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stelle. Die Dentisten wollen den Zahnärzten keine Konkurrenz machen. Für die Schulzahnpflege reichen die vorhandenen Zahn⸗ ärzte nicht auß; auch bei der Krankenbehandlung auf Grund der Reichsversicherungöo dnung sollte man die Z hatechniter hinzuziehen. In ganz Schlesien gibt es nur 73 Zahnärzte und 407 Dentisten, auf 10100 Einwohner entfällt nur ein Zahnarzt. Die Dentisten wollen keine Arbeit unternehmen, die den Zahn⸗ ärzten vorbehalten ist. Wir haben alle Veranlassung, unsere Zahnpflege zu erweitern. In Ländern wie Italien, Frankreich, der Schweiz hat die Bevölkerung durchweg gefunde, weiße Zähne: der kbeiühmte Zahnarzt Riese in Dresden hat, darauf hin— gewiesen, daß der kalkhaltige Boden, der auch den Produkten des andes Kalkgehalt gibt, der Bildung guter Zähne förderlich ist. Schon bei dem Kinde im Mutterleibe ist die Zaähnbildung dadurch zu fördern, daß man den Frauen in dieser Zeit knochenbildende Nahrung gibt. Dann möchte ich den Minister darauf aufmerkfam machen, daß wir noch 400 Genossenschaften in Preußen haben, die keinem Revisioneverbande angehören. Ich möchte den Weinister bitten, bei einer etwaigen Aenderung des Genossenschaftsgesetzes entsprechende Bestimmungen einzuführen, wonach diefe 400 Genossenschaften ge⸗ zwungen werden, einem Revisionsverbande beizutreten, der unabhängige Revisoren hinausschickt. Weiter möchte ich mich beschweren über die Animierung der Banken zum Börsensplel. Aus genossenschaftlichen Kreisen wird mir ein Rundschreiben der Darmstädter Bank an die Genossenschaftsverbande über⸗ mittelt, worin diese aufgefordert werden, mit der Bank Ultimogeschäfte zu machen. Ich will die Bank darauf aufmerksam machen, daß jetzt schon drei Vorstandsmitglieder von gewerblichen Genossenschaften nahezu zugrunde gegangen sind dadurch, daß sie sich verleiten ließen, an der Börse zu spekulleren, und zwar nicht nur mit ihrem eigenen Vermögen, sondern auch mit, dem ihrer Freunde, und zum Teil die Genossenschaften stark geschädigt haben. Ich halte es für unmoralisch, daß die Banken an derartige Leute in dieser Weise herangehen. Sollte es dem Minister möglich sein, den Banken zu beweisen, daß sie sich nicht auf dem richtigen Wege befinden so würde ich mich darüber freuen. Auch aus Kreisen der Sparkassen · genossenschaften bin ich gebeten worden, dem Minister zu unterbreiten, ob es nicht möglich sei, anzuordnen, daß die Höhe der Umsätze der Wertpapiere neben den Kursen veröffentlicht wird. Sehr bedauerlich ist, daß die Vorlage über die Wanderlagerbetriebe, die bereits vor zwei Jahren seitens des Ministers in Aussicht gestellt worden ist, noch nicht im Reichstage eingebracht worden ist. Die Papierhändler beklagen sich noch immer darüber, daß die Schuldtener Schreibhefte und dergleichen an Schüler verkaufen. Die Papier⸗ händler stehen sich nicht besonders, sie sind schon durch die Waren⸗ häuser beinahe ruiniert worden. Deshalb bitte ich den Minister, sich mit dem Kultusminister über diese Angelegenheit in Verbindung zu setzen. Zur Bekämpfung der Hausiererplage bitte ich den Minister, im Jnteresse der ansässigen Kaufleute mit dem Minister des Innern in Verbindung zu treten, damit den Gendarmen größere Befugnis berüg— lich der Kontrolle der Hausierscheme gegeben wird. Die Behörden müßten angewiesen werden, bei der Verabfolgung der Daufierscheine äußerst vorsichtig vorzugehen. Dann lege ich dem Minister die Frage der Kleinhandelsausschüsse ans Herz. Die
machten Erfahrungen sind nicht besonders nzeh Handelskammern haben überhaupt noch keine Kleinhandelsausschüs eingerichtet, während andere Handelskammern sich solche Leute Mitgliedern dieser Ausschüsse ausgewählt haben, die keines— wegs die Interessen der Kleinhandeltreibenden vertreten. Meine politischen Freunde stehen mit der Mehrheit dieses Hauses auf dem Standpankt, daß der Industtie und der Landwirtschaft un⸗ bedingt Schutz gewährt werden muß. Selbstverständlich muß auch der Mittelstand, Gewerbe wie Kaufmannschaft, den gebührenden Schutz von seiten der Regierung erhalten. Dann werden die segens— reichen Folgen auch für den Sigat nicht ausbleiben.
Abg. Winckler (kons.): Ich bitte, daß die Frage der Förderung der nicht gewerbsmäßigen Arbeitsvermittlung bei der Generaldebatte nicht berührt wir. . .
Abg. Dr. Schroeder-⸗Cassel (nl. ): Auch wir halten diesen Vorschlag für zweckentmwrechend.
Das Haus beschließt danach.
Abg. Dr. Geunenberg (Sentr.): Unsere Handelsbeziehungen zum Auslande müßten weiter au gebaut werden. Meine politischen Freunde haben schon seit Jahrzehnten die Industrie ent sprechend gefördert, ich verweise nur auf die Schaffung der Handels verträge und den Zolltarif. Schon wiederholt haben wir darauf hingewies n, daß die Handelsbilanz verbessert werden muß. Die Absatzgebiete mässen erweitert werden, indem wir den Inlandskonsum pon der ausländischen Produktion möglichst unabhängig machen. Das ist besonderz bei, kriegerijchen Verwicklungen von größter Bedeutung. Schon in früheren Jahren habe ich darauf hingewiesen, daß es notwendig sei, daß zur Hebung der Handelsverhältnisse im Uus⸗ lande die Konsulaisbeamten eine bessere Auebildung erfahren als bisher. Ich hitte den Minister um Auskunft darüber, in welchem Umfange dies bie her geschehen ist und wie sich eine bessere Ausbildung in der Praxis bewährt hat. Wir wünschen ferner Vermehrung der Handels— sachverständigen im Auslande. Bei der Durchführung der Zollgefetze ist von Wichligkeit. daß die Ausbilzung der lechnischen Zollbeamten eine bessere ist. Wir müssen zum mindesten fordern, daß die Dekla— ration eine richtige ist, damit der reelle Handel konkurrenzfähig er halten bleibt. Zur Vorbereitung der künftigen Handelspberiräge veilangen wir eine umfassende Produktionsstatistik im In— lande und Erhebungen über Prodüktionsverhältnisse in fremden Staaten. Bezüglich der Ecneuerung der Syndikate wünschen wir, daß die Regierung alles tut, damit die großen Ver— bände, namentlich der Stahlwerksverband, wieder ernenert werden. Von Wichtigkeit ist, daß eine eigene Rheinmündung geschaffen wird. Leider ließt das Projekt noch in sehr weiter Ferne. Das ist um so bedauerlicher, als 1914 der Rhein-Hannoverkanal beendet sein wird. Die Schiffahrtsve hälinisse auf dem Rhein bedürfen einer Neu regelung. Die Bestimmungen, denen sich die Schiffer zu unter— werfen haben, sind außerordentlich scharfe. In den Ruhrhäfen und in den Seehäfen muß bei Tag und Nacht geladen und gelöscht werden. Die Schiffer müssen sich verpflichten, an der angewiesenen Stelle ihr Schiff ladebereit zu hatten und auch Sonntag zu 1löschen. Daß die Schiffer ganz außerordentlich ausgebeutet werden, gibt auch die „Frankfurter Zeitung“ zu, die wörtlich schreibt, daß bei diesen traurigen Verhältnissen der Schiffer dem sicheren Untergange entgegengeht. Wr fordern, daß eine gesetzliche Regelung der Nacht- und Sonntags⸗ ruhe erfolgt, Eist wenn dies geschehen ist, wird diese Ausbeutung der Arbeitsklaft beseitigt werden. Der Minister hat der Deutschen Erdölaktiengesellschaft eröffnet, daß er ihre Aktten an der Börse nicht zu lassen werde, solange die Verhandlungen über das Petroleum monopol schweben. Das ist auffallend, weil man bisher noch nie so vor— gegangen ist. Wir bitten um Aufklärung. Wir begrützen, daß end⸗ lich das Wohnungsgesetz veröffentlicht worden ist und in der nächsten Session enngebracht werden wird. Meine Freunde werden bereit sein, an dem Wohnungsgesetz nach Kräften mitzuarbeisen. Gefreut hat es unß auch, daß die Königliche Porzellanmanufaklur einen so günstigen Aoschluß gehabt hat. Im allgemeinen müssen wir darüber klagen,
daß auf dem Gebiete des Kleingewerbes zu wenig geschieht. Ich halte
es für bedauerlich, daß wir fast in jedem Jahre dieseiben Klagen wieder— holen müssen. Ich bitte die Regierung, daß sie nun endlich die Förde— rung des Kleingewerbes energisch und zielbewußt in die Hand nimmt. Der heimliche Warenhandel hit einen außerordentlich großen Umfang angenommen. Es wäte an der Zeit, wenn der Minister endlich dagegen vorgeht., Unter dem Verbot der Benutzung der Boden- und Keller⸗ räume für gewerbliche Arbeiten leiden nicht nur die Handelsgewerbe, sondern auch die produzierenden Gewerbe, eine ganze Reihe von Ge⸗ werben und mit ihnen die Arb iter, die in den Giagenräumen nicht genügend Licht für ihre Arbeiten haben; die, oberen Fiagen leiden unter den aus den unteren Geschossen aufsteig nden Dämpfen. Die Kleinhandelsausschüsse funktionieren noch nicht richtig, die Klesn, handelskreise wünschen, daß diese Ausschüsse nicht ernannt, sondern gewählt werden. Wir haben uns viel um bas Handwerk
bemüht, namentlich durch die Anträge unseres Freundes Trimborn aber die Klagen des Handwerks werden noch immer er⸗ hoben. Das beste in das Handwerk zu fördern, ist 4. B. die richtige Kreditgewährung. Lebhaft klagen die Handwerker über die Stadtkonkurrenz, die Städte nehmen viele Arbeiten in eigene Regie, ja die stäbtischen Betriebe machen den Handwerkern fogar da⸗ durch Konkurrenz, daß sie für Private Arbeiten übernehmen. Daß das Gemeinwesen auf die einzelnen keine Rücksicht nehmen kann, ist ein überwundener Standpunkt, es muß hier den städtischen Betrieben ein energisches Halt geboten werden. Die Klagen über die Bãckerei⸗ verordnung und ihre rigorose Handhabung reihen nicht ab; wir bitten jedenfalls den Minister, daß mit möglichster Schonung verfahren werde. Im allgemeinen müssen wir wünschen, daß für das Handwerk mehr geschieht, daß der Mittelstand gefördert wird. Für die Arbeiter ge⸗ schieht sehr viel, für das kleine Gewerbe fehlt noch vieles. Das Rektlame⸗ wesen nimmt einen unglaublichen Umfang an; aus meinem Wahlktreise sind mir viele Retlamen zugegangen, die Auswüchse des Reklamewesens sind. Die Handelskammer in Bochum hat beantragt, das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb dahin zu ändern, daß das Angebot von Ge⸗ schenken verboten wird. 6 ß Abg. Dr, Schroeder ⸗Cassel (nl): Auf die Genossen⸗ schaft, frage wird später mein Freund Schifferer zurückkommen. Die Einführung der Reichsversicherungsordnung erfordert in dem Handelsministerium ein großes Maß von Arbeit, die Ein⸗ führungsarbeiten sind bisher glatt verlaufen, aber es besteht doch vielfach eine große. Rechtsunsicherheit, man weiß vielfach nicht, wie man sich mit dem neuen Gesetz abfinden soll. Namentlich bezüglich der. Angestelltenversicherung besteht große Nechtsunsicherheit und wir bitten den Minister, möglichst für Aufklärung, zu sorgen. Die preußische Regierung ist danken werter Weise den Landesbersicherungsanstalten bei der Auseinander⸗ setzung mit den neuen Versicherungsämtern sehr entgegengekommen. Die Reichspersicherungsordnung ist so kompliziert und umständlich, daß durch sie kaum ein besserer Rechtszustand herbeigeführt worden ist. Das Rechtsmittel des Rekurses ist beseitigt worden, um das Reichs⸗ versicherungsamt zu entlasten; dadurch fällt die Nachprüfung der ganzen Rentensachen durch das Reichsversicherungsamt leider fort. Die Ent astung des Reichs bersicherungsamtz hätte sich wohl auch auf anderem Wege erreichen lassen. Ich möchte wönschen, daß der Termin des 1. Januar 1914 für das Inkrafttreten der Krankenversicherung mög⸗ lichst innegebalten wird. Das Proportionalverfahren nach der Reichs⸗ versicherungsordnung erscheint mir höchst zweifelhaft, es ist viel zu schwierig, und ich kann mich damit nicht einverstanden erklären. Perr. Grunenberg wünscht die Errichtung einer Kleinhandels— berufsgenossenschaft, dieser Wunsch ist aber bereits erfüllt, das Statut ist ausgearbeitet; ebenso ist eine Gärtnereiberufsgenossenschaft ge—⸗ bildet worden. Die Gärtner haben den Wunsch gehabt, daß sie nicht einer anderen großen Berufsgenossenschaft, d. h der landwirtschaft⸗ lichen Berufsgenossenschaft, angegliedert werden; das hat man als be— rechtigt anerkannt, und ich wünsche den Gärtnern, daß sie mit ihrer Berufsgenossenschaft zufrieden sein können. Die Möglichkeit der Bildung der Landkrankenkassen ist reichsgesetzlich ge⸗ währleistet, und meine Freunde bitten den Minister, daß er in dieser Hinsicht keine Schwierigkeiten in den Weg legen möge. Er hat das ja auch in der Kommission erklärt. Die Entscheidung über die Landkrankenkassen liegt jetzt bei den lokalen Behörden. Der neue Wehnungsgesetzentwurf ist schwer zu verstehen, man muß überall Vergleiche mit bestehenden Gesetzesterten vornehmen; der Minister sollte uns eine Gegenüberstellung des neuen Textes mit den geltenden gesetzlichen Bestimmungen vorlegen. Der frühere Ges tzentwurf von 1904 ist von allen Seiten zerzaust worden. Der jetzige Entwurf bringt wesentliche Abschwächungen des früberen, die ich nur beklagen kann. Es wird zu prüfen sein, ob diese Ab⸗ schwächungen richtig sind, wenn auch zuzugeben ist, daß der frühere Entwurf zu weit gegangen ist. Der Reichstag hat eine Wohnungekommission eingesetzt, in der alle Parteien vertreten sind, und diese Kommission hat einstimmig den Erlaß eines Reichs— wohnungsgesetzes gefordert. Auch die Konservativen und die Freikonservatiben haben dafür gestinimt. Das in bemerkenswert gegen— über den Angriffen des Freiberrn von Maltzahn auf den Reichstag. Wenn auch die Zuständigk it des Reiches nicht bestritten werden kann, so h lten meine Freunde es doch für erwünscht, daß die Bundesstaaten auf diesem Gebiete vorgehen. In enger Ver— bindung mit der Wohnungsfrage steht das Hypothetenwefen. Um den Hausbesitzern die Beschaffung von Hypotheken zu erleichtern, halten wir es für notwendig, daß Pfandbtiefanstalten errichtet werden. Gegen die Zulassung der Orb gätionen der Deutschen Erdöl aktiengesellschaft an der Börse hat der Minister Bedenken erhoben. Ich wäre dem Minister sehr dankbar, wenn er hier an dieser Stelle auf die Gründe eingehen würde, die ihn zu seiner Stellung— nahme veranlaßt haben. Das Verhalten des Ministers ist auf— falle d, weil er früher in der Frage der Zulassung von Aktien an der Börse noch nie eingegriffen hat. Er hat auch selbst gefagt, daß er dies nur im äußersten Notfalle tun weide. Wir wünschen, daß die Konsumvereine gegenüber dem Kaufmannsstand in steuerlicher Beziehung nint bevorzugt werden. Wir verlangen insbesondere, daß die aufgespeicherten Rabatte auch versteuert werden follen. Ich hoffe, daß bei der Beratung der Einkomme, steuernobelle diese Fage ge— regelt wird. Mit der Handhabung der Bäckereiverorknung ein Preußen sind wir nicht einperstanden. Bei der Konzessionierung sollten die gesetzlichen Bestimmungen milder gehandhabt werden. Weiter wünschen wir eine Beseitigung des F io d der Gewerbe— ordnung, der Mindestpreise für das Handwerk vorschreibt, weil durch diesen Paragraphen eine unnötige Bevormundung des Hand— werks herbeigeführt wird. Mit einer schärferen Hanthabung des Bauschutzgesetzes werden wir wahrscheinlich nicht weiter kommen. Es ist eine Enquete veranstaltet worden über die Subhastationen an einer Reihe von Gerichten. Wie ich höre, sollen die Ergebnisse dem Statisttschen Landesamt zur weiteren Bearbeitung übermittelt worden sein. Es wird interessant sein, zu hören, wie das Ergebnis aus— gesallen ist Ich habe die Befürchtung, daß die Erhebungen keine sichere Grundlage ergeben. Schon früher ist darauf aufmerkfam gemacht worden, daß bei den Zwangsversteigerungen ein großer Teil des Forderungsnachweises nicht in Erscheinung kritt, weil die For— derungen nicht eingetragen sind, wegen der Ueberlastung des Grundstückes. Ueber die Handhabung der neuen Sub missions⸗ bestimmun gen werden viel Klagen laut Ich bitte den Minister um Auskunft, wie sich das Submissionsamt in Leipzig bewährt hat. Es ist behauptet worden, daß dieses Submissionsamt auch schon selbst als Konkurrent aufgetreten sei. Wenn das wahr ist, so würde ich das sehr bedauern, denn das Sub— missionsamt soll doch nur eie Vermittlungsstelle sein. Da dle Handwerkskammern aus eigener Kraft Submissiongämter nicht schaffen können, glaube ich, daß die Regierung die Sache in die Hand nehmen muß. Vielleicht wäre es angebracht, in den nächsten Etat ie erforderlichen Mittel zu diesem Zweck einzustellen. Meine Freunde sind bestrebt, soweit es in ihren Kräften steht, mitzuhelfen zur Förderung des Handwerks und Kleingewerbes. Es besteht kein Zweifel darüber, daß der Mittelstand das stärkste Bollwerk gegen die So sialdemokratle ist. Die Stärkung des Mittelstandes ist baher eine Lebensfrage des Tageß. Wenn wir uns alle Mühe geben, zur Stärkung des Mittelstandes beizutragen, dann hoffen wir, daß auch die Regierung ihrerseits nach allen Kräften dazu beitragen wird.
Minister für Handel und Gewerbe Dr. Sydow:
Zu den letzten Worten des Herrn Vorredners kann ich mich durchaus zustimmend erklären. Ich bin mit ihm und auch mit dem Herrn Abg. Hammer durchaus darin einderstanden, daß wir das Handwerk gerade da, wo es mit selner Selbsthilfe nicht mehr durch⸗ kommt, staatlich unterstützen müssen. Freilich muß nebenher auch die Selbsthilfe des Handwerks auf den ihr zugänglichen Bahnen fort⸗ schreiten, damit das Handwerk auf gesunden Beinen und nicht auf Krücken läuft.
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Eine Reihe von Fragen, die von den drei Herren Vor rednern angeschnitten sind, möchte ich schon jetzt in diesen Stadium der Erörterung beantworten, obwohl ich voraut. sehe, daß die Redner, die nach mir sprechen wollen sie auch auf ihrer Vorbereitungsliste haben. Das sind Fragen, die alljährlich wiederkommen. Aber wenn ich mich zu ihnen jetzt erklare ist es vielleicht möglich, die Debatte der nach mir Sprechenden etwa⸗ abzukürzen, da ich in dem einen oder anderen Punkte Erklärungen abgeben kann, die den Herren Vorrednern und den nach mir Sprechenden, wie ich denke, genügen werden.
Ich möchte anfangen mit der Frage des Submissions verfahrens und der Submissionsämter. Ich bitte aber, gleich die Frage des Submissionsverfahrens ausscheiden zu dürfen, da ste beim Ministerium der öffentlichen Arbeiten zu verhandeln ist. Dagegen geht mein Ressort die Frage der sogenannten Submissionsämter an. Der Herr Abg. Dr. Schroeder (Cassel) hat ganz richtig vernommen, daß mein Referent kürzlich in Leipzig war, um sich an Ort und Stelle über das Funktionieren des dortigen Submissionsamts zu unterrichten, das sich wie bekannt, an die Mittelstandsvereinigung anschließt. Die Zeit ist wohl noch zu kurz, um ein endgültiges Urtell über die Erfolge, die mit der dortigen Einrichtung erzielt sind, zu fällen. Sie besteht erst drei Jahre. Sie hat mit Unterstützung der sächsischen Regierung sich nicht vergeblich bemüht, die Handwerker zusammenzuschließen, um sie, was der einzelne nicht konnte, an Submissionen zu beteiligen. Auf die Weise sind in diesen drei Jahren für 300 000 „ Aufträge an dortige Handwerker gekommen, eine immerhin ganz hübsche Summe, wenn sie auch nicht übermäßig hoch erscheint, sobald man daneben die Kosten der Einrichtung vergleicht. Die Kosten werden ausschließlich von der Königlich sächsischen Staatsregierung bezahlt, und diese Zuschüsse haben in den ersten 3 Jahren 51 5o0 (S6 betragen. Für das Jahr 1913 sind 30 000 in Aussicht genommen.
Einmal hat das Submissiongamt den Versuch gen acht, einen größeren Auftrag sfelbst auszuführen. Das ist aber mißlungen. Es hat sich herausgestellt, daß das Submissiong— amt sich nach unten verkalkuliert hat. (Heiterkeit, Also das kann man daraus lernen: solche Submissionsämter sollen sich nicht selbst mit der Ausführung von Arbeiten beschäftigen. (Sehr richtig) Im ganzen darf man aber aus den kritischen Bemerkungen nicht folgern, als sel der Leipziger Vorgang erfolglos gewesen; er hat in seinen Grenzen immerhin einen gewissen Erfolg gehabt.
Nun liegt jetzt, wie Herr Hammer erwähnt hat, der Handwerkskammer in Breslau er sprach auch von Stettin, eine solche Vorlage ist mir noch nicht zugegangen ein von ihm angeregter Vorschlag vor in Angliederung an die dortige Handwerkskammer eine Submissionsstelle zu er— richten, deren Aufgabe folgende sein soll. Sie soll zunächst die Kenntnis zu erlangen suchen von allen Ausschreibungen, die im Bezirk vorkommen, was sich ja durch behördliche Anordnungen sehr leicht erreichen läßt. Sie soll den ausschreibenden Stellen Voischläge über die Fassung der Bedingungen machen. Sie soll dann aber vor allen Dingen mit Handwerkern in Verbindung treten, um sie zur Ausführung der Aufträge heranzuziehen, soll die einzelnen verbinden, sei es zu Lieferunasverbänden, oder sei es unter Umständen zu Ge— nossenschaften. Es kann auch sein, daß den Innungen als solchen Aufträge zugeschrieben werden können. Dann soll die Submissionsstelle Sachverständige auswählen, die den Bebörden auf Wunsch gute Di enste leisten können. Sie soll Preistarife aufstellen, die auch den Behörden als Anhalt für ihre Ausschreibungen zur Ver⸗ fügung gestellt werden, und sie soll endlich auf Mißstände im privaten Submissionswesen achten und sie abzuftellen suchen. Im ganzen soll also diese Submissionsstelle eine vermittelnde Stelle sein, die nicht eine Kontrolle über die Behörden beansprucht, sondern die auf ein
vertrauensvolles Zusammenwirken zwischen den ausschteibenden Be
hörden einerseits und den zu Verbänden zusammengefaßten Hand⸗ werkern andererseits abzielt.
Ich muß sagen, dieser Vorschlag scheint mir so maßvoll und ver ständig zu sein, daß man ihm praktisch wohl wird näher treten können. (Bravo! Es wird zunächst eins vermieden, was in meinen Augen ein Fehler der technischen Einrichtung sein würde, daß man nämlich neben die gesetzliche Organlsation des Handwerks noch eine andere Otganisation stellt. Ich würde mich nie darauf einlassen, solche Einrichtungen neben den gesetzmäßigen Vertretungen des Handwerks zu begünstigen. Ste sollen sich an die Handwerks⸗ kammern anlehnen, die dazu berufen sind, das Handwerk zusammenzufassen. Sie wissen ja, seit Jahren sind die Bestrebungen des Hauses und auch die des Handelsministers darauf gerichtet worden, daß andere Behörden bei Ausschreibungen Verbände von Hand⸗ werkern zu schaffen suchen und diese mit der Ausführung der Auf träge betrauen. Diese Bestrebungen sind immer daran gescheitert, daß die Handwerker sehr schwer zusammenzubringen sind. Dazu gehört eben jemand, der weiß, wo die geeigneten Leute sind. Das können aber wieder am ersten Leute finden, die von den Handwerkskammern dazu ausgewählt sind. Es erscheint am zweckmäßigsten, daß die Handwerkskammer einen Ausschuß bildet, in dem erfahrene, viellelcht frühere Handwerker, auch Kaufleute, kurzum Leute, die Sachkunde auf dem Gebet der Lieferung haben, zusammen sind und dann gegebenenfalls, wenn eine Ausschreibung kommt, sich sagen können: an der und der Stelle sitzen geeignete Handwerker, die wollen wir nun einmal heranholen und zusammenzubtingen suchen. Ich glaube, daß es in dieser Weise am besten geht.
Aus dem sächsischen Beispiel kann man entnehmen, daß sonst leicht die Gefahr entsteht, daß dle Orgaaisasionskosten unverhältnis⸗ mäßig hoch werden, daß die Sache teurer veranlagt wird, als nötig und zweckmäßig ist. Ich denke mir die Sache also so: Von der Handwerkskammer in Breslau würde eine folche Submissionsstelle eingerichtet werden, zu der die Handwerkskammer aber auch selbst einen Kostenbeitrag gibt — das will sie ja auch. Sie würde dann aus den Mitteln des Handelsmintsterlums elnen Zuschuß bekommen. Wenn das Ganze als Versuch behandelt wird, so glaube ich in der Lage zu sein, aus dem Fonds „Zuschüsse zu den Veranstaltungen der Handwerkölammern usw. der Kammer für ein, zwei oder drei Jahre einen Zuschuß in Aussicht stellen zu können. (Brapo) Daz Ganze wollen wir als einen Verfuch ansehen. Bewährt er sich, dann mag das in anderen Bestrken nachgemacht werden. Allzu groß dürfen die Bezirke nicht sein. Von einem zentralisierten 6. missionsamt für Preußen kann gar kelne Rebe sein. (Sehr richtig) Ob sich die Bezirke genau mit dem Bezitk einer Handwerkskammer
nüd
vder mit dem Bezirk mehrerer Handwerkskammern, etwa mit dem der robin, decken sollen, das muß die Erfahrung lehren. Ich glaube, nenn wir so vorsichtig vorgehen, haben wir die Auesicht, etwas Vernünftiges zu schaffen, die Handwerker zu unterstützen und doch nie eigene selbsttätige Mitarbeit dabei nicht lahm zu legen. (Bravo h ö Dann komme ich auf etwas, was uns hier auch schon oft beschäf— igt hat: die Einführung des zweiten Teils des Bausicheru ngs⸗ Esetz es. Die Herren kennen ja die Bedenken, die ich früher dagegen „lend gemacht habe und die im wesentlichen dahin gehen: ich be— achte, daß, wenn wir den Teil ? des Gesetzes eingeführt haben, das mne Bauwesen in die Hände der Baubanken fallen wird (sehr
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ichtig!⁊ links), weil diese die unbequemen Bestimmungen mit der Puusicherungshypothek vermeiden können, indem sie eine Kaution
sterlegen, und daß auf die Weise die Selbständigkeit Handwerker gefährdet werden könnte. (Sehr richtig! Ich bin auch von dem Bedenken noch nicht ganz gehellt. ber auf der andern Seite sehe ich, daß die beiden Häuser des Land— uns ben Wunsch haben, einmal einen Versuch mit der Einführung z jweiten Teils zu machen. Deshalb habe ich mich im vorigen ahre bereit erklärt, der Frage näher zu treten, und habe zunächst schebungen in fünf Städten veranlaßt, nämlich in Groß Berlin, BHreßlau, Cöln, Slettin und Kiel Hier sind mit Hilfe des Statistischen Landeßamts zunächst bei den Gerichten Erhebungen gepflogen über die uste der Bauhandwerker und Baulieferanten bei den hastationen aus den Jahren 1969 bis 1911. Den Sub— haftationsfällen ist im einzelnen nachgegangen worden. Ein wiklich juteichendes Material, wie wir es brauchen, kann man aber auf die Wesse nicht bekommen ohne Mitwirkung der Bauhandwerker selbst. Ehe solche Fühlung zwischen dem Statistischen Landesamt und den Bauhandwerkern hat zunächst für Groß Berlin stattgefunden. Bei den anderen Städten war es einfach wegen der Größe der Arbeitslast nicht gleichzeltig möglich. In Berlin ist unter dankenswerter Mit— virkung der Handwerkskammer und der Handwerker selbst durch eine Umfrage bei rund 12 000 Beteiligten ermittelt worden, wie hoch sch nun die Ausfälle der Bauhandwerker und Baulieferanten wirklich belaufen, wie weit diese auf nichteingetragene Forderungen Aukfälle gehabt haben, was etwa an eingetragenen Forderungen auß— gefallen, was anderweit gedeckt ist. Es ist auf die Weise ein um— fasendes Material zusammengekommen, daß jetzt der Bearbeitung unterliegt. Das Statistische Landesamt hat noch weitere Absichten. Cs will aus dem Material sozusagen eine Studie über die Ursachen des Bauschwindels in Berlin in den drei Jahren herausentwickeln.
Das wird ein sehr wertvolles Material sein. Es ist aber auch viel Arbeit
dazu nötig, und es wird beim Statistischen Landesamt unter Zuziehung von hilfekräften mit aller Anstrengung daran gearbeitet. Die Hoffnung, bis zum Januar d. Is. das verarbeitete Material schon hier vorlegen mu können, ist nicht erfüllt; aber es ist Grund anzunehmen, daß wir in elwa ? Monaten das ganze Material wenigstens für Groß Berlin serig haben werden. Ein solches Material muß man wenigstens häben, ehe man der Frage, ob nun wirklich der zweite Teil des Ge— scht einzuführen ist, entscheidend näher tritt. Denn nach dem Gesetz sind darüber zunächst die Handwerkskammer, die amtliche Handels—« bertrenng und die Gemeinde zu hören, und denen muß man doch sichere, zuberltssige Tatsachen an die Hand geben. Wenn also das Material mir borliegt, so werde ich vorautsichtlich diefe Organisationen über die Frage zu hören haben, wie es das Gesetz vorschreibt, und muß mir natürlich die weitere Entscheidung so lange vorbehalten, bis ich deren Aeußerungen gelesen habe. Wenn man für die anderen Städte auch an die Frage der Einführung herangehen will, sollte man in gleicher Weise mit den Handwerkerkammern zusammen die Zahlen prüfen. Ich bemerke übrigens, daß Bayern ähnlich vorgeht, daß aber noch immer kein einziger Staat im Deutschen Staate die Courage gehabt hat, den zweiten Teil des Bausicherungsgesetzes in Kraft zu setzen. (Hört, hört!)
Die von Herrn Hammer berührte Frage der Taxämter steht damit in gewissem Zusammenhange, und es wäre erwünscht, daß, falls man zur Einführung des zweiten Teils kommt, bereits Tax⸗ imter vorhanden wären, denen man die Funktionen des Bauschöffen⸗ amts übertragen könnte. Aber ich kann heute noch nicht sagen, ob
schwiertige Frage der gesetzlichen Regelung des Taxierungswesens
schon so weit gediehen ist, daß darauf gerechnet werden kann, daß bald eine Vorlage an den Landtag kommt. Die weitere Durchführung des 5 35 Abs. 5 der Gewerbe— otdnung möchte ich doch im Auge behalten. Ich gebe vollkommen zu, daß das kein Radikalmittel ist, aber etwas hilft es doch. Wenn Sie sich die Zahlen ansehen, so sind infolge der von hier aus— gegangenen Anregungen doch seit 1910 in Preußen in 116 Fällen Untersagungen des Gewerbes als Bauunternehmer erreicht worden. Das Verfahren schwebt noch in 132 Fällen, und in 353 Fällen haben die Leute, ehe es zur Untersuchung kam, frelwillig den Betrieb eingestellt.
Der erste Teil des Bausicherungsgesetzes wird, glaube ic, unbeschadet der Einführung des zweiten Teils doch noch ver— besserungsfähig sein. Man wird einmal doch der Frage näher treten müssen, ob die Nichtführung der Baubücher nicht absolut unter Strafe u stellen ist. (Abg. Hammer: Sehr richtig Jetzt werden die zur zührung eines Baubuches Verpflichteten erst bestraft, wenn sie ihre zihlungen eingestellt haben oder der Konkurs über ihr Ver⸗ gen eröffnet ist, also wenn es zu spät ist. Zweitens, ob man icht irgend einer Instanz die Möglichkeit der Kontrolle der Bau— öicher übertragen soll. (Sehr guth Jetzt fehlt die gesetzliche Hand— habe dazu.
Ich komme nun noch kurz zu den Fragen, die in der denkschrift des Handwerker, und Gewerbekammertages er⸗ dttert werden, und möchte auch hier meine Freude und Genug⸗ hung darüber aussprechen, daß sich die organisierten Ver⸗ dnl der Handwerker die Mühe gemacht haben, in dieser denkschrift alle schwebenden Fragen in einer wirklich vortrefflichen klarheit und Vollständigkeit im Reichstage und Bundesrat vorzu— mn. (Bravo) Et ist die Absicht, im Wege einer Novelle . Gewerbeordnung eine Reihe von Fragen zu regeln. Im
eichtsamt des Innern ist zurzeit der Entwurf einer Hand
derkerno velle in Vorbereitung, bei deren Ausarbeitung alle enden Dandwerkerfragen, insbesondere auch die, welche ö ,,, erörtert sind, eingehend geprüft werden sollen.
ufo en binnen kurzem zwischen den beteiligten Ressorts kom sche Beratungen flattfinden, an die sich dann Besprechungen
en beruf enen Vertretern des Handwerks anschließen sollen. Bei
der weiteren Beratung der an den Reichstag kommenden Vorlage werden die einzelnen Streitfragen noch eingehend zu erörtern sein.
Wenn sich die Sache so lange hingezbgert hat, liegt das wirklich nur an der Schwierigkeit der Fragen.
Ich will nur die drei Punkte erwähnen, die heute besprochen sind. In der Frage der Abgrenzung von Fabrik und Handwerk sind wir uns wohl alle — Handwerk und Regierung — einig, daß gesetzlich die Merkmale nicht festgelegt werden können, daß es im wesentlichen darauf ankommen wird, die Zahl der Instanzen zu vermindern; jetzt können es die Gerichte, die Verwaltungsgerichte und die Ver— waltungsbehörden sein. Man wird die Gerichte, schon weil Bestrafungen vorkommen können, nicht ganz ausschalten können, aber man kann die beiden anderen Instanzen, Verwaltungsgericht und Verwaltungsbehörden, vielleicht in irgend einer Weise zu⸗ zusammenlegen. Ebenso schwer ist die Frage der Beiträge,
welche die Großbetriebe zu den Kosten der Lehrlings⸗ — ausbildung zahlen sollen, zu lösen. Bei der Besprechung, die
voriges Jahr im Reichsamt des Innern mit Vertretern des Hand⸗ werks stattgefunden hat, ist man ja darauf hinausgekommen, man wolle suchen, im Wege der Verftändigung jwischen Handwerks- und Handelskammern Belträge von beiden Seiten zu geben, um gewisse, für Lehrlinge im Handwerk und für junge Leute im Großbetriebe gemeinschaftliche Einrichtungen, z. B. Jugendheime, Fachschulen, für gemeinschaftliche Rechnung zu schaffen, und man muß abwarten, wie weit das führt.
Was den 5 1004 betrifft, so steht der Herr Abg. Dr. Schroeder — das hat er ja schon im vorigen Jahre getan — auf dem Standpunkte, wenn das Handwerk die Beseitigung des 8 1004 abfolut haben will, dann soll man den Einwand, den auch der verstorbene Abg. Jacobs⸗ kötter machte, sie würde voraussichtlich nicht zum Segen des Hand⸗ werks ausschlagen, auf sich beruhen lassen.
Die Sache hat aber noch eine andere Seite. Glauben die Herren wirklich, daß es gut täte — und der Erfolg würde eintreten, wenn der 5 1009 gestrichen würde —, zu sanktionieren, wenn 3. B. eine Zwangsfleischerinnung nun die Fleischpreise für einen Ort festsetzt, ohne das etwas dagegen zu machen ist? Ich glaube, mit einer Streichung schlechtweg ift da nicht zu helfen; das muß mit großen Kautelen geschehen. Wie die Kautelen zu treffen sind, darüber bin ich augenblicklich nicht in der Lage, Vorschläge zu machen. Der Widerstand, der hier gegen die Aufhebung des 5 1004 geleistet ist, geschieht wirklich nicht aus Engherzigkeit, sondern ich möchte sagen, weil es auch noch andere Menschen als Handwerker gibt. (Sehr gut! — Heiterkeit).
Was die Wanderlager betrifft, so kann ich Herrn Abg. Hammer mitteilen, daß zwischen dem preußischen Ressort und dem Reichsamt eine Verständigung darüber erzielt ist, daß eine Ergänzung der Gewerbeordnung vorgeschlagen werden soll, wonach die Zulassung von Wanderlagern in gewisser Welse vom Bedürfnis abhängig gemacht werden soll. (Bravo) Ste ist noch nicht an den Reichstag gelangt, weil eine Reihe von Fragen zur Gewerbeordnung gemein⸗ schaftlich durch eine Novelle zur Entscheidung gebracht werden soll.
Die Kleinbandelsausschüsse haben, selt ich mich im Jahre 1912 darüber äußern konnte, weitere Fortschritte gemacht. 1911 waren deren 45 vorhanden und 5e in der Bildung begriffen, jetzt sind 62 vor⸗ handen. Nun hat Herr Abg. Grunenberg gemeint, man solle doch die Kleinhandelsausschüsse wählen, nicht ernennen lassen — ernennen, ist wohl gemeint durch die Handelskammern. Das geschieht schon zum großen Teil. In 40 Fällen erfolgt die Wahl der zum Klein— handelsautzschuß gehörende Mitglieder durch direkte Wahlen der Gewerbetreibenden oder durch Mitwirkung — Präsentatton zur Wahl — der Fachvereine, Kommunalvertretungen oder anderer Wahl⸗ körper, und nur in 16 Fällen erfolgt die Wahl durch die Handels⸗ kammer selbst. Eine direkte Einwirkung darauf, daß diese 16 Falle anders geregelt werden, steht mir nicht zu.
Die schwierige Frage der Sonntagsruhe und der Nacht⸗ ruhe im Binnenschiffahrtsgewerbe, bildet selt einiger Zeit den Gegenstand der Verhandlungen zwischen den Beteiligten, den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern. Es ist big jetzt leider nicht gelungen, eine Uebereinstimmung zwischen ihnen zu er— zielen. Die amtliche Regelung auf der Gewerbeordnung wird deshalb erwogen. Sie ist aber nicht ganz einfach zu bewirken. Insbesondere ist es zweifel. haft, ob man auf Grund der Gewerbeordnung für die Schiffahrts— betriebe, die doch zum Verkehrsgewerbe gehören, Bestimmungen über die Sonntagsruhe erlassen und ob man auf dieser Grundlage die von den Schiffern gewünschte objektive Ruhe für das ganze Schiff für Nacht und Sonntag vorschreiben kann.
Die Bäckereiverordnung gehört ja auch zum stehenden In⸗
ventar der Etats debatte beim Etat der Handels⸗ und Gewerbeverwaltung.
Einer der Herren Vorredner sagte: die Klagen wollen nicht verstummen. Ich glaube, sie werden auch nicht verstummen, so lange noch eine Bäckerei im Betriebe ist, die den Anforderungen, die an sie gestellt werden müssen, nicht entspricht, weil ja immer der Haus— besitzer das Interesse hat, dieses Lokal möglichst lange verwerten zu können. Aber ich glaube auch, in dieser Beziehukg ein gewisses Ent⸗ gegenkommen in Aussicht stellen zu können. Es ist richtig, daß man — es war wohl im Jahre 1909 — zunächst im Handelsministerium davon ausging, die Dispense nur auf Zeit zu erteilen. Das lag aber hauptsäͤchlich an der Neuheit der Sache. Man glaubte, damit etwas mehr darauf drücken zu können, daß die dispensierten Be⸗ triebe nun alles täten, um die Räume den hygienischen An⸗ forderungen entsprechend auszugestalten. Jetzt ist eine Reihe von Jahren verflossen. In Groß Berlin sind — vielleicht interessieren die Zahlen — von 2777 überhaupt vorhandenen Bäckereien 2110 als vor— schrlftsmäßig oder nahezu vorschriftsmäßig befunden 10orden. Auch alle nahezu vorschrlftsmäßlgen haben dauernden Dispens bekommen. Es blieben 667 Bäckereien, die erhebliche Abweichungen von den Vor— schriften der Bäckerelverordnung aufwiesen. Davon haben 375 be- fristeten Dispens bekommen, ohne daß ein Umbau nötig war, und 291, nachdem in ihnen Verbesserungen durch einen Umbau herbeigeführt worden sind.
Nun wird man keinesfalls so weit gehen können, was zeitweilig das Schlagwort in den Kreisen der Bäcker war, die rückwirkende Kraft der Verordnung aufzuheben, das hieße mit anderen Worten auf alle Bäckereien, die bel der Bekanntgabe der Verordnung schon be— standen, die Verordnung überhaupt nicht anzuwenden. Das würde ein solcher Verzicht auf die notwendigzsten Verbesserungen sein, daß ich glaube, kein Mensch könnte das billigen. Nachdem nun aber
Grund des 5§ 120
alle Backereien daraufhin geyrüft worden sind, ob sie den Anforderungen entsprechen, und nachdem erhebliche Ver⸗ besserungen erfolgt sind, wird man, glaube ich, jetzt, wo die zunächst bewilligten Autnahmefristen zu Ende gehen, mit der Gewährung dauernder Dlspense, das heißt solcher, die bis zu einem größeren Umbau oder einem Erwelterungsbau reichen, weit⸗ herziger sein können. (Bravo! Man wird, wenn man sich sagt „»die Abweichungen sind nicht unerträglich, daz mögliche ist geschehen, der Mißstand der bleibt, ist nicht gar zu groß‘, den Dispens auf die Dauer, d. h. solange bis der Umbau erfolgt, verlängern können. Es wird natürlich Fälle geben, wo die Mißstände immer noch so groß sind, daß man eigentlich die Bäckerei gleich schließen müßte. Auch dann aber können noch persönliche Rücksichten in der Person des Hausbesitzers oder des Bäckereiinhabers vorliegen, die eine Verlängerung des Fristdispenfes auf kurze Zeit angezeigt erscheinen lassen. Deshalb wird man immer mit einer Erteilung von Frist⸗ dispensen weiter zu rechnen haben. Ueberall, wo man den Dis pens dauernd gewährt, muß natürlich im Wege der Aufsicht darauf gesehen werden, daß die Reinlichkeitsvorschriften strengstens befolgt werden (sehr richtig ); wo das nicht geschieht, muß mit Strafen eingesetzt werden. Das sind wir sowohl den Arbeltern als auch dem konsu— mierenden Publikum schuldig.
Alle meine Bemerkungen beziehen sich natürlich nicht auf solche Bäckereien, die den baupolizeilichen Vorschriften nicht entsprechen: für sie kommen in erster Linie die Disvpens⸗ vorschriften in Betracht, die für den Dizpens von baupolizeilichen Vorschriften gelten.
Der Herr Abg. Dr. Schroeder (Cassel) hat auch die Ver sicherungsgesetzgebung des Reiches hier berührt. Ich habe nur zu einem Punkt in der Beziehung eine Erklärung abzugeben, betreffend die Landkrankenkassen. Da kann ich nur nochmals das wiederholen, was ich in der Kommlssion gesagt habe: seitens des Ministeriums für Handel und Gewerbe wird die Einrichtung der Landkrankenkassen in keiner Weise erschwert. Wir gehen in der Be⸗ ziehung Hand in Hand mit dem Landwirtschaftsmiristerkum, das in erster Linie dafür zuständig ist.
Die Frage der Besteuerung der Konsumvereine und Rabattsparvereine gehört zum Etat des Finanzministerlums. Ich dürfte wohl bitten, wenn nötig, sie dort wieder vorzubringen. (Abg. Hammer: Sehr richtig!)
Nun bleibt mir, zum Schluß noch eine Angelegenheit, die mit den eben besprochenen wenig innere Gemeinschaft hat. Das ist die Frage der Zulassung der Aktten der Deutschen Erdsl⸗ aktiengesellschaft. Im Reichstage ist über mein Verhalten in der Sache eine kurze Anfrage an den Herrn Reichtkan ler gestellt worden; dieser hat bei der Beantwortung darauf hin⸗ gewiesen, daß es sich bei der Einwirkung auf die Zulassungsstelle um eine landesrechtliche Angelegenheit handle, da die Aufsicht über die Börsen und ihre Einrichtungen, also auch über die Zulassungsstellen, zur Kompetenz der Landesbehörden gehöre. Mein Vorgehen in dieser Sache ist daher hier zu vertreten. Mit der Zulassung der 13,8 Milltonen betragenden Aktten und der 5 Millionen betragenden Schuld verschreibungen der Deutschen Erdöl⸗ akttengesellschaft hat es folgende Bewandtnis.
Der Prospekt wegen Zulassung dieser Papiere ist bereitz im vorigen Herbst an die Zulassungsstelle gebracht worden. Da aber die Erdölaktiengesellschaft ungemein verwickelte Geschãfts⸗ beziehungen hat, war der Prospekt sehr umfangreich ausgefallen — er umfaßt 16 Seiten dieses Formats! — und nach der Meinung der Zulassungestelle doch nicht genügend durchsichtig. Der Prospekt wurde daher zunächst zur Umarbeitung und besseren Klarlegung zurückgegeben. Bei der weiteren Besprechung entstand in der Zulassungsstelle selber das Bedenken, ob es denn überhaupt möglich sel, klare Grundlagen zur Bewertung der zu emittierenden Papiere zu geben, solange über das Schicksal der Petroleummonopolvorlage, die dem Reichstage vorgelegt ist, nicht entschieden sei. Die Bedenken beruhten darauf, daß für die künftige Gestaltung der Verhältnisse der Deutschen Erdsl⸗ aktiengesellschaft der Ausgang der Gesetzesvorlage nach zwei Rich⸗ tungen von wesentlicher Bedeutung sei; einmal, weil sie so ziemlich die ganze deutsche Erdölproduktion in der Hand hat, und demzufolge, wenn das Gesetz zustande käme, auf den ausschlteßlichen Verkauf ihrer ganzen deutschen Produktion an die deutsche Monopolverwaltung an—⸗ gewiesen seln würde. Zweitens aber, weil sie noch einen besonderen Vertrag mit der Standard-⸗Oil⸗Gesellschaft geschlossen hat, wonach sie für den Fall des Nichtzustandekommens des Gesetzes an dem deutschen Petroleumverbrauch mit 20 CO beteiligt sein soll. Je nachdem nun das Gesetz zustande kommt oder nicht, müssen sich die Verhältnisse der Gesellschaft in dem wesentlichsten Punkte, der Art ihres Absatzes, völlig verschieden gestalten. Kommt das Gesetz nicht zu stande, ist die Gesellschaft in der Lage, auf Grund des Abkommens, wonach ihr 20 0 der deutschen Petroleum versorgung zufallen, ihr Produkt zu dem Preise, den dann die Standard⸗Dil. Ge⸗ sellschaft Deutschland diktiert, abzusetzen. Kommt das Gesetz aber zu stande, dann muß sie mit ihren deutschen Produkten an die Monopol ⸗ verwaltung herangehen und erzielt den Preis. den ihr diese gibt. Der Staatskommissar der Berliner Börse hat sich diesen Bedenken ange⸗ schlossen. In der Zulassungsstelle selbst waren die Meinungen sehr geteilt. Ich möchte hier ein Wort betreff des Vorgangs, den der Herr Abg. Dr. Schroeder erwähnte, einschalten. Er betrifft die Aktien der Steaua Romana, die im vorigen September zugelassen sind; dieser Fall lag indessen von dem der Deutschen Erdöl⸗ aktiengesellschaft wesentlich verschleden. Die Frage des Petroleum monopols ist für die fernere Entwicklung der Steaua nicht von so grundlegender Bedeutung. Namentlich führte sie keinerlei Unmöglich⸗ keit in der Bewertung ihrer Aktien herbei. Denn die Steaua Nomana wird garnicht dadurch berührt, ob das Petroleummonopol in Deutsch⸗ land zustande kommt oder nicht, weil sie ihre Produktion auch außer⸗ halb Deutschlands abzusetzen in der Lage ist und außerdem auch nicht in ähnlichen Beziehungen zur Standard- Oll-⸗Company wie die Deutsche Erdoͤlaktiengesellschaft steht.
Ich habe mich den Ansichten des Staatekommissarg nur an= schließen können. Ich halte es für nicht dem öffentlichen Interesse entsnrechend, wenn Papiere an der Börse zugelassen werden, für die ein einigermaßen zuverlässiger P ospekt überhaupt nicht aufgestellt werden kann, weil in einer Grundfrage ein großes Fragezeichen besteht. (Sebr richtig! rechts.) Das ist auch der Hauptgrund, weshalb ich mich jurzelt gegen die Zulassung ausgesprochen habe. Diese Papiere würden sonst ein Spekulationspapker gewerden sein, das je nach den Aussichten