1913 / 290 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 09 Dec 1913 18:00:01 GMT) scan diff

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, . 5 . . ö.

Finanzministerium.

Die Rentm eisterstelle bei der Königlichen Kreigskasse in Pr. Stargard, Regierungsbezirk Danzig, ist zu besetzen.

Bekanntmachung.

Gemäß 46 des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 1893 (G.⸗S. S. 152) wird hiermit zur öffentlichen Kenntnis gebracht, daß ein im laufenden Steuerjahre zu den Kommunal⸗ abgaben einschätzbarer Reinertrag aus dem Betriebsjahre 1912.13 bei der Gernrode⸗Harzgeroder Eisenbahn bezüglich ihrer in Preußen belegenen Strecke nicht erzielt worden ist.

Magdeburg, den 6. Dezember 1913.

Der Königliche Eisenbahnkommissar. Sommer.

Bekanntmachung.

Gemäß 8 46 des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 1893 ((G.-S. S. 166) wird zur öffentlichen Kenntnis gebracht, daß das im laufenden Steuerjahre zu den Kommunal⸗ abgaben einschätzbare Einkommen der Eisenbahnstrecken Lan des⸗ grenze El sterwerda der dem Königlich sächsischen Staat gehörenden Linien Zeithain Elsterwer da und Dresden Elsterwerda aus dem Jahre 1912 für den Bahnhof Elster⸗ werda auf 41433 S 56 F und für den Bahnhof Prösen auf 1878 6 69 festgesetzt worden ist.

Halle (Saale), den 4. Dezember 1913.

Der Königliche Eisenbahnkommissar. J. V.: Scheringer.

Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 46 der Preußischen Gesetzsammlung enthält unter

Nr. 11322 den Staatsvertrag zwischen der Königlich Preußischen und der Herzoglich Sachsen⸗Meiningischen Regierung

wegen Aufhebung der pfarramtlichen Verbindung der preußischen

Kirchengemeinde Kühndorf mit der meiningischen Kirchengemeinde Utendorf, vom 19. Juni 1913, unter

Nr. 11 323 eine Bekanntmachung der Ministerialerklärung vom 27. Oktober 1913 zu dem zwischen der Königlich Preußi⸗ schen und der Herzoglich Sachsen⸗Meiningischen Regierung ab⸗ geschlossenen Staatsvertrage wegen Aufhebung der pfarramt⸗ lichen Verbindung der preußischen Kirchengemeinde Kühndorf mit der meiningischen Kirchengemeinde Ut&endorf vom 19. Juni 1913, vom 26. November 1913, und unter

Nr. 11 324 den Staatsvertrag zwischen Preußen und Sachsen, betreffend eine Aenderung der Vereinbarungen über die staat— liche Besteuerung der im Königreiche Sachsen belegenen preußischen Staatseisenbahnstrecken, vom 6. 25. August 1913.

Berlin W. 9, den 9. Dezember 1913.

Königliches Gesetzsammlungsamt. Krüer.

Bekanntmachung.

Nach Vorschrift des Gesetzes vom 10. April 1872 (Gesetzsamml. S. 357) sind bekannt gemacht:

I) der am 13. Oktober 1913 Allerhöchst vollzogene Nachtrag zu dem Statute für den Deichverband zur Herstellung und Unterhaltung von Sommerdeichen auf dem linken Eiderufer in den Gemarkungen Schülp R., Hörsten und Breiholz im Kreise Rendsburg vom 14. Fe⸗ bruar 1911 durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung in Schleswig Nr. 45 S. HI4, ausgegeben am 8. November 1913; .

2) der Allerhöchste Erlaß vom 24. Oktober 1913, betreffend die Verleihung des Enteignungsrechts an die Gemeinden Breuna und Niederelsungen im Kreise Wolfhagen für die Anlage einer gemein⸗ schaftlichen Wasserleitung, durch das Amtsblatt der Königlichen Re⸗ glerung in Cassel Nr. 47 S. 415, ausgegeben am 22. November 1913;

3 der am 3. November 1913 Allerhöchst vollzogene Nachtrag zu dem Statut für die Entwässerungsgenossenschaft Rosenau in Rosenau im Kreise Mogilno vom 22. Dezember 1910 durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung in Bromberg Nr. 47 S. 393, ausgegeben am 22. November 1913.

Aichtamtliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 9. Dezember 1913.

Seine Majestät der Kaiser und König nahmen heute vormittag im Neuen Palais bei Potsdam die Vorträge des Chefs des Militärkabinetts, Generals der Infanterie Frei herrn von Lyncker, des Chefs des Admiralstabes der Marine, Admirals von Pohl und des Chefs des Marinekabinetts, Admirals von Müller entgegen.

Der Ausschuß des Bundesrats für Handel und Verkehr sowie die vereinigten Ausschüsse für Handel und Verkehr und für Rechnung swesen hielten heute Sitzungen.

Dem Landrat von Puttkamer in Tuchel ist die kom⸗ missarische Verwaltung des Landratsamts im Kreise Usedom⸗ Wollin, Regierungsbezirk Stettin, und dem Regierungsassessor Bürgers in Berlin die kommissarische Verwaltung des Land⸗ ratsamts im Landkreise Recklinghausen, Regierungsbezirk Münster, übertragen worden.

Der Regierungsrat Dr. Keßler in Oppeln ist der König⸗ lichen Regierung in Trier und der Regierungsrat Eckelberg in Marienwerder der Königlichen Regierung in Breslau zur weiteren dienstlichen Verwendung überwiesen, der Regierungs⸗ assessor von Wentzel in Recklinghausen dem Landrate des Kreises Neustettin, der Regierungsassessor von Bockum⸗ Dolffs in Beeskow dem Landrate des Kreises Bitterfeld, der Regierungsassessor Killing aus Allenstein dem Landrate des Kreises Niederung in Heinrichswalde, der Regierungsassessor Dr. Eichhorn in Apenrade dem Landrate des Kreises Qst⸗ havelland in Nauen und der neuernannte Regierungsassessor

* * ö.

von Ditfurth aus Cassel dem Landrate des Kreises Winsen

zur Hilfeleistung in den landrätlichen Geschäften zugeteilt

worden.

Die Regierungsreferendare Riedesel Freiherr zu Eisen⸗ bach aus Frankfurt a. O., von Oheimb aus Merseburg, von Klitzing aus Breslau, von Borries aus Hannover, Dr. Posse und Dr. Langen aus Cöln haben die zweite Staatsprüfung für den höheren Verwaltungsdienst bestanden.

Laut Meldung des „W. T. B.“ sind S. M. S. „Vineta“ am 6. Dezember in Para (Nordbrasilien), S. M. S. „Tiger“ am 3. Dezember in Pathoi, S. M. S. „Leipzig“ am 7. Dezember in Nagasaki und S. M. S. „Iltis“ an dem⸗ selben Tage in Nanking eingetroffen.

De sterreich⸗ Ungarn.

Der Kongreß der tschechischen Sozialdemokraten in Prag hat eine Resolution angenommen, in der nach einer Meldung des „W. T. B.“ zur Erhaltung des internationalen Gleichgewichts und des Friedens und insbesondere im Interesse des tschechischen Volkes die Kräftigung alles dessen als not⸗ wendig bezeichnet wird, was der Erhaltung und Entwicklung Oesterreich Ungarns diene. Die tschechische Arbeiterpartei betrachte Oesterreich⸗Ungarn als die historisch gegebene Grundlage ihrer Tätigkeit; sie sehe alle Hoffnungen einer alldeutschen oder panslavistischen Politik als unvereinbar mit den Interessen der tschechischen Arbeiterschaft an.

Frankreich.

Doumergue hat dem Präsidenten Poincars mitgeteilt, daß er die Kabinettsbildung annehme. Wie „W. T. B.“ meldet, setzt sich das neue Kahinett, wie folgt, zusammen: Vorsitz und Auswärtiges: Do umergue, Justiz: Bienvenu⸗— Martin, Inneres: Renoult, Finanzen: Caillaux, Krieg: Noulens, Marine: Monis, Deffentlicher Unterricht und Schöne Künste: Viviani, Handel sowie Post und Telegraph: Malvy, Oeffentliche Arbeiten: Fernand David, Ackerbau: Raynaud, Kolonien: Lebrun, Arbeit und soziale Fürsorge: Letin.

Die neuen Minister sind gestern zu einer Beratung zu⸗ sammengetreten, in der das zukünftige Programm der Regierung erörtert wurde. Das Kabinett wird, obiger Quelle zufolge, dem Parlament erklären, daß es das Werk der Versöhnung der republikanischen Parteien durchführen, sich dabei aber ausschließlich auf Elemente der Linken stützen wolle. In der Regierungserklärung sollen insbesondere vier Punkte berücksichtigt werden: die Laienschule, die Wahlreform, die Finanzfrage und das Dreijahrsgesetz. Das Kabinett werde nachdrücklich den Willen zu erkennen geben, daß es die Laienschule verteidigen wolle. Es werde mit der Senats— kommission zusammen an der Wahlreform arbeiten, um einen Ausgleich zwischen beiden Häusern des Parlaments herbeizuführen. Dabei dürfe aber nicht verhehlt werden, daß es schwierig erscheine, in der kurzen Zeit bis zu den Wahlen zum Ziele zu kommen. Das Land seͤlbst also werde Gelegenheit haben, sich zu der Angelegenheit zu äußern. Die Lösung der finanziellen Frage werde Caillaux überlassen werden. Die Regierung wolle die Hauptpunkte des von der Kammer angenommenen Einkommensteuergesetzes im Senat verteidigen. Sie sei entschlossen, das Dreijahrsgesetz zum Besten der nationalen Verteidigung anzuwenden, werde es aber nicht als unabänderlich ansehen und die Hoffnung zum Ausdruck bringen, daß der Lauf der Ereignisse schließlich ge⸗ statten werde, dem Gesetz die notwendige Milderung widerfahren zu lassen.

Di ekutiertenkammer hat sich bis Donnerstag vertagt.

Italien.

Der bayerische Gesandte Freiherr von und zu der Tann-Rathsamhausen hat gestern dem König Viktor Emanuel in feierlicher Budienz ein Schreiben des Königs Ludwig von Bayern überreicht, in dem dieser die Auf⸗ hebung der Regentschaft und seine Thronbesteigung mitteilt, und ferner ein zweites Schreiben des Königs, in dem der Ueberbringer als Gesandter beim italienischen Königshofe be⸗ stätigt wird.

Türkei.

Nachdem die griechische Regierung die Zustimmung er⸗ teilt hat, ist Ghalib Kemal Bei zum Gesandten in Athen ernannt worden.

Der Ministerrat beriet in seinen beiden letzten Sitzungen den türkisch⸗serbischen Friedensvertragsent⸗ wurf. Wie „W. T. B.“ meldet, sind einige Punkte noch unentschieden. Die gefaßten Beschlüsse wurden gestern nach⸗ mittag dem serbischen Delegierten Pawlowitsch mitgeteilt.

Bulgarien.

Die endgültigen Wahlergebnisse stehen noch aus, doch lassen die eingelaufenen Berichte, wie „W. T. B.“ meldet, be⸗ reits erkennen, daß die Regierung in der Sobranje über eine Mehrheit verfügen wird.

Amerika.

Das amerikanische Repräsentantenhaus hat, wie „W. T. B.“ meldet, gestern mit großer Mehrheit eine Reso⸗ lution angenommen, in der der Präsident Wilson ersucht wird, Churchills Anregung, betreffend die internationale Rüstungspause im Bau von Schlachtschiffen, zu unterstützen, soweit dies mit den Interessen der Vereinigten Staaten vereinbar sei.

Die kanadische Regierung hat durch eine Ver⸗ fügung die Einwanderung von Handwerkern und Arbeitern nach der Provinz Britisch Columbien bis zum 31. März nächsten Jahres verboten, weil der dortige Arbeits⸗ markt überfüllt ist. Die Verfügung richtet sich nach einer Meldung des „W. T. B.“ gegen keine bestimmte Rasse und Nationalität, aber die neuerliche Agitation gegen die Zulassung von Indern hat den Anstoß dazu gegeben.

Ein Tagesbefehl an die mexikanische Armee untersagt, obiger Quelle zufolge, jede Belästigung der Aus⸗ länder und erklärt, daß das Leben und das Eigentum der Ausländer geachtet werden müssen. Weder Geld noch

*

Nahrungsmittel dürfen von ihnen verlangt werden. Es soll den Ausländern freistehen, die Kampfzone zu verlassen, sobald sie es wünschen.

Nach einem Telegramm aus Juarez sind die Rebellen Herren der Stadt Chihuahua. Der General Villa ist bis gestern mittag nicht in die Stadt eingerückt. Der Gouverneur ist bereit, sich General Villa zu ergeben. Auch Yxeustleas und Tepic sollen von Rebellen eingenommen worden sein.

Afrika.

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ hat die Harka Tarudant, die am 3. d. M. gegen aufständische Stämme ausgezogen war, feindliche Ansammlungen zerstreut und vier Dörfer genommen. Die Verluste der Aufständischen an Waffen und Pferden sind bedeutend.

Statistik und Volkswirtschaft.

Bei dem Landheere und der Marine 1912 eingestellte preußische Mannschaften ohne Schulbildung.

Im „Zentralblatt für die gesamte Unterrichtsverwaltung in Preußen“ wird eine Uebersicht über die Zahl der im Ersatziahre 1912 bei dem Landheere und bei der Marine eingestellten Mannschaften, die in den Aushebungsbezirken der preußischen Militärverwaltung ihren letzten Wohnsitz oder Aufenthalt hatten, mit Bezug auf ihre Schulbildung gegeben. Danach sind aus diesen Bezirken 1912 ausschließlich der Einjäbrig Freiwilligen bei dem Land— heere 206218 Mann, darunter 127 Personen oder O, o! ohne Schulbildung, und bei der Marine 22887 Mann, unter diesen 2 Versonen oder CO,oο oO ohne Schulbildung, zusammen 229 105 Mann eingestellt worden, von denen 129 Personen oder O,oss o keine Schulbildung hatten. Von diesen Mannschaften ohne Schulbildung sind 57 in Preußen geboren, und zwar 9 im Regierungsbezirk Posen, H im Regierungsbezirk Düsseldorf, je 4 in den Regierungsbezirken Allenstein, Magdeburg und Aachen, je 3 in den Bezirken Danzig, Marienwerder, Oppeln und Cöln, je 2 in den Bezirken Lüneburg, Münster, Cassel und Trier und je 1 in den Regierungsbezirken Königsberg, Frankfurt (Oder), Bromberg, Erfurt, Schleswig, Han nover, Hildesheim, Stade, Osnabrück, Aurich und Koblenz; 13 Eingestellte ohne Schulbildung sind in anderen deutschen Staaten und 59 im Ausland (in Rußland, Oesterreich, Frankreich) geboren.

Zur Arbeiterbewegung.

Wie dem W. T. B.“ aug Wiener Neustadt gemeldet wird, ver⸗ liefen die seit einiger Zeit zwischen den Buchdruckern und Setzern Niederösterreichs wegen Erneuerung des im Dezember d. T. ab⸗— laufenden Lohntarifs geführten Verhandlungen ergebnislos, da die Unter— nehmer die Forderungen der Setzer nur teilweise anerkennen wollen. Die »Arbeiterzeitung“ meldet dazu, daß rund die Hälfte der Gehilfen und Hilfsarbeiter in ganz Desterreich ausgesperrt werden sollen. Die Wiener Zeitungssetzer sind nicht unmittelbar beteiligt, da deren Tarif erst Ende 1914 abläuft.

In El Ferrol haben, wie W. T. B.“ erführt, die Werft⸗ arbeiter beschlossen, den Ausstand fortzusetzen. (Vgl. Nr. 281 d. Bl.)

(Weitere „Statistische Nachrichten“ s. i. d. Ersten Beilage.)

Wohlfahrtspflege. Berufsbeamte in der Armenpflege deutscher Großstädte.

Schon mehrfach hat die Charlottenburger Armenverwaltung in der Feststellung neuer Fürsorgeeinrichtungen die Initiative ergriffen. Solche Erhebungen haben in dankenswerter Weise Klarheit gebracht über den Stand und die Organisation der Säuglingspflege, Trinker— fürsorge, Heilbehandlung, Jugendfürsorge usw. Die neueste solcher Erhebungen der Charlottenburger Armenverwaltung hat sich auf die Anstellung von Berufebeamten für die Durchführung der groß— städtischen Armenpflege erstreckt; ihre Ergebnisse sind in den

Amtlichen Nachrichten der Charlottenburger Armenverwaltung“ der Oeffentlichkeit unterbreitet worden. Man kann nun würdigen, ob es für Großstädte mit stark anwachsender, fluktuterender Bevölkerung als nötig erscheint, von der bisherigen reinen Form des sogenannten Elberfelder Systems“ abzuweichen, und zwar durch Hineinschiebung von Berufsbeamten in die bisher aus lauter freiwilligen Kräften zusammengesetzte Körperschaft der vraktischen amtlichen Armenpflege.

Natürlich erscheint die Anstellung von Berufsbeamten in erster Linie als ein Versuch, der andauernden Steigerung des Armenetats der Großstädte Einhalt zu tun. Bei der sogenannten „geschlossenen“ Armenpflege, d. h. der Pflege in Anstalten, wie Krankenhäusern, Siechenanstalten, Arbeitsstätten, Fürsorgeanstalten usw., werden sich allerdings auch durch Umformungen kaum Ersparnisse er— zielen lassen. Für diesen Zweig der amtlichen Armenpflege kommen auch von jeher freiwillige Hilfskräfte nur in geringem Umfange in Frage. Dagegen scheint in der „offenen“ Armenpflege, insbesondere bei den Barunterstützungen, die den größten Posten jedes Armenetats ausmachen, sehr wohl die Möglichkeit vorzuliegen, Ein—⸗ schränkungen eintreten zu lassen. Daß hier Erfolge erzielt und den⸗ noch Ungerechtigkelten und Fehlgriffe tunlichst vermieden werden, dazu können berufsmäßig eintretende Kontrollbeamte recht wohl beitragen. Während z. B. den ehrenamtlichen Hilfskräften nicht zugemutet werden kann, ihre Zeit und Kraft auch verwickelten Fällen fo ein— gehend zuzuwenden, wie es erwünscht sein muß, können ersteren zur Seite stehende, nicht ihnen vorgesetzte Berufsbeamte hier zur Klärung der Sachlage viel beitragen. ;

Um einen Ueberblick über das in dieser Richtung bisher Erreichte zu gewinnen, hat die Charlottenburger Armenverwaltung an alle deutschen Städte mit über 100 000 Einwohnern sowie an die Stadt Flensburg (etwa 70 000 Einwohner), weil dort besonders günstige Erfahrungen vorliegen sollten, Fragebogen gerichtet. Das Ergebnis ist kurz folgendes: Von den 47 deutschen Großstädten hat eine (München) die Anfrage nicht beantwortet. 17 Städte haben bisher keine Berufsbeamte in der Armenpflege angestellt. 28 Großstädte, also etwa zwei Drittel aller, sind, zum Teil schon vor vielen Jahren, dazu übergegangen, Berufs beamte anzustellen. Zwei Städte (Chemnitz und Magdeburg) enthalten sich wegen noch nicht genügender Erfah⸗ rung eines Urteils darüber, ob die Tätigkeit der Berufsbeamten sich bewährt hat. Alle übrigen, also 26 Großstädte und ebenso Flensburg, bezeichnen sie als eine außerordentlich wertvolle Ergänzung der ehren amtlichen Tätigkeit. Nur dies soll sie sein, keine Kontrolle der Ehren⸗ beamten, darüber herrscht allgemeines Einverständnis. Auch da, wo die Ehrenbeamten sich der neuen Organisation zunächst wider⸗ strebend gegenüberstellten, haben sie überall bald erkannt, welche außer- ordentliche Hilfe gerade ibnen bei ihrer Arbeit die Berufsbeamten leisten. Sie haben ihre Unterstützung sogar vielfach selbst erbeten. Fast überall ist es seit ihrer Anstellung möglich gewesen, das weitere Anschwellen der Barunterstützungen einzudämmen und die unberechtigte Inanspruchnahme öffentlicher Mittel einzuschränken.

Was die ziffernmäßigen Ergebnisse der Erhebung anlangt, so schwankt bei den 26 in Frage kommenden Städten die Zahl der ange⸗ stellten Berufe beamten erheblich. Wo besonders hohe Zahlen er⸗

scheinen, sind diese Berufsbeamten meist weibliche, die in der

Waisenpflege und Säuglings- und Kinderfürsorge tätig sind. So hat z. B. Bretzlau 18 Posen 15, Mannheim H weibliche Armen⸗ pflegebeamte angestellt. Im übrigen stellen sich in alpha—⸗ betischer Reihenfolge. der Städte die Zahlen der Berufts⸗ beamten und beamtinnen in der stäbtischen Armenpflege, wie folgt: Aachen , Bochum 5, Breslau 18, Bremen 14,

——

Chemnitz 2, Cöln 12, Crefeld 2. Danzig 3, Dortmund 2, Duigburg 5, Dusseldorf il, Essen 5, Flensburg 1, Frankfurt a. M. 6,

Gelsenkirchen 2, Halle a. S. l, Hamborn 2, Hannover 5, Karls⸗

1uhe 3, Klel 4, Magdeburg 2, Mannheim 6, Neukölln 1. Plauen 4, Posen 15, Saarbrücken 2, Stettin 2, Straßburg 9, Stuttgart 3. In einigen Fällen, wo besondere Beamte für diesen Zweck nicht an⸗ zestellt sind, bedient man sich der städtischen Schutz. (Polizei⸗) Beamten ut Mithilfe hei Feststellungen und zur Kontrolle in der Armenpflege.

Soweit direkte Nachweise geführt werden, wird von den meisten der vorstehend genannten Städte eine finanzielle Abnahme der Armen⸗ sasten nach Einführung der Berufebeamten beslätigt.

Im ganzen muß man wohl feststellen, daß man sich nur schwer entschlleßen kann, das bewährte „Elberfelder System“ durch Einstellung pon Berufsbeamten derartig umzugestalten, daß das Prinzip der frei= pilligen, individuellen Armenpflege in ein bureaukratisches Prinzip um⸗ ewandelt wird. Die Verhältnisse sind auch in Städten von annähernd gleicher Größe sehr verschieden, und der Geist der Armenpflege wiid mmer noch in der Hauptsache von dem Leiter des Armenamts und non den traditionellen Anschauungen der Bürgerschaft beeinflußt naden. Es will nicht viel sagen, daß z. B. in Flensburg, dessen fahrungen mit der armenpfleglichen Berufsbeamtenschaft als be⸗ nders vorbildlich betrachtet und deshalb in die Feststellungen der Fharlottenburger Erhebung mithineingejogen worden sind, nur ein einziger Berufsbeamter funktioniert. Die Anstellung eines einzigen Berufsbeamten kann anderwärts durch den Dezernenten des Armen pesens oder durch die besondere Neigung des Bürger⸗ meisters für die exakte Führung der Armenpflege erspart perden. So sieht man denn auch, daß bisher solche Groß⸗ stäble, deren Armenwesen als ausgezeichnet organisiert gilt, noch nicht zur Einstellung von Berufsbeamten geschritten sind.

ach der Erhebung haben, wie schon oben gesagt, 18 Städte in diesem

ine geantworter, in erster Linie Elberfeld selbst, sodann noch

ona, Augsburg, Barmen, Berlin, Cassel, Dresden, Erfurt, Ham burg (dieses hat allerdings zur Unterstützung der für die Zentralstel le nötigen Feststellungen 2 Kontrollbeamte angestellt), Königsberg, Leipzig, Malnz, Nürnberg, Berlin⸗Schöneberg, Berlin Wilmersdorf, Wiesbaden. Auch für Charlottenburg selbst bedeutet die angestellte Erhebung nur eine Information, da diese Stadt ebenfalls bisher keine Berufs⸗ beamte angestellt hat. Die Stadt Braunschweig äußert sich dahin, daß sich die Armendirektien im Einvernehmen mit den ehrenamtlich tätigen Organen von der in Frage stehenden Einrichtung mehr Nach⸗ teile als Vorteile verspricht.

Demnach ist das Ergebnis der verdienstlichen Erhebung der Fharlottenburger Amendirektion dahin zusammenzufassen, daß durch sie wohl wichtige Einblicke in die Organisation der großstädtischen Armenpflege gewonnen worden sind, daß aber die Frage selbst, nämlich die Nützlichkeit und Notwendigkeit der Anstellung von Berufsbeamten, noch eine offene ist.

Kunst und Wissenschaft.

In der letzten Sitzung der Vorderasiagtischen Gesell— 3. Dezember hielt Br. Gotthold Weil einen Vortrag Die Grundlagen des grammatischen Denkens der Araber“. Der Vortragende wies darauf hin, daß die Wissenschaft ker Grammatik bei den Arabern aus dem Wesen des Islam heraus erklärt werden müsse. Unsere heutige grammatische Methode sei letzten Endes abhängig von der der Griechen, die ihrerseits wieder auf den logischen Untersuchungen des Aristoteles beruhe. Die Araber jedoch seien ohne vorherige logische Fundterung der Grammalik von den Einzelheiten der Sprache ausgegangen und auf Grund der besonderen schematischen Eigenheiten der arabischen Formenlehre zu dem Ergebnis gekommen, daß die ganze Sprache der äußere Ausdruck der inneren Weltharmonie und der Vernunft sei. Da sie die Grammatik nicht in Formenlehre und Syntax, sondern nur in inzelne Wortformen einteilten, so mußte diese Vollkommenheit und Zweckmäßigkeit der Sprache in jedem Worte, d. h. in jedem Konsonanten ind jedem Vokale zum Ausdruck kommen. Die höchste Aufgabe des Frammatikers sei es, diese Vernunft nachzuweisen und die Geheimnisse der Sprache aufzudecken. Die Sprache als Spiegel des Denkens und der Erscheinungen in Natur und Leben unterllegt, nach dieser Meinung, denselben vernünstigen Gesetzen, wie das Leben und die Natur selbst. Der Vortragende belegte seine Ableitungen und Be— hauptungen mit einer Reihe von Beispielen und wies am Schlusse darauf hin, daß diese sonderbare, formal-rationells Methode der arabischen Grammatiker nicht einfach von unserem heutigen über⸗ egenen Standpunkt aus als lächerlich abgetan werden dürfe, sondern daß wir bestrebt sein müssen, sie aus der Eigenart des Islam und seiner wissenschaftlichen Methodologte heraus zu verstehen. Eine

hafte Aussprache schloß sich an den lehrreichen Vortrag an.

Nach einer Meldung des Reuterschen Bureaus aus Ottawa hat teffansson, der Leiter der wissenschaftlichen Expedition irch den äußersten Nordwesten von Amerika, von

nt Barrow (Alaska) eine Nachricht gesandt Er sagt darin,

sein Schiff ‚Karluk' sei am 12. August 15 Meilen vom Strande entfernt eingefroren. Da er geglaubt habe, es werde dort den Winter über fest liegen, sei er mit sechs Begleitern an Land zegangen, um dort zu jagen. Am 20. September sei plötzlich ein Sturm losgebrochen. Als er und seine Gefährten wieder an die be treffende Stelle gekommen seien, sei das Eis und mit ihm das Schiff weggetrieben gewesen. Das Schicksal des Schlffes und seiner 25 Mann starken Besatzung sei unbekannt.

Die ältesten Haustiere des Menschen. Welche Tiere sich der Mensch zuerst gezähmt und seinem Haushalt eingegliedert hat, läßt sich nach den zahlreichen Funden an vorgeschichtlichen Wohnstätten mit ziemlicher Vollständigkeit ermitteln. Schwieriger aber ist die Frage zu beantworten, wie sich die Verwandlung in Haut tiere voll⸗ zogen hat und in welcher Reihenfolge der Mensch die Tiere heranzog Uuf eine Bestimmung der Zeit dieser Errungenschasten nach Jahr⸗ hunderten oder auch nur nach Jahrtausenden wird man wohl ein für allemal verzichten müssen. Außerdem werden die Verhältnisse in den einzelnen Erdgegenden verschieden ge⸗ wesen sein. Als das älteste Haustier wird seit langem der, Hund betrachtet. Es könnte jedoch sein, daß das Renntier zu noch früherer Zeit ein mebr oder weniger gezähmter Genosse des Menschen gewefen ist, nämlich in der sogerannten Epoche des Magda⸗ lenien, mit der die ältere Steinzeit ihr Ende erreicht. Es ist aber zu beachten, daß das Renntier auch heute, wo es als Haustier vor⸗ kommt, z. B. bei den Lappen, als solches eigentlich nur unter Mit⸗— wirkung des Hundes gehalten werden kann. Da es aber unsicher ist, ob der Mensch damals schon über den Hund verfügte, so muß auch eine so frühe Zähmung detz Renntiers bezweifelt werden. Ber Hund aber erscheint in der Begleitung der menschlichen Ueberreste jedenfalls zur Zeit der ogenannten Kjökkenmöddinger (Küchenabfälle), die namentlich an den nordeuropäischen Küsten nachgewiesen worden sind und der jüngeren Stein⸗ zeit angehören. Schon vor nahezu 50 Jahren wies der aus gezeichnete arwegische Naturforscher Steenstrup darauf hin, daß die in dlesem Abfallhaufen enthaltenen Knochen fast immer benagt und auch mehr oder weniger angefressen sind, und diese Leistung wollte er den Hunden uschreiben, von denen sich gleichfalls zahlreiche Knochen in den gleichen Ablagerungen vorfinden. Nach diesen zu urteilen, sind in der jungeren Steinzeit die Hunde zahlreich und weit verbreitet gewesen, da sie sich an allen aufgefundenen Wohnstaäͤtten dieser Epoche finden. Tie Reste jalsen auf, eine einheitliche Rasse von mittlerer Größe hließen, die am meisten unseren Jagdhunden geglichen haben dürfte. Diese älteste Hunderasse wird als Torfhund he⸗ zelhnet. Ihm folgt der BFronzehund in dem nach dieser Metall—= mischung und. ihrem Gebrauch benannten Zeitalter. Er ist . größer als der Torfhund und scheint zuerst in Italien aufge⸗ irgten zu sein. Erst am Ende der Brenzezeit läßt sich eine Jer— splitterung der Hundesippe in mehrere Rassen erkennen, unter denen

der Windhund, die Dogge und nur noch einige andere nachzuweisen sind. Es läßt sich aber nicht annehmen, daß diese Rassen plötzlich entstanden sind, sondern sie sind wohl nur damals erst gleichfalls vom Menschen in Pflege genommen worden, nachdem er seine Macht über den Hundecharakter erst einmal erprobt hatte. Das Hunde—⸗ geschlecht ist an sich weit älter und geht wenigstens bis in die letzte Tertiärzeit hinein. Zu den ältesten Formen ge⸗ hören der Schäferhund und der australische Dingo. Der Torfhund stammte wahrscheinlich von einer Zwergrasse, während die späteren großen Rassen zum Teil durch Kreuzung mit Wölfen hervor— gebracht wurden. Wann die eigentliche Zähmung des Pferdes gelang, ist gleichfalls schwer zu hestimmen. In den Pfahlbauten finden sich keine Reste dieses Tiers, von dem die Pfahlbauer auch keinen Gebrauch zu machen gewußt hätten. In Mitteleuropa wurde das Pfend erst ziemlich spät dem Hauehalt des Menschen einverleibt, denn alle Bezeichnungen, die in den westlichen Sprachen auf das Pferd Bezug haben, sind dem Sanskrit entnommen, stammen olso aus Innerasten, wo noch heute allein das wilde Pferd angetroffen wird. Dort wird also wohl auch seine Zähmung begonnen haben und erst in der Bronzezeit einersetts nach dem Westen bis Europa, andererseits nach Ostasien fortgeschritten sein. Die Beziehung unsexer heutigen Pferderassen zu asiatischen Pferden läßt sich noch ziemlich gut nachweisen. Ein kleines Pferd, dessen Reste in Ablagerungen der älteren Steinzeit vorkommen, scheint der Stamm- vater der Zwergrassen der Gegenwart gewesen zu sein, also der Ponies der Shetlandinseln, von Schottland, Korsikta und Sardinien. Das Schwein hat der Mensch schon früh in seinem Wert erkannt. In den Pfahlbauten ist es berelts mit zwei Arten vertreten. Die eine entspricht den gewöhnlichen Wildschweinen und besitzt eine entsprechende Größe; die andere ist kleiner und wird wie sein Zeitgenosse aus dem Hundegeschlecht als Torfschwein bezeichnet. Daß diese Schweinearten damals schon eine eigentliche Zähmung erfahren hatten, ist weder sicher noch wahrscheinlich. Diese ist viel⸗ mehr erst in der Bronzezeit zur Tatsache geworden. Der Urahn aller Hausschweine ist vermutlich das Torfschwein. Glejch— falls schon in den Pfahlbauten tritt der Hammel hervor, ohne Zweifel als ein direkter Nachkomme des Mufflon, das heute nur noch auf den Inseln Korsika und Sardinen erhalten geblieben, ehemals aber viel weiter verbreitet gewesen ist Nach dem heutigen Stande der Forschung wird seine Zähmung zeitlich hinter die des Pferdes und auch deg Rindes gestellt, und es ist zu beachten, daß sich auf den alt— ägyptischen Wandmalereien noch keine Schafe vorfinden. Auffällig ist die fast vollkommene Uebereinstimmung des Knochenbauez der Hammel aus den Pfahlbauten mit dem mancher Rassen, die noch heute in der Schweiz gezüchtet werden. Sie waren klein und hatten schmächtige Beine und kurze Hörner, ähnlich denen der Ziege. Am Ende der Steinzeit tritt aber bereits eine zweite viel stärkere Rasse auf, die nach dem Schweizer Naturforscher Studer benannt worden ist. Die Ziegen der jüngeren Steinzeit sind den heutigen sehr ähnlich, aber kleiner. Auch sie stammen wahrscheinlich ebenso wie die euro⸗ päischen Pferde von den wilden Rassen Asiens ab, die noch heute mit unseren Hausziegen gekreuzt werden können. Von der Ziege ist schon in ägvptischen Urkunden und ebenso in der Bibel die Rede. Das Rind verlangt ein be— sonderes Kapitel der vorgeschichtlichen Forschung. Der Mensch scheint sich ziemlich gleichzeltig zweier Urformen bemächtigt zu haben, nämlich des eigentlichen Urindes oder Auerochsen und des lang— stirnigen Rindes. Schon vorher war wiederum eine belondere Rasse als Torfrind in der Begleitung des Menschen. Vom Auerochsen werden manche schottischen, ungarischen, russischen und andere Rassen hergeleitet, vom langstirnigen Rind die Rassen mit kurzen Hörnern. In den Pfahlbauten sind auch Rinderschädel ohne Hörner gefunden worden, doch ist ihre Bedeutung noch nicht ganz klargestellt worden.

Literatur.

Dietrich Schäfer. Aufsätze, Vorträge und Reden. 2 Bände. Verlag von Gustav Fischer, Jena. (Preis: 18 6, geb. 20 M). Die vorliegende Sammlung von Aufsätzen, Vorträgen und Reden aus einem Zeitraum von 43 Jahren verfolgt den Zweck, historisches Denken in möglichst weiten Kreisen zu beleben und Ver⸗ ständnis nationaler und staatlicher Entwicklung zu fördern. Bei der Auswahl war für Professor Schäfer meist der vaterländische Gedanke maßgebend, der ihn vor allen anderen in gemeinnütziger wie in wissen⸗ schaftlicher Tätigkeit bewegt und geleitet hat. So versucht er in der Abhandlung „Das neue Deutschland und seine Kaiser die Bedeutung unserer neuesten Kaisergeschichte im Zusammenhange mit dem großen Gange der Geschicke unseres Vaterlandes darzulegen und die Tätigkeit der drei ersten Kaiser gleichsam in ihrer allgemeinhistorischen Be⸗ deutung zu erfassen. Seine Betrachtung kommt zu dem Ergehnis, daß Deutschlands gegenwärtige Stellung in Europa für absehbare Zeit als ein Erfordernis der allgemeinen politischen Weltlage an⸗ gesehen werden darf. In einer weiteren historisch⸗politischen Abhand⸗ lung über „Deutschland zur See“, die im Jahre 1897 veröffentlicht wurde, als die Frage, ob das Reich einer Veistärkung seiner mari timen Streitkräfte bedürfe, einen lebhaften Meinungsstreit hervor—⸗

es sich

um nichts Geringeres als um unsere Existenz handelt, daß wir Deutsche, wenn wir weiter zu den führenden Völkern der Welt zählen wollen, nicht auf Macht und Geltung im inter— nationalen Verkehr verzichten können. An dem Verfall der politi⸗ schen Macht des Reiches gingen die deutsche Hanse und der deutsche Handel zugrunde. Die Deutschen, die sich an Seetüchtigkeit mit allen anderen Nationen messen konnten, die auch in ihren traurigsten Zeiten die Meister der Schlachten blieben, mußten das Weltmeer meiden, weil sie als Volk nichts aufbrachten, was man als eine Wehrkraft zur See hätte bezeichnen können. Es fehlte zwar nicht an Ansätzen zu einer Erhebung, wie das Beispiel Hamburgs zeigt, wo kauf⸗ männische Tüchtigkeit und Unternehmungslust nicht erloschen waren, aber immer trat ein Rückschlag ein, weil unser Seehandel des bewaffneten Schutzes entbehrte. Erst mit der Besserung und Festigung der politischen Verhältnisse gewann die aufsteigende Bewegung an Stetigkeit und unser Handel wuchs in rascher Folge; mit der Be⸗ gründung des Deutschen Reichs aber nahm er einen beispiellosen Auf⸗ schwung und ist jetzt zu einer Lebensbedingung für uns geworden, da unsere Industrie nicht den überseeischen Bezug von Rohstoffen, unsere Ernährung nicht den von Zerealien und Fleisch entbehren kann und wir andererseits auf die Ausfuhr von Fabrikaten angewiesen sind. Eine dauernde Unterbindung dieses Verkehrs durch eine fremde See⸗ macht bedeutete unsern Ruin. In erster Linie komme hier England in Betracht, das dem Wettbewerb Deutschlands auf dem Gebiete der Handels und Seegeltung am seindlichsten gegenüberstehe. Einer Dar⸗ legung dieses deutsch⸗englischen Zwiespalts ist der Aufsatz über ‚Eng⸗ lands Weltstellung und Deutschlands Lage“ gewidmet. Daß wirt⸗ schaftliche Größe nur zu erringen und zu behaupten ist durch politische Macht, weist Professor Schäfer auch in seinem Vortrage über die „Hanse und ihre Handelspolitik: nach, in dem er zeigt, wie die Hanse Geltung auf dem Meere, dem sich bis jetzt noch kein größeres Volk ungestraft entfremdet hat, erwarb, welcher Art, welches Umfangs sie war und wie sie diese verlor. Aus der Reihe der Aufsätze über fach⸗ wissenschaftliche Fragen sei die Abhandlung über dite deutsch⸗ In dieser widerlegt Schäfer die

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wentgstens bei unserer ist. Nicht minder

platz, als Sitz zahlreicher Bildungsstätten, die im

mit der Presse die Provinz in geistige Abhängigkeit bringen alles das wird ebenso eingehend wie anregend geschildert und mit einer Betrachtung über die politischen Gesinnungen be⸗ schlossen, die im allgemeinen von großstädtischen Bevölkerungen ver⸗ treten werden. Diesen und anderen Aussätzen schließen sich Schilde⸗ rungen der Pfalz und des Elsaß, Rothenburgs, Wisbys und Gotlands an, ferner Reden zum Gedächtnis Gustav Adolfs, Kaiser Wilhelms J. Bismarcks und Moltkes sowie zur Erinnerung an die Erhebung der deutschen Nation im Jahre 1813. Der reichhaltigen und interessanten Sammlung, die wohl niemand ohne Belehrung aus der Hand legen wird, ist weite Verbreitung zu wünschen.

Otto Weiß hat unter dem Titel „So seid ihr“ ein Bändchen mit 450 Aphorismen herausgegeben, dem zwei ähnliche vorausgegangen waren (Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt; 3 „, geb. 4 A). Der Verfasser veifügt über die Gabe, das Ergebnis langer Gedankenreihen in wenige Worte zusammenzufassen, in denen mit großer, oft verblüffender Prägnanz das Ergebnis gezogen wird; und wenn in einer so großen Sammlung von Gedankensplittern natürlich auch manches weniger Charakteristische oder gar Abgegriffene mitunterläuft, der großen Mehrzahl nach sind die Aphorismen eigenartig in der Form wie nach ihrem Inhalt. Auch haftet Weiß meist nicht an der Oberfläche und unter vielem, was wie ein leichter Witz erscheint, birgt sich eine tiefere Erkenntnis, eine fein geschliffene Wahrheit, eine lächelnd ausgesprochene bitter Sentenz. Daß in solchen aphoristischen Urteilen über das Denken und Handeln der lieben Mit⸗ menschen vornehmlich deren Schwächen ans Licht gezogen und gegelßelt werden, pflegt ja die Regel zu sein; auch die vorliegende Sammlung macht hiervon keine Ausnahme und das gibt ihr eine gewisse Schärfe und einen Zug der Verneinung, die aber nicht einseitig überwiegen. Alles in allem ist das Weißsche Buch nicht nur unterhaltend, sondern auch geeignet, mancherlei nachdenkliche Gedanken zu erwecken. Ein hoher ethischer Gehalt und menschenfreundliche Weisheit, wie sie z. B. aus den Aphorismen“ der Marie von Ebner⸗Eschenbach sprechen, gehen ihm aber ab.

Im Verlag des Vereins der Bücherfreunde ist eine Schrift von Johannes Trojan: Fahrten und Wanderungen er⸗ schienen (3 ½ ). Der Verfasser ist als feinsinniger, humorvoller Dichter und Schilderer in weiten Kreisen bekannt, so darf man denn annehmen, daß auch das vorliegende Büchlein, in dem er, hald fröhlich plaudernd, bald anschaulich belehrend, allerlei Reiseeindrücke mitteilt, zahlreiche dankbare Leser finden wird. Die kleine Samm⸗ lung enthält Schilderungen von Reisen, die innerhalb der Jahre 1859 bis 1904 unternommen wurden, und die Trojan durch die schönsten Gegenden des deutschen Vaterlandeg, aber auch nach Schweden, Schottland und Oberitalien führten. Da gab es für sein allem Schönen offenes Auge viel zu schauen, für sein heiteres, warmes Gemüt zahl⸗ reiche Eindrücke aufzunehmen und festzuhalten. Soweit diese Reise⸗ eindrücke auch zeitlich auseinanderliegen alle, ob ste der kraftvolle Mann oder der rüstige Greis aufzeichnete, zeigen die gleiche Aufnahme⸗ fähigkeit und Anschaulichkeit. Die Schönheit der Landschaft, das bunte Leben und Treiben der Gegenwart weiß der reisende Dichter ebenso lebendig zu schildern, wie die geschichtliche Vergangenheit von neuem lebendig zu machen; über alles aber ist ein erfrischender Humor gebreitet, der besonders herzhaft aufleuchtet, wenn in den ge⸗ segneten Weingauen ein guter Tropfen die Wanderfreuden erhöht. Mögen recht viele Leser zu dem harmlos heiteren Buche greifen und sich an seinen Schilderungen froher Wander- und Reisetage erfreuen.

Der Verlag von F. Bruckmann in München gibt ein Pracht⸗ werk, enthaltend 50 Zeichnungen nach Wu Tao Tze aus der Götter- und Heldensagenwelt Chinas heraus. Die Werke Wu Tao⸗Tzes, des Schöpfers der klassischen Malerei in China, sind in Originalen nicht auf die Nachwelt gekommen, wohl aber sind sie in Kopten des Lt Lung Min, des größten chinesischen Malers aus dem elften Jahrhundert, erhalten. Diese Skizzen, in denen vornehmlich das Leben der Himmelsfürsten sowie das Ge⸗ richt vor den Höllenkönigen dargestellt wird, sind in Tusche ausgeführt und von unübertrefflicher Feinheit und Kühnheit der Pinselführung; sie sind geeignet, uns die chinesische Malerei in den Werken eines der größten Meister des Ostens nahe zu bringen. Die Bruckmannsche Publitation enthält 50 Blätter in großem Format und in feinster Ausführung; die Herausgabe hat F. R. Martin besorgt« Der den Blättern beigegebene Text beschränkt sich auf eine kurze Kritik der bildlichen Darstellungen und auf Hinweise auf die Be⸗ wegungen in der chinesischen Kunst unter Berücksichtigung der fremden Einflüsse und der Wechselwirkungen zwischen Osten und Westen. Zu den chinesischen Bezeichnungen auf den Blättern hat der Dr. Haenisch vom Museum für Völkerkunde in Berlin eine deutsche Uebersetzung geliefert. Das kostbare Werk ist zur Subskription aus⸗— gelegt; Subskribenten, deren Bestellungen bei dem Verlag bis Ende dieses Jahres eingehen, erhalten das Werk für 200 6; vom 1. Januar 1914 ab wird der Preis auf 250 erhöht.

Bauwesen.

Zu einer Aussprache über den Einfluß der Baupolizei⸗ verordnungen auf die ästhettsche Gestaltung der Bauten veranstaltete der bei der Zentralstelle für Volkswohlfahrt bestehende Hauptausschuß sür Bauberatung am 6. Dezember in Berlin eine Konferenz, die aus allen Teilen des Reiches und namentlich auch von den Zentralbehörden des Reiches und der Einzelstaaten zahlreich beschickt war. Professor Kloeppel⸗Damig erörterte die allgemeine Be⸗ deutung der Baupolizeiverordnungen für die ästhetische Gestaltung der Bauten und gab einen Ueberblick über das wechselnde Verhalten der öffentlichen Gewalten gegenüber der privaten Bautätigkeit. Er wies nach, daß namentlich im 17. und 18. Jahrhundert die landes⸗ fürstliche Regierung vlanmäßig darauf ausgegangen sei, die Gestaltung des Straßen- und Ortsbildes im Sinne der Schaffung eines ein⸗ heitlichen Kunstwerkes zu beeinflussen. Im 19. Jahrhundert habe die Baupolizei von der Verwirklichung derartiger ästhetischer Gesichts⸗ punkte Abstand genommen. Es sei aber nicht ausgeblieben, daß trotzdem ihre Vorschriften und ihr Verhalten auf die Gestaltung des Sttaßenbildes von Einfluß gewesen sei, und daß dieser Einfluß als ein zum Teil ungünstiger beöeichnet werden müsse. Auch die Bau— polijei müsse an ihrem Teile dahin wirken, daß die individualistische Behandlung des einzelnen Bauprojektes verschwinde und das Ziel einer einheitlichen künstlerischen Behandlung des ganzen Straßen und Platzraumes in den Vordergrund gestellt werde, Von den folgenden beiden Referenten, welche die wichtigsten Grundsätze bebandelten, die bei Aufstellung und Handhabung der Bauordnungsvorschriften aus asthetischen Gründen zu beachten sind, legte der eine Referent, Stadtbaurat Bohrer Aachen, das Hauptgewicht darauf, daß die. Baupolizei⸗= verordnungen von allen Vorschriften befreit werden, die eine demmung des künstlerlschen Gestaltens nach sich ziehen, während Magistrats · baurat Berger⸗Breslau eine Reihe von Vorschlägen dafür machte, wie etwa die Bestimmungen der Bauordnungen gefaßt werden müßten, damit auch die künstlerischen Gesichtspunkte Beachtung finden. Die mehrstündige Aussprache in Verbindung mit den Referaten hestärkte unter den Teilnehmern die Auffassung, daß die Baupolizeivorschriften auch in ästhetischer Beziehung sehr verbesserungsfähig seien, und der Vorsitzende, Professor Dr. Albrecht, stellte in Autsicht, daß der Haupfausschuß für Bauberatung bemüht sein wolle, bestimmte Vor⸗ schläge für die Verbesserung der Bauordnungen auszuarbeiten.