1913 / 286 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 04 Dec 1913 18:00:01 GMT) scan diff

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Sie das dem Bandesrat) Die Mahnung, die aus dem alten Spruch: herausklingt, gilt für alle (fehr richtig! und Heiter— kein; siꝛ gilt nicht bloß für die gesetzgebenden Körperschaften, sie gilt auch für die welten Kreise des deutschen Volls. (Sehr richtig! Jeder muß einzelne eigene Wünsche zurückschrauben, wenn er das Wohl des Ganzen im Auge behalten will. (Sehr gut! rechts.) Im Hinblick auf die uns bevorstehenden gemeinsamen Etatsarbeiten aber lag mir daran, gerade hier und Ihnen gegenüber nochmals hinzuweisen, wie notwendig für uns ein Maßhalten in den Ansprüchen an die Reichssinanzen ist. Lassen Sie uns danach handeln! (Lebhaster Beifall.)

181. Sitzung vom 3. Dezember 1913, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Auf der Tagesordnung stehen bie in der gestrigen Nummer d. Bl. mitgeteilten Interpellationen, betreffend bie Vorgänge in Zabern.

Abg. Röser (fortschr. Volksp): Wenn wir hier die Zaberner Vorfälle zur Sprache bringen, so tun wir es mit dem Wunsche, daß solche Dinge in Zukunft von unserem Lande ferngehalten werden. Die ganze Affäre ist nur dadurch entstanden, daß begangenes Unrecht nicht sofort wieder gutgemacht worden ist, und durch die Ohnmacht der Zivilbehörde, die durch die unvollkommene Verfassung und durch ihre Abhängigikeit von Berlin nicht imstande war, dagegen einzu— schreiten. Es ist beinahe dasselbe geschehen wie durch die bekannte Drohung, durch einen Leutnant mit zehn Mann, dieses hohe Haus aufzulösen. Die Vorkommnisse in Zabern sind für die Armee eines Kulturstaates unwürdig. Proteste gus allen Teilen des Landes sind eingegangen, nicht nur von Einheimischen, sondern auch von. Alt⸗ deutschen. Die Vorkommnisse sind entstanden durch die Errichtung einer Militärwillkürherrschaft, und wir wissen zurzeit nicht, ob sie noch besteht oder aufgehört hat. Wenn sie nicht mehr besteht, dann hat sie auf jeden Fall viel zu lange gedauert. Es wäre anfangs leicht ge⸗ wesen, durch ein geringes Entgegenkommen die ganze Affäre zu Ende zu bringen. Als zum ersten Male die Nachricht von der Acußerung des Leutnants von Forstner durch die Zeitungen ging, mußten die Elsaß Lothringer sich verletzt fühlen. Daß die Bedeutung Wackes ine Beleidigung ist, das ist nicht nur in einem großen Teile der Armee, sondern auch in Altdeutschland wie in ganz Elsaß⸗Lothringen bekannt. Das beweist die Zuschrift eines altdeutschen Herrn an den an Anzeiger“, worin ausgeführt wird, daß über die eigent— liche Bedeutung des Wortes „Wackes“ niemals der geringste Zweifel geherrscht hat. Daß der Ausdruck „Wackes“ ein Schimpfwort ist, mußte auch der Leutnant von Forstner wissen. Im Regiment Nr. 99 besteht seit dem Jahre 1903 ein Regimentsbefehl, den der da⸗ malige Oberst erlassen hat. Dieser Befehl, der bis zum Jahre 1998 monatlich dreimal verlesen wurde, und in dem autz— drücklich hervorgehoben wird, daß das Wort „Wackes“ für die elsaß⸗lothringische Bevölkerung eine Beleidigung bedeutet, ver⸗ bietet den Gebrauch dieses Wortes. Dieser Regimentsbefehl wurde seither allen Offizieren, die in das Regiment eintraten, vor—= gelegt, und sie mußten angeben, daß sie von dem Vermerk Kenntnis genommen haben. Das hat auch Leutnant von Forstner getan. Wie jetzt auch bekannt geworden ist, hat auch der Feldwebel den Hauptmann auf den fortgesetzten Gebrauch, dieses Wortes aufmerl⸗ sam gemacht, und der Hauptmann hat es seinem Obersten mitgeteilt. Also niemand, auch nicht der Leutnant, ist über die Bedeutung Les Wortes im unklaren gewesen. Leutnant von Forstner hat die Re⸗ kruten täglich mit dem Wort. „Wackes“ belegt, er ließ sogar die Leute zu sich kommen und die Meldung erstatten: Ich bin ein Wackes! Es ist nicht einmal versucht worden, dies zu dementieren. Dies ist ein unerhörter Mißbrauch der Militärgewalt zur Herab— würdigung und Beschimpfung eines Volksstammes. Daß die Nach— icht von diesen Vorgängen eine große Aufregung im Lande und in Zabern hervorgerufen hat, ist begreiflich, und es wäre Pflicht der Militärbehörde gewesen, die Bevölkerung zu beruhigen. Aber hier zeigte sich wieder einmal die ganze Weltfremdheit dieser Herren. War doch selbst dem Kriegsminister der Sinn dieses Wortes unbekannt. Dies beweist, daß die Herren Elsaß⸗Lothringen verlassen, ohne etwas gelernt zu haben. Bie Erklärung des Generalkommandos, daß Leutnant von Forstner den Sinn des Wortes Wackes“ nicht gekannt habe, kam viel zu spät und konnte nicht zur Beruhigung der Gemüter beitragen. In Jabern lebt eine ganze Anzahl Militärs a. D. und pensionierte Beamte, die alle im besten Einverständnis mit der heimischen Be— völkerung leben. Das würde nicht der Fall sein, wenn Zahern eine militärfeindliche Stadt wäre. Von den I5 Offizieren im Regiment haben überhaupt außer dem Oberst nur 4 der allerjüngsten Offiziere die Geschichte durchgeführt und zu Ende geführt. Ein Mitarbeiter des Achtuhrabendblaktes hatte eine Unterredung mit dem Vorgänger des Obersten von Reutter. Dieser teilte ihm mit, daß er stets mit der Zivilbevölkerung im besten Einvernehmen gestanden habe. Der Ausdruck „Wackes“ bedeute zweifellos eine Beleidigung; die Be⸗ völkerung sei eine sehr friedliche, und der Konflikt könne ver— schwinden, wenn der Stein des Anstoßes beseitigt werde. Was nun die Vorgänge selbst betrifft, so ist darauf hinzuweisen, daß die jungen Leutnants schon am ersten Tage nach dem ersten Vorgange pro⸗ vozierende Spaziergänge durch die aufgeregte Bevölkerung gemacht haben. Das hat sich späte? wiederholt. Am nächsten Sonntag wurden durch Regimentsbefehl alle Mannschaften und Offiziere in der Kaserne zurückgehalten, allein die vier Leutnants blieben auf der

Straße, für sie galt der Regimentsbefehl nicht. Daß an diesem Sonntag, wo der Oberst schon den Belagerungszustand erklären wollte und die Maschinengewehre bereit hielt, diese Herren mit ge⸗ lockertem Säbel durch die Straßen gingen, konnte man vielleicht nur so deuten, daß sie einen erwünschten Anlaß suchen sollten. Dann reiste der Oberst ab und alles atmete auf. Aber nach zwei Tagen kam er wieder, und es heißt, der General von Deimling sei mit ihm in Berlin gewesen. Das hat auf die Bevölkerung keinen beruhigenden Eindruck gemacht. Die Bevölkerung in Elsaß⸗Lothringen fühlt in ihrer Mehrheit deutsch und lehnt eine gewaltsame Aenderung des jetzigen Zustandes bewußt ab, sie wünscht keine Gegensätze zwischen Deutschland und Frankreich und begrüßt jede Annäherung zwischen ihnen. Der Leutnant hat weiter promeniert; die ganze Weis⸗ heit der Militärbebörde bestand darin, daß sie nach dem Staats⸗ anwalt rief. Der Leutnant, der durch Bekanntwerden eines Miß⸗ eschickß im Manöver der Lächerlichkeit verfallen war, mußte urchaus dort bleiben, wahrscheinlich zur Wahrung eines unheüg— samen Uebermilitarismus. Was in solchen Momenten an Gefühls— werten in der Bevölkerung verloren geht, ist einfach unersetzlich. Es wurden Leute verhaftet, bloß weil sie gelacht haben. Den Höhe⸗ Funkt erreichten die Verhaftungen am Freitag, den 258. Novemher. Ich habe mit Verhafteten selbst gesprochen, ihre Mitteilungen sind einfach haarsträubend, welch unmenschliche Behandlung sie auf der Wache erduldeten. Ein Schneidermeister, der der Feuerwehr ange⸗ hört, hörte das Trompetensignal auf dem Schloßplatz und glaubte, daß es brenne; als er auf die Straße trat, sollte er verhaftet werden; er ging in das ,. zurück, vier Musketiere mit aufgepflanztem Seitengewehr verfolgten ihn bis zum dritten Stock in seine Woh— ,. dort hielten sie seiner 78jährigen Mutter die vier Bajonette auf die Brust. Der Mann wurde nach der Kaserne geschleppt und in den bekannten Keller 6 Die Frau eines anderen verhafteten Mannes suchte am anderen Morgen mit ihren fünf kleinen Kindern jach ihrem Mann, der Ginspruch der Zivilbehörben nutzte nichts, die Leute wurden bis zum Möllag festaehalken. Auch ein? Student der Philosophie, der auf dem Wege zum Bahnhof war, wurde zur Kaserne Peschleppt; ein kleiner Junge von 9 Jahren, der nur ein Heft holen

wollte, wurde ergriffen, man ließ ihn wieder laufen, das sei noch zur Ehre diefer Jäger“ gesagt. Der Redakteur des „Zaberner Wochen— blattes“, des einzigen konserwativen Blattes im Kreise Zabern, wurde auch verhaftet. Er schreibt, nur durch den Einspruch des Gendarmerie⸗ wachtmeisterg sei er wieder freigelasfen, es sei für ihn ein Glück ge— wesen, daß der Leutnant mit seinem Säbel anderswo beschäftigt war, senst wäre er wahrscheinlich auch in den Keller gesperrt worden. Auch ein Staatsanwalt und der Amtsgerichtsrat Dr. Kalisch wurden vom Leutnant verhaftet, zwei andere anwesende Landgerichtsräte erklärten ich selber für derhastet wenn der Amtsgerichtsrat verhaftet würde.

uf Einspruch des Landgerichtspräsidenten hat man sie wieder frei⸗ gelassen, aber alle anderen Leute wurden festgehalten. Man hat sie alle in einen Keller gesperrt und in dem engen Raume zusammen—⸗ gepfercht, bis das Loch voll war; sie konnten sich nicht setzen und legen. Um 109 Uhr Nachts hat man ihnen endlich eine Decke gebracht. Der Vertreter der Zivilbehörden hat vergeblich beim Oberst protestiert. Die Amtsgerichtsräte erklärten sich zur sofortigen Vernehmung der Verhafteten bereit, auch sie sind abgewiesen worden. Der Oberst er⸗ klärte, er habe nach niemand zu fragen, er handle auf höheren Befehl Am Sonnabendmittag hat man die Verhafteten einzeln unter Be⸗ deckung zum Zivilrichter geschafft. Die Zivilbehörde ließ den Oberst wissen, daß sie allein die Verantwortung für die Aufrechterhaltung der Ruhe übernehme. Trotzdem streiften abermals Patrouillen durch die Straßen. Der Zaberner Gemeinderat hat in . Protest das Vorgehen der Militärbehörde als ein offensichtlich provokatorisches gekennzeichnet. Die Verhafteten werden alle gegen die Militärbehörde die Zibilklage auf Entschädigung anstrengen, und die Rechtsanwalte haben sich bereit erklärt, kostenlos diese Klagen durchzuführen. Diese Pandurenkämpfe verstoßen gegen den klaren Wortlaut der Dienstvor⸗ schriften. Dies alles nur, weil über die Leutnants gelacht worden ist. Wenn der Leutnant von Forstner sich von Musketieren mit Bajo⸗ netten begleiten läßt, wenn er Schokolade kauft oder in den Zigarren⸗ laden geht, dann muß doch jeder Mensch lachen. Es sind aber wahr— scheinlich gar nicht einmal die Verhafteten gewesen, sondern Kinder, die gelacht haben. Es ist eine Lächerlichkeit, daß man kleinen Kindern nachläuft, das liegt doch klar auf der Hand. Gestern wurde uns noch der traurige Fall von Dettweiler gemeldet, der blutig verlaufen ist. Es ist kein Wunder, daß bei solchen Vorkommnissen aus dem ganzen Lande Protestkundgebungen einlaufen. Eine Resolution der Bürger⸗ meister der elsaß⸗lJothringischen Mittelstädte beweist dies. Der Redner verliest die Resolution im Wortlaut.) Einen ebenso entschiedenen Protest hat die elsaß⸗lothringische Vereinigung beschlossen, eine Ver⸗ einigung von altdeutschen Männern, die sich zur Aufgabe gesetzt hat, gute Beziehungen zu pflegen zwischen Altdeutschen und Einheimischen. Sie sehen hier, wie große und wie berechtigte Aufregung das Vor⸗ gehen der Militärbehörde im ganzen Lande hervorgerufen hat. Es ist zu raten, daß mit diesem Zustande schleunigst gebrochen wird. Es müssen Maßnahmen getroffen werden, die es verhindern, daß sich solche Vorkommnisse wiederholen. Eine Aenderung muß hier eintreten, aber nicht nach dem Rezept der altdeutschen Chauvinisten, wie es sich in der „Kreuz⸗Zeitung“', der „Deutschen Tages⸗Zeitung“ und der „Post“ vorfindet, wo Maßnahmen einer absolutistischen Gewalts⸗ politik vorgeschlagen werden. Es wohnt in Elsaß⸗Lothringen eine freiheitlich gesinnte Bevölkerung, die eine freiheitliche Vergangenheit hinter sich hat. Da darf man nicht die Politik der starken Hand treiben, sondern eine Politik des Rechts und der Gerechtigkeit. Davor allein hat die Bevölkerung Achtung. Ich bitte Sie, lassen Sie dieser An⸗ gelegenheit eine gerechte Beurteilung zuteil werden, denn Gerechtigkeit erhöht ein Volk.

Abg. Peirotes (Soz): Wenn wir die Dinge hier zur Sprache bringen, so hoffen wir, daß dies denselben Erfolg haben wird wie im vorigen Jahre, wo wir reaktionäre Anwandlungen der Regierung zu⸗ schanden machten. Wir hoffen, der Willkür und der Militärdiktatur des säbelrasselnden Militarismus ein Ende zu machen, damit die Reichslande zu gerechten und geregelten Zuständen kommen. Wenn die Sozialdemokratie wirklich nur vom 3 lebte, dann würde sie jetzt sicher auf ihre Rechnung kommen. Es handelt sich hier um

kein nationalistisches Komplott. Die Elsaß⸗Lothringer sind aller⸗

dings keine Freunde des deutschen Militarismus, der solche Blüten wie den Hauptmann von Köpenick und den Postbeamten von Straß⸗ burg treibt. Im deutschen Heere findet der Soldat im Gegensatz zur alten napoleonischen Armee, wo jeder einen Marschallstab im Tor⸗ nister finden konnte, höchstens einen Sandsack. Die Bevölkerung ven Zabern ist die harmloseste, die es gibt, sie galt schon unter französi⸗ scher Herrschaft als die deutschfreundlichste. Sie bäumt sich natürlich dagegen auf, wenn sich der Militarismus hier auf der Höhe seines Kulturniveaus zeigt. So machte es doch sicher keinen guten Eindruck, daß ein Sergeant, vor die Wahl gestellt, verprügelt zu werden oder sich als Eckstein benutzen zu lassen, das letztere wählte. Wenn Leutnant von Forstner, von 4 Soldaten mit aufgepflanztem Bajonett begleitet, zum Schokoladeneinkauf geht, dann ist es ein Bild zum Lachen und des „Simplizissimus“ würdig. Die ihn ausgelacht haben, waren jünger als der Königsleutnant Forstner. Wenn sie ihm das Wort „Bettbeschmutzer“ nachriefen, dann kann sich ein Mann, dem man so etwas nachsagt, nicht wundern, wenn er den Spott der Straßenjungen erregt, nachdem er zu den Rekruten gesagt hat: Auf die französische Fahne könnt ihr .... Es ist doch eine eigentümliche Kriegsbetätigung, wenn 50 Mann auf⸗ geboten werden mit einem Leutnant, während der Oberst natürlich hinter der Front steht. Es herrscht bei uns tatsächlich die Säbel⸗ diktatur. Der frühere Reichskanzler Fürst Hohenlohe schrieb in seinen Denkwürdigkeiten, man wolle die elsaß⸗lothringische Bevölke⸗ rung zur Verzweiflung treiben, einen Aufstand provozieren, um diesen dann blutig niederzuschlagen; das war kein Sozialdemokrat. Das Militär hat in diesem Falle direkten Hochverrat begangen wenn es nicht an nervösem Verfolgungswahnsinn leidet. Wenn das Militär keine besseren Wege kennt, dann bedauere ich den Kriegsminister. Der Reichskanzler sprach neulich hier von der Autorität der Gesetze und der öffentlichen Gewalten; vom Rechte, das mit uns geboren ist, war bei ihm leider nicht die Rede. Das Militär durfte erst ein⸗ schreiten, wenn der Belagerungszustand verhängt war oder die Zivil⸗ verwaltung es verlangte. Beides ist nicht geschehen; es herrschte viel⸗ mehr Anarchie. Der Kriegsminister ist mit seiner Entschuldigungs⸗ rede vom Mittwoch mit schuld an den Vorgängen am Freitag, er hat dem Leutnant den Rücken gesteift. War der Kriegsminister über⸗ haupt informiert? Ihm ist der verächtliche Sinn des Ausdrucks „Wackes“ ganz fremd; damit waren die Elsässer im allgemeinen ge— meint. Seine Erklärung steht aber im Widerspruch mit der Erklärung des Infanterieregiments, daß unter diesem Ausdruck Radaubrüder usw. gemeint sind. Der Kriegsminister hat vier Jahre im Elsaß gelebt und kennt den Sinn des Ausdrucks nicht, und ihn macht man ausgerechnet zum Kriegs— minister, der in vier Jahren so wenig gelernt hat? Der Kriegsminister meint, der Leutnant konnte nicht ahnen, daß das Wort in die Oeffentlichkeit kommen würde. Der ahnungslose Engel! Man darf also eine Bevölkerung von 1,8 Millionen heruntersetzen und beschimpfen, wenn es nur nicht in die Oeffentlichkeit kommt. Dann darf man auch einen Elsässer totschlagen. Das Wort von dem Niederschlagen der „Wackes“ erinnert an das Wort: Wir Streik— brecher können uns alles erlauben, wir können auch einen totschlagen. Das Wort erinnert auch an das historische Wort von 1525, als die Junker gegen die Bauern kämpften und auch in Zabern der Schlacht⸗ ruf fiel: Schlagt drauf, der Herzog erlaubt es! Das war damals auch einer der Ihrigen (zur Rechten), den Sie schützen würden. Wenn der Leutnant mit seiner Jugend entschuldigt wird, muß dann gerade ein Mann, der sich so wenig beherrschen kann, ins Elsaß kommen und dort mit aller Gewalt festgehalten werden, ein Mann, der beim Essen den Revolver neben sich legt und die Speisekarte mit dem Degen aufspießt, weil er das französische Wort Goulasch darauf findet. Wenn der Kriegsminister so milde gegen den Leutnant ist wegen seiner Jugend, so muß er dieselbe Milde den jungen Rekruten erweisen. Für den Kriegsminister ist es das J daß die Dinge durch die Nekruten in die Oeffentlichkeit gekommen sind, für ihn gilt auch das 11. Gebot: laßt Euch nicht erwischen. Den FRiäekruten droht schwere Freiheitsstrafe. Nach dem Militärstrafgesetzbuch wird

auch ein Vorgesetzler, der Unlergebene Feleidigk, mit Freihellsstrafg bis zu 2 Jahren bestraft. Aber davon hören wir hier nichts. Bei den Militärbehörden gibt es eben zweierlei Recht. Der Kriegsminister sagt, über die Bestrafung habe er nicht zu befinden, und der Reichstag brauche sich darum nicht zu kümmern. Der Kriegsminister ist aber für alle Dinge, die in der Armee passieren, verantwortlich, und wenn ein Leutnant so milde bestraft wird, haben wir das Recht, den Kriegs— minister zur Verantwortung zu ziehen. Die Rekruten sollen den 6 gebrochen haben, weil sie über die Vorgänge in der In— truktionsstunde berichtet hätten. Sind denn schnoddrige Redens⸗ arten eines unreifen Burschen und die Beschimpfungen von 13 Mil⸗ lionen Menschen durch das Dienstgeheimnis . Man soll den Fahneneid nicht so herabwürdigen. (Präsident Dr. Kaemp'f: Ich nehme an, daß Sie nicht den Kriegsminister damit beleidigen wollen). Ich habe den Kriegsminister nicht beleidigt, ich meine den Obersten don Reutter. Die elsässischen Soldaten müssen jetzt büßen für die Forstnerschen Stilübungen. Man hat gesagt, man solle elfässische Rekruten überhaupt nicht in die reichsländischen Garnisonen bringen. Mean will sie wohl bis an die russische Grenze verschicken? Wir von unserem Standpunkt aus können das eigentlich nur gutheißen; denn wenn Sie Ihre Kultur (nach rechts gewendet) kennen lernen (Der PBräsident Dr. Kaempf bittet den Redner, nicht solche Wen⸗ dungen zu gebrauchen Die Beschimpfung der elsässischen Bevölkerung auf den Kasernenhöfen ist schon seit Jahrzehnten üblich. Wenn es nur der eine Leutnant wäre, der dieses Wort ausgesprochen hätte, so hätten wir uns wahrhaftig nicht aufgeregt; dann hätten wir gesagt, so ein Leutnant kann uns ja gar nicht beleidigen, wir hätten ihm vielleicht ein großes Tuch gekauft, um ihn einmal ordentlich trocken zu legen. Hätte man ihn rechtzeitig versetzt, dann hätten sich die Dinge nicht so zugespitzt. Aber der Oberst, der durch andere Dinge schon unmöglich geworden war, der seinen Abschied bereits hatte, der mußte zurückkehren und im Triumph ankommen. Der Generalleutnant Deimling, der hat das Wort gesprochen: Nun erst recht. Er ist mitschuldig an diesen Dingen nebst dem Kriegsminister. Deimling, den Sieger vom Hereroland, den hat man ausgerechnet zu uns ge— schickt. (Ruf von rechts: Gehen Sie doch dort hinh Da mögen Sie, ja hingehen. (Der Präsident bittet den Redner, in gemäßigter Weise fortzufahren Ausgerechnet diesen Typus einer übermütigen Soldateska, der schon vorher im Reichs⸗ tag durch sein Auftreten einen Entrüstungssturm entfacht hat, setzt man uns auf die Nase. (Präsident Dr. Kaempf: Sie machen es mir durch solche Ausdrücke unmöglich, die Geschäfte weiter zu führen.) Ich gebe mir ja alle mögliche Mühe, mich zu mäßigen. Dort im Elsaß redet nun dieser Deimling frisch und fröhlich und forsch darauf los. Er ist ein umgekehrter Moltke. Er redet überall, und der Schlußrefrain heißt immer: Haut die Franzosen! So etwas trägt nicht dazu bei, die Achtung vor der Autorität zu mehren. Sie dürfen nicht vergessen, daß Elsaß-Lothringen früher zu Frankreich gehört hat, und daß ein großer Teil der Bevölkerung wirtschaftlich noch mit Frankreich zusammenhängt; Hunderte wandern jährlich aus nach Frankreich, weil sie im Elsaß ihr Brot nicht finden können. Das sind unsere Brüder und Väter! Früher sprach man bei uns im Lande von einer militärischen Nebenregierung; heute kann man davon nicht mehr reden, heute ist das Militär die Regierung; heute ist Elsaß— Lothringen das Glacis, von dem Bismarck seinerzeit gesprochen hat. Fine Reihe bon Vorkommnissen der letzten Jahre beweisen, daß bei uns das Militär alles, das Zivil nichts bedeutet. Ich erwähne nur— ein Bezirkspräsident, ein Polizeipräsident sind abgesetzt worden, weil sie mit den Militärbehörden in Konflikt geraten waren, und die Zivilbehörden haben sich das ruhig gefallen lassen. Diese militärischen Uebergriffe haben das Volk unter die militärische Knute bringen sollen, und für ein solches System ist allerdings der General— leutnant von Deimling der richtige Mann; er ist mit schuld, daß in den Reichslanden ein unerhörter Rechtsbruch begangen worden ist. In Elsaß werden Gesetz und Recht von dem Militär mit Füßen getreten; in Zabern herrscht nicht die „Autoritäz der Gesetze“, sondern die Diktatur des Säbels. Die „Nebenregierung“ ist nach einem Telegramm des Generalleutnants Deimling selbst mit ihm ganz einderstanden; ist das richtig, dann frage ich den Kanzler, ob er, wenn er zugreifen will, überhaupt zugreifen kann? Der Kanzler soll vor den Kaiser hintreten und ihm sagen, daß er die Verantwortung für solche Dinge, die ans sechzehnte Jahrhundert erinnern, nicht mehr tragen kann; mit solcher Handlungsweise würde er sich den Dank des deutschen Volkes verdienen. Der Eindeutschung werden durch diese Dinge die größten Hindernisse in den Weg gelegt. Die Zaberner Vorfälle haben uns auch die Ohnmacht unseres elsässischen Verfassungs⸗ lebens gezeigt, die Ohnmacht unserer Regierung. Wollen Sie den Weltfrieden einigermaßen garantieren, dann müssen Sie die Säbel diktatur beseitigen. Die Regierung läßt ungesühnt die Beleidigung einer französischen Staatseinrichtung passieren. Frankreich hat in diesem Falle nicht mit dem Säbel gerasselt. Ich hätte sehen mögen, welches Geschrei erhoben worden wäre, wenn dasselbe in Deutschland sich ereignet hätte. Man hat in Frankreich die Elsässer Hungerleider gengnnt, es ist Bestrafung eingetreten. Wir unserseits verlangen die Bestrafung der Hochverräter bei uns; das sind Hochverräͤter. Das Regiment müßte versetzt werden. Ich. komme zum Schluß. (Beifall rechts, Ihnen mag das angenehm sein; die Elsässer wissen, daß ich aus ihrem Herzen spreche. Der Kaiser sagte einmal: Civis german sum. Die Elsässer haben keine Veranlassung, diesen Ausdruck auf sich anzuwenden. Die gleichen Vorgänge können auch in Burte—= hude passieren. Soll der deutsche Staatsbürger nicht denfelben Schutz genießen wie die Deutschen im Auslande? Der Reichskanzler hat da— für zu sorgen, daß die Hochberräter in die gehörige Strafe genommen werden. Geschieht das nicht, so hat der Deutsche im Auslande keinen Anlaß, sich mit Stolz einen Civis germanus zu nennen, er steht dann un Auslande hinter Venezuela und Mexiko zurück. (Präfident Dr. Kaempf: Die letzten Außerungen sind beleidigend fur den Reichs- kanzler und das deutsche, Volk. Ich rufe Sie deshalb zur Ordnung.) Ich habe nicht die Absicht gehabt, das deutsche Volk zu beleidigen, sondern es davor zu schützen.

Abg. Haus (Els): Wir mußten uns zu der Interpellation entschließen, weil wir guf unsere kurze Anfrage keine beruhigende Antwort bekommen haben. Kaum waren die Worte des Kriegs⸗ ministers in das Land hinausgeflogen, da schwoll dem Leutnant von Forstner von neuem die Brust, und man gehärdete sich wie eine wild gewordene Herde in dem herrlichen Vogesenstädtchen. Der Regiments⸗ oberst war der Anführer dieser Herde, da er wußte, daß ihm seine Vorgesetzten den Rücken decken. Die einzige Entschuldigung, die der Kriegsminister fanb, bestand in der Hervorhebung des . Alters von 29) Jahren. Es ist erstaunlich, mit welcher Virkuosität man den psychologischen Augenblick verpaßt hat, um dat Richtige zu tun. Hätte man die Erklärung abgegeben, man würde den Fall unter— suchen und, wenn nötig, Strafe eintreten lassen, dann wäre Ruhe ein- getreten. Als eine solche Erklärung endlich kam, da war sie weiter nichts als eine kameradschaftliche Inschußnghme des Leutnants. Von dem Obersten Reutter hatte man nicht mehr erwartet, auch nicht ge— glaubt, daß der kommandierende General von Deimling energisch zugreifen würde. Ich will daran erinnern, daß es Zabern war, das während langer Ichre den Reichsparteiler Dr. Höffelf in den Reichs. tag sandte. Die Bevölkerung und Garnison der Stadt haben im besten Cinvernehmen gestanden, sodaß sie für viele ehemalige Offiziere zur zweiten Heimat geworden ist. Das bedauerliche Wort des unglück⸗ seligen Leutnants hat nicht allein die Aufregung herbor erufen, sie hat nur das Faß zum Ueberlaufen gebracht. Es war von ihm von Hause aus bekannt, daß er darauf ausging, die Bevölkerung zu beleidigen.

zum Deutschen Reichsanzeiger und Köni

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(Fortsetzung aus der Ersten Beilage.)

Auch sein Sergeant ging darauf aus, die Elsaß⸗Lothringer zu be⸗ leidigen. Dieser schreckte auch nicht vor Gewalt zurück. Selbstzucht und Sitte sind dem Leutnant eben fremd. Ein Leutnant, wie der von Forstner, der selbst noch der Erziehung bedarf, ist nicht geeignet, als Erzieher der Rekruten zu dienen. In meiner Dienstzeit, wenigstens in meinem Regiment, sind derartige Schimpfworte, wie sie der Leut⸗ nant Forstner gebraucht hat, nicht vorgekommen. Das scheint sich leider mittlerweile geändert zu haben, nicht nur in Zabern, sondern auch anderswo. Um der Gerechtigkeit willen muß allerdings hier betont werden, daß der Leutnant Forstner nicht in der Lage war, in den Regionen seiner Vorgesetzten Bilder zu finden, die ihn davon hätten abhalten können, den Fehler zu begehen, den wir hier so scharf ver⸗ urteilen. Sein Oberst hat ja in den jüngsten Tagen gezeigt, daß er wenig geeignet ist, die Bevölkerung zur Ruhe zu erziehen. Als ein kleiner Straßentumult ausbrach, erklärte er mit höhnenden Worten, er lasse jeden zur Strecke bringen, der gegen das Militär verstoße. Der Oberst hatte auch damals gesetzwidrig gehandelt, als er einen Leutnant mit vier Gendarmen beorderte, in die Redaktion des „Zaberner An⸗ zeigers“ einzudringen, um dort nach einem Manuskript zu suchen, und er hat Hausfriedensbruch verübt, wie die Vorgänge am letzten Freitag beweisen. Das Schlimmste aber ist, daß er sagen kann, er könne sich auf höheren Befehl berufen. Erfreulicherweise sehen nunmehr auch die Altdeutschen ein, daß solche Zustände in Elsaß⸗Lothringen nicht weiter mehr herrschen können. Der nationalliberale „Hannoversche Courier“ verurteilt diese Vorgänge auf das entschiedenste. Diese Aus⸗ lassung des nationalliberalen Blattes ist ein Programm, das ich nur mit beiden Händen unterschreiben kann. Man muß sich überhaupt wundern, daß der General von Deimling, der seiner Aufgabe gar nicht gewachsen ist, sich noch heute auf seinem Platze befindet. Herr von Deimling hat es nicht fehlen lassen, die Gegensätze in Zabern zu ver— schärfen, und in bezug auf seine Person darf man zur Entschuldigung des Leutnants Forstner sagen: „Wie die Alten sungen, so zwitschern die Jungen.“ Ich erinnere Sie an die Vorgänge von 1906, als wir zuerst mit dem damaligen Obersten von Deimling bekannt wurden. Der Abgeordnete Müller⸗Sagan mußte ihm damals erwidern, daß er ein derartiges Auftreten eines Regierungskommissars auf das entschiedenste mißbillige. Mittlerweile sind sieben Jahre ins Land gegangen, aber Deimling hat nichts hinzugelernt und nichts vergessen. Man wende nicht ein, das Militär habe eingreifen müssen, weil die Zivilgewalt völlig versagt habe. Daß das nicht der Fall war, ist durch die Vor⸗ redner nachgewiesen. Gewiß war die Zivilgewalt ohnmächtig, aber nicht gegen das Publikum, sondern gegen die Militärgewalt. Wer nicht lacht, wenn der Leutnant von Forstner zum Schokoladeneinkauf ode! um sich zum Schoppen zu begeben, von vier Soldaten mit auf⸗ gepflanztem Seitengewehr begleitet wird, der hat keinen Sinn für Humor. Ich bedauere bloß die armen Soldaten, die ihn haben be⸗ geeiten müssen; für ihn gehörten dazu nicht Soldaten, sondern eine Amme, die ihn schützte. Was die Rekruten getan haben, mag vom militärischen Standpunkte aus zu mißbilligen sein; sie haben auch schon ihre Strafe erhalten, sie mußten ins Exil wandern, frei aber haft. ein Mann immer noch umher, der Leutnant von Forstner, der e . der Ehre der Zaberner Bevölkerung. In Oldenburg ge— . etwas Aehnliches, da nahm sich ein Leutnant heraus, die . ldenburger Rekruten mit „Oldenburger Schsen“ anzureden; 24 Stun— 33. ö war der Leutnant über der Grenze. Warum hat man h . nie t ahnlich gehandelt? Ein falscher militärischer Ehrbegriff hat das nicht zugelassen. man ließ es lieber zum Schlimmsten kommen.

. gesinnten Elsaß⸗-Lothringer stehen heute auf dem Trümmer⸗ Mlder ihrer Arbeiten für den inneren Anschluß ihres Landes an das Deutsche Reich; durch plumpe Soldatenftiefek ist das, was sie ge⸗

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schaffen hatten, zertreten worden. Die Folgen hierbon' sind nicht zu übersehen. Nicht nur die ältere, sondern auch die junge Generation ist erbittert über die Schande, die ihr angetan ist. Manche sind ausgewandert und werden nicht wiederkehren. Es handelt sich keines⸗ wegs um eine künstliche Erregung, die durch französische Organe hin— eingetragen ist, nein, es ist eine Erregung, die aus dem innersten Herzen der Elsässer kam. In der Verurteilung des Verhaltens der Regierung sind Einheimische und Zugewanderte einig. Möge heute der Reichskanlzer das entscheidende Wort sprechen, damit die elfaß— lothringische Bevölkerung die Ueberzeugung gewinne: es gibt noch Gerechtigkeit!

Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg:

Meine Herren! Nach dem Ergebnis der Erhebungen stellen sich die Vorgänge in Zabern wie folgt dar, wobei ich vorweg bemerken will, daß im unmittelbaren Anschluß an meine Ausführungen der Herr Kriegsminister ergänzend das Wort ergreifen will.

Der Leutnant von Forstner hat in einer Instruktionsstunde einem Rekruten Anweisung gegeben, wie er sich verhalten solle, wenn er an⸗ gegriffen würde. Im Hinblick auf manche ernsten und traurigen Ereignisse in den letzten Jahren hatte der Leutnant wohl Veran⸗ lassung, dies zum Gegenstand der Instruktion zu machen. (Sehr richtig! rechts) Er hat bei dieser Gelegenheit für den Eintritt einer bestimmten Eventualität eine Geldprämie ausgesetzt, die der gleich—⸗ falls anwesende Unteroffizier erhöht hat. (Heiterkeit bei den Soz.) Diese Aussetzung einer Geldprämie war selbstverständlich eine Un— gehörigkeit. (Zuruf bei den Soz.) Der Leutnant hat bei der Ge— legenheit denjenigen, der sich an dem Rekruten vergriffen haben sollte, einen „Wackes“ genannt. Weiterhin hat derselbe Leutnant in der Instruktionsstunde seine Rekruten vor dem Eintritt in die Fremden legion gewarnt. Das war sein gutes Recht. (Sehr richtig! rechts.) Er hat aber dabei mit Bezug auf den Dienst in der Fremdenlegion einen durchaus ungehörigen Ausdruck gebraucht. Die Pressemeldung

und diese Pressemeldung ist von einem der Herren Vorredner heute im Reichstag vertreten worden daß der Leutnant die fran⸗ zösische Fahne beschimpft haben sollte, ist nach dem Ergebnis der Untersuchung unrichtig. (Hört, hört! rechts. Zuruf links: Welcher Untersuchung?! Da diesem Ergebnis von gewisser Seite wider— sprochen worden ist, es aber unbedingt notwendig ist, daß in dieser Beziehung Klarheit geschaffen wird, ist die Untersuchung wieder auf— genommen worden, aber noch nicht abgeschlossen. Beleidigungen einer Armee, mit der wir vor mehr als 40 Jahren in ehrenvoller Weise die Waffen gekreuzt haben, würden selbstverständlich in der deutschen Armee nicht geduldet werden. (Bravo! rechts und im Zentrum,) End lich hat derselbe Leutnant in der Instruktionsstunde dreimal Elsãässer als „Wackes“ tituliert. Ein Rekrut hat sich auf Befehl des Unter— offiziers bei dem Offizier mit dem Ausdruck: Ich bin ein Wackes!“ melden müssen. (Hört, hört! bei den Soz) Für die vorgekommenen Ungehörigkeiten ist der Offizier rektifiziert und bestraft worden Lachen bei den Soz,), ebenso der Unteroffizier. Guruf bei den Soz.: Aber wie Auch das ist eine Selbstverständlichkeit. Die Vorgänge

Zweite Beilage glich Preußischen Staatsanzeiger.

Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember

Oeffentlichkeit getragen worden, und zwar die Vorgänge rücksichtlich der Fremdenlegion durch ein mit Namen unterzeichnetes Schriftstück an die Presse. (Hört, hört! rechts) Wegen dieses mit der militäri⸗ schen Disziplin absolut unvereinbaren Vergehens gehen die Schuldigen ihrer Bestrafung entgegen.

Meine Herren, ich habe diese ersten Vorgänge noch einmal kurz skisziert, weil sie schließlich die Quelle all der Dinge gewesen sind, welche sich hinterher ereignet haben. Ich will ebensowenig, wie es der Hecr sriegsminister neulich getan hat, etwas beschönigen oder verheimlichen. Aber was lag bei diesen ersten Vorgängen vor? Ungehörigkeiten eines jungen Offiziers, begangen in den Wänden der Kaserne. Un⸗ erfreulich, aber doch nicht weltbewegend. (Sehr richtig! rechts, Lachen bei den Soz) Mit der verhältnismäßig geringen Bedeutung dieses Anfangs der Dinge steht die spätere Entwicklung in keinerlei Ver— hältnis. (Sehr richtig! rechts, Zurufe bei den Els.-Lothr) Bezeich⸗ nend, meine Herren, ist es, daß der „Matin“ unter den ersten gewesen ist, der die Sache in seinem Sinne verwertet hat. (Sehr richtig! rechts.)

Durch Artikel in der Lokalpresse ist dann die Erregung in Zabern und über Zabern hinaus weiter geschürt worden. Die elsässische Bevölkerung hat sich durch den Gebrauch des Wortes „Wackes“ beleidigt gefühlt. Man hat dabei von einem gewollten öffentlichen Affront der Bevölkerung gesprochen. Davon kann ja selbstverständlich nach all den Umständen, die ich angegeben habe, unter denen das Wort gebraucht worden ist, keine Rede sein. Aber, meine Herren, schließlich: das Wort ist bekannt geworden, die Presse hat lange Erörterungen über die Bedeutung des Wortes angestellt. Ich bin bemüht gewesen, mich bei Elsässern selbst über die Sache zu informieren. Danach scheint mir die Sache doch folgendermaßen zu liegen: Das Wort „Wackes“ wird bald gebraucht für die Bezeichnung eines Herumtreibers, eines nichtsnutzigen Menschen, bald gilt es als ein Spitzname für den Elsässer. (ebhafter Widerspruch bei den Soz. und bei den Elsässern. Ich will Ihnen meinen Zeugen an⸗ geben, es ist der Herr Abgeordnete van Calker. (Zurufe: Das yt doch kein Elsässer. Große Heiterkeit Meine Herren, bezähmen Sie vielleicht Ihre Heiterkeit etwas, dann kommen wir schneller vorwärts. Mir ist das also mitgeteilt worden, ich ziehe aber daraus weiter keine Folgerungen. Wenn Sie mich ausreden lassen wollen, dann werden wir in dieser Beziehung vollkommen einig sein. Mir ist also mitgeteilt worden, es würde auch als Spitzwort ge⸗ braucht, und zwar könnte der Elsässer selbst in gutmütigem Sinne das Spitzwort Mi unbeschadet seinen Landsleuten gegenüber ge— brauchen, aber verletzt fühle er sich, sobald das Wort in dem Munde eines Nichtelsässers ertönt. Ich glaube, daß das richtig ist. Der Nicht⸗ elsässer darf es nicht brauchen gegenüber dem Elsässer. Dann fühlt sich der Elsässer beleidigt, er glaubt, daß er verletzt werden solle. (Widerspruch und lebhafte Zurufe. Glocke des Präsidenten) Ja, meine Herren, ich bitte, mich doch ausreden zu lassen. Ich halte es auch für vollkommen müßig, darüber zu streiten, ob der Elsässer eine Berechtigung zu dem Argwohn hat, daß er mit dem Wort Wackes beleidigt werden soll. Tatsächlich fühlt er sich beleidigt.

; Wie heute auch schon in der Debatte angezogen worden ist, ist früher an einzelnen Stellen, auch militärischen Stellen, der Gebrauch des Wortes „Wackes“ ausdrücklich untersagt worden, und ich kann in Uebereinstimmung mit dem Herrn Kriegsminister die Erwartung aussprechen, daß nach den jetzigen Vorkommnissen und Erfahrungen in Zukunft bei den Truppenteilen das Wort zur Bezeichnung des Elsässers nicht mehr gebraucht werden wird.

Die Herren Elsässer waren ja, als ich über das Wort „Wackes“ sprach, schon sehr empfindlich. Aber ich glaube, ich trete den Herren doch wirklich nicht zu nahe, wenn ich meine, die Elsässer sollten doch auch nicht empfindlicher sein als andere Stämme unseres Volkes. (Sehr richtig! rechts) Der Elsässer nennt, wenn er von dem Deut— schen spricht, ihn mit Vorliebe einen Schwaben. Ich kann den elsässischen Dialekt leider nicht nachmachen, da klingt es noch etwas bezeichnender. (Abg. Ledebour: Schämen Sie sich nicht, in so ernster Sache solchen Kohl vorzubringen! Glocke des Präsidenten) Meine Herren, es ist mir zweifelhaft, ob der Elsässer allemal sehr freundlich gesinnt ist, wenn er von dem Deutschen als von einem „Schwab“ spricht. Aber die Altdeutschen regen sich darüber nicht auf, ebensowenig wie wir Preußen uns aufregen, wenn uns etwa in Bayern oder in Sachsen in besserer oder in schlechterer Laune mit der Bezeichnung „Preuße“ vorgehalten wird, daß wir eben Preußen und keine Bayern oder Sachsen sind. (Heiterkeit Das sind land— mannschaftliche Gegensätze, die uns Deutschen nun einmal im Blute liegen, meine Herren, und darum sollte man sie nicht zu ernst nehmen.

Aber, meine Herren sei dem, wie ihm wolle die Elsãässer haben sich tatsächlich durch den Gebrauch des Wortes beleidigt ge⸗ fühlt. Das aber bildet doch noch in keiner Weise irgendeine Recht⸗ fertigung dafür, daß in der Folge tatsächlich Offiziere und Mann— schaften öffentlich beleidigt und verhöhnt worden sind. (Hört, hört! rechts. Zurufe von den Soz. Das ist tatsächlich geschehen. Ich will dabei vorweg bemerken, daß die Behauptung, die von einem der Herren Vorredner heute hier noch vertreten worden ist, die Nach— richt von einem mißhandelten und besudelten Unteroffizier, eine Er— findung ist. (Hört, hört! rechts.) Sie ist nicht richtig.

Im übrigen haben sich nach der dienst lichen Meldun 9 des Generalkommandos, auf die ich mich biermit beziehe, die Angelegenheiten folgendermaßen abgespielt:

Am 9. November, als Leutnant von Forstner als Rondeoffizier durch die Stadt ging, fanden Ansammlungen statt, und Kinder warfen mit Steinen nach ihm. Am Nachmittag desselben Tages sammelte sich eine johlende Menge vor der Kaserne. Auf die beiden Be— gleitmannschaften, die den Leutnant von Forstner nach seiner Woh⸗ nung geleiteten (hört, hört! bei den Soz), wurden Steine aus der Menge geworfen. (Hört, hört! rechts.)

Am 10. November schreien und johlen etwa hundert Menschen,

in der Instruktionsstunde sind von beteiligten Militärpersonen in die

hauptsächlich junge Leute, hinter Offizieren auf der Hauptstraße her.

1913.

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Am 26. November werden mehrere Offiziere in der Nähe des Schloßplatzes von Arbeitern, Kanalschiffern und Jungen umringt und angeschrien. Zwei von den Schreiern werden vom Militär fest⸗ genommen und an die Polizei abgegeben.

Am 28. November sammelte sich während der Turnstunde der Offiziere in der städtischen Turnhalle eine Menschenmenge an der Kanalbrücke. Als die Offiziere herauskamen, wurde von der Menge gejohlt und gebrüllt. Ein Arbeiter von etwa 18 Jahren rief dem Leutnant von Forstner Schimpfworte nach. Er wurde festgenommen. Das war unzweifelhaft gesetzlich berechtigt. (Sehr richtig! rechts. Widerspruch bei den Soz) Darauf sammelten sich die Leute in der Hauptstraße bis zur Kanalbrücke, schrien und johlten. Um zwei Offiziere, die von der Kaserne nach Hause gingen und dabei die Hauptstraße passieren mußten, sammelten sich Menschen und schrien. Darauf befahl der Regimentskommandeur, um die Offiziere vor wei⸗ teren Beschimpfungen zu bewahren, dem Leutnant Schadt, mit einem Zuge auf den Schloßplatz zu rücken und diesen zu säubern. Auch wenn hierzu eine formelle gesetzliche Befugnis nicht vorlag (Hört, hört! links und bei den Soz.), so ist die Maßregel doch lediglich aus dem Bestreben entstanden, Schlimmerem vorzubeugen. (Große Heiterkeit und Unruhe) Meine Herren, ich weiß nicht, warum Sie darüber so heiter sind. (Stürmische Zurufe von den Soz) Wenn die Herren ihre Zwischenrufe in einer Form machen wollten, daß dabei eine geregelte Dis kussion noch möglich ist, so würde das ja die Sache sehr erleichtern.

Die Herren, die vor mir zum Worte gekommen sind, haben selbst, von der erbitterten und lebhaften Erregung gesprochen, die in den letzten Tagen des November in Zabern geherrscht hat (Zuruf links: mit Rechth, und wenn bei dieser erbitterten Stimmung der Oberst der Ansicht war: wenn ich in dem Moment, wo die Offiziere auf dem Schloßplatze von der Menge belästigt werden, durch Mann⸗ schaften sofort helfen lasse, so verhüte ich etwas Schlimmeres (Sehr richtig! rechts, verhüte ich eventuell tatsächliche Beleidigungen der Offiziere, die die Armee nicht dulden kann, so ist das vollkommen ver⸗ ständlich. (Sehr richtig! rechts. Zuruf links: Aber ungesetzlich! Das ist Sache der Polizei, nicht des Militärs) (Glocke des Präsi⸗ denten) Lassen Sie mich fortfahren. (Zuruf von den Soz.: Das ist der Schützer der deutschen Verfassung! Glocke des Präsidenten.) An die Räumung des Schloßplatzes haben sich dann weitere Patrouillengänge angeschlossen, bei denen das Militär gegen 30 Per⸗ sonen, darunter zweifellos unbeteiligte Passanten, verhaftet und bis zum nächsten Vormittag im Keller der Kaserne festgehalten hat. (Zu⸗ ruf von den Soz.: Auch gesetzlich) Ich werde mich durch Ihre Zwischenrufe nicht mehr stören lassen und werde nicht mehr ant⸗ worten. Vielleicht lassen Sie es dann.

Soweit die Sache bisher geprüft werden konnte, lag hierzu eine gesetzliche Befugnis nicht vor (Zuruf inks: Na alsoh, insoweit es sich nicht um Festnahmen auf frischer Tat gehandelt haben sollte, in welchem Falle allerdings die Festgenommenen sofort an die Po⸗ lizeiorgane hätten abgegeben werden müssen. (Na also! links) Meine Herren, das Militär ist in dieser Weise eingeschritten in der Ansicht, daß die zivilen Sicherheitsorgane versagt und bei den bisherigen Vor⸗ kommnissen ihnen keinen oder keinen genügenden Schutz gewährt hätten. (Zuruf links: Das ist eben der Skandal) Die Zivil⸗ behörden von Zabern bestreiten dies aufs allerentschiedenste. (Hört, hört! links) In dieser tatsächlichen nicht in der rechtlichen in dieser tatsächlichen Frage stehen sich also die Ansichten der Lokal⸗ behörden schroff einander gegenüber. Wer von beiden absolut recht hat, ist mir auf Grund der vorliegenden Untersuchungsberhandlungen zu entscheiden nicht möglich. Ob das in Zukunft möglich sein wird (Heiterkeit links), meine Herren, das möchte ich dahingestellt sein lassen. (Zuruf von den Soz.: Das ist Ihre Bankerotterklärung! Glocke des Präsidenten. Zuruf von den Soz.: Jawohl, das ist Ihre Bankerotterklärung9) Meine Herren, ich will auch den Herren die Gründe angeben, warum ich glaube, daß sich das sehr schwer ent⸗ scheiden läßt. Die Zivilbehörden werden andauernd den Standpunkt vertreten, daß selbst bei einer Verstärkung der zivilen Sicherheits— organe, die inzwischen in Zabern vorgenommen ist, es nicht möglich ist, an jedem Ort der Stadt, wo eine Ungesetzlichkeit passiert, sofort zur Stelle zu sein. Ich glaube, das ist nach den praktischen Verhältnissen, wie sie in den kleineren Städten liegen, vollkommen verständlich. Auf der anderen Seite wird die Militärbehörde dauernd und mit Recht den Standpunkt vertreten, daß sie Beleidigungen, die ihr zugefügt werden, nicht auf sich sitzen lassen kann, (Bravo! rechts), und daß sie das namentlich in diesem Falle nicht kann, wo es sich nicht um eine ein⸗ zelne, vereinzelte Belästigung gehandelt hat, sondern nach dem, was ich Ihnen mitgeteilt hatte, um eine ganze Kette von aufeinanderfolgenden Belästigungen. (Zuruf links: Fortgesetzte Provokation der Bevölke⸗ rungh Ob Verletzungen der Strafgesetze vorgelegen haben, ob zivil⸗ rechtliche Entschadigungsansprüche geltend zu machen sind, das wird der Richter entscheiden müssen. Jedenfalls aber bitte ich die Herren, auch in diesem ernsten und in vieler Beziehung sehr traurigen Falle nicht zu vergessen, daß die Armee das Recht hat, sich gegen direkte Angriffe zu schützen. Zuruf von den Soz.: Kinder haben ange⸗ griffen) Und sie hat nicht nur das Recht, sie hat auch die Pflicht dazu. (Unruhe bei den Soz.) Sonst kann keine Armee in der Welt bestehen. (Sehr wahr! rechts) Der Rock des Königs muß unter allen Umständen respektiert werden. (Lebhafte Zustimmung rechts. Zurufe von den Soz. Andauernde große Unruhe) Und, meine Herren, daß es das Bewußtsein dieser Pflicht, die Armee zu schützen, daß es lediglich das Bewußtsein dieser Pflicht gewesen ist, das die Militärbehörden in- Zabern veranlaßt hat, einzuschreiten, ist für mich nicht zweifelhaft, auch wenn in der Folge bei den Maßnahmen, die er⸗ griffen worden sind, die gesetzlichen Grenzen nicht eingehalten wurden (Hört, hört! bei den Soz) ü .

Meine derren, ich muß aber bei dieser Gelegenheit schärfste Ver= wahrung dagegen einlegen, daß der Herr Abgeordnete Peirotes unter einem nicht mißzuverstehenden Hinweis auf die Offiziere in Zabern.

von Hochverrätern gesprochen hat. Cebhafte Zustimmung recht