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Staats sekretär des Reichspostamts Kraetke:
Nur einige Worte. Die letzten beiden Herren Vorredner sind nochmals auf die Bezahlung der Telegraphenarbelter zurückgekommen. Ich möchte doch, damit nicht der Schein erweckt wird, als ob die Löhne gar so niedrig seien, und als ob gar nichts für diese Arbeiter in den letzten Jahren geschehen sei, hier wiederholen, daß bis 3 „ überhaupt nur O,9oso der Telegraphenarbeiter be⸗ ziehen. Wenn es also hier immer dargestellt wird, als ob ein Lohn von 260 bejw. 2,90 M an vielen Stellen gegeben wird, so will ich hier nochmals konstatieren, daß in der Klasse bis 3 4 überhaupt nur „si0 olso der Arbeiter sind, und daß der Durchschnitts- lohn ohne Nebenbezüge gegenwärtig 440 6 beträgt. Ich möchte auch besonders hervorheben, daß alljährlich eine Aufbesserung erfolgt, und noch in den Jahren 1911 und 1912 sind die Löhne in fast allen Bezirken aufgebessert worden. Ich will Ihnen einige Zahlen geben: im Jahre 1909 sind für Aufbesserung verwendet worden 0 000 46, im Jahre 1910 480 000 υς, im Jahre 1911 520 000 6. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Auch mehr Personal) — Nein, es sind eben 10000 Arbeiter. — So hat also dauernd eine Aufbesserung stattgefunden, und wenn Sie den Durchschnitt ziehen, dann finden Sie, daß die Aufbesserung der Telegraphenarbeiter durchschnittlich wesentlich höher ist als die Zu⸗ lagen, die in bestimmten Jahren den Unterbeamten zutell werden.
Wenn dann gesagt wird, die Löhne müßten überall gleich sein und noch höher sein, als sie gegenwärtig sind, so möchte ich den letzten Herrn Vorredner doch daran erinnern, daß auch in den Betrieben der Sozialdemokratie nicht mehr Lohn gezahlt wird, als sonst üblich ist, und ich mich der Zelt erinnere, wo innerhalb dieser Betriebe recht lebhafte Klagen auch von den Arbeitern geltend gemacht wurden, daß nicht höhere Löhne gezahlt würden.
Abg. Behrens (wirtsch. Vgg.): Ich habe ein größeres Zu⸗ trauen zu dem Staatssekretär als der sozialdemokratische Redner. Daß seine Ausführungen nicht ohne Eindruck auf uns gewesen sind, erhellt daraus, daß wir unsere Resolutton verkürzt haben. Wir wollen verhindern, daß die Leute in dem guten Glauben, daß sie anstellungs⸗ fähig sind, lange Jahre im Dienst bleiben und dann nicht Beamte werden und die Zeit versäumen, die sie sonst zur Einarbeitung in einen Lebensberuf verwenden könnten. Umsonst wollen die Telegraphen⸗ arbeiter die Dienstkleidung nicht haben. Die Resolution Heckmann spricht ja von einer Kleiderkasse. Der Wunsch nach einer Arbeits⸗ kleidung ist nicht unberechtigt. In mechanischen Betrieben 3 man auch derartige Arbeiterkleider. Was das feste Verhältnis betrifft, so wünschen die Arbeiter nicht ein Beamtenverhältnis, sondern ein möglichst gesichertes, dauerndes Aibeitsverhältnis. Hier liegt ein wohlbegründeter Wunsch vor. Auch einen einheitlichen Lohn wünschen die Leute nicht, sondern daß die Löhne sich nach den Ortslöhnen richten sollen. Daß wir über alle diese Fragen diskutieren müssen, ist nicht unsere Schald. Ein Zentralarbeiterausschuß könnte uns einen großen Teil unserer Arbeit abnehmen. .
Abg. Noske (Soz): Der Staatssekretär schulmeistert den Reichstag, weil er so untergeordnete Punkte, wie sie in den jetzt zur Beratung stehenden Resolutlonen berührt werden, verhandle; in dem⸗ selben Atem aber redet er von Dingen, von denen er gar nichts weiß, von den Löhnen in sozialdemokratischen Betrieben. Ich bestreite ihm das Recht, die dort gezahlten Löhne überhaupt mit den niedrigen Töhnen in Vergleich zu stellen, welche die . und Telegraphen⸗ arbeiter beziehen. Eine große Anzahl jener Fragen sind übrigens in der Kommission ganz ausführlich behandelt worden. Wenn er die ärztliche Untersuchung ablehnt, so beweist das auch nur, daß er kaum noch besserungsfähig erscheint. Lohnsteigerungen sind ja gewiß vorgenommen worden, aber auch nur, weil, die Par— teien immer und immer wieder darauf hingedrängt haben, woran auch unsere Partei ihren gebührenden Anteil gehabt hat. Der kleinliche fiskalische Geist, der die Postverwaltung jetzt beherrscht, kann aus ihr nicht ausgetrieben werden. Die Homogenität der deutschen Regierung scheint mir bedenklich auseinanderzugehen, denn Dr. Solf vom Kolonialamt hat neulich in einer Rede direkt davor gewarnt, kmmer so fix auf Rentabilltät einer Anlage oder Ausgabe zu dringen. Die stattlichen Summen, die der Staatssekretär als Lohn⸗ erhöhungen anführt, verteilen sich auf Tausende von Arbeitern, und es kommen vielleicht 2 oder 3 Pfennige für die Stunde auf den Mann; aber sie sind kaum ein Ausgleich für die ge⸗ steigerten Kosten der Lebenshaltung. Wir wollen, daß die vom Staate beschäftigten Arbeiter von dem so außer⸗ ordentlich gesteigerten Nationalwohlstande einen Anteil haben. Das Kalserwort, daß die Staatsbetriebe Musteranstalten sein sollen, ist nicht eingelöst. Dabei erkennen wir sehr wohl an, daß in manchen Beziehungen die Postverwaltung Vorzügliches leistet und allen anderen Postverwaltungen vorangestellt werden muß. Nicht mit geringerem, sondern mit steigendem Nachdruck werden wir für die Forderungen der Arbeiter eintreten. Der Staatssekretär zahlt die „üblichen“ Löhne, und diese sind so niedrig, daß sie nicht niedriger sein können. Die Verwaltung geht bei der Anstellung der Arbeiter und bei der Festsetzung der Löhne davon aus, daß die Arbeiter in der Privatindustrie nur ja nicht auf die bessere Be⸗ zahlung der Staatsarbeiter hinweisen können. Sie gibt den Postboten Löhne unter 3 Mark, und zwar aus zarter Rücksicht—⸗ nahme darauf, daß nicht bel den Landarbeitern eine Steigerung der Löhne eintrete. Nicht umsonst erfreut sich der Staatssekretär Kraetke einer so großen Beliebtheit auf der äußersten Rechten. Es ist kein würdiger Zustand, daß sich zahlreiche Unterbeamte erst jahre⸗ lang mit ihren Familien durchhungern müssen, ehe sie zu einem einigermaßen erträglichen Einkommen gelangen.
Abg. Dr. Oertel (8kons.): Sie werden der konservativen Partei nicht nachsagen können, daß sie die Beratung des Postetats aufgehalten hätte; sie will sie auch heute nicht aufhalten, obwohl die letzte Rede mir dazu Anlaß böte. Ich möchte nur kein Mißver⸗ staͤndnis über dies Schweigen aufkommen lassen. Wir sind für die Lage der Telegraphenarbeiter usw. ebenso interesstert wie andere Parteien, aber wir verzichten darauf, etwas zum achten Male zu unterstreichen, was schon zum siebenten Male geschehen ist. Auf die Frage der sozialisttschen Konsumvereine will ich nicht weiter eingehen. Ste meinen, daß es ja gar keine sozialistischen Vereine sind. Ich erkenne gern an, daß die Klagen über die lange Arbeits⸗ zeit, über schlechte Bezahlung und Entlöhnung in diesen sogenannten sozialistischen Konsumpereinen fast ganz verstummt sind. Ob dies infolge der Besserung oder einer gewissen Befürchtung eingetreten ist, darüber habe ich kein Urteil. Ich will nur noch hervorheben, gewisse Aeußerungen im „Vorwärts“ und in der sozialistischen Presse lassen doch daran Zweifel entstehen, ob diese Betriebe
ihrerseits wirklich Musteranstalten sind. Der Abg. Not ke hat gemeint, der Staatssekretär hätte wiederum nur von dem beschräntten Untertanen⸗ verstande erzählt. Ich bin kein Beamter der Reichspost. Ich habe das auch nicht heraushören können. Das würde auch sehr bedenklich sein. Sie wissen, daß, wenn auch im übrigen die Menschheit bis zu einem gewissen Grade beschränkt ist, der deutsche Reichstagsabgeordnete aber immer über unbeschränkten Verstand verfügt. Der Wunsch ist vielleicht nicht ganz ungerechtfertigt, daß wir darauf verzichten möchten, Wünsche und Petitionen ohne weiteres zu den unseren zu machen, und ohne uns vorher genügend unterrichtet zu haben. Der Staatssekretär bot sich und seine Räte dazu an. Ich fürchte, er hat damit in ein Wespennest gestochen. Jeder Reichstagsabgeordnete ist doch von Amts wegen besser unterrichtet wie jeder Beamte.« Allerdings gibt es auch darunter Minderbegabte, die der Unterrichtung bedürfen. Meine Freunde und ich haben solche Petitionen und Wänsche gern entgegengenommen. Ich fählte mich da nicht immer unzerrichtet, und ich glaubte, wenn mittelbar oder unmittelbar der Reichspostverwaltung Vorwürfe ge⸗
macht wurden, sie nachprüfen und auch die andere Seite hören zu mäössen. Wenn der Staatssekretär sich anbietet, warum wollen wir das nicht annehmen? Wenn er uns herauswirft oder nicht genügend unter⸗ richtet, dann können wir die Petitionen immer noch hier zur Sprache bringen. Es ist unsere Pflicht, den Arbeitern zu ihrem Rechte zu verhelfen. Wir beteiligen uns zwar nicht an dem Wettlaufe um die Gunst der Beamten und Arbeiter. Wir prüfen ihre Petitionen und Wünsche und treten für sie ein, soweit sie mit dem allgemeinen Interesse vereinbar sind.
Sämtliche zu dem Titel vorliegenden Resolutionen werden angenommen; gegen den zweiten Teil der Resolution Mumm stimmen die Sozialdemokraten und die Deutschkonservativen.
Zu dem Titel „Zuschuß zu den Kleiderkassen für die Be⸗ schaffung der Dienstkleider der Unterbeamten“ haben die Ab⸗— geordneten Dr. Ab laß, Bassermann, Behrens, Dr. Hitze und von Trampezhyns ki folgende Resolution
eingebracht:
Der Reichstag wolle beschließen: Den Herrn Reichskanzler zu erfuchen, anzuordnen, daß die Reichspost⸗ und Telegraphen⸗ verwaltung bei Vergebung von Lieferungen, die ganz oder teil⸗ weise in der Hausarbeit hergestellt werden,
I) die Berufsorganifationen und Genossenschaften der Haus—
arbeiter und Arbeiterinnen berücksichtigt,
2) solchen Lieferanten den Vorzug gibt, die für die in der Hausarbeit hergestellten Arbeiten mindestens die von den Berufsorganisationen und Genossenschaften der Hausarbeiter und Arbeiterinnen gezahlten Löhne nachweislich zahlen oder mit den Organisationen der Hausarbeiter und ⸗Ar⸗ beiterinnen Tarifverträge vereinbart haben, oder deren für Hausarbeit gezahlte Löhne von dem zuständigen Fachausschuß ls angemessen bezeichnet sind.
Abg. Chrysant (Zentr.) erneuert die schon früher von seinem Parteifreund Nacken vorgetragenen Wünsche, daß bei der Klelder⸗ bestellung auch die kleinen Handwerker berücksichtigt werden sollen. Ferner kritisiert er die einzelnen bei der Postverwaltung bestehenden Bestimmungen über die Lieferung der Kleider.
Abg. Bart schat (fortschr. Volksp.): Wir freuen uns, daß der Staatssekretär den Wünschen der Handwerker entgegenkommen will. Das Schneidergewerbe beklagt sich darüber, daß ihm Lieferungen für die Reichspost nicht in dem Maße zugegangen sind, wie es möglich gewesen wäre. Das liegt daran, daß die nachgeordneten Behörden nicht immer das nötige Entgegenkommen beweisen. Deshalb wäre es erwünscht, daß der Staatssekretär öfter an seinen dieshezüglichen Erlaß erinnert. Ebenso ist es wünschenswert, daß die Submissionen in möglichst kleinen Losen erfolgen, sodaß sich auch der einzelne mit Erfolg bewerben kann.
Der Titel wird mit der Resolution angenommen, ebenso der Rest des Ordinariums. ö. ö
Unter den einmaligen Ausgaben befindet sich eine Forde— rung von 6 Millionen Mark zur Herstellung großer unter⸗ irdischer Fernsprechanlagen (Fernkabellinien nach dem Westem.
Abg. Haberland (Soz.) beschwert sich über die lange Warte⸗ zeit bei den Ferngesprächen zwischen Düsselderf und Berlin. Darunter leidet der Geschäͤftsverkehr bedeutend. Die Verwaltung sollte hierin Abhilfe schaffen und auch die Wünsche des westfälischen Reviers berücksichtigen.
Bei den „Kosten der Erwerbung eines Grundstücks am Bahnhof in Görlitz und Herstellung eines neuen Dienstgebäudes auf dem Grundstücke, 1. Kauf⸗ und 1. Baurate 369 450 46“ erklärt der
Direktor im Reichspostamt Aschenborn auf eine Anregung des Abg. Taubadel (Soz), daß zwei Projekte ausgearbeitet und der Stadtverwaltung vorgelegt worden seien. Ueber das eine Projekt sei eine Einigung erzielt worden. Es sei zu hoffen, daß der Bau der Stadt zur Zierde gereichen werde.
Der Rest des Extraordinariums wird ohne Debatte ge⸗ nehmigt.
Bei den Einnahmen trägt der
Abg. Haberland (Soz). Beschwerden über die schlechte Ein⸗ teilung der Postbezirke in der Nähe Düsseldorfs vor.
Die Einnahmen werden genehmigt. . Die von der Budgetkommission vorgeschlagene Resolution,
den Reichskanzler zu erfuchen, zu veranlassen, daß den Beamten 9 9
der Assistentenklasse in weiterem Maße als bisher das Auf— rücken in Beförderungsstellen ermöglicht und durch Ver— mehrung der Stellen für gehobene Unterbeamte und zweck— entsprechenden Ausbau dieser Laufbahn den Unterbeamten eine bessere Beförderungsmöglichkeit verschafft wird, wird an⸗ genommen.
Damit ist der Etat der Reichspost- und Telegraphen⸗ verwaltung erledigt.
Der Etat für die Reichsdruckerei wird ohne Debatte genehmigt. .
Es folgt der Etat für das Reichseisenbahnamt.
Bei den Ausgaben, Gehalt des Präsidenten, bemerkt der
Abg. Hasenzahl (Soz.): Der Bundesrat sollte endlich auf Resolutlonen des Reichstags präziser antworten, als es auch diesmal in bezug auf die Frage der Vereinheitlichung der Eisenbahn geschehen ist, indem er in den Entschließungen sagt: Die Prüfung schwebt noch. Das Reichseisenbahnamt scheint hier unter preußischem Einfluß zu stehen und zu überfehen, daß die Eisenbahn ein Verkehrsinstitut ist. Die Eisenbahnen müssen allmählich auf das Reich übernommen werden. Das zu befördern, ist eine der vornehmsten Aufgaben des Reichseisen⸗ bahnamts. Es müßte selbständiger werden und mehr die Initiative ergreifen. Es darf nicht bloße Dekoration sein oder etwa als Puffer dienen. Der Minister von Breitenbach stellte es so dar, als wenn wir das Ziel einer Vereinheitlichung auf dem Gebiete der Eisenbahn so gut wie erreicht hätten. Der Deutsche Handelstag teilt diese Ansicht keineswegs; er hält vielmehr eine weitere Vereinheitlichung des deut⸗ schen Eisenbahnwesens für notwendig. Dem Minister von Breiten⸗ bach scheint die Niedersetzung einer Kommission von Sachverständigen zur Prüfung dieser Frage unbequem zu sein. Das Reichseisenbahnamt sollte jedenfalls eine solche Forderung unterstützen. Der Partikularis⸗ mus und die Verfolgung von territorialen Sonderinteressen müssen hinter das allgemeine Interesse des Verkehrs zurücktreten. Dies Ziel kann aber nur erreicht werden durch Uebernahme der Eisenbahnen auf das Reich. Wie unheilvoll die territorialen Sonderinteressen wirken, zeigt der Umstand, daß nach Einführung der preußisch⸗hessischen Eisen⸗ bahngemeinschaft die Main⸗Neckarbahn benachteiligt worden ist. Die Verwaltung lenkt den Verkehr systematisch von der süddeutschen Linie ab und verkritt lediglich fiskalische Interessen. Hier muß unter allen Umständen eine Verbesserung eintreten durch Uebernahme der Bahnen auf das Reich. Der ganze Transitverkehr wird zugunsten der preußisch⸗hessischen Eisenbahn und der elsaß⸗lothringischen Bahn um Württemberg herumgelenkt. Die Eisenbahnen müssen endlich zu einem wirklichen Verkehrsinstitut werden. Der preußisch⸗hessische Vertrag beweist, daß Preußen Hessen nicht schön behandelt hat. Die Millionen⸗ überschüsse, die wir Hessen aus diesem Gemeinschaftsvertrag haben, können diese Tatsache nicht aus der Welt schaffen. Zentrum und Frei⸗ sinnige haben in der hessischen Kammer eine Reform des Vertrages beantragt. Also nicht etwa die Sozialdemokraten sind es gewesen. Durch diesen Vertrag wird Hessen gezwungen, den Neubau seiner Bahnen selbst zu bestreiten. Wir streben die Reichseisenbahn an, nicht um die Disziplin der Beamten zu lockern, sondern im Interesse des Verkehrs. Die Eisenbahnarbeiter wollen wir nur organisieren, um ihnen bessere Lohn- und Arbeitsverhältnisse zu verschaffen. 63 235 aller Eisenbahner haben über 19 Stunden Dienst, der bei einzelnen sogar bis 17 Stunden geht. Das muß die Betriebssicherheit gefährden.
Das Stückzeitspstem hat sich ebensowenig bewährt wie do ̃ rwaltung benutzt nur die Frauenarbeit, un il n,
system. Die zu drücken.
Hierauf wird um Sisg. Uhr die Weiterberatung 9. 1 Uhr pünktlich vertagt; vorher kleine An! ragen. ;
öhne
Preusßischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 137. Sitzung vom 20. Februar 1913, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau“ .)
Ueber den Beginn der Sitzung, in der die zweite Beratung des Etats der Handels⸗ und Gewerbeverwaltung und zwar zunächst die bei dem ersten Titel der dauernden Aus gaben, „Gehalt des Ministers“, übliche allgemeine Besprechung fortgesetzt wird, ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.
Abg. Rah ardt ffreikons.) führt, in seiner Rede fortfahrend, weiter aus: Bezüglich der Heranziehung der Fabrikbetriebe zu Beiträgen für die Lehrlingsausbildung sind unsere Verhandlungen mit den Handele— kammern ergebnislos geblieben; wir stehen heute ebenso mit leeren Händen vor ihnen, wie im vorigen Jahre. Bei der Abgrenzung von Fabrik und Handwerk hat man zwar auch Groß— betriebe als Handwerksbetriebe anerkannt, andererseits aber auch in unanständigster Weise die kleinsten Betriebe als Fabrkkbetiiebe gestempelt und sie damit den Beiträgen für die Innungen und für die Handwerkskammern entzogen. Es ist sogar der unglaubliche Fall passiert, daß ein Handwerksbetrieb von der Behörde als Fabrikbetrieb anerkannt wurde, weil der Inhaber einmal 7 oder 3 Wochen als Reserveoffizier gedient hat! Ein solches Vorgehen gebührend zu kennzeichnen, fehlt mir der parlamentarische Aus— druck. Wenn das Handwerk gut genug ist, dem, der es betreibt, Brot zu geben, dann soll es auch als Handwerk bezeichnet werden. Ich bitte die dem Hause angehörenden Mitglieder von Handels« kammern, zu bedenken, wohin es führen soll, wenn sie die ihnen von uns dargebotene Hand so schnöde zurückweisen. Die Gewerbeinspektoren führen bittere Klage über die ungenügende Ausbildung der Fabrik- lehrlinge. Auch manche behördlichen Entscheidungen, sogar solch«, die der Minister gebilligt hat, erscheinen unbegreiflich, weil sie erkennen lassen, daß man an diesen Stellen von der völligen Umwandlung der Verhältnisse auch im Handwerk gar nichts weiß. Auf solche Weise wird man gerade die besten Elem nte des Handwerks nicht an das Hand— werk fesseln, sondern sie ihm entfremden, während es doch nicht nur den Intentionen dieses hohen Hauses, sondern auch im allgemeinen volkswirtschaftlichen und nationalen Interesse liegt, die Leute an den Beruf zu fesseln, aus dem sie hervorgegangen sind. Wenn uns die Staatsbehörden nicht unterstützen, sind wir ohnmächtig und außerstande, die Hoffnungen zu erfüllen, die man auf daß Handwerk gesetzt hat, und ich lehne jede Verantwortung ab, wenn uns das auch in Zukunft mißlingen sollte. Geklagt wird auch über die zu rigorose Handhabung der Aufsichtsfunktionen der Behörden. Es liegt mir eine Entscheidung des Berliner Polizeipräsidiums im Original vor, die, vom 2. Dezember datiert, einem kleinen Tischlermeister aufgibt, seine in einem Keller befindliche Reparatunwerkstatt am 1. Fanuar zu räumen. Ich weiß, daß das ins Ressort der Bau— verwaltung gehört, bitte aber auch den Handelsminister, dahin zu wirken, daß hier mit etwas weniger Schneid vorgegangen wird, womit man nur unzufriedene Menschen und Erbitterung schafft. Solche Drangsaliererei Meistern gegenüber, die allein arbeiten, sind nicht angebracht. Es liegt hier wie bei der Bäckerelverordnung. Wenn man den Künstlern gestattet, auf dem Boden ihre Ateliers aufzuschlagen, dann sollte man doch auch nicht dem kleinen Tischler verbieten, in dem Keller seine Werkstait aufzuschlagen. Ich bitte den Minister, auch dem Gewerbe seine freundliche Fürsorge angedeihen zu lassen. Der wichtigste Punkt der Handwerkerforderungen ist ohne Zweifel die Reform des Submissionswesens. Im Oktober vergangenen Jahres traten die Vorstände einzelner Handwerkskammern zusammen, um auf den Erlaß des Ministers vom 4. September bezüglich des Suhmissions— wesens zurückzukommen. Einige waren der Meinung, daß wir für jede preußische Handwerkskammer eine Berechnungsstelle errichten sollten, die sich mit der Berechnung des Herstellungs- oder Selbstkostenpreises beschäftigen sollte. Diese Berechnungsstelle soll den Standesgenossen behilflich sein, bevor sie ihre Offerten abgeben. Wir wollen jedem einzelnen Handwerker es selbst überlassen, den Nutzen in jedem ein— zelnen Falle selbst festzusetzen. Zur Ausführung dieses Vorschlages wäre dann eine Konferenz saͤmtlicher Handwerkskammern ein— zuberufen, damit diese Berechnungsstellen in allen Handwerkskammer— bezirken einheitlich elngeführt werden. Wir rechnen dann auf die Unterstützung des Ministers, der dafür sorgen möge, daß ung Lie Ausschreibungen zugänglich gemacht werden. Ob eine Zentralstelle geschaffen werden soll, das muß den Beratungen der Handwerkskammern vorbehalten werden. Jedenfalls wären wir dem Minister sehr dankbar, wenn er unsere Bestrebungen in dieser Richtung unterstützen würde. In dleser Weise erwarten wir eine Gesundung des Handwerks. Wir wollen diese Reform nicht auf Kosten des Staates durchführen, aller— dings wird auch das hohe Haus uns Mitiel zur Verfügung stellen müssen, wenn das Handwerk nicht aus eigener Kraft in der Lage ist, das Submissionswefen zu reformieren. Wir wenden uns mit aller Entschiedenheit gegen jede Bevorzugung der Konsumvereine in steuer— licher Hinsicht. Wir verlangen steuerliche Gleichstellung der Konsum⸗ vereine mit dem frelen Gewerbe. Deshalb bitten wir, daß dee Kommission einmal ihren Beschluß nachprüfen möge, wonach die Konsumvereine von vornherein eine steuerliche Vergünstigung ge— nießen. Eine derartige Ungleichheit würde die größte Erbitterung in Mittelstandskreifen heivorrufen. Dann möchte ich bltten, daß das Musterstatut für Krankenkassen endlich fertiggestellt wird. Bis heute sind wir noch nicht im Besitz des amtlichen Materials und daher außerstande zu den erforderlichen Beratungen. Wir sind daher nicht in der Lage, die angesetzte Frist zur Einreichung der Statuten innezuhalten. .
Abg. Rosenow fortschr. Volksp.): Die Berichte der Handels—= kammern beweisen, daß Handel und Industrie in Deutschland einen groß n Aufschwung genommen haben, daß auch unsere Hondwerksgebiete sich er⸗ weitert haben, daß aber die Preife nicht die Höhe erreicht haben, die sie haben follten nach den Selbstkosten der Herstellung. Das ist eine beklagenswerte Tatsache. Die teuren Zölle sassen nicht. zu, Taß die Predukte zu einem Preise hergestellt werden, daß sie absatz fähig sind. Andererseits erschweren ung die Zellschranken der fremden Länder, unsere Produkte zu angemessenen Preisen auszuführen. Handel und Gewerbe brauchen eine kräftige Landwirtschaft, beide Fürfen aber nicht ungleichmäßig durch die Gesetzgebung. 3 handelt werden. Deshalb müssen die Handelsverträge so gestaltet werden, daß Handel und Industrie dabei gedeihen können. Deutsch land (lst nicht mehr der Agrarstaat wie früher. Deshalh ist . Forderung nach einem lückenlosen Zolltarif unberechtigt. Hen, würde die Landwirtschaft selbst am mieisten leiden. Cn
Zölle müssen allmählich abgebaut werden. Wir brauchen zur itz wickelung Frieden nach außen und im Innern. Deshalh ene 1 mich über das Einvernehmen mit England in der Flottenfrage; hb brauchen aber auch den Frieden mit unseren Angestellten. Ver . bedauere ich es, daß der Deutsche Handelstag gestern . folche Stellung gegenüber der Konkurrenzklausel lingen ng hat. In dieser Frage muß ein beide Teile hefriedi gen nen gleich gefunden werden. In höherem Maße brauchen wir a lten, Frieden mit unferen Arbeitern. Hier sind Scharfmacherreden 6. aul und ein neues Ausnahmegesetz ist gefordert worden. Wir . dan den Schutz der Arbeitgwilligen an erste Stelle und herne fr enden Terrorismut der sozialistischen Gewerkschaften. Aber die bebe ern. Gesetze sind ausreichend, um diesen Auswüchsen entgegenzu
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
[ib öffentliche Interessen verletzt sind, behält sich der Minister vor. az wäre unter keinen Umständen zu beanstand en.
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Zweite Beilage
en Neichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
Berlin, Freitag, den 21. Fehruar
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Auch die Arbeitgeber sollten sehr vorsichtig mit der Aussperrun porgehen. Den Plan, in Breslau eine y, für einn liche Submission zu errichten, begrüße ich. Allerdings wird das Handwerk sich an großen Lieferungen nicht beteiligen können, wenn es sich nicht genossenschaftlich organisiert. Es würde sich desbalb empfehlen, die Submissionen in kleinen Losen zu . Von der Einführung des zweiten Teiles des Gesetzes zum Schutze der Bauforderungen verspreche ich mir nicht allzu viel. Etz könnte dadurch leicht für die ein Schaden entstehen, die angeblich ge— schützt werden sollen. Dem kleinen Handwerker würde es so leicht nicht möglich sein, die geforderten Kautionen jederzeit zu hinterlegen. Pie Industrie schematisch zu den Kosten der Lehrling autzbildung heranzuziehen, halte ich für nicht richtig, da es viele Industrien gibt, die auf solche Lehrlinge nicht angewiefen sind. Hier muß also von Fall zu Fall ertschteden werden. Das Handwerk klagt über T. hrlingsmangel. Daß liegt aber in erster Linie mit daran, daß die Freunde des Hand⸗ werks hier alljährlich Klagelieder über die schlechte Lage des Hand— werks anstimmen Wer wird da noch Handwerker werden wollen? Kleine Nittel können dem Handwerk nicht viel helfen. Notwendig ist die Stärkung von innen heraus. Dazu gehört eine gute Aus— bildung, und ich bin stolz über das Lob des Vorredners auf das Berliner Fortbildungsschulwesen. Deshalb sollte man aber seine Leistung nicht herabsetzen, indem man die Einführung des Religions ⸗ unterrichts verlangt. Das Handwerk kann ohne motorische Kraft nicht mehr auskommen. Um ihre Anschaffung zu ermöglichen, sollte es Ge— nossenschaften gründen. Notwendig ist auch die Abschaffung des Borgsystems. Daran ist aber das Handwerk zum Teil selbst schuld, weil der ein elne Handwerker häufig so säumig im Ausschreiben von Rechnungen ist. Nun komme ich zu der Frage der Zulassung der Deutschen Erdöl⸗ Aktiengesellschaft an der Berliner Börse. Die Zulassungstelle hat ja in erster Linie daz Recht, darüber zu entscheiden, ob ein Papier an der Börse zugelassen werden kann oder nicht. Gegen die ab— lehnende Stellung der Zulassungsstelle kann Beschwerde bei der Handelskammer eingelegt werden. Der Handelsminister hat aber leine Möglichkeit, gegen die Zulassung irgendwie einzuschreiten. Umsoweniger kann er die Zulassung verweigern, weil es sich hier um einen Gesetzentwurf handelt, über den die Entscheidung noch ausstehßt. Das Wohnungagesetz sollte man nicht eher verabschieden, bis eine Neuregelung des Erbbau⸗ und Hypothekenrechts erfolgt ist. Nach Auf. behung des § 1004 der Gewerbeordnung wird das Handwerk sich nicht besser stehen. Die Annahme ist irrig, daß die Mitglieder der Jleinhandel au schüsse ernannt werden. Es gibt heute eine ganze Feihe von Kleinhandelsausschüssen, deren Mitglieder gewählt werden. Ich will die Auswüchse der Großbanken nicht beschönigen, aber die Angriffe des Vorredners waren doch nicht am Platze. Die deutsche Industrie und das Handwerk haben durch ihre großen Eifolge in den letzten Jahren den Weltmarkt erobert. ö
Minister für Handel und Gewerbe Dr. Sydow:
Der Herr Vorredner ist noch einmal auf die gestern von mir schon besprochene Frage der Zulassung der Aktien der Deut schen Erdslaktiengesellschaft an der hiesigen Börse zurück gekommen. Ich gehe auf seine Bemerkungen noch einmal kurz ein, um einen, wie mir scheint, ihm untergelaufenen Irrtum zu beseitigen. Er meint, wenn die Zulassungsstelle gesprochen und dann auf Be— schwerde etwa die Handelskammer entschieden habe, sei die Sache zu Ende und definitiv erledigt. Darin befindet er sich in einem Irrtum. (Sehr richtig! rechts Auch dann hat der Handelsminister von Auf⸗ sichts wegen das Recht, die Entscheidung der Handelskammer abzu— ändern und einer Zulassung zu widersprechen. Denn das ganze Recht der Handelskammer ist hergeleitet aus dem Aufsichtsrecht des Handels ⸗ ministers, die Handelskammer ist ein Aufsichtsorgan unter der Ober— aufsicht des Handelsministers, wie überhaupt die ganze Börsen— ordnung von der Landeszentralbehörde zu genehmigen ist. Die Landeszentralbehörde hat sogar das Recht, nach dem Reichs⸗ gesetz, in die Börsenordnung Bestimmungen hineinzuschreiben, die ihr von der Handelskammer oder von den Börsenorganen nicht vor— geschlagen sind.
Nun ist der Herr Vorredner der Meinung gewesen, ich hätte mich abweichend von dem Standpunkt, den ich bei der Frage der Zulassung der Chicago⸗Milwaukee⸗Bonds eingenommen habe, dazu herbeigelassen, die Güte der in Frage stehenden Paplere zu prüfen. Ich habe damals erklärt, das könne ich nicht, weil, wenn ich mich einmal auf eine Prüfung der Güte der Papiere einließe, man daraus, daß ich nicht widerspreche, eine indirekte Anerkennung der Güte folgern lönnte. Ich kann nicht zugeben, daß ich meinen Standpunkt geändert habe. Ich bin heute noch der Meinung. Aber es handelt sich darum, daß meiner Auffassung nach, solange die Entscheidung über das Petroleum monopol im Reiche nicht gefallen ist, es Überhaupt nicht möglich ist, einen Prospekt aufzustellen, um dem Publikum die erforder⸗ lichen Grundlagen zur Beurtelluug des Papiers zu geben. Denn daß ein Papier hier zugelassen würde, für dessen Beurteilung dem Publikum überhaupt nicht die nötigen Grundlagen gegeben werden können, erachte ich allerdings den öffentlichen Interessen wider⸗ sprechend, und das Recht, die Frage zu entscheiden, ob die öffentlichen Interessen oder, wie es in der Verordnung des Bundesrats heißt, er⸗ hebliche allgemeine Interessen verletzt werden, muß sich die Reglerung vorbehalten. ⸗
Ich habe früher zum Ausdruck gebracht und wiederhole es, wie hoch ich die objektive Tätigkeit der hiesigen Zulassungsstelle achte und bewerte, aber über die Frage, ob allgemeine Interessen, öffentliche Interessen verletzt werden, kann doch nicht endgültig oder maßgebend eine Stelle entscheiden, deren Zusammensetzung sich im wesentlichen nach börsentechnischen Rücksichten richtet. (Zuruf links: Das Börsen⸗ gesetzt sagt das nicht! — Das Börsengesetz statuiert im 8 1 das Aufsichtsrecht der Landeszentralbehörde in allererster Linie und gibt dem Handelsminister oder der Landeszentralbehörde des Recht, die Börsen zu genehmigen und die Börsen aufzulösen, die Börsenorgane einzurichten und aufzuheben, die Börsenordnung zu genehmigen und was ich nochmals betone, auch in die Börsenordnung Bestimmungen nach eigenem Ermessen hineinzuschreiben. Es würde n nicht das Geringste entgegenstehen, daß die Landeszentral⸗ 3 in die Börsenordnung hineinschreibt: gegen die Entscheldung * Zulassungestelle findet Beschwerde an die Handelskammer, von 't Handelskammer an den Minister statt; die Gntscheidung darüber,
die klugen
. ich Gründung des zeichnete Herr Dr. Hammacher 5 0 als eine angemeffene Verzinsung des Kapitals, nach der Statistik tiber die rh ene gesellschaften Manche . 20 0. ahbei ist der Reservefonds mitgerechnet, beim reinen Divpt— dendenkapital ist der Durchschnitt 10 , und der Gewinn geht bei den Feuerversicherungggesellschaften sogar über 28 0,ο hinaus. Welchen Anteil haben die Arbeiter? Darüber schreibt die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“: „Leider ist die günstige Lage der Industrie den Arbeitern nicht in dem wünschenswerfen Umfange zugufe gekommen. Die steigenden Löhne werden duch die teueren Preise der Kohlen . der . aufgewogen.“ a meint der freisinnige Abg. Rosenow, daß die Preise noch nicht hoch genug seien (Jurufe linke. Wenn ich einen sclchen Iwü ö ; 2 . en Zwische machen würbe, wurde ich zur ,
—
daß von verschiedenen Seiten diese Auffassung Anfechtung gefunden hat. Ich halte sie aber für meinen Teil für richiig und werde an ihr festhalten. Nun hat Herr Abg. Rosenow gesagt, ein Gesetzentwurf sei doch
noch kein fertiges Gesetz, und man dürfe darum nicht die Zulassung verweigern. Die Zulassung ist aber nicht verweigert, sondern es ist bloß die Entscheidung darüber hinausgeschoben. Sollte der Gesetz entwurf nicht Gesetz werden, so ist wieder freie Bahn. Sollte * Gesetz werden, dann ist die Möglichkeit geschaffen, einen Prospekt aufzustellen, der allen wirtschaftlichen Anforderungen eines Prospektes entspricht. ö Was nun die Bemerkung des Herrn Alg. Rahardt betrifft, so vill ich kurz folgendes sagen. Die Frage, ob die G esellenprüfung unter Umständen durch eine Art Abschlußprüfung, die sich an die Fach⸗ oder Fortbildungsschulzeit anknüpft, teilweise zu ersetzen sei, werde ich prüfen. Ich kann im Augenblick dazu nicht Stellung nehmen. Wenn wirklich in einem Falle in Kiel die Frage, ob ein Betrieb als Handwerksbetrieb oder als Fabrik— betrieb anzusehen sei, von der Qualität des Leiters des Betriebes als Reserveoffizier abhängig gemacht sein sollte, ist darüber nicht viel zu sagen, es gibt manche Kriterien, über die man sich einig ist, und manche, die zweifelhaft sind. Aber darüber wird man sich im allge⸗ meinen elnig sein, daß die Frage, ob der Leiter eines Betrtebes Reserveoffizier, Vizewachtmelster, Vizeweldwebel oder Reserve⸗ unteroffizier ist, absolut gleichgültig für die Entscheidung sein muß ob er Handwerker ist oder nicht. (Sehr richtig! rechts.)
Dann hat der Herr Abg. Rahardt beklagt und ziemlich stark unterstrichen, daß in einer Reihe von Beschwerden der hiesigen Handwerke kammer, die gegen die Entscheidung des Oberprãsidenten an das Ministerium gebracht sind, das Ministerium dem Wunsch der Handwerkokammer entgegen die Handwerksqualität der Betriebe ver— neint habe. Soweit ich das im Kopfe habe, waren von den 5h oder 6 Beschwerden zwei durch Zurückziehung erledigt. In 3 anderen Fällen ist die Entscheidung des Oberpräsidenten aufrecht erhalten. Das Ge— meinschaftliche der Fälle war das, daß der Vertreter des Betriebez sich ausschlleßlich auf die kaufmännische Leitung beschränkte und weder im technischen Betriebe mitarbeitete noch überhaupt die techaische Leitung selbst besorgte, sondern für die technische Leitung einen Werk⸗ meister eingestellt hatte, der so gut wie selbständig war. Das Ober— verwaltungsgericht hat in einem Fall ausdrücklich entschieden, daß in solchem Fall der Lelter des Betriebes nicht als Handwerker, sondern als Kaufmann anzusehen sei. Ich muß mich, wenn ich nicht eine Zwiespältigkeit der Entscheidungen der letzten Instanzen herbeiführen will, natürlich in solchem Fall der Auffassung des Oberwaltungs⸗ gerichts anschließen.
Der Wunsch, die Handwerkskammern zu hören, ehe die Ein— tragung von Betrieben in das Handelsregister erfolge, ist ja nicht neu. Ich habe schon vor mehreren Jahren erklären können, daß ich an sich auch den Wunsch habe, daß die Handwerkskammern, ehe der Handelsregisterrichter Entscheidungen trifft, zu Wort kommen. Ich habe mich damals an den Herrn Justizminister gewendet, und der hat mir geaniwortet, daß das Gesetz ihm keine Handhabe biete, die Registerrichter dazu anzuweisen. Auf der anderen Seite sieht das Gesetz vor, daß der Registerrichter, soweit die erforderliche Auskunft nicht schneller und einfacher auf andere Weise beschafft werden könne, in der Regel die Handelskammern zu hören habe. Infolgedessen habe ich schon im Jahre 1909 die Handelskammern an⸗ gewiesen, in solchen Fällen, in denen sie vom Registerrichter gefragt werden, vorher die Handwerkskammern zu hören und das Gutachten der Handwerkskammer mit dem eigenen Gutachten an den Registerrichter zu leiten. Das ist alles, was nach Lage der Gesetz⸗ gebung geschehen kann. ; Endlich kann ich mich dem von den beiden Herren Vorrednern ausgesprochenen Wunsch, daß die Musterstatuten für die Krankenkassen sobald wie möglich bekannt gegeben werden, nur anschließen. Es liegt an der großen Menge der Geschäfte, die dem Bundegrat bei der Ausführung der Reichsvetsicherungsorbnung und auch des Angestelltenversicherungsgesetzes obliegen, sowie an der großen Schwierigkeit der Materle, wenn diese seit Monaten in intensiver Bearbeitung befindliche Angelegenheit noch nicht zum Abschluß ge— bracht ist. Ich hoffe, daß der Abschluß recht bald gelingen wird. (Bravo)
Abg. Borch ardt-⸗Berlin (Soz.): Ueber die Arbeiter ist in dieser Debatte wie immer von den bürgerlichen Parteien nicht ge⸗ sprochen worden, obwohl die Arhelter die größte Mehrhest der Bevölkerung bilden. Der Abg. Schifferer sagte elumal, wenn man für die Allgemeinheit sotge, sorge man auch für die Arbeiter, die , , der Allgemeinheit und der Arbeiter seien identisch, und die Arbeiter hätten an unserer gesamten Wohlfahrt einen „entsprechenden“ Anteil. Wie sieht dier Anteil aus? Die Berichte über den Stand der Industrie im Jahre 1911, Kehlenindustrie, Eisenindussrie, elektrische Industrie, Tuchindustrie, Baumwollindustrie, Buchdruck gewerbe usw., lauten überall günstig, nur das Baugewerbe liegt dax⸗ nieder. Nach dem Aufschwung hätte man einen Rückgang erwarten, können, aber, er, ist, nicht eingetreten, trotz des Balkankrieges, die wirtschaftliche Lage ist durchaus günstig geblieben, Herren in der Essener Handelskammer erwarten sogar noch eine weitere Besserung der günstigen Lage. Bei Rheinisch westfälischen Kohlensyndikats
haben diese aber durchschnittlich 8,1 0 erzielt. ewerbegruppen sind darüber weit hinausgekommen, bis zu
Ja, mehr als aufgewogen. Und
Ordnung gerufen werden. Nach der
Ich weiß,
Tabelle des Statistischen Jahrbuches geht der ortsübliche Tagelohn im
hren ischen Staate bis auf 1,20 M6 in Nimptsch in Schlesien herunter. Allerding sind die ortsüblichen Tagelöhne nicht die wirklich gezahlten Löhne, ohwohl das eigentlich eigentümlich ist; die Essener Handels⸗ mmer berichtet über die Löhne der Bergarbeiter im Dortmunder Bezirk, wo die Löhne am höchsten sind, daß die höchstbezahlten Hauer im Jahre 1900 S. Verdtenst, alle Bergarbeiter im urchschnitt 1609 „ gehabt haben. So sieht der Anteil der Arbeiter aus. Man wirft den Gewerkschaften vor, daß sie Politik in die wirtschaftsichen Fragen hineinbrächten. Nein, gerade weil die Gewerkschaften sich anf ihr eigenstes Gebiet beschrãnken, werden sie so gehaßt. Die steigenden Löhne müssen natürlich vom Kapitalprofit gezahlt werden und daher der Haß und das Märchen von dem Terrorismus der Sozial demokratie. Ein Leipziger Unternehmerverband hat in seinem Statut die Be— stimmung, daß an Firmen außerhalb eines Arbeitgeberverbandes nur geliefert werden darf, wenn diese sich verpflichten, einem solchen Ver= bande beizutreten, Diese und andere Fälle zeigen den nackten Zwang, wie man thn zu Unrecht den Sozialdemokraten vorwirft. Herr Rosenomw kann hundertmal soviel von Terrorismus bei den Unternehmern finden wie bei uns. Oder soll ich daran erinnern, wie die Aerzteverbände über die Streikbrecher hergefallen find oder wie Offiztere ihre Standes. genossen behandeln? Die Freisinnigen haben angesichts der Wahlen Angst und suchen ein bißchen Anschluß nach rechts. Der national= liberale Abg. Schroeder Cassel hat die Regierung scharf gemacht einem kleinen Handwerker, einem Tischler, staatliche Arbeiten zu ent ziehen, bloß weil er den Meistertitel nicht führen kann, obwohl er nach dem Urteil des Amtsrichters, der den Äuftrag erteilt hatte, seine Arbeiten ordnungtmäßig geliefert hatte. Ist da nicht Terrorismus? Auch Herr Karow hat in Stettin einen ähnlichen Fall bon Terrorismus geübt. Ehe Sie alfo anderen Leuten Terrorismus vorwerfen, jassen Sie sich an Ihre eigene Nase. Die Forderungen der Mittelstandsleute hat der Minister gestern trefflich charakterisiert, indem er sagte, daß es außer den Handwerkern auch noch andere Leute gibt. Weshalb wollen Sie den Hausierern nicht das Recht zugestehen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen? Warum denken Sie nur immer an die Handwerksmeister? Zwischen den Forderungen der Mittelstandspolitiker und denen der Mittelstands⸗ . in auffallender Gegensatz. Für die Mittelstandspoliniker . der wech die Staatserhaltung; sie betrachten den Mittelstand als ein Bollwerk gegen die Sozialdemokratie und sind bestrebt das Proletariat in den Mittelstand hineinzuziehen. Ihnen kommt W, in zer. Hauptsache darauf an, den Mittelstand zu vergrößern. Die Mittelständler aber selbst wollen durch den Staat dem Mittelstand helfen, und zwar wollen sie, daß nur gerade denjenigen geholfen wird, die jetzt zu dem Mittelstand gehören An einer Ver⸗ größerung des Mittelstandes ist ihnen also wenig gelegen. Die Ur⸗ sachen für den Niedergang des Mittelstandes liegen in der Not— wendigkeit des Hroßbetriebes. Wir brauchen volkswirtschaftlich den Großbetrieb, weil er nun einmal produftiver ist als der Kleinbetrieb. ö alle Uedauern, daß die Dandwerter große Verluste durch den Bau chwindel erleiden. Aher die Frage ist doch, ob die Einführung des zweiten Teils des Gesetzes zur Sicherung der Bauforderungen ein Mittel der Abhilfe ist. Aich der Mmnister befürchtet, daß er im Handwerk pig mehr Schaden bringt, als er ihm nützt. Wenn man hier Wandel schaffen will, muß man vor allen Dingen den Terrainspekulanten das Handwerk legen, und das geht nicht anders als durch Enteignung von Grund und Boden. . Abg. Karow (kons.): Daß dle Sozialdemokratie auch jetzt wieder Stellung gegen den Mittelstand nimmt, darüber sind wir nicht erstaunt; sie will den Mittelstand so schnell wie möglich beseitigt sehen. Wir wünschen, daß sich recht viele Männer aus dem Proletariat zum Mittelstand emporarbeiten. Wir schärfen den Lehrlingen immer ein, daß sie fleißig und sparsam sein sollen, damit sie sich später ein- mal selhständig machen können. Die unlautere Konkurrenz der Kon umvereine und Warenhäuser müssen wir aufs schärfste bekämpfen. Die Warenhäuser haben Tausende von selbständigen Existenzen ver- nichtet Der Hausierhandel ist zur Landplage geworden, die man be⸗ lãmpfen muß Das kann man unt doch nicht zum Vorwurf machen. Wenn der Mittelstand die Berücksichtigung finden würde von selten des Staates, die der Arbeiterstand heute hat, dann wären wir sehr zuftieden. Außerordentlich geschädigt werden die kleinen Ge—= werbetreibenden durch den geheimen Warenhandel der Beamten. Das Schlimmste ist, daß die Beamten die Ware nöscht allein für sich beziehen, sondern auch noch an Private abgeben. Allerdings muß ich anerkennen, daß es auch viele Beamte gibt, die den geheimen Waren⸗ handel gerade so verachten wie wir. Aber die Beamten, die den ge— heimen Warenhandel treiben, haben ihren Beruf berfeblt. Sie
Dandwerksmeister sollten zu Fachlehrern ausgebildet werden. die Regierung, daß sie (im nächsten Etat dafür Mittel bereitstellt.
. 9 ö Deshalb itte ich den Minister, dahin wirken ollen, daß der Warenhandel der Beamten energischer ver folgt wird. Ich erkenne dankbar an, daß die meisten Vorredner sich im Interesse des Bäckergewerbes über die Bãäckereiverordnung aus gesprochen haben. Ich muß auch anerkennen, daß der Minister in seinen Erklärungen den Wünschen des Bäckergewerbes einigermaßen ent⸗ sPrechen hat. 4 ber anderer eite muß ich dech festste len, daß die Bäckerei verordnung noch viel zu rigoros gehandhabt wird. Wir sind gewiß damit inder tan den, daß auf größte Sauberkeit in den Bäckereien gehalten wird. Aber die Bäckereiverordnung geht zu weit. Durch diese scharfe Hand⸗ habung werden Tausende von Existenzen vernichtet. Viele Bäcker bringen ihre Arbeitsräume im Keller unter aus Sparsamkeit oder weil die Temperatur günstiger ist. Wenn man allen diesen Leuten den Bäckereibetrieb untersagt, dann wird doch eine große Zahl von selbständigen Existenzen vernichtet. Uebrigens foll ez schon vor— gekommen sein, daß Bäckereien verbot r ö
s
r ; a wurden, weil si ziel Geräusch gemacht haben Es sind ß k wonach sich einzelne Bäcker daz Leben genommen haben, weib ihnen der Betrieb ihrer Bäckerei verboten worden ist. Bemerkens— wert ist, daß in Sachsen md Bayern die Bäckere derordnung viel milder gehandhabt wird als in Preußen. Wenn LTeben und Gesundheit der beschäftigten Personen nicht in Gefahr sind, sollte man die Bäckerelbetriebe dech nicht verbseten. Ich babe selbst eine große Anzahl, von Bäckereien besichtigt und mch davon überzeugt, daß üb ,, sagt ef in 5 den unbemittelten Bäckern Dispens erteilt werden soll, so hoffe ich, daß davon recht aus Gebra
K n recht ausgiebig Gebrauch Abg. Eu ker (Jentr.): Eine der dringendsten Fragen des Hand. werkerstandes ist die Ausbildung des jungen Nachwuchfeg. Erfreusicher. weise haben die Fortbildungsschulen einen großen Aufschwung ge⸗ nommen. In Stadt und Land ist man bestrebt, den Unterricht obli⸗
e überall die größte Sauberkeit berrscht. Wenn der
gatorisch einzurichten. Dadurch wird dem Handwerk eine nene feste
Grundlage für die Zukunft geschaffen werden. Prakiisch vorgebildete Ich bitte
Der Befähigungsnachweis sollte für elne Rethe von Gewerben neu
eingeführt werden, so für Dentisten, Köche und Hufschmiede. Es
müßte gesetzlich sstgeleat werden, daß di jungen Handwerker sich
nicht vor ih em 21 Lebensfahre selbständig machen. Die machen sonst den älteren, verhzirateten Vandwerkern unerwünschte Konkurrenz Bei der Reform des Submissienswesens sollte man Fachleute aus Hand⸗ werkerkreisen hinzuziehen. Die Meinung über die Mittelstandspoltti daß nicht Leute aus den unteren Kreisen in den Mittelstand aufstei en könnten, ist irrig. *
stand erstarkt, denn in der Tat ist er die beste Stütze des Staateg. Wir wünschen., daß in den Fortbildungsschulen der Religiongunter⸗
Wir legen großen Wert darauf, daß der M
richt berücksichtigt wird.
Wir wollen aus unseren Lehrlingen