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Das Königliche Staattministerium trat heute zu
einer Sitzung zusammen.
Laut Meldung des „W. T. B.“ sind am 26. November S. M. S. „Hertha“ in Kingston (Jamaika), S. M. S. „Scharnhorst“ mit dem Chef des Kreuzergeschwaders und S. M. Tpdbt. „S 90“ in Nagasaki eingetroffen.
Sachsen.
In der gestrigen Sitzung der Zweiten Kammer gab der Finanzminister von Seydewitz zu der Frage des angeb⸗ lich zwischen Preußen und Sachsen bestehenden Eisenbahn⸗ krieges laut Meldung des W. T. B.“ folgende Erklärung ab:
Ein Eisenbahnkrieg zwischen Preußen und Sachsen bestehe tat⸗ sächlich nicht. Selbstverständlich habe sich zwischen den Eisenbahn⸗ verwaltungen ein gewisser Wettbewerb geltend gemacht, der aber nur Verbefferungen mit fich bringen könne. Es geschehe seitens der be⸗ teiligten Regierungen alles, um den Wettbewerb in lovalen Grenzen zu halten. Die Regierungsvertreter kämen zweimal im Jahre zu Konferenzen zusammen, um etwa entstehende Unzuträglichkeiten zu be⸗ seltigen. Daz Umwegfahren im Güterverkehr zwischen Sachsen und Preußen finde nur in geringem Umfange statt, jedenfalls nicht so, daß Verkehrsinteressen dadurch geschädigt würden.
Baden.
Bei der gestern mittag erfolgten feierlichen Sröffnung der Stände versammlung sfagte Seine Königliche Hoheit der Großherzog in der Thronrede laut Meldung 6 a
Ich heiße Sie bei dem Eintritt in Ihre Beratung herzlichst willkommen. Die Anforderungen, die das Reich zur Sicherung seiner Macht an die deutsche Steuerkraft stellen muß, haben eine wesentliche Steigerung erfahren. Die zur Deckung der jüngst verabschledeten Wehrvorlage geforderten großen Opfer werden für die nationale Ehre und . 4 er gn, können aber auf unser Wirtschafts— leben nicht ohne Einfluß bleiben. .
ö des Landes hat sich günstig gestaltet. Es ist möglich geworden, Ihnen einen in allen Teilen reich ausge⸗ statteten Etat vorzulegen. Seine Ausgleichung konnte schon mit Hilfe eines Teiles der in den Betriebs fonds der allgemeinen Staats, verwaltung eingesammelten Ueberschüsse bewerkstelligt werden. Um dlesen erfreulichen Zustand auch für die Zukunft nach Möglichkeit zu sichern, werden Ihnen einige Vorschläge finanztechnischer Art zugehen. Das schlen besonders geboten, weil die allgemeine Wirt⸗ schaftslage Deutschlands und damit auch das Erwerbsleben unseres Vandes sich leider wieder ungünstiger zu gestalten beginnt, Infolge wiederholter Fehlherbste befindet sich der Winzerstand in schwieriger Lage. Meine Regierung wird Ihnen Vorschläge zur Linderung unterbreiten. Die Geltungsdauer des Gesetzes über die Aufbesserung gering besoldeter Pfarrer aus Staatsmitteln soll verlängert werden.
i Frage der Einführung der Verhältniswahl für die Wahlen zur Zweiten Kammer der Ständeversammlung, die auf dem letzten Landtage in beiden Kammern erörtert wurde, ist in der Zwischenzeit von meiner Regierung einer eingehenden Prüfung unter- zogen worden. Das Ergebnis wird Ihnen in einer Denkschrift demnächst mitgeteilt werden. .
Die Denkschrift über die Vereinfachung der Staatsverwaltung, die im letzten Landtage nicht mehr zur Beratung gelangte, wird Ihnen, auf den heutigen Stand der Verwaltung und des Verfahrens ergänzt, von neuem vorgelegt werden.
Oesterreich⸗ Ungarn.
Der Kaiser Franz Joseph empfing gestern mittag in Schönbrunn den Besuch des Königs der Bulgaren.
— Der Ausschuß für auswärtige Angelegen⸗ heiten der Oesterreichischen Delegation hat gestern nach einer längeren Rede des Ministers Grafen Berchtold das Budget des Ministeriums des Auswärtigen im all⸗ gemeinen mit großer Mehrheit angenommen. In der Spezialdebatte wurde der Dispositionsfonds des Ministeriums mit zwölf gegen die sechs Stimmen zweier Tschechen und vier Deutsch Nationaler angenommen; einige Tschechen hatten die Sitzung verlassen. Laut Bericht des „W. T. B.“ führte Graf Berchtold in seiner Rede aus: , .
Er wolle auf die vorgebrachten Kritiken gegen die Führung der äußeren Politik antworten, soweit dies mit den internationalen Rück⸗ sichten zu vereinbaren sei. „Wenn ich“, sagte Graf Berchtold, „die Ausstellungen, die gegen unsere auswärtige Politik vorgebracht worden sind, zusammenfasse, so gipfeln sie darin, daß die Diplomatie angeblich nicht gehörig orientiert gewesen sei, daß sie keine bestimmten Zielpunkte verfolgt habe, und daß die aufgewandten Mittel in keinem Verhältnis zu den erreschten Resultaten gestanden hätten. Was den ersten Punkt anbelangt, so glaube ich, ihn bis zu einem gewissen Grade entkräften zu können, indem ich darauf hinweise, daß wir bereits zu einer Zeit, wo noch von keiner anderen Stelle eine Auslassung über den Censt der Lage gegeben wurde, nämlich im August vorigen Jahres, eine internationale Aktion eingeleitet haben, die darauf ge⸗ richtet war, den Versuch zu machen, durch Einwirkung auf die Pforte diese zur Einführung solcher radikalen Resormen zu
ewegen, die hätten geeignet sein können, der geplanten Aktion der Balkanstaalen den Boden zu entziehen. Da— mals hat aber die ablehnende Haltung der Pforte, unsere Bemühungen illusorisch gemacht und die von ihr eingeleitete unzeit⸗ gemäße Mobilisierung den Aushruch des Konfliktes gefördert oder herbeigeführt. Andererseits habe ich bereits in der vorvorigen Delegationssession Anlaß genommen, auf die drohenden Gefahren auf⸗ merkfam zu machen, was damals als Schwarzseherei bezeichnet wurde. Ez ist ausgeführt worden, daß vielleicht zu Beginn der Balkankrise die Möglichkeit geboten gewefen wäre, durch Aussprache mit den Balkanstaaten in betreff Albaniens dasjenige zu sichern, was wir später beantragt haben. Ich bitte aber zu bedenken, daß Albanien damals türkisches Territorlum war, und daß wir, um schen damals dessen Neutralstät gegenüber den Balkanstaaten durch- zusetzen, mit Rücksicht auf die noch dort befindlichen türki⸗ schen Truppen zu einer effektiven Besetzung hätten schreiten müffen, die einen Teil unserer Armee im Moment großer internationaler Spannung gebunden batte, was wir daher nicht in Erwägung ziehen wollten. Wären aber die Balkanstaaten auf unsere Forderungen nicht eingegangen, so. würden wir natürlich gejwungen gewesen sein, gegen unseren Willen in dlesem Kampfe Partei zu ergreifen und dadurch unserer künftigen Politik den Balkanstaaten gegenüber zu präjudisleren. Es muß übrigens in diesem Zusammenhang auch die damalige internationale Lage in Betracht gezogen werden. Es wurde heute schon viel⸗ 1 von den Enthüllungen des „Matin“ über den Geheimbund gesprochen, der damals geschlossen wurde. Wenn diese Informationen richtig sind — und sie stimmen mit manchen Informationen überein, die wir damals bereits gehabt haben — so würden sie einen weiteren Beweis dafür bilden, daß die Balkanstgaten gewisse Hoffnungen auf elne Großmacht setzten, und die Möglichkeit einer Verwicklung daher nahelag. Wie dem auch sei, jedenfalls kann man einen Zusammenstoß der Monarchie mit den geeinigten Balkanvölkern keineswegs als ein erstrebengwertes und. der Rolle der Monarchle auf dem Balkan konformeß Jiel bezeichnen. Ez ist dies eine Lage, die gegebenenfalls
angenommen werden müßte, zu deren Herbeiführung wir aber n die Hand bieten dürfen und nicht die Hand bieten wollen. 4 zu meinem Bedauern feststellen müssen, daß die von uns aufgestellten Programmpunkte mannigfachem Widersprüch begegnet sind. Es ist dies vielleicht in erster Unie darauf zurückzuführen, daß sie sich auf einer Linie bewegen, wodurch sie je nach der Auffassung den einen zu weit gehen, den anderen aber zu eng begrenzt erscheinen.
raf Berchtold kam im weiteren Verlaufe seiner Rede darauf zu sprechen, daß das Aufgeben Salonikis und des Sandschaks Novibazar bemängelt werde. Was Saloniti anbelange, so habe es sich um kein Aufgeben gehandelt, da keiner seiner Vorgänger an die Erwerbung dieses Hafenplatzes und des dorthin führenden Weges gedacht habe. Auch Andrassy habe es 6 getan. Eine Ausbreitung zum Aegälschen Meere hätte die größten Schwierigkeiten nach sich gejogen. Bezüglich des Sandschaks Novlbazar sei schon in der Delegation darauf hingewiesen worden, daß durch den Verzicht des Grafen Aehrenthal auf das Be—⸗ setzungsrecht dieses Gebietes Desterreich nicht mehr freie Hand hatte,
auf dasfelbe Anspruch zu machen. Graf Berchtold fuhr fort, er habe
porhin gesagt, daß Oesterreich- Ungarn einen Mittelweg eingeschlagen habe. Er Forderung bezüglich Albaniens sei daher von mancher Seite als zu gering bemessen betrachtet worden. Von anderer Seite aber wieder als zu weitgehend. Graf Berchtold erklärte dann, bezüg⸗ lich Albaniens sei die Monarchie wieder einen beträchtlichen Schritt weiter gekommen, indem die Fürstenfrage nunmehr als gelöst betrachtet werden und schon jetzt gesagt werden könne, daß die ersten Fähr⸗ lichkeiten, von denen das junge Staatswesen bedroht wäre, nahezu als überwunden betrachtet werden könnten. Die von mehreren Seiten außtzgesprochene Besorgnis wegen der Möglichkeit einer Aufteilung in jwei Interessensphären, eine österreichische und eine itallenische, könne als vollkommen unbegründet, bezeichnet werden. Bezüglich der großen Kosten, die die Balkankrise hervor⸗ gerufen habe, erklärte Graf Berchtold, sicherlich nicht die bedauerliche Erscheinung im wirtschaftlichen Leben in Abrede stellen zu wollen. Doch hätten die Kosten der milltärlschen Maßnahmen so be⸗ deutende Ziffern erreicht, weil frühere Versäumnisse hätten nach- geholt werden und die Truppen während der ganzen Krise hätten an der Ostgrenze bleiben müssen. Die, finanziellen Erforder⸗ nisse erschienen allerdings besonders drückend, weil, sie mit einer in mancher Beziehung ungünstigen wirtschaftlichen Kon⸗ junktur zusammenfielen. Bei einer objektiven Beurteilung könne, ab—= gesehen von diesen Umständen, auch nicht übersehen werden, daß sämt⸗ liche Balkanstaaten, die bekanntlich einen großen Teil der Kunden der Monarchie ausmachten, ein ganzes Jahr im Felde gestanden hätten, und zwar in einem Kriege, den Oesterreich⸗Ungarn nicht habe ver⸗ hindern können und wollen. Es sei nur natürlich und unabwendbar gewesen, daß Oesterreich⸗Ungarns Industrie und Handel schwer in Mitleidenschaft gezogen worden seien. ; !
Graf Berchtold antwortete hierauf auf speziellere Vorwürfe, die ihm von seiten der Delegierten gemacht worten waren. Was die gleichfalls zur Sprache gebrachte Mission des Prinzen Hohenlohe in St. Petersburg anbelange, erklärte der Redner, so habe sie ihr Zlel, nämlich die Ausklärung mehrfacher Mißverständnisse über die Lage in den Grenzgebieten, nicht nur nicht verfehlt, sondern vollkommen erreicht, da sie tatsächlich die nachmalige hochherzige Initiative beider Monarchen angebahnt und herbeigeführt habe. Bezüglich des Bukarester Friedens müßte ein zweifacher Irrtum richtiggestellt werden. Der Vorbehalt der Prüfung und Genehmigung der zwischen den Balkanstaaten zu treffenden Vereinbarungen in London sei auf englische Anregung be— schlossen und von allen Mächten angenommen worden. Oestexreich- Ungarns Absicht sei es nie gewesen, diese Ueberprüfung auch dann selbständig durchzuführen, wenn die anderen Mächte zurücktreten sollten. Um einer Legendenbildung bezüglich Rumäniens entgegenzutreten, verwiez Graf Berchtold auf alle Gelegenheiten, bei denen die Monarchle und zwar von Anfang der Krise an und später in London, Sofig und St. Peters⸗ burg für die weltestgehende Berücksichtigung der rumänischen Wünsche eingetreten sei. Wenn DesterreichUnggarn nicht voll habe durchdringen können, so sei dies auf ein fremdes Konto zu buchen. Als ganz unbegründet müsse er die Aus streuung zurückweisen, als hätte Rumänien verhindert werden sollen, feinen Aspirationen volle Geltung zu verschaffen. Der Delegierte v. Langenhan habe von angeblichen Versuchen gesprochen, an Stelle Rumäntens Bulgarien zu setzen. Ihm sei von solchen Versuchen nichtz bekannt, und auch diese Darstellung gehöre in das Gebiet jener Informationen, die mit einer bestimmten Tendenz in die Welt gesetzt worden seien. Hierauf gab Graf Berchtold eine eingehende Schilde⸗ ruug der Affäre Prochaska.
Auf eine spezielle Anfrage, ob sich in dem Bündnisvertrage zwischen Oesterreich⸗Ungarn und Italien eine Geheimklausel befinde, die sich auf die inneren Verhältnisse der Küstenländer der Monarchie beziehen sollte, antwortete Graf Berchtold, daß sich eine solche Geheimklausel in dem Bündnisvertrage nicht befinde und jede fremde Einmischung in Fragen der inneren Politik der Monarchie vollkommen ausgeschlossen erscheine. Auf elne Anregung wegen Herausgabe der wesentlichen, die abgelaufene Krise betreffenden diplomatischen Kor respondenzen erklärte Graf Berchtold, sich mit der Ausführung dieser Sache befassen zu wollen.
Nach einem Referat des Berichterstatters Marquis Bacquehem erklärte in der darauffolgenden Spezialdebatte der Delegierte Langenhan, er sei von den dem National— verbande angehörigen Mitgliedern dieses hohen Aus⸗ schusses beauftragt worden, die Erklärung abzugeben, daß sie aus den von ihnen gelegentlich der beendeten Debatte an⸗ geführten Gründen sich leider veranlaßt sähen, diesmal gegen den Dispositionsfonds zu stimmen.
Hierauf folgte die oben gemeldete Abstimmung. Der Ausschuß tritt Dienstag zur Entgegennahme des Berichts noch⸗ mals zusammen.
— Im Heeresausschuß der Oesterreichischen Delegation schilderte gestern der Kriegsminister von Kro⸗ batin, wie „W. T. B.“ meldet, in vertraulicher Sitzung in großen Zügen die militärische Lage der Nachbarstagaten ünd die hierurch notwendig gewordenen Maßnahmen Oesterreich⸗Ungarns, die sukzessive und unverzüglich reduziert worden seien, sobald sich die Entspannung zeigte oder im Ausland getroffene Verfügungen es zu⸗ ließen. In öffentlicher Sitzung erklärte dann der Kriegs⸗ minister mit Bezug auf das Verhältnis seines Ressorts zum Ministerium des Aeußern, es könne von Unstimmigkeiten zwischen den beiden Ministerien keine Rede sein. Die militärischen Verfügungen seien immer im vollsten Einvernehmen mit dem Ministerium des Aeußern erfolgt. Hierauf gab der Leiter des Finanzministeriums Freiherr von Engel auf Wunsch der Delegierten verschiedene Aufklärungen.
Der Minister betonte, er billige den Grundsatz, daß regelmäßig wiederkehrende Auslagen möglichst ohne Inanspruchnahme von Kredit⸗ operationen gedeckt werden sollten. Der Stand der Einnahmen sei keineswegs so ungünstig, daß zu irgendwelchen Besorgnissen Anlaß wäre. Auch die Begebung der Rente im Sommer dieses Jahres sei duichaus nicht auf bedenkliche Beengtheit der Finanzverwaltung zurückzuführen, sondern es sei eine selbstverständliche Pflicht der Finanzverwaltung gewesen, von der Kreditermächtigung behufs Stärkung der Kassenbestände angesichts der unruhigen Zeiten Gebrauch zu machen. Die Informationen der Finanzverwaltung ließen erwarten, daß der Geldmarkt im nächsten Jahre günstiger als gegenwärtig sein werde. Wegen der militärischen Erfordernisse würden keineswegs Investitlonsauslagen auf anderem Geblete zurückgestellt werden.
— Die Ruthenenklubs erklärten gestern dem Minister⸗ präsidenten Grafen Stürgkh, daß sie die Einberufung des galizischen Landtags nicht behindern würden, wenn die
Session ausschließlich der Landtagswahlreform gewidmet wäre und an dem früheren Kompromiß unbedingt festgehalten würde. Der Ministerpräsident Graf Stürgkh gab nach Beratung mit den Polen seine Absicht bekannt, den galizischen Landtag zum 5. Dezember einzuberufen, sodaß das Abgeordnetenhaus seine . vom 4. bis zum 10. Dezember würde unterbrechen müssen.
Großbritannien und Irland.
In einer gestern abgehaltenen Versammlung der Nationalen Liberalen Vereinigung in Leeds bildete den ene, n der Beratung eine Resolution über die Einschränkung der Rüstungen. Es wurbe dabei betont, daß dem Wachstum der Flotte eine steigende Steuerlast folgen müsse und daß daher keine Gelegenheit versäumt werden sollte, um die freundschaftlichen Beziehungen mit den fremden Mächten zu fördern. Der Premierminister As quith wandte sich an die Versammlung, indem er mit Genugtuung auf die letzten Er⸗ rungenschaften der Regierung Bezug nahm und dann laut Be⸗ richt des „W. T. B.“ ausführte:
Nur eine Seite der Verwaltungttätigkeit der Regierung lasse für die
Liberalen keine volle Befriedigung zu, das sei die Zunahme der Staats⸗ ausgahen und im besonderen des Teiles der Ausgaben, der für Kampfzwecke diene, und der die Liberalen mit Besorgnis erfülle. Asquith betonte, daß die Regierung, seit sie im Amte sei, die Schulden um einen Betrag vermindert hätte, der bet Schluß des gegenwärtigen Finanzjahres nahezu hundert Millionen Pfund Sterling betragen werde. Die Ausgaben für das Heer seien sich in den letzten acht Jahren ziemlich gleich geblieben, doch seien die Ausgaben für die Marine um vierzehn Millionen Pfund gestiegen. In den letzten Jahren hätten fünf Großmächte ihre Ausgaben für Militär zwecke um mindestens sechzig Millionen erhöht. Die hritische Regierung beklage diese in der ganzen Welt zu Tage tretende riesige Ablenkung von Nationalvermögen in unproduktive Kanäle. Ein englisches Kabinett, das aus Leichtfertigkeit oder im Geiste ruhm— süchtigen Wetteifers oder rücksichtsloser Herausforderung die Ausgaben für die Rüstungen um nur ein einziges Pfund erhöhte, würde ein Verbrechen an der Nation begehen. Die Regierung könne sich dieses Vorwurfs nicht schuldig bekennen. Sie habe eine ernste Aufgabe zu er⸗ füllen und in ihrer Ausführung sei es ihre Pflicht, ein wachsames Auge zu haben auf das, was die übrigen Nationen täten, und ununterbrochen die weltumfassenden Interessen zu verfolgen, über die sie zu wachen habe. »Sie mögen fragen, fuhr Asquith fort, „wie lange dieser Zustand dauern wird. Ich habe letzthin auf dem Gulldhall⸗Bankett eine Mahnung und einen Appell, sowohl an die Staatsmänner als an die Geschäftsleute der Welt gerichtet. Sie mögen sagen, meine Worte seien gut, aber wie stehe es mit den Taten? Meine Antwort ist — und. ich hin weder Schönredner noch sentimental: Kein wirklicher Erfolg kann erreicht werden ohne die Zu⸗ sammenarbeit der Großmächte der Welt, herbeigeführt durch das Verlangen ihrer Völker. Ich für meine Person glaube, daß die ständig wachsende Belastung durch neue Steuern und die zu nehmende Schuldenlast den Erfolg haben werden, das herbeizuführen, was die Philanthropven und Idealisten vergeblich versucht haben, zu erreichen. Wir werden begierig jede Gelegenheit ergreifen, die wir entdecken oder schaffen können, um die Lasten allgemein zu erleichtern, die die besten Hoffnungen und das beste Streben der Menschheit beschweren. .
Asquith wandte sich dann den unionistischen Forderungen nach einer allgemeinen Neuwahl zu und erklärte, er sehe durch⸗ aus keinen Grund zu diesen Forderungen und soweit er in Betracht komme, möchte er bemerken, daß er nicht dazu raten könne. Die Regierung würde sich nicht schrecken oder aufhalten lassen durch die Drohungen mit einem Bürgerkriege. Drohungen dieser Art, ver— bunden mit versteckten Andeutungen über ihre mögliche Wirkung auf die Armee, seien das größte Hindernis für Home Rule und eine Ver⸗ ständigung. Die Haltung Carsons wäre schwerlich geeignet, Eindruck
auf das englische Volk zu machen. Der einzige Appell, der
sicher vergeblich sei, sei der Appell an die Furcht des englischen Volkes. Die Regierung werde keinen Augen blick darüber im Zweifel sein, daß der Staat die Pflicht und die Macht habe, dem Gesetz Gehorsam zu verschaffen. Asquith erklärte zum Schluß seiner Rede, er hätte keinen Grund, sich über die Art und Weise zu beklagen, wie seine Aufforderung zum Meinungs⸗ austausch aufgenommen worden wäre. Bereits wären von ver— schiedenen Sesten Anregungen gekommen, und obgleich er sich und seine Hörer täuschen würde, wenn er sagte, daß er in diesem Augenblick schon eine Aussicht auf Einigung sähe, so könne er doch einigen ungeduldigen Kritikern nicht darin beistimmen, daß die darauf verwandte Zeit verschwendet wäre. Weder jetzt noch später solle man sagen können, daß er, Asquith, irgend eine Tür zu einem verständigen und ehrenvollen Wege zum Frieden geschlossen hätte— Zuletzt stellte Asguith die Erzäblungen von Meinungsverschiedenheiten im Kabinett in Abrede und fügte hinzu, weder aus eigenem Antriebe, noch unter dem Einflusse anderer werde das Kabinett seine Grund- sätze aufgeben, sondern es werde die Sache bis zum Ende durchführen.
Frankreich.
Die Königin von Spanien ist gestern vormittag nach London abgereist.
— Nach einer vom W. T. B.“ verbreiteten offiziösen Meldung hat die bulgarische Regierung in der Frage der in Griechenland gefangen gehaltenen Komitatschis den Schiedsspruch Frankreichs angerufen.
Die Deputiertenkammer setzte gestern die Er— örterung des Gesetzentwurfs über den Schutz der Ursprungs— bezeichnungen fort.
Der Ackerbauminister Clémentel verteidigte, wie W. T. B.“ meldet, dem Abgeordneten Dubols gegenüber energisch den Artikel 7, der das Recht an diesen Bezeichnungen für die vorhergehenden Nutz⸗ nießer aufrecht erhält, ohne Beeinträchtigung der Rechte, die andere Interessenten vor den Gerichten erwerben könnten. Auf Befragen erklärte Clsmentel, daß das Gesetz den Zweck verfolge, der Regierung Waffen in die Hand zu geben, um den französischen Ursprungs⸗ bezeichnungen im Auslande Achtung zu verschaffen. Am Schlusse ö Rede stellte der Minister nur für seine Person die Vertrauent⸗ rage.
Der Artikel 7 wurde durch Handaufheben angenommen. Die letzten Artikel und schließlich das Gesetz als ganzes wurden durch Handaufheben ohne Widerspruch angenommen.
In der Nachmittagssitzung begann die Kammer die Be— ratung des Gesetzentwurfs, betreffend die . der drei⸗ prozentigen ewigen Rente zur Deckung der außerordent— lichen militärischen Ausgaben und der Ausgaben für Marokko.
Der Abg. Ja urs begründete seinen bereits vorgestern gemeldeten Antrag und verlangte obiger Quelle zufolge die Vertagung der Debatte, bis die Regierung positive Bürgschaften gegeben habe. Er kritisierte sodann das polltische und finanzielle Reglme und erklärte, die Anleihe würde nur einen Teil des angesammelten Defizits decken. Jaurds legte die verhängnisvollen Folgen dar, die die Anleihe seiner Meinung nach für das Wirtschaftsfeben haben würde, und sagte, die für Marokko geforderten illionen würden nur zur Deckung des Defizits dienen. Niemals sei die internarionale Lage günstiger gewesen, erklaͤrte der Redner, um die Frage des Schieds= gerichts aufzuwerfen als jetzt, wo 1 im Mittelmeer neue Gegensätze eltend machten, wo Deutschland seine Militärmission nach Kon— nr wopll entsende, wo England großen nationalen Bewegungen in Indien und Aegypten gegenüberstehe, und wo die Völker unter der langen Ballankrsse schwer gelitten hätten. Deutschland, Frant⸗
und
. oren gespielt. Welch unschäßbare Bürgschaft für den Weitfrieden wäre eine Verständigung zwischen diesen drei Mächten! Der Ministerpräsident Barthou antwortete betreffs der von Jauréês gusgesprochenen Befürchtung, daß in Marokko eine folgen⸗ schwere Expedition nach Taja vorbereitet werde, er könne die Ver— sicherung geben, daß gegenwärtig keine bewaffnete Expedition vor⸗ bereitet werde, aber es könne ein Augenblick kommen, wo eine solche Expedition unvermeidlich würde. Die Ver⸗ bindung Algeriens mit Marokko sei eben eine unabweisliche Notwendigkett. Die rn mn Jaurê s', daß Frankreich die Initiative ergreifen möge, um das allgemeine Schiedsgericht vor⸗ zuschlagen, müsse er ablehnen. Könnte man denn Frankreich zumuten, daß es das Schiedsgericht auch für Fragen, die die nationale Ehre berührten, beantrage? Im Haag hätten sich die Mächte der Triple entente für die Ausdehnung der Schiedsgerichtsinstitution ausgesprochen. Die Weigerung sei von der anderen Seite gekommen.
Hierauf wurde der Vertagungsantrag Jauréès mit 449 gegen 148 Stimmen abgelehnt.
Nußland.
Der Ministe rrat hat, wie W. T. B.“ meldet, ein Gesuch der Stadtduma von St. Petersburg, im Ausland Straßenbahn⸗ wagen bestellen zu dürfen, dahin beantwortet, daß die von russischen Fabriken angesetzten Mindestpreise nur unbedeutend höher seien als die Preise der ausländischen Fabriken, und daß daher die Bestellungen bei russischen Fabriken zu machen seien. Ferner hat der Ministerrat einer Vorlage zugestimmt, durch die von der Reichs duma ein Ergänzungskredit von 9 000 000 Rubel fürden Ausbau des Elementarunterrichts verlangt werden soll. Gegen ein Gesuch der Verwaltung der podolischen Eisenbahngesellschaft um Erlaubnis zur zollfreien Einfuhr von 500 000 Pud ausländischer Kohle wurden vom Ministerrat keine Einwendungen erhoben.
— Die Kom mission der Reichs duma für Handel und Industrie hat einen Gesetzentwurf gutgeheißen, der die Rückerstattung des Zolles für solche Industrieerzeugnisse vor⸗ sieht, die im Interesse der Entwicklung des russischen Handels nach dem nahen und fernen Osten exportiert werden.
Italien.
Das Parlament ist gestern durch den König feierlich eröffnet worden. Die Königin hatte sich bereits vor dem König zum Parlamentsgebäude begeben. Nachdem der König, umgeben von den Prinzen des Königlichen Hauses und den Ministern, auf dem Throne Platz genommen hatte, rief, der Ministerpräsident Giolitti die Deputierten zur Eidesleistung auf. Der König verlas alsdann die Thronrede, die einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge lautet:
Ich entbiete meinen Gruß den Vertretern der Nation, die zum ersten Male nach dem allgemeinen Wahlrecht mit dem Ausdruck eines vollständigeren Vertrauens gewählt worden sind. Mögen sie, die alle gesellschaftlichen Schichten des Landes vertreten, die sicheren Beschützer seiner gesetzmäßigen Interessen und der lebendigen Ideale des Vaterlandes sein. Vor jwei Jahren fand das erste halbe Jahrhundert unseres nationalen Lebens seinen Abschluß mit einer Ueberschau, die der ganzen Welt die Fortschritte zeigte, die Italien durch Einigkeit und Freiheit errungen hat. Die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts setzt mit der Erwerbung einer Kolonie ein, die Italien den Platz sichert, der ihm am Mittelmeer zukommt, und mit dem Gesetz, das anerkennt, daß alle Italiener das Recht haben, am politischen Leben teilzunehmen.
Der alänzende Anfang dieses neuen, geschichtlichen Zeitabschnitts gibt uns die Zuversicht, daß der Aufstieg unseres Landes ein immer sichererer und dauernderer sein wird. Das Unternehmen in Libyen hat uns zu gleicher Zeit mit einer großen Kolonie und einer stärkeren und angeseheneren politischen Stellung das Bewußtsein von den Tugenden unseres Volkes gegeben, von einer sicheren und ruhigen Beständigkeit und dem Gleichmut, mit dem es den schwersten Opfern begegnet, sobald es sich um die Ehre und das Glück des Landes handelt. Die rührenden Kundgebungen, die von allen Klassen des Volkes in allen Teilen Italiens den Soldaten hereitet wurden, als sie schieden, um ihre Pflicht zu erfüllen, und als sie wiederkamen, nachdem sie sie heldenhaft erfüllt hatten, zeigen, wie mächtig das vaterländische Gefühl im italienischen Volke sich geltend macht. Die Tugenden unseres Volkes haben ihren höchsten Ausdruck in unserer Armee und Marine gefunden, denen ich meinen Beifall spende, indem ich zugleich bewegten Herzens der Tapferen gedenke, die durch ihren Tod den Boden Libyens für Italien heilig gemacht haben. Die Er⸗ werbung Libyens stellt Italien vor eine große zivilisatorische Auf— gabe, deren erstes Ziel sein muß, uns die eingeborene Bevölkerung zu aufrichtigen Freunden zu machen, indem wir ihre Religion, ihre Familie und ihr Eigentum achten und sie die Wohltaten der Zivi⸗ sation schätzen lehren. Das friedliche Einvernehmen mit dieser Be⸗ völkerung wird unserem wirtschaftlichen Unternehmungsgeist ein großes Feld der Betätigung vorbereiten und es in nicht zu ferner Zeit mög⸗ lich machen, daß der Strom der Auswanderung, anstatt sich ganz fremden Ländern zuzuwenden, auch nach diesen weiten Gebieten ge— lenkt wird.
Während die Tapferkeit des Heeres und der Marine die Er⸗ werbung von Libyen beendete, führte die Weisheit des Parlamentes die Reform zu Ende, die über fünf Millionen Bürger zu dem politischen Leben berief. Diese Reform wird zur notwendigen Folge eine Richtung in der Gesetzgebung haben, die gleichzeitig ver⸗ besserte gelstige, moralische und wirtschaftliche Lebensbedingungen der Volksklassen bezweckt und eine angespanntere Produktton, die das Niveau des nationalen Reichtums hebt, immer in Er⸗ innerung dessen, daß der größte Koeffizient des Volkswohlstandes im sozialen Frieden liegt und daß nur die Blüte von Ackerbau und Industrie das Wohlbefinden der Volkeklassen sichern kann. Wir müssen daher die soziale Gesetzgebung zagunsten der Arbeiter vervollkommnen und die großen Interessen von Ackerbau und Industrie pflegen und der Handelsmarine, die ein mächtiger Faktor 4 Wohlfahrt für Handel und Kraft des Landes ist, zähe Pflege widmen.
Da man den Wert eines Volkes in der modernen Welt nach dem Grade seiner Kultur bemißt, so müssen wir durch die wirksamsten Mittel dafür Sorge tragen, daß der Volksschulunterricht rasch auf alle Bürger ausgedehnt und immer mehr vervollständigt, der gewerbliche und landwirtschaftliche Unterricht ausgestaltet und die mittlere Schulbildung eine ernsthafte Erzieherin werde, angepaßt den Faͤhigkelten der italien lschen Jugend und den Notwendigkeiten des Lebens, und daß auch ein mehr und mehr vertiefter Hochschulunterricht den ruhmreichen Traditionen der italienischen Universitäten entspreche. Indem wir unt einer der reinsten Quellen unseres Ruhmes erinnern, sollten wir eifersüchtig auf die Erhaltung des künstlerischen Väter erbes sehen und darauf achten, daß die künstlerische Kultur der neuen Geschlechter der ö Tradition würdig sei.
Auf dem Gebiete der He setzgebung wird man mit der Reform des Bürgerlichen Gesetzbuchs beginnen müssen, um der Frau die Stellung zu ben, die ihr in der Familie zukommt. Auch die Reform der Zivflgerichtsbarkeit muß in Angriff genommen werden, um das Verfahren zu beschleunigen und jedermann zugänglicher zu machen. Endlich muß die Handelsgesetzzebung den veränderten Verhältnissen im Handel und Kreditwesen angepaßt werden. Die Beziehungen zwischen Kirche und Staat sind weise geregelt durch unsere Gesetze auf der Grund⸗ lage größter Religtonsfrelbeit, die jedoch niemals zu einer Einmischung der Kirche in die Befugnisse des Staafs führen darf, weil der Sigat, der allein der Vertreter der Gesamtheit der Bürger ist, keine Be⸗ schränkung seiner Souveränität dulden kann.
gi. hätten bel dieser Keise erfelgreich vie Rolle
Schwere Beunruhigung ist in der letzten Zeit ganz Furopa be—= reitet worden durch Fragen, die sich erhoben infolge der blutigen Er⸗ eignisse, die das Gleichgewicht auf der Balkanhalbiasel verändert
haben. Italien hat in vollständiger Uebereinstimmung mit den ver—⸗
bündeten Mächten und dank seiner vorzüglichen und freundschaftlichen Beziehungen zu den anderen Mächten tüchtig mitgearbeltet, um die schwersten Konflikte zu verhüten. Der gemeinsame Wunsch aller Mächte, alle aufgetretenen Meinungsverschiedenheiten auf fried⸗ lichem Wege zu lösen, führte zu Uebereinkommen, die ein großes Glück für die Sache des Friedens und der Zivilisation waren. i wünsche jetzt, daß für die durch die blutigen Kriege so grausam geprüften Balkanvölker eine Zeit des Friedens und der Wohlfahrt anbrechen möge. Die Erfahrungen dieser letzten, so bewegten Zeiten haben gezeigt, daß die Gruppierung der Großmächte in Drei⸗ bund und Trhpleentente ein Kräftegleichgewicht schafft, das die größte Gewähr für die Erhaltung des Friedens ist. Wir müssen für unser Teil dieses Gleichgewicht bewahren, indem wir bie Stärke von Heer und Marine in dem Verhältnis, das unserer politischen Stellung entspricht, aufrecht erhalten. Das Parlament wird als der sichere Beschützer der höchsten Interessen des Landes in den Grenzen unserer wirtschaftlichen Verhältnifse darauf sehen, daß Heer und Marine in die Lage versetzt werden, ihre so hohe Aufgabe zu erfüllen.
Die Lösung der großen Probleme, die ich erwähnt habe, verlangt als notwendige Grundlage solide Finanzen. Die Tatsache, daß wir einen langen Krieg ausgehalten hahen, ohne den Bau öffentlicher Arbeiten und die Ausgestaltung der Zivilverwaltung zu verlangsamen und ohne an das ausländische Kapital zu appellieren, hat den italienischen Kredit auf die festeste Grundlage gestellt. Diese Kraft müssen wir unversehrt aufrecht erhalten durch strengste Wah⸗— rung der Interessen des Schatzes, wobei wir auch die notwendigen Opfer, denen sich die Vaterlandeliebe der wohlgestellten Klassen nicht versagen wird, ins Auge fassen. Die Legislaturperiode, die heute er= öffnet worden ist, bildet den Anfang eines neuen Abschnittes in unserer Geschichte.
Das Unternehmen in Libyen, das allgemeine Wablrecht und die rasche Entwicklung der modernen Welt eröffnen neue Horizonte und bieten Ihren Erwägungen neue größe Probleme dar. Die Hissung des italienischen Banners auf dem anderen Ufer des Mittelmeeres bedeutet eine tätigere Teilnahme an der Lösung der Probleme der auswärtigen Politik. Die neue italienische Erde erwartet dieses Werk der Zivilisation, in deren Namen wir sie besetzt haben. Der Ruf zum politischen Leben, der an die zahlreichen Reihen des Volkes ergangen ist, die vorher von einer Teilnahme daran ausgeschlossen waren, bedeutet eine förmliche Verpflichtung, die Prüfung derjenigen Probleme, die sie unmittelbar interessiren, an die erste Stelle zu rücken. Der historische Zeitabschnitt, der jetzt be⸗ ginnt, wird einen neuen Schritt zum Wohlstande und zur Größe des Vaterlandes bedeuten, wenn wir die hoben Tugenden, von denen das italienische Volk einen so heldenhaften Beweis gegeben hat, ans Ziel zu führen verstehen werden.
Nach der Verlesung der Thronrede erklärte der Minister— präsident die erste Sitzung der 24. Legislaturperiode für er⸗ öffnet, Unter den Rufen „Es lebe der König!“ und „Es lebe die Königin!“ verließen die Majestäten das Parlament und fuhren zum Königlichen Schlosse zurück.
Spanien.
Die Regierung hat beschlossen, unverzüglich ein Kriegs⸗
schiff nach Verakruz zu senden. Türkei.
Die Verhandlungen über den türkisch⸗serbischen Friedensvertrag sind, wie W. T. B.“ meldet, nach In⸗ formationen aus kompetenter türkischer Quelle gestern nach einer Besprechung Reschids mit dem serbischen Delegierten Pawlowitsch beendigt worden. Ueber alle Punkte wurde ein vollkommenes Einvernehmen erzielt. Der Text des Ver⸗ trages wird in Belgrad der Genehmigung der serbischen Regierung unterbreitet und dann dem türkischen Ministerrat vorgelegt werden. Da die serbische Regierung bezüglich der Rechte und Lasten gegenüber den orientalischen Eisenbahnen in den an Serbien abgetretenen Gebieten an die Stelle der türkischen Regierung tritt, werden alle darauf bezüglichen Fragen der Pariser Finanzkommission für Balkanangelegen⸗ heiten übertragen werden. — Die türkischen und die bul garischen Delegierten für die Handelsvertragsverhandlungen haben obiger Quelle zufolge gestern beschlossen die Vertragsgrundlagen durch eine paritätisch zusammengesetzte Subkommission ausarbeiten zu lassen.
Kavakli Mustapha, der als einer der Mörder des Großwesirs Mahmud Schefket jüngst an Bord eines russischen Schiffes verhaftet worden war, ist gestern vom Kriegsgericht neuerlich zum Tode verurteilt worden.
Rumänien.
Das Exekutivkomitee der konservativen Partei hat in der gestrigen Sitzung, wie „W. T. B.“ meldet, einstimmig den Ministerpräsidenten Majoresco zum Parteiführer gewählt.
— Das Parlament tritt heute wieder zusammen.
Amerika.
Der frühere Präsident von Nicaragua Zelaya ist dem Reuterschen Bureau zufolge vorgestern in New Hort verhaftet worden. Die Anklage lautet auf Ermordung eines Einwohners von Nicaragua, namens Pineda, im Jahre 1909.
— Der Budgetausschuß des amerikanischen Repräsen⸗ tantenhauses ist von dem Marinesekretän Daniels ersucht worden, dem Kongreß die Forderung von 145 Millionen Dollars für das Marinebudget des nächsten Finanz⸗ jahres vorzulegen, das sind 5 Millionen weniger als in diesem Jahre.
Nach einer vom „W. T. B.“ verbreiteten Depesche aus Tampico haben die mexikanischen Aufständischen gedroht, die Oelreservoire in Tampico und oberhalb der Stadt zu zerstören, wenn das Kanonenboot „Bravo“, das die Bundes⸗ truppen unterstützt, sich nicht entferne. Die Aufständischen sollen wenig Aussicht auf Einnahme Tampicos haben, so lange der „Bravo“, den Verteidigern Hilfe leistet. Die von den
Europäern in der Hauptstadt eingerichtete Organisation
zur Verteidigung arbeitet eifrig. Die fremden Ein⸗ wohner hoffen, sich über eine Oertlichkeit zu verständigen, wo sie sich sammeln können, und die als neutral betrachtet werden würde. Es sind Schritte getan worden für den Ankauf von 1000 Stück Rindern, hundert Milchkühen, 1500 Hammeln und anderen Lebensmitteln für mehrere Wochen. Der englische Gesandte hat die englischen Untertanen aufgefordert, sich in die Liste der Gesandtschaft einzutragen. Auch die dänischen Unter⸗ tanen, die keine diplomatische Vertretung haben, werden sich zu ihrem Schutze in die Listen der englischen Gesandtschaft auf⸗ nehmen lassen.
Vorgestern hat in der Nähe von Santacruz zwischen Monterey, Victoria und Tamaulipas ein Gefecht stattgefunden. Die Rebellen zogen sich zurück.
Asien. J Der Präsident der chinesischen Republik uanschikai hat acht Personen zu Mitgliedern des Zentralverwaltungs⸗ rates der Regierung ernannt, unter ihnen, wie W. T. B.“ meldet, den früheren Minister des Aeußern Liangtunyen und den früheren Vizekönig von Hunan Litschingsi. Außer diesen acht Personen entsendet jedes Ministerium einen Vertreter in den Zentralverwaltungsrat, dessen Eröffnung nach der Ankunft der Vertreter der Provinzen erfolgt.
Parlamentarische Nachrichten.
Dem Reichstage sind die vom Bundesrat auf Grund des 5 10 des Hausarbeitgesetzes vom 20. Dezember 1911 (Reichsgesetzbl. S. M6) erlassenen Bestimmungen über Haus⸗ arbeit in der Taba kindustrie zugegangen.
Kunst und Wissenschaft.
Herbstausstellung 1913 im Ausstellungshaus am Kurfürstendamm.
Der Plan dieser Ausstellung lag seit dem Frühjahr fest. Als es im Sommer innerhalh des Vereins „Berliner Sezession? zur Scheidung kam und zum Austritt des größten Teils der Mitglieder, bildete sich nachträglich aus den Ausgetretenen eine Kommission, um den Plan einer Herbstausstellung unter gewissen Gesichtspunkten zu verwirklichen. Die Idee war, in dieser Herbstausstellung einen Sammelvlatz für alle augenblicklichen, künstlerischen Bestrebungen bis zu den allerjüngsten zu schaffen und ringenden Talenten Gelegenheit zur Oeffentlichkeit in weit⸗ gehendem Maße zu geben. Die Bilderschau, die mit diesem Pro⸗ gramm vor kurzem eröffnet wurde, zeigt, daß die seit der Sprengung der Sezession ziemlich verworrenen Zustände in der Berliner Künjtler⸗ schaft noch ungeklärt sind. Sie bedeutet weder ein legitimes, noch ein tatsächliches Wiederaufleben der früheren Veianstaltungen an dieser Stätte. Die Organisation ist eine nur für den jetzigen Zweck geschaffene; die glänzendsten Namen Liebermann, Slevogt, Trübner, Corinth fehlen glanz. Die jüngsten haben das Wort. Wehl entdeckt man beim zwelten Rundgang eine Reihe von Bildern, die mit den „augenblicklichen künstlerischen Bestrebungen“ nichts gemein haben, aber sie bestimmen nicht den Gesamteindruck. Es ist nur zu begrüßen, daß auf diese Weise die junge Künstlerschaft zeigen konnte und zeigen mußte, welche Werte sie allein ins Feld zu führen imstande ist. Sehr ermutigend ist freilich das Ergebnis nicht, weder was die Zahl der selb⸗ ständigen Talente noch was den Fortschritt der Bewegung selbst betrifft. Vielmehr tritt gerade die besondere Schwierig⸗ keit deutlicher als je zutage, mit den einfachsten Mitteln, den lautesten Farben, den primitivsten Gegenständen doch ein Bild zu gestalten, das eigenes Leben besitzen soll. Immer wieder beobachtet man, wie die einen, die sich ganz auf die Wucht weniger Farbkontraste oder Liniengefüge verlassen, zu einer Art ge⸗ malten Kunstgewerbes, die andern, die an große Gruppen sich wagen, zu Gewaltsamkeiten kommen, die bald kindlich komisch, bald abstoßend roh wirken. Was uns Erich Heckel und Wilhelm Großmann diesmal vorsetzen, ist beim besten Willen nicht mehr ernst zu nehmen. Großmann hätte wohl die Befähigung zum Karikaturenzeichner; was er als Maler gibt, ist zurzeit einfach ermüdend durch seine Formlosigeit. Bet den Unselbständigeren vollends ist es ganz deutlich, wie die neue Richtung sie verführt, in einer Sprache zu reden, die sie noch nicht können und wohl auch meist nicht lernen werden. Felix Meseck und Artur Degner erweckten im vorigen Jahre gewisse Hoffnungen. Ihre jetzigen Bilder sind mit ihren gewollten Kindlichkeiten völlig bilflos und fast sinnlos. Und so wird man bei andern, wie Erich Waske, der eben jetzt in ihre Fußstapfen tritt, lieber gar nicht erst hoffen, daß hier ein xringendes Talent! nach neuen Formen sucht. Bei Willi Jäckels Liegender Fraun, bei Karl Hofer, Caesar Klein, Kiesling, Kinzinger liegt das völlige Versagen des eigenen Könnens ebenso am Tage wie der Versuch, durch Ueber⸗ steigerung irgend eines Vorbilds, z. B. Cézannes, sich ein eigenes Gesicht zu geben. Und leider muß gesagt werden, daß auch Künstler, die ihren Weg sich selbst gebahnt haben, wie Theo von Brock⸗ husen, in eine schlimme Rezeptmalerei hineingeraten sind. Hatte er mit seiner Liniensymbolik schon der reinen Landschaft nicht selten Gewalt angetan und über dem Mittel den Zweck aus dem Auge verloren, so geht er diesmal nech einen Schritt weiter: er komponiert große Stilleben, die ebenso herausfordernd körperlich als ernüchternd nach lich wirken; und er fügt in seine Landschaften Staffagen ein, die Kreuzabnahme, die Flucht nach Aegypten, die sich dem Zwang seines Linienzugs fügen müssen und dabei die wunderlschsten Verrenkungen erleiden. Neben van Gogh taucht hier Grecos Vorbild auf; aber die Erinnerung an diese beiden Maler bringt dem Beschauer nur noch deutlicher zum Bewußtsein, daß Brockhusens Stilisierung an den Gegenstand herangebracht, nicht aus ihm entwickelt ist. — Die Künstler, die der Naturerscheinung näher bleiben, haben es weiter gebracht: Waldemar Rösler hat sich wieder auf seine ersten Erfolge besonnen und ein paar rein empfundene Landschaften geschaffen, die in ihrer fein abgewogenen Massenverteilung zeigen, wie auch der Impressionismus, ohne sich selbst zu verleugnen, zu eigener Formbildung gelangen kann. Sind auch die Lichtefferte noch immer etwas absichtlich und gesteigert, freut man sich doch des sicheren Ausbaus und der kraft Hen Rhythmik dieser innerlich bewegten und reichen Bilder. Auch TWurt Tuch ist zu einer neuen Eroberung der Wirklichkeit gelangt. Hiht die Einzel- heiten seiner Landschaften sind naturalistisch; Farben und Linien sind eine Schöpfung des Malers, aber ihr Zusammenklang schafft eine Stimmung, die den Eindruck der Natur in ihrer Frühlingspracht, ins Festliche und Feierliche erhöht, widerspiegelt. Emil Rudolf Weiß scheint sich von anderen Grundlagen aus ähnlichen Zielen zuzuwenden. Der Einfluß der jüngsten Malerei auf ihn ist augen- fällig. Aber er sucht das moderne Thema, den bewegten Harlekin, die Gruppe von Bogenschützen in seiner kultivierten und empfindungsvollen Sprache auszudrücken; und er hat diesmal Glück. Vielleicht ist gerade ein Talent wie Weiß berufen, manche für das neue Formempfinden zu gewinnen, die sich durch das laute und rohe Gebaren der meisten ringsum abgestoßen fühlen. Th. D.
Im Institut für Meereskunde (Georgenstraße 31 —6) spricht am 1. Dezember der Dr. O. Michaelsen⸗Berlin über den
modernen Welthandel. (6. Vortrag der Reihe: Geschichte des Welt= handels vom Altertum bis in die Neuzeit); am 2. Dezember -der Or.
W. Vogel⸗Berlin über die deutsche Handelsmarine im 19. Jahr- hundert und am 5. Dezember der Geheime Sanitätsrat⸗ Aßmann
Berlin über die Schiffe des Altertums. Die Vorträge werden, soweit
möglich, durch Lichtbilder erläutert; sie beginnen um 8 Uhr Abende. Eintrittskarten zu 025 M sind an den Vortrage abenden von 6 Uhr an in der Geschäftsstelle (Georgenstraße 34 — 36) zu haben.
Die Galerie Eduard Schulte eröffnet morgen Hbre Dezemberausstellung. Sie umfaßt außer zwei Sonderausstellungen von Professor Cugen Bracht Dresden und Professor Dang Unger= Dresden noch Werke ven Erich Büttner Berlin, Prosessor Auqust Fink⸗München, Carl Heßmert Berlin, Jos. Kohlschein jr- Neuß, Professor Jan Preisler⸗Prag, Professor Dans von Volkmann⸗Karls. ruhe und Professor Ludwig von Zumbusch⸗Münchẽn.