Bayern.
Seine Majestät der König von Spanien traf auf seiner Reise von Wien nach Parls gestern abend mit dem Orienterpreßzug in München ein. Wie „W. T. B.“ meldet, hatten sich zu seiner Begrüßung während“ des viertelstündigen Aufenthalts im Hauptbahnhof Seine Majestät der König Ludwig und mehrere Prinzen und Prinzessinnen des König⸗ lichen Hauses eingefunden.
Sachsen.
Die Zweite Kammer verhandelte gestern, wie T B. meldet, in allgemeiner Vorberatung über den Gesetzentwurf, betreffend die Erhebung der Zuwachs st euer. Der Finanz⸗ minister von Seydewitz begründete die Vorlage, die die vom Reiche seit dem 3. Juli 1913 nicht mehr erhobene Hälfte der Zuwachssteuer nunmehr zugunsten des Staates verwenden will. Der Entwurf läßt für den Staat eine Einnahme von etwa Ui/4 Millionen Mark erhoffen. Nach längerer Debatte wurde die Vorlage an eine Kommission zur Weiterberatung verwiesen.
Baden.
Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin Luise, die Tochter weiland Seiner Majestät Kaiser Wilhelms J., vollendet heute ihr 75. Lebensjahr.
— Seine Majestät der Kaiser und König traf, wie W. T. B.“ meldet, heute mittag auf dem mit Pflanzen und Fahnen in deutschen, preußischen und badischen Farben festlich
eschmückten Bahnhof in Baden-Baden ein. Zum Empfang 6. sich Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Baden mit Gefolge, der preußische Gefandte in Karls— ruhe von Eisendecher sowie die Spitzen der staatlichen und städtischen Behörden eingefunden.
Die in der Thronrede angekündigte Denksch rift über die Ein führung der Verhältniswahl bei den Wahlen zur Zweiten Kammer ist den Landständen gestern zu⸗ gegangen. Die Regierung kommt in der Denkschrift, wie „W. T. B.“ meldet, zu dem Schlusse, daß sie die gegen die Einführung der Verhältniswahl bei den Wahlen zur Zweiten Kammer bestehenden Bedenken zurzeit nicht zu überwinden ver— möge und daher davon absehen müsse, den Ständen dahin⸗ gehende Vorschläge zu machen.
— Nach dem durch den Finanzminister Dr. Rheinboldt
estern der Zweiten Kammer vorgelegten Staats voran sch lag ür die Jahre 1914,15 schließk der ordentliche Etat für diese beiden Jahre obiger Quelle zufolge in den Ausqaben mit jährlich 105 831 508 „Ss (gegen 1912/13 mehr 5 443 435 6, in den Einnahmen mit jährlich 110713 610 S6 (gegen 1912 13 mehr 6 942 435 o), also mit einem Einnahmeüberschuß von jährlich 4882 102 S½ und für die beiden Jahre zusammen mit einem solchen von 9 764 204 S6 (gegen 6 765 114 in den Jahren 1912,13). Der Voranschlag der Eise nbahn—⸗ betrieb sverwaltung für 1914,15 schließt in den Einnahmen mit jährlich 123 889 006 S6, in den Ausgaben mit jährlich Io 276 200 6 sowie mit einem Einnahmeüberschuß von jährlich 33 612 800 6, wozu der Anteil aus den Reineinnahmen der Rhein⸗Neckarbahn mit jährlich 855 So6 t kommt, was zu⸗ sammen 34 4658 600 M ergibt. Unter Berücksichtigung des Fehlbetrags bei der Bodenseedampfschiffahrt von S06. , ergibt sich ein Reinbetrag in den Eisenbahngefällen von jährlich 34 460 600 S6 gegenüber dem Voranschlag von 191213 mit 29 Sh 90 „6, bedeutet also eine Vermehrung von 4606010 b oder 15 Prozent. Im Eilat des Großherzoglichen Hauses, der Justiz und des Auswärtigen wird für die Gesandtschaft in München wiederum der frühere Betrag von 22 100 SI gefordert und dazu erläuternd bemerkt:
Die Gesandtschaft in München, die im Jahre 1908 mit Zu⸗ stimmung der Landstände als eine auf Staatskosten zu unterhaltende Esrichtung gegründet wurde und für die in dem Staatshaushalts⸗ gesetz für 1912‚ 13 die Mittel nur für das Jahr 1912 gewährt worden waren, wurde von Ablauf des Jahres 1917 an mit Rücksicht darauf, daß die Erhaltung der Gesandtschaft als im staatlichen Interesse ge⸗ legen erschien, von anderer Seite bestriten. Es soll nun den Land⸗ staͤnden Gelegenheit gegeben werden, zu der Frage nochmals Stellung zu nehmen.
Der Finanzminister Dr. Rheinboldt führte in seiner Budgetrede aus:
Es werde hoffentlich gelingen, die neueingeführte, 1917 erstmals zur Erhebung gelangende Reichsvermögenszuwachssteuer, die die Grenzen des badischen Steuergebtets schon sehr scharf berühre, ohne grundsätzliche Aenderung der Gestaltung der direkten Steuern durch⸗ zuführen. Der Einfluß diefer Steuer auf die Ergibigkeit der badischen Einkommen⸗ und Vermögenssteuer werde sich hoffentlich nicht allzu empfindlich fühlbar machen. Die Tilgung der für die Sicherung des Reichs und für Wahrung der Großmachtstellung unvermeid⸗ lichen einmaligen Ausgaben durch Einführung des Wehrbeitrags habe die vollste Zustimmung des Staatsministeriums gefunden, da im Interesse der Aufrechterhaltung der seit einigen Jahren in der Wirt— schaftsführung des Reiches zur Richtschnur gemachten soliden Grund— sätze diesem Weg gegenüber dem! der Deckung durch eine An⸗ leihe der Vorzug zu geben wäre. Die einmütige Zustimmung des Reichstags „ei als eine große, des deutschen Volkeö wür dige Tat begrüßt worden und er sei überzeugt, daß Deutschland« resch genug sei, die einmalige Entziehung so großer Mittel aus den der Nation zur Verfügung stehenden Betriebs fonds ohne wesentliche Schädigung seiner Erwerhskraft zu tragen. Von dem Wehrbeitrag würden für Baden nach feiner Schätzung etwa 35 Mil⸗ lionen aufzubringen sein, die in den nächsten drei Jahren mit je 12 Millionen, also einem dem Gesamtbetrage der badischen Ver⸗ mögenssteuer etwa gleichkommenden Betrag, zu zahlen seien. Diese Belastung werde aber nur von den stärkeren Schultern getragen. Da der Wehrbeitrag als einmalige Ausgabe aus dem landessteuerpflichtigen Einkommen nicht abziehbar sei, werde durch ihn der Ertrag der direkten badischen Steuern nicht wesentlich berührt werden.
Der Finanzminister schloß seinen finanziellen Ueberblick mit dem Wunsche, daß die Vorschläge des Ministeriums und die Beschlüsse der Stände die Wohlfahrt des geliebten badischen Vaterlandes fördern möchten.
Mecklenburg⸗Schwerin.
Wie „W. T. B.“ meldet, war im mecklenburgischen Landtage durch den Standesbeschluß der Bürger— meister in den letzten Jahren jährlich die Summe abge⸗ lehnt worden, die die Schweriner Regierung für die Großherzogliche Renterei als Zuschuß zu den Kosten des Landegregiments verlangte. Diese Ablehnung erfolgte in der Ahsicht, die Regierung zur Verfassungsoktroyierung zu veranlassen. Für das Budget für 1914/15 hatte die Re⸗ Flerung einen Zuschuß von 1300 00 , gefordelt. Die Land— agslommission zu bieser Pofition schlug nün vor, anstatt dieser Jujchußleistung für die Zukunft jährlich mehrere Ausgabe— . ten der Großherzoglichen Renterei auf die Landessteuer⸗ affe zu übernehmen, und zwar die Matrikularbeiträge an das Reich und die Hestreitung der Kosten für bie beiden Landes⸗
irrenanstalten, was ungefähr die Summe von 1500 000 ausmacht. Nach lebhaftem Widerspruch mehrerer Bürger⸗ meister und nach einer Sonderberatung der Bürgermeister unter sich stimmten diese im Plenum mit der Ritterschaft ab. Die Abstimmung ergab Annahme des Kommissions⸗ vorschlags.
Oesterreich⸗ Ungarn.
Das 65jährige Regierungsjubiläum des Kaisers Franz Joseph ist im ganzen Lande durch Gottesdienste und sonstige festliche Veranstaltungen unter großer Beteiligung be⸗ gangen worden.
— Der Ausschuß für Aeußeres der Oester⸗ reichischen Delegation hielt gestern nachmittag eine Sitzung ab, in welcher der Berichterstatter Marquis Bacquehem den Bericht über den Voranschlag des Ministeriums des Aeußern unterbreitete.
Wie W. T. B.“ meldet, entwirft der Bericht einen historischen Rückblick über den Verlauf der Ereignisse auf dem Balkan und ge— denkt in besonders nachdrücklicher Weise der Haltung des Deutschen Reichs, das durch den Lelter seiner auswärtigen Politik in ernster Stunde Europa keinen Zwelfel darüber gelassen habe, daß das Deutsche Reich entschlossen sei, feine Bündntztreue biz zum Aeußeren zu erfüllen. Ebenso habe die Erneuerung des Dreibundvertrages gerade in diefer Zeit nicht verfehlt, einen tiefen Eindruck zu machen. Der Bericht faßt die Ergebnisse der Debatte in folgendem zusammen: Der Ausschuß ist in seiner überwiegenden Mehrheit der Ueberzeugung, daß die Schaffung eines selbständigen Albaniens den großen Interessen Oesterreich⸗ Ungarns am besten entspricht. Er billigt es ferner voll— kommen, daß die Revisionsabsichten gleich wie von den übrigen Mächten auch von Oesterreich Ungarn fallen gelassen wurden. Von vielen Seiten wurde es beklagt, daß eine selbstlose Politik, die auf jede Ausbreitung verzichtet und“ nur auf die Wahrung der Interessen Oesterrelch⸗Ungarns an der Adria bedacht ist, mit großen QDpfern verbunden gewesen sei. Einmütig war aber die lebhafte Befriedigung darüber, daß der Monarchie der Friede erhalten blieb. Der Ausschuß setzt voraus, daß in kritischen Zeiten, um beun⸗ ruhigenden Gerüchten rechtzettig zu begegnen, stets für eine richtige Information der Oeffentlichkeit Sorge getragen werde. Der Auß⸗ schuß empfiehlt bezüglich der Handelsberträge mit den Balkanstaaten die Schaffung einer Grundlage, die der Industrie Desterreich⸗Ungarns die Möglichkeit bietet, mit Erfolg in den voraussichtlich harten Kon⸗ kurrenzkampf einzutreten und so die Schäden wettzumachen, die sie durch die lange Krise erlitten hat.
Der Marineausschuß der Ungarischen De— legation hat in seiner gestrigen Sitzung das Marine— budget angenommen. Ueber den Verlauf der Debatte berichtet ‚W. T. B.“, wie folgt:
In einem Exposé erklärte der Kommandant der Marine, Admiral Haus, das Budget halle sich in dem Rahmen des seinerzeit bon den Delegationen sestgestellten Programms. Der unumgänglich notwendige Ersatz der Monarch⸗Division sei mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Lage und andere un⸗ aufschiebbare Anforderungen auf bessere Zeiten verschoben worden. Es sei auch dringend notwendig, die mlt der Vergrößerung der Flotte zusammenhängenden, immer dringlicheren Bedürfnisse zu decken, wenn nicht die Instandhaltung und Schlagfertigkeit der Flotte Schaden leiden solle. Sein Programm gehe nicht über dasjenige seines Vorgängers Grafen Montecuccoli hinaus, wonach die Flotte durch allmähliche Ersatzbauten auf der gegenwärtigen Höhe erhalten werde, nämlich; 16 Schlachtschiffe, 12 Kreuzer, 24 Torpedofahrzeuge, 2 Torpedobobte, 12 Unterseeboote, 8 Monitore und einige Train⸗ schiffe. In Erörterung des Budgets stellte der Marinekommandant fest, daß die bereits in Dienst gestellten neuen Schlachtschiffe
„Viribus Unitiz“ und „Tegetthoff“ durchaus gelungene Neukon⸗
struktionen und eine wefeniliche Verstärkung der Flotte darstellen. Von den Schwesterschiffen werde der „Prinz Eugen im Frühjahr die Uebernahm probefahrten machen und der „Szent Istvan“ Mitte Januar vom Stapel laufen. So bedauerlich der durch die letzte Balkankrisis veranlaßte bedeutende Rüstungskrebit und die durch die Einberufung und monatelange Zurückbehaltung von ungefähr 10009 Marinereservisten verurfachten Schädigungen seien, so überaus wertvoll und befriedigend seien die hierbei für den Dienst gewonnenen Erfahrungen. Seit 47 Jahren sei zum ersten Male die ganze operative Flotte in Dienst ge⸗ stellt und großenteils mit Reservisten bemannt worden. Die Indienst⸗ stellungen hätten sich Überaus rasch vollzogen. Das Verhalten und die Krlegsbrauchbarkeit der Reservisten sei größtenteils sehr gut, sodaß er die Ueberzeugung gewonnen habe, daß Oesterreich⸗-Ungarn an den Reservisten ein sehr tüchtiges, der aktiven Mannschaft fast ganz gleichwertiges Material besitze. Der Geist des Offizierkorps sei por⸗ züglich, sodaß die Flotte jeder Möglichkeit mit großer Ruhe ent⸗ gegensehen könne. Aber so vortrefflich auch die Marine in moralischen Qualitäten sei, könne doch der Erfolg nicht verbürgt werden, wenn nicht auch das Flottenmaterial auf der Höhe der Situation erhalten bleibe. Der Delegierte Chorin bezeichnete daz Marinebudget gegenüber dem ltalienischen mit Rücksicht auf den geringeren Seehandel, die geringere Küstenlänge und den Mangel an Kolonien als heträchtlich. Das natürliche Schwergewicht des Schutzes der Monarchie liege in der Landarmee. Wenn die Marineleitung sich bei der Entwicklung der Flotte davon leiten lasse, daß Oesterreich Ungarn in die Lage kommen könnte, einen Verbündeten zu unterstützen, fo sei darauf hinzuweisen, daß Bündnisse nur solche Opfer von Qesterreich⸗Angarn fordern könnten, die auch den Interessen der Monarchle und nicht ausschließlich den⸗ jenigen der Verbündeten dienen. Der Ministerpräsident Graf Tisza bemerkte, das Flottenprogramm sei unter dem Ein⸗ druck der auswärtigen Lage um ein Fahr abgekürzt worden. Eine Großmacht könne ihre militärische und Marineorganisation nicht augen⸗ blicklichen politischen Ansprüchen anpassen. Oesterreich⸗Ungarn könne nicht darauf verzichten, im Adriatischen und im Mittelmeer als be⸗ deutender Faktor aufzutreten. Es sei das größte Mißver ständnis, an⸗ zunehmen, daß Oesterreich⸗Ungarn der Flotte gewissermaßen gegen Italien bedürfe. Die Flotte sei der Mongrchie kostbar und doppelt wertvoll im heutigen Bündnis, weil sie sie in die Lage versetze, das Bündnis für Italien wertvoller zu machen. Oesterreich verftärke seine Flotte nicht gegen Itallen, fondern im Gegenteil, um Italien kost— bare Dienste erweisen zu können.
Frankreich.
Die Deputiertenkammer hat gestern vormittag den Artikel 2 des Anleiheentwurfs angenommen, nach dem jährlich 5 Millionen für den Rückkauf der unkündbaren Nenten in das Budget eingestellt werden sollen. Darauf beriet die Kammer über die porgeschlagenen Privilegien, insbesondere die Steuerfreiheit der neuen Rente.
Wie W. , . berichtet verteidigte der Abg. Jules Roche einen Zusatzantrag, der jede Einbehaltung, Besteuerung und Ver⸗ ringerung der Zinsen der neuen Anleihe verbietet, die nicht durch Kon⸗ bertierung erfolgt. Die neue Rente solle diefelbe Abgabenfreiheit ge⸗ nießen, wie die bestehende Staatzrente. Die französische Rente sei niemals mit einer Steuer helegt worden, selbst nicht in den kritischsten Zeiten der französischen Geschichte. Es handle sich hier um eine Frage der Gerechtigkeit und des wohlverstandenen Interesseg. Der Abg. Theodore Reingch, dessen Ausführungen befonderg von Caillaux mit großem Belfall begrüßt wurden, entwickelte im einzelnen einen Antrag, nach dem die neue Rente niemalg mit einer höheren CGoupon— steuer belegt werden dürfte als die sonstigen beweglichen Werte in Frankreich, aber von jeder Steuer dieser Art zehn Jahre von ihrer Emission ab befreit bleiben sollte.
In der Nas gssitzung der Kammer bekämpfte Caillauxr den Vorschlag der Steuerfreiheit der Rente und führte aus, daß man damit elne Bestimmung des gegenwärtig dem Senat vorliegenden Ein⸗ kommensteuergesetzentwurfs hin ällig machen würde. Eine solche Steuer⸗ freiheit würde aller parlamentarischen und finanziellen Traditson widersprechen. Keine Körperschaft und kein Regime könnten unbe—⸗ schränkt eine Kategorie von Stenuerpflichtigen und eine Klasse von Werten von der Steuer befreien. Darauf ergriff der Flnanzminister Dumont das Wort und zählte zunächst alle Staa en auf, die seit 50 Jahren Anleihen emitttert und in den Obligationen ihre Steuer—⸗ freiheit zugesagt hätten. Der Vertrag zwischen den Renteninhabern und dem französischen Staate werde eingehalten werden; so sei die Rente für die Inhaber wie eine Banknote, die noch Zinsen bringe. Eine Besteuerung des Coupons wäre eine Aufforderung an andere Länder, dasselbe zu tun; die Si ung dieses Abends sei also entscheidend für die Renteninhaber. Unter lebhaften Unterbrechungen von der äußersten Linken erklärte der Minister, die Entscheidung der Kammer gehe ebensowohl die alten wie die neuen Rententitres an und werde für den Zinsfuß der Anleihe von Wichligkeit fein. Er werde jedenfalls die Verantwortlichkeit für die Anleihe nicht übernehmen, wenn ihre Steuerfreiheit nicht klipp und klar aus— gesprochen sel. Der Sparer müffe wissen, was man ihm verkaufe. Der Abg. Malvvy kritisterte ausführlich die Ausführungen des NRinanzministerg und verteidigte die Steuerpflicht der Rentencouponz. Der Abg. Jaurss gab ahnliche Erklärungen ab, wie Caillaux. Der Abg. Delpterre verteidigte einen Zusatzantrag, der verlangt, daß in dem Text der Coupons pie Aufrechterhaltung der gegenwärtig be⸗ stehenden Vorrechte der Rentencoupong ausgesprochen werden soll. Der Ministerpräsident Barthou führte aus, daß die Regierung niemals einen Zweifel daran gehabt habe, daß die neuen Titres dieselben Vorrechte genießen müßten, die den andern Staatz. renten zustünden, und nahm den Zufatzantrag Delpierre an mil der augdrüglichen Erklärung, daß bie JZinsen der neuen Rententitres alle fiskalischen und zivilrechtlichen Immunitäten genießen sollten, die den bisherigen Staatsrenten zustünden. Nach AÄbsicht der Regiterung solle der Rentencoupon jetzt und zukünftig von der allgemeinen Einkommensteuer frei bleiben, der andere bewegliche Werte unterlägen; diese Entlastung der Renten würde vielen kleinen Renteninhabern zugute kommen; die Steuerfreiheit der Rente sei unentbehrlich. Der Ministerpräsident ließ über die Bedeutung seines persönlichen Eintretens keinen Zweifel und betonte wiederholt die Nützlichkeit der Steuerfreiheit der Rente; mit einem lebhaften Appell an die Kammer stellte er die Ver? trauensfrage unter lebhaftem Beifall auf der Rechten und im Zentrum.
Die Abstimmung fand unter äußerster Aufregung statt. Es wurde ordnungsgemäß zur Stimmenzählung geschritten, die eine vorübergehende Aufhebung der Sitzung veranlaßte. Als die Sitzung wieder eröffnet wurde, verkündigle Deschanel unter tiefer Stille, daß der Abänderungsvorschlag Delpierre mit 290 gegen 265 Stimmen abgelehnt worden sei. Das Abstimmungsresultat wurde von der ganzen Linken mit stürmischem Beifall aufgenommen. Die Sozialisten riefen. Nieder mit dem Dreijahresgesetz! Die oppo⸗ sitionelle Mehrheit der Kammer setzt sich folgender⸗ maßen zusammen: Ein Mitglied der Rechten, ein Progressist, ein Mitglied der republikanischen Union, 9 Mitglieder der demokratischen Linken, 58 der radikalen Linken, 118 sozialistische Radikale, 25 sozialistische Republikaner, 68 unifizierte Sozialisten, 9 Unabhängige. Die Minderheit besteht aus 18 Mitgliedern der Rechten, 33 der Action liberale, 42 Progressisten, 31 Mit gliedern der republikanischen Union, 62 Mitgliebern ber demo— kratischen Linken, 36 der radikalen Linken, 20 sozialistischen Radikalen, 4 sozialistischen Republikanern, 19 Unabhängigen. 15 Deputierte hatten sich der Stimme enthalten, abwesend
ö.
waren 27.
Das Minist er ium hat infolge der Ablehnung des Antrags Delpierre seine Demission gegeben. Der Prä— sident Poincars hat die Demission des Kabinetts angenommen
2
und die Minister mit der Weiterführung der Geschäfte beauftragt.
Rußland.
Die Reichsduma hat gestern, wie „W. T. B.“ meldet, mit 130 gegen 119 Stimmen bei fünf Stimmenthaltungen die Regierungsvorlage abgelehnt, die eine Erhöhung der Besteuerung von Immobilien in Städten vorsah.
Portugal.
Zum Präsidenten des Senats wurde gestern, wie , meldet, Braam camp Freire wiedergewählt. Zum Pröã⸗ sidenten der Kammer wurde in stürmisch bewegler Sitzung Azevedo Continho gewählt. Nach der Wahl des Präsidenten verlas der Ministerpräsident Affonso Costa einen Verwal— tungsbericht. Machado Santos brachte eine Interpellation über Repressinmaßnahmen der Regierung gegen die Presse ein. Nach Schluß der Sitzung veranstaltete die vor dem Parlaments⸗ gebäude angesammelte Menge Kundgebungen für Costa und gegen Machado Santos, der sich unter polizeilichem Schutze nach seiner Wohnung begeben mußte.
Griechenland.
Der König Konstantin empfing gestern eine Abord— nung der Kammer und sagte, wie „W. T. B.“ meldet, in Beantwortung der Ansprache des Führers der Abordnung u. a.:
Das Vaterland ist groß geworden. Es ist nun an der Zeit, es durch gemeinsame Arbeit auf fester Grundlage zu entwickeln. Seine Kinder sind zu allen Anstrengungen und zu allen Opfern bereit. Wir sind ein einig Voll, sprechen ein und dieselbe Sprache und verehren ein und denselben Gott. Wir haben nur den einen Wunsch, als groß gewordenes Volk zu leben und, was wir erworben haben, zu bewahren. Wir werden leben und das nationale Erbgut bewahren.
Rumänien.
Das rumänische Grünbuch über die letzte Balkan— krise enthält eine größere Anzahl von österreichisch⸗ungarischen, auf die Politik Oesterreich⸗Ungarns bezüglichen Akten und Ge— sandtenberichten sowie Berichte des Ministerpräsidenten Majoresco an den König. Wie „W. T. B.“ meldet, geht aus diesen Papieren hervor, daß die Politik Oesterreich⸗Ungarns während der ganzen Krise ernstlich bemüht war, zur Erfüllung her rumänischen Wünsche beizutragen und das rumänische Vor⸗ gehen im letzten Stadium der Krise nicht zu hindern. Das Gleiche gilt für die Verhandlungen in St. Petersburg. In einer Depesche des Grafen Berchtols an Baron Haymerle im De⸗ zember 1912 heißt es, daß sich der Minister die Feststellung der Lage, guf dem Balkan ohne eine vorherige Erfüllung der rumänischen Wünsche nicht denken könne. Vor der Abtretung von Turtukaja und Baltschik teilte der österreichisch⸗ ungarische Gesandte dem Ministerpräsidenten Majoresco eine Depesche bes Kaisers Franz Joseph an den König Ferdinand sowie eine Depesche des Grafen Berchtold an den österreichischen Gesandten in Sofig mit, aus denen heworgeht, daß Oesterreich die so⸗ fortige Abtretung des fraglichen Gebietes in Sofia dringend angeraten und Bulgarien die ernstesten Vorwürfe gemacht hat,
daß es die Ratschläge Desterreich Ungarns nicht besolge.
Ueber den zwischen Bukarest und Sosia im Januar ge— pflogenen Meinungsaustausch bringt das Grünbuch folgende Dokumente: Am 10. Januar läßt Geschow Majoresco wissen, daß Bulgarien den dringenden Wunsch habe, mit Rumänien eine Konvention auf breitester Grundlage zu schließen. Tags darauf verständigt Majoresco den rumänischen Ge— sandten in Sofia, daß Rumänien geneigt sei, Bulgarien viele Vorteile zu bieten, und daß die Türkei die Hilfe Rumäniens verlange, dieses jedoch vorziehe, Bulgarien zu helfen, nur müsse man sich rasch entschließen. Als die Verhandlungen in London nicht vom Fleck rückten, erhält der rumänische Gesandte die Weisung, zu erklären, daß Rumänien die Verschleppung nicht mehr dulde und die rumänischen Forderungen als Maximum das Gebiet Turtukaja Dohritsch— Baltschit, als Minimum das Gebiet Silistrig = Baltschik ohne Dobritsch aufstellten. Als bekannt wurde, daß Rumänien mit dem Ergebnis der Londoner Konferenz nicht zufrieden sei, meldete der rumänische Gesandte in St. Petersburg, daß ihm der Minister des Aeußern gesagt habe: wenn Rumänien auf den vorstehenden Bedingungen beharre und angreife, würde die kaiser⸗ liche Regierung angesichts der Gärung nicht Herr der Lage sein. Der Minister des Aeußern betonte die schweren unmittel⸗ baren Folgen einer solchen Möglichkeit, die Rumänien sich zweimal überlegen solle. Als dem russischen Minister des Aeußern das Minimum der rumänischen Forderung mitgeteilt wurde, sagte er, wenn Rumänien Baltschik wolle, bedeute es Krieg, da die Bulgaren niemals auf diesen Ort verzichten würden. Ueber die Haltung der Mächte nach der St. Petersburger Kon⸗ ferenz sagte der russische Minister des Aeußern dem rumä— nischen Gesandten, daß England und Frankreich gegen Rumäniens Wünsche seien, während die Haltung Rußlands noch unbestimmt sei. Angesichts des bevorstehenden zweiten Krieges stellte der russische Minister des Aeußern dem rumänischen Gesandten gegenüber fest, daß es nicht das erste Mal sei, daß die rumänischen und die russischen Interessen identisch seien und daß beide den Frieden herstellen müßten. Als der ru⸗ mänische Vormarsch andauerte, verlangte der russische Gesandte Einstellung des Vormarsches, was Majoresco ablehnte; zu⸗ gleich betonte Majoresco, daß die rumänischen Forderungen unabhängig von der militärischen Aktion die gleichen seien, wie bei deren Beginn. Das letzte Aktenstück ist ein Telegramm des rumänischen Gesandten in St. Petersburg, worin er auf Grund einer Information dem Minister des Aeußern mitteilt, daß Rußland nicht mehr auf der Kawallafrage bestehe.
Amerika.
Der Präsident Wilson verlas gestern im Kongreß eine Botschaft, in der er laut Bericht des „W. T. B.“ fagte:
Unser Land ist, wie ich dankbar sagen kann, mit der ganzen übrigen Welt in Frieden. Mit jeder Dekade zeigen sich die Nationen bereitwilliger, sich durch feierliche Verträge zu Methoden zu ver⸗ pflichten, welche Frieden, Offenheit und Entgegenkommen zum Ziel hahen. Die Verelnigten Sigaten haben bisher bei Verhandlungen dieser Art immer an der Spitze gestanden. Sie werden, wie ich ernstlich hoffe und glaube, einen neuen Beweis dafür geben, daß sie aufrichtig für die Sache der internationalen Freundschaft eintreten, indem sie mehrere Schtedsgerichlsverträge, die dem Senat zur Er⸗ neuerung vorliegen, ratifizleren. Darüber hinaus hat das Staats⸗ departement, im Prinzip die Zustimmung von nicht weniger als 31 Nationen, die vier Fünftel der Bevölkerung der Welt reprä⸗ sentieren, zur Verhandlung über Verträge gewonnen, unter welchen alle Meinungsberschiedenhelten über Fragen der Interessen oder der Pelitik, die durch die Diplomatie auf gewöhnlichem Wege nicht gelöst werden können, vor ein von den Parteien gewähltes Tribunal gebracht werden sollen, das sie öffentlich besprechen und über sie Be⸗ richt erstatten wird, bevor eine der Parteien sich über ihr weiteres Vorg hen schlüssig macht. Für die Gntscheidung ber Melnungg⸗ derschiedenheiten zwischen den Vereinigten Staaten und anderen Nationen ist nur ein Maßstab möglich, ber sich aus zwei Grundsãätzen ergibt: Unsere eigene Ehre und die Verpflichtungen, die wir hinsicht⸗ lich des Friedens in der Welt haben.
Der Präsident wandte sich dann der mexikanischen Frage zu, wobei er ausführte: Es könne keine sichere Ausficht für den Frieden in Amerkka geben, bis der General Huerta seine angemaßte Autorität in Mexiko aufgegeben habe und bis man sich überall darüber klar geworden sei, daß die Vereinigten Staaten derartige angebliche Regierungen weder billigen noch mit shnen verhandeln werden. Der Präsident ging dann auf die Umstände ein, unter denen Huerta zur Macht gelangte, und erklärte, die gegen⸗ wärtigen Zustände in Mexiko ließen es zweifelhaft erscheinen, ob die fundamentalen Rechte der Mexikaner und der in Mexiko wohnenden Angehörigen anderer Staaten mit Erfolg gesichert werden könnten. Diese Zustände bedrohten, falls sie lange andauerten, die allgemeinen Interessen des Friedens, der Ordnung und eines erträglichen Daseins in den Ländern, dse unmittelbar füdlich der Vereinigten Staaten liegen. Der Präsident fuhr dann sort: „Die vollständige Isolterung Huertas schreitet immer mehr fort. Mit jedem Tage nehmen seine Macht und fein Anfehen ein wenig ab. Der Zusammenbruch ist nicht fern. Wir werden, wie ich glaube, nicht gezwungen sein, unsere Politik des wachfamen Abwartens zu ändern, und dann, wenn das Ende kommt, können wir hoffen, die verfassungsmäßige Ordnung in Mexkko durch das Zusammenarbeiten und die Energie solcher Führer des mexikanischen Volkes wiederher⸗ gestellt zu sehen, die die Freiheit ihres Volkes über ihren eigenen Ehrgeiz stellen.“
Der Präsident trat dann kurz, aber eindringlich für die Reform des Bank⸗ und Umlaufmittelsystems ein und sagte, das Land warte mit Ungeduld auf die Reform, die es als eine Grundlage für sein ganzes Geschäftsleben betrachte und die es für notwendig halte, um den Kredit von künstlichen und willkürlichen Beschränkungen zu befreien. In dieser Verbindung werde die schwebende Umlaufgmittel⸗ bill den Farmern des Landes einen großen Dienst erweisen, indem sie sie mit anderen Geschäftsleuten gleichstelle. Im Anschluß hieran führte der Präsident gus, daß die Farmer bei der Erlangung von Kredit mit besonderen Nachteilen zu kämpfen hätten, und daß Amerika in dieser Beziehung hinter vielen anderen großen Ländern der modernen Welt zurückstehe. Wilson wies hierbei auf das System des landwirtschaft⸗ lichen Kredits hin, das sich in Europa entwickelt hat, Sodann wandte sich, der Präsident dem Großgeschꝗ ft zu und erklärte, daß zwar die Bildung von Privatmonopolen wirksamer verhindert werden müßte, daß, man aber wohl darin übereinstimmen werde, daß Sherman Antitrustgesetz in seiner jetzigen Fassung mit seinen strittigen Punkten bestehen zu lassen, daß man aber so vsel als möglich den Umfang dieser strittigen Punkte durch weitere und genauere Gesetzgebung ver⸗ mindern müsse. Der Präsident lehnte es jedoch ab, hierauf jetzt näher ae en, und behielt sich diesen Gegenstand für eine spätere Bot—
aft vor.
Mit Bezug auf das Wahlsyst em trat der Präsident dafür ein, daß die Nominierung von Präsidentschaftskandidaten durch Primär— wahlen im ganzen erfolgen sollte, doch wollte er die Parteikonvente nicht aufgehen, die das Ergebnis ratifisieren und das polttische Pro— gramm aufstellen sollten Die Mitglieder der Parteikonvente sollten jedoch nicht einzig für diesen Zweck gewählte Delegierte sein, sondern Kandidaten für den Tongreß und den Senat, Mitgkieder der National⸗ komitees und die ie n , , . selbst, damit das politische Programm von Leuten aufgestellt werde, die dem Volke für seine Ausführung verantwortlich i. würden. ;
Welterhin ging der Präsident auf das Verhältnis der Ver⸗ tinigten Staaten zu Portorico, Hawal und den Philip
pinen ein und erklärte, diese Territorien könnten nicht als einfache Besitzungen betrachtet werden. Sie könnten nicht länger in eigen⸗ nütziger Weise ausgebeutet werden, sondern müßten im Interesse der Völker verwaltet werden, die in ihnen leben. Finsichtlich der Philip⸗ pinen riet der Präsident dem Kongreß besonders, steis im Auge zu behalten, daß sie schließlich einmal unabhängig werden sollten.
Der Präsident trat schließlich dafür ein, daß die Regierung in Alaska eine Bahn baue und sie selbst in Verwaltung nehme, um die wirtschaftlichen Quellen des Landez zu erschließen. In Verbin⸗ dung mit der Tätigkeit des Bergamts erklärte ber Präsident, daß die Erhaltung menschlichen Lebens und menschlicher Tatkraft noch mehr im Interesse der Nation liege als die Bewahrung der materiellen Hilfsquellen vor Verschwendung. Zuletzt empfahl der Präsident den Erlaß eines Haftpflichtgesetzes für Arbeitgeber zum Schutze der Eisen· bahnangestellten und rrat dafür ein, daß der Kongreß sich damit befasse, den höchst unsicheren und ungerechten Zuständen abzuhelfen, die gegenwärtig bei der Beschäftigung bon Matrosen bestehen.
Asien.
Nach einer Meldung der „St. Petersburger Telegraphen⸗ Agentur“ haben türkische Truppen aus Wan, darunter Artillerie und Infanterie, die dem Kurdenscheich Taga gehörende Dorfschaft Katuna üherfallen. Die kleine Abteilung des Scheichs wurde vernichtet und sein Bruder gefangen genommen. Vierzig Kurden wurden getötet.
Koloniales.
Vom Bau der deutschostafrikanischen Mittellandbahn.
Nach einer telegraphischen Meldung an die Ostafrikanische Eisen⸗ bahngesellschaft hat die Gleisspitze der Tanganjikabahn am L November Kilometer 371 hinter Ta bora erreicht. Im Oktober wurden 27,2 km Gleis vorgestreckt. Bis zum Tanganjikafee sind noch 39 Em zu letsten. Die Vorstreckarbeiten ind zur Zeit ein gestellt, well die Erd⸗ und Felsarbelten auf der Reststrecke, die größere Schwierigkeiten bietet als die vorhergehende Strecke, noch nicht genügend weit vorgeschritten waren. Die Verzögerung wird einige Wochen dauern.
Parlamentarische Nachrichten.
— Auf der Tagesordnung der heutigen (181.) Sitzung des Reichstags, welcher der Reichskanzler Dr. von Beth— mann Hollweg, der Staatssekretär des Innern Dr. Del⸗ brück, der Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke, der Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Lisco, der Staats sekretär des Reichskolonialamts Dr. Solf und der Kriegs— minister, Generalleutnant von Falkenhayn beiwohnten, standen die folgenden Interpellationen, betreffend die Vorgänge in Zabern.
1) Interpellation Röser u. Gen. (fortschr. Volksp.); Ist der Herr Reichskanzler bereit, Auskunft zu geben über die durch die Presse bekannt gewordenen Aeußerungen eines Offiziers in Zabern und die dadurch veranlaßten weiteren Vorgänge?
2) Interpellation Albrecht u. Gen. (Soz.): Was gedenkt der Herr Reichskanzler gegenüber dem Verhalten des Leutnants in der Garnison Zabern zu tun, der die elsaß lothringische Bevölkerung schwer beleldigt und ferner Aeußerungen getan hat, die geeignet sind, unsere Beziehungen zu Frankreich zu beeinträchtigen?
3) Interpellation Delsor u. Gen. (El.): Was gedenkt der Herr Reichskanzler zu tun, um die elsaß⸗lothringischen Soldaten und die Bevölkerung Elsaß⸗-Lothringens vor Beleidigungen zu schützen, wie sie sich ein Offizier des Infanterieregiments Nr. Y) in Zabern ihnen gegenüber hat zu schulden kommen lassen? Hält der Herr Reichs⸗ kanzler die Strafe, die über diesen Offizier verhängt worden ist, für eine Sühne, die geeignet ist, der Wiederholung solcher Fälle vor⸗ zubeugen?
Die Interpellanten sollen der Reihe nach das Wort er— halten.
(Schluß des Blattes.)
Statistik und Volkswirtschaft.
Durchschnittsgewichte der während des Jahres 1911 in Preußen geschlachteten Tiere.
Die für das Jahr 1906 durch amtliche Erhebungen ermittelten Durchschnittsschlachtgewichte der in den öffentlichen Schlachthäusern geschlachteten Tiere, die den Fleischberbeauchsberechnungen des Kaiser— lichen Gesundheitsamts bisher zugrunde gelegen haben, sind in der Oeffentlichkeit verschiedentlich Gegenstand der Kritik gewesen, und ihre Richtigkeit ist mehrfach in Zweifel gezogen worden. Mit Rück⸗ sicht hierauf erschien es zweckmäßig, das im Jahre 1906 gewonnene Zahlenmaterial einer Nachprüfung zu unterziehen, und zu diesem Zwecke sind im Jahre 1911 weitere Ermittlungen über das Gewicht der Schlachttiere angestellt worden. Sie haben zunächst nur in Preußen stattgefunden, sind aber nicht nur, wie im Jahre 1906, auf die Schlachtgewichte der in den öffentlichen Schlachthäusern ge⸗ schlachteten Tiere erstreckt worden, sondern auch auf die Schlacht⸗ gewichte der außerhalb dieser Schlachthäuser geschlachteten Tiere aus⸗ gedehnt worden; ferner sind die Gewichte der lediglich zum Haus⸗ gebrauche geschlachteten, nur der Trichinenschau unterworfenen Schweine mitberücksichtigt worden. .
Bei den Ermittlungen ist, wle im Jahre 1906, daran festgehalten, daß die Gewichtszahlen durch Wägungen ermittelt wurden; von einer Schätzung von Gewichten ist grundsätzlich abgesehen worden. Die Erhebungen der Gewichtszahlen innerhalb der öffentlichen Schlacht⸗ häuser haben in derselben Weise stattgefunden wie im Jahre 1966. Außerhalb der öffentlichen Schlachthäuser sind mit den Erhebungen die mit der Fleischbeschau betrauten Personen, namentlich die Tierärzte in einigen Bezirken auch besonders zuverlässige nicht tierärztliche Be⸗ schauer, beauftragt worden. Die Grmittlungen haben sich natur- gemäß ebenso wie in den öffentlichen Schlachthöfen nicht auf das Gewicht sämtlicher geschlachteter Tiere erftrecken können, immerhin sind die Erhebungen doch so umfangreich gewesen, daß sich auf dem gewonnenen Materiale brauchbare Berechnungen der Durchschnitts⸗ schlachtgewichte aufbauen lassen.
lich vollständiger als das aus dem Jahre 1906 war, konnte es auch in vollkommenerer Weise bearbeitet werden ala jenes. ö
Es wurde genau geprüft, auf welchen Teil der insgesamt ge⸗ schlachteten Tiere die einzelnen ermittelten Gewichte bezogen werden dürfen. Hierbei wurde von den Regierungsbezirken, für welche die Schlachtungszahlen bekannt sind, ausgegangen und zunaͤchst für diese Bezirke der Fleischvorrat berechnet. Es darf angenommen werden, daß die Qualität der Schlachttiere in einem solchen Bezirk im großen und ganzen einheitlich ist. Innerhalb eines Regterungsbezirks be⸗ stehen jedoch einzelne beachtenswerte Verschiedenheiten. Dementsprechend wurden die in den Erhebungsgebieten ermittelten Gewichte gruppiert und danach als Unterlage für die Berechnungen benutzt. Zunächst wurde der Fleischborrat aus jedem großen Schlachthoforte des Re— gierungsbezirkes gesondert berechnet, während die sich aus den mittelgroßen und den kleinen Schlachthoforten sowie die sich aus den
beschaupflichtigen Schlachtungen in den übrigen Ortschaften elnes Re⸗
Da das für das Jahr 1911 eingegangene Zahlenmaterial wesent⸗
gierungshezlrkes ergebenden Fleischmengen und zwar ir für sich für den Regierungsbezirk summarisch ermittelt worden sind. Danach ist der Fleischnorrat für jeden Regierungsbezirk und für Preuhen er⸗ mittelt und aus ihm sowie der Zabl der Schlachtungen das Durch⸗ schnittsschlachtgewicht für jede Tierart berechnet worden. Das Durch⸗ schnittsgewicht der zum eigenen Hausgebrauche geschlachteten Schwesne wurde gleichfalls aus den für die einzelnen Regierungsbezirke ermittelten Fleischworräten berechnet. Bei Gegenüberstellung der auf diese Weise erzielten Ergebnisse mit den Ermittlungen im Jahre 1966 ergibt sich folgendes Bild:
1911 1906 Durchschnittsschlachtgewicht in g
Durch
b. C. 6 Jsder außerhalb der der zum Haus, schnitts⸗ offt th n * ÿ5ffentlichen gebrauch schlacht⸗ Schie 3 Schlachthäuser ge⸗ geschlachteten 5 . schlachteten, der und auf gewicht 91 — , . 3 in Kg , unterworfenen untersuchten teten Tiere Tlere Schweine
Ochsen .. 316,0 297,60 33 Bullen.. 299, 8s 274,3 306 w 230, as 245 Jungrinder 1720, 166, a6 175 8. 43,28 35. 32 40 Schweine. gl, or 87, 52 ̃ 90 Schafe. 22, a6 — / 223 Ziegen. 16,30 — 16
Ein Vergleich der für das Jahr 1911 und das Jahr 1996 ermittelten Gewichte in Schlachthöfen geschlachteter Fiere läßt folgendes erkennen: Bei Kälbern, Schweinen, Schafen und Ziegen hat, sich ein unerheblich höheres Gewicht herausgestellt, sodaß die früher ermittelten Gewichte für diese Viehgattungen durch die neuen Ermittelungen als bestätigt gelten können. Für Bullen, Kühe und Jungrinder ist ein nicht schr wesentlich niedrigeres Durchschnittsgewicht berechnet worden. Das Gewicht der Ochf en war im Jahre 1911 betrachtlich niedriger als im Jahre 1906. Die festgestellten Abnahmen sind aber wohl nicht darauf zurückzuführen, daß die 1906 ermittelten Gewichts. zahlen zu hoch gewesen wären; sie erklären sich vielmehr zwanglos daraus, daß im Jahre 1911 einmal wegen der damallgen ungünstigen Fut terverhaͤltnisse, sodann aber auch wegen des Herrschens der Maul⸗ und Klauenseuche von den Landwirten sehr viel Vieh in noch nicht schlachtreifem Zustand abgestoßen und zur Schlachtung gebracht worden ist, sodaß in dieser Hinsicht das Jahr 1911 als ein normales Jahr nicht angesehen werden kann. Die Zusammenstellung ergibt ferner, daß das Gewicht der außerhalb der öffentlichen Schlacht⸗ häuser geschlachteten Ttere — abgesehen von den Hausschlachtungen bei Schweinen — im allgemeinen niedriger ist als das Schlacht. gewicht der innerhalb der öffentlichen Schlachthãuser , . Tiere. Da angenommen werden muß, daß es sich hier zei nicht um eine Besonderheit des Jahres 1911 handelt, so sind in die bis⸗ herigen Fleischporratsberechnungen, die das Kaiserliche Gesundheits amt aufgestellt hat, für die vorgenannten Schlachtungen anscheinend zu ho he Durchschnittsgewichte eingesetzt worden. Immerhin können aber die auf den Zahlen des Jahres 1906 aufgebauten Fleischborrats⸗ und Fleichverbrauchsberechnungen in ihrem Endergebnis nicht als unrichtig bezeichnet werden, denn das Mindergewicht der außerhalb der öffent⸗ lichen Schlachthäuser geschlachteten Tiere wird durch das Mehr⸗ gewicht der bei den Hausschlachtungen geschlachteten Schweine wieder aue geglichen. Die schon früher ausgesprochene Ansicht, daß die zum eigenen Hausgebrauche geschlachteten Schweine schwerer seien als die in den öffentlichen Verkehr gebrachten, ist durch die Er⸗ hebungen des Jahres 1911 bestätigt worden; es hat sich ergeben, daß das Durchschnittsschlachtgewicht der hausgeschlachteten Schweine um 12, kg höher ist als das im Jahre 1906 für Schweine in Preußen ermittelte Durchschnittsschlachtgewicht. In welchem Umfang diese Feststellung auf die Berechnung des Fleischverbrauchg von Einfluß sein muß, erhellt daraus, daß nahezu 30 C samtlicher Schweine⸗ schlachtungen auf Hausschlachtungen entfallen.
„Wenn der sich aus den Schlachtungen in Preußen ergebende Fleischvorrat für das Jahr 1911 berechnet wird, einmal unter Zu⸗ grundelegung der neu ermittelten Durchschnittsgewichte und sodann unter Einstellung der preußischen Gewichte für das Jahr 1966, so ergibt sich nach den Durchschnittsgewichten für 1911 auf den Kopf der Bevölkerung in Preußen ein um etwa 0,5 kg höherer Fleischworrat als nach den Gewichten für 1906.
Da die im Jahre 1911 gewonnenen Zahlen sich nur auf Preußen beziehen, und da überdies das Jahr 1917 bei seinen besonderen Ver⸗ hältnissen nicht als normal bezeichnet werden kann, werden die vor stehend mitgeteilten Durchschnittsschlachtgewichte Fleischverbrauchs- berechnungen nicht ohne weiteres zugrunde gelegt werden können. Es erscheint daher erwünscht, daß möglichst bald eine Wiederholung der in Preußen vorgenommenen Erhebungen unter Ausdehnung auf das ganze Reichsgebiet vorgenommen wird. Hierüber sind Verhandlungen eingeleltet.
Zur Arbeiterbewegung.
Zur Lohnbewegung im Berliner Brauereigewerbe be⸗ richtet die Voff. Ztg.“, daß eine stark besuchte Versammlung des hiesigen. Bier raugrgefellen⸗-Vereing sich mit dem, am 1. April nächsten Jahres ablaufenden Tarifvertrage beschäftigte und einstimmig folgende Entschließung faßte: Die Ver— sammlung beschließt nach eingehendem Referat des Bundes⸗ vorsitzenden C. Siegert und reger Diskussion die Kündigung des be⸗ stehenden Tarifvertrages der Ringbrauereien. Sie beauftragt die ge⸗ wählte Kommission, einen den Verhältnissen geeigneten neuen Ent wurf auszuarbeiten und dem Verein der Brauerelen von Berlin in Kürze dann durch die Organisationsleitung zujustellen. Der Verein, der dem Verbande der Deutschen Gewerkvereine als Ortsverein an⸗ geschlossen ist, tritt mit der Annahme der Entschließung in die Lohn⸗ bewegung ein. .
In Indianapolis, wo die Fuhrleute ausständig sind, lam es gestern W. T. B. zufolge zu Ausschreit ungen. Die Pollzei feuerte auf die Menge; ein Neger wurde getötet und vier Personen
verwundet. Wohlfahrtspflege.
Der Leiter des Kinderkrüppelheims in Angerburg, Superintendent Braun, bittet um Unterstützung der Anstalt, die in ihren Häufern 409 verkrüppelte Kinder aus allen Teilen Deutschlands ohne Nücksicht auf Heimat und Religion unentgeltlich verpflegt und orthopädisch behandelt. Die Einrichtung einer neuen Krüppelklintk ist notwendig geworden, auch erhoffen die Pfleglinge und 350 alte Krüppel eine Weihnachtsfreude.
Kunst und Wissenschaft.
Kopenhagen (als Gast) wird uͤber die dänt
rönlands 1912 1913 und der Privatdozent A. Wegener a i. O. (als Gast) über die vorläufigen wissenschaftlichen Erg der Kochschen Expedition (mit Lichtbildern) sprechen.
Jagd. Freitag, den 5. Dezember, findet Köni kli ch
jagd statt. Stelldichein: Mittags 12 U der Seeburger Platzgrenze auf dem König