auf die evangelischen Gewerkschaften einzuwirken versucht, für die gelben einzutreten. Im Ruhrrevier hat man sie, weil sie sich dessen
eigerken, drangfaliert, ja man hat sogar einen Pfarrer aus dem Amte ,. weil er nicht für die Gelben eintreten wollte. Ebenso ist ein Arbeiter, der sein Amt in der Gemeindevertretung 66 den Wünschen der Zechenverwaltung k wahrgenommen hat, gemaßregelt worden. Der ö errorismus ist ja überhaupt derjenige, der nicht an die Seffentlichkeit tritt, sondern im geheimen geübt wird. Die Behinderung, die Koalitionsfreiheit nach eigenem Ermessen aus- zuüben, die Behinderung dieser Freiheit durch die privaten Arbeit⸗ geber wie durch den Staat zu beseitigen, wäre wirklich ein verdienst liches Werk. Der Staat gibt auf diesem Gebiete ein sehr ungünstiges Vorbild. In staatlichen Forst⸗ und anderen Betrieben haben wir sehr tadelnswerke Beispiele dabon erfahren; hierin liegt * eine . der so beklagens werten Landflucht. Das Streikpostenstehen darf nicht verboten werden, sonst wird die Koalitionsfreiheit für den Kampf der Arbeiter um beffere Arbeits- und Lebensbedingungen zu einer stumpfen Waffe. Daß der Schutz gegen Mißbrauch nur auf dem Boden des ge⸗ meinen Rechts erfolgen soll, darin kann man dem Kanzler zustimmen; aber es muß hier volle Parität herrschen, 1 gelten gleichmäßig für Arbeiter und Arbeitgeber, Was aber die Strafgesetzkommission bis jeßt als diesen besseren Schutz formuliert hat, ist für die Arbeiterschaft unannehmbar, es stellt sich als Ausnahmegesetz gegen die Arbeiter dar. Wenn die zugesagte Denkschrift von diesem Standpunkt der Parität ausgeht, wird sie die spätere Verständigung über die zu ergreifenden Maßnahmen sehr erleichtern. Die Rufe, die jetzt er he. erschallen, daß man mit der Sozialpolitik Halt machen müsse, daß dieses Auto— mobiltempo eingestellt werden müsse, sind so verfehlt wie möglich. Daß in solchem Tempo niemals vorgegangen ist, zeigt uns ja schon die Geschichte der Sonntags ruhe, und wieviel fehlt noch auf dem Ge— biete des Bau⸗, des Bergarbeiterschutzes, des Schutzes der Frau in der Fabrik wie in der Landwirtschaft. Der kleine Bauer kann sich nur noch halten, wenn er und seine Frau angespannt mitarbeitet, wir dürfen nicht bei der Fabrik und beim Handwerk Halt machen, sondern eine wahre Mittelstandspolitik muß auch die Kleinbauern mitumfassen. Den Organisationen der Arbeiter muß ihr richtiger Platz in unserem Wirtschaftsleben angewiesen werden, und ihre Förderung, nicht ihre Behinderung muß das Ziel sein. Nur dann wird Deutschland seinen Platz unter den Völkern behaupten.
Abg. Seyda (Pole): Das Auftreten des Kanzlers nach dem Mißtrauensvotum mußte bei der Fünfsechstelmehrheit, die es beschlossen, ein peinliches Gefühl auslösen, das ich nur als ein Gefühl der Be⸗ schämung bezeichnen kann. Er hat die 293 als quantité negligeable, als ein Nichts betrachtet. Ist es stgat rechtlich erträglich, wenn die Vertretung eines Volkes von t6 Millionen absolut keinen Einfluß hat? Die „Post“ konnte es sich leisten, zu schreiben, daß diese Mehr⸗ heit alsbald Angst vor ihrer eigenen Courage bekommen würde. Der Kanzler hat die internationale Lage in recht rosigem Lichte geschildert. Im nahen und fernen Orient ist Konfliktsstoff mehr als genug vor— handen. Kann es Rußland und England gleichgültig sein, wenn das erste türkische Armeekorps von einem deutschen General kommandiert wird? Was die Balkanfrage anlangt, so haben wir den Freiheitskampf der christlichen Balkanvölker mit voller Sympathie begleitet. Bei dem zweiten Balkankriege sind außerhalb stehende Kräfte treibend gewesen nach dem Grundsatz: divide et impera, um Zwist unter den Ver— bündeten anzustiflen und aus deren Zerfleischung Vorteil zu ziehen. Dies sollte ein Menetekel für alle diejenigen Staaten sein, welche gegenüber nationalen Minderheiten eine rücksichtslose Unterdrückungs⸗ politik verfolgen. Wer eine solche unmoralische, kulturwidrige Politik verwirft, wird es freudig begrüßen, daß England endlich den Irländern Gerechtigkeit widerfahren läßt. Nun Rußland und Preußen halten natürlich an ihrer brutalen Unterdrückungspolitik fest. (Vizepräsident Dr. Paasche: Ich kann eine solche Kritik nicht zulassen, ich kann nicht zulassen, daß Sie von einer Unterdrückungspolitik der preußischen Regierung sprechen. Rußland schickt sich an, von Finnland das Gou⸗ vernement Wiborg abzutrennen, um es besser drangsalieren zu können. Auf Preußen komme ich noch zurück. Der Reichskanzler hat mit großer Wärme vom Dreibund gesprochen. Fürst Bülow hat gesggt, daß, ab— esehen von Italien, Oesterreich der einzige Bundesgenosse wäre, den Ben fle, habe. Der Kanzler mußte allerdings zugeben, daß gewiss Meinungsverschiedenheiten zwischen uns und Oesterreich bestanden haben. Ich will an dem Ernst seiner Erklärungen und der des Grafen Berchtold nicht zweifeln. Ein Bündnis kann aber heute zwischen zwei Staaten auf die Dauer nur dann bestehen, wenn nicht bloß die Re⸗ gierungen, sondern auch die Völker davon durchdrungen sind, daß das Bündnis ein Lebensinteresse beider Staaten darstellt. Nun, die sich hoher Protektion erfreuenden Alldeutschen wollen von einem Bündnis mit Oesterreich nichts wissen und betreiben offen die Angliederung der Deutschen Oesterreichs an Deutschland. Ich verweise guf den gestrigen Artikel der „Staatsbürgerzeitung“. Professor Hans Delbrück bezeichnet die Alldeutschen mit Recht als die größte Gefahr für Deutschland. In DOesterreich sind diejenigen, die den Dreibund nicht wollen, zahlreicher als die Dreibundgegner in Deutschland. Man be⸗ trachtet in Oesterreich die Haltung Deutschlands nach dem Bukarester Frieden als einen direkten Gegensatz zur Nibelungentreue und als einen Verrat an den Lebensinteressen Oesterreichs, ob mit Recht oder Un— recht, lasse ich dahingestellt. Man scheint sich nach anderen Bundes⸗ genossen umzusehen, und die Reise des österreichischen Thronfolgers nach England im jetzigen Zeitpunkt darf nicht unbeachtet bleiben. Daß Oesterreich und England sich Neutralität im Mittelmeer zugesagt haben, wird ebenfalls den Interessen des Dreibundes wenig förderlich sein. Wie . die slawischen Völker Oesterreichs Vertrauen zum Dreibunde haben, wenn sie sehen, wie der führende Staat gegen die slawische Bevölkerung einen systematischen Vernichtungskampf führt. Wenn der Reichskanzler den Dreibund festigen will, so mag er vor allen Dingen den preußischen Ministerpräsidenten veranlassen, diese Verfolgungspolitik gegen die Polen einzustellen. Der Zaberner Fall ist kein Ruhmestitel, weder für die Armee, noch für den Kriegsminister, noch für den Reichskanzler. Die Bestrafung der Rekruten wird auch gerade nicht zur Beruhigung beitragen. Von dem Amtsrichter Knittel behauptete der Kriegsminister, daß ihm von amtlicher Stelle der Vorwurf einer antinationglen und antimonarchischen Gesinnung nicht gemacht sei. Aber seine Versetzung ist doch gerade wegen seiner Be⸗ teiligung an der Landtagswahl erfolgt; diese . ist eine Maß⸗ regelung. Der Kriegsminister will die politische Betätigung eines Offiziers im Beurlaubtenstande nur zulassen, wenn sie in nationalem Sinne erfolgt; darunter versteht er deutsch⸗national. Ein Pole oder ein Däne kann also nicht Offizier in der deutschen Armee sein, die Wehr⸗ gesetze kennen aber nur Reichsangehörige und machen keinen Unter—⸗ schied zwischen der deutschen, dänischen oder polnischen Nationalität. Der Standpunkt des Kriegsministers ist verfassungswidrig. Deutsch⸗ land ist kein Nationalstaat in dem von dem Kriegsminister beliebten Sinne. Die gegen die Polen gericht Gesetze sind keine Rechts⸗ gesetze, sondern die in die Form von Gesetzen gebrachte offene Ge⸗ walt, die eines modernen Kulturstaates un würdig ist. In der Ent⸗ eignungsfrage hat ja der Reichstag dem Kanzler bereits sein Miß⸗ trauensvotum ausgesprochen. In nichtgeschlossenen Ortschaften darf bekanntlich ein Wohnhaus nicht ohne Genehmigung des Präsidenten der . , . errichtet werden. Im Kreise Straßburg wurde einem Mühlenbesitzer nicht gestattet, neben seiner Mühle eine Wohnung für seine sechzehnköpfige Familie oder auch nur eine Wasch⸗ küche zu errichten. Der Landrat fürchtete, daß in dieser Waschküche das Essen für die Familie gekocht oder die Waschung der 14 Kinder vollzogen werden könnte. Der Mann errichtete in einem Erdloch in der Böschung des vorbeifließenden Baches eine Wohnung. Der deutsche Ostmarkenverein hat Preise für Ostmarkenromane ausgesetzt, um die Bevölkerung für die Ostmarken zu interessieren. Vielleicht könnte diese Sache einem Bewerber zu einem Preise verhelfen. Mit den Gesetz⸗ widrigkeiten auf dem Gebiete des Vereins⸗ und Versammlungsrechts könnte man Hände füllen. In Posen waren an dem Grabdenkmal des . sten polnischen Dichters Sienkiewicz ein Kranz und einige Blumen köpfe niedergelegt worben. Die Polizei wollte diese 6 gefährlichen
enstände k Dazu mußten aber die Polizisten über das geschlossene Gitter klettern. Das zahlreiche Publikum lachte darüber, wurde aufgefordert useingnderzugehen, und da das nicht schnell genug
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geschah, wurden 38 Personen verhaftet und wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt angeklagt und verurteilt, darunter auch ein sächsischer Handelsreisender aus Dresden, der Pfui! gerufen hatte. Die Leute wurden auch von den Polizisten mit polnischer Hund!“ und „polnisches Schwein“ beschimpft. Gegen das Gericht surtell wird Berufung ein⸗ gelegt werden. Der geringste Unterricht in der polnischen Sprache ist verboten. Die Polizei verfolgt es sogar, wenn privatim auf Wunsch der Eltern den Kindern Unterricht in der polnischen Sprache erteilt wird. Ein Verstoß dagegen wird mit Geldstrafe, ja sogar mit Gefäng—⸗ nis e ft ö werden sogar aus dem Gymnasium ent⸗ fernt, weil sie polnische Bücher gelesen haben. Ein derartiges System, wie es uns gegenüber zur Anwendung kommt, ist eines Kulturstaates unwürdig. Wir müssen es mit aller Entschiedenheit bekämpfen. Der Reichskanzler müßte dies auch selber anerkennen, aber er fördert diese Politik von Reichs wegen. In dem Etat finden wir schon wieder eine Position für die Ostmarkenzulage, Es ist, doch eine unerhörte Zu⸗ mutung, daß man dem Reichstage diese Position wieder vorlegt. Der Abg. Dr. Spahn hat in bezug auf das Jesuitengesetz gesagt, daß die katholischen Wähler nun bald die Geduld verlieren werden, wenn das Jesuitengesetz nicht endlich beseitigt wird. Mit wieviel höherem Recht müssen unsere Wähler sagen, daß sie ihre Geduld verlieren werden, wenn mit diesem Unterstützungssystem nicht bald aufgehört wird. Sie haben bis jetzt ihre Geduld noch nicht verloren, aber wir können nicht garantieren, wie lange es noch so gehen wird. Ein derartiges System, wie es den Polen gegenüber geübt wird, muß ganz unhaltbare SM. schaffen.
Abg. Alpers (Hann.): Der Reichskanzler hat in seiner Rede von der Wahrung der deutschen Interessen in Kleinasien gesprochen und davon, daß diese zum Gegenstand internationaler Verhandlungen gemacht werden. Wir freuen uns dieser Erklärung des Reichskanzlers, die die Befürchtungen zerstreut hat, die vorher bestanden haben. Gegenüber den großen Weltreichen wie Großbritannien und Ruß⸗ land, die in ihren Grenzen alles, dessen sie bedürfen, . steht Deutschland ganz anders da, da wir in unseren eigenen Grenzen nur ein enges Wirtschaftsgebiet haben. Wir freuen uns deshalb der großen Ziele des deutschen Handels. Wir würden aber gern auch Über die künftige Handelspolitik eine Aeußerung hören, wie sie in Oesterreich gemacht worden ist. Die beiden verbündeten Staaten be⸗ sitzen die Möglichkeit, Donau abwärts ihre Handelsinteressen zur Geltung zu bringen, ohne daß die politischen Rechte anderer Staaten dadurch irgendwie beeinträchtigt würden. Wir unterstützen die Balkan⸗ politik Oesterreich⸗Ungarns. Wir freuen uns, daß der Reichskanzler bon dem erfreulichen Fortschreiten der Besserung unseres Verhältnisses zu England sprechen konnte. Das gibt mir Veranlassung, auf die Vorkommnisse in der alldeutschen Presse hinzuweisen, die diesem Fort⸗ schreiten hinderlich sind. Die alldeutschen Verlautbarungen werden im Auslande mit einer Wichtigkeit behandelt, die ihnen gar nicht zu⸗ kommt. Wir erheben Einspruch gegen dieses künstliche Schüren der Gegensätze zwischen zwei so nahe miteinander verwandten Völkern wie England und Deutschland. Wie nahe beide Völker miteinander verwachsen sind, das lehrt die Handelsstatistik; und ein Krieg zwischen beiden wäre der helle Wahnsinn. Wir Welfen lehnen die sozialdemo⸗ kratische Forderung auf Ablehnung des Etats ab. Man hat uns ge⸗ sagt, wir sollten unsere Partei jetzt nach der Thronbesteigung des Prinzen Ernst August in Braunschweig auflösen. Dem Abg. Paasche muß ich aber erwidern, er möge erst darauf hinwirken, daß in Hanno⸗ ver die Nationalliberalen und die Alldeutschen nicht in der Weise, wie sie es jetzt tun, die Welfen bekämpfen. Da wird behauptet, die Welfen hätten die Absicht, das Königreich Hannover auf gesetzlichem oder ungesetzlichem Wege und mit Hilfe des Auslandes wieder her— zustellen. Ein Beweis dafür ist gar nicht versucht worden; und wir müssen auf das schärfste gegen eine solche Unterstellung Einspruch er⸗ heben. Wir müssen auch dagegen Einspruch erheben, daß man, in⸗ dem man uns nicht Deutsch⸗Hannoveraner, sondern Welfen nennt, uns zu einer rein dynastischen Partei stempeln möchte. Wir freuen uns. daß die Hohenzollern die Hand zum Frieden gereicht haben, aber man ol nicht glauben, daß durch das Entgegenkommen Preußens nun alle Ansprüche hinfällig geworden seien. Wir nennen uns Deutsch⸗ Hannoveraner, weil wir die rechtmäßigen Ansprüche in Hannover zur Feltung bringen wollen. Zu dem Krieg von 1866 lag gar keine Ver⸗ anlassung vor, darum war der Krieg ein Unrecht, darum war auch die Annexion ein Unrecht, und darum fordern wir die Beseitigung des Unrechts. Wir sind Christen und gründen unser Urteil auf das Recht selbst. Niemals kann etwas, was 1990 Jahre im Unxecht ge— wesen ist, auch nur für eine Stunde zu Recht werden. Daß die Annexion mit christlichen Grundsätzen nicht vereinbar ist, hat selbst das Oberhaupt der christlich⸗katholischen Kirche erklärt. Wir sind Föderalisten und keine Partikularisten. Die ganze Entwicklung Deutschlands hat zum föderalistischen Standpunkt geführt, und die Annexion führt von diesem Wege ab. Wir sind Monarchisten. Dieses Prinzip wurde aber durch die Annexion bei uns verletzt. Die Annexion ist eine Revolution von oben. Diese Annexion aufrecht zu erhalten, heißt, die Revolution zum Ziele führen. Die gewaltige Ausdehnung der Sozialdemokratie ist ja nur zurückzuführen auf ihre konseguente Ausnutzung der Revolution von oben. Wir freuen uns, daß der Reichskanzler das Recht des Landes Braunschweig ausdrücklich als Grund des Bundesratsbeschlusses vom 27. Oktober hingestellt und da⸗ mit im vollen Umfange anerkannt hat. Auch der Bundesratsbevoll⸗ mächtigte von Braunschweig hat dies ja in seinen Ausführungen unter— strichen und dabei nicht nur die Loyalität des braunschweigischen Volkes, sondern auch des Fürsten betont. Auf Grund dieses aner⸗ kannten Volksrechtes fordern auch wir die Selbständigkeit des doch auch kerndeutschen Hannovers, das ebenso treu zu Kaiser und Reich steht wie Braunschweig. Uns Hannoveranern ist es unverständlich, warum nicht neben den übrigen deutschen Königreichen Raum sein soll für ein Königreich Hannober. Der Kanzler führte aus, die Annexion Hannovers durch Preußen habe zur Reichsgründung ge⸗ führt; aber Bismarck hat ja selbst einmal die Vergrößerung Preußens durch die Annexion für ein Unglück bezeichnet. Uns ist es unver— ständlich, warum das Königreich Hannover, das 1866 neutral bleiben wollte, von der Landkarte gestrichen werden mußte, im Gegensatze zu den andern Königreichen, die mit Oesterreich verbündet waren. Von einem Rechte der Eroberung darf man doch unter deutschen Brüdern nicht sprechen. Deshalb hätte man wenigstens 1870 Hannover wieder herstellen sollen. Es ist uns unerträglich, daß wir geringeren Rechtes wie andere Stämme sein sollen. Wir wollen frei sein und gleich⸗ berechtigte Brüder. Auf jeden Fall sollte man aber verzichten auf die kleinlichen Mittel der Schikane und Vexationen. Diese Maß⸗ nahmen schaffen Erbitterung, für die wir jede Verantwortung ah⸗ lehnen. Der Reichskanzler sagte aus Anlaß des Falles Zabern, wir würden im Elsaß nicht vorwärts kommen, wenn wir nicht von dem ganz fruchtlosen Bestreben ablassen, aus dem süddeutschen Reichsländer einen norddeutschen Preußen zu machen. Fruchtlos wird auch das Bestreben sein, aus einem sächsischen Hannoveraner einen ostelbi⸗ schen Preußen zu machen. Gewinnt nicht das Deutsche Reich nach innen und außen, wenn das Königreich Hannover wieder hergestellt wird? Hannover ist zu jedem Opfer bereit, für das Wohl des Reiches überall einzutreten. Der Herzog von Hraunschweig hat in seinem Briefe an den Reichskanzler den gegenwärtigen Besitzstand Preußens anerkannt. Darin liegt aber keine Anerkennung des Rechtszustandes und kein Verzicht auf Hannover, weder direkt noch indirekt. Auch wir wollen unserem angestammten Königshause treu bleiben. Des⸗ halb sind wir auch mit dem Erfolge des braunschweigischen Volkes zufrieden. Wir haben zu erklären, auch wir Deutsch-Hannoveraner erkennen den gegenwärtigen Besitzstand an. Wir sind bereit, diesen Besitzstand gegen alle äußeren . zu verteidigen. Aber trotzdem werden wir niemals aufhören, mit allen Mitteln, die Verfassung und Gesetze uns gestatten, die Wiederherstellung des Königreichs annober im Rahmen des Deutschen Reiches zu betreiben. Dieser Kampf ist uns im vollsten Sinne des Wortes eine heilige Pflicht, auf deren Erfüllung wir zuversichtlich hoffen. Wir denken dabei an das Vor⸗ bild unserer Väter, die vor 100 Jahren einen ähnlichen Kampf durch— gefochten haben.
Abg. Dr. Da vid (Soz): Der Vorredner hat gemeint, dle Annexion Hannovers durch Preußen sei mit ein Grund gewesen für
das Wachstum der Sozlaldemokratie und er hat daraus unsere moralische Pflicht bergeleitet, daß wir ung mit ihm auf den gleichen Standpunkt des ewigen Rechtes stellen sollen. Da müßte ung erst eine Karte vorgelegt werden, auf der man die Gestalt der deuischen Länder erkennen könnte, wie sie mindeftens seit Christi Geburt ge. wesen ist. Das ewige Recht fängt doch nicht mit dem Jahre 1855 an. Solange, wir nicht ermessen können, wie groß eigentlich das Königreich Hannover seit Christi Geburt gewesen ist, können wir aus praltischen Gründen auf einen solchen Boden nicht treten. Der Vorredner vertritt übrigens nur dynastische Rechte, nicht Volksrechte In der Stadt Han— nopver besteht noch heute ein, Städterecht auß der alt⸗ hannoverschen Zeit, wongch es der Sozialdemokratie unmöglich ist, auch nur einen in Vertreter in die Stadtverordnetenversamm lung zu schicken. Wünscht denn etwa das hannoversche Volk eine Um— gestaltung der äußeren polttischen Verhältnisse? Die Mehrheit Han— novers verlangt vielmehr eine Rechtsumgestaltung, wie sie die Sozial— demokratie will. Der Einzige in den Kreisen der Regierung, der mit dem Verlauf dleser Etatsdebatte zufrieden ist, ist sicherlich der Reichsschatzsekretär. Man hat ihn gelobt, daß es ihm endlich ge— lungen sei, den Reichshaushaltsetat endlich ins Gleichgewicht zu bringen. Das ist eigentlich kein Kunststück, seitdem wir die reinen Einnahmen durch laufende Steuern um eine Milliarde jährlich erhöht haben. Lobenswert ist der von ihm ausgesprochene Grundsatz der Sparsam— keit, nur darf die nicht an einem falschen Punkte erfolgen. Wir verlangen, daß die 240. — M den Familien, die den vierten Sohn beim Militär haben, möglichst rasch ausgezahlt werden. Der Staats sekretär sagte weiter, hinfort sollten Anleihen nur noch für werbende Zwecke gemacht werden. In Konsequenz dieset Grundsatzes müßten Rüstunge vorlagen nicht durch Anleihen, sondein nur durch Wieder—⸗ holung des Wehrbeitrages gedeckt werden. Wird es aber auch dem Staate sekretär gelingen, einem solchen soliden , Geltung zu verschaffen? Graf Westarp und seine Freunde wollen von einer Wirderholung des Wehrbeitrages, der Besitzsteuer nichts wissen, mit anderen Worten, sie wollen neue Rüstungsvorlagen durch neue in— direkte Steuern bestreiten. Es ist wertvoll, dies ausdrücklich zu be⸗ tonen. Ginge es nach der rechten Seste, so bekämen wir eine neue Rüstungsvorlage schon morgen. Die Rüstungetreiber gehören der kon—⸗ servativen Partei an. In ihr sitzen nicht nur Milltärs, sondern auch Rüstungzlieferanten. Der bayerische Ministerpräsident von Hert⸗ ling hat gefordert, daß die Heeresrüstungen aufhören, und er hat diesen Standpunkt auch in den maßgebenden Kretsen vertreten, also wohl in den Berliner Kreisen. Wir begrüßen das, erwarten aber, daß den Worten auch die Taten folgen. Wir hoffen, daß der Reichstag mit uns einer künftigen Rüstungsvorlage ein Nein ent— gegensetzt. Wir können die Sicherheit des Vaterlandes am besten durch internationale Verständigung gewährleisten. Auf diesem Gebiete
sind schon ein paar kleine Zeichen des Fortschritts zu verzeichnen.
Unser Verhältnis zu England ist freundlicher geworden; ein Ab⸗ kommen mit England über die kolonialen Interessen ist im Werke. Wir werden solche friedlichen Verständtgungen immer unterstützen. In der Bereitwilligkeit zur gin st e n ng ist England viel weiter gegangen als unsere Regierung. Nach den Erklärungen des Lord Churchill will England seine Flotte im Verhältnis zu Deutsch⸗ land nur weiter ausbauen, wenn Deutschland dasselbe tut. Danach fällt Deutschland die Verantwortung für die Flottenrüstungen zu. Auch zu Frankreich sind unsere Beziehungen freundschaftlicher geworden. Die Mehrheit der Bevölkerung ist in Frankreich wie in Deutschland friedliebend. Deshalb haben auch die Re— gierungen die Pflicht, das friedliche Verhältnis auszubauen. An der interparlamentarischen Konferenz in Bern in diesem Sommer haben aus Frankreich 150 Parlamentarier, von uns etwa nur 40 teil⸗ genommen. Es ist ein parlamentarisches Komitee aus Franzosen und Deutschen gebildet worden, in dem erfreulicherwelse auch Mit— alieder der beiden liberalen Parteien und des Zentrums sitzen. Hoffent⸗ lich wird trotz der chauvintstischen Kriegshetzer das freundlichere Ver— bältnis zu Frankreich aufrecht erhalten werden können. Das Vertot des Amundsenschen Vortrags ist noch glücklich zurückgenommen worden. Dies Verbot war aher nur ein Symptom der Politik, wie sie gegen die Dänen, die Polen und die Elsässer im Geiste der ostelbischen Junker geübt wird, die aber nur das Reich schädigt. Gerade die Alldeutschen sollten ein möglichst freundschaftliches Verhältnis zu den skandinavischen Völkern wünschen, weil diese uns verwandt sind Wie ein Zollverein für Deutschland und Oesterreich empfohlen wird, so sollte man auch ein solches enges Verhältnis mit den fkandinavischen Ländern anbahnen. Mit Rußland wollen wir gewiß keinen Krieg haben, aber unsere Re⸗ gierung sollte einen moralischen Druck auf Rußland ausüben, daß die unmenschlichen Scheußlichkeiten und schandbaren Greuel des russischen Regiments gegen die Gefangenen aufhören. Diese Methode fordert die Verachtung aller Menschen heraus. Für die sozialpolitischen Auf, gaben müssen wir immerfort kämpfen, es sind immer keine Mittel da, nicht für die genügende Witwen, und Waisenversorgung, nicht für die Herabsetzung der Altersgrenze von 70 auf 65 Jahre, nicht für die Arbeitsglosenversicherung. Der Abg. Behrens hat in diesem Sommer die Lage der Frauen studiert. Er selbst hat aber bei der Reichsversicherungsordnung den Antrag mit unterstützt, daß die Schutzzeit für Wöchnerinnen von 8 auf 4 Wochen herahgesetzt werde. Der Abg. Erzberger hat uns nun vorgehalten, wir hätten ja gegen alle sozialen Gesetze gestimmt. Der Vorwurf ist sehr alt, und es ist unangenehm, ihm immer wieder entgegentreten zu müssen. Der Abg. Erzberger ist doch ein sehr aufrichtiger Mann; er muß doch wissen, daß unter denen, die gegen das Invalidenversicherungäqesetz stimmten, sich das Zentrum bis auf 13 Ausnahmen befand. Und sechs Jahre später kam das Zentrum mit einem Antrag, der darauf hinaus lief, das Gesetz wieder zu vernichten, was Eugen Richter sehr gefiel, der davon einen Abbau der ganzen sozialen Gesetzgebung erhoffte, die kein anderer als Windthorst den Sprung in den sogzialistischen Staat genannt hat. Dag sollte doch der Abg. Erzberger auch immer anführen, wenn er seine Behauptung hervorholt, dann wird er zur Förderung det Wahrheit im politischen Kampfe wirklich beitragen. Das Zentrum stimmte gegen das Gesetz, weil es den Arbeitern zu viel, die Sozial⸗ demokratie, weil es den Arbeitern zu wenig gab. Derartige agitatorische Gepflogenheiten sollte das Zentrum doch endlich ablegen. In der Sozialpolitik müssen ganz besonders wegen der immer bedroh⸗ licher auftretenden Massennot weitere Fortschritte in beschleunigtem Tempo gemacht werden. Wären die Gewerkschaften mit ihrer vositiven Arbeit nicht, die Not wäre noch viel furchtbarer. Der Kampf gegen diese Arbeiterorganisationen kann nur auf das Motiv Teile und herrsche“ zurückgeführt werden. Der Kanzler hat erklärt, keln Ausnahmegesetz zu wollen und er berief sich charakteristischer Weise auf seine Ausführungen gelegentlich der Moabiter Exzesse, wo er im Gegensatz zu seiner jetzigen Haltung gegenüber dem Zaberner Fall sich gar nicht scheute, in ein schwebendes Verfahren einzugreifen, Es darf nicht über sehen werden, daß feinerzeit von der Rechten, duich den Abg. von Heydebrand und von den Abgg. von Gamp und Bück der Schrei nach dem Arbeitswilligengesetz öffentlich erhoben worden ist, und der Reichskanzler hat sich ihnen gefügig gezeigt. Das Ziel, die völlige Durchsetzung der Politik der äußersten Reaktion, hat der Reschskanzler von Beihmann Hollweg seitdem nicht aus dem Auge gelassen, und er ist nur deswegen noch nicht welter gekommen, weil er noch keine Mehrheit im Reichstag dafür hat. Auf der letzten Tagung des Reichsberbandes gegen die Sozialdemokratte sprach sich General von Bissing ganz offen in diesem Sinne aus; der Kanzler wünsche Schutz der Arbeitswilllgen gegen Terrorismus, aher er hahe noch keine Mehrbeit. Der Kanzler ist aiso als treiben er Faktor hinter den Kulissen mit im Spiel! Die Taktik ist denn . doch zu durchsichtig. Man will das Ziel erreichen auf dem Boden des gemeinen Recht. Gemeln würde dieses Recht allerdings werden. Unglaublich, daß die Herren daz Volk vor dem, Terrorismus der sozlaldemokratischen Arbeiter bewahren wollen, die Herren, 3 ganzegz Regiment, deren ganzer Einfluß auf Terrorismus aun gebn sst! Ist ez Terrorismus, wenn man das geheime Wahlrecht fur . preußischen Landtag und für die Kommunen verlangt? Können . lrechts5 als verständige Männer einen solchen ,,. vertreten? Die ganze preußische BVerwaltungspraris
ein dn emen für diesen
Trorlemuß, der auch aus den hübschen Worten de Grafen. Westarp deutlich herausklang Wo Terrorismus von feiten der Arbeiter ausgeübt wird, i ,. dag anfere schürfste Verurteilüng. Wir verurteilen das auch deshalb, weil wir sehr wohl . daß J. aͤlle gegen ung selbst ausgenutzt werden. Deshalb fordern die Organisationen die Arbeiter dringend auf, sich keine Ausschreitungen zuschulden kommen zu laͤssen. Bei dem setzten großen Bergarbeiterstreik war es das erste, daß die Gewerk⸗ schaften Anschläge machten, auf denen stand, daß die Arbeiter sich aller Gefetzwidrigkeiten enthalten sollten. Einzelne Fälle sind natürlich in solchen erregten Zeiten unvermeidbar. Dafür kann man die Leitung nicht v ,, machen. Wie sehen denn diese „Fälle“ guss Jedes schiefe Ansehen eines Arbeitswilligen, etwa das Wort Pfui! oder Streikbrecher wird als schweres Verbrechen bestraft. Wer waren die meisten Verurteilten? Frauen, Kinder und Nichtorganisierte. Wenn Sie die Ausschreitungen verhindern wollen, so tun Sie alles, um die gewerkschaftlichen Srganisationen zu . (Der Reichs kanzler von Bethmann Hollweg betritt den Saal) Der preußische Landwirtschaftsminister hat in terroristischer Weise die Organifation der Förster zertrümmert. Die . sollen erst vor ihrer eigenen Tür kehren. In Stettin hat der Arbeiter Blankenburg einen Organisierten ohne jeden Grund niedergestochen. Er war in keiner Weise bedroht worden. Der Sachverständige hat festgestellt, daß nicht, wie behauptet worden war, der Erstochene die Hand auf der Schulter des Mörders gehabt haben kann, das bewies der Stichkanal. Selbst der Stagts⸗ anwalt hat daraufhin beantragt, die Schuldfrage auf vorsätzliche Körperverletzung, nicht einmal auf Mord, zu bejahen. Aber der Mörder ist freigesprochen worden. Das Schwurgericht bestand allein aus Gutsbesitzern und Fabrikanten; das ist wohl das drastischste Bei⸗ spiel der Klassenjustiz. Die Zusammensetzung der Schwurgerichte muß geändert werden; Arbeiter und Sozialdemokraten müssen auch als Geschworene zugelassen werden. Die nicht sozialdemokratischen Ar⸗ heiter, die angeblich unter dem sozigldemokratischen Terrorismus zu leiden haben, müßten doch selbst den Wunsch nach Schutz haben. Das ist gar nicht der Fall, das beweisen erst wieder die Verhandlungen des christlich⸗nationalen Arbeiterkongresses hier in Berlin. Da hat ein christlich⸗nationaler Arbeitersekretär sich sehr lebhaft gegen alle Be⸗ strebungen auf dem Gebiete des sogenannten Arbeiterschutzes ausge— sprochen und sehr richtig gesagt, daß sie nur dazu da seien, reaktionäre Maßnahmen zu decken, die in Wirklichkeit darauf hinauslaufen, jede selbständige Arbeiterbewegung zu unterdrücken. Die Streikpoften stören den Verkehr jedenfalls weniger als die Autos der Herren, die über die Landstraßen dahinrasen. Die Fälle in Potsdam sind ja bhe— kannt, und es sind ihnen auch schon mehrere Menschenleben zum Opfer gefallen. Da mag der Reichskanzler einmal an der richtigen Stelle für den Schutz des Verkehrs eintreten. Der Beschluß des christlich⸗natio⸗ nalen Arbeiterkongresses verlangt die Aufhebung des § 53 der Ge— werbeordnung und die Anerkennung des Streikpostenstehens. In der Sache steht ja der Abg. Behrens auf demselben Standpunkt; er war ja Vorsitzender dieses Kongresses. Es wäre viel besser, es gäbe keine christlich⸗ngtionalen Arbeiterorganisationen aus dem Grunde, weil Einigkeit stark macht, und weil sich die Arbeitgeber auch nicht nach dem religiösen Bekenntnis richten. Die Arbeiterorganisationen sollten sich alle ohne Unterschied des Glaubens zusammenschließen. Die Kämpfe zwischen Arbeiterorganisationen und Unternehmern werden ja weiter dauern. Aber das eine freut mich doch, daß in dieser Situation, wo die Fundamentalrechte der Arbeiter bedroht werden, die Arbeiter⸗ prganisationen so fest zusammenhalten und eine geschlossene Macht bilden, um die Absichten der Scharfmacher und des Reichskanzlers zu—⸗ schanden zu machen. Weiter erfreulich ist, daß auch die Angestellten—⸗ verbände durch den Vorstoß der Scharfmacher zu der Erkenntnis ge— kommen sind, daß sie sich wehren müssen gegen eine derartige Knebe⸗ lung. Auch der Beschluß des Hansabundes ist dem Hansabund schlecht bekommen, denn die Angestelltenverbände haben aufs schärfste dagegen Protestiert. Die ganze Sache wird nicht besser dadurch, daß der Reichs⸗ kanzler mit der Fahne in der Hand, Heydebrand mit dem Marschall⸗ stabe und Dr. Oertel mit der großen Pauke diesem Bunde voran⸗ reiten. Ich muß noch einmal auf den Fall Zabern zurückkommen. Die Erklärungen des Zentrums, der Volkspartei und der National⸗ liberalen gehen alle darauf hinaus, daß die große Mehrheit des Reichs⸗ tages nach wie vor die Haltung des Reichskanzlers in dieser Ange⸗ legenheit einschließlich seiner nachträglichen Erklärungen mißbilligt und derurteilt. Ich muß noch einmal auf die Angelegenheit zu sprechen kommen, weil sie auch nach dem gestrigen Tage als erledigt nicht ange— sehen werden kann. Was ist denn eigentlich nach dieser langen De⸗ batte das praktische Resultat? Gestern hörte man noch vom Kriegs— minister, zalles schwebt“. Ja, dieses „alles schweht“ ist doch keines⸗ wegs ein so befriedigender Abschluß dieser ganzen Angelegenheit. Das Maß der Bestrafung des Leutnants von Forstner will man nicht mit— teilen. Ja, hängt. denn davon das Wohl des Reiches ab, wenn man die öffentliche Meinung erfahren läßt, wie der Leutnant bestraft ist? Welcher Geist spricht daraus? Die Angelegenheit hat eine so große politische Bedeutung gewonnen, daß die Oeffentlichkeit in diesem Falle ein Recht hat, von dieser Strafe Kenntnis zu erhalten. Oder sollte pielleicht der Kriegsminister fürchten, wenn er das Maß der Be⸗ strafung mitteilt, daß damit die Oeffentlichkeit auch nicht befriedigt wird? Im Elsaß sagt man, der Leutnant habe für die schwere Be— leidigung 8 Tage Stubenarrest erhalten. Soll das vielleicht die Strafe sein für die von so hoher Bildung zeugende Aeußerung des deutngnts über die französische Fahne? Der Reichskanzler hat das Verhältnis zwischen Militär und Zivilverwaltung verschoben. Wir fordern den Ausbau der Selbstverwaltung und des Selbstbestimmungs⸗ hechtes der elsaß⸗lothringischen Bevölkerung. Es gibt dann nur den Ausweg, das Militärrecht zu reformieren, indem man dem bürgerlichen Recht ein ganz anderes Maß von Einfluß auch auf die Angehörigen der Armee sichert. Auch muß man die Demokratisierung der Armee er— streben, wodurch sie erst wirklich zu einem Volksheere wird. Wenn jetzt dafür draußen der Boden geeigneter geworden ist, so haben wir das dem Kriegsminister zu danken, der von sich sagen kann: Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und doch das Gute schafft. Man spricht von einer Kluft zwischen Armee und Volk. Aber die Kluft innerhalb der Armee ist viel größer, zwischen der Offiziers⸗ laste und dem gemeinen Mann. Der gemeine Mann hat danach kein Ehrgefühl. Er kann beschimpft und mißhandelt werden. Der Rock des Königs hat eine sehr seltsame Wirkung. Er macht den Sffizier zum Halbgott und den Soldaten zum Sklaven. Er stellt die Offiziere über das Gesetz und nimmt den Soldaten das Recht und Gesetz. Man weist auf die Dienste der Armee bei der Reichsgründung hin. Das waren doch aber nicht die Offiziere allein. Die meisten jetzigen Offi⸗ ziere, und sicher nicht Leutnant von Forstner waren doch damals nicht Rahe, Das hat die Masse des Heeres getan, die in Friedenszeiten den Yurgerrock trägt. Wir wollten keinen Vorstoß gegen die Armee machen. Wir protestieren nur dagegen, daß die Offiziere sich als die Gesamtheit der Armee hinstellen. Sie haben feinen Anspruch auf höhere Ehre. Liest man die letzten Prozesse, die Wucher⸗ und Spieler⸗ prozesse, da treten immer wieder Offiziere der feinsten Regimenter und mit den feinsten Ramen auf. Der Reichskanzler hat hier voll Emmen versagt. Während der Kriegsminister die Angehörigen der mee gegen Vorwürfe in Schutz nahm, hat er bei denen gegenüber er Zivilbehörde geschwiegen. Bis jetzt sind diefe von dem sogenannten reichskanzler nicht in Schutz genommen worden. h Präsident Dr, Kaempf: Ich muß diesen Ausdruck rügen und ö es schon vorhin bei dem Zwischenruf getan, wenn ich den Namen es Abgeordneten hätte feststellen können. Dieser Ausdruck ist voll⸗ lommen ungehörig und ich rufe den Redner zur Ordnung, wie ich auch en Zwischenrufer zur Ordnung gerufen hätte. Rei Aßg. David (Soz): Das Wort „sogenannt“ hat, doch der h Iich kan ig durch sein Sprechen von dem sogenannten Mißtraueus« 5 . unserem parlamentarischen Sprachschatz einderleibt. Der ö. n t stützt seine Auffassung darüber auf eine Aeußerung von n ei der Beratung der Interpellationgerwelterung, es sei nicht ; . sondern nur eine weckmäß igkestsfrage. Ich halte aber vorher wähnt, daß e n n, der Reichstag schon jetzt das Recht wake, dem Kanzler ein Mißtrguengbotum zu erteilen. Gs handele sich hur um ein rascheres und zweckmäßigeres n, Wir haben einen
moralischen Zwang, und die Sozialdemokratie steht mit dieser Auf. fassung nicht allein. Welche Konfequenzen der K natürlich seine Sache. Hier handelt es sich darum, wat für Konse⸗ , . der Reichstag zieht. Das Mudget zu verweigern, wie wir vor⸗ geschlagen haben, das lehnen ja die bürgerlichen Parteien, die mit uns gestimmt haben, ab. Sie haben sich aber bor der Oefen lichkeit enga⸗ fett und das Volt wartet auf Taten. Welche , werden ie ziehen? Die große Oeffentlichkeit erwartet, daß der Reichstag ef , Reformen auf dem Gebiet des a . und des Ver⸗ 9 , einführt, die uns vor ähnlichen Vorkommnissen vom Regie rungs lisch bewahren. Dringend erforderlich ist der Schutz des gemeinen Mannes, des Soldaten, gegen seine Vorgesetzten, eine schärfere Heranziehung der Vorgesetzten, die die militärische und bürgerliche Ehre ihrer Untergebenen verletzen. Der Abg. Erzberger sagte, was wollt Ihr denn, * müßt ja immer das Budget ablehnen, dazu verpflichtet Euch der Parteitag. Der Abg. Erzberger irrt sich. Der Beschluß gestattet guch die Annahme eines Budgets, wenn dadurch ein schlechteres Budget verhütet werden lann. Uebrigens ist die Sozialdemokratie ein lebendiger Körper. Wir binden uns nicht für alle Zukunft. Es können neue Verhältnisse kommen, wo wir andere Beschlüsse fassen. Wir beschlleßen keine Beschlüsse für alle Ewigkeit. Unsere Beschlüsse sind nicht Dogmen, sondern Richtlinien für abseh—⸗ bare Zeit, wo dieselben Voraussetzungen bestehen. Der Reichskanzler sagt, zum Schluß, er glaube, daß die Mehrheit des deutschen Volkes wünsche, daß die Rechte des Kaisers nicht unter sozialdemokratische Zwangsgewalt gebracht werden. Die Sozialdemokratie ist keine Partei der Gewalipolitik, das ist Sache anderer Parteien dieses Hauses, die mit. Staatsstreich, Verfassungsbruch, Gesetzwidrigkeiten unter Um⸗ ständen ihren Willen durchzusetzen suchen. Die Sozialdemokratie ist
eine demokratische Partei, das heißt, sie will nicht die Herrschaft einer
Minderheit über eine Mehrheil Wir wollen keine Vergewaltigung, . die staatsbürgerliche Gleichberechtigung aller Bürger ohne
usnahme, Deshalb will die Sozialdemokratie auch keine Minder heitsherrschaft. Das wäre prinzipienwidrig, ein Unsinn von unserem Standpunkte an und für sich. Wir wollen weder eine Minoritäts—⸗ herrschaft noch eine Gewaltherrschaft, keine Klassenherrschaft; wir be⸗ kämpfen ja die bestehende Klassenherrschaft. Wir wollen die bestehende Klassenherrschaft ersetzen durch einen Zustand der bürgerlichen Gleich⸗ berechtigung. Diese Idee kommt auch zum Ausdruck in dem, was man
parlamentarisches System nennt. Diese kann nur existieren, wenn
eine Mehrheit des Volkes dieses System will. Diese Idee reicht bis in die Reihen des Zentrums hinein. Die Entwicklung schreitet un⸗ weigerlich fort. (Zuruf des Abg. Oertel) Auch der Abg. Oertel wird sie nicht aufhalten können. Es ist die Pfychologie der fort⸗ schreitenden Zeit, das, was Bismarck mit Imponderabilien bezeichnete. Es ist die Fortentwicklung des Selbsthestimmungsrechtes, der Persön⸗ lichkeitsbegriff ist hier auf dem Marsch. Dieses Fortschreiten kann auf die Dauer auch kein Monarch aufhalten. Es ist unmöglich ge⸗ wesen in China, es wird auch in Preußen unmöglich sein. Wer dem Monarchen gut rät, der wird ihm raten, diese Entwicklung nicht zu ver⸗ kennen, die Hand dazu zu bieten, Einrichtungen zu schaffen, in denen der Wille der Mehrheit des Volkes zum Ausdruck kommt. Er wird dem König von Preußen auch raten, endlich die versprochene Reform des preußischen Wahlrechts vorzunehmen. Das liegt auch im Interesse der Monarchie. Der Reichskanzler aber soll 2 Es handelt sich nicht um den Kampf einer sozialdemokratischen Minderheit gegen die Rechte des Kaisers. Nein, die Sozialdemokratie kämpft um die politische Macht, d. h. um die Mehrheit des Volkes. Das ist ein Ringen um das Volk selbst. Wer dabei der Isolierte ist, heute und in Zukunft, darüber täuschen wir uns nicht. Unsere Sache ist eine gute. Das Beifpiel von Frankreich und England usw. kann nicht ohne Wirkung auf die politische Psychologie des Deutschen Reiches bleiben. Das feudale System der Bevormundung kann heute höchstens noch in einer Gutswirtschaft aufrecht erhalten werden. Wir kämpfen um die Volksmehrheit, und deshalb, Herr Reichskanzler, ist Ihr Satz, daß die Sozialdemokratie mit Terrorismus, mit Zwangsgewalt verfahre, ein ganz verkehrter. Wir wollen Aenderungen der Verfassung nicht mit Zwang und Gewalt, sondern auf dem Wege der Verfassung selbst. Wir kämpfen für das politische und wirtschaftliche Recht, für die mate⸗ rielle und geistige Natur unseres ganzen Volkes.
Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg:
Wohin die verfassungsrechtliche Entwicklung führen würde, von der der Herr Abg. David am Schlusse seiner Rede gesprochen hat, das ergeben die sozialdemokratischen Anträge zu un serer Ver⸗ fassung ganz deutlich. (Sehr richtig! rechts) Diese Anträge be⸗ deuten eine völlige Verschiebung der Gewalten: sie verlangen die Ent⸗ lassung des Reichskanzlers auf Grund eines Beschlusses des Reichs⸗ tages (sehr richtig! bei den Sozialdemokraten), sie verlangen die Ent⸗ scheidung über Krieg und Frieden durch den Reichstag. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten. Was bedeutet das anderes, als die Macht und die Gewalt des Kaisers, wie sie verfassungsrechtlich fixiert ist, voll⸗ kommen vernichten? (Lebhafte Zustimmung rechts. — Unruhe und Zurufe bei den Sozialdemokraten.)
Der Herr Abg. David hat an ein Wort von mir angeknüpft, das ich in der Zaberndebatte gebraucht habe. Ich habe damals gesagt, der Verlauf der Debatte ließe mir die Gefahr auftauchen, als solle eine Kluft zwischen Armee und Volk aufgerichtet werden. Der Herr Abg. David hat gesagt, eine solche Kluft bestehe nicht; er fürchte auch nicht, daß sie entstehe. Er hat aber hinzugefügt: eine solche Kluft besteht schon jetzt zwischen den Offizieren und Mannschaften. (Leb⸗ hafte Rufe bei den Sozialdemokraten: Sehr richtig Meine Herren, die Rufe „Sehr richtig!“ beweisen mir nur, daß die Herren von der sozialdemokratischen Fraktion in unserem Heere nicht Bescheid wissen. (Lebhafte Zustimmung rechts. — Lachen und Zurufe bei den Sozial⸗ demokraten) Es gibt wohl kein Heer in der Welt, in dem das ver⸗ trauensvolle und gute Verhältnis zwischen Offizier und Soldat so ge⸗ pflegt wird wie im deutschen Heer. (Justimmung rechts. — Lachen bei den Sozialdemokraten) Wer das bestreitet, macht die Augen nicht auf. (ustimmung rechts. — Lachen und lebhafte Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Lesen Sie in der Geschichte unserer Kriege nach! Da werden Sie finden, daß es gerade dieser Zusammenhalt zwischen Mannschaft und Offizierkorps gewesen ist, der dem deutschen Heere die größte Stärke gegeben hat. Haben Sie nicht auch in diesem Jahre gesehen, wie bei den zahlreichen Regimentsfesten, Stiftungs⸗ festen, die gefeiert worden sind, die alten Soldaten zu Tausenden sich bei ihren Regimentern versammelt und die Erinnerung an die großen Zeiten, die das Regiment erlebt hat, die Erinnerung an die eigene Soldatenzeit gefeiert haben? Wäre das denn möglich, wenn tatsäch⸗ lich diese Kluft bestünde? Ich halte es für sehr unberechtigt und für sehr verhängnisvoll, wenn in dieser Weise von den Sozialdemokraten versucht wird, Unfrieden in das innere Gefüge unserer Armee hinein⸗ zubringen. Eebhafte Zustimmung rechts. — Unruhe und Zurufe von den Sozialdemokraten Sie haben damit auch kein Glück. (Lachen bei den Sozialdemokraten) Der gesunde Sinn unseres Soldaten wird genügend einschätzen, wie in dieser Weise hier die Dinge in das gerade Gegenteil der Wirklichkeit verkehrt werden. (Bravo! rechts)
Meine Herren, bei der gestrigen Rede des Herrn Abgeordneten Erzberger war ich nicht anwesend. Ich habe sie erst heute früh im Bericht gelesen. Ich bedaure es aufrichtig, daß die Ausführungen des Herin Abg. Erzberger mich nötigen, auf meine Haltung in der Zaberner Angelegenheit noch einmal zurückzukommen,
anzler zieht, das ist
—ĩ Der Ker Ms. Gnberger hat hier gestern erlitt ü t, a feine arr.
tion dem Mißbilligungsantrage zugestimmt habe, weil — darauf liefen
seine Ausführungen hinaus — ich, ftatt Recht und Geseh zu schühen, ungesetzliche Gewalt beschönigt und verteidigt hätte. (Rufe von den Sozialdemokraten: Sehr richtig) Meine Herren, der Interpella⸗ tionsbeschluß sollte — das Wort ist gestern gefallen — ein politisches Urteil darstellen. Dieses Urteil sollte zunächst doch wohl dahin gehen, daß bei uns Recht und Gesetz unter allen Umständen und selbstver⸗ ständlich von den öffentlichen Gewalten in allererster Linie gewahrt werden müssen (sehr richtig! im Zentrum), und daß, wo Rechtsher⸗ letzungen stattfinden, die Sühne nicht ausbleiben darf. Nun, meine Herren, wenn Sie an das zurückdenken, was ich am Montag voriger Woche, als ich zum ersten Male über Zabern sprach, und dann am Mittwoch und am Donnerstag gesagt habe, so werden Sie finden, daß ich diesen Grundsatz scharf und wiederholt und nachdrücklich aus⸗ gesprochen habe. (Widerspruch von den Sozialdemokraten) Darin haben ja natürlich die Herren alle hier im Saale recht: rin Reichs⸗ kanzler, der diesen Satz ableugnete, müßte sofort von seinem Platze abtreten. (Na alsol bei den Sozialdemokraten) Und nun weiter, meine Herren: wenn dieses Recht, von dem ich gesprochen habe, ver⸗ letzt worden ist, so muß es seine Sühne finden, und zwar im Rechts⸗ staat, worauf ich gleichfalls wiederholt hingewiesen habe, im geordneten gerichtlichen Verfahren. Dieses gerichtliche Verfahren ist in betreff der Zaberner Angelegenheit eingeleitet. (Zurufe von den Sozialdemo⸗ kraten Meine Herren, habe ich mich etwa diesem Verfahren wider⸗ setzt, oder habe ich nicht vielmehr dabei mitgewirkt? (Lebhafte Zu⸗ tufe von den Sozialdemokraten.)
Meine Herren, ich habe weiter am ersten Tage der Inter⸗ pellationsdebatte für die Armee das Recht vindiziert, sich gegen direkte Angriffe zu wehren. Das ist gesetzliches Recht, meine Herren! Ich habe des weiteren ausdrücklich gesagt, daß von einem gewissen Zeit- punkte ab die militärischen Maßnahmen, soweit die Untersuchung bis⸗ her geführt worden ist, eine Ueberschreitung der gesetzlichen Schranken bedeuten. Wo bleibt denn da der Vorwurf, daß ich das Recht nicht gehütet hätte?
Der Herr Abg. Erzberger hat fernerhin meinen Hinweis auf die Verschiedenartigkeit der Motive und der Ziele des Interpellations⸗ beschlusses nicht gelten lassen wollen. Der Herr Abgeordnete Erzberger hat dabei völlig übersehen, daß ich mich, als ich diese Worte sagte, nicht gegen die bürgerlichen Parteien gewendet habe, sondern gegen die Tendenz der sozialdemokratischen Fraktion, aus den Zaberner Vor⸗ gängen einen Anlaß zu einem Sturmlauf gegen die Verfassung und gegen die Kaiserlichen Rechte zu entnehmen. (Ach! bei den Sozial⸗ demokraten.)
Meine Herren, glauben Sie vielleicht, daß ich die sachlichen Motive verkenne oder die Empfindungen nicht würdige, in denen von bürgerlicher Seite in der Sorge um Recht und Gesetz hier Ausfüh⸗ tungen gemacht worden sind? Gurufe von den Sozialdemokraten.) Diese Motive, diese Empfindungen verkenne ich keineswegs. Aber um so mehr habe ich das Recht, die Behauptung, daß ich das Recht nicht geschützt hätte, daß ich den Respekt vor dem Gesetz zu erwähnen ver⸗ gessen hätte, als eine Umkehrung des wirklichen Sachverhalts zu be—⸗ zeichnen, gegen die ich hiermit entschiedene Verwahrung einlege. (Leb⸗ hafter Beifall rechts. Zurufe von den Sozialdemokraten.)
. Abg. Hoff (fortschr. Volksp): Wir stehen einmütig zu den Darlegungen, die der Abg. Dr. Wiemer in der 2 Angelegenheit hier gegeben hat; und ich brauche wohl aus diesem Grunde auch nicht näher auf die soeben vom Reichskanzler gemachten Ausführungen ein⸗ . Nur eines will ich herausheben. In der Frage der Verlegung er Garnison hat der Kriegsminister gesagt, es haben noch keine Er⸗ wägungen an maßgebender , Diese Erklärung hat überrascht, und an übermäßiger Klarheit leidet sie auch nicht. H hat das Empfinden, als ob außer dem Leutnant von Forstner und dem Obersten von Reuter auch noch die Gemeinde Zabern vor dem Kriegs⸗ gericht steht. Daraus, daß gewisse Verstöße katsächlich vorgekommen sind, kann man doch unmöglich einen Grund herleiten, eine ganze Ge⸗ meinde durch die Entziehung der Garnison zu schädigen. Das ist eine Methode der indirekten Bestrafung. Es sollte wenigstens die klipp und klare Erklärung abgegeben werden, daß an eine solche indirekte Be⸗ strafung nicht gedacht wird. . den gestrigen Ausführungen des Ahg. Dr. Sertel möchte ich doch sagen, daß niemand weniger be⸗ rufen ist, über nachbarliche Hilfe zu sprechen, als gerade er, der doch nur danf der Hilfe des Zentrums gleich im ersten Wahlgange gewählt werden konnte, und diese Hilfe des Zentrums ist ja im ganzen Reiche erfol t. Man schätzt die Zahl der Zentrumsstimmen, die für die Konservativen abgegeben worden sind, auf 200 00. Was bleibt da ö. die Konserpativen? Zählt man die Zentrumsstimmen ab, so leiben nur rund 900 909 konserwative Stimmen. Und zählen Sie davon die Stimmen ab, die durch den Druck, den Terror den Kon⸗ servativen zugeführt worden sind, dann werden Sie ungefähr wissen, wie groß die Bevölkerungsschicht ist, die wirklich hinter der kon⸗ servatiden Partei steht. Unsere Partei hat gleich im ersten Wahlgange 1* Millionen Stimmen erzielt. 21 wir dabei kein Mandat be⸗ kamen, liegt daran, weil sich unsere Anhänger über ö viele Wahlkreise erteilen. Die Stichwahlparole war nur eine taktische 6. Sie sollte nur verhindern, daß eventuell die 47 Millignen Blauschwarze Stimmen gegenüber den 715 Millionen anderer die Macht in die Hand bekamen. Das wäre eine Fälschung des Volkswillens gewesen, der die rf n von 1909 verurteilte. So konnte die . vom ahre 1913 bewirken, daß die Kosten für die größte allet Wehrbor⸗ lagen nicht der breiten Masse, sondern den besitzenden Klassen auferlegt wurden. Und wir müssen auf eine Neueinteilung der Wahlkreife hin⸗ wirken, damit nicht wieder einmal eine Minderheit die Majorität des Volkes vergewaltigt. Daß den Konservativen eine parlamentarische Regierung unangenehm ist, das können wir uns denken. Denn dann kämen auch einmal andere als konservative Männer zur Regierung. Interessant ist es, . die Regierung immer dann von einer Auflösun des Parlaments abgesehen hat, wie 1909, wenn die Konserbativen mi der Majorität eine Regigrungsvorlage ablehnten. In soschen 3 fällt meist der leitende Minister, ader es geschieht gar nichts. Unter Miquel und Hohenlohe stellte man einmal 9 Kanalrebellen zur Dis 1 Ihnen hat es nichts geschadet. Einer von ihnen ist jetzt inister des Innern in — 16 Es ist für einen Menschen, der vorwärts will, schlimmer, das Vertrauen der Konservativen, als das eines Ministers zu verligren. Als Grundlage unserer Wirtschaftspolitik halten wir langfristige Handelsberträge für notwendig. Auch ich meine, wie der Abg. Oertel, daß diese Frage von einer 3 Warte und tieferen Auffassung aus betrachtet werden müsse. Ich habe davon in seiner Rede aber nichts verspürt. Er hat sich . die Autorität des verstorbenen Bebel berufen. Ist Dr. Oertel bereil, auch auf anderen Gebieten die Autorität Bebels ohne Prüfung anzuerkennen? In der Gegenwart ist das von Dr. Oertel aufgestellte Ziel nicht erreicht; die Einfuhr von Getreide ist noch 5 bedeutend und läßt sich nicht im Handumdrehen aus der Welt scha . Zunächst muß der . emacht werden, die deutsche Viehzucht so zu stärken, daß das deut olk mit deutschem Fleisch ernährt werben kann; von diesem chtspunkte hahe wir immer die k betrachtet; wir haben die einsetige ö. 3 tigung des Körnerbaueg stetg als einen Nachteil für die deutsche iehzucht gekennzeichnet. Die Aera Caprivi kann sich unter diefem Gesichtspunkt w in. sehen lassen; die . von dem Abg. Erz⸗ iir Keule,
berger angeführte Arbeit des Statistischen Amtes über