1913 / 46 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 21 Feb 1913 18:00:01 GMT) scan diff

nicht nur gute Handwerker erziehen, sondern aus ihnen auch gute Staatsbürger machen. Wir wünschen nicht, daß unsere Lehrlinge, wenn sie in den Flegeljahren aus der Schule entlassen werden, auf der Straße in schlechte Gesellschaft geraten. Man sollte nicht so leichtfertig wie bisher einen großen Handwerksbetrieb zum Fahrik— betrieb machen, bloß weil 20 oder mehr Gehilfen beschäftigt werden. Selbst wenn er Maschinenbetrieb hat, gehört er doch immer noch zu den Handwerkshetrieben. Wir haben alle Ursache, den Handwerksstand zu schützen. Die soziale Gesetzgebung kostet dem selbssändigen Hand— werksmeister sehr viel Geld; sie ist enischieden ein Segen für den Arbeiterstand. Ich freue mich, daß man heute immer mehr dazu übergeht, wirkliche Gesellen heranzubilden, bedaure aber, daß die Ge— sellenprüfung nicht obligatorisch ist. Wir wollen hoffen, daß der Geist der Förderung des Handwerks anhält. Die soziale Gesetzgebung war eine große Tat, eine gleich große wäre es, wenn man in der Gesetz—⸗ gebung Mittel fände, den Mittelstand und Handwerkerstand zu erhalten.

Abg. Dr. Schifferer (nl): Mit dem Inkrafttreten der neuen Maß- und Gewichtsordnung am 1. April 1912 wurde zugleich das Eichwesen neu geregelt und die Stellung der Eichmeister geändert. Wenn auch von den Behörden dabei wohlwollend verfahren ist, so ist doch eine Anzahl älterer Eichmeister, die nicht in den Staatsdienst übernommen werden konnten, stellungslos geworden. Der Minister sagte in der Kommission, daß eine Entschädigung derselben Sache der Gemeinden sei; die Gemeinden sind aber durch die Aenderung des Eichwesens selbst stellenweise stark geschädigt, sie hätten die Eich— melster lieber in ihren Stellungen belassen. Ich bitte den Minister, zu erwägen, ob sich nicht etwas für die stellenlosen Eichmeister tun läßt. Bei der Durchführung des Eichwesens haben sich manche Miß— stände herausgestellt, namentlich wird nicht genug Rücksicht auf die ländlichen Bedürfnisse genommen. Der Fonds für das gewerbliche Foribildungsschulwesen ist erfreulicherweise schon im vorigen Etat erhöht worden und wiederum in diesem Etat um 340 000 6. Das ist eine ausgezeichnete Kapitalsanlage für unsere Volkswirtschaft im Sinne einer gesunden Mittelstandspolitik. Bei der wirtschafts—⸗ politischen Bedeutung des Mittelstandes muß die helfende und rettende Hand des Staates eingreifen, wo die Selbsthilfe nicht ausreicht. Keine Selbsthilfe ist besser als die der guten Ausbildung der Jugend. Die Bedeutung des gewerblichen Genossenschaftswesens wird an— erkannt durch den Etatsfonds zur finanziellen Unterstützung der Ge⸗ nossenschaftsverbände. Bei der Regelmäßigkeit dieser Etatsforderung sollte sie aber aus dem Extraordinarium in das Ordinarium hinüber— gebtacht werden. Von einem Antrag, die Summe zu erhöhen, haben wir wegen der Erklärung des Ministers in der Kommission, daß er den gewerblichen Genossenschaften sein besonderes Interesse zuwende und nötigenfalls den Fonds erhöhen wolle, Abstand genommen. Für den Handelsminister wid es eine interessante und dankbare Aufgabe sein, die Ueberleitungen zu der modernen wirtschaft— lichen Entwicklung im Zeitalter der intensiven Bodenbewirtschaftung und der Elektrisierung aufmeiksam zu verfolgen, um rechtzeitig damit etwa verbundene Schäden auszugleichen. Ich sehe die Zeit kommen, wo die große Anzahl der großen und kleinen Uebeilandzentralen sich miteinander verbinden werden. Um den Ausgleich unter ihnen obne Verluste zu ermöglichen, wäre es wünichenswert, gewisse Normatwbestimmungen hinsichtlich der Spannung, der Motoren, der Dynamomaschinen, der Lampen usw. zu geben, zwar nicht durch gesetzliche Bestimmungen, sondern durch freie Vereinbarung zwischen dem Minister und den Interessenten. Die Elektrizitäts— verkaufszentralen sind von 148 im Jahre 1895 auf 2520 im Jahre 1911 gestiegen und die abgegebene Elektrizitätsmenge in Kilowatt ist von 5 941 im Jahre 1895 auf 2477769 im Jahre 1911 gestiegen. Auch das ist ein Maßstab für die gewalti e Entwicklung unseres Wirischafts lebens. Daran hat eine ganze Reihe von Faktoren mit⸗ gewirkt, selbstverständlich nicht allein die Wirtschafts⸗ und Zollpolitik; es ist richtig, daß auch die Bevölkerungszunahme daran ÄUnteil hat, aber mit Recht kann gesagt werden, daß einer der Hauptfaktoren eine vernünstige Schutzzollgesetzgebung gewesen ist. Die einzelnen Produk— tionszweige haben auch gegenseitig Verständnis gewonnen und einsehen gelernt, daß der eine ohne den anderen nicht auskommen kann. An der Förderung unseres Wirtschaftslebens sind auch unsere Großhanken beteiligt gewesen; ich sage das ausdrücklich angesichts der Angriffe, die der Abg. Rahardt zu meinem großen Bedanern in solcher Ver— allgemeinerung gegen die Berliner Großbanken gerichtet hat. Ein Teil der Berliner Großbanken hat überhaupt kein Interesse am Immobilienmarkt und legt darauf keinen Wert. Unsere Wirtschafts⸗ politik und Zollgesetzgebung stellt ein einheitliches Ganze dar, aus dem man nicht einen Stein herausnehmen kann, ohne das ganze Gebäude zu gefährden. Das ist auch die Auffassung der meisten bürgerlichen 66 Daß die Sozialdemokraten sie nicht teilen, ist selbstver⸗ tändlich. Aber anders liegt es beim Freisinn. Wenn auch in der fortschrittlichen Volkspartei manche Ketzer auf schutzzöllnerischen Bahnen wandeln, so sind doch die autoritativen Erklärungen des Abg. Wiemer maßgebend, daß seine Parti die Schutzzjölle abbauen wolle. Die Fort⸗ schrittspartei spricht vom Abbau der Schutzzölle und besonders pro— nunziert von dem Abbau der Futtermittelzölle, aber sehr wenig von dem Abbau der Industriezölle und noch viel weniger von dem Abbau der Viehzölle. Ich sehe darin einen Widerspruch. Die Herren wollen einerseits die Städte mit billigem Fleisch versorgen, andererseits dem deutschen Bauern als dem Träger der Vieh⸗— produktion helfen. Der deutsche Bauer behält aber lieber die Viehzölle und nimmt dafür die Futtermittelzölle in Kaus. Es kann gar keinem Zweifel unterliegen, daß unsere Wirtschafts⸗ politik unsere Industrie und Landwirtschaft gefördert hat, und daß es auch dem Handel und Export möglich gewesen ist, bei unserer Wirtschaftspolitik sich genügend auszubreiten. Die statistischen Zahlen über unseren Export beweisen, daß unsere Wittschaftspolitik sich hewährt hat. Aber ebenso wichtig, vielleicht noch wichtiger als der Auslandsmarkt, ist der innere Markt, an dessen Stärkung wir das größte Interesse haben. Im vorigen Jahre ist eine große Anzahl von deutschen Industriellen unter Führung von Professor Sehring nach Rußland gegangen zur Kenntnisnahme der großen russischen Agrar reform, die jetzt durchgeführt wird. Durch diese Reform wird zweifellos eine intensive Bewiitschaftung des Bodens stattfinden und auch in Rußland eine Kräftigung des inneren Marktes eintreten, wie es bei uns der Fall ist. Daraus folgt, daß sich unserer Industrie und unserem Handel in Rußland ein vorzügliches Absatzgebiet eröffnet. Es erscheint mir daher angebracht, auch von dieser Stelle einmal die deutsche Industrie auf dieses lohnende Absatzgebiet aufmerksam zu machen. Der Abg. Borchardt hat darauf hingewiesen, daß in diesem Hause bei der Beratung des Handelsetats lediglich von den Interessen der Handwerker, aber nicht von den Interessen der Arbeiter die Rede gewesen ist. Demgegenüber verweise ich auf die Arbeiten des Reichs— tages auf dem Gebiet der Sozialpolitik. Aber auch wir in diesem Haus haben uns der Arbeiterinteressen genau so angenommen wie die Herren der Sozialdemokratie. Der Abg Borchardt hat den Gewinn der Unternehmer zu den Löhnen der Arbeiter in Beziehung gesetzt. Der Abg. Borchardt hätte uns aber dann auch die Löhne angeben müssen, welche die Arbeiter derselben Erwerbsgruppe beziehen. Wenn der Abg. Borchardt behauptet, daß die Arbeiter an dem wirtschaft⸗ lichen Aufschwung nicht teilgenommen hätten, so muß ich doch darauf aufmerksam machen, daß die Personen mit steuerpflichtigem Ein⸗ kommen jetzt 60 o der gesamten Bevölkerung ausmachen, während dleser Prozentsatz früher 30 o betrug. Ich will ferner darauf hin— weisen, daß der Konsum an glei sch und ähnlichen Nahrungsmitteln erheblich gestiegen ist, daß ebenso die Zahl der Sparkassenbücher ganz bedeutend gewachsen ist. Daraus geht doch hervor, daß alle Bevölk rungskreise an dem Aufschwung teilgenommen haben. Das ist auch zweifellos die Ansicht der Sozialdemokratie. Sie bestreiten das nur, weil die Verelendungetheorie zu den wichtigsten Grundsitzen des sozialdemokratischen Parteiprogramms gehört. Es fragt sich nur, ist die Anteilnahme des deutschen Arbeite r5 an dem wirischaftlichen Aufichwung eine genügende. Ich gebe zu, daß der deutsche A beiter vielleicht mehr als bisher an dem wirtschaftlichen Aufschwung teilnehmen könnte, aber wenn Sie diese starke Verbesserungstendenz sehen, dann kann doch Ihr Bestreben nur darauf gerichtet en, die Grundlage dieser Verbesserungstendenz festzuhalten, wenn Sie lediglich

eine wirtschaftliche Besserung der Arbei ker erstreben und nicht etwa nur politische Macht erreichen wollen. Eine charakteristische Eigenschaft unseres deutschen Wirtschaftslebens ist, daß wir keine wirtschaftlichen Krisen erlebt haben, wie dies in Amerika und anderen Ländern der Fall gewesen ist. Wenn auch bei uns zuwetlen eine gewisse Deyression zu bemerken war, so werden Sie dech zugeben müssen, daß diese viel geringer war als in anderen Ländern. Das liegt daran, daß unsere Produzenten es verstanden haben, sich beizeiten Einrichtungen zur Regulierung des Marktes zu verschaffen. Das sind zum Teil unsere Synditate. Die Syndikatspolitik hat sich bei uns in Deutschland zweifellos als wirk— samer Fattor in unserem Wirtschaftsleben erwiesen. Die Syndikate verhindern das Verschleudern der Wäre und das dadurch hervorgerufene übermäßige Sinken der ,. Sie verhindern wirtschaftliche Krisen oder schwächen solche ab und schaffen einen Damm gegen die Ver⸗ trustung. Andererseits sichern die (Syndikate unseren Arbeitern ruhige und stetige Arbeit. Allerdings müssen die Syndikate sich eine ge⸗ wisse - Selbstbeschränkung und eine gewisse Mäßigung auf. erlegen. Sie würden ihre Sympathie verlieren, wenn sie ihre Mäßigung nicht bewahren, sondern ihre Stellung dazu be⸗ nützen würden, um rücksichtslos ihre einseitigen Interessen zu vertreten. ich möchte den Minister bitten, daß er es an Geneigtheit nicht fehlen läßt, seinerseits ein Zustandekommen unserer Syndikate zu unterstützen. Bei der Bedeutung die unsere Syndikate in unserem Wirtschaftsleben haben, muß es wundernehmen, wenn bet uns Herren in hohen Beamtenstellungen Ansichten schrift⸗ stellerisch vertreten, die mit den von mir gekennzeichneten Grund— sätzen offenbar in Widerspruch stehen. Es liegt mir hier ein Buch vor, welches von Dr. Kessel herausgegeben ist und sich betitelt Der Organisationszwang!. Was die Schlußfolgerungen dieses Buches anbetrifft, so bin ich sicher, daß sie den Herren von der äußersten Linken gefallen müͤssen. Der Ver⸗ fasser sagt: Die Syndikate sind Machtkörver, die die Staats⸗ hoheit beschränken, das Privatrecht außer Kraft setzen und Ab⸗ hängigkeitsverhältnisfe schaffen, welche sich mit der allgemeinen Vor⸗ stellung der Rechtsgleichheit nicht vertragen. Aus dieser Auffassung heraus fordert er ein Einschreiten des Staates. Wie dies im Einzelfalle geschehen kann, legt er in folgendem klar. Bei der Kohle könnte man, so meint er, versuchen, durch Auflösen des Kohlen— syndikats die freie Konkurrenz wieder herzustellen. Was das Roh⸗ eisen anlangt, so müßte man die Aufhebung des Roheisenzolles fordern. Es wird also wieder die Durchbrechung unseres Schutz⸗ zollsystems verlangt. Wer einen Blick in unsere ganze Volkswirt⸗ schaft hineinwirft, muß doch anerkennen, daß die Syndikate eine Notwendigkeit sind. Ich glaube, wenn der Verfasser eine bessere Kenntnis der praktischen Verhältnisse gehabt hätte, so würde er nicht zu derartigen Schlußfolgerungen gekommen sein. Der Verfasser hat sich dann auf Bismarck bezogen. Ich möchte ihm aber doch erwidern, daß ihm Bismarck vielleicht auseinand rgesetzt hätte, daß er seine Ideen nicht richtig aufgefaßt habe. Als Bismarck das Tabatsg onopol verlangte, tat er es, um unsere Reichsfinanzen zu sichern, und hat ganz bewußt dazu einen Gegenstand herausgesucht, der nicht ein allgemeines Gebrauchsmittel, sondern ein Genußmittel ist. Die Träger derartiger Auffassungen sind nun Beamte, denen die Fürsorge der Interessen unseres deutschen Wirtschaftslebens anvertraut ist. Wenn man das Petroleummonopol gegen uns ins Feld führen will, so will ich doch hervorheben, daß es sich hier um Bekämpfung eines Trusts und einer ausländischen Macht handelt. Wir haben das Zutrauen zu der Regierung, daß sie festhält an unserer bewährten Wirtschaftspolitik als Grundlage einer gesunden Weiterentwicklung unseres Volkes.

Ein Antrag auf Schließung der Besprechung wird ange— nommen.

Abg Wenke (fortschr. Volksp.) bedauert als Handwerker, durch den Schluß verhindert zu sein, Handwerkerfragen vom liberalen Standpunkt zu besprechen.

Abg. Dr. Pachnicke (fortschr. Volksp.) bemerkt dem Abg. Dr. Schifferer, daß die Stellung seiner Partei zu den Fleischzöllen ihm längst bekannt sein müßte.

Abg. Rahardt (kons.) bemerkt, daß er selbstverständlich nicht alle Berliner Großbanken, sondern nur die Hypothekenbanken gemeint habe.

Das Kapitel des Ministeriums wird bewilligt.

Schluß 417 Uhr. Nächste Sitzung Freitag, 11 Uhr (Wasser gesetz; Rawa⸗Gesetz; Oder⸗Gesetz; Antrag von Wenden wegen des Kinderelends; Petitionen).

Deutscher Handelstag.

In seiner gestrigen Vormittagssitzung beriet der Deutsche Han—

delstag zunächst über die Arbeitszeit der Arbetterinnen und nahm folgende Entschließung einstimmig an: „Der Deutsche Handelag— tag hält Erleichterungen für die Beschaftigung von Arbeiterinnen für nötig und erhebt in bezug auf 5 1382 und 139 a der Gewerbe— ordnung folgende Forderungen: Dem Arbeitgeber soll gestattet sein, in besonders dringenden Fällen für die Dauer von drei Tagen sofort Ueberarbeit leisten zu lassen, unter der Be— dingung, daß er gleich am ersten Tage der zuständigen Ver— waltungsbehörde davon Kenntnis gibt und die Erlaubnis nachträglich einholt. Es soll unzulässig sein, daß die Be⸗ de die Erlaubnig von Ueberarbeit von der Zahlung eines höheren Lohnes abhängig macht. Für Gewerbezweige, in denen an einzelnen Tagen ein vermehrtes Arbeitsbedürfnis auftritt, insbesondere für die in der Kaiserlichen Verordnung vom 31. März 1897,17. Fe⸗ bruar 1904 bezeichneten Werkstätten der Kleider- und Wäschekonfektion, sollen auf höchstens fünfzig Tage im Kalenderjahre Ausnahmen von den Bestimmungen des § 137 Absatz 1, 2, 4 mit der Maßgabe zu⸗ gelassen werden können, daß die tägliche Arbeitszeit zwölf Stunden,. an Sonnabenden und Vorabenden von Festtagen acht Stunden nicht überschreitet und die zu gewährende ununterbrochene Ruhezeit nicht weniger als zehn Stunden beträgt. In der ununterbrochenen Ruhezeit müssen die Stunden zwischen zehn Uhr Abends und fünf Uhr Morgens liegen. Die Wahl der Ausnahmetage soll dem Arbeitgeber freistehen. Gewerbetreibende, die Arbeiterinnen über sechzehn Jahre auf Grund solcher Bestimmungen über die gesetzlich festgesetzte Zeit hinaus be— schäftigen, sollen dies nicht vorher anzuzeigen brauchen; sie sollen ver⸗ pflichtet sein, an einer in die Augen fallenden Stelle der Werkstätte eine Tafel auszuhängen, auf der jeder Tag, an dem Ueberarbeit statt⸗ findet, vor Beginn der Ueberarbeit einzutragen ist. Eine solche Regelung ist durch den Bundesrat oder, falls dieser nicht dazu befugt ist, durch Gesetz vorzunehmen.“ «Zum zweiten Punkt der Tagesordnung: „Schutz der Arbeits⸗ willigen“ wurde mit überwältigender Mehrheit folgender Antrag angenommen: „Der Deutsche Handelstag hat auf Grund der von ihm bei seinen Mitgliedern veranstalteten Umfrage die Ueberjzeugung gewonnen, daß, um den Uebelständen bei Streiks im wesentlichen zu begegnen und die Arbeitswilligen nicht ferner dem Terrorismus der Streikenden in bisheriger Weise auszusetzen, ein ausgiebigerer und e ref, Schutz der Arbeitswilligen auf gesetzlichem Wege zu chaffen sei.“

In der Nachmittagäsitzung berichtete Ler Generalsekretär Dr. Soethbeer über den 1912 in Boston abgehaltenen internationalen Handelskammerkongreß; alsdann wurden Ergänzungswahlen für den Ausschuß vorgenommen, worauf die 38. Vollversammlung von dem Herrn Robinow⸗Hamburg geschlossen warde.

Statiftik und Bolkswirtschaft.

Ein- und Ausfuhr einiger wichtiger Waren im Spezialhandel in der Zeit vom 1. bis 10. Februar der beiden letzten Jahre. dz 100 kg.

Ausfuhr

Einfuhr

Warengattung . 1913 1912

1915

1912

——

219 209 12 875 10 364

15 776

Baumwolle... Flachs, gebrochen, ge⸗ schwungen usw. . Hanf, roh, gebrochen, ge⸗ schwungen usw. . Jute und Jutewerg. Merinowolle im Schweiß Kreuzzuchtwolle im a 414143 Steinkohlen . 2 763 501 2144 10 857 978 5 38813 Braunkohlen.. . . 2159406 1998853 18722 12 Erdöl, gereinigt (Leucht⸗ l 466 854 z 3 1380 14 619.

101 174 258 29 475 33728

12 891 8 org 41 805 a47 51 41 417 19 796

21893 15897

441 077 2626991 10603

Chilesalpeter.. ö Rohluppen, Rohschienen, Rohblöcke usw. .. 3910 riger, isernten⸗⸗ 93 Eisenbahn⸗, Straßen⸗ bahnschienen . Eisenbahnschwellen aus . 2 Feingold, legiertes Gold, Barren aus Bruch- gold , Deutsche Goldmünzen. O02 Fremde Goldmünzen. 5 2 0590 ) einschließlich der Eisenbahnlaschen und unterlagsplatten Eisen.

Berlin, den 20. Februar 1913. Kaiserliche tatistisches Amt. rück.

. Del

Der deutsche auswärtige Handel im Januar 1913.

Wie dem ‚W. T. B.“ mitgeteilt wird, haben im Handels verkehr des deutschen Zollgeblets mit dem Auslande im Monat Januar 1913 betragen: die Einfuhr 5418071 t, außerdem 12208 Pferde und 24 Wasserfahrzeuge (gegen 5071 9641 9346 Pferde und 15 Wasserfahrzeuge im Januar 1912), die Aus fuhr 5541 919 t, außerdem 537 Pferde und 44 Wasserfahrzeuge (gegen 4 849 997 t, 984 Pferde und 47 Wasserfahrzeuge im Januar 1912).

Die Werte erreichten im deutschen Außenhandel des Monats Januar Millionen Mark: in der Ein fuhr 921,4 an Waren und 28,1 an Edelmetallen (gegen 819, und 145 im Januar 1912), in der Ausfuhr J7ö52,1 an Waren und 204 an Edelmetallen (gegen 614,2 und 12,8 im Januar 1912).

Zur Arbeiterbewegung.

Die Mannschaft der der italienischen Schiffahrts⸗ gesellschaft Puglia gehörigen Schiffe ist, . W. T. B.“ zufolge, seit gestern morgen in eine Ausstandsbewegung eingetreten, weil die Ge sellschaft die verlangte Lohnerhöhung verwelgerit hat. In den Häfen von Bart, Brindisi, Catania und Venedig liegen berelts zehn Schiffe fest.

Land⸗ und Forstwirtschaft.

27. Winterversammlung der Deutschen Landwirtschafts⸗ gesellschaft.

Gestern nachmittag trat der Gesamtausschuß der Landwirt— schaftsgesellschaft zu einer Sitzung zusammen. In dieser erstattete zunächst der Vorstand den Geschäftsbericht für die Zeit vom 1. Oktober 1912 bis 31. Januar 1913, der namentlich die Tätigkeit der einzelnen Abteilungen und Sonderausschüsse behandelte; die Mitgliederzabl der Landwirtschaftsgesellschaft betrug am 1. Januar 1913 18152 (gegen 17900 am 1. Januar 1912). Nachdem dann über die im laufenden Jahre in Straßburg stattfindende landwirt⸗— schaftliche Wanderausstellung und über die Preisausschreiben für Felderzeugnisse und Geräte, die bei der nächstjährigen in Hannover ausgestellt werden, Beschlüsse gefaßt worden waren, nahm Amtsrat Koch (Poppenburg bei Burgstemmen, L „Betrachtungen und Vorschlägen zur Förderung des Gemüsebaues und des Absatzes seiner Erzeugnisse“ das Wort und führte aus: 1907 wurde bereits festgestellt, daß der feldmäßige Gemüsebau in Deutschland sich auf eine Fläche von 165 000 ha ausgedehnt hatte. Er fand jedoch von seiten der landwittschaftlichen Vertretungen und des Staates nicht die Beachtung, die seiner volkswirtschaftlichen Bedeutung entspricht. Diese ergibt sich jedoch I) aus der nach Einführung des Gemüsebaues eintretenden höheren Einträglichkeit vieler landwirtschaft— lichen Betriebe, vieler Baumschulen und Obstpflanzungen, 2) aus der Erfolg versprechenden Verwendung bei der Nutzbarmachung von Moor⸗ und Heideflächen, 3) daraus, daß der Gemuͤsebau als Mittel gegen die Landflucht und zur Aufbesserung der Lage vieler Arbeiter dienen kann, 4) aus dem jährlich steigenden Bedaif an Ge— müse als wichtigem Nahrungsmittel, 5) aus der sich jährlich er höhenden Einfuhr von Gemüse aus dem Auslande. Es wird lange noch nicht genug Gemüse gegessen, und im In⸗ teresse auch der Volksgesundheit sollte mehr auf seine Gesundheit fördernde Wirkung hingewiesen werden. Doch schon aus vielen Gründen steigt der Bedarf an Gemüse ganz naturgemäß, ohne daß er bisher durch den Anbau gedeckt wird, was die steigende Einfuhr aus dem Ausland genügend beweist. Trotzdem sind die Pieise, die die Gemüsezüchter erhalten, nicht hoch, wofür als Hauptgrund anzugeben ist, daß die Ware leicht verderblich ist und schnell losgeschlagen werden muß. Für Aufbewahrungsgelegenheiten, bessere Sortenwahl und Sortie⸗ rung und, wenn möglich, einen Ausgleich im Anbau und Absatz wäre zu sorgen. Anbau⸗ und Äbsatzverhältnisse sind noch wenig geregelt. Es hat dies seine Schwierigkeit'n, denn man hat es mit vielen verschiedenen Pflanzenarten, mit früh- und spätreifenden, mit Moden und Ge— schmacksrichtungen zu tun. Selbsthilfe und Staatshilfe müssen ein⸗ treten. Man soll sich aber hüten, min einen maßlosen Anbau von Gemüsen zu empfehlen, daz wäre ein sehr gefährliches Experlment und könnte das Gegenteil hervorrufen. Man soll ihn nur förkern, wo er sich bereits bewährt hat, durch folgende Mittel: I) Einrichtung bon Musteranstalten für Gemüsebaun in den Gemüsebaumittelpäankten, Veranstaltung von Versuchen bezüglich der Düngung, Beatheitung, Pflanz nzüchtung, Sorten wahl, der Ernte und des Versandes, 2) San in⸗ lung aller gewonnenen Erfahrungen und Verbreitung derselben durch Wort und Schrift, 3 Aufnahme des Gemüsebaues in en Lehrplan der lghd, wirtschaftlichen Lehranstalten, denen auch die Forschung über Schad linge und Bekämpfung derselben aufzugeben wäre, wie auch Abha nn von Kursen für Landwirtschaftslehrer und Gemüsezüchter, 4) Fbrd rung des Verbraucht und der Verwertung, 6) Veranstaltung 36 Studienreisen, 6) Vervollkommnung der Vorrichtung für Ben . Entwässerung, 7) Bildung von Ausschüssen bei allen Lan

Hannover) zu

(äschaftekammern, in deren. Bezirk Gemüse angebaut wird, Veranstaltung bon Austellungen, 7). Heranbildung von Sach⸗ pisländlgen. ö Wie setzt man sein Gemüse ah? Aus dem mehr snmnerischen, Betrieh entweder direkt an die Haushaltungen oder uch Feilbieten auf dem öffentlichen Marktplatz. Hierbei viel Jitverlust, mühevolle Nachtarbeit und dennoch nicht immer . Möglichkeit, alles abzusetzen. Auch mocht sich hier die utlindische Konkurrenz am meisten fühlbar. Man muß daher über⸗ pen, ob nicht durch Organisation zu gemeinsamem Verkauf manches n bessern ware. Ferner nimmt der Großhandel bedeutende Mengen n, Versorgung deß Großstädte und Jnrustriegebiete auf. Jedoch nlangt er große Mengen gleichmäßiger Ware, die ihm bei uns nicht erall so geboten werden, wie er es wünscht. Er greift dabei gern unentlich auf Holland zurück, wo er jederzeit erhält, was gebraucht. Gutgehende Dauerwarenfahriken in möglichster Nähe e die besten Abnehmerinnen für die Zandwirtschaft. Wir haben Im in Deutschland etwa 300, die die Ernte pon etwa 80 000 bis öo0 ha berarheiten. Sie nehmen große Mengen schnell ab und len auskömmliche und gleichbleibende Presse. Viele Landwirte d auch mit Kapital an dieser Industrie beteiligt. Im gemeinen sind diese Fabrlken jedoch nicht auf Rosen ge— kttet da hei guter Einte immer gleich mit der Ware ge— söleddert wird und eine große Schwierigkeit darin liegt, daß

Ausfall der Ernte nicht im voraus bestimmen kann m deher mit den Vorverkäufen sozusagen im Dunkeln tappt. Je—

doch auch im Verkehr mit diesem Abnehmer gibt es noch manches zu

besemn und es ist auch hier ein Zusammenarbeiten von Züchtern und

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nan den

ne han und Verbrauch, 5 Unterstützung von Bestrebungen zur Hebung des Jerbranches und der, Verwertung namentlich in den Großstädten. Alle diese Forderungen, die für eine Förderung des Gemüsebaues zu stellen sind, können aber nur erfüllt werden, wenn 1) die Züchter durch ssten Zusammenschluß sich zur Selbsthilfe vereinigen und 2) der Staat und die Jandwirtschafilichen Vereinigungen sie nach allen Richtungen hin kräftig unterstützen. Der Deutschen Landwirt— schaftegesellschafst ist der Dank dafür auszusprechen, daß sie schon bor Jahren Mittel zur Förderung des Gemüsebaues bereitgestellt hat; aber auch einige Landwirtschafts kam

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Vortragenden konnte nur keiten der Förderung des

werden, und es ließ sich nur

ihm der Landwirtschaft, Lenüber der

flüchtig auf die Gemüsebaues ein⸗ ließ feststellen, 1) welche zukommt in. bezug auf seinen Nutzen eine Notwendigkeit für richtige Volksernährung Ig ni überhandnehmenden Einfuhr aus dem Auslande, ä nbau und Absatz nach vielen Richtungen hin sowohl durch ebsthilfe wie auch, durch solche von seiten der berufenen Ver— trugen der Landwirtschaft der Unterstützung mehr als bisher bedürfen. . folgten wei Vortrage, die als eine Ausbeute gemeinsamen Its der vorjährigen russischen Schafausstellung in Moskau und iter Wirtschaftshetriebe anzusehen find. Schäfereidirektor R rraß (Wald Sieversdorf) besprach die Schafzucht Rußlands, wn zegenwättigen Stand und ihre Ziele und leitete daraus die Schlußfolgerungen für deutsche Zuchtverhältnisse ab; Aubagen (Berlin) erörterte unter Benutzung von l Aussichten der Ausfuhr deutschen Zuchtviehs nach nd. I

osss 4a *

1 Rhe ö Nach geschäftlichen Mitteilungen i zeh Regierungsrat, Professor Dr. von Rüm ker lin einen Vortrag über die Steigerung der inländi— be Futtererzeugung, in dem er u. a. folgendes ausführte: iht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern wird ĩ er Selbständigkeit der Volksernährung mit Brot und ch eigener Produktion jetzt eingehend erörtert. Es ist tisch nachgewiesen, daß Deutschland seinen Bedarf an Roggen, anloseln und Hafer nicht nur augenblicklich, sondern bei gleicher lt'dermehrung wie bieher mit Sicherheit auch für die Zukunft gener Erzeugung decken kann. An Weizen und Gerste feblt es aber die wichtigen Rücksichten auf den Hackfruchtbau trotzdem dagegen, sie zollpolitisch anders zu behandeln. Fleischbedarf wird auch von Jahr zu Jahr in höherem Maße gener Erzeugung gedeckt, und die uns fehlende Menge ist bereits o herahgesunken. Da unser Fleischverzehr sich überwiegend 'einefleisch erstreckt und die Schweine sich überaus schnell ber⸗ sien, ist die Beseitigung dieses kleinen Fehlbetrages nur e, Frage kurzer Zeit, wenn wir an unserer bewährten Wirt⸗ stspboölitik festhalten und weder unseren Vieh noch den Seuchenschutz nm Hen. unserer Futtererzeugung haben wir vorwiegend zu ud sichtigen den Bedarf, an Schweinen und Rindern, da sie zu⸗ men 90 ι unseres Fleischverzehrs ausmachen, und daz ist insofern fiustig nals. die Futter hedürfnisse beider Viehgattungen in Zusammen— ding mit einander zu bringen sind, indem bei Steigerung der Rind i iltung und Milcherzeugung die Magermilch pasteurisiert die ü haltung 79 größerem Umfange den landwirtschaftlichen Groß⸗ ern möglicht, n odurch die Schwankungen auf dem Schweine⸗ . Susgeg!ichen werden können. Wir Jahl n bis her etwa 860 Mil⸗ on nam im Jahre für zugekaufte Futtermittel, eine Summe, ur mit weiterer Vermehrung unserer Viehbestände noch anwachsen nuch! wenn wir nicht gleichzeitig mit der Vermehrung des Viehs ah an elne planmäßige Vermehrung der Futtererzeugung heran— en m. uns durch Unabhängigkeit vom Auslande auch auf n, Gebiete die Deckung unsereg Fleischbedarfs zu sichern. ele tzustellen, an welchen. Nährstoffen es uns bei dieser . sTraneuhr fehlt, berechnete der Referent aus den im Jahre 1912 seführten Futt-rmengen (die die bis dahin erreichten Höchstzahlen 9 unter Zuhilfenahme des Nährstoffgehaltes dieser Futtermittel beden Tabellen des Mentzelschen Landwirtschaftlichen Kalenders chliglik. in großen Zügen, daß wir mit den vom Auslande ein— ten Futtermitteln zukaufen: ltwa 39 —= 49 Mill. D.⸗Ztr verdauliche stickstofffreie Extraktstoffe, w ö verdauliches Rohprotein, 2 25 ö . Rohfett, 1 verdauliche Rohfaser. 4 . sich, daß wir zu argen haben in erster Linie für u gesteigerte Erzeugung von Kohlehydraten, in zweiter Linie für Resteigerte Erzeugung von Protein; das fehlende Fett würde en. ton selbst ergeben. ; Zug Vermehrung der kohlehydrat⸗ rh uttermittel ist in erster Linie geeignet der Hackfrucht— enn er liefert die größten Mengen an Erntegewicht, an Kohle— ; . Geldwert on der Flächeneinheit. Er ist nicht nur für . in unseres Volkes mit Brot und Fleisch, sondern auch . utterer eugung die wichtig ste Grundlage und hat seinerzeit . ae inn Vermehrung der Viehbestände durch seine Futtermassen . [en gegeben. Der Referent hefürwortete daher die Ausdehnung nh . (soweit es die A beiterverhältnisse erlauben) auch 9 renzen der technischen Verwertung der dackfrüchte hinaus. n ging der Vortragende zur Besprechung der Meligration, 64 und piles „der Wiesen und Reiden über und urch welche Mittel die Menge und Güte ihrer Erträge Gern sei. Als dritten Punkt betrachtete er den Körnerfutterbau . id hefürwortele hier die Ausdehnung und Fnten— . g des Hafer und Futtergerstenbaues, berührte

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fruchthaues, dessen zu große Autdehnung die Ausnutzung bon. Preiskonjunkturen für reinen Hafer oder Gersle be—⸗ schränkten, und ging dann zu einer kurzen Beleuchtung des Leguminosenbaues zur Förnergewinnung auf schwerem und lachten Boden über. Als vierte Möglichkeit betrachtete der Referent den Rauhfutterbau auf dem Acker und die Maßnahmen zur Steige⸗ rung seiner Erträge nach Menge und Güte, wobei er darauf hinwies, daß bier die jetzt erst beginnende Pflanjenzüchtung noch große Auf— gaben und eine Zukunft habe, unter Andeutung einiger Gesichtspunkte, die dabei zu verfolgen wären. Die wirtschaftliche Möglichkeit einer vollen Ausnutzung dieser Hauptgrundlagen heimischer Futtererzeugung hänge aber von einer westeren Erhaltung des Zoll- und Seuchenschutzes ab, denn nur auf dem Wege eines gesteigerten Aufwandes von Kapital und Arbeit im Landwirtschaftsbetriebe fei es möglich, die Selbständigkelt der Ernährung unseres Volkes mit Brot und Fleisch und der dazu erforderlichen Viehstände zu sichern, und dies sei nur so lange möglich, als es sich bezahlt macht. Die Landwirtschaft dürfe aber andererseits die Rücksichtnahme auf die Rentabelerbaltung ihrer Arbeit um so mehr keanspruchen, als die physische Möglschkeit zur Unabhängigkeit vom das platte Land der einzige Boden sei, der den Nachschub für alle Berufsklassen in den Städten, für unser Heer und unsere Beamten⸗ schaft liefert, und endlich als sie den Inlandemarkt für unfere Industrieerzeugnisse darstelle, den wir nicht schwächen könnten, ohne zugleich auch mit dem Absatz unserer Industrieerzeugnisse in die ver⸗ hängnispollste Abbängigkeit vom Auslande zu gerakten. Im An⸗ schluß an die Ausführungen Dr. von Rümkers behandelte noch Landesökonomierat, Professor Dr. Aereb oe (Berlin) die Entwicklung der verschiedenen Betriebsformen der Nutzviehhaltung, also der Zucht=, Mast⸗ und Milchwirtschaft. ö Buenos Aires, 21. Februar. (W. T. B.) Nach der vor⸗ läufigen amtlichen Statistik wird trotz der anhaltenden Trockenheit ein Ernteergebnis von fünf Millionen Tonnen Mais erwartet. Die Qualität ist im allgemeinen ebenso gut wie die der vorjäͤhrigen

Ernte. Wohlfahrtspflege.

Der Deutsche Verein für ländliche Wohlfahrts- und Heimatpflege,

der, wie in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet wurde, am 19. Fe⸗ bruar zu seiner 17. Hauptversammlung im Architektenbause zu Berlin zusammengetreten ist, setzte gestern seine Beratungen fort. Ueber die Wilmowski-Stiftung zur Förderung kultureller Be— strebungen auf dem Lande sprach der Geschäftsführer Henseling. Eine umfangreiche Ausstellung dieser Stiftung war in einem be— sonderen Saale eingerichtet.

Freiin Lita zu Putlitz sprach über „Zahnpflege in der Westprignitz' und führte kurz aus, wie sich nach den fortgesetzten Untersuchungen namhafter Aerzte und Zahnärzte die Notwendigkeit einer Schulzahnpflege auf dem Lande herausgestellt habe. Sie zeigte dann, wie sie selbst in ihrem Heimatdorfe Retzin die Zahnpflege eingerichtet hahe und wie aus diesem kleinen Anfang heraus nun im Kreise Westprignitz die Schulzahnpflege anfange, sich welter zu gestalten, da der Kreis selbst die Angelegenheit ins Auge gefaßt habe. Freiin zu Putlitz gab ihrer Erfahrung entsprechende Winke, wie sowohl praktisch als auch pekuniär die Schwierigkeiten einer derartigen Einrichtung verhältnismäßig leicht zu überwinden seien. Sie betonte, daß ja alle Wahlfahrtseim ichtungen den lokalen Verhältnissen angepaßt werden müßten, und daß auch ihre vorgetragenen Erfahrungen nicht als vorbildlich, sondern als an— regend aufgefaßt werden möchten.

Fräulein Elsa Hielscher (Panten) führte in einem Vortrage über

»die Mitgabeit der Frau in der Landgemeinde“ aus: Diese erweiterte Mitarbeit ist heute nicht nur wünschenswert, sondern dringend notwendig, und zwar aus folgenden Gründen: Soll die Ausgestaltung der Wohlfahrtspflege auf alle, auch auf die kleinsten Landgemeinden ausgedehnt werden und nur in diesem Falle ist eine Hebung der Volkskultur auf dem Lande möglich so erfordert das eine große Zahl von besoldeten und ehrenamtlichen Hilfekräften. Abgesehen da— bon, daß vielfach männliche ehrenamtliche Hilfskräfte bei dem kleinen Kreise der überhaupt in Landgemeinden in Betracht kommenden Per⸗ sönlichkeiten nicht, ausreichend vorhanden sein dürften, sind weite Gebiete sozialer und kommunaler Arbeit auf dem Lande eigentliche Arbeitegebiete der Frau oder lassen doch deren Mithilfe sehr wünschenswert erscheinen, so z B. Kranken- und Wochenpflege, Säuglings⸗ und Kinderfürsorge, die hauswirtschaft⸗ liche und landwirtschaftliche Fortbildung unserer Frauen und Mädchen, Jugend- und Walsenpflege, Vormundschaft, Wohnungs⸗ fürsorge, Bekämpfung des Alkoholmißbrauchs, Volkszunterhaltung und Bildung. An zahlreichen Beispielen aus der eigenen Praxis zeigte die Referentin in anschaulicher Weise, wie umfangreich heute das Arbeitsfeld der gebildeten Frau auf dem Lande geworden ist, und wie lohnend die Arbeit gerade auf dem Lande sein kann. Man ist in der Regel nicht nur gewillt, in den Land gemeinden auf den genannten oder ähnlichen Gebieten die Frau zur Mitarbeit heranzuziehen, sondern auch oft bereit, sie an leitender Stelle mitarbeiten zu lassen. Sehr häufig hat sie hier nicht mit den Schwierigkeiten zu kämpfen, die sich der Stadtfrau in solchen Fällen bisweilen in den Weg stellen. Abgesehen von einzelnen weiblichen Persönlichkeiten, fehlt es jedoch auf dem Lande zurzeit vielfach noch weit mehr als in der Stadt, eine Folge wohl der mangelhaften Organisation der Landbewohnerinnen an Frauen, die geneigt und dazu genügend vorgebildet sind, sich auf den genannten Arbeitsgebieten zu betätigen. Darum muß es jetzt eine Hauptaufgabe aller an der Durchführung zeitgemäßer Reformen und Wohlfabrts⸗ bestrebungen interessierten Männer und Frauen in unserem deutschen Vaterlande sein, in jedem Landkreise Frauen in größerer Zahl heran= zuziehen und sie für eine erwelterte soßiale und kommunale Mitarbeit zu schulen. Pastor Konrad Schliemann aus Lanken in Mecklenburg sprach über „Gesangpflege auf dem Lande“: Die Pflege des Gesanges ist ein wichtiges Stück der ländlichen Wohlfahrtz— und Heimatpflege. Durch den Gesang wird der Frohsinn ge— hoben und die Liebe zur Heimat gestäͤrkt Das Sangesleben der ländlichen Bevölkerung bedarf aber dringend der Pflege; denn es liegt zurzeit sehr danieder. Unser Volk singt viel zu wenig, und wenn es singt, so greift es oft zu minderwertigen Liedern. Es gilt, die schönen deutschen Volkslieder wieder heimisch zu machen in den Herzen und Häusern. Zu solcher Gesangpflege ist vor allem die Schule berufen; sie muß dafür sorgen, datz das Kind beim Ab gang von der Schule über einen reichen Schatz von Liedern und Melodien verfügt. Noch mehr aber kann das Haus tun. In jedem Hause sollte so viel wie möglich gesungen werden; auch Gesellig⸗ keiten, die tägliche Andacht u. a. können in den Dienst der Sache gestellt werden. Endlich kann auch die Kirche mit ihren Gottez⸗ diensten viel zur Hebung des Gesanges beitragen. Die Hauptsache aber ist, daß jeder einzelne es sich angelegen sein läßt, nicht nur selbst zu singen, sondern auch andere zum Singen zu veranlassen. Je mehr unser Volk wleder ein singendes Volk wird, um so fröhlicher wird sein Sinn und um so größer seine Liebe zur Heimat werden. Der Vortrag wurde durch Volkslieder und Singtänze der „Spandauer Wanderbögel“ ergänzt.

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ maßregeln. Gesundhettsstand und Gang der Volkskrankheiten. (Nach den „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“, Nr. 8 vom 19. Februar 1913.) Pest. Aegypten. Vom 25. bis 31. Januar erkrankten 3 (und starben 5) Personen, davon 1 (3) in Zagazig, 1 (1) in Aschmun,

58 9g . ö die Bedeutung und zweckmäßige Ausdehnung des Misch—

1 (— in Gizeh, (1 in Fayum.

Auslande in genannter Beziehung unbezweifelbar vorliege, ferner als

Britisch Ostindien. Vom 12. bis 18. Januar erkrankten 814 und starben 3121 Personen an der Pest. Von den Todesfällen kamen 1616 auf die Vereinigten Provinzen, 438 auf Bihar und Drissa, I64 auf die r n, . Bombay (davon 4 auf die Stadt Bombay), 156 auf den Staat Mysore, 149 auf das Punjabgebiet, 130 auf die Präsidentschaft Madras, 103 auf den Staat Hyderabad, 72 auf Rajputang und Ajmer Mer⸗ wara, 56 auf Burma (davon auf die Städte Rangun und Moulmein 15 und IM), 23 auf die Zentralprovinzen, 8 auf Bengalen (davon 6 auf Kalkutta), 4 auf den Landbezirk Delhi, 2 auf Zentralindien und 1 auf die Nordwestgrenzprovinz.

Niederländisch Indien. Vom 15. bis 28. Januar wurden auf Java gemeldet: Aus dem Bezirke Malang 133 Erkrankungen (und 130 Todesfälle), aus Kediri 29 (26), aus Toeloengagoeng 2 Todesfälle, ferner aus Paree 35, aus Madioen 14 und aus Soerabaja 11 Erkrankungen. Für die Zeit vom 1. bis 14. Januar sind nachträglich aus Paree 2 Erkrankungen mit⸗ geteilt worden.

Brasilien. In Rio de Janeiro vom 8. Dezember bis 2. Januar 2 Erkrankungen und 1 Todesfall.

Cholera.

Rußland. In Odessa sind vom 8. bis 21. Januar 5 Cholera⸗ erkrankungen mit 2 Todesfällen festgestellt worden, dagegen kein neuer Fall mehr bis zum 28. Januar. ĩ

Türkei. Nach dem amtlichen Ausweis Nr. 12 ist in Konstantinopel in der Zeit vom 28. Januar bis 1. Februar 1 Erkrankung, und zwar am 28. Januar, fessgestellt worden; ble Ge samtzahl der Erkrankungen (und Todesfälle) seit dem 35. November v. J. betrug daselbst 2515 (1245).

Pocken.

Deutsches Reich. In der Woche vom 9. bis 15. Februar wurden ? Erkrankungen festgestellt, und zwar je 1 in Gronau i. W. (Kreis Ahaus, Reg. Bez. Münster) und in Grötzingen (Bez. Amt Durlach, Baden). Desterreich. in Triest. Schweiz. Vom 26. Januar bis 1. Februar J neue Erkrankung im Kanton Graubünden.

Zanzibar. Zufolge Mitteilung vom 9. Januar sind in der Stadt Zanzibar 10 Personen, meist Inder, an den Pocken erkrankt.

Fleckfieber. Oesterreich. Vom 26. Januar bis 1. Februar 86 Erkrankungen

in Galizien. Genickstar re.

Preußen. In der Woche vom 2. bis 8. Februar sind 8 Er⸗ krankungen (und 5 Todesfälle) in folgenden Regierungsbezirken und Kreisen gemeldet worden: Arnsberg ?? (2) Hamm Stadt ] (l), Hörde Lad 1 (D], Düsseldorf 1 [Essen Stadt, Magde⸗ hurg 1 G6 1Magdeburgl, Oppeln 3 (2 Beuthen Land 1 1 (1), Kattowitz Stadt . Kattowitz Land 1 (1) Schleswig 1 [Kiel].

Schweiz. Vom 26. Januar bis 1. Februar in 1 Ortschaft des Kant. Graubünden 4 Erkrankungen.

Vom 26. Januar bis 1. Februar 1 Erkrankung

Spinale Kinderlähmung.

Preußen. In der Woche vom 2. bis 8. Februar sind 2 Er⸗ krankungen (und 1 Todesfall) in folgenden Regtierungsbezirken und . angezelgt worden: Düsseldorf 1 Barmen, Münster 1 (1) IRecklinghausen Land].

Oesterreich. Vom 19. bis 25. Janugr Steiermark.

Erkrankung in

Verschiedene Krankheiten.

Pocken; Konstantinopel (26. Januar bis 8. Februar) 16, St. Petersburg 1, Warschau 2 Todesfälle; Losser in den Niederlanden 3. bis JI. Februar) 6, Paris 1, St. Petereburg 4, Warschau Krankenhäuser) 1“ Gikrankungen; Varizellen: Nürnberg 20, Budapest 44, New York 185, St. Petersburg 23, Prag 24, Wien 5 Erkrankungen; Fleckfieber: Reg. Bez. Oppeln 1 Todesfall; Reg. Bez. Oppeln 1, Odessa 4, St. Petersburg 1, Warschau (Krankenhäuser) 2 Erkrankungen; Rückfallflkeber: Odessa 3 Erkrankungen; Milzbrand: Reg.⸗Bezirke Breslau, Düssel⸗ dorf je 1 Erkrankung; Tollwut: Moskau 1 Todes⸗ fall; Influenza: Berlin 2, Braunschweig, Nürnberg je 1, Amsterdam 3, Antwerpen 3, Edinburg 1, Kopenhagen 4, London 24, Moskau 8 New Jork 6, Odessa 1, Paris 9, St. Verersburg 8, Prag 1 Todesfälle; Nürnberg 71, Kopenhagen 105, Odessa 57, Stock holm 2 Erkrankungen; Genickstarre: London 1, New PNork 4, Rom 1 Todesfälle; Christiania 2, New Jork 9 Erkrankungen. Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen ist an Scharlach (Durch⸗ schnitt aller deutschen Berichtsorte 1895/19604: 1,04 60) gestorben in Graudenz Erkrankungen wurden gemeldet im Landespoltzeibezirke Berlin 176 (Stadt Berlin 1063), im Reg.-Bez. Arnsberg 192, in Nürnberg 30, Hamburg 38, Amsterdam (5. bis 11. Fe⸗ bruar) 43, Budapest 61,9 Kopenbagen 45, London (Kranken⸗ häuser) 209, New Jork 259, Paris 76, St. Petersburg 97, Prag 29, Rotterdam (5. bis 11. Februar) 24, Waischau (Krankenhäuser) 43, Wien 106; an Keuchhu sten gestorben in Fürth, Offenbach Er- krankungen wurden angezeigt in Nürnberg 297, Budapest 28, Kopen—⸗ hagen 41, London (Krankenhäuser) 28, New Jork 45, Wilen 68. Ferner wurden Erkrankungen gemeldet an: Masern und Röteln im Reg.-Bez. Posen 356, in Nürnberg 65, Hamburg 64, Budapest 90, Kopenhagen 147, London (Krankenhäuser) 169, New Vork 412, Odessa 27, Paris 168, St. Petersburg Sg, Prag 79, Wien 278 Diphtherie und Krupp im Landespoltzeibezirk Berlin 186 (Stadt Berlin 110), in den Reg.⸗Bezirken Arnsberg 132, Düsseldorf 177, in Hamburg 91, Budapest 31, London (Krankenhäuser) 126, New Noꝛk 5s, Paris 69, St. Petershurg, Prag je 33, Stockholm 30. Wien 78, Typhus in New Jork 53, Paris FI, St. Petersburg 51, Warschau (Krankenhäuser) 21.

Nr. 8 der ‚Versffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsam tze vom 19. Februar 1913 hat folgenden Inhalt: Gesundheitsstand und. Gang der Volkskrankheiten. Desgl. gegen Cholera. Sanität sbericht über die preußische Armee 2c. 1D0oh (10. Gesetzgebung usw. (Deutsches Reich.) leischeinlaß⸗ stellen. Stempelzeichen. (Bayern) Feuerbestattung. (Bürttemberg.) Schafherden. Sachsen Weimar.) In n ses Material. (Mecklenburg ⸗Strelitz) Gpidemische Krankheiten. (ODesterreich) GChlorkalziumlauge. Ajetan. CGuxem- burg.) Schlachtvieheinfuhr. (Vereinigte Staaten von Amerifg) = Nahrungsmitttel 2c. Tierseuchen im Auslande. Degal. in Luxemburg, 4 Vierteljahr 1912. Deßsgl. in Ruß⸗ land. 3. Vierteljahr 1912. Zettweilige Maßregeln gegen Tierseuchen. (Deutsch Südwestafrika, Schweden) Ver mischtes. (Norwegen). Infektiongkrankheiten in Bergen, 1911. (Türkei.) Sterblichkeit ki Konstantinopel, 1910 und 1911. Geschenkliste. Wochentabelle über die Sterbefälle in deutschen Orten mit 40000 und mehr Einwohnern. Desgl. in größeren Städten des Aut landes. Erkrankungen in Krankenhäusern deutscher Großstädte. Desgl. in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. Witterung. Bellage: Gerichtliche Entscheidungen, betr. den Verkehr mit Nahrungs⸗ mitteln Bier).