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Justizm inister ium. ö Dem Oberlandesgerichtsrat, Geheimen Justizral Dr. Col—
berg in Naumburg a. S., dem Landgerichtsdirektor, Geheimen JJustizrat Kalau vom Hofe in Glatz, dem Landgerichtsrat,
men Justizrat Hüpeden in Osnabrück und dem Amts— gerichtsrat Zenker in Hirschberg ist die nachgesuchte Dienst— entlassung mit Pension erteilt.
em Notar, Geheimen Justizrat Schroeder in Eisleben ist die nachgesuchte Entlassung aus dem Amte erteilt.
Der Notar Dr. Zie mssen in Demmin ist aus dem Amte geschieden.
n der Liste der Rechtsanwälte sind gelöscht die Rechts⸗ anwälte: Rieß bei dem Oberlandesgericht in Frankfurt a. M. Dr. Hermann Voß bei dem Landgericht J in Berlin, Lammers bei dem Landgericht in Düsseldorf, Dr. Tecklen⸗ burg bei dem Amtsgericht Berlin Mitte und Klemme bei dem Amtsgericht in Bütow.
In die Liste der Rechtsanwälte sind eingetragen die Rechts⸗ anwälte: Martin Glaser vom Kammergericht und Dr. Tecklen⸗ burg vom Amtsgericht Berlin-Mitte bei dem Landgericht Jin Berlin, Dr. Hermann Voß vom Landgericht J bei dem Land⸗ gericht II in Berlin, Rieß aus Frankfurt 4. M. bei dem Land— gericht III in Berlin, Prym aus Düren bei dem Land⸗— gericht in Düsseldorf, die Gerichtsassessoren: Vohssen bei dem berlandesgericht in Düsseldorf, Anton Flamm und Willy Rheinhold bei dem Landgericht J in Berlin, Hermann Müller bei dem Landgericht II in Berlin, Dr. Julius Rosenfeld bei dem Landgericht III in Berlin, Dr. Max Riedel bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Breslau, Dr. Ferdinand Statz bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Cöln, Brühl bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Saarbrücken, Georg Jaeger bei dem Amts⸗ gericht und dem Landgericht in Lyck, Friedrich Haase bei dem Amtsgericht in Stallupönen, die früheren Gerichtsassessoren: Henke bei dem Landgericht L in Berlin, Dr. Poltrock bei dem Landgericht J in Berlin und Dr. Schlimmer bei dem Amtsgericht in Gütersloh.
Ministerium der öffentlichen Arbeiten. Dem Regierungshaumeister Planeth in Stadthagen ist die nachgesuchte Entlassung aus dem preußischen Staatsdienste erteilt worden.
Ministerium der geistlichen und Unterrichts—⸗ angelegenheiten.
Dem dirigierenden Arzte am Deutschen Hospital in London, Sanitätsrat Dr. Ernst Michels ist das Prädikat Professor beigelegt worden.
Tagesordnung für die Sitzung des Landeseisenbahnrats am Mittwoch, den 10. Dezember 1913, Vormittags 10Uhr.
1) Verlängerung der Geltungsdauer des Ausnahmetarifs 7g für Eisenerz in vertraglichen Sonderzügen vom Sieg-, Lahn⸗ und Dillgebiet nach Oberschlesien.
Y Frachtermäßigungen für Eisenerz und Koks usw. zugunsten der Hochofenbezirke und Einzelwerke, die von den geplanten , für Eisenerz und Koks im Ruhr⸗ Moselverkehr berührt werden.
3). Von der ständigen Tarifkommission vorberatene, für die Beschlußfassung der Generalkonferenz der deutschen Eisen— bahnverwaltungen vorbereitete Anträge, betreffend
a. ö von Marinaden in den Eilgutsspezial⸗ arif,
b. Frachtermäßigung für gebrauchte leere Mineral— wasserflaschen oder Kasten (Kisten) mit gebrauchten leeren Mineralwasserflaschen.
4 Uebersicht der Normaltransportgebühren für Personen und Güter.
5) Mitteilung über genehmigte Ausnahmetarife.
Berlin, den 27. November 1913.
Der Vorsitzende des Landeseisenbahnrats: Stieger, Unterstaatssekretär, Wirklicher Geheimer Rat.
Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 45 der Preußischen Gesetzs amm lung enthält unter Nr. 11 321 die Verordnung, betreffend das Inkrafttreten des Gesetzes vom 16. Juni 19085, vom 3. November 1913. Berlin W. 9, den 28. November 1913. Königliches Gesetzsammlungsamt. Krüer.
Bekanntmachung.
Nach Vorschrift des Gesetzes vom 10. April 1872 (Gesetzsamml. S. 357) sind bekannt gemacht:
I) der Allerhöchste Erlaß vom 7. Juli 1913, betreffend die Ver⸗ leihung des Enteignungsrechts an die Insterburger Kleinbahn-Aktten⸗ gesellschaft für die Anlage einer Kleinbahn von der Station FKauschen der Kleinbahnstrecke Insterburg — Juckeln —Mehlauken — Piplin nach dem Dorfe Wirbeln, durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung in Gumbinnen Nr. 31 S. 285, ausgegeben am 2. August 1913,
2) der Allerhöchste Erlaß vom 22. Juli 1913, betreffend die Genehmigung der von dem Brandenburgischen Propinziallandtag am 5. März 1913 beschlossenen Aenderungen der Satzung des Branden burgischen Pfandbriefamts für Hausgrundstücke, durch die Amtsblätter
der Königlichen Regierung in Potsdam und der Stadt Berlin Nr. 44 Sonderbeilage S. 24, ausgegeben am 1. November 1913, und
der Königlichen Regierung in Frankfurt a. O. Nr. 44 Sonder⸗ beilage S. 24, ausgegeben am 1. November 1913;
3) das am 26. September 1913 Allerhöchst vollzogene Statut für die Schirnau⸗Entwässerungsgenossenschaft in Nützen im Kreise Segeberg durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung in Schleswig Nr. 45 S. Hob, ausgegeben am 8. November 1913
4) das am 13. Ottober 1913 Allerhöchst vollzogene Statut für die Friedrichs höhe⸗Gogulkowoer Drainagegenyssenschaft in Kriedrichs—⸗ höhe im Kreise Znin durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung in Bromberg Nr. 45 S. 377, ausgegeben am 8. November 1913
5) die am 13. Oktober 1913 Allerhöchst vollzogene Satzung für den Deichverband der Bredeauniederung in den Kreisen Tondern und Dadersleben zu Ballum im Kreise Tondern durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung in Schleswig Nr. 46 S. 505, ausgegeben am 8. November 1913;
M das am 15. Oktober 1913 höchst. vollzogene Statut für
die Meerbuscher Mühlenbachgenossenschaft in Kaarst im Kreise Neuß
durch das Amtsblatt der Königlichen Regterung in Düsseldorf Nr. 45 S. 189, ausgegeben am 8. November 1513 ö
ID) das am 13. Oktober 1913 Allerhöchst vollzogene Statut für die Genossenschaft zur künstlichen Entwässerung der Hackeboeer und Alte Wilster-Niederung in Wilster im Kreise Steinburg durch das Amtsblatt der Königl. Regierung in Schleswig Nr. 45 S. 497, aus⸗ gegeben am 1. November 1913
8) der Allerhöchste Erlaß vom 29. Oktober 1913, betreffend die Verleihung des Enteignungsrechts an die Gemeinde Attendorn im Kreise Olpe für den Bau eines Weges von der Kreisstraße Olpe — Attendorn bei dem Bahnhofe Listernohl über die Bigge nach Acker⸗ schott und I‚minghausen, durch das Amtsblatt der Königl. Regterung in Arnsberg Nr. 47 S. 643, ausgegeben am 22. November 1913.
Aichtamtliches. Deu tsches Reich.
Preußen. Berlin, 29. November 1913.
Die vereinigten Ausschüsse des Bundesrats für Zoll⸗ ind Steuerwesen, für Handel und Verkehr und für Rechnungs⸗ wesen, die vereinigten Ausschüsse für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Justizwesen sowie der Ausschuß für Zoll- und Steuer⸗ wesen hielten heute Sitzungen.
Der Landrat von Zastrow ist aus dem Kreise Falken⸗ berg, Regierungsbezirk Gppeln, in gleicher Amtseigenschaft in den Kreis Glatz, Regierungsbezirk Breslau, versetzt worden.
Der Regierungsrat Zoberbier in Gumbinnen ist der Königlichen Regierung in Münster zur weiteren dienstlichen Verwendung überwiesen worden.
Dem Regierungsassessor von Sybel in Goslar ist die kommissarische Verwaltung der landrätlichen Hilfsbeamtenstelle in Wilhelmshaven übertragen worden.
Die Regierungsreferendare von Flügge aus Stettin, Volkening und von Sydow aus Münster haben die zweite Staatsprüfung für den höheren Verwaltungsdienst bestanden.
Laut Meldung des „W. T. B.“ sind S. M. S. „Goeben“ mit dem Chef der Mittelmeerdivision am 27. November in Beirut und S. M. S. „Breslau“ am 28. November in Port Said eingetroffen.
Sachsen.
In der gestrigen Sitzung der zweiten Kammer gab der Kultusminister Dr. Beck vor Eintritt in die Tagesordnung laut Meldung des W. T. B.“ etwa folgende Erklärung ab:
In der Sitzung vom 20. Noveinber habe ich auf eine Anfrage des Abg. Hofmann die Auskunft gegeben, daß auf Grund der Fest⸗ stellungen und nach fast übereinstimmender Meinung der Kunst⸗ gelehrten die Dolbeinsche Madonna in der Gemäldegalerie eine etwa hundert Jahre nach der Entstehung des Originalgemäldes hergestellte Kopie sei, daß sich das Original in Darmstadt befinde, und daß die Holbeinsche Madonna ein ausgezeichnetes Werk sei, was schon daraus hervorgehe, daß man sie lange Zeit für echt gehalten habe. Gestern abend ist mir nun ein AÄusschnitt aus der „Staats bürger⸗Zeitung!“ vorgelegt worden, in dem fett gedruckt zu lesen ist, daß die Sixtinische Madonna unecht sei. In der Notiz wird gesagt, daß bei den Landtags verhandlungen vom sächsischen Kultusmlnister erklärt worden sei, die Sixtinische Madonna sei eine Fälschung, das Dresdener Bild sei eine Kopie, die um etwa hundert Jahre jünger sei als das Original. Die Kammer wird mit mir das größte Befremden und das tiefste Bedauern empfinden über diese den Wert und die Anziehungskraft der Dresdener Gemäldegalerie empfindlich treffende Meldung und mit mir Einspruch erheben gegen eine solche Berichterstattung, die in unverantwortlicher Weise den Ruhm eines der größten Kunstwerke aller Zeiten zu zerstören geeignet ist. Man muß erwarten, daß diese tief bedauerliche Entstellung des Berichterstatters mit der größten Beschleunigung zur Ehre der Dresdener Galerie widerrufen werde.
Darauf trat das Haus in die Tagesordnung ein.
Baden.
Seine Majiestät der Kaiser und König ist, wie „W. T. B.“ meldet, gestern abend mit Gefolge von Primkenau in Donaueschingen eingetroffen und auf dem Bahnhof vom Fürsten zu Fürstenberg empfangen worden. Nach der Be— grüßung fuhr Seine Majestät mit dem Fürsten unter lebhaften Kundgebungen der Bevölkerung nach dem Schlosse, an dessen Portal er von der Fürstin zu Fürstenberg empfangen wurde.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog empfing der „Karlsruher Zeitung“ zufolge gestern in Gegenwart des Staatsministers Dr. Freiherrn v. Dusch den bayerischen außer⸗ ordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister Grafen v. Moy zwecks Notifikation der Thronbesteigung Seiner Majestät des Königs Ludwig III. von Bayern und Ueber⸗ reichung des neuen Beglaubigungsschreibens. Nachdem Abends auch Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin den bayerischen Gesandten empfangen hatte, fand ihm zu Ehren im Großherzoglichen Palais Tafel statt.
— Die Zweite Kammer wählte gestern nachmittag zum Ersten Präsidenten den Abgeordneten Rohrhurst (Natl.) mit 37 von 73 abgegebenen Stimmen wieder. Der Zentrums⸗ abgeordnete Dr. Zehnter hatte 35 Stimmen, der national⸗ liberale Parteivorstand Rebmann eine Stimme erhalten. Zum Vizepräsidenten wurde der Abgeordnete Geiß (Soz.) wieder— gewählt, nachdem Dr. Zehnter (Zentr., der im ersten Wahl⸗ gange gewählt worden war, abgelehnt hatte. Geiß nahm die Wahl an.
Desterreich⸗ Ungarn.
Der König der Bulgaren ist gestern vormittag von Wien nach Sofia abgereist.
— Der Heeresausschuß der österreichischen Dele⸗ gation hat in der, gestrigen Sitzung das Heeresordinarium angenommen und die Beratung des Extraordinariums be⸗ gonnen.
Wie W. T. B.‘ meldet, leitete der Berlchterstatter Graf ClIlam-⸗Martinitz die Verhandlung ein, indem er bemerkte, er möchte nicht verabsdumen, der Armee seinen Gruß zu entbieten und warme Worte der Anerkennung zu widmen für die große aufopferungs— volle Haltung, die die Armee als treue Wacht an der Grenze be⸗—
Armee, die aus ihrem
wiesen habe. Dieser Dank beziehe sich auch auf jene Mitglieder der ufsleben hinaus dem Rufe der Fahne ge— solgt seien. Es sel leider zu vereinzelten traurigen Erscheinungen ge— kommen, die aber Gott sel Dank nur vereinzelt geblieben wären. Im allgemeinen hätten sich die Einberufungen mit großer Begeisterung vollzogen.
Der Heeresausschuß erledigte am nachmittag auch das Extraordinarium.
Im Laufe der Debatte hob der Kriegsminister Ritter von Krobatin die Treue und hingebungsvolle Ausdauer aller Völker der Monarchie während der vergangenen Krise rühmend herbor. Die Kriegsverwaltung habe alles getan, um den Bedürfnissen der ein⸗ berufenen Reserbisten nach jeder Richtung Rechnung zu kragen. In selnem Schlußworte stellte der Berichterstatter Graf Clam⸗Martinktz seinerselts fest, daß die Truppen und die Bevölkerung die harte Prüfung während der Krise im vorigen Jahre in glänzender Weise ertragen hätten. Nicht die Vorkehrungen der Kriegsverwaltung könnten die Voraussetzung der Opferwilligkeit der Massen untergraben, sondern vielmehr die Tätigkeit der Partek des Delegterten Leuthner, die auf die Verhetzung der Bepölkerung in der Stunde, wo die Truppen aus— rücken sollen, gerichtet sei. Das Wort von der Kriegspartei sei ein Märchen; eine solche im Sinne der Ausführungen des Delegierten Leuthner existiere weder in den höchsten Kreisen, noch in irgend einer Kamarilla.
— Das österreichische Abgeordnetenhaus setzte gestern die Debatte über die Personaleinkommensteuer— novelle fort.
Zu Beginn der Sitzung kam der Landesverteidigungsminister Freiherr von Georgi obiger Quelle zufolge auf eine vorgestern in
einem tschechlschen Blatte erschienene Meldung zu sprechen, wonach sich
angeblich Offiziere in Kremsier in Mähren Sittlichkeitsdelikte hätten zuschulden kommen lassen. Der Minister erklärte, er werde Erhebungen darüber vornehmen. Er könne aber jetzt schon betonen, daß, wenn in den Reihen der Armee ein derartiger Unhold existiere, er unschädlich gemacht und aus den Reihen des Heeres entfernt werden würde. Des weiteren wandte sich der Minister gegen eine am Schlusse der vor— gestrigen Sitzung von dem polnischen Sozialdemokraten Dr. Liebermann gestellte Anfrage, betreffend die in der letzten Zeit vorgekommenen zahl⸗ reichen Fälle von Soldatenselbstmorden beim Koips von Przemysl. Er betonte, er werde auch in dieser Beziehung die Daten vorlegen. Er müsse sich nur entschieden dagegen wenden, daß der Abg. Dr. Lieber⸗ mann den Kommandierenden General von Przemysl dem Rufe der Lächerlichkeit ausgesetzt habe. Im weiteren Verlaufe der Sitzung kam der LandesverteidigungsZsminister auf die Zeitungsnotiz über Sittlichkeitsdelikte in Kremsier zurück und stellte an der Hand ein gelaufener Telegramme die vollkommene Unwahrheit der Berichte sest.
Frankreich.
Einer vom „W. T. B.“ verbreiteten offiziösen Mitteilung zufolge wartet der Präsident Poinecars, der auf Ersuchen Bulgariens in der Angelegenheit der in Griechenland gefangen gehaltenen Komitatschis das Schiedsrichteramt über— nommen hat, vor der Erteilung ein er Antwort noch die Zu⸗ stimmung Griechenlands ab.
— Die Deputiertenkammer setzte gestern die Debatte über das Anleihegesetz fort.
Der Abg. Augagneur (Unabhängiger Sozialist) erklärte, nach dem Bericht des genannten Telegraphenbureaus, den Anleiheentwurf für ein ganz törichtes Unternehmen, würdig kleiner Staaten ohne eigene Hilfsquellen. Eine Anleihe möge unvermeidlich sein, aber ihr zur Deckung oder vielmehr zur Verdeckung des Defizits bestimmter Teil sei unentschuldbar. Es sei eine Art von Wahlanleihe für die über⸗ triebenen Militärausgaben infolge der dreijährigen Dienstzeit und des Marokkounternehmens. Auch bel Bewilligung der Anleihe würde man für das Defizit von 1915 700 Millionen Francs neuer Steuern aus—= findig zu machen haben. Als der Redner Sparsamkeit empfahl, ant— wortete ihm einstimmiges Gelächter. Augagneur warf denen, die das Dreijahrgesetz vorgeschlagen und angenommen haben, vor, daß sie dessen finanzielle Folgen verborgen gehalten hätten. Der Kriege⸗ minister Etienne erwiderte, die Regierung habe dem Lande gesagt, welche Opfer sie von ihm verlange, und das Land habe sie auf sich genommen. Augagneur erinnerte sodann den Finanzminister Dumont daran, daß er als Kandidat für die Wahlen von 1910 das Zweijahrgesetz gerühmt habe. Der Finanzminister Dumont antwortete, die patriotische Bevölkerung, zu der er im Jahre 1910 gesprochen habe, habe unter den gegenwärtigen Umständen und angesichts der neuen Rüstungen Deutschlands be— griffen, daß die Verhältnisse sich geändert hätten. Bevor er Minister geworden sei, habe er übrigens seine Wähler darauf aufmerksam ge— macht, daß er für die Verlängerung der Dienstzeit stimmen werde, und seine Wähler hätten diesen Beschluß einstimmig gebilligt. Der Tinanzminister erklärte weiter, es sei unmöglich, das Gesetz über die Deckung des Zinsendlensteß und die Amortisation der An⸗— leihe mit dem Anleihegesetz zu verbinden; er werde alsbald nach Annahme des Anleihegesetzes das Budgetzwölftel für Januar einbringen, das die Erbschaftssteuer bereits in sich begreifen werde. Andrés Lefevre erklärte, er werde für die Anleihe stimmen, auch wenn sie noch 200 Millionen höher angefordert werden würde, die für das Kriegsministerium notwendig seien. Er werde auch für die Steuerfreiheit der Rente stimmen. Es wäre unverzeihlich, wenn man Hilfsquellen, die für soziale Reformen oder für militärische Ausgaben bestimmt seien, nicht bewilligen würde. Die Kredite würden eine gute Verwendung für die nationale Verteidigung finden. Keine europäische Armee besitze ein Gewehr, das seit 27 Jahren im Dienst sei, keine eine Kanone, die bereits seit 138 Jahren gebraucht werde. Der Redner erinnerte sodann an den Besuch des Beutschen Kaisers in Tanger und an die Konferenz von Algeckras, wohin Frankreich habe gehen müssen, weil es seiner Armee an Munition gefehlt habe, sodaß sie habe zu Hause bleiben müssen. Lefsvre fügte binzu: manchmal wäre Sparsamkeit recht kostspielig; hätte man sie früher nicht zu sehr geübt, so brauchte man heute nicht um so viel schwerere Lasten zu tragen. Als der Nedner von neuem betonte, daß 1903/04 die auswärtige Politik nicht angemessen hätte behandelt werden können, rief er Lärm auf der äußersten Linken und das Ein— greifen des Ministerpräsidenten Barthou hervor, der lebhaft er— klärte, die Regierung nehme ihre eigene Verantwortlichkeit auf sich, aber nicht die anderer. Barthou machte einige Vorbehalte gegenüber Lefobres Autzführungen, gestand aber zu, daß nicht immer die nötigen Anstrengungen gemacht worden seien, und sagte, die a 18wärtige Lage und die Rüstungen anderswo hätten die neue Anstrengung gefordert, eine An— strengung, die der Kammer zur Ehre gereiche. Die neuen Opfer seien von dem Lande gerne übernommen worden, das wisse, daß seine Sicherheit darauf beruhe. Um Streitereien kurzerhand zu beenden, erklärte Lefevre, er denke keineswegs daran, die Verantwortlichkeit einer Partei oder einer Person aufzuhürden. Er wolle nur für die ö Belehrung aus der Vergangenheit schöpfen. Der Minister Berteaux habe übrigens ähnliche Erklärungen im Jahre 1905 ab— gegeben, als er Verpflichtungen füc bedeutende Summen ohne die Bewilligung der gesetzgebenden Körperschaften eingegangen sei. Lefebre sagte zum Schluß, man müsse mit der Vergangenheit voll kommen 1 und die Kredite für Kriegszwecke von 900 auf 1100 Millionen Francs bringen. Hierauf führte der Generalberichterstatter Noulens aus, daß in zwei Punkten jwischen der Regierung und der Kommission keine Ueberein⸗ stimmung bestehe. Erstens wolle die Kommission die Anleihe auf neunhundert Milllonen Franes beschränken, das heißt auf die Summe, die nach der Ansicht der Regierung für die milttärischen Ausgaben genüge. Zum andern bestehe eine Meinungeverschiedenheit über die Bedingungen, unter denen die neue Anleihe ausgegeben werden sollte. Weiter gab Noulens einen geschichtlichen Ueberblick über die Anleihefrage, der bis ju der im März d. Is. bewilligten An⸗ leihe von 420 Millionen Francs zurückgrlff. Die Ausgaben
für Marokko vor dem J. Januar 1913 seien auf den betreffenden Budgets verrechnet worden; die Ausgaben für 1913 würden den Gegenstand einer besonderen Gesetzesvorlage bilden. Sodann wandte Noulens sich in heftiger Form gegen das Verfahren, durch das man ein den öffentlichen Kredik kompromittierendes Desizit verdecken wolle. Die Steuerfreiheit der Rente bedeute einzig und allein, daß die Rente nicht den Gegenstand einer besonderen Steuer bilden könnte, jedoch nicht, daß sie von den allgemeinen Steuern befreit sei. Die Mehr⸗ beit der Kommissien würde wahrscheinlich auch noch, die 400 Millionen bewilligt haben, sie wollte aber nicht die Finanz⸗ gebarung aufgeben, die das Gedeihen der Republik gesichert habe. Kaillaux bekämpfte den Anlelheentwurf. Er kritisierte die Klausel der Steuerfreiheit der Rente und erklärte, daß nur eine Reform, durch die die Reichen entsprechend zur Steuerlelstung herangezogen würden, eine gesunde Finanzpolitik ermöglichen könnte. Der Redner wies auf das Beispiel Englands hin und hob hervor, wie opferfreudig das deutsche Volk die Vermögenssteuer auf sich genommen habe. Die An⸗ leihe solle nur den Zweck haben, einige Zeit zu gewinnen, um die Einkommensteuer hinauszuschieben. Der Ministerpräsident habe diese Steuerreform erst vor kurzem in einer Bankettrede zu unter graben gesucht. Mintsterpräsident Barthou, unterbrechend: Ich habe gesagt, was Sie selbst seinerzeit von der Einkommensteuer gesagt haben. Cgillaux fortfahrend: Das sei in einem Bericht gewesen, den er im Jahre 1398 erstattet hahe. Er sei seither zu der Ueber⸗ zeugung gelangt, daß die Einkommensteuer unerläßlich sei, und daß es für das französische Bürgertum ein verhängnisvoller Fehler wäre, in der Politik der Gesättigten zu verharren.
Die Debatte wird Montag vormittag fortgesetzt werden.
— Der Ministerpräsident Barthou hielt gestern abend bei dem Bankett der Unterrichtsliga eine Rede, in der er, wie „W. T. B.“ meldet, seiner Bewunderung für die Lehrer⸗ schaft der Laienschule Ausdruck gab, die ihre Aufgabe trotz der gegen sie angezettelten Machenschaften aller Art in so be⸗ wundernswerter Weise erfülle, und sagte, die Regierung werde erst dann aufhören, die Laienschule zu verteidigen, wenn die Gegner ihre Angriffe eingestellt hätten. Schließlich sprach sich Barthou gegen den Gedanken des staatlichen Unterrichtsmono⸗ pols aus. Denn abgesehen davon, daß es eine sachliche Un⸗ möglichkeit sei, bilde die Privatschule einen unerläßlichen An⸗ sporn für die öffentlichen Schulanstalten.
Rußland.
Der Kaiser hat gestern in Livadia die mongolische Sonder mission in Audienz empfangen.
— In der Reichs duma wurde gestern Rodzjanko mit 272 gegen 70 Stimmen zum Präsidenten der Duma wiedergewählt. Nach seiner Wahl, die in den Reihen des Zentrums und der Opposition mit langanhaltendem Beifall begrüßt wurde, hielt Rodzjanko eine Rede, in der er laut Meldung des „W. T. B.“ ausführte:
Er rechne auf die Mitwirkung seiner Kollegen und auf Gottes Belstand, wenn er das ihm übertragene verantwortungsvolle Amt an⸗ nehme. Die Tätigkeit des Präsidenten der Duma müsse getragen werden pon dem Geiste unerschütterlicher Loyalität gegen den Kaiser, von uneigennütziger Liebe zum Vaterlande, von der Treue gegen die von dem Monarchen gegebene Verfassung und von dem Streben, die militärische Macht des Landes und die moraltschen und produktiven Kräfte des Volkes zu fördern. Die Duma müsse entschlossen auf die Verwirklichung der großen Grundsätze des Manifestes vom 17. Oktober zinarbeiten, ohne sich durch entgegenstehende Hindernisse beirren zu lassen. Rußland habe feste und klare Gesetze nöͤtig, die für alle in gleicher Weise bindend sein müßten.
Zum ersten Vizepräsidententen wurde der Groß— industrielle Konovaloff (Progressist) gewählt. Die Wahl des zweiten Vizepräsidenten wurde vertagt.
Italien.
In der Deputierten kammer wurde gestern die Prä—⸗— sidentenwahl vorgenommen. Wie „W. T. B.“ meldet, er⸗ hielt der ministerielle Kandidat Marcora 304, der Sozial⸗ demokrat Prampolini 81 Stimmen. Zersplittert und ungültig waren 89 Stimmen. Die Verkündung der Wahl Marcoras zum Präsidenten wurde mit lebhaftem Beifall begrüßt. Im weiteren Verlaufe der Sitzung erfolgte die Wahl der vier Vizepräsidenten, acht Schriftführer und zwei Quästoren. Alle sind Ministerie lle.
Griechenland.
Das französische Geschwader ist gestern in Phaleron und das englische in Keratzim eingetroffen. Die Admirale mit ihren Stäben haben Nachmittags ihre offiziellen Besuche abgestattet.
Numänien. Der König Carol hat gestern die parlamentarische
Session mit einer Botschaft eröffnet, die nach einer Meldung des „W. T. B.“ lautet:
Bei der Eröffnung des Parlaments im Jahre 1877 sagte ich den damaligen Vertretern der Nation: Unser Erhaltungetrieb machte uns zur Aufgabe, dahin zu eilen, wo uns Gefahr droht, und an der Spitze unserer jungen Armee überschritt ich die Donau. Die Art, wie die rumänische Armee ihre Pflicht auf dem Schlachtfeld erfüllt hat, ist bekannt im Lande und selbst von unseren Feinden anerkannt. Unsere Soldaten verleugneten nicht das edle Blut, das in ihren Adern rinnt. Heute nach 36 Jahren empfinde ich zum zweiten Male die tiefe moralische Genugtuung, die neue Par— lamentssession mit denselben Worten des Lobes und des Dankes für die Armee eröffnen zu können. Wenn unsere Soldaten diesmal nicht Gelegenheit hatten, ihre Tapferkeit in blutigen Kämpfen zu beweisen, so konnten sie nichtsdestoweniger eine Probe ihres Elans, ihrer Tüchtig⸗ keit, ihres Geistes und ihrer Disziplin geben, die sie fähig machen, mit der größten Raschheit und Vollständigkeit allen Forderungen, die die Lage an sie stellen könnte, zu entsprechen. Die dank der Voraussicht meiner Regterung und Ihres erleuchteten Beistandes wohl vor— bereitete und recht augsgerüstete Armee wurde in einem günstigen Augenblick in Bewegung gesetzt und hat neuerlich die Donau überschritten und uns damit die Macht gegeben, dem Balkan den von ganz Europa so sehr gewünschten Frieden aufzu— erlegen und unsere Grenzen jenseits der Dobrudscha durch deren Aus⸗— dehnung bis Turtukai im Westen und Egrene im Süden zu sichern. Die gemäß dem Frieden von Bukarest vom 28. Juni durchgeführte Einverleibung des neuen Gebietes wird demnächst im Sinne der Verfassung der Genehmigung des Parlaments unterbreitet werden. Infolge der politischen Haltung meiner Regierung während des Balkankrieges, waren und sind dle internationalen Be— ziehungen Rumäniens die besten. Einerseits konnten die Großmächte unseren Beistand bei ihren Bemühungen um den Frieden schätzen lernen, andererseits hat der Friede von Bukarest die außerordentlich engen Freundschaftsbeziehungen zwischen Rumänien und den Staaten jenseits der Donau besiegelt. Die Protokolle mit den Gesetzen über die Einverleibung der neuen Gebietteile fowie zabl— reiche Akten unserer vorhergehenden Berichte, die gesondert zu Ihrer Kenntnis werden gebracht werden, werden in eingehender Weife den ganzen Gang der auswärtigen Politik der Reglerung darlegen. Wir sind berechtigt, beständig darüber zu wachen, daß die Ruhe nöcht gestört werde. Wir hatten daher ein ganz besonderes Interesse, daß der Friede auch zwischen denjenigen, die noch Krieg führten, wieder hergestellt werde. Wir haben elfrigst in dieser Richtung ge⸗ arbeitet, und unsere Bemühungen sind nicht erfolglos geblieben. Wir
können nunmehr der Zukunft mlt größerem Vertrauen entgegensehen und werden alle unsere Kräfte e um dasjenige, was wir gewonnen haben, zu wahren und zu sestigen. Die schmerzliche Geißel, die von jedem Kriege unzertrennlich zu sein scheint, hat auch in unserem Heere gewütet und ist ins Land gedrungen. Dank den von der Wissenschaft und Erfahrung vorgeschriebenen Maßnahmen konnte der Ansteckungsherd trotz aller Schwierigketten isollert und die Seuche erstickt werden. Der Staat und Privathilfe unternützten und werden auch in Zukunft die Familien der Opfer unterstüßen. Ungeachtet der großen Mobilisierungskosten gestattet uns die aus— gezeichnete Finanzlage des Staates, den wirtschaftlichen Bedürfnissen zu entsprechen und vor allem den Wagenpark der Eisenbahnen zu er⸗ gänzen. Weiter konnten die Anforderungen der Armee während der Mohbilisierung und der Demobilisierung erfüllt werden, und wir waren in der Lage, noch besser auch den Erfordernissen des Handels zu genügen.
Die Botschaft kündigt sodann Gesetze an, die mit der durch die jüngsten Ereignisse geschaffenen Lage im Zusammenhang stehen, und im besonderen Gesetzentwürfe über die Organisierung des neuerworbenen Gebietes.
Der König wurde bei seiner Ankunft und bei seiner Ab⸗ fahrt von den Parlamentsmitgliedern und auch von dem überall zahlreich auf den Straßen versammelten Publikum in lebhaftester Weise begrüßt. Der Verlesung der Thronrede wohnten auch der Thronfolger Ferdinand, der Prinz Carol und die Prin⸗ zessinnen Marie und Elisabeth bei.
— Die konservativen Parlamentarier traten heute bei dem Präsidenten des Senats Lahovary zu einer Beratung zusammen, in der obiger Quelle zufolge die Wahl des Ministerpräsidenten Majoresco zum Führer der Partei bestätigt wurde. Der Ackerbauminister Arion sprach sich dagegen aus, daß die Agrarfrage auf dem Wege der Enteignung gelöst werde.
— In einer Beratung der konservativ⸗demo⸗ kratischen Partei trat der Minister des Innern für ein Disziplinarrecht für die Beamten, für die Schaffung zweier Wahlkörper mit Proportionalvertretung und für die Lösung der Agrarfrage auf dem Wege der Enteignung ein, wobei zu vermeiden wäre, daß die Zerstückelung der ländlichen Güter weiter Fortschritte mache.
erbien.
Der König hat vorgestern den österreichisch⸗ungarischen Gesandten von Ugron in Abschiedsaudienz empfangen und ihm das Großkreuz des St. Sava⸗Ordens verliehen.
Bulgarien.
Auf Einladung des Ministers des Auswärtigen Ghenadiew traf der türkische Minister des Innern Talaat Bei, wie „W. T. B.“ meldet, heute in Mustapha Pascha mit ihm zu einer Besprechung über die noch strittigen Fragen wegen Be⸗ handlung der Flüchtlinge zusammen, über die eine beide Teile befriedigende Einigung erzielt wurde.
Albanien.
Aus Anlaß des gestrigen Jahrestages der Unab— hängigkeitserklärung Albaniens hatten die öffentlichen Gebäude und die Konsulate Flaggenschmuck angelegt. In Valona fand, der „Agenzia Stefani“ zufolge, eine große Massenkundgebung statt. Vor dem Regierungsgebäude hielt Ismail Kemal eine Ansprache an die Menge. Eine Deputation begab sich nach dem italienischen Konsulat, um dem Konsul für sein Eintreten für die Sache Albaniens Dank abzustatten.
Amerika.
Der amerikanische Marineminister Daniels hat nach einer Meldung des „W. T. B.“ der vierten Division der atlantischen Flotte den Befehl gegeben, vom Mittelmeer an die Ostküste Mexikos zu gehen, um die zweite Division dort zu verstärken.
Parlamentarische Nachrichten.
— Der Reichstag erledigte in seiner heutigen (178. Sitzung, welcher der Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Lisco und der Staatssekretär des Reichsschatzamts Kühn beiwohnten, in erster Beratung zunächst die Rech⸗ nung über den Haushalt der afrikanischen Schutz— gebiete, des Schutzgebietes Neu Guinea, der Ver⸗— waltung der Karolinen, Palau, Marianen und Marshallinseln sowie des Schutzgebietes Samoa für das Rechnungsjahr 1908 und die Reichshaushalts— rechnung 1912 durch Ueberweisung an die Rechnungs—⸗ kommission ohne Debatte und ging dann über zur ersten Be⸗ ratung der Bemerkungen des Rechnungshofes zu der Allge⸗— meinen Rechnung über den Reichs haushalt für das Rechnungsjahr 1909.
Abg. Noske (Soz): In der Denkschrift des Rechnungshofes sind einige verschleierte Vorwürfe gegen die Rechnungskommission des Reichstags enthalten. Im Reichstag ist wiederholt der Wunsch auf schnellere Rechnungsprüfung ausgesprochen worden. Da das aber nicht geschehen ist, so hat der Rechnungshof ein vereinfachtes Ver— fahren vorgenommen, das im gewissen Sinne nur begrüßt werden kann. Est kann bei dem jetzigen Tempo der Verabschiedung von Rech⸗ nungen seitens des Reichstags nicht bleiben, da der Reichstag sich sonst seines wichtigen Kontrollrechtz begibt. Man muß dafür sorgen, daß dem Rechnungshof seine Arbeit nicht erschwert wird. So haben wir auf diese Weise erst erfahren können, daß seitens der Marinever= waltung vor 5 Jahren Verstöße gegen den Etat gemacht worden sind. Wir müssen dem Rechnungshof Gelegenheit . uns schnell davon in Kenntnis zu setzen. Das kann vielleicht geschehen, wenn den Sitzungen der Rechnungskommission ein Mitglied des Rechnungs—⸗ hofes beiwohnt.
Abg. Erzberger (3): Würde an den Verhandlungen der Rech⸗ nungskommission ein Vertreter des Rechnungshofes teilnehmen, fo würde die Sache sich viel schneller erledigen. Es handelt sich doch hier um eins der wichtigsten Rechte des Reichstags, um sein Ausgabe— bewilligungsrecht. Die Herren vom Rechnungshof usw. sollten doch nicht bloß erscheinen, um Geld zu verlangen. In diesem Zusammen⸗ hange möchte ich das Reichsschatzamt fragen, wann wir endlich das Elaksbewirtschaftungsgesetz erhalten. Die Notwendigkeit eines solchen Gesetzes ergibt sich aus allerlei Mißständen, die immer noch vor kommen. So hat z. B. die Budgetkommission 1912 500 000 6 von den Reisekosten abgesetzt. Die Verwaltung hat diese nicht nur aus⸗ gegeben, sondern noch 50 900 , mehr mit der Begründung, es habe sich als notwendig herausgestellt, dies Geld zu gebrauchen. Das ist eigentlich keine Begründung. Dem Reichstage hätte genau dargelegt werden müssen, wie es komme, daß trotz des . des Reichtz⸗ tags die betreffenden Kosten überschrikten worden sind. Aehnlich liegt die Sache bei den Pferdegeldern eines Adjutanten, für die im Etat keine Summe bewilligt war, und wo sich der Staatssekretär einfach über das Budgetrecht des Reichstags binweggesetzt hat. Auch die ewigen Vorbehalte des Rechnungshofes in bezug auf die verloren—
gegangenen Belege oder Quittungen in den Kolonien sollten endlich aus der Welt geschafft werden. R
Staatgtsekretär des Reichsschatzamts Kühn: Der Vorredner hat eine unmittelbare Frage an mich gerichtet, die ich beantworten möchte, soweit es mir im Augenblicke möglich ist. Er hat eine Auskunft darüber gewünscht, ob und wann dem Reschstage das Ctatgbewirtschaftungsgesetz vorgelegt werden würde. Dieses Gesetz ist nicht so leicht aufzu⸗ stellen, wie es den Anschein haben könnte. Wie richtig das ist, beweist der Umstand, daß der Reichstag wiederholt eine derartige Vorlage ge⸗ fordert hat, ohne daß dies zu einem Erfolge geführt hat, das beweist auch die Fülle der Fragen, die bei solchen Anlässen gestellt werden. Aber ich kann dem Vorredner versichern: das Reichsschatzamt hat dasselbe Interesse an dem Zustandekommen eines Etatebewirt⸗ schaftungsgesetzet wie der Reichstag selbst. Wir werden das Steuer⸗ feierjahr benutzen, um das Gesetz so schnell wie irgend möglich zu präparieren. Es wird dann, wenn nicht in diesem Jahre, so vielleicht im nächsten, vorgelegt werden.
Die Vorlage wurde an die Rechnungskommission über⸗ wiesen.
Es folgte die einmalige Beratung der Anleihe⸗ denkschrift für das Reich für 1913.
Abg. Bernstein (Soz.): Das gesamte Schuldkapital des Reiches in Anleiben betrug am 30. September d. J. 4897 Millionen Mark. Diese Belastung mit Schulden ist volkswirtschaftlich außerordentlich ver⸗ hängnisvoll, weil sie auf die Lage des Geldmarktes ihren Einfluß aus—= übt. Hinzu kommt noch die riesige Belastung auf Grund des neuen Militär⸗ gesetzes, die auch wieder ihre Wirkung auf den Geldmarkt ausüben wird. Der Zinssatz für die Reichzanleihen beträgt durchschnittlich 3,5 o; bei der großen Sicherheit, die die Reichsanleihen bieten, und bei dem Zwang, der auf die Anlage von Kapital in Reichsanleihen ausgeübt wird, ist das ein außerordentlich hoher Zinssatz. Wir müssen nach einer Herabsetzung der Zinsenlast des Resches streben.
Der Präsident Dr. Kaem pf erklärte darauf, daß mit der Vor⸗ legung dieser Denkschrift den gesetzlichen Vorschriften genügt sei.
In dritter Beratung wurde der Gesetzentwurf, betreffend die Beschäftigung von Hilfsrichtern beim Reichs⸗ gericht, ohne Debatte angenommen.
(Schluß des Blattes.)
Dem Reichstage ist der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Handelsbeziehungen zum Britischen Reiche, nebst Begründung zugegangen.
Wohlfahrtspflege.
Innerhalb des Verbandes deutscher Arbeitsnachweise, für den im neuen Reichshaushaltsetat die Subvention von 36906 auf 50 000 S erhöht worden ist — ein Zeichen dafür, welche Be—⸗ deutung die Reichtregierung der vom Verband entfalteten Tätigkeit beilegt — wurde am 23. d. M. ein Verband preußischer Arbeit snachweise begründet. Diesem Verbande gehören alle preußischen Unterverbände an mit Ausnahme derjenigen von den Provinzen Pommern, Westpreußen und Schlesien. Sein Zweck ist, die gemein⸗ samen Interessen der preußischen Arbeitsnachwelse bei der preußischen Staatsregierung zu vertreten und die öffentliche, gemeinnützige Arbeits- vermittlung in Preußen nach Kräften zu fördern. Zum Vorsitzenden des Verbandes ist der Oberpräsidialrat Breyer, zu dessen Stell⸗ vertreter Landeshauptmann Hammerschmidt und Stadtrat Dr. Flesch gewählt worden.
Knnft und Wissenschaft.
Die philosophisch-historische Klasse der Königlichen Akademie der Wissenschaften hielt am 13. d. M. unter dem Vorsitz ihres Sekretars Herrn Roethe eine Sitzung, in der Herr Seler über das Manuscrit Mexicain Nr. 22 der Bibfio- thäque Nationale de baris las. Die Haadschrift besteht aus zwei Teilen. Ein erster enthält die Reihen der Könige von Tlatelolco und Tenochtitlan; der zwelte eine Darstellung der Geschschte von Tlatelolco, fortgesetzt bis in die erste spanische Zelt. Aus Cigentüm- lichkeiten der Orthographie geht hervor, daß dieser Text sehr alt ist, das älteste Literaturdenkmal der mexikanlschen Sprache, das wir kennen. — Herr Sachau legte den J. Band des von der Akademie unterstützten Thesaurus Japonicus“ von Dr. R. Lange (Berlin 1913) vor; Herr Koser überreichte den J. Band seiner . Geschichte der brandenburgisch⸗preußischen Politik (Stuttgart 1913).
In der an demselben Tage unter dem Vorsitz ihres Sekretars Herrn Walde yer abgehaltenen Sitzung der physikalisch⸗ mathematischen Klasse las Herr Struve über die Be⸗ stimmung von Sternparallaxen am Königsberger Re⸗ fraktor. In den Jahren 1902 — 1904 wurde am Königsberger Re—⸗ fraktor eine Beobachtungsreihe zur Bestimmung der Parallaxen einiger Sterne mit starker Eigenbewegung in Angriff genommen. Ein jeder Parallaxenstern wurde am Fadenmikrometer durch Deklinations⸗ differenzen an mehrere (6— 7) benachbarte Vergleichsterne 9— 11. Größe angeschlossen. Mit Benutzung einer Gitterblendung, durch welche die Helligkeit des Parallaxensterns auf die durchschntttliche Helligkeit der Vergleichsterne gebracht werden konnte, gelang es, den Bestimmungen eine befriedigende Genauigkeit zu geben, wie am Beispiel von 61 Cyani nachgewiesen wird. Die betreffenden Messungen werden in den Annalen der Königsberger Sternwarte Aufnahme finden.
Am 20. 8. M. hielt die Akademie unter dem Vorsitz ihres Sekretars Herrn Roethe eine Gesamtsitzung. Herr Zim mermann las über den Einfluß des Windes auf Bauwerke und eine Vor— richtung zum Messen der Winddrucke auf Flächen und Körper. Die Bedeutung des Winddruckes für die Standsicherheit ist bei verschiedenen Bauwerken sehr ungleich. Sie tritt besonders hervor bei hohen Bauten auf kleiner Grundfläche, wie z. B. Türmen, Fabrikschornsteinen u. dergl. Der Gießensche Winddruckmesser soll dazu dienen, die erfahrungsmäßigen Unterlagen ö. die Berechnung solcher Bauwerke zu sammeln. Er eignet sich aber auch dazu, den Druck nach Größe und Richtung zu bestimmen, den ein Luft⸗ strom auf beliebig geformte Körper ausübt. Herr Rubens legt eine Mitteilung des Professors Dr. Johann Stark in Aachen vor: „Beobachtungen über den Effekt des elektrischen Feldes auf Spektralltnien“. Die Arbeit enthält die wichtige Entdeckung des elektrischen Analogons zu dem bekannten magnetischen Zeemaneffekt. Durch Wahl einer geeigneten Versucht⸗ anordnung ist es dem Verfasser gelungen, Serlenlinten veischiedener Elemente, insbesondere des Wasserstoffs und Heliums, mit Hilfe eines starken elektrischen Feldes in scharf getrennte, vollkommen linear polarisierte Komponenten zu zerlegen. Die Untersuchung beschränkt sich zunächst auf den Transversaleffekt. Dieser ist bei den sogengnnten diffusen Linien besonders stark ausgeprägt, nimmt innerhalb derselben Serie mit abnehmender Wellenlange an Größe zu und scheint der Intensität des Feldes angenähert proportional zu sein. — Herr Brunner überreichte die 6. Auflage seiner Grundzüge der deutschen Rechtsgeschichte“ (München 1913), Herr Kuno Meyer die 2. Auflage seiner Selections from Ancient Irish Pogtry (London 19135.
Die Akademie hat das korrespondierende Miiglied der physikalisch= mathematischen Klasse Hubert Ludwig in Bonn am 17. Revember durch den Tod verloren.
.Der Brief wechsel zwischen Goethe und Zelter wird im Auftrage des Goethe⸗ und Schillerarchios von Max Decker im Insel⸗Verlag in Leipzig neu herausgegeben, und zwar wird der erste der geplanten vier Baͤnde schon in den nächsten Tagen erscheinen. Die Bedeutung dieser Neuausgabe der einst von Riemer besorgten gegen⸗ über liegt in ihrer Vollständigkeit und wissenschaftlichen Verlaͤßlich.