1913 / 297 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 17 Dec 1913 18:00:01 GMT) scan diff

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an dem Walten des gellebten Königspaares. Diesen Wünschen gebe Ich herzlichen Ausdruck mit dem Ruf: Seine Majestät der König, Mein erlauchter Freund und Hoher Verbündeter, Ihre Majestät die Königin leben hoch, hoch, hoch!

Nach der Tafel wurde Cercle gehalten. Um 101 Uhr reiste das Kaiserpaar, von Ihren Majestäten dem König und der Königin zum Bahnhof geleitet, nach herzlicher Verabschiedung von ihnen ab.

Seine Majestät der Kaiser hat für die Armen Münchens 3000 6, für den bayerisch⸗preußischen Hilfsverein 500 M6 ge⸗ spendet.

Oesterreich⸗ Ungarn.

Die Oesterreichische Delegation hat gestern das Budget der Kriegsmarine angenommen und die Beratung des Heeresbudgets begonnen.

Im Laufe der Debatte über das Marinebudget bekämpfte der Marinekommandant Haus, wie W. T. B.“ meldet, die Ein⸗ wendungen der sozialistischen Redner wegen des Baues von Dreadnoughts und führte mehrere Beispiele aus den jüngsten Kriegen an, um die große Bedeutung der Seeherrschaft für den Ausgang eines Krieges darzutun. Welche unheil⸗ vollen Folgen eine Vernachlässigung der Seerüstungen haben könne, habe sich jüngst im Balkankrieg gezeigt. Unterseeboote und Minen allein genügten keineswegs zum Schutze der Küsle oder des Handelg. Auf eine Anfrage, warum die Flotte mobilisiert worden sei, erklärte der Marinekommandant, die Flotte sei überhaupt nicht mobilisiert, sondein nur in Dienst gestellt worden. Drei Reserve⸗ jahrgänge seien einberufen, ein Jahrgang zurückbehalten worden. Offiziere und Aerzte der Reserve aber seien nicht einberufen worden. Der Marinekommandant dankte schließlich den Delegierten, namentlich den Rednern des deutschen Nationalverbandes, für ihre anerkennenden Worte für die Marine.

In der gestrigen in Wien abgehaltenen Plenar— versammlung des Industrierates gab der Handels— minister Dr. Schuster ein Bild der wirtschaftlichen Lage.

Der Minister erklärte obiger Quelle zufolge, daß die finanzielle und industrielle Depression am schärfsten Oesterreich getroffen habe. Trotz alledem dürfe die derzeitige ökonomische Lage nicht pessimistisch beurteilt werden. Die österreichische Industrie habe den Schwierigkeiten in der abgelaufenen Epoche stand⸗ gehalten, und es könne als sicher angenommen werden, daß im allgemeinen der Tiefpunkt bereits überschritten wäre. Von der zu erhoffenden Verbilligung des Geldstandes dürfte eine allmähliche Besserung in der Produktion und im Konsum zu erwarten sein. Bei andauernd friedlichen Verhältnissen hofft der Minister, daß sich auch bald eine günstige Entwicklung in dem normalen Verkehr Oesterreichs mit dem Auslande bemerkbar machen werde. Das Handelsministerium set bestrebt, innerhalb seines Wirkungekreises alles aufzubieten, um der Industrie die Bahn für eine gesunde Weiterentwicklung zu ebnen.

Die gestern in Lemberg unter dem Vorsitz des Land⸗ marschalls abgehaltene gemeinsame Wahlref orm konferenz der Obmänner des Polnischen und des Ruthenischen Klubs ist ergebnislos verlaufen, da die Ruthenen an ihren Forderungen unbeugsam festhielten. Der Landmarschall ver⸗ tagte die Beratung und gab dem Wunsche Ausdruck, daß die Ausgleichsverhandlungen bald wieder angeknüpft werden möchten.

Bei den gestrigen kroatischen Landtagswahlen hat die Regierung, wie „W. T. B.“ meldet, von 88 Mandaten 63, die Opposition 21 Mandate erhalten. Es finden vier Stichwahlen statt.

Großbritannien und Irland. Wie das „Reutersche Bureau“ erfährt, ist die britische Zirkularnote über Albanien und die ägäischen

Inseln den Mächten am Sonnabend überreicht worden. Sir Edward Greys Absicht hierbei war nicht, neue Fragen, die mit den Ergebnissen der letzten Balkankonferenz in Verbindung stünden, aufzuwerfen, sondern nur, den auf der Botschafter⸗ vereinigung vertretenen Regierungen konkrete Vorschläge für eine unparteiische und schleunige Abwicklung der noch nicht ent⸗ schiedenen Einzelheiten zu machen, die zu Reibungen und weiteren Schwierigkeiten führen könnten, wenn sie unerledigt blieben. Die britische Note umfaßt zehn Paragraphen, die unter drei Rubriken fallen: 1) Epirus und die Frist, innerhalb deren die Griechen die an Albanien fallenden Gebiete zu räumen haben; 2) die ägäischen Inseln, die von Griechenland besetzt sind; 3) die von Italien be⸗ setzten Inseln. Was die ägäischen Inseln betrifft, die von Griechenland besetzt sind, so weist die Note darauf hin, daß die Konzessionen, die von Griechenland mit Bezug auf Epirus verlangt wurden, durch eine Kompensation in den ägäischen Inseln ausgeglichen werden sollten. Der frühere Vorschlag, daß Griechenland Chios und Mytilene aufgeben solle, wird jetzt fallen gelassen, und es wird nur eine Gewähr dafür verlangt, daß Griechenland auf den Inseln keine Be⸗ festigungen und keine Flottenstationen aufführen soll, und ferner eine Gewähr gegen Konterbande von der gegenüberliegenden Küste. Mit Ausnahme von Imbros und Tenedos sollen alle diese Inseln in griechischem Besitz bleiben. Mit Bezug auf die ägäischen Inseln, die von Italien besetzt sind, wird vorgeschlagen, daß sie der Türkei zurückgegeben werden sollen, wenn der Friedensvertrag von Lausanne ausgeführt ist, und die Inseln sollen dann eine gewisse Selbstregierung unter dem Sultan erhalten. Da die Pforte Verfügungen erlassen hat, wonach die Militär- und Zivilbehörden in Tripolis zurückberufen worden sind, so könnte der Friedensvertrag von Lausanne jetzt im wesentlichen als ausgeführt betrachtet werden, obwohl sich einige wenige türkische Offiziere entschlossen haben, sich mit den Arabern zu identifizieren. Die Demar⸗ kierung der griechisch⸗albanesischen Grenze bleibt der inter⸗ nationalen Kommission überlassen. Die Räumung durch die Griechen hätte nach dem Beschluß der Mächte bis zum 31. De⸗ zember stattfinden sollen. Es war jedoch Voraussetzung, daß die Arbeiten der Kommission bis zum 30. November abge⸗ schlossen sein würden. Da dies nicht der Fall war, wird jetzt vorgeschlagen, daß die Räumung Mitte Januar vollendet sein soll. ö

Das Gxekutivkomitee der Postangestellten hat, wie „W. T. B.“ meldet, beschlossen, die Erörterungen irgendwelcher Maßnahmen zu vertagen, bis ein Appell an das Parlament gerichtet worden sei. Ein Antrag, die Postangestellten über die Streikfrage abstimmen zu lassen, wurde abgelehnt.

Frankreich. Die französische Regierung hat sich nach einer

Meldung des „W. T. B.“ dem englischen Vorschlag,

betreffend Albanien und die Inseln, angeschlossen.

Im gestrigen Ministerrat unter dem Vorsitz des Prä⸗ sidenten Poincaré legte der Finanzminister Caillgur zwei Dekrete zur Unterzeichnung vor, durch die der Anleiheentwurf und der Erbschaftssteuerentwurf der vorigen Regierung zurück⸗ gezogen werden. Caillaux erklärte, er werde ein vollständiges Finanzprogramm erst dann aufstellen können, wenn er die Gesamtsumme der außerordentlichen Ausgaben für die nationale Verteidigung kenne. Er werde einen oder mehrere Gesetz⸗ entwürfe für eine Steuer auf erworbenes Vermögen einbringen. Der Finanzminister Caillaux wurde ermächtigt, einen Gesetzentwurf, betreffend zwei provisorische Budgetzwölftel für Januar und Februar, einzubringen. .

Eine Note der „Agence Havas“ vom gestrigen Tage besagt:

Als Caillaux Finanzminister im Kabinett Clöémenceau war, richtete er am 6. September 1907 an die Kreditinstitute ein Rund⸗ schreiben, in dem er bekannt gab, daß er sich in nationalem Interesse der Zulassung solcher fremden Staatgzzanleihen zum Bötsen⸗ handel nachdrücklich widersetzen werde, die ohne vorherige Genehmi⸗ gung von seiten der Regierung fest abgeschlossen worden seien. Heute vervollständigt ein Rundschreiben Caillaux' die 1907 gegebenen Weisungen dahin, daß sie sich nicht allein auf eigentliche Anleihen und Gmissionen aller Art beziehen, sondern auch auf Schatz— anweisungen und allgemein auf alle Finanzoperationen, welche ge⸗ eignet sind, einem fremden Staate durch den Appell an den fran⸗ zösischen Sparer, und besonders den kleinen Sparer, Hilfsquellen zu vetschaffen.

Im Senat wurde gestern über die Regie rungs⸗ erklärung interpelliert.

Wie „W. T. B.“ berichtet, erklärte Clémenceau, daß er in keiner Weise an der Bildung des Ministeriums Doumergue Anteil gehabt und ebensowenig irgend einen Politiker ausgeschlossen habe. Der Ministerpräsident Doumergue nahm in seiner Antwort auf die Vorwürfe der Interpellcnten, die sämtlich der Rechten angehören, die Eiklärung Clsmenceaus auf und bestätigie seinerseits, daß dieser ihm bei der Bildung des Kabinetts weder ab⸗ noch zugeraten habe. Ueber die Frage der Wiederherstellung ruhiger Verhältnisse erklärte Doumergue weiter, er wolle Frieden und Duldung, aber uicht Ab- dankung. Er wünsche ein starkes Heer und eine starke Flotte und werde das Gesetz über die dreijährige Dienstzeit in lovyaler Weise zur Anwendung bringen. Was die auswärtige Politik betreffe, so werde er kein Vasall sein, wie ein Interpellant behaupfet hätte. Die Regierung set vor allem patriotisch, werde aber ihre Politik treiben mit den Republikanern der Linken. Er wisse nichts davon, daß eine Anleihe von mehreren Millionen französischen Geldes der türkischen Regierung zugestanden worden sei. Die Regierung wünsche die nationalen Hilfs⸗ quellen nationalen Bedürfnissen vorzubehalten. Doumerague erinnerte dann an das Rundschreiben Caillaur', in dem er das Rundschreiben von 1907 präzisiert und den Bankinstituten einschärft, in gewissen Geschäften von nationalem Interesse den Rat der Regierung einzu⸗ holen.

„Die Finanzkom mission des Senats hat Peytral an Stelle des zum Justizminister ernannten Bienvenu Martin zum Vorsitzenden gewählt. Ribot hatte die Kandidatur ab gelehnt.

Die Budgetkommission der Kammer hat Cl6õmetel mit 22 Stimmen zum Generalberichterstatter ge⸗ wählt. Der Gegenkandidat Augagneur hatte 16 Stimmen erhalten.

Die Allgemeine Vereinigung der Post- und Tele⸗ graphenbeam ten hat obiger Quelle zufolge beschlossen, alle Beziehungen zum Ministerium abzubrechen, weil der neue Handelsminister Malvy sich geweigert hatte, die von seinem Vorgänger Masss nach dem Rücktritt des Kabinetts Barthou vollzogenen Beförderungen als ungesetzlich aufzuheben.

Italien.

In der Deputiertenkammer ergriff gestern in der Debatte über die Adresse zur Beantwortung der Thron⸗ rede der Minister des Aeußern Marchese di San Giuliano das Wort und führte laut Bericht des ‚W. T. B.“ aus:

In diesem Augenblick, wo eine der größten internationalen Krisen, die die Geschichte verzeichnet, noch nicht vollständig über⸗ wunden ist, schweben zahl reiche wichtige Fragen, zahlreiche wichtige Inter⸗ essen unsereg Landes und anderer Länder stehen auf dem Spiel und einige dieser Interessen stellen dringende Lebensinteressen dar. Demgemäß kann keine dieser Fragen für sich allein behandelt und gelöst werden. Die zwei schwebenden Fragen, die Lebensinteressen für Italien berühren, sind die der Ab⸗ grenzung Albaniens und dle des östlichen Mittelm-'eres. Speziell die Frage der albanischen Südgrenze, die direkt das Gleich⸗ gewicht, die Freiheit und Sicherheit in der Adria berührt, bedeutet für Italien und Oesterreich⸗Ungarn ein identisches Lebensinteresse, und die beiden Mächte sind gleichmäßig und solidarisch entschlossen, dieses Interesse zu wahren. Für die anderen Großmächte hat diese Frage ein sekundäres Interesse. Wir haben daher Grund zu glauben, daß dank dem Geiste der Versöhnung und dem einmütigen Wunsch nach Frieden, der alle Großmächte beherrscht, Italien und Oesterreich⸗Ungarn ihre berechtigten und billigen Forderungen verwirklicht sehen werden. Wir wollen nicht, wie Barzilai gemeint hat, in Albanien Italiener schaffen, um sie anderwärts aus der Welt schaffen zu lassen; wir wollen vielmehr aus Albanien eine Nation machen, unabhängig von uns wie von jeder anderen Macht. Wir wollen, entsprechend dem Grundsatz der Nationalität, der unser Ruhm und unsere Stärke ist, aus Albanien einen Faktor des Gleichgewichts und der Sicherheit im Adriatischen Meere machen. Wir haben daher den Wunsch, und er ist in erheblichem Maße schon erfüllt, daß die Neutralität und die Unabhängigkeit Albaniens unter die Garantie und Kontrolle nicht nur der beiden Adriamächte, sondern aller sechs Groß⸗ mächte gestellt werde. Wir wünschen das, gerade weil wir glauben, daß diese Lösung feste Bürgschaften für die Aufrechterhaltung und Entwicklung der intimen Beziehungen zwischen Italien und Oesterreich⸗Ungarn schafft, die wir als gleichmäßig not— wendig für die höchsten Interessen der beiden verbündeten Mächte an⸗ sehen. Die gemeinsame Erklärung zur Frage der albanisch griechischen Grenze erfolgte seinerzeit zu dem Zweck, internationale Ver⸗ wicklungen zu vermeiden, die hätten entstehen können, wenn der Zweifel über die einträchtigen Bestrebungen der belden Mächte angedauert hätte. Während der ganzen langen Orientkrisis war der Dreibund immer einträchtig, und diese seine Ein⸗ tracht, wie das intime Zusammenarbeiten zwischen Italien und Oesterreich⸗Ungarn, hat die Interessen jedes der drei Verbündeten wirk- sam garantiert. Barzilai hat gemeint, die Thronrede habe wenig vom Drelbund gesprochen; er hat vielleicht nicht sehen wollen, daß es nicht notwendig war, längst Bekanntes und außerhalb der Diskussion Stehendes nochmals zu wiederholen, nämlich daß der hervorragend frled= liche, defensive und ohne jede Aenderung erneuerte Dreibund die solide und sichere Grundlage unserer ganzen auswärtigen Politik bildet. Unsere Beziehungen mit Deutschland sind so intim, warm und herzlich, wie man nur wünschen kann. Unsere Beziehungen mit Oesterreich⸗Ungarn waren ebenfalls während der ganzen Balkankrisis intim und sind es heute noch, und das Ver⸗ halten der beiden Mächte war immer von dem Geiste gegen⸗ seitigen Vertrauens und gegenseitiger Loyalität beseelt. Diese Be⸗ ziehungen noch intimer zu machen und sie Schritt für Schritt auf der Grundlage wachsender Sympathie der Völker zu stärken, ist eines der wichtigsten Ziele der beiden Regierungen und muß eg bleiben. Tatsächlich sind auch schon bemerkenswerte Ergebnisse erztelt worden in der Ueberwindung der Schwierigkeiten, die sich aus der tiefen Verschiedenheit der Sinnezart und der Einrichtungen ergeben,

und wir haben das Vertrauen, in Zukunft immer grö z j

Ich hoffe, bald Gelegenheit zu haben, dieser i ö lichen Ausdruck zu geben, wenn ich den angenehmen“ Besuch beg Grafen Berchtold erwidere. Sicherlich ist es notwendig, daß in Italien und in Oesterreich Ungarn allmählich eine größere Kenntn“ jener Sinnesart und des Geistes der Einrichtungen der beiden Länder Platz greife, damit man ihnen Rechnung trage, um so die amtlichen Beziehungen in den Herzen der Völker zu stärken. Denn wenn es wahr ist, daß Fragen der inneren Politik nicht zum Gegenstand diplomatischer Verhandlungen nach internationakem Recht gemacht werden können, so ist es nicht minder wahr, daß sie, wie dies auch in der österreichischen Delegarion bemerkt worden ist, eine be merkenswerte Rückwirkung in der öffentlichen Meinung haben können zumal in einem demokratisch⸗parlamentarischen Lande wie Italien. Keine italienische Regierung hätte die Macht oder das Recht, eine nicht von der Mehrheit des Volks und des Parlaments gewollte Politik zu verfolgen. Volk und Parlament haben aber auch wieder⸗ holt Verständnis dafür gejeigt, daß eine auf den Dreibund und innerhalb des Dreibundes auf gefestigte Beztehungen zwischen Italien und Oesterreich⸗Ungarn begründete Politik beffer als jede andere den großen nationalen Interessen entspricht. In der Frage der Reichsitaliener, auf die sich die Dekrete der Stalt— halterschaft von Triest bezogen, hat Barzilai sich selbst die beste Ant⸗ wort gegeben, indem er anerkannte, daß man nicht mehr erlangen konnte. Gerade weil es sich um Reichsttaliener handelte, konnten wir eine freundschaftliche diplomatische Aktion einleiten. Da die Schwierigkeiten groß waren, verdient das Werk des Grafen Berchtold und des Botschafters Merey, die eine dauernde Abkühlung der Freundschaft zwischen den beiden verbündeten Mächten abzuwenden verstanden, umso höher geschätzt zu werden. Was die Haltung Desterreich⸗Ungarns während des Libyschen Krieges anbelangt, so hat Barzilai vergessen, daß die österreichisch ungarische Regierung die einzige war, die öffentlich im Parlament erklärte, daß die Türkel für den Krieg verantwortlich sei, daß sie unter den ersten war, die unsere Souberänität über Libyen anerkannte, und daß sie zuerst ein Konsulat in Tripolis eingerichtet hat.

Einige Redner haben auf ein Mißtrauen angespielt, das mit Bezug auf die Frage des Gleichgewichts im Mittelmeer im Auslande gegen uns herrschen soll. Wenn dieses Mißtrauen existiert, ist es gänzlich unbegründet. Was die von uns besetzten Aegäischen Inseln aabelangt, so bleiben wir fest auf dem Boden des Vertrages von Lausanne. Die Regierung hält daher die Erklärungen vom 4. Dezember 1917 und vom 22. Februar 1913 aufrecht. Italien beharrt bei dem Grundsatz, daß keine Großmacht aus der gegenwärtigen Orientkrisis territoriale Vorteile ziehen soll. Die Aufrechterhaltung des territorialen status quo und des gegen— wärtigen Gleichgewichts der Großmächte im Mittelmeer ist das Ziel seiner Politik. Darum muß die Türkei unberührt, stark und sicher erhalten werden. Wir sind geneigt, der Türkei auch ferner unsere wirksame Unterstützung zu gewähren; wir wollen außerdem in der Türkei wie anderswo tätigen Anteil an dem friedlichen wirtschaftlichen Wettbewerb zwischen den Nationen, um überall unsere Waren, unsere Sprache und das Ansehen des italienischen Namens zu verbreiten, . wir fremdes Recht achten und Achtung für das unserige verlangen.

Barztlat hat gemeint, infolge unserer Politik seien unsere Be— ziehungen zu den außerhalb des Dreibundes stehenden Großmächten und den Balkanstaaten schlechter geworden. Ich glaube, die Kammer darüber beruhigen zu können. Die Wahrheit ist, daß Italien heute eine politisch, wirtschaftlich und maralisch stärkere Macht ist als früher. Die eine Nation gelangt früher, die andere später zur Höhe ihrer Macht. Ist diese aber erreicht, so nimmt sie ganz von selbst den ihr zukommenden Platz ein. Italien wird im Geiste der Versöhnung, der Klugheit und Mäßigung, aber mit Aus— dauer auf seinem ansteigenden Wege fortschreiten, auf dem die Unternehmung in Libyen eine der wichtigsten und entscheidendsten Phasen war. Trotz der Preßpolemik und einer vorübergehenden Meinungsverschiedenheit in Einzelfragen sind die Beziehungen zwischen der italienischen und der französischen Regierung auegezeichnet, wie sie es während der ganzen Balkankrisis waren. Wenn in Fragen, die Italien mehr angehen als Frankreich, zeitweilige Meinungsverschiedenheiten vorhanden waren, hat die französische Regierung schließlich unseren Wünschen freundschaftlich und freiwillig zugestimmt. Die beiden Regie⸗ rungen sind ernstlich und gleichmäßig entschlossen, ihre Freundschaft auch in Zukunft unberührt zu erhalten und alles mögliche zu tun, um ihre beider— seitigen Interessen zu versöhnen und zwischen den beiden Völkern immer mehr die Gefühle zu verbreiten, die ihrer intellektuellen Ver— wandtschaft entsprechen, die sich allenthalben so glänzend offenbart. Die Erklärungen Kokowtzows beweisen, daß der Pessimismus Barzllais auch bezüglich Rußlands unbegründet ist. In Italien ist die Erinnerung an die freundschaftliche Haltung Rußlands während des italienisch'türkischen Krieges nicht erloschen. Unsere Beziehungen mit England sollen nach Barzilai kähl geworden sein; er täuscht sich. In den 37 Jahren, in denen ich die Ehre hatte, unseren erhabenen Herischer in London zu vertreten, habe ich dieses Land genug kennen gelernt, um Ver— trauen zu haben in die unerschütterliche Freundschaft zwischen Italien und England. Glücklicherweise sind schwer zu lösende Meinungs— Trschiedenheiten in wichtigen Fragen bisher nicht aufgetreten, wie dies auch der neueste englische Vorschlag wegen der albanischen Grenzen beweist. Andauernd freimütige und herzliche Be⸗ sprechungen zwischen den beiden Regierungen lassen hoffen, daß wichtige und bleibende Meinungsverschledenheiten auch in Zukunft nicht auftreten werden. Mit der Art, wie Sir Edward Grey den Vorsitz in der Botschafterkonferenz führte, hat er dem europäischen Frieden bemerkenswerte Dienste geleistet, die seinem Namen einen Ehrenplatz in der Geschichte einer schwierigen inter— nationalen Krisis sichern. Auch mit Bezug auf die Balkanvölker täuscht sich Barzilat. Unsere Beziehungen mit der serbischen Re— gierung sind ausgezeichnet. Was Montenegro anbelangt, so gegünt der Hinweis darauf, daß der Mmister Plamenatz die Relse, die dem kleinen ruhmreichen Lande die Mittel zu wirtschaftlicher Entwicklung verschaffen soll, in Rom begonnen hat, und dle erbetene Unter⸗ stützung ist mit der größten Herzlichkeit gewährt worden. Unsere Beziehungen mit Bulgarien sind womöglich noch besser als vor dem Kriege, die mit Rumänien und der Türkei sind nie— mals so intim und herzlich gewesen wie gegenwärtig. Einen sehr an— genehmen Eindruck hat unter uns der Besuch des jungen Prinzen hmterlassen, der einst die Schicksale der Schwesternation leiten wird, die Rom zur Verteidigung der lateinischen Zivilisation an den Ufern der Donau angesiedelt hat. Italien wird also die von der Nation und dem Parlament wiederholt gebilligte Politik fortsetzen, keine Politik des Größenwahns oder des Impertalismus, aber eine Politik der bewüßten und vorausschauenden Aufrechterhaltung ihrer Lebensinteressen. Ausland und Inland müssen wissen, daß die Tage einer Polttik des Verzichts für Italien für immer vorbei sind und nicht wiederkommen werden. Aber Italten wird in den Tagen der Wohlfahrt und der Macht die Versprechungen halten, die es Europa in den fernen Tagen des Kampfet und des Schmerzes gemacht hat: Es wird in Europa, im Mittelmeer und in der Welt ein Element der Ordnung, des Gleichgewichts und des Friedens sein.

Nachdem der Marchese di San Giuliano gesprochen hatte, ergriff der Ministerpräsident Giolitti unter lebhafter Auf⸗— merksamkeit der Kammer das Wort und erklärte:

Die Reglerung habe ein Recht, zu erfahren, ob sie auf die Unter⸗ stützung einer festen Mehrheit bei der Verwirklichung ihres Programms zählen könne, für das die Wähler zu den Urnen gerufen worden seien. Der Marchefe di San Giuliano habe im Namen des Kabinetts in würdiger und umfassender Weise über die auswärtige Politik gesprochen. Dle militärische Politik hänge mit der auswärtigen Politik zu sammen. Er, Göolittt, erkläre, die Regierung wolle, daß die mili⸗ tärische Macht des Landes eine solche sei, wie sie es zur Durchführung seiner Polttik und zum 986 seiner Interessen sein müsse. Die italienische Politik set im wesentlichen eine Feiedeng⸗

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politik. Aber der Friede könne (inzig und allein gewahrt werden, wenn man eifersüchtig das Gleichgewicht der internationalen Kräfte aufrechterhalte⸗ Die Opfer, die die Aufrechterhaltung dieses Gleich gewichts erfordere, seien gering, wenn man die schrecklichen wirtschaft⸗ lichen Folgen eines Krieges bedenke. Auch die italienische Marine müsse so sein wie sie, die geographische Lage des Landes und der Schutz der Interessen seiner Bärger verlangen. Was die libysche Frage anbetreffe, so habe Italien sich nach Frledigung der Marokkofrage vor der Alternative befunden, Libyen emäß dem Recht, das internationale Abmachungen ihm zuerkannten, n besetzen oder für immer darauf, zu verzichten. Man habe das Unternehmen in Libyen nach vielem Zögern beschlossen, da man über⸗ zeugt war, daß ein endgültiger Verzicht auf Libyen ein wirt⸗ schaftliches und politisches Unglück sein würde. Die Re⸗ hlerung, habe sich die Schwierigkeiten des libyschen Unter⸗ nehmens niemals verhehlt und habe sie auch dem Lande niemals ver— beimlicht. Für die Zukunft müsse sie sehen, was zu geschehen habe. De Regierung wolle mit friedlichen Mitteln vorgehen und habe das Vertrauen, daß sie auch mit geringen Opfern die Befriedung der Bevölkerung durchführen könne. Bei Wiederaufnahme der parla— nentarischen Arbeiten werde sie ein provisortsches Budget für Lybien und ebenso Vorschläge für die Sozialgesetzgebung vorlegen.

Der Ministerpräsident Giolitti ging im weiteren Verlauf seiner Rede ausführlich auf innere Fragen ein und wiederholte die Er⸗ flärungen, die in der Thronrede über die Beziehungen von Staat und Kirche abgegeben worden waren. Was die Einmischung des Klerus in die Wahlen anbetreffe, so hätten die Geistlichen, wenn sie auch das Recht hätten, als Bürger ihre Stimme abzugeben, jeden⸗ falls nicht das Recht, die Autorität ihres geistlichen Amts zu gebrauchen, um einen Einfluß auf den Willen der Wähler auszuüben. Das Wahlgesetz betrachte diese unstatthaften Einmischungen als Vergehen. Zahlreiche Prozesse dieser Art schwebten vor den Gerichten. Was die religiösen Gemernschaften anbetreffe, so müsse man es sich sehr überlegen, ehe man den Grundsatz der Vereinsfreiheit antaste. Er erinnere daran, daß das Parlament beständig jedes Gesetz zurückgewiesen habe, das das Vereinsrecht beschränken wollte. Die Regierung werde indessen prüfen, ob die Gesetze, betreffend die Tote Hand, genau angewandt würden, und werde dem Gesetze gemäß Fürsorge treffen. Es dürfte jedoch nicht vergessen werden, daß Italien durch die Freiheit geschaffen worden sei und daß das Volk die Freiheit über alles liebe. Er glaube noch nicht, daß eine Mehrheit im Lande für die Einführung der Ehescheidung sei. Er behalte sich vor, einen Entwurf über die Priorität der Ziviltrauung einzubringen. Was die politische Lage anbetreffe, so betone er, daß, wo immer die klerikale Partei zu siegen hoffte, sie einen Kandidaten aufstellte, der die Regierungskandidaten lebhaft bekämpfte. Diejenigen, die den Pakt unterzeichneten, durch den sie sich mit der katholischen Wahlorganisation verbänden, seien keine Liberalen. Einige hätten ihn beschuldigt, daß er um jeden Preis an der Re⸗ gierung bleiben wolle, andere wieder hätten behauptet, daß er nur an den Rücktritt denke. Er erkläre, daß er so lange auf seinem Platze bleiben werde, wie es seine Pflicht sei, und keinen Tag länger. Infolge der Einführung des allgemeinen Stimmrechts müßten jetzt Fragen, die das Proletariat interessieren, an die erste Stelle treten. „Aber“, fuhr der Minister fort, „das Schicksal des Proletariats ist mit demjenigen der Nation verknüpft. Die leb⸗ hafte wirtschaftliche Konkurrenz der andern Völker hat ihren höchsten Ausdruck in dem politischen Kampfe des Proletariats gefunden. Ein besiegtes Volk wird niemals ein glückliches Proletariat haben. Das hat das italienische Volk erfahren, als es begeistert dem Auf— schwung Italiens Beifall zollte. Die Sozialisten streben nach einem Zustand des Friedens, der die Interessen aller Nationen miteinander vereinigt. Es ist ein edles Ziel; aber leider ist der Tag noch fein, an dem es erreicht werden kann. Für den Augenblick sind die wirtschaftlichen Kämpfe eng mit den volitischen Kämpfen verbunden. Sie kommen aber erst viel später. In dem gegenwärtigen Zustande würden wir eine Pflicht versäumen, wenn wir mit den wirtschaftlichen Interessen nicht auch die politischen Interessen des Vaterlandes energisch verteidigten.“

Darauf wurde die Sitzung aufgehoben.

Der Kardinal Rampolla ist, wie meldet, heute nacht in Rom gestorben.

Serbien.

Der Ministerrat hat den von österreichisch⸗ungarischen Blättern erhobenen Vorwurf, Serbien habe die Con vention A duatre verletzt, geprüft und laut Meldung des „W. T. B.“ folgenden Tatbestand festgestellt:

Der Verkehr auf den Schienensträngen ist durch die Kriegsereig⸗ nisse und den Einbruch der Albanesen unterbrochen worden. Später erhoben sich Hindernisse gegen die direkte Verbindung mit Saloniki, da die Gesellschaft der Orientbahnen, die die Linie Gumendje— Saloniki baut, Wagenwechsel für Reisende und Waren in Gumendje forderte. Ferner war der Verkehr zwischen Semlin und Belgrad in⸗ folge von Sanitätsmaßnahmen unterbrochen, die Oesterreich⸗Ungarn wegen der Choleragefahr getroffen hatte. Diese Maßnahmen waren noch vor elner Woche in Kraft. Infolgedessen war die serbische Eisen⸗ bahndirektion genötigt, neue Frachtbriese für Waren nach Saloniki zu verlangen. Zu gleicher Zeit wurde bei der Direktion der Orient⸗ bahnen ein Schritt in der Frage des Wagenwechsels unter⸗ nommen und die österreichisch⸗ ungarische Regierung um Auf— hebung der Sanitätsmaßnahmen ersucht. In der Zwischenzeit setzte die serbische Eisenbahndirektion, ohne den Durchgangstarif zu ändern, einen Lokaltarif zwischen Ristopatz und Djevdjelt für solche Waren

sest, deren Frachtbrlefe ausgewechselt werden mußten. Nachdem ein Abkommen mit der Orientbahngesellschaft erzielt und durch Aufhebung der Sanitätsmaßnahmen der Verkehr mit Semlin wieder möglich ge— worden war, hat die serbische Etsenbahndirektion der ungarischen mitgeteilt, daß sie vom 15. laufenden Monats an den regel⸗ mäßigen internationalen Verkehr, wie ihn die Convention 1 . vorsieht, in der Richtung nach Saloniki wieder aufnehmen werde.

Anerika. Nach Meldungen des „W. T. B.“ ist die 16 Meilen süd⸗ lich von Mexiko gelegene Stadt Milpaalta () von einer starken Abteilung Zapatisten angegriffen worden. Die aus Bundestruppen bestehende Besatzung wurde verjagt, eine An⸗ zahl von Bundessoldaten getötet. Von Mexiko aus wurde so⸗ leich eine Abteilung berittener Polizei entsandt, worauf sich die Insurgenten nach San Lorenzo in die Berge zurückzogen. Aus Chihuahua sind noch zweihundert Flüchtlinge in El Paso eingetroffen, unter ihnen Deutsche, Italiener, Fran⸗ zosen und Spanier. Sie erklärten, daß das von spanischen Kaufleuten in Chihuahua zurückgelassene Eigentum durch Auktion verkauft worden sei. Der Erlös sei in die Kasse der Insurgenten gewandert.

Asien.

Wie das „Reutersche Bureau“ meldet, weigert sich einer amtlichen Bekanntmachung zufolge Japan, seine Zustimmung zu dem russischen Vorschlag zu erteilen, die Truppen aus der Provinz Tschili zurückzuziehen.

Afrika.

Nach einer vom „W. T. B.“ verbreiteten amtlichen Mel⸗ ung aus Tetuan hatte eine spanische Abteilung einen dreistündigen Kampf gegen starke feindliche Streitkräfte zu bestehen. Die Marokkaner wurden durch Artilleriefeuer zurück= getrieben und erlitten große Verluste. Auf spanischer Seite wurden fünf Mann getötet und acht verwundet.

Statiftik und Volkswirtschaft.

Deutsche überfeeische Auswanderung im November 1913 und in dem gleichen Zeitraume des Vorjahrs. Es wurden befördert deutsche Auswanderer im Monat November über 1913 1912 G nenne,, , 736 8e 521 deutsche Häfen zusammen =. 1435 1257 fremde Häfen (soweit ermittelt) 131 561 überhaupt. . 1589 1818. Aus deutschen Häfen wurden im November 1913 neben den 1468 deutschen Auswanderern noch 31 80 Angehörige fremder Staaten befördert; davon gingen über Bremen 18 439, über Hamburg

53 539060.

Zur Arbeiterbewegung. Zum Buchdruckerausstand in Oesterreich (9ygl. Nr. 296 d. Bl.) wird dem W. T. B. aus Prag gemeldet, daß von den großen Tageszeitungen vorgestern bloß eine Abendausgabe erschienen ist. Die übrigen Blätter haben gestern früh und gestern abend hekto— graphierte Ausgaben versandt. Zwei große Druckereien haben die Arbeit ganz eingestellt.

Da infolge eines Ausstandes der Docker in Havre Ruhe— störungen befürchtet werden, sind W. T. B. zufolge zwei Infanterie⸗ batalllone und zwei Reiterschwadronen sowie mehrere Gendarmerie— abteilungen dorthin beordert worden.

Aus Victoria (Britisch Columbia) wird dem W. T. B.“ telegraphiert, daß die Canadian Pacific Railway aus Gründen der Sparsamkeit die britische Mannschaft auf ihren Schiffen Empreß of India‘ und „Empreß of Japan“ durch Chinefen ersetzt habe.

(Weitere „Statistische Nachrichten“ s. i. d. Ersten Beilage.)

Kunst und Wissenschaft.

Aus der Vorgeschichte der Antarktis. Seit mehr als einem halben Jahrhundert beschäftigen sich die Geographie und die mit ihr zusammenarbeitenden Naturwissenschaften mit der wichtigen Frage, ob in früheren Zeiten der Erdgeschichte ein Zusammenhang zwischen Afrika, Australien und Südamerika über das Südpolargebiet hinweg bestanden habe. Das Mittel, durch das ein Beweis dafür gegeben werden kann, ist allein die Erforschung der Verwandtschafts⸗ verhältnisse der Tiere und Pflanzen dieser Erdteile, und zwar nicht nur der noch heute lebenden, fondern insbesondere auch der ausgestorbenen Arten. Am wertvollsten aber mußte es fein, wenn aus dem Südpolar⸗ gebiet selbst Funde von ausgestorbenen Pflanzen und Tieren beigebracht werden konnten, da deren Beziehungen zu den älteren Tieren und Pflanzen der genannten Erdteile die Frage am besten zu beleuchten vermochten. Deshalb haben die Südpolarexrpeditionen der letzten Zeit möglichst sorgsam nach Tier und Pflanzenresten ausgeschaut, und ihre Be— mühungen sind auch nicht vergeblich gewesen. Was bisher auf diesem Gebiet geleistet worden ist, hat jetzt Professor Berry in der Wochen schrift ‚Scetence! zusammengefaßt. Vor j0 Jahren war aus dem Gebiet von fast 40 Millionen Quadratmetern um den Südpol bis zum 60. Breitegrad noch nicht eine einzige fossile Pflanze bekannt, aber seitdem ist durch den bewundernswerten Eifer der Süd⸗ polarforschung die Kenntnis durch eine Reihe von Funden bereichert worden. Der erste, der in diese ausgestorbene Pflanzenwelt hineingeleuchtet hat, war Otto Nordenskiöld, der 1902 1904 zwei Winter im Südpolargebiete zubrachte. Er sammelte auf einigen Inseln jenseits des 64. Breitegrades nicht nur versteinertes Holz, sondern auch deutlich erkennbare Pflanzenreste, deren Alter als der Kreide und dem Tertiär angehörig bestimmt wurde. Zwei Teilnehmer dieser Expedition, die unfreiwillig zu einer dritten Ueberwinterung gezwungen wurden, wurden dafür durch die Entdeckung einer be—⸗ sonders schönen Reihe von Pflanzen aus dem Zeitalter des Jura belohnt. Ausgestorbene Tiere sind schon weit früher im Südpolar—⸗ geblete nachgewiesen worden, auf der auch von Nordenfskisld besuchten Seymour Insel vor 20 Jahren durch Kapitän Larsen. Dieser beobachtete auch bereits das versteinerte Holz, das sich aber zu einer genaueren Bestimmung nicht eignete. Nordenskiöld brachte außer den fossilen Pflanzen auch reiche Sammlungen von wirbellosen und Wirbeltieren aus der oberen Kreide und dem Tertiär heim, aus der letzten Formation sogar die Ueber— bleibsel von 5 bisher ganz unbekannt gewesenen Vogelgattungen und einer Art des Zeuglodon, eines in der Wissenschaft berühmten Vor— fahren der Wale. Wie reich die von Nordenskiöld erbeuteten Schätze gewesen sind geht auch daraus hervor, daß ihre Bearbeitung erst in diesem Jahr zum Abschluß gekommen ist. Von den zuletzt veröffentlichten Arbeiten ist am wichtigsten die von Dr. Halle über die jurassische Flora von der Hoffnungsbucht (Hope Bay). Diese Pflanzenreste lagen in einem harten Schiefer, der selbst große Stücke in bewundernswertem Um⸗ fang erhalten hat. Nur die Einzelheiten des Baues sind leider oft verloren gegangen. Im ganzen sind über 60 Pflanzenformen ermittelt worden, darunter Schachtelhalme, Farne, Zykadeen und Koniferen. Daz Erstaunliche an dieser südlichsten Juraflora der Erde ist ihre große Aehnlichkeit mit der gleichaltrigen Pflanzenwelt in Indien und sogar in England. Eine Anzahl der Formen ist schlechthin identisch mit den auf der nördlichen Halbkugel nachgewiesenen Arten. Daraus ergibt sich selbstverständlich auch, daß zu jener Zeit im Südpolargebiet ein warmes Klima geherrscht haben muß, wie denn überhaupt die Klimazonen auf der Erde damals noch nicht ausgebildet gewesen sein können. Auch noch in der darauf folgenden Kreidezeit ist die Tier⸗ und Pflanzenwelt der von Indien und Europa nicht unähnlich. Aus dem Tertiär sind 87 verschledene Formen beschrieben worden, die eine ausgesprochene Aehnlichkeit mit südamerikanischen Pflanzen aufweisen, sodaß eine Verbindung der Antarktis mit diesem Erdteil welt wahrscheinlicher ist als eine solche mit Neuseeland und Australien.

Land⸗ und Forstwirtschaft.

Getreidemarkt in Ftalien während des Monats November 1913.

Weichweizen; Andauernd ungünstlge Berichte über die Ernte in gewissen Teilen Argentiniens haben den Weltmarkt umgestimmt. Die Spekulation hatte so sehr auf eine gute argentinische Ernte gerechnet, daß der nun zu erwartende vermutliche Ausfall von 20 0j jener wichtigen Ernte tiefgreifende Wirkungen haben muß. In der Tat zeigten auch die Käufer überall größere Kauflust, sodaß sich die Prelse durchweg erholen konnten. Am meisten trat dies bei Plata⸗ weizen in Erscheinung, weniger bei Ulka⸗Taganrog, der früher schon verhältnismäßig hoch stand.

Die Preise der oberitalienischen Weizen sind ebenfalls wieder im Steigen begriffen, doch sind sie im Verhältnis zu den ausländischen Herkünften immer noch wesentlich niedriger. Da diese Weizen jedoch Beimischung von Kraftweizen bedürfen, erzielten in letzter Zeit russische Weizenofferten mit Unterlage von besonders kräftigen Typenmustern geradezu Liebhaberpreise.

In Süditalien, wo man weniger auf Kraftwelzen als auf grob⸗ körnige Ware hält, spielen in letzter Zeit, außer Donauweizen, auch deutsche Weizen eine wichtige Rolle. Von den Müllern hierzulande hört man allgemein die Klage, daß die Preise ihrer Produkte nicht mehr im Verhältnis zu den erhöhten Einkaufspreisen der Weizen stehen. Infolge der verschärften Konkurrenz der hiesigen Großmüller habe eine entsprechende Preiserhöhung nicht nur nicht durchgeführt werden können, sondern die Mehlpreise seien seit einem Monat sogar zurückgegangen.

Hartweizen: Insolge guter Nachfrage aus Süditalien, zu⸗ sammenfallend mit den Deckungen früherer Vorverkäufe, hat diese Ware

eine fühlbare Hausse durchgemacht. In Hartweizenprodukten herrscht im hiesigen Bezirk derselbe scharfe Konkurrenzkampf, wie in Mehl, sodaß die Preise für Hartweizengries nicht im Verhältnis zu den Ein⸗ kaufspreisen von Hartweizen stehen.

Mats: Die Donauherkünfte fangen an Interesse zu finden, Platamais dagegen ist umsatzlos. fn Hafer ist aus ähnlichen Gründen, wie Hartweizen, im Preise ge⸗ iegen.

Die Vorräte in den Getreidestlos von Genua betrugen am 1. Dezember 1913:

Weichweien. ... 114900 42 HVartwetzen.. . 70100 M2 600 Gelbmais . 100 k 100 Gerste . 10 600 , 109 k 3169 Zusammen .. 209 500 dz. Die Preise stellten sich am 3. Dezember d. J. für 100 kg cif Genua wie folgt:

Ulka Taganrog, schwimmend, 195 Fr.; desgl. ladend 195 bis 1945 Fr.; Ulka Nieolaieff, Cherson, prompte Verschiffung, 19 bis 191 Fr.; Ulka Novorossisk, Januar⸗Verschiffung, 207 Fr.; Azima Noborossisk, prompte Verschiffung, 19, Fr.; Arma Theodosia, prompte Verschiffung, 191 Fr.; Donguweizen, 79-80 Kg, prompte Verschiffung, 195 Fr.; deesgl., Januar Februar ⸗Verschiffung, 206 Fri; Azow⸗Schwarzmeer Ulka. (Obessa ausgeschlossen), Januar⸗April⸗Verschiffung, 197 Fr.; Plataweizen, 73 Kg, Febr uar— März April Verschiffung (Ursprung) 20 207 Fr.; Mehl weiß La, je nach Marke und Müller, 31 35 Lire franko Genua; italienischer Landweizen, lombardische Mittelqualität, 26 26 Lire franko Mailand; Taganrog⸗Hartweizen, ladend, 209 20] Fr.; Novo⸗ rossisk - Hartweizen, Januar, Februar⸗Verschiffung, 205 —=20 Fr.; Platamais, gelb, rveterms, April Maß⸗Verschiffung, 143 Fr.; Donau⸗ Foran, prompte Verschiffung, 133 Fr.; desgl., Pal. Juni⸗Juli⸗ Verschiffung, 137 Fr.; italienischer Mais, inländifche Mittelqualitãt, 155 416 Lire franko Mailand; russischer Hafer, 43-44 kg, 137 bis 14 Fr.; Platahafer, 45 kg, Januar⸗-Februar⸗Verschiffung, 14! bis 14 Fr.; italienischer Hafer, inländische Mittelqualität, 19 19 Lice frank9 Mailand.

Die in Genua lagernden Getreidevorräte werden eingeschãtzt

am 31 10. 15 am 30. 11. 13 2 d 2 Weichweizen.. . 145 000 201 900 weißen oh 95 500 sd // 25 000 11, 500 100 k 4000 3100 ß 1000 10000.

In Savona wurden im Berichtsmonat 11 650 42 Weizen ein— geführt. Die Preise hlerfür schwankten zwischen 29 und 29, 50 Lire für 100 kg. Vorräte befinden sich nicht auf Lager. Bericht des Kaiserlichen Generalkonsulats in Genua vom 10. Dezember 1913.

Ernteergebnisse und Saatenstand in Südfrankreich.

Die Witterung des November war in ganz Südfrankreich milde und feucht. Infolge der zahlreichen Regenfalle sind die Herbst⸗ aussaaten etwas verspätet beendet worden. Die jungen Saaten sind gut und kräftig aufgegangen und stehen fast überall recht gut; indessen wird in manchen Gegenden über Schneckenfraß und Unkraut geklagt. Die Kartoffelernte ist beendet. Der Ertrag ist reichlich; aber die Kartoffeln sind zum Teil faulig und werden sich schlecht halten. Auch die Zuckerrübenernte ist beendet; sie wird zum Teil als gut, zum Teil als kleine Mittelernte bezeichnet, Futtermittel stehen überall gut. Rüben und Rettig sind zufriedenstellend entwickelt. Das Vieh ist im ganzen Bezirk noch auf der Weide und findet reichliche Nahrung. Gemüse stehen sehr gut. Dle Oliven sind fast reif; die Ernte wird aber nur mittelmäßig aus—⸗ fallen. Die Kastanienernte wird als befriedigend bezeichnet. Bericht des Kaiserlichen Konsuls in Marseille vom 10. Dezember 1913)

Weizeneinfuhr nach Marseille.

Nach den Wochenberichten der in Marseille erscheinenden Zeitung Le Somaphore“ hat die Weizeneinfuhr nach Marfeille auf dem Seewege betragen:

in der Zeit vom 16. bis 21. November ; 243 784

dayon nil 172 226

und aus Deutichland.. . y 71290

in der Zeit vom 23. bis 28. November... 295 237

davon aus Rußland . 168 454

in der Zeit vom 30. November bis 5. Dezember 372 655

dahon auß l 282 205

und aus Deut dJ nd 7759

in der Zeit vom 7. bis 12. Dezember... 229 601

davon aus Rußland... HJ

In den Zollniederlagen in Marseille befanden sich am

10. Dezember 116460 dz. (Bericht des Kaiserlichen Konsuls in Marseille vom 13. Dezember 1913.)

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Saatenstand in Bulgarien.

In der zweiten Hälfte des Monats November sind fast im ganzen Lande Niederschläge zu verzeichnen gewesen, die dem Boden die zum kräftigen Aufkeimen der Saaten nötige Feuchtigkeit zuführten und die noch rückständige Aussaat ermöglichten. Letztere hat bis auf einige Orte im Sofiger Kreise fast überall beendet werden können. Der Stand der Wintersaaten wird daher gegenwärtig im allgemeinen als sehr günstig bezeichnet. (Bericht des Kaiserlichen Konsuls in Sofia vom 9. Dezember 1913)

Nr. 61 des „Zentralblatts für das Deutsche Reich, herausgegeben im Reichsamt des Innern, vom B. Dejember 1915 hat folgenden Inhalt: Konsulatwesen: Ernennungen; Gxeguatur⸗ erteilungen; Ermächtigung zur Vornahme von Zivilstandsbandlungen; Entlassungen. Bankwesen: Status der deutschen Notenbanken Ende November 1913. Zoll⸗ und Steuerwesen: Personal⸗ veränderungen bei den Stattonskontrolleuren und Chgrakterverlethung. Veränderungen in dem Stande und den Befugnissen der Zoll- und Steuerstellen. Aenderungen in den für die Verzollung maßgebenden Tara und Tarazuschlagssätzen. Auswanderungswesen: Erwelterung der der Hamburg⸗Amerika⸗Linie erteilten Erlaubnis zur Beförderung von Autzwanderern. ö Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiete. Marine und Schiffahrt: Muster eines Formulars zu den Meßbrtefen für die Fahrt durch den Suezkanal.

Verkehrs wesen.

Das Postamt in Kaulsdorf führt fortan die Bezeichnun Kaulsdorf b. Berlin. zeichnung

Nach einer Mitteilung der französischen Postverwaltung ist die hh der Briefsäcke, die in Parts dem y,, aris Lissabon an den Postschlußtagen für Südamerika zugehen darunter auch solche aus Deutschland für Brasilten,