenn über den Ortschnelldienst geklagt wird, und uns gestern zum Vorwurf gemacht ist, daß wir mit dem Eilbotendienst den Privateilbotendienst nicht tot gemacht hätten, so möchte ich er⸗ widern: ja, es ist gar nicht unsere Absicht gewesen, ihn tot zu machen. Die Gebühren, die wir für die Ausführung des Eilboten⸗ dienstes nehmen, unterliegen der Prüfung, nnd wir werden sehen, ob nach dieser oder jener Richtung etwas geschehen kann, ob der Tarif sich als zu hoch erweist.
Wenn dann der Wunsch ausgesprochen ist, man möchte die Fernsprechgebühren mit Oesterreich ermäßigen, so möchte ich den Herren darauf erwidern, es sind Verhandlungen im Gange, es bestehen aber gewisse Schwierigkeiten, und zwar für die andere Seite. Desterreich hat zum Teil im Innern einen höheren Tarif als wir, und kann natürlich für den Verkehr mit uns nicht niedrigere Sätze anwenden als im inneren Verkehr. Sie können daraus sehen, wie vorteilhaft zum Teil unser Fernsprechtarif ist.
Der Herr Abg. Kopsch hat dann im weiteren auch die An— nahme ausgesprochen, daß den regterenden Fürsten in neuerer Zeit Gebührenfreiheit im Fernsprechwesen zugestanden worden sei. Dies ttifft nicht zu. Die Regelung dieser Frage hat im
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9 Jahre 1857 stattgefunden. Danach werden die zum aanitella
und persönlichen Gebrauch der regierenden Fürsten bestismmten 6a an das Fernsprechnetz gegen Erstattung der Herstellungskof m m ö schlossen. Gesprächsgebühren werden dann nicht erhoben. Die . richtung ist auf Grund des Art. 43 Abs. 2 der Verfassung im ger waltungswege getroffen. Seit 1892, dem Erlaß des Telegrapen. gesetzes, ist nach 5 7 dleses Gesetzes die Ausdehnung bestehender G bührenfreiheiten nur auf Grund eines Relche gesetzes gestattet.“
Seitens des Herrn Abg. Kopsch ist dann im weiteren
sich in Sachen mische, die sie eigentlich nichts angingen. Vortrig gehalten und sei von der Verwaltung deshalb wegen seiner Aeußerungen zur Rede gestellt worden, und es sei ihm das Mißfallen ausge sprochen und mehr Zurückhaltung empfohlen worden. Der Fall ist vollstãndig richt Ein Beamter des Bauamts hat in einer Versammlung, die von . Bunde der Telegraphenarbeiter zusammenberufen war, Vorträge . halten und sich da in sehr mißliebiger Welse über die Wirtschastz politik der Regierung ausgesprochen. Man hat aus den Zeitungen davon Kenntnis erhalten und hat den Beamten darüber befragt. D hat er gesagt: so scharf habe er sich nicht ausgedrückt; er hat sogꝛ eine Zeitung veranlaßt, gewisse Angaben in ihrem Bericht zu wide rufen, auszusprechen, daß er die angeführten Ausdrücke nicht gebrauch
habe. Aber wegen der Ausführungen, die er selbst zugegeben hat, j
ihm denn doch anempfohlen worden, in seinen Ausdrücken etwas dor sichtiger zu sein. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß das richtig g wesen ist. (Sehr richtig! rechts Der Beamte ist nicht allen Bürger, sondern er ist auch Beamter und darf das nicht außer acht lassen. Es muß seinem Taktgefühl überlassen bleiben, keinen Anlaj zu solchen Ausstellungen zu geben, wie es in diesem Fall vorgekommen ist. (3ustimmung rechts Wenn ein Beamter des Bauamts zu den Telegraphenarbeitern spricht, dann muß er soviel Takt haben, daß er nicht gegen die Regierung so vorgeht, wie er das hier getan hi. Wir müssen verlangen, daß diejenigen Beamten, die für würdig und geeignet gehalten werden, in den Parlamenten der Einzelstaaten jn wirken, nicht außerhalb des Parlaments Reden halten, die so aii tatorisch sind, oder wenigstens so angesehen werden können, wie ds in diesem Falle geschehen ist. Da dürfen Sie der Verwaltung kennt Vorwurf aus ihrem Verhalten machen (3ustimmung rechts), sonden müßten ihr eigentlich dankbar sein!
Des weiteren ist mehrfach über die Kleider lieferung sir die Postbeamten gesprochen worden. Wir haben bereits ür Kommission zum Ausdruck gebracht, daß diese Frage augenbliili keine brennende ist; erst im Jahre 1915 handelt es sich wieder un eine neue Verdingung Aber diese Frage beschäftigt uns sehr eingehen Das gegenwärtige Verfahren hat insofern Schattenseiten, als wir schon bei der letzten Ausschreibung wahrgenommen haben, di bei der gegenwärtigen Art der Bezahlung der Klelder emne Beteiligung der Innungen usw. nicht möglich liegt darin, daß wir die Bezahlung nicht gleich nach der Lieferung eintreten lassen können, sondern in sechs gleich— mäßigen Raten für sechs Jahre, sodaß der betreffende Lieferer in diesem Falle veipflichtet ist, eigentlich einen Vorschuß für die Verwaltung zu leisten. Das macht eine Beteiligung der Innungen und Handwerker unmöglich. Wir sind bestrebt, einen Wez zu finden, der eine solche Beteiligung künftig ermöglicht. (Bravo! rechts.)
Der zat zum Ausdruck gebracht, ß einzelne Unregelmäßigkeiten vorgekommen seien. Ich habe die Briefumschläge nicht gesehen, die hier vorgelegt worden sind, stehe aber nicht an, zu erklären — wie ich das häufig getan habe — daß wir nicht auf dem Standpunkt stehen, es kämen keine Versehen in den Regierungsbezirken Posen und Bromberg und in der Probhnz Westpreußen vor. Versehen kommen der
ö. . ist Das 1. — 19
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überall vor; und wenn der Herr Abgeordnete heute hier verlesen hat, daß es, nach den Er— klärungen der Oberpostdirektion in Danzig, ein Versehen des Beamten sei, so ist, glaube ich, daran nicht zu zwelfeln. Man muß diese Er— klärung als den wirklichen Tatsachen entsprechend annehmen und kam daraus keine anderen Schlüsse ziehen.
Wenn der Herr Abgeordnete dann gesagt hat, daß Beschwerden karüber vorlägen, daß aus Rußland Einschreibe— briefe nicht rechtzeitig zurückgeschickt oder angeblich geöffnet und dann zurückgeschlckt worden seien, so ist es richtig: derarthh Klagen sind bei uns angebracht worden; wir haben uns vor Monat⸗ mit der russischen Verwaltung in Verbindung gesetzt und haben ; inzwischen auch erinnert. Ich hoffe, daß sich diese Angelegenheit völl aufklären wird. Wir müssen aber warten, bis die Antwort kommt.
Wenn polnische Zeitungen ausbleiben oder nicht rechtzei bestellt werden, so darf nicht angenommen werden, daß da irgendtit Machenschaften oder sonst etwas mitwirken. Wir haben auch höe im hohen Hause Herren, die mit dem Zeitungsfach sehr eingehend vertraut sind, und die werden wlssen, daß bei einem großen Zeitung verkehr wirklich nicht immer die Zahl der Exemplare so abgezil wird, daß nicht einmal ein Versehen vorkommen könnte. Also muß alle Beschuldigungen, die daran geknüpft werden, als unbewiesc ansehen; das sind eben Versehen, wie sie in einem solchen großen Betriebe vorkommen können.
Wenn der Herr Abg. Diez den Wunsch ausgesprochen hat, man möchte von den Verlegern das Bestellgeld für Zeitungen für gewonnene Abonnenten gleich einziehen, so ist 6 Wunsch, den ich auch habe und gern ausgeführt sähe. Dies würde aber bei den Herren Verlegern auf einen sehr großen Wideistand stoßen, und zwar deshalb: nachdem diese vorzügliche Einrichtung einmal getroffen ist, daß sie die Abonnenten selbst gewinnen können, haben sehr viele Vereine die Einrichtung für sich ausgenutzt 6. melden nun sämtliche ihrer Mitglieder als gewonnene Abonnenten an; der Preis für die Zeitung liegt in dem Mitgliedsbeitrag. t Betreffende die Zeitung abholt, oder ob sie ihm zugestellt , ö Sache des Empfängers der Zeitung, und infolgedessen wo diet leger nicht für alle ihre Mitglieder das Bestellgeld ausgebe da stoßen wir wieder auf einen großen Widerstand. (Sehr tich rechts.) — . ö den
Die Beförderung der Pakete zwischen Süddeutschland un tten Norden ist verbesserungsbedürftig, das gebe ich dem Herrn brenn, zu ohne weiteres zu. Wir sind auch fortgesetzt bestrebt, riese S gige verbessern. Aber wir nutzen in Wirklichkeit alle jetzt beste bende 3. die für den Paketverkehr benutzt werden können, aus; an zu
Bahnposteintichtungen liegt es nicht, sondern daran, daß nutzbare Züge fär den Paketberkehr nicht in ausreichender Zahl vorhanden sinb.
Dann möchte ich nur einen Irrtum berichtigen, der dem Herrn Abg. Diez unterlaufen ist. Ich glaube, wenn ich recht gehört habe, gab er an, beim Zeitungsdienst setzten wir 30 Millionen Mark zu. Abg. Die; Konstanz!: Schätzungsweise) Daran ist gar nicht zu denken. Der ganze Einnahmebetrag aus dem Titel beträgt für dieses Jahr 133 Milltonen Mark, glaube ich. Berechnungen über die Rentabilität einzelner Betriebszweige sind zwar schwer aufzustellen, weil man die berschiedenen Zweige nicht so auteinanderhalten kann. Die Trennungen sind meist willkürlich und hängen von den einzelnen Menschen ab. Wir haben aber einmal versucht, da, wo solcher Zeitungsbertrieb konzentriert ist, festzustellen, ob ein Ausfall vorhanden und wie groß er wohl wäre. Danach würde ein Ausfall, wenn er überhaupt vorhanden ist, nicht höher als auf etwa dreiviertel Millionen zu schätzen sein. Also von den Zahlen, die der Herr Abgeordnete glaubte anführen zu sollen, ist nicht die Rede.
Das wären wohl die Fragen, die an die Verwaltung gestellt worden sind. (Bravo! rechts.)
Abg. Hub räch (fortschr. Volksp.): Auch wir haben gegen eine Aenderung der Fernsprechgebührenordnung an sich durchals nichts einzuwenden, lehnen aber ab, Gesetzen zuzustimmen, die der Ent— wicklung des Telephonwesens so schädlich sind wie der vorjährige Ent⸗ wurf. Der gesamte Reichstag ohne Unterschied der Parteien ist sich darin einig, daß in der Verhesserung der wirtschaftlichen Lage der mittleren und Unterbeamten der Postverwaltung ein entscheidender Schritt jetzt getan werden muß, daß wir aus dem jahrelangen Stadium der Erwägung endlich herauskommen und von den Worten ur Tat übergehen müssen. Auch über das Maß der Verbefferung besteht erfreuliche Uebereinstimmung im Hause von der 4ußersten Rechten bis zur äußersten Linken. Darin liegt das Anerkenntnis daß über das Maß des Erreichbaren nicht hinausgegangen wird, und es liegt darin auch eine Anerkennung für die Bestrebungen der Beamt norganisationen. Die Geschlossenheit des einen Faktors der Gesetzgebung kann, unmöglich auf den anderen Faktor, den Bundesrat, ohne Einfluß und ohne Wirkung bleiben. Die Erklärung des Schatz sekretärs war immerhin reichlich unbestimmt; auch sprach er nur für seine Person. Aber schon der Ton macht die Musik, und der Ton war außerordentlich sympathisch; es war kein schneidend scharfes und unerbiitliches Nein, wie wir es oft vom Bundesrats tisch gehört, haben. Das ist nichts voll Befriedigendes, aber doch ein Fortschritt und eine Wendung zum Besseren, die auf ein Ent— gegenkommen des Bundesrats schließen läßt. In der Kommission klang aus den Aeußerungen des Schatzsekretärs allerdings auch die Erwartung heraus, daß der Reichtag entgegen⸗ lommen und die Kommissionsbeschlüsse abschwächen werde. Darin wird er sich, wie ich hoffe, getäuscht haben, denn dieses Ent“ gegenkommen hat schon die Kommission reichlich bewlefen. Die Be— schlüsse der Kommission wegen Einstellung von Zulagen in den Ctat umfassen keineswegs alle Beamtenklassen, die bei der Repiston der
Besoldungsoldnung in Frage kämen, fondern hauptsächlich die Brief— träger und Postschaffnerklasse und dann die Assistentenklasse, wo aber nur ein Drittel der Gesamthelt in Frage kommt,
aber leer ausgehen sollen. Der Reichstag hat al
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Bei den Assistenten ist in 40 Jahren nur
eine Erhöhung des Meistgehalts um 335 , bei den Briefträgern eine Erhöhung von nach geringerem Betrage zu konstatieren. Die Landbriefträger und die gehobenen Unterbeamten haben zu unserem großen Bedauern an der Zulage nicht beteiligt werden können; hoffentlich wird es sehr bald möglich, auch sie zu beruͤck— sichtigen. Gewisse Unstimmigkeiten, die aus dem Charakter dieser Zulagen sich ergeben, konnten durch Aenderung der Ziffer 40 der Besoldungsordnung auf dem Wege besonderen Erlasses beseitigt werden. Bei den Oberpostschaffnern erscheint immer wieder die Klage der verschiedenen Behandlung der vor und nach dem . April 1905 beförderten gebobenen Unterbeamten; der Nachteil, der den nach dem 1. April 1905 Beförderten aus einer inzwischen erfolgten Organisationsänderung erwächst, beziffert sich bei dem einzelnen Beamten bis zur Erreichung des Höchstgehalts guf mehrere tausend Mark. Seit 1906 hat der Reichstag sich damit beschäftigt und in Resolutionen Abhilfe verlangt. Der Bundesrat hat denfelben aber keine Folge gegeben. Der Reichetag will hier eine Härte beseitigen, die sich dauernd fühlbar macht. Der Ausgleich könnte vielleicht dadurch herbeigeführt werden, daß das Gehalt der gehobenen Unterbeamten auf 1600 ½ und das? Be— soldungsdienstalter aller vor und nach 1905 angestellten Poftunker— beamten einheitlich festgefetzt wird. Wir haben eine entsprechende Resolution vorgelegt, die der Reichstag sicher annehmen wird; wir fordern, daß die diefen Beamtenklassen durch den Etat für 1913 ge⸗ währten pensionsfähigen Zulagen bei Versetzungen aus einer Stelle mit Zulage in eine Stelle ohne Zulage dem anrechnungsfähigen Gehalt hinzugerechnet werden. Die Postboten haben unter der übertriebenen Sparsamkeit der Verwaltung von jeher besonders zu leiden gehabt. Bie 165 Erhöhung ihrer Bezüge, wie sie die Kom⸗ mission vorschlägt, können wir nur billigen; außerdem muß aber die Vorbereitungszeit des Postboten bis zur, Anstellung auf höchstens 10 Jahre herabgesetzt werden, auch unterstützen wir die Anrechnung der Militärdienstzeit, der Aushelferzeit und der Zeit der Tätigkeit als Tesegraphenarbeiter. Die kleine Erhöhung der Ver⸗ gütung für die Postagenten bewilligen wir, sind aber bereit, im nächsten Stat, auch eine weitere Erhöhung zu bewilligen; aßch eine Ent⸗ chädigung von 675 „ ist für sie unzulänglich. Der Errichtung einer Vensionkasse für die Postagenten stehen aber sehr starke Be— dnken entgegen Die Vermehrung der Stellenzulagen für gewisse Wöamtenkategorien ist dringend geboten. Die von dem Abg. Windeck und mir beantragte Resolution wegen Gleschstellung der in den Reichs landen beschäftigten Post« und Telegraphenbeamten mit den Beamten der Betrlebsverwaltung der Reichseisenbahn— verwaltung in bezug auf die Gewährung nicht pensions— ähiger Zuschüsse empfehle ich nochmals zur Annahme. Der hohe Steuerdruck für die Postbeamten in den 1hüringischen Staaten muß gemildert werden. Eine Regelung läßt sich hier viel leicht fo treffen, indem man die betreffenden Bundesstaaten ver— Inlaßt, die Postbeamten wie ihre eigenen Beamten zu behandeln. Fwischen preußischen Beamten und denen dez Reichs klafft in der Hesglbung ein Gegensatz, der so lange nicht verschwinden wird, bis Reichöbeamten denen in Preußen gleichgestellt find. Es ist auch
ungerechtfertigt, die Beamten der Verwaltung besser als die
technischen zu stellen. Der Grundsatz, daß der Techniker minder⸗ wertiger als der Jurist ist, hat sich doch längst überlebt. Dem Proteste der Beamten, daß sie es als Beleidigung empfinden, wenn man ihnen Streikgelüste unterschiebt, kann ich nur bei— treten. Der Abg. Wendel hat diesen undi⸗kutierbaren Gedanken wehl nur in die Debatte geworfen, damit ihn die Beamten doch vielleicht einmal erörtern. Der Redakteur der Postbeamten eitung“ hat mir direkt aus der Seele gesprochen. Wir halten einen Verkehrsbeamten— streik für nichts mehr und weniger als ein Verbrechen am Wohle der Nation. Ich gebe dem Abg. Wendel den Rat, feine Bemühungen nach dieser Richtung hin einzustellen. Die Beamtenschaft ist ein
ranit, an dem sich der Abg. W endel die Zähne ausbeißen wird. Er wollte auch wohl nur einen verspäteten Fäast, achtsscherz machen. Solange wir hier im Hause ein so warmes Herz für die Post⸗ beamten haben, so lange ist das treikgespenst ein wesenloses. Die Beamten fühlen sich wie Friedrich der Große nur als Diener des Staates.
Abg. Dr. Trendel Gentr): Ueber die Frage, ob Zeitungen an verschiedene Adressaten unter einem Streifbande persendet werden dürfen, bestehen Zweifel. Eine authentische Interpretation wäre sehr angebracht, auch darüber, ob Sonderbeilagen zu Zeitschriften unzu— lässig sind. Diese Sonderbeilagen sind im Grunde genommen nur lose Inserate, und ich verstehe nicht, warum das Beilegen dieser Inserate der Postordnung widersprechen soll. Hierin liegt doch keine Konkurrenz mit der Post.
Abg. Dr. Schatz (El): Die uns vorgelegte Denkschrift über die Beamtenorganisation hat in Beamtenkreisen des Elsaß Beunruhi⸗ gung und Unzufriedenheit erregt. Es ist nicht einzusehen, weshalb die Unterbeamten in der Eisenbahnverwaltung besser gestellt sind als die Unterbeamten bei der Postverwaltung. Diese Verschiedenheit müßte beseitigt werden. Das Drängen nach Sparsamkeit darf keines⸗ falls zu einer Vermehrung der Dienststunden führen, das möchte ich gerade vom ärztlichen Standpunkte aus sagen. Manche Krankheiten der Beamten sind auf Ueberarbeit zurückzuführen. 12 und 13 Stunden Tagesdienst ist zu viel, auch der Nachtdienst ist zu beschwerlich. Die Geheimpersonalakten geben zu berechtigten Beschwerden Anlaß. Es ist unglaublich, was alles auf das Konto eines Beamten geschrieben werden kann, wovon er gar keine Ahnung hat. Es kommen auch Ver— wechslungen vor. Ein Postbeamter wurde versetzt, der ein Verhältnis mit einem anständigen Mädchen aus guter Familie hatte, weil sein Vorgesetzter Töchter hatte, die er nicht anbringen onnte. Die Per⸗ sonalakten sind ein Krebsschaden, der beseitigt werden muß.
Um 5 Uhr wird die weitere Beratung auf Montag 1 Uhr vertagt.
1. d
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 133. Sitzung vom 15. Februar 1913, Vormittags 10 Uhr. (Bericht von „Wolffs Telegraphischem Bureau“ .)
Ueber den Beginn der Sitzung ist in der vorgestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.
Das Haus setzt die zweite Beratung des Etats der Ju stizverwal tung, und zwar zunächst die Debatte über den Titel der Einnahme aus der Beschäftigung der Gefangenen, die mit 7 004 000 SSè (gegen das Vorjahr * 280 000 M6) angesetzt ist, fort.
Geheimer Oberjustizrät Plaschke; Die Gefangenen sind in
steigendem Maße mit Landeskulturarbeiten beschäftigt worden. Ein Teil der Gefangenen untersteht dem Ministerium des Innern, und die Sache geht deshalb im wesentlichen auch dessen Ressort an. Bei den Zahlen über die Beschäftigung der Gefangenen muß man bedenken, daß es sich um Durchschnittszahlen handelt und daß die Gefangenen mit Landarbeiten nur im Sommer beschäftigt werden können. Für die Eisenbahnverwaltung werden bereits Arbeiten in den Gefängnissen gemacht. Die Ermittlungen über den Magdeburger Fall sind noch nicht abgeschlossen. ö . Abg. Bois ly (nl): Alle Parteien sind dafür eingetreten, daß die, Konkurrenz der Hefängnisarbeit für das freie Han werk nach Möglichkeit eingeschränkt wird; die Klagen sind auch schon mehr und mehr verstummt, und wir hoffen, daß sie schließlich ganz werden aufhören können. Wir können der Regierung dafür nur dankbar sein, daß die Gefangenen in so hohem Maße mit der Bearbeitung des Altmaterials heschäftigt werden; aber auch in dieser Beziehung sind schon Klagen laut geworden. Da jedoch die Klagen des Handwerks im ganzen geringer geworden sind, kann man daraus nur die Schluß⸗ folgerung ziehen, daß die Staatsverwaltung bemüht gewesen ist, die Gefängnisarbeit in richtige Bahnen zu lenken. Der Regierunge⸗ lommiffar wies darauf hin, daß ein Teil der Gefängnisse dem Mini⸗ sterium des Innern unterstellt ist. Wir wünschten, daß alle Gefäng— nisse der Justizyerwaltung unterstellt würden. — .
Abg. Dr. Liebknecht (Soz.): Die Gefangenen mögen in der Landeskultur beschäftigt wenden, aber wir müssen dagegen Widerspruch erheben, wenn dadurch die Löhne der freien Arheiter gedrückt würden. Ein Gefängnisinspektor a. D. teilt in einer Schrift mit, daß den Gefangenen von dem Verdienst, den sie von freien Unternehmern erhalten, zwei Drittel his drei Viertel vorenthalten werden und in die Kasse der Justizverwaltung fließen. Diese Entziehung soll auch, bei Untersuchungsgefangenen Anwendung finden. Wenn dies richtig ist, so wäre diese Praxis durchaus verwerflich. Um die, Gefängniarbeiten sozlal, wertvoller zu gestalten, solste man größere Werkstätten, fabrikartige Einrichtungen in den Gefängnissen schaffen. Den Gefangenen sollte gestattet werden, unter gleichen Bedingungen mit den übrigen Handwerkern zu konkurrieren. Aber man sollte sie nicht ausnutzen, wie es jetzt geschieht. Die Ge⸗ fangenen würden viel freudiger arbeiten, wenn sie wüßten, daß ihr Ver— dienst auch ihren Familien zugute kommt, die häufig bittere Not lelden. Dann würde die Gefängnisarbeit nur eine Konkurrenz unter vielen sein, die hei der Geringfügigkeit der Gefängnigarbeit im ganzen für das freie Gewerbe kaum in Betracht käme.
Justizminister Dr. Beseler:
Meine Herren! Elnige kurze Bemerkungen tatsächlicher Art möchte ich mir gestatten.
Die Außenarbeit ist für viele Gefangene eine sehr erwünschte Beschäftigung. (Sehr richtig) Sie findet nach dem Gesetz nur bei denen statt, die sich damit einverstanden erklären, so beschãfligt zu werden. Also ein Zwang wird in der Richtung nicht ausgeübt. Daß die Außenarbeit an sich eine günstige Art der Tätigkeit für die Ge= fangenen ist, nimmt die Justizverwaltung an. Soweit es mit einem strengen und ernsten Strafvollzug vereinbar ist, wird also hier auch den Wünschen der Gefangenen Rechnung getragen. Die Löhne werden so bemessen, wie es den örtlichen Verhältnissen entspricht und wie sie zu erhalten sind; wenn sie höher sind, ist es im Interesse der Ge— fangenen, die ja an dem Arbeitsverdienst teilnehmen. Was mit dem Ertrag aus der Arbeit der Gefangenen zu geschehen hat, bestimmt sich nach den Grundsätzen, die der Bundesrat festgesetzt hat.
Es heißt da:
Der Ertrag der den Gefangenen zugewlesenen Arbeit fließt zur Staatskasse. Die Gutschrift ihrer Arbeitsbelohnung aus dem Er—⸗ trage ist nicht ausgeschlossen.
In meinem Geschäftsbereich wird nach 8 96 Gef.-O. für die Arbeiter etwa ein Viertel des Lohnverdienstes den Gefangenen autgeschrieben. (Hört, hört) Das ist also, wie man sagen kann, eine freie Zuwen« dung von Selten des Staats - Verpflichtet ist er nicht dazu, ihnen
diese Beträge gutzuschreiben. Wollten wir die Löhne berechnen, wie Herr Abg. Liebknecht es fär richtig gehalten hat, nach kaufmännischen Grundsätzen, dann würden die Gefangenen garnichts bekommen; denn die Aufwendungen, die der Staat für die Strafvollstreckung zu machen hat, sind so groß, daß die Einnahmen, die duich ie Arbeit der Ge⸗ fangenen dem Staat zufließt, diese Ausgaben nscht entfernt decken kann. (Sehr wahr) Deshalb ist es für die Gefangenen durchaus besser, daß es so bleibt, wie es ist.
Abg. Dr. Wagner lfreikons): Die Logik des Abg. Liebknecht scheint mir in einigen Punkten nicht ganz festzistehen. Die Beschäftigung der Gefangenen mit Außenarheit ist durchaus erstrebenswert; ich habe in früheren Jahren wiederholt gewünscht, daß sie namentlich zu staatlichen Arbeiten, z. B. Flußkorrektionen, verwendet wer den. Nur wo die Landwirtschaft für ihre privaten Zwecke Gefangenenkräfte zu erhalten wünscht, werden sie nach Möglichkeit abgegeben. Aus der Rede des Abg Liebknecht spricht nur der Haß gegen den Groß⸗ grundbesitz. Es mag sein, daß die Gefangenenarbeit auch dem Großgrundbesitz zugute kommt, aber man muß bedenken, daß die Landwirtschaft mehr als eine Million ausländische · Arbeitskräfte als Saisonarbeiter heranziehen muß. Das ist kein erstrebenzwerter Zustand, die galizischen und russischen Arbeiter sind kein Vorteil für unseren Staat, sie tragen eine Masse Geld aus unferem Lande fort, das wir gern unseren eigenen Staatsangehörigen zuwenden würden, wenn wir so viele Kräfte für die Landwirtschaßt fret hätten. Es ist daher verständlich, wenn wir die Gefangenen beschäftigen. Dagegen, daß sie vor allen Dingen für allgemeine Staatsjwecke heschäftigt werden, sollte vom deutsch-nationasen Standpunkt aus kaum etwas eingewendet werden. Die Tragik des Verbrechers ist ja sehr groß, und deren Famillen sind am allermeisten zu beklagen; wenn wir aber alle Familien der Inhaftierten mit Staatsmitteln unterstützen wollten, dann würden wir die Steuerschraube noch erheblich anzlehen müssen. Es ist ja eine sehr beklagenswerte Sache, aber ob wir sie aus der Welt schaffen können, da doch der Familten⸗ vorstand selbst seine Familie ins Unglück gestürzt hat, das ift noch, fehr erwägenswert. Der Vorschlag des Abg. Liebknecht, die Gefängnisse in richtige Fabrikbetriebe umzuwandeln, damit sie mit voller Kraft die freien Berufe konkurrenzieren können, kommt auf die alte Idee der Nationalwerkstätten heraus. Das freie Handwerk und die Industrie, die mit ihren Steuern für die Unterhaltung der Gefangenen beitragen müssen, würden sich mit Recht dagegen wehren, daß mit diesen Mitteln, die sie selbst hergeben, ihnen Konkurrenz gemacht wird. So gern wir das Los der Gefangenen verbessern, so können wir doch nicht dem Abg. Liebknecht folgen.
Abg. Haarmann (nl): Die Entziehung des Arbeitslohnes ist ein wichtiges Disziplinarmittel; wenn die Gefangenen ein Viertel ihres Verdienstes erhalten, so ist das nicht ein Verdienst, fondern ein Geschenk. Wenn die Gefangenen neben Kest und Logis auch noch bonen Arbeitslohn erhielten, würden sie beffer dastehen als der freie Arbeiter.
Die Diskussion wird geschlossen.
Der Rest der Einnahmen wird ohne Debatte bewilligt.
Bei den dauernden Ausgaben, und zwar beim Titel des Ministergehalts, bemerkt
Abg. Meyer-Tilsit (kon): Mein erster Wunsch ist der, daß die kleinen Amtsgerichte auf dem Lande erhalten bleiben und nicht zu⸗ sammengelegt werden, abgesehen von ganz besonderen Fällen, wo ein dringendes Bedürfnis eine Ausnahme erfordert. Mit großer Be⸗ friedigung haben wir von der Mitteilung des Regierungskom missars in der Kommission Kenntnis genommen, daß die Miitär- und Marine= verwaltung sich bereit erklärt haben, den Gefängnissen das Altmaterial zu überweisen. Was die Vermehrung der Beamtenstellen anlangt, so haben wir diese Vermehrung für gerechtfertigt gehalten und sind deshalb damit einverstanden. Bezüglich der Berufung der Universitäts⸗ professoren halten wir eine Reviston des bisherigen Verfahrens für erfo derlich Es ist besonders nötig, daß vor der B rufung eines Professors die Professoren der betr ffenden Universität gehört werden. Hinsichtlich der Besoldung der Gerängnis eamten bitte ich den Minister, diese Beamten, die ein großes Miß von Verant— wortung haben, mit dem größten Wohlwollen zu behandeln. Meme Freunde sind erfreut darüber, daß ein entsprechender Fonds zugunsten der verwahrlosten Jugend in den Etat eing stellt worden ist. Wir hoffen, daß dieser Fonds, falls er sich als zu gering erweist exhöht wird. Auf die Frage des numéeras claus us will ich hier nicht näher eingehen, weil diese Frage in der Budgerkommission eingehend behandelt worden ist. Jedenfalls bin ich persönlich ein großer An⸗ hänger des numerus csausus. In neuerer Zeit mehren sich die Fälle des Landesverrats und der Spionage. Die Spionage ist ja leider ein notwendiges Uebel. Aber wir müssen doch sagen, daß die Justiz⸗ verwaltung darauf hinwirken soll, daß eine Verschärfung der Strafen für Landesverrat und Spionage erzielt wird. Ich erinnere an bie Erhebung vor 190 Jahren, wo unsere Väter Gut und Blut für das Vaterland geopfert haben. Welches Maß von ehrloser Gesinnung gehört dazu, um sein Vaterland zu verraten! Daß selbst in Beamten⸗ kreisen sich Männer finden, die das Vaterland verraten, ift die be— klagenswerteste Erscheinung. Es erscheint uns auch angebracht, schärfere Strafen für Zuhälter und Roheitsverbrechen einzuführen. Ich verweise in dieser Beziehung auf England. Dann muß ich aut einen Vorwurf eingehen, der unserer Justiz, besonders von der Sozialdemokratie, häufig gemacht wird, das ist der Vorwurf der Klassenjustiz. Wir weisen diesen Vorwurf mit aller Entschiedenheit zurück. Ich kann aus persönlicher Erfahrung sagen, daß, wenn ein Richter sich irgend⸗ wie im Zweifel befindet, er zugunsten der niederen Klassen entscheidet. Gerechtigkeit, Unparteilichkeit und Gewissenhaftigkeit sind von jeher die vornehmften Tugenden der preußischen Richter gewesen. Ich hoffe, daß dies auch in Zukunft immer so bleiben wird.
Abg. Dr. Zim mer (Zentr): Aus der Jahresrechnung von 1911 erseben wir, daß der Voranschlag der Einnahmen um 123 Millionen überschritten ist, dagegen der Voranschlag der Ausgaben nur um 8 Millionen. Unter den Einnahmen spielen die Geldstrafen und Gerichtskosten dte Hauptrolle. Man geht wohl nicht fehl, wenn man den Mehrertrag hauptsächlich aus den Gerichtskosten zu erzielen gedenkt. Denn die Kriminalität hat abgenommen, daber dürften sich die Geldstrafen nicht vermehrt haben Die erhöhten Einnahmen aus den Gerichtskosten sind sicher auf das neue Gerichtskostengesetz zurückzufübren. Wenn alfo größere Mehr⸗ einnahmen erzielt wurden, wird wohl die Justizverwaltung nicht so peinlich in den Ausgaben sein dürfen. Die Justiʒverwaltung ist ja nicht eine fiskalische Einrichtung, wie die Eisenbabnverwaltung. In Anbetracht der Mehreinnahmen dürfen wir woßl boffen, daß die Justizverwaltung keine Bedenken gegen den vom Staatssekretãr des Reichsjustizamts angekündigten Gefetzentwurf über Die Erhöhung der Zeugen⸗ und Sachverständigengebübren baben wird. Wir seben doch alle ein, daß die Gebühren der Sach verständigen nicht mehr den Verhältnissen angepaßt sind. Auch kann nicht niehr unter den heutigen Zeitverbaltnissen gefordert werden, daß die Schöffen und. Geschworenen tagelang von ihrer Wo nung entfernt bleiben müssen, ohne daß sie eine angemeffene Entschãdigung bekommen. Auf einen Punkt muß ich noch aufmerksam machen, den der Staatssekretär des Reichsiastizamts ausdrücklich aß zur Zuständigkeit des preußischen Justtzministerg gehörend bezeichnet hat, nämlich auf den Fall Gulenburg. Bel der Eigen artigkeit des Falles hat er die Aufmerksamkeit der weitesten Kreise erregt. Es ist daher wünschenswert, daß bier einmal offen gesagt wird, wie die Sache steht, damit das Ansehen unserer Justiz und das Vertrauen des Volkes zur Justiz nicht gefährdet werden. Daß das Vertrauen zur Justij manchmal zu wünschen Übrig läßt, geht daraus bervor, daß selbst ernste änner, wie Professor von Liszt, ngriffe auf die Justiz richten. Professor don Liszi bat sich über die angeblich ver⸗ schiedene Auslegung unseres Gesetzes bellagt. Men könnte doch derlangen, daß Professor von List, der nicht in der Praxis gestanden
bat, sich besser informiert hätte. Ich muß daher gegen feine