1913 / 293 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 12 Dec 1913 18:00:01 GMT) scan diff

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Rinstimmte. Das ist eln Recht, das zugleich eine selbstverständ⸗ liche Forderung eines monarchisch regierten, selbständigen Bundes⸗/ staates, einez im besten Sinne deutschen Bundesstaates, ist. Bei der etzigen Situation konnte dem Bundegstaat Braunschweig die Rück⸗ ebr seineg angestammten Fürften nlckt weiter verwebrt werden. Wir können für das k Füärstenhauz in Anspruch nehmen, daß selne Loyalität unbedingt feststeht, und ich darf hinzufügen, unter allen Umständen und für alle Zeit. Daraus werden, wenn es nottut, alle Konsequenzen nach allen Richtungen gezogen werden. Von der Verdrossenheit, von der der Abg. v. Gamwp gestern sprach, kann bei dieser Lösung der Frage absolut nicht die Rede sein. Wenn einer der Vorredner von der Verantwortung sprach, die wir bei der Lösung Reeser Frage übernommen haben, so kann ich versichern, daß wir diese Verantwortung an unserm Teil gern und freudig übernebmen in der Ueherzeugung, daß, was 6 der Reichskanzler grundsätzlich an⸗ geführt hat, die absolute Bürgschaft in sich schließt, daß diese end⸗ gältige Lösung der Frage nicht nur den Interessen des Landes Braunschweig, sondern auch den Interessen des Reiches erteyricht. Abg. Haußmann (fortschr. Volksp): Der . muß sich mehr mit den Fragen der auswärtigen Politik beschäftigen. Die Budgetkommission bat sich oft nicht als die geeignete Stelle für Be⸗

handlung der auswärtigen Politik gezeigt. Der Reichstag sollte sich

überlegen, ob er nicht eine besondere Kommission einsetzen sollte, die die auswärtige Politik ständig im Auge behielte und die von der Regierung in vertraulicher Verhandlung bessere Informationen darüber erhalten könnte. Mit der Aenderung der Geschäftsordnung haben wir ja in der letzten Zeit manchen Fortschritt erzielt; die kleinen Anfragen haben sich bewährt, sie entlaften die Debatten und ermöglichen es der Regierung, auf präzlse Anfragen präzise Ant— worten zu erteilen. Die Befürchtungen, die an diese Einrichtung ge⸗ knüpft wurden, haben sich als unbegründet erwiesen. Die Spannungs— periode in der auswärtigen Politik, die namentlich durch die Tripollsfrage und die Balkanfrage erzeugt war, ist erfreulicherweise vorüber, und es ist erfreulicherweise auch zu einer Entladung trotz der 6. Spannung nicht gekommen. Die Kriegslust ist, obwohl häufig H. egenheit zu ihrer Betätigung vorhanden gewesen wäre, nicht groß genug gewesen, das Friedensbedürfnis der Völler war vielmehr so stark, daß es nicht zu einer weiteren Verschärfung der Lage kommen konnte. So sind die diplomatischen Sorgen kleiner geworden, die wörtschaftlichen Sorgen sind jetzt die größeren. Die Befürchtungen, die an die Balkanfragen geknüpft wurden, haben sich nicht verwirk— licht, das neue Staatsgebilde des Balkanbundes istan seinem eigenen Gegen⸗ satz zu Grunde gegangen, und das ist eine sehr viel nützlichere AUusschaltung der Gefahr gewesen, als wenn Waffengewalt dazwischen getreten wäre. Der frühere Staalssekretär von Kiderlen⸗Waechter hat unsere Balkan— politik richtig vorgezeichnet. Dieser Staatamann hat wiederholt sich nachträglich der Zustimmung erfreut, trotzdem selne Politik zuerst kritisiert wurde, so ist auch schließlich das Marxokko⸗ und Kongo— abkommen sehr viel freundlicher beurteilt worden als im Anfang. Der Verlust dieses Staatsmannes ist für uns dauernd ein sehr großer, ich hoffe aber, daß sein Nachfolger seine Politik fortsetzen wird. Die Konsistenz der Türkei hat sich stärker erwiesen als man anfangs an nahm. Der Umstand, daß die Zahl der Aerzte der Türkei nicht kleiner, sondern größer geworden ist, ist allerdings keine unbedingte Garantie für elne längere Lebensfähigkeit. Der Dreibund hat in diesen Zeiten eine Schwächung und eine Niederlage nicht erlitten, das ist erfreulich für Deutschland und auch für unsere Bundesgenossen, insbesondere auch für Deutschland deshalb, weil Deutschland durch die Nuhe und Gelassenbeit seiner Politik der ganzen Entwicklung wesentlich gedient hat. Die Methode dieser Politik, bie nicht die Erfolge durch eine ruhmredige Behandlung wieder in Frage stellt, hebt sich erfreulich von der all deutschen Methode ah, . se Politik kann nur zur Fortsetzuug empfohlen werden. Bei der Kritik der österreichischen Regierung ist von führenden Blättern und hervorragenden Persönlichkeiten in Desterreich ausgesprochen worden, daß die Politik Oesierreichs deshalb weniger erfolgreich gewesen set, weil sie in einem kritischen Moment von Deutschland nicht unterstützt worden sei. Das muß ausdrücklich zurück⸗ gewiesen werden. Professor Heinrich Friedjung hat sich dahin geäußert, daß Deutschland mehr als einmal den an sich zahmen Flug des Wiener Kabinetts gelähmt habe. Aber die Politik unseres Auswärtigen Amts, nicht auch bei untergeordneten Fragen für Oesterreich zum Schwert zu greifen, ist nützlich für Deutschland und Oesterreich gewesen. Dle Frage, ob Oesterreich mit der Annexion von Bosnien und der Herzegowina unter Uebergehung des Sandschak Novibasar eine richtige Politik gemacht hat, muß ich noch jetzt verneinen. Professor Friedjung ist auf Grund einer Mitteilung, die ihm der Staatssekretär von Kiderlen⸗Waechter zur weiteren Verwertung gemacht hatte, in der Lage, mitzuteilen, daß zwischen Oesterreich und Italien anläßlich der Einver— leibung ein Meinungsaustausch stattgefunden hat, in dem bestimmt wurde, daß, wenn Oesterreich über diese Einverleibung hinausgehen würde, damit auch Italien freie Hand haben würde, auf dem Balkan zuzu— greifen. Indem Oesterreich dieses Bestreben Italiens bekämpft hat, hat es sich nach dieser Vereinbarung selbst die Hände gebunden; und wenn es jetzt zu einer Politit der Reserve gezwungen war, so war die nicht der Fall wegen einer Tätigkeit oder Untätigkeit Deutschlands. Auch die Sozialdemokraten haben sich zur Dreibundpolitik bekannt. Es besteht also eine volle Uebereinstimmung hierüber zwischen den Parteien, dem Volke und der Regierung. Das Verhältnis zwischen Sesterreich und Italien ist in dieser Zeit besser geworden; für Italien ist der Drei⸗ hund aleichfalls eine günstige Stütze seiner Politik gewesen. Deutschland hat ein Interesse daran, ein nichtnervöses Italten im Dreibund zu haben. Wenn es bemüht ist, die Rivalität im Metel⸗ meer zwischen den Dreibundstaaten und denen der Triple⸗Entente zu mildern, so leistet es damit eine gute Politik. Fürst Bülow hat jetzt eine Darlegung über 25 Jahre deutscher Politik unter Kaiser Wilhelm II. veröffentlicht. Der Versuch, darzulegen, daß alles in diesen Jahren gut und schön gewesen sei, diese Dar— legung pro domo und pro domino muß zurückgewiesen werden Es sind in der vergangenen Zeit sehr erhebliche Fehler gemacht worden. Unter Fürst Bülow ist das Verhältnis zu England nicht wesentlich gebessert worden. Die Preisgabe des Rückhalts an Rußland ohne eine Anlehnung an England hat große Reibungen zur Folge gehabt, und daran knüpft sich die starke Verschiebung außerhalb Europas an Ko— lonialbesitz und Interessensphären, an denen Deutschland wegen diefer Gegensaäͤtze keinen entsprechenden Anteil gehabt hat. Auch der Abg. Bassermann hat einmal ausgesprochen, daß andere Länder ihre Gebiete erweitern, und daß dies immer in Deutschland mit einer Militär—⸗ vorlage endet. Ich freue mich mit dem Reichskanzler, daß die Londoner Konferenz die solidarischen Interessen Europas erkannt und zusammengehalten hat. Ich hoffe, daß die künftige Vertragspolitik der Regierung in Zukunft von der Presse nicht mehr so scharf au— gegriffen, sondern unterstützt werden wird. Bei dem Kongoabkommen war die ganze Presse bemüht, die ungünstlgen Seiten hervorzukehren. Wenn wir hoffen, daß die Regierung möglichst günstige Verträge abschließt, so dürfen wir sie nicht angreifen, sondern müssen ihr sekundleren. Leider ist jetzt dle alldeutsche Presse schon wieder daran, die Vertragspolitik der Regierung im voraus anzugreifen. Der Gedanke an eine Einkreisung und Isollerung Frankreichs wird schon durch das Wort von den solidarischen Interessen Europas hin fällig. In Frankreich hält man den Augenblick für eine Annäherung günstig, und selbst der bisherige Ministerpräsident Barthou hat am 20. November seine Landsleute aufgefordert, ihre Regierung in diesem Bestreben zu unterstützen. Hier ist der pspchokogische Moment gegeben, und wir dürfen Frankreich jetzt nicht zuräckstoßen. Die parlamentarische Konferenz in Bern hat gezeigt, daß auf beiden Seiten guter Wille vorhanden ist, und es hat sich ein ständiges Komitee aus Parlamentariern beider Länder konflituiert. Die französische Presse ist gegenwärtig verständiger und ruhlger geworden und hat die Zaberner Angelegenheit mit wenigen Ausnahmen in würdiger Welse besprochen. Erfreulich ist, daß sich auf gewissen Gebieten eine Annäherung zwischen Deutschland und England vollzogen hat. Schreiter sie weiter fort, dann muß sich auch die politische Spannung in Europa vermindern. Man soll deshalb die Vorschläge eryglischer Minister über Ein schraͤnkung der Flottenrüstungen nicht verlachen. Hoffentlich erwächst aus dem n , Uebereinkommen der gegenseitigen Stärke zur

See üm Verhältnis von 16 zu 10 ein völliges Einbernehmen. Wir bedauern, daß wir in die chinesischen Verhältnisse nicht so, wie es bei England und Amerlka der Fall zu sein scheint, eingeweiht sind. Gerade China ist für uns außerordentlich wichtig. Durch unseren Polt paigeift gerade kleineren Staaten gegenüber schaden wir unserem An—= seben und schaffen Antivathien, dis unfere Gegner geschickt auszunutzen verstehen. Dazu gehört das Landunggverbot eines ausländischen Ver— gnügungsdampfers an der deutschen Küste und das Verbot des Vor⸗ trages von Amundsen in norwegischer Sprache. Erfreulscherweife hat man wenigstens im letzten Fall den Schaden wleder etwas aus— zubessern versucht. Die braunschweigische Frage ist hier gegenüber der früheren ,. in erfreulicher Ruhe behandelt worden. Das wird auch seine Rückwirkung auf Hannover nicht verfehlen. Graf Wedel ist Hannoveraner; er hat den preußischen Fandratzton sich deshalb nicht angeeignet und wurde vom Grafen Westarp aus diesem Grunde angegriffen. Aber auch der Freiherr Zorn von Bulach, der Kreis. direktor und die anderen Zivilbehörden wurden ebenfalls angeariffen. Wir haben die Verteidigung dieser Zivilbehsrden durch den Kanzler bier vermißt. Werden Militärbehörden angegriffen, dann stehen die Vertreter dieser hier sofort auf und finden höchst schneidige Worte. Wenn Zivilbehörden angegriffen werden, dann kommt der Reichs— kanzler und sagt, der eine hat den und der andere den anderen ange— griffen. Er wisse nicht, wer recht hat, und müsse erst abwarten. Er könne vielleicht später dazu kommen, sich eine Meinung zu bilden. Ich möchte den Kriegsminister fragen, ob den elsässischen Soldaten der Weihnachtsurlaub erst berfagt und später erst durch Eingreifen einer höheren Stelle wie der bewilligt worden ist. Auch möchte ich wissen, ob die Absicht besteht, Zabern die Garnifon zu entziehen oder nur einen Regimentswechsel zu vollziehen. Die bisherigen Reden des Reichskanzlers haben nicht beruhigend gewirkt Er hat eine Schlacht verloren, die er auch in den späteren Treffen nicht wieder gutgemacht bat. Das Vertrauen, das ihm wporenthalten worden ist, hat er sich durch dte folgenden Debatten nicht wieder erwerben können. Alle Parteien, auch das Zentrum. sind auf ihrem Standpunkt stehen geblieben, von dem aus fie das Mißtrauensvotum erteilt haben. Der Kanzler hat es eben nicht verstanden, den Kontakt mit uns herzustellen. Die Zaberner Angelegenhelt wurde zu einer holitischen, und da mußte er einschreiten. Weil er dies nicht tat, erhielt er das Mißtrguensvotum. Auf den Vorwurf des Grafen Westarp, er habe einen Rückzug angetreten, erklärte er, das sei nicht der Fall. Graf Westarp hat also den Kan

wieder das Vertrauen des Reich

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e ist, er will Es

zwischen dem Ist denn die Stellung des Reichs ch eine Einbuße an Vertrauen guf längere . Es gibt doch auch noch konstitutionelle e Lage des Reichskanzlers zu erschweren. Die Sozial demokraten begehen allerdings durch ihre rein demonstrative Haltung einen schweren Fehler. Wenn wir nicht weiter gekommen sind, so ist das mit eine Schuld der Sozialdemokratie, die infolge Parteibeschlusses erklären muß, wir lehnen jeden Etat ab. Es müßte eine kompakte Mehrheit beieinanderbleiben, um ein anderes Regiment zu erzwingen. Der Reichskanzler ist auch deshalb in einer sehr schlimmen Lage, weil er ein verfassungsmäßiges Mittel nicht gebrauchen kann, das sonst zu Gebote steht, die Auflöfung des Reichstags. Wie würde denn überhaupt ein neuer Reichstag aussehen? Die Partei des Ab— geordneten v. Gamp würde noch kleiner werden, und auch die des Abge⸗ ordneten Grafen Westarp würde dabei schlecht fahren. Besondere Schwierig⸗ keiten ergeben sich aus der falschen Staatstheorie, wonach sich der Staat in zwei Hälften teilt, in das Militär mit dem obersten Kriegsherrn an der Spitze und in das Zivil mit dem Reichskanzler an der Spitze, während über ihm maßgebend für seinen Willen wieder der oberste Kriegsherr steht. Es hesteht ein Uebergewicht der Militärgewalt über die Zivilgewalt, das in Wirklichkeit in der Verfassung nicht vorhanden ist. Nach der Verfassung sind die öffentlichen Gewalten dem verantwortlichen, leitenden Reichskanzler unterstellt, und er hat die Einheit zwischen beiden dadurch herzustellen, daß er an der Spitze des ganzen Staats— wesens steht. Dieser Aufgabe ist er in diesen Tagen nicht gewachsen gewesen; er hat dem Staate nicht gedient. Ein weiterer Mißstand für ihn, was ihm mildernde Umstände sichert, ist, daß der Herrscher, von dem er abhängig ist, sehr häufig nicht in Berlin zu perfönlichen Rückfragen anwesend islt. Diese Abwesenheit muß in krilischen Zeiten zu Un— juträglichkeiten führen. Der Reichskanzler war so unsicher, weil er nicht genau informiert war über dag, wa in der Sache oben gewünscht wurde. Diese ernste Gefahr war schon vor 5 Jahren in der Novemberzeit eine sehr sorgenvolle. Es handelt sich hier nicht, wie der Reich kanzler meinte, um einen Sturm gegen die Kaiserliche Ge— walt. Die Regierung muß gesundere Zustaͤnde herbeiführen. Auch dor. b Jahren wurden schwere Gefahren aus den Zuageständnissen des Jajsers gefolgert. Diese Befürchtung ist nicht eingetroffen. Aus der Reserve des Kaisers sind wesenkliche Vorteike hervorgegangen. Auch wegen Einführung der Oeffentlichkeit im Militärgerichte erfahren wurden seinerzeit ähnliche Befürchtungen laut, sie waren ebenso un⸗ begründet wie jetzt. Der Reichstag geht morgen in die Weihnachts⸗ ferien. Wir würden sehr froh sein, wenn wir unfern Wählern be— richten könnten, daß die vorhandenen Gegensätze durch ein Einlenken der Regierung ausgeglichen sind. Wir sind dazu noch nicht in der Lage. Sollte die Reichsreglerung bei ihrer jetzigen Haltung verharren, so würde Rs ein Fehler sein, wie er sich schon in diefen Wochen

schmerzlich fühlbar gemacht hat. Preußischer Falkenhayn:

Meine Herren! Ich bin leider dienstlich verhindert gewesen, den

Kriegsminister, Generalleutnant von

heutigen Beratungen von Anfang an beizuwohnen. Man hat mir aber gemeldet, daß der Herr Abg. Dr. Ricklin folgende Ausführungen gemacht hat:

Die Maßregel der Jagdscheinentziehung gegenüber den Ausländern es handelt sich um die Jagdscheine in Elsaß⸗Lothringen

ist auf Eingreifen der Milttärbehörde zurückzuführen. Dies hat der

Kriegsminister offen zugegeben. Wann das der Fall gewesen ist, welß ich nicht; wahrscheinllch hat es mein Herr Vorgänger zugegeben.

Der Grund hierfür ist nicht die Sorge um die Sicherheit des Reichs; nein, die Offiziere betrachten die Franzosen und Schwetzer als Konkurrenten um dle Jagdverpachtungen. Das ist der Grund für die Verweigerung der Jagdscheinerteilung an Ausländer.

Meine Herren, ich wollte diese Bemerkung nur niedriger hängen. (Lachen bei den Sozialdemokraten.) Der Vorwurf, für den mir jeder Ausdruck fehlt, richtet sich gegen den, der ihn ausgesprochen hat. (Sehr richtig! rechts.)

Der Hert Abg. Haußmann hat dann an mich die Frage ge⸗ richtet: ist es richtig, daß elsäͤssischen Rekruten der Welhnachteurlaub verwelgert worden ist ich nehme an, der Herr Abgeordnete meint die Rekruten im Elsaß und daß erst auf Eingreifen von höherer

„Landtage perhandeslt werden wird.

Stelle diese Maßregel aufgehoben worden ist? Ich glaube, schon in der Presse ist diese Frage verneint worden. Für die Heren aber, dig das nicht gelesen haben sollten, insbesondere für den Herrn Ab Haußmann, möchte ich diese Frage hiermit verneinen. 9

Ferner hat der Herr Abgeordnete gefragt: ist beabsichtigt, der Stadt Zabern die Garnison ganz zu entziehen und nicht nur dat Regiment zu tauschen? Meine Herren, es hat sich noch kein Anlaß ergeben, diese Frage überhaupt zu erörtern. Wie Sie alle wissen = und das hat der Herr Reichskanzler in Uebereinstimmung mit mij hier schon häufig betont —, schwebt die Untersuchung in diese Sache; und solange die Angelegenheit nicht geklärt ist, kann diese Frage überhaupt nicht an maßgebender Stelle erörtert werden. (Bei fall rechts. Lachen links.)

Abg. Dr. Oertel (dłons.): Man hat uns soeben ein schlimmer Schicksal prophezeit für den Fall, 29 der Reichstag . an, Der Abg. Haußmann hat uns zunächst prophezeit, daß wir uns dann zweiteilen würden; dann ist er in eine größere Erregung gekommen und hat uns sogar eine Dezimierung in Aussicht gestellt. Ich bitte ihn, sich den Kopf über uns nicht ohne Not zu zerbrechen; schon des wegen, weil niemand in diesem Hohen Hause denkt, daß der Reichdtag aufgelöst werden könnte. Wenn das aber doch geschehen follte so warten wir rubig ab, wie wir wiederkommen werden. Ich glaube nicht, daß wir halbiert oder dezimiert werden, sondern daß wir etwag stärker wiederkommen werden. Ich glaube auch nicht, daß wir nun durch nachbarliche Hilfe wiederkommen werden wie andere Parteien. Es kann nun nicht meine Aufgabe sein, sämtliche Etats zu erörtern Ich kann nur das, was mein Freund Graf Westarp gefagt hat, viel. leicht in einigen Punkten ergänzen und ihn besonders in Schu nehmen gegen einige sehr heftige Angriffe, und am Schluß gestatten Sie mir vielleicht, noch einige grundfätzliche Ausführungen zu machen Bei dem Etat selhst scheinen einige Unstimmigkeiten zu herrschen zwischen den Ausführungen des Grafen Westarp, des Abg. Erzberger und des Staatssekretärs. Diese Unstimmigkeiten können wohl h Ausschuß für den Reichshaushalt oder, wie es auf deutfsch heißt, n der Budgetkommission gelöst werden. Ich würde zu weit gehen, wem ich Ihnen die kleinen Freuden und die großen Schmerzen alle me— teilen wollte, die mir der Etat in seinen Emzelheiten bereitet. Der Abg, Erzberger hat mit Recht auf die Notwendigkeit größere Sparsamkeit hingewiesen. Ich kann ihm in dieser Beziehung folgen, wenn ich auch glaube, ihn in einigen Kleinigkeiten überzeugen zu können. Ich verspreche ihm, mich auf anderen Gebieten auch von ihm überzeugen zu lassen. Vielleicht üzerlegt er sich aber au einmal, ob es in der Zeit solcher Sparsamkeit angebracht ist, zwe Millionen über den großen Teich nach San Fran hc zu schicken. Ich komme nun mit einigen Bemerkungen zu der gefunden Grundlage un serer Finanzen. Die Bemerkung des Grafen Westarp, die ich für selhstverständlich halte, daß die Grundlage unserer Finanzgebarung gesund geworden ist, in der Hauptsache durch die Steuergesetz⸗ gebung, des Jahres 1909, ist bestritten worden. Wer aber einen Vergleich zieht, muß zugeben, daß durch, und nicht bloß nach der Finanzgesetzgebung von 1909 die Finanzen gefsunder geworden sind. Nun meint der Abg. Wiemer, das sei gleich; denn wenn man do0 M0 C900 bewillige, dann sejen diese eben da, aber sie seien auf die Schultern des Volkes gelegt worden. Vergessen Sie aber nicht, daß Sie selbst bereit waren, bis zu 400 000 06 dieser Steuern zu bewslligen. Man sollte nicht mit Steinen werfen, wenn man selbst, wenigstens bis zu einem gewissen Körperteil, im Glashause sitzt. leber die Vermögenszuwachssteuer hat der Abg. Wiemer einige freundliche Worte gesagt, aber nicht gerade zu uns. Vielleicht erinnern sich die Herren vom Jentrum einmal daran, daß unsere Warnungb⸗ rufe in dieser Beziehung nur wie ein Lied der Amsel in her Frühlingsluft waren. Ich weise auf den Hanfabund hin, der gesagt hat: Derartige Dinge dulden wir von unferen Anhängern in Reichstage nicht zum zweiten Male. Das klingt auch so ein weng nach Unke. Also, wir befinden uns mit unserer Gegnerschaft gegen die Vermögenszuwachssteuer in leidlich annehmbarer Gefellschaft. Wir Konserpativen wollten trotz aller Bedenken dem Reichskanjler alles so zu Füßen legen, wie er es gefordert hat, auch trotz unserer großen Bedenken gegen den Wehrbeltrag. Man sollte endlich mit dem kindischen Märchen aufhören, als hätten wir nichts bewilligen wollen. Nun zu unserer auswärtigen Politik. Der Reichskanzler hat mit einem ziemlich starken Optimismus gesprochen. Ich mache ihm das nicht zum Vorwurf. Man muß an solchem Punkte und in solchen Zeiten immer einen stark optimistischen Tropfen Oels auf die Wogen gießen. Aber der Abg. Haußmann hat doch etwas zu optimistisch gesprochen. Er hat sich in seinen Ausführungen merkwürdigerweise berufen auf einen früheren französischen Minister. Das mahnt doch zur Vorsicht. Wir sind friedlich gesinnt; aber die französischen Minister werden gar zu seicht frühere Minister; und was die späteren dann tun, das hängt zwischen den Knien der Götter. Friedlichen Stimmungen folgen minder friedliche. Wir werden gut daran tun, uns nicht in einen allzu starken Optimismus hineinzuleben. Im Ausland habe ich kaum eine Stimme gefunden, die den Reichskanzler unfreundlich angelassen hätte, aber durch alle diese Acußerungen klang boch, für den Wissenden vernehmlich, der Ton: za bisserl Lieb' und a bissen Treu und a bisserl Falschheit is allweil dabei.“ Die Politit, die wir dem Dreiverband gegenüber geführt haben, ist meineh Erachtenß durchaus richtig und durchaus selbstverständlich gewesen. Wir haben eg vermieden, das Mißtrauen unserer Dreibundsgenoffen zu wecken. Diese Festigkeit des Dreibunds ist unseren Nachbarn nicht ganz angenehm. Ich habe in einer französischen Zeitung gestern gelesen, es sei doch bedauerlich, daß Italien nicht daß alte Mißtrauen gegen Deutschland hege. Ez fängt also das an, was man im Volksmunde draußen „Stänkerei“ nennt. Ich bin überzeugt, die Dame Italien würde darauf verzichten, künfth mit uns zu tanzen, wenn sie von uns im Augenblick, wo es gi zusammenzuhalten, im Stich gelassen wird. Man kann darühz honigsüße Worte reden, aber das steht doch fest, daß uns mn gemeinsame Interessen zusammenhalten. Ich freue mich wirlst aufrichtig darüber, daß unsere Beziehungen zu Rußland 6 freundlich geworden sind. und daß hervorgehoben worden ift, daß unser Verhältnis zu England immer freundschaftlicher wird, md daß unser Verhältnis zu Frankreich als durchaus korrekt angesprochen werden kann. Auf diese Abstufung lege ich keinen Wert. Gz könnte ja sein, der Reichskanzler hätte sie nur aus Fprachlichen Gründen angewandt. England will mit uns Verträge schließen; das ist recht freundlich von England. Aber ich glaube nicht, daß es dazu geneigt sein würde, wenn es nicht wüßke, daß es dabei gut fährt. Ein Staat schließt doch keine Verträge, wenn er dadurch nicht Vorteile hat. Es würde ja töricht sein, wenn wir es anders machen wollten. Auch wir wollen, daß wir bel diesen Verträgen etwas herausschlagen. Mit 3 n lr sind unsere Beziehungen korrekt, es darf aber darauf hingewiesen werden, daß in der fran⸗ zösischen Presse immer noch chaupinistische Stimmen zu Hören sind. Zurüf ligts. Bel uns gibt es auch Chaubinisten ) Aber da find keine wirklichen, sondern nur sogenannte. Ein Organ, das der französischen Regierung recht nahe steht, hat uns auch in den letzten Tagen wieder mit Unliebenswürdigkeiten fast überschüttet. Es wäre, doch recht gut, wenn die franzöfische Regierung darguf hinwirken könnte, daß solche Unfreundlichkeiten ver mieden werden. Ich habe bisher in der „Norddeutschen All— gemeinen Zeitung? noch keine Bemerkung gelesen, die Frankreich hätte verletzen können. Nun komme ich zur inneren Politi⸗ Ueber die braunschweigische Frage äußere ich mich nicht. süge zu den auch mir sympalhischen Aeußerungen des Vertreterg des Herzegtum3z Braunschweig nichts hinzu, deswegen nicht, wei wir gestern gehört haben, daß die Angelegenheit im preußischen

Damjt will ich aber uicht daß sie nicht auch in den Deutschen Reichtztag gehört

(Fortseßzmng in der Jweiten Bellage.)

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en Staatsanzeiger. ESR.

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(Fortsetzung aus der Ersten Beilage.)

Ich gebe zu, sie gehört in den Relchztag. Aber wenn eine derartig gründliche Auseinandersetzurg im Landtage erfolgen wird, so liegt. für un kein Bedürfnis vor, sie hier auffurollen, zumal der preußische ndtag der geeignetere Platz hierfür ist als der Deutsche Reichstag. Gmas ausführlich muß ich über Zabern reden. Ich kann Ihnen auch mit oem Abg. Erzberger sagen: die Geschichte hängt auch mir srmlich zum Halse heraus. Ich kann aber darüber nicht schweigen, nachdem unsere Martei in dieser Angelegenheit auf das heftigste an—⸗ gegriffen worden ist. Wenn ich so manche nationalliberale Monatsschrist, und auch manches nationalliberale Wochenblatt und manche nationalliberale Tageszeitung lese, so glaube ich doch anrsehmen zu dürfen, daß unser Standpunkt von gewissen Kreisen der nationalliberalen Partei geteilt wird. Ich höre

Widerspruch. Der Abg. Giesberts lächelt. Ich glaube werter annehmen zu können, daß im Zentrum manche Herren sitzen, die sich gerade nicht von der Partei absondern die sich aber doch im stillen sagen, daß sie auf einem anderen Standpunkt stehen als die Partei. Den Reichskanzler habe ich gestern nicht recht perstanden. Es liegt jedenfalls an mir, daß ich ihn nicht verstanden Ich bedaure, daß der Reichskanzler gesagt hat, der Vertreter

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hahe. e ö sonfsf a ihen Partei habe in schwebende Verfahren eingegriffen. Ich muß dies mit aller Entschiedenheit zurückweisen. Um den Stand⸗ punkt noch einmal zu stizzieren, wiederhole ich, daß ich aller dings überzeugt bin, daß der Oberst in Zabern so gehandelt hat, wie er tatsächlich gehandelt hat; gestatten Sie, daß ich hier einen Gedankenstrich mache, daß er tatsächlich so gehandelt hat in der Auffassung, daß er Recht hatte, so handeln zu müssen. In⸗ wieweit das der Fall war, ist strittig und muß untersucht werden. warf uns vor, daß wir durch den Grafen Westaip den Staats— fekretär Zorn v. Bulach, den Statthalter, den Kreis direktor und die Zivilbehörden in Zabern heftig angegriffen hätten Vom Statthalter hat Graf Westarp nichts gesagt. Er hat nur eine Aeußerung der amtlichen „Straßburger Korrespondenz“ mitgeteilt, die allerdings auffällig erscheinen mußte. Ich lege das be— Telegramm hier auf den Tisch des Hauses

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treffende Wolff'sche ? ; 8 nieder. In dieser Wolff'schen Nachricht heißt der, letzte Satz: ‚Der Statthalter h ferner durch Kaiserliche Willengäußerung seste Gewähr dafür erhalten, daß die verfassungsmäßigen Zu— ständigkeiten künftig allgemein strengere Beachtung finden werden.“ Freiherr v. Gamp sagte dagegen, daß dem Grafen Westarp hier ein Malheur passiert ist, und der Abg. Erzberger rief zu, es stände nur strenge“ da. Hier ist das Telegramm. Wenn es ein Irrtum war, mußte das Wolffsche Bureau direkt berichtigen (Zuruf: Ist ja geschehen JJ). Ja, beute, nachdem gestern die Sache angeschnitten worden ist. Das kann uns nichts helfen. Es wird wohl niemand geben, der mit uns nicht der Uebereinstimmung ist, daß der letzte Satz in der ursprünglichen Fassung doch etwas bedenklich erscheint, Mehr haben wir nicht gesagt. Wenn der Staatssekretär nach den Vorgängen in Doönaueschingen und hier auf die Anfrage eines Blattes telegraphieren kann: Ich habe jetzt keine Veranlassung mehr, mein Ahschieds ureichen“, wenn er in einer solchen Zeit den Vertreter eines Blattes, dessen Parteizugehörigkeit es hier nicht ankommt, empfängt Ache Mitteilungen macht, so habe ich dafür kein Verständnis, Sie nicht, daß wir ihn stürzen möchten (Zuruf: Nein! nein) Der Abg. Ricklin hat ja gesagt, daß es das Bedauerliche an

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dem Vorgehen der Konfervativen set, daß der Mann dadurch nicht gestürzt, sondern nur gestützt würde. Aus einer Zeitungsnachricht ersehe ich, daß die elfaß⸗lothringische Zentrumgpartei gewillt sei, dem Staatssekretär Zorn v. Bulach das Gehalt nicht zu be⸗ willigen, um ihn zum Rücktritt zu nötigen. (Zuruf: Das ist falsch) Ich freue mich, wenn es falsch ist. Die Zentrumspartei im Deutschen Reiche ist eine sehr schlaue Partei. Wenn das auf die Zentrumepartei in Elsaß-Lothringen ahgefärbt hätte, dann wäre es wohl verwunderlich gewesen, wenn sie ihre Atsicht so verraten hätte. Ich kann nicht zugeben, daß das, was Graf Westarp gesagt hat, auch nur in einem Punkte unberechtigt ge— wesen und darüber hinausgegangen sei was ein Volksvertreter zu sagen die Pflicht und das Recht hat. Wir sellen Gesetzesverletzungen beschönigt haben. Aber gewisse juristische Schriftsteller sind mit uns in dieser Frage derselben Meinung (Zuruf des Abg. Gröber). Ich will mich ja später bon dem Abg. Gröber gern belehren lassen. Wir müssen aus dieser Angelegenheit herauskommen, und wir würden uns freuen, wenn wir so herauskommen können, ohne daß ein dauernder Nück—⸗ stand von Mißmut oder Gefahr bleibt. Der Reichskanzler hat versichert, er habe keinen Rückzug angetteten. Der Abg. Daußmann hat dann gewisser⸗ maßen humorinisch behauptet, er habe keinen Rückzug antreten können, weil er ihn noch nie auf dem Vormarsche geseben habe. Er hat aber bis jetzw doch in dieser Frage einen Standpunkt eingenommen, und er schien nach den ganzen Vorgängen auf einem andern Standpunkt zu stehen Wir haben darein zu reden. Die Entscheidung könnte höchst

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bedenklich

wünschen, daß das Heer nicht wankend gemacht wird und

h diesen Entscheldungen seine unbedingte und erste Pflicht voll ausführen kann, Hüterin der Krone gegen alle Angriffe und gegen alle Gefährdung der Sicherheit und Ordnung zu sein. (Zuruf von den Sozialdemokraten.“ Daß das allgemeine Wendungen sind, können doch auch Sie nicht sagen. Die Aeußerung meines Freundes Westarp „Himmeldonnerwelter“ ist keine allgemeine, sondern eine ganz besondere Wendung. Als preußischer Landrat konnte ihm. uruf: Umibermensch!) Es gibt Uebermenschen im Gegensatz zu Untermenschen. Als er dies Wort prägte, habe ich mich persönlich herzlich darüber gefreut. Es war einmal ein bischen Gewitterluft in einer ziemlich schwülen Atmosphäre. (Zurufe. Wenn Sie schreien, mit einem kleiner Grundzug des Lächelns Dabei, freue ich mich darüber. Egs ist so selten, daß ich mich über Sie freuen kann. Der Abg Ricklin warf meinem Freunde, dem Graren Westaip, vor, er habe die Bevölkerung Zaberns beleidigt und dadurch verdächtigt, daß er ihr nachgesagt habe, sie habe Be⸗ leidigungen und Belästigungen gegen Offiziere begangen. Graf Westarp hat von der Bevölkerung als solcher gar nicht gesprochen. Er sagte nur, daß Belästigungen vorgekommen sind, was ja der Kreisdirektor und auch der Abg. Ricklin selbst zugegeben haben. Es sollen aber nur halb wüchsige Burschen gewefen sein und diese gehören doch auch zur Bevölkerung. Die Frage des sogenannten Mißhilligungsvotums will ich nur kutz streifen. Ste dürfen es mir nicht übelnehmen, wenn ich mich auch g. ausdrücke, wie der Reichskanzler, dem man es ja verargt hat. Aber man kann sich in diesem Falle keines anderen Ausdrucks be— Nienen. Sie wollten doch formell kein Mißtrauensvotum aussprechen. Db Mißtrauengvotum oder Mißbilligungsvotum: solche zusammen gesetzten Worte ziehen einem bisweilen die Stiefel aus. Nun herrschen über den Weit eines solchen Votumz die verschledensten Anschauungen. Die Sozialdemokraten sagten: Selbstverständlich wollten wir es dim Fanzler nahelegen, zurückzutreten, und die Herren der fort⸗ CHhrittlichen Volkspartei sagten auch: Es soll, eine Stärkung . parlamentarischen Regiments sein. Der Abg. Erzberger kommt diesem Standpunkt bedauerlicherweise sehr nahe. Er sagte, es solle fie stärkere Waffe für den Reichstag sein. Die Worte des Abg. Gliberger heißen doch die parlamentartsche Regierung allmählich vor—

alle Mitglieder des Zentrums im Reiche hinter sich hat. Ich warte ab und bin neugierig, welche Ueberraschungen die Zentrumspresse vielleicht bieten wird. Wir warten auch ruhig ab, welche Folgen das Mißtrauen votum haben wird, nachdem der Kanzler selbst erklärt hat, er habe seine Entlassung nicht eingereicht, und er denke auch nicht daran Wir tun aber nicht mit auf der Bahn zum parlamentarischen Staat; wir lehnen das vollkommen und grundsätzlich ab. In einem Punkte muß ich dem Abg. Dr. Wiemer auf das entschiedenste widersprechen. Er hat mit einem gewissen Humor, der ihn ja so gut kleidet. gesagt, wenn die Sozialdemokraten mit ihrer Auffassung des Mißtrauens votums den Kanzler nicht von seinem Platze bringen können, so wäre es eigentlich logisch, daß sie nun die Mitarheit in diesem Hause ver⸗ sagten, und er fügte hinzu, das wäre noch törichter als der erst Standpunkt. Ich meine, das ist eine Beleidignng. Das wäre viel verständiger, das wäre sehr klug, das ware das tlügste, was die Sozialdemokraten in diesem Hause tun könnten. Was den Schutz der Arbeitswilllgen betrifft, so frage ich, ist, denn die Forderung eines stärkeren Arbeitswilligenschutzes lediglich eine konserbative Forderung? Die Nationalliberalen haben ein Kommission zur Prüfung dieser Frage eingesetzt; ich will sie nicht stören. Das Zentrum ist Preßstimmen zufolge vielleicht doch bereit, über kurz oder lang ebenfalls eine Kommission einzusetzen. Ist der fortschrittlichen Volkspartei die Haltung des Abg. Dr. Kopsch nicht bekannt? (Zurufe links.) Er ist nicht Doktor? Dann kann r es noch werden. Er hat im Lussenstädtischen Bezirksverein eine Rede gehalten, in der er von den Richtlinien des Hansabundes sagte⸗ sie verdienten eine eingehende Prüfung und Würdigung, nicht bloß de Personen willen, die sie aufgestellt haben, sondern auch wegen der ruhigen sachlichen Form, in die diese Vorschläge gellridet seien. Sie sehen also, wir stehen auch in diesem Punkte nicht allein. Wir wünschen ein Gesetz zum Schutz der Arbeitswilligen, und wir wünschen, daß die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer gleich behandelt werden. An dem Worte „Ausnahmegesetz“ stoßen sich manche, nennen wir er Sondergesetz. Wir wollen ein Sondergesetz, denn wir wollen nicht auf die allgemeine Revision des Strafgesetzbuches warten. Ausnahme⸗ gesetze sind auch im Zukunftsstaate möglich, wo ich als bartgesottener Monarchist einem solchen Ausnahmegesetz unterliegen könnte. Zuruf bei den Sozialdemokraten.) Ein Kollege will mich in eine Fabrik schicken, ich will dies tun unter der Bedingung, daß er mit mir kommt, und ich zu seinem Aufseher bestellt werde. Die Soyialdemo⸗ kraten entrüsten sich immer über das Wort Ausnahmegesetz“, Aus nahmebestimmung“. Ich möchte den Abgeordneten Gröber fragen, ob in dem Ausschuß über die Beratung der Zweikampffrage ein Sozial demokrat sich dahin ausgesprochen hat, daß Ausnahmebestimmungen unter Umständen sehr berechtigt seien; so hat es in der Presse gestanden. (Wider⸗ spruch). Gut, dann sehe ich davon ab, bitte aber darauf zu achten, daß wirklich keine Ausnahmebestimmung hineinkommt. Der Reichs kanzler hat nun gesagt, in dem künftigen Strafgesetzbuch werde ein besserer Schutz des Individuums gegen Kwalitienszwang geschaffen werden müssen. Ja, das heißt wiederum, die Sache au den Nimmer⸗ leinstag verschieben. Wir können dann etwa 7 bis 8 Jahre darauf warten. Der Reichskanzler hat weiter gemeint, man solle keine übertriebenen Erwartungen an die Revision des Strafgesetzbuches knüpfen. (Sehr wahr! Gewiß, aher gibt es irgend ein Gesetz, das alle Erwartungen befriedigt? Gibt es irgend ein Gesetz, bei dem nicht gesagt worden wäre, und bei dem man nicht sagen konnte, man dürfe keine übertriebenen Erwartungen daran knüpfen? Versuchen wi es doch einmal! Machen wir doch einmal ein brauchbares Gesetz! Der Reichskanzler erblickte in der Erregung des Allgemeinen Volke willens die einzige Hilfe gegen den Terroriemus. Desem Volkswillen muß die Volksvertretung helfend zur Seite stehen. Der Reichskanzler hat dann gesagt, und das war das einzig wertvolle, daß er den Staate sekretär gebeten habe, die Erfahrungen der anderen Länder zusammen— stellen und sie als Denkschrift dem Reichstage zukommen zu lassen Ich kann nur sagen: Etwas Dampf von seiten des Staatssekretärs und des Reichskanzlers; wir haben lange genug darauf gewartet. Auch das Zentrum hat ja derartige Enqueten und Denkschriften gewünicht. Wenn sie uns vorgelegt werden, können wir darauf bauen. Der Abg 2 r. Wiemer hat gesagt, Graf Westaip könne nicht als Vertreter des Mittelstandes auftreten. Die Organisation des Mittelstandes, die Organisationen des Kleinstandes, fast alle Handwerkerorganisationen haben sich auf den Standpunkt unseres Antrages gestellt, von der Industrie und den Handelskammern gar nicht zu reden. Wir haben auch in dieser Be⸗ ziehung eine Gefolgschaft weit über die Reiben unserer Parteigenossen ̃ . Ich kann meine Rede nicht schließen, ohne ein Wort der großen Frage der Wittschaftspolitik zu widmen Wir befinden ung ir einer zurückgehenden Konjunktur, in einer Zeit hoher Diskontsäßé, worunter besonders der Mittelstand leidet. Wir leiden unter der Ein fuhr aus ländischer Werte, die ich mit dem Abg. v. Gamp beklage. Es gibt eine gewaltige Arbeitslosigkeit, gegen die rechtzeitig Vorsorge getroffen werden muß, allerdings nicht durch eine Arbeitslosenversicherung. An gesichts aller dieser Verhältnisse müssen wir die Frage der Wirischarts politik tiefer auffassen und von einer höheren Warte betrachten insere Aufgabe ist es, die Gesundung des Wirtschastslebens herbeizu führen, die Stärkung des selbständigen Mittelstandes in Stadt und Land, des Handwerks vor allen Dingen, des Kleingewerbes., des mittleren Gewerbes, des seßhaften Klelnhandels. Was der Reichs⸗ kanzler bisher geboten hat, ist wenig oder fast nichts gewesen. Die kleine Vorlage, die uns zur Beschlußfassung vorliegt, bedeutet nur einen kleinen Tropfen auf einen brennenden Stein (Heiterkeit bei den Sozialdemekraten. Versteben Sie das nicht, wissen Sie nicht, daß es brennende Steine gibt? Der Reichstag kann hier die Initiative nicht übernehmen, er muß sie dem Reichskanzler überlassen. Jedenfalls müssen wir, wenn es sein muß, rücksichtslose Mtttelstandspolitit treiben. Die Sozialpolitik darf sich nicht darin erschöpfen, die Interessen der Arbeiter allein zu wahren, sondern auch die Interessen des kleinen Mittelstandes, der unter der Not der Zeit noch empfind⸗ licher leidet als die Arbeiter. Die Erhaltung eines kräftigen Mittelstandes ist mindestens so notwendig, wie die Erhaltung de Arbeiter. Und dann die Landwirtschaft. Bei einem früheren tiefen Konjunkturstande wurde zugegeben, daß diese Tiefkonjunktur deshalb so schnell überwunden sei, weil die Landwirtschaft kaufkräftig ge blieben sei. Ich frage; Wird die Landwirtschaft jetzt noch so kauf kräftig sein wie damals?? Wer die Verhältnisse kennt, wird diese Frage nicht unumwunden bejahen können. Kartoffeln und Getreide bleiben in ihrem Preise weit zurück hinter dem Durchschnittspreis der letzten 40 Jahre. Auch die Viehpreise sind zurückgegangen. Un— heimlich taucht das Gespenst der Maul- und Klauenseuche auf. Wert⸗ volle Viehbestände hat man vernichten müssen. Möge der NReichs⸗ kanzler sich dazu entschließen, mit allen Mitteln dafür zu sorgen, daß die Seuche nicht wieder über die Grenze geschleppt wird. Der Abg. Wiemer hielt es für fraglich, ob die deutsche Landwirtschaft in der Lage sei, den heimischen Bedarf zu decken. Bebel hat vor fünf Jahren auf dem Parteitag in Jena in bezug auf Körnergetreide den entgegengesetzten Standpunkt vertreten. Der Abg. Wiemer sprach dann von den Erfolgen des Grafen von Caprivi in der Wirt⸗ schaftspolitik. Ich will über einen Verstorbenen tein unfreundliches Wort sagen, aber Fürst Bülow hat den Grafen Caprivi in seinem Buche richtig gekennzeichnet ohne jede persönliche Gehässigkeit, Man mag nun über ihn denken, wie man will, das eine ist geradeju klassisch, daß hier bebauptet wurde, die deutsche Land⸗ wirtschaft sei unter der Regierung oder Kanzlerschast des

zubereiten. Das scheint mir bedauerlich zu sein. Er 16 weiter, wir müssen vorwärh auf diesem Wege. Ich weiß nicht, ob er damit

Grafen Caprivi erstarkt. Wollen wir auf diesem Gebiete weiter

kommen, so bedarf es der Einmütigkeit des Reichstags, der Einigkeit unter den schaffenden Ständen einschließlich der Arbeiter. Ich bin eine politische Kampfnajur und gewillt, das, was mir am Herzen liegt, mit der erforderlichen Entschiedenheit zu vertreten, aber wir können uns doch in manchen Fragen einander nähern. Man hat im Volke empfunden, daß dee schaffenden Stände, Industrie, Gewerbe, Handel, Landwirtschaft zusammengehen, sich zusammenschließen müssen zu gemeinsamer Arbeit. Meinungsverschiedenheiten werden immer bestehen, aber es gibt große gewaltige Dinge, wo man das Trennende über dem Einigenden vergessen sollte. Der Reichskanzler wird sich ein großes Verdienst erwerben, wenn er sich dazu entschließen könnte, in dieser Frage, die eine Frage der Zukunft sein wind, die Führung zu übernehmen. Dann würden wir alle, aber auch manche von denen, die jetzt nicht nur in dieser Frage, sondern auch in manchen anderen die Führung vermissen, ihm mit großer Freude und mit vollem Ver⸗ trauen folgen.

Abg. Dr. Paasche (ul.): Ich kann Ihnen nicht versprechen, soviel zur Heiterkeit beizutragen wie mein verehrter Vorredner. Die Sache ist zu ernst, um sich zu bestrehen, nur die Lacher auf seine Seite zu bringen. Die Art, wie Graf Westarp die Sache behandelt hat, ist mir lieber als die des Abg Oertel. Wie der Abg. Erzberger für das Zentrum, so kann ich auch namens meiner Freunde erklären, daß wir trotz des Eingreifens des Reichskanzlers absolut an dem Stand punkt festhalten, den der Abg. van Calker namens unserer Fraktion vertreten hat. Wir trelen nach wie vor dafür ein. Das haben wir zum Ausdrack gebracht, indem wir dem Antrage der Freisinnigen und der Sozialdemokraten einmütig zustimmten. Wir billigen ie Art und Weise, wie der Reichskanzler und der Kriegsminister den Zaberner Fall behandelt haben, nicht. Die Art, wie der Reichs⸗ kanzler von dem sogenannten Mißtrauensvotum sprach, das man ja leichten Herzens annehmen könnte, hat mir und meinen Freunden nicht gefallen. Diese ernsten Fragen kann man nicht damit abtun, daß man sagt, die Leute hätten ja gar kein Mißtrauensvotum abgeben wollen. Daß wir das nicht in dem Sinne wie die Abg. Scheidemann und Hoch tun wollten, ist selbstverständlich. Wir haben kein parlamentarisches Regime und denken nicht daran, uns Macht⸗ befugnisse anzueignen, die ung nach der Verfassung nicht zustehen. Wir denken nicht daran, zum Schaden des Reichs die Verhandlungen über den Etat aufzuhalten und dem Reichskanzler Schwiertg⸗ keiten zu machen. Das wäte eine schlechte Politik, und dazu sind wir nicht bereit, aber ein solcher Beschluß voa 293 Mitgliedern des Hauses ist doch mehr als eine einfache Verurteilung bei einer einzelnen kleinen Sache. Dazu hat der Zaberner Fall die Bevölkerung zu sehr aufgeregt, nicht nur im Reichsland, sondern überall in Deutschland, und die Art und Weise, wie er hier behandelt worden ist, ist doch so gewesen, daß dagegen ein Widerspruch seitens der bürgerlichen Parteien durchaus am Platze war. Es handelte sich nicht bloß um die Frage, ob ein Regiment zerlegt werden soll oder nicht. Es ist hier gesagt worden, daß ein O fizier besser täte, einen Beleidiger verhaften zu lassen, als ihn selbst niederzustechen, und ein konservativer Redner hat gestern inen, bewährten Rechtslehrer zitiert den Grundsatz, daß ein Offizier sich Genugtuung verschaffen müsse, wenn seine Ehre ver⸗ letzt sei, weil er, wenn er im Frieden seine Waffe nicht zu ge— brauchen verstehe, auch im Ernstfall keine Autorität habe. Diese Worte würde Ihering in diesem Fall sicherlich nicht wiederholen. Wir haben heute ein Volkeheer, das wissen wir alle. Da dienen nicht nur Rekruten, sondern auch Reservisten und Landwehrmänner, die bereits ihre eigene Existenz begründet haben. Sie werden willig ihren Führern folgen in Not und Tod, wenn sie Respekt haben vor der Tüchtigkeit der Offiziere. Keiner von den Leuten wird darum dem Leatnant gerne folgen, weil er weiß, der weiß seinen Degen zu ziehen und einen Mann niederzustechen. Die Disziplin wird in erster Linie daduürch gewährleistet, daß jeder seine Pflicht und seine volle Schuldig 'eit tut. Tut er das, dann geht die Mannschaft auch für die Offiziere durchs Feuer. Das ist gute alte deutsche Dem tüchtigen Führer, der auch für seine Leute einfteht, de seine Pflicht erfüllt, dem folgen die Leute gern. Sorgen Sie dafür, daß es so aussieht im Heer, dann werden Sie die Disz plin am besten wahren. Aber suchen Sie auch nicht den Schein zu er⸗ wecken, als ob nur der schneidige Leutnant, der gleich den Degen zieht, die Disziplin aufrecht erhalten könnte. Ich würde es aufs tiefste be—⸗ dauern, wenn dieser Unterton dazu führen sollte, daß der schneidige Leutnant bei uns mehr in den Vordergrund treten sollte Sorgen wir, daß ein recht kameradschaftlicher Geist heirscht, und daß vor allen Dingen das Verhältnis zwischen Volk und Heer ein möglichst günstiges wird. Nur dann kann wirklich mit Sicherheit auf Velk und Heer gerechnet werden in Fällen, vor denen uns das Schicksal bewahren möge. Auf einzelne Fragen will ich jetzt ncht näher eingehen. Der Reichskanzler hat ja selbst zugegeben, daß Gesetzwidrigkeiten vorlagen. Wenn Graf Westarp meinte, wir täten unrecht daran, durch unser sogenanntes Mißtrauensvotum in schwebende Verhandlungen einzu⸗ greifen, so muß ich sagen, wir haben keinen gerichtlichen Urteils⸗ spruch abgegeben, aber wir haben ein politisches Urteil abgegeben, und wir sind verpflichtet, die Rechte des Volkes zu wahren. Wir wollen hoffen, daß wir die Ueberzeugung haben können, daß militärische Uebergriffe in Deutschland nicht bestehen können. Wir denken nicht daran, solche Konsequenzen zu zieben, wie sie der sozialdemokratische Redner verlangt hat. Ich will nur auf eins hinweisen, was der Abg. Erzberger gesagt hat. Wir denken gewiß nicht daran, die Rechte der obersten Stelle anzugreifen. Aber wir wollen auch die Rechte des Reichstags wahren. Wir haben auch das Recht, unser eigenes Recht nicht nur zu erhalten, sondern auch mit der Entwicklung der Zeit weiter zu führen. Darin stimme ich dem Abg. Erzberger zu. Wir können uns nicht verbehlen daß man in manchen Kreisen dazu neigt, den Reichstag wenig mit der Achtung zu behandeln, die ihm als Vertreter des Volkes zukommt. Das hat auch das Verhalten der Regierung bei der Beratung der großen Wehrvorlage im vergangenen Sommer gezeigt, wo den berechtigten Wünschen des Reichs ages nicht die nötige Berücksichtigung geworden ist. Eine Krit k des Etats im einzelnen will ich mir in dieser vorgerückten Stunde versagen. Einzelnes von dem, was der Abg. Erzberger gesagt hat, kann ich ohne weiteres unterschreiben. Ich will das eine unterstreichen, daß wir unbedingt für die Beseitigung des Duelljzwanges ein⸗ treten. Ich hoffe, daß hier bald eine Besserung ö. eintritt. Ich muß das Erfreuliche hervorheben, daß es hei uns inöglich ist, einen solchen Etat aufzustellen, in dem eine wirkliche Minderung unserer Schulden vorgesehen ist. Sehen Sie in andere Länder, e die Staatsrenten so übermäßig stark gefallen sind. (Zuxuf des Ab⸗ geordneten Gothein: Bei uns auch!) Aber nicht so schlimm, 6 Vollege Gothein. Gelegentlich der Balkankrise hat man in manchen Kreisen geglaubt, Deutschland könne finanziell ausgehungert werden. Was sehen Sie aber heute? Unsere Großindustrie und unsere Klelnindustrie stehen nicht schlechter da als die anderer Länder, wenn sie auch jede ihren Packen zu tragen haben. Wir haben seit der Finanzreform des Jahres i909 große Fortschritte gemacht. Wir sind mit dem Betrag unserer Effektivanleihe bis auf. 17 0090 009 heruntergegangen. Man hat behauptet, das Ausland würde über den deutschen Wehrbeitrag spotten. Das ist nicht richtig. Im Ausland bewundert man das deutsche Volk, daß (8 verstanden hat, seinen Kredit durch eine einmalige starke Besitzbesteurung wieder zu heben. Wir dürfen darauf hoffen, daß die Finanzen dauernd gesund erbalten werden,

wenn etäß dem Staatesekretär gelingt, die Sparsamkeit durch

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