1914 / 7 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 09 Jan 1914 18:00:01 GMT) scan diff

Anlagekapitals für allgemeine Staatszwecke zu verwenden sind, nach⸗ dem zuvor 1,15 desselben Kapitals in das Extraordinarium ein—⸗ gestellt sind. Etwa darüber hinausgehende Reinüberschüsse der Eisenbahnen sollen dem nach dem Gesetz vom 3. Mai 1903 zu bildenden Ausgleichsfonds überwiesen weiden. Das Jahr 1914 ist das letzte Jahr dieser fünfjährigen Periode. Infolge⸗ dessen ist der Eisenbahnetat für 1914 von ganz besonderer Bedeutung. An ihm fällt drelerlei auf: 1) ein Herabgehen der Reinüberschüsse der Eisenbahnen in Gestalt der Ueberweisungen zum Ausgleichsfonds von 93,4 Millionen Mark nach dem Etat für 1913 auf 79.72 Millionen Mark; 2) ein Hinaufgehen l des Betriebskoeffizienten auf 69 28 0, d. h. eine Stelgerung um 2980, gegenüber der Wirklichkeit des Jahres 1912 und von 107 gegenüber dem Voranschlag für 1913; und 3) ein so starkes Ansteigen des Bedarfs für das Extraordinarium, daß die dafür vorgesehenen 1ů15 9½9 bei weitem nicht ausreichen, sondern durch 45 Millionen Mark haben verstärkt und bereits weitere große Verstärkungen über die Grenze von 1,15 0/0 durch Ein⸗ stellung von ersten Raten für die nächstfolgenden Jahre haben fest⸗ gelegt werden müssen.

Dlese drei Momente lassen die Möglichkeit, durch eine stärkere Heranziehung der Eisenbahnüberschässe eine Entlastung des Staats⸗ haushalts herbeizuführen, in einem viel trüberen Lichte erscheinen, als es nech vor einem Jahre der Fall war. Nach den eigenen Schätzungen der Eisenbahnverwaltung kann mit Rücksicht auf die zweifelhafter ge⸗ wordenen Aussichten des E(werbslebens und das dadurch bedingte Abflauen des Verkehrs zwar noch immer mit einer Verkehrssteigerung, jedoch nur mit einer solchen von 6 gegenüber der Wirklichkeit des Jahres 1912 gerechnet werden Hiernach ergibt sich ein Reinüberschuß, die Rücklage an den Ausgleichsfonds als solchen eingerechnet, von 323,6 Millionen Mark. Vergleicht man diesen Reinüberschuß mit den Reinüberschüssen der Vorjahre, so ergibt sich, daß wir uns auf der abfallenden Kurve bewegen; denn der Reinüberschuß des Jahres 1911 betrug einschließlich der Rücklage 382 Millionen Mark, der des Jahres 1912 400 Millionen Mark; im Jahre 1913 ist er entsprechend dem bisherigen Verlaufe nach den eigenen Angaben der Eisenbahnverwaltung nur auf 328 Millionen Mark und im nächsten Jahre nur auf 323 Millionen Mark zu veranschlagen. Wir haben also auch hier das von mir bereits vorhin erwähnte nachträgliche An⸗ schwellen der Ausgaben nach Zeiten starker Verkehrssteigerung.

In diesem Jahre ist die Vermehrung der Ausgaben noch dadurch mit hervorgerufen, daß von den Besoldungserböhungen 15,5 Millionen Mark auf die Eisenbahnen entfallen, und daß außerdem für Lohn⸗ erhöhungen 18,? Millionen Mark mehr als im Vorjahre in den Etat eingestellt worden sind.

Alles dieses führt zu dem Betrlebskoeffizienten von 69,280 Oo. Daß dieses Verhältnis der Ausgaben zu den Einnahmen etwa zu hoch gegriffen sein sollte, ist nicht anzunehmen. Der bisherige Verlauf des Jahres 1913 und die von mir soeben angeführten Zahlen sprechen dagegen. Wir sind also mit dem Betriebskoeffizienten wieder auf der aufsteigenden Kurve, und zwar wird der Betriebe koeffizlent um 4.05 0/0 höher veranschlagt als er sich im Jahre 1911 ergeben hat. Da nach dem neuen Etat die Betriebseinnahmen auf 2638 Millionen Mark veranschlagt worden sind und 10, infolgede ssen 26,38 Millionen Mark ausmachen, so würde diese Erhöhung des Betriebskoeffizienten soviel bedeuten, daß von unseren Eisenbahneinnahmen gegenüber 1911 weit über 100 Millionen Mark durch verstärkte Ausgaben verzehrt werden.

Ganz besondere Beachtung verdient aber die Tatsache, daß der Eisenbahnetat mit dem im Jahre 1910 festgesetzten Prozentsatz von 1515 für das Extraordinarium nicht mehr auskommt, sondern erklärt hat, sowohl für das Jahr 1914 wie auch für die folgenden Jahre bedeutend höhere Beträge aufwenden zu müssen. (Hört, hört! rechts) Dieses bedeutet nichts anderes, als daß in Zukunft ganz ohne Frage die Ueberweisungen an den Ausgleichsfonds heruntergehen oder gar aufhören werden, ja daß unter Umständen sogar die Dotierung der Staatskasse mit 2, 10 0,½ gefährdet werden kann.

Das Extraordinarium enthält Kapitalaufwendungen für die be— stehenden Bahnen, soweilt sie im einzelnen mehr als 100 000 66 be⸗ tragen. Die Kapitalauswendungen unter 100 000 ½ werden vom Ordinarium bestritten. Während früher die gesamten nachträg⸗ lichen Kapitalaufwendungen über 100 000 S auf das Extraordinarium übernommen wurden, ist dieses nach dem Abkommen von 1910 materiell und ziffermäßig begrenzt: materiell insofern, als erstens alle Ausgaben für zweite und weitere Gleise, zweitens für Beschaffung von Fahrzeugen über den Ersatz hinaus, drittens für Umwandlung von Nebenbahnen in Hauptbahnen und viertens für den Uebergang zu einer anderen Betriebsweise auf die Anleihe ver— wiesen worden sind; ziffernmäßig, indem bei der Ermittelung des Reinüberschusses nur 1,15 ½υ des zuletzt abgerechneten statistischen Anlagekapitals in Rechnung. zu stellen sind. Ein etwa darüber hinaus⸗ gehender Bedarf soll aus dem Ausgleichsfonds gedeckt werden. Dieser Fall ist für 1914 vorgesehen. Nachdem im Jahre 1912 das Extra⸗ ordinarium noch durch den Nachtragsetat um sechzig Millionen Mark hat verstärkt werden müssen, ist nach dem neuen Etat der Baubedaif wieder so groß. daß die dafür zur Verfügung stehenden 1,15 9 nicht ausreichen, sondern um fünfundvierzig Millionen Mark verstärkt werden müssen. (Glocke des Präsidenten.) Da für diese fünfundvierzig Millionen Mark Anleihen nicht in An⸗ spruch genommen werden können, weil die von mir soeben skizzierten Voraussetzungen fehlen, müssen sie nach dem Gesetz vom 3. Mai 1903 dem Ausgleichsfonds entnommen werden. Das Bedenkliche dabei ist aber, wie ich wiederholt betonen möchte, daß der Herr Eisenbahn⸗ minister erklärt hat, auch für die folgenden Jahre keinen geringeren Bedarf in Autsicht stellen zu können (sehr richtig), und daß auch die durch die Einstellung der Raten einge⸗ gangene Bauschuld so stark gewachsen ist, daß die Annahme des Herren Eisenbahnministers dadurch bestätigt wird. Wir müssen also damit rechnen, daß im nächsten Jahre bei der Neuregelung des EGlsenbahnetatz die Ansprüche für das Extraordinarium ganz erheblich in die Höhe gehen werden, daß also die 1,‚15 0, bei weitem nicht ausreichen, sondern erhöht werden müssen. Damit ist aber auch die Hoffnung, daß durch eine stärkere Inanspruchnahme der Reinüberschüsse der Cisenbahnverwaltung der Staatshaushalt entlastet werden könne,

in immer weitere Ferne gerückt, ja, es ist sogar in Frage gestellt, ob die Eisenbabhnverwaltung dauernd imstande ist, die 2,10 υο für sicht genommen, den gemeinnützigen Sledelungsgesellschaften

Staatszwecke zu liefern. (Pört, hört h

Von manchem von Ihnen wird nun sicherlich eingewendet werden: dem läßt sich leicht dadurch begegnen, daß entweder das ganze Extra⸗ ordlnarlum oder die Verstärkungssummen auf die Anleihen verwiesen

werden. Meine Herren, dem ist nicht so. Das verbietet sich, ganz

abgesehen von den schon wiederholt erörterten Erwägungen, aus zwei Gründen:

Die alljährlich für Eisenbahnzwecke zu bewilligenden Anleihen sind in den letzten J hren ganz außerordentlich gestiegen, sodaß sie geradezu ein Gegenstand der ernstesten Sorge für die Finanz⸗ verwaltung geworden sind. 1911 und 1912 betrugen die jährlichen Anleihen noch 263 und 286 Millionen Mark; 1913 haben sie sich auf die riesenhafte Summe von 567 Millionen Mark verdoppelt, und ein Bedarf von mindestens derselben Höhe ist auch für die nächsten Jabre angemeldet worden. (Sehr richtig! und Bravo! links. Diesem Bedarf gegenüber ist es ganz ausgeschle ssen, die jähr⸗ lichen Anlelhen durch die Ueberweisung weiterer Ausgaben auf Anleihe noch mehr zu steigern; das würde an der Unmöglichkeit scheitern, die Inanspruchnahme des Anleihemarktes welter auszudehnen. Nah unseren bisherigen Erfahrungen ist der Anleihemarkt nicht geneigt, alljähr⸗ lich so hohe Anleihebeträge aufjunehmen; namentlich in Zeiten mit einem so angespannten Geldstande, wie wir ihn fast das ganze ver⸗ gangene Jabr hindurch hatten, ist es ohne bie einschneldendsten, die ganze Volkawirtschaft in Mitleidenschaft ziehenden Aenderungen unserer Emissionsbedingunen nicht möglich, so hohe Anleihebeträge flüssig zu machen. Unsere Mißerfolge bei der Begebung der letzten An—⸗ leihen im vorigen Jahre haben uns ganz deutlich gezeigt, daß der Markt so hohe Beträge nicht aufnimmt. Wenn wir zu unserm Glück nicht den hohen Ausgleichsfonds von 300 Millionen zur vorüber gehenden Aushilfe bereit gehabt hätten, dann wären wir nicht im— stande gewesen, die zahlreichen Eisenbahnbauten in vollem Umfange durchzuführen und auch den Markt mit Bestellungen zu versorgen, wie es tatsächlich geschehen ist; was das aber gerade zu Beginn des Rück— gangs der Konjunktur zu bedeuten gehabt hätte, das brauche ich wohl nicht weiter zu erwähnen. Auch das Borgen hat seine Greazen (Heiterkeit), und wenn man es auch noch so gut versteht (große Heiterkeit), man kann es nicht beliebig weit ausdehnen. Das ist der erste Grund.

Der zweite Grund liegt darin, daß neuerdings die jährlichen Reineinnahmen mit Einschluß der Rücklagen von den jährlichen An leihebewilligungen erheblich überstiegen werden. Während 1911 die Reinüberschüsse 332 Millionen, die Anleihe 263 Millionen Mark und 1912 die Reinüberschüsse 400 Millionen Mark, die Anleihe 286 Millionen Mark betrugen, hat sich von da ab das Verhältnis vollständig um⸗ gekehrt, indem 1913 die Reinüberschüsse etwa 328, die Anleihen aber 567 Millionen betragen haben und 1914 die Reinüberschüsse 323 Millionen Mark und die zu bewilligende Anleihe wiederum miagdestens ebensoviel betragen werden. Es wäre ganz unverantwortlich, wenn dieses ungünstige Verhältnis zwischen Reinüberschuß und Anleihe noch weiterhin verstärkt werden sollte; es ist im Gegenteil sehr ernstlich zu überlegen, ob nicht im nächsten Jahre bei der Neuregelung des Eisenbahnetats diejenigen Ausgabezwecke, welche auf Anleihen ge- nommen werden, wesentlich eingeschränkt werden müssen. (Wider—⸗ spruch links) Eine Verweisung der Ausgaben des Extraordinariums oder nur seines Mehrbedarfs auf die Anleihe ist deshalb tatsächlich unmöglich.

Dem Ausgleichsfonds sind in den Jahren 1910, 1911 und 1912 zusammen 407 Millionen Mark zugeflossen; im Jahre 1913 wird er etwa 933 Millionen Mark und 1914 79,2 Millionen Mark er⸗ halten, sodaß er Ende 1914 etwa 580 Millonen Mark erhalten haben wird. (Hört, hört!) Herausgenommen sind oder werden aus dem Ausgleichsfonds rund 60 Millionen Mark auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen zur Dotierung des Dispositionsfonds des Arbeitsministers und 105 Millionen Mark zur Veistärkung des Extraordinariums. Der Ausgleichsfonds wird daher am Ende der fünfjährigen Periode netto etwa 415 Millionen Mark enthalten. Das ist eine sehr schöne und beträchtliche Reserve für schlimme Zeiten (sehr richtig!); sie ist aber keineswegs zu hoch, meine Herren. Denn, wenn man bedenkt, daß in dem einen Jahre 1908 die Verkehrgeinnahmen einen Fehlbetranz von 132 Millionen erbracht haben, und daß dieser Fehlbetrag heute noch viel leichter eintreten kann, weil inzwischen das Einnahmesoll um mehr als eine halbe Milliarde Mark gestlegen ist, so wird man zugeben müssen, daß nur wenige schlechte Jahre genügen, um diesen Schatz, so voll gefüllt er jetzt auch scheint, wieder zu leeren. Es ist deshalb dringend erforder⸗ lich, daß dem Ausgleichfonds jedesmal nach einer Entnahme wiederum neue Mittel zugeführt werden; denn“ sonst ist er außerstande, den Zweck, den er erfüllen soll, auch wirklich zu erfüllen. Sollte aber tatsächlich der heute nicht wahr⸗ scheinliche Fall eintreten, daß der Ausgleichsfonds einen Bestand er⸗ reichen würde, welcher über den mit ihm verfolgten Zweck hinaus—⸗ ginge, so würde dieses Mehr doch nicht für allgemeine Staatszwecke Verwendung finden können; dazu ist es viel zu schwankend. Es wäre vielmehr alsdann zu prüfen, ob dieser Betrag nicht besser der Eisen⸗ bahnverwaltung zur Bestreitung ihrer eigenen Bedürfnisse überwiesen werden sollte. (Sehr richtig!)

Meine Herren, nach alledem ist es ganz undurchführbar, daß die 72 Millionen, welche aus den Steuerzuschlägen heute aufkommen, durch elne stärkere Inanspruchnahme des Ausgleichsfonds oder der Reinüberschüsse der Eisenbahnen ersetzt werden können. Ein anderer Eisatz steht aber nirgends zur Verfügung. Damit entfällt für die Staatsregierung die Möglichkeit, die Steuerzuschläge zurzeit in Weg⸗ fall bringen zu können. (Abg. Dr. Wiemer: Wann wird die Zeit kommen? Wenn wir bessere Finanzen haben. (Bravo! Sehr richtig! richts Abg. Dr. Wiemer: 500 Millionen im Spar—⸗ tõpfchen )

Meine Herren, die innere Kolonisation soll weiter gefördert werden. Im Jahre 1913 sind in Sachsen und Schlesien unter starker Beteiligung des Staates neue Siedelungsgesellschaften gegründet worden; die für Schleswig⸗Holstein bestehende Stedelungsgesellschaft ist in diesem Jahre reorganlsiert, und für die Provinz Hannover steht das Inslebentreten einer Gesellschaft bevor, welche die Besiedelung und Kaltivierung der Moore und Dedländereien zum Ziele hat. Durch die dadurch zweifellos eintretende Verstärkung der Siedelungstätigkeit werden die für Zwischenkredit zur Verfügung stehenden Mittel bei weitem nicht mehr ausreichen; sie sind jetzt schon knapp. Infolgedessen wird dem hohen Hause ein Gesetzentwurf zugehen, welcher erheb⸗ liche Mittel für Zwischenkredite fordern wird. Der Heir Landwirtschaftsminister und ich haben ferner in Aus—

einen Teil der Kursverluste an den Rentenbriefen auf die Staats kasse zu übernehmen, weil sich diese Kursverluste als den Siedlungen hinderlich erwiesen haben. (Sehr richtig) Ich bin überzeugt, daß

diese Maßnahmen Ihren Beifall finden werden. (Sehr richtig)

Auf die übrigen Einzelheiten des Etats will ich heute nicht weiter eingehen, da in dem veröffentlichten Ueberblick und dem Vor, bericht zum Etat alles Wissengwerte enthalten ist.

Nur soviel möchte ich erwähnen, daß der Mehrzuschuß an die einzelnen Verwaltungszweige nach Verhältnis gleichmäßig vertelst worden ist. Der Löwenanteil, den im vorigen Jahre die landwirt. schaftliche Verwaltung zur Hebung der Viehzucht erhalten hatte, is in diesem Jahre auf die Bauverwaltung übergegangen, deren Etat besonders reich bedacht ist, um die Arbeitegelegenheit zu vermehren. Trotzdem aber hat die landwirtschaftliche Verwaltung dadurch keinerlei Schaden erlitten; denn die im vorigen Jahre außerordentlich erhöhten Fonds sind in diesem Jahre auf Lerselben Höhe belassen worden.

Auch der Etat der Justizverwaltung ist wieder gestiegen. Die im vorigen Jahre eingetretene so seltene Erscheinung, daß ein Ctat einen geringeren Zuschußbedarf hat als im Jahre vorher, ist leider in diesem Jahre wiederum gesbhwunden.

Meine Herren, ich komme nun zum Schluß. Ich habe mich bemüht, Ihnen ein genaues Bild über die schwierigen und komplizierten Zusammenhänge unseres Etats zu geben; hoffentlich it mir dieses gelungen. Ste werden mir zugeben, daß der Etat in gam anderem Lichte eischeint, wenn man welß, wie er von den Einzeletatz beeinflußt wird, und welche Aussichten diese für die Zukunft haben. Unsere Finanzlage ist das erkenne ich gern an durchaus befriedigend; sie ist aber keineswegs so, daß der Staatshaushalt über das, was er bisher zu tragen hat, belastet werden kann, oder daß ihm seine bestehenden Einnahmequellen genommen werden dürften. Die steigende Tenden der dauernden Ausgaben und die von mir vorhin geschilderten ver⸗ schiedenen Unsicherheitsmomente hinsichtlich der zukünftigen Ent—

wicklung verbieten dies. Ein absichtliches Grau⸗in⸗Grau⸗schildemn

oder die Absicht der Plusmacherei liegt mir vollkommen fem; davon ist gar keine Rede. (Na, na! links.) Ich bin mi sehr wohl bewußt, daß die Staatsfinanzen nicht Selbstzwech sondern nur Mutel zum Zweck seia dürfen und sich höheren Rücksichten unterordnen müssen; ich bin mir aber ebensowoll bewußt, daß sie dem hohen Zweck, d. h. dem Wohle de vandes und des Staates, dann am besten dienen können, wenn sie so gesund und geordnet bleiben, daß der Staat seine großen und be— deutenden Kulturaufgaben dauernd erfüllen kann. Ich bitte das hohe Haus wie in den früheren Jahren so auch in diesem Jahre, die Königliche Staatsregierung in dem Bestreben zu unterstützen, daß unsere preußischen Staatsfinanzen gesund, solide und geordnet bleiben (Bravo! rechts) Um des hohen Zieles willen hoffe ich keine Fehl— bitte zu tun. In dieser Hoffnung sehe ich Ihren Beratungen mit Vertrauen entgegen. (Bravo! rechts, im Zentrum und bei den Nationalliberalen.)

Präsident Dr. Graf von Schwerin-⸗Löwitz schlägt vor, die nächste Sitzung zur Beratung des Etats am Dienstag abzuhalten und schon um 19 Uhr zu beginnen. .

Abg. Dr. Wie mer (ortschr. Volksp.) erhebt gegen diese frühe Stunde Widerspruch. Er begreife wohl, daß man der Budget— kommission alsbald Beratungsstoff übergeben wolle, aber die Arbeiten des Hauses dürften nicht 6 werden. Schuld sei die späte Ein, berufung des Hauses durch die Regierung, und dem Hause könne nicht zugemutet werden, das wieder gutzumachen.

Der Vorschlag des Abg. Dr. Wiemer, die Sitzung wie ge— wöhnlich erst um 11 Uhr zu beginnen, wird gegen die Stimmen der Volkspartei und der Sozialdemokraten abgelehnt.

Schluß gegen 333 Uhr. Nächste Sitzung Dienstag, 10 Uhr,

(Wahl der Präsidenten und der Schriftführer; Rechnungs— sachen; erste Lesung des Etats.)

Koloniales.

IH. Allgemeine deutschostafrikanische Landesausstellung in Daressalam.

Gegenüber auch in der Presse verbreiteten Mitteilungen, nah denen an eine Verschiebung der geplanten II. Allgemeinen deutschos, afrikanischen Landesausstellung in. Daressalam gedacht würde, it W. T. B.“ in der Lage, autbentisch festzustellen, daß hiervon keineswegs die Rede ist. Im Gegenteil hat eine Interessenten= besprechung, die vor einigen Tagen im Reichskolonialamt statt, fand, vollste Einigkeit darüber ergeben, alle Kräfte. für die rechtzeitige und wirkungsvolle Durchführung der bekanntlich unter dem Protektorat Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kron, rinzen und dem Ehrenvorsitz Seiner Hoheit des Herjogs Jehan

lbrecht zu Mecklenburg, des Präsidenten der Deutschen Kolonig! gesellschaft, stehenden Autstellung einzusetzen. Dieses Resultat kam umsomehr begrüßt werden, als die bisherigen Vorarbeiten nicht nur in Dentschland in den verschiedensten In, dustriekreisen auf lebhaftes Interesse i en sind, sondern aut im Auslande, wag von allen denjenigen heimtschen Interessenten nich vergessen werden sollte, die mit der auswärtigen Konkurrenz zu rechnen haben. So hat fich vor kurzem in Belgien mit Unterstützung ze dortigen Kolonialministeriums ein Komitee gebildet, dem gleich bei Beginn seiner Arbeiten etwa 39 feste Anm eldun gen zugingen. Gerade dlese belgische Regsamkeit zeigt deutlich, wie richtig men die gleichzeitig mit der Ausstellung erfelgende Tanganjikabahn eröffnung als Einleitung einer neuen Wirtschaftsära für unset

Schutzgebiet und als Ausgangspunkt neuer wichtiger Handel,

beziehungen zu dem ganzen bisher fast unerschlossenen Jen fralas wertet. Anmeldungen und Anftagen aller Art find an den heimischet Arbeitsausschuß in Berlin NW. 40, Roonstraße 1, zu richten.

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Die Aussperrung der 4000 Arhelter der Ganz- Danublit, Fabrik in Budapest ist, wie die „Frkf. Ztg. erfährt, wieder au gehoben worden. (Vgl. Nr. 5 d. BI.

Gestern vormittag um 11 Uhr war die Lage im Eisenbahner, aus fand in Südafrira (gl. Nr. 6 d. Bl. wie dem. B. T. *. aus Kapstadt gemeldet wird, folgende: In der Kapkolonie, Natal und in der Oranje⸗River⸗Kolonie wurde gear heit In Trgnsvaal war das Zugpersonal bel der Arbeit. Die Arbe in den Werkstätten sind teilweife in den Ausstand getreten, teilw! bereiten sie den Streik vor. Nach einer Meidung? des Reuter che Bureaus“ aus Johannesburg bat der ausführende uns ch des Gewerkschafts verbandes noch keinen Beschluß bez ss des allgemeinen Ausstandes gefaßt, und wahrscheinlich wird be Sonnabendnacht kein entscheidender Schritt getan werden.

M 7.

Parlamentarische Nachrichten.

Eine Novelle zum . Landesverwaltungs⸗ gesetz ist dem Herrenhause gestern zugegangen. Sie gibt dem Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 eine nach einheitlichen Gesichtspunkten entworfene neue Fassung. In der Begründung wird auf die Resolutionen des Landtags aus dem Jahre 1908, durch die die Staatsregierung zur Herbeiführung einer Reform der allgemeinen Landesver⸗ waltung aufgefordert wurde, verwiesen. Die Staatsregierung hatte schon vorher in derselben Richtung eingehende Erwägungen eingeleitet. Allseitig wurde die Notwendigkeit zeitgemäßer Ver⸗ besserungen anerkannt, aber es stand auch fest, daß der in hundertjähriger organischer Entwicklung entstandene und be⸗ währte Grundaufbau der provinziellen Verwaltungsstaffel: Kreis⸗, Bezirks- und Provinzialbehörde wohl beizubehalten und nicht durch Beseitigung der obersten oder der Mittelinstanz umzustürzen sei. Dieser von anderer Seite angeregte Gedanke

wäre auch praktisch unausführbar. In der Begründung heißt.

es hierzu:

Der Oberpräsident als oberste Provinzialbehörde kann, auch ab⸗ gesehen von politischen und repräsentativen Gründen, schon zum Zwecke der Aufrechterhaltung einheitlicher und dauernder Geschäfts— beziehungen zur provinziellen Selbstverwaltung nicht entbehrt werden. Ebensowenig ist es möglich, auf die Bezirksregierungen als Mittel⸗ instanz zu verzichten. Ihre Zuständigkeiten zum Teil auf dem Wege der Zentrallsation dem Oberpräsidenten zuzuweisen, würde bei der Größe der meisten preußischen Provinzen der obersten Anforderung jeder zweckmäßigen Verwaltungsordnung wider⸗ sprechen, daß die Geschäfte in stetiger lebendiger und frucht⸗ bringender Fühlung mit Land und Leuten durch eine diesen örtlich und persönlich nahestehende Stelle erledigt werden. Es würden mit solcher Zentralisation provinzielle Verwaltungsbehörden mit so großem Ge— schäflsum fange entstehen. daß es unmöalich wäre, sie zu gemein— schaftlicher Arbeit im Sinne und Interesse des Ganzen zusammen— zubalten. Die unausbleibliche Folge wäre die Auflösung der be⸗ währten einheitlichen Verwaltung in der Bezirksinstanz in eine Reihe von Sonderbehörden, die ohne die unerläßliche Fühlung nebeneinander regieren würden. Das würde nicht bloß unter dem Gesichtspunkt der Vereinfachung der Verwaltung, sondern namentlich auch in sachlicher Beziehang eine sehr erhebliche Ver— schlechterung des bisherigen Zustandes bedeuten. Mit einer solchen Zentralisation würden aber auch weder Kräfte noch Verwaltungs fosten, weder Arbeit noch Zeit erspart werden können, dagegen würde die Inanspruchnahme der Dienststelle für die Bevölkerung in unerträg⸗ licher Weise erschwert und verteuert werden. Ferner aber wäre für den anderen Teil der Regierungsgeschäfte der Ausbau der Landrats ämter zu kleinen Regierungen unvermeidlich; ihnen müßten dann ins—⸗ besondere auch die kreisangehörigen Städte unterstellt werden, soweit diese jetzt unter der Regierung stehen. Die Folge einer solchen Aenderung würde ein gewaltiger Mehraufwand an Kräften und Kosten sein. Der Landrat geriete in Gefahr, die für sein Amt besonders unentbehrliche Fühlung mit der Bevölkerung zu verlieren und voll— ständig bureaukratisiert zu werden.“

Ist hiernach der grundlegende Aufbau der provinziellen Ver— waltungsbehörden unverändert zu erhalten, so bleibt, um der piel⸗ angefochtenen Instanzenhäufung und etwaigem Nebeneinanderregieren des Oberpräsidenten und des Regierungspräsidenten entgegenzuwirken, nur übrig, den Oberpräsidenten wieder als entscheidende Instanz, soweit möglich, auszuschalten und sein Amt seiner geschichtlichen Ent⸗ wicklung gemäß zu der Stellung einer hauptsächlich nur an der Ober— leitung mitwirkenden Aufsichteb-⸗börde zurückzuführen, die Exekutive aber für die nicht über den Bereich des einzelnen Regierungsbezirks hinausgrelfenden Aufgaben wieder möalichst einheinlich der Bezirks— 1a. zuzuweisen. Als Ziele der Reform sind hiernach auf— gestellt:

die Vereinfachum und Neubelebung des Geschäftsgangs durch Be— seitigung aller entbehrlichen, hemmenden Formlichkeiten und aller vermeidbaren Doppelarbeit;

die Vereinfachung des Behördenaufbaus im Sinne einheitlicher Leitung und engeren Zusammenschlusses, namentlich in der Bezirks. und Kreisinstanz, unter innerer Anpassung der Be— börden an ihre Aufgaben;

die Vereinfachung und Verbesserung der Verwaltung durch Zu⸗ . der Dienstgeschäfte an die örtlich und sachlich geeignetsten Stellen;

die Vereinfachung des Rechteémittelwesens und der Instanzenzüge.“

Zur Förderung dieses in alle Gebiete der inneren Ver— waltung eingreifenden Reformplanes waren der durch die Kabinettsorder vom 7. Juni 1909 berufenen „Im mediat⸗ kommission zur Vorbereitung der Verwaltungs⸗ reform“ bestimmte Aufgaben zugewiesen. Alle beteiligten Ressorts haben die zur Durchführung der weitangelegten Pläne, soweit dies im Verordnungs⸗ und Verwaltungswege möglich war, erforder⸗ lichen Arbeiten alsbald in Angriff genommen. Es wird hierbei erinnert an die mit dem Erlaß vom 17. Juni 1910 aufgestellten neuen „Grundzüge für eine (vereinfachte) Geschäftsordnung der Negierungen“, an das Gesetz zur Abänderung der Vorschriften über die Abnahme und Prüfung der Rechnungen vom 25. März 1912 und an den Erlaß vom 28. Mai 1912 zur Abänderung und Ergänzung des Regulativs über den Geschäftsgang bei der Oberrechnungskammer. Eine große Reihe Uebertragungen von früher höheren Stellen vorbehaltenen Geschäften an nach— geordnete ist zur Hebung der Selbständigkeit, des Verantwortungs⸗ gefühls und der Arbeitsfreude der beteiligten Beamten in allen Ressorts nach Möglichkeit herbeigeführt. Durch solche Ueber— tragungen ist eine Entbürdung der Zentralstellen von zahlreichen minderwichtigen Geschäften erreicht, der eine größere Entlastung der nachgeordneten Behörden von entbehrlicher Arbeit und überflüssigem Schreibwerk gegenübersteht. Die Arbeiten daran werden, auch nachdem sie zunächst zu einem gewissen Abschluß gelangt sein werden, darüber hinaus je nach dem aus dem praktischen Betriebe sich ergebenden Bedürfnis auch in Zukunft immer wieder aufgenommen werden müssen.

Für die Regierungen hat die neue Hinterlegungsordnung vom 21. April 1913 die Befreiung von Geschäften gebracht, die ihrem sonstigen Geschäftskreise fernlagen und zweckmäßiger, wie für das Publikum bequemer, von den Gerichten erledigt werden können. Anderseits hat eine Reorganisation des Melio⸗ rationsbauwesens diese Behörden für eine wirksamere Tätigkeit auf diesem wichtigen Gebiet wesentlich besser ausgestattet und zugleich durch schärfere Abgrenzung ihres Geschäftskreises gegen den des Oberpräsidenten die einheitlichere Verwaltung und kräftigere Förderung dieser Angelegenheiten in der Hand einer den Verhältnissen nahestehenden Behörde gesichert.

zum Deutschen Neichsanzei

Zweite Beilage . ger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

Berlin, Freitag, den 9. Januar

Der Entwurf einer Novelle zum Landesverwaltungs⸗ gesetz beruht zum größten Teil auf den Vorschlägen der Immediat⸗ kommission. Er stellt in gewissen Beziehungen nur ein Programm auf, zu dessen Durchführung besondere Gesetze zu erlassen sein werden. Die Novelle seldst bezweckt eine erhebliche Erleichterung und Be⸗ schleunigung der Geschäftserledigung durch die Vereinfachung des Ver fahrens der Beschlußbe hörden und der Verwaltungsgerichte. Demselben Zweck und zugleich der Entlastung der höheren Instanz dient die Aenderung im 5 157 des Landesberwaltungsgesetzes für das dor Verwaltungsgerichten stattfindende förmliche Disziplinarverfahren durch Erweiterung der Einstellungsbefugnis des entscheidenden Disziplinargerichts erster Instanz. Auch die grundsätzliche Durch— führung des sogenannten Bureausystems in allen Geschärtskreisen der Regierung wird zur Beseitigung geschäftlicher Hemmungen bei⸗ tragen. Demzufolge werden die jetzt noch bestehenden, kollegial eingerichteten Regierungsateilungen für Kirchen und Schulwesen und für direkte Steuern, Domänen und Forsten beseitigt. Alle Regierungsgeichäfte und ⸗befugnisse sollen grundsätzlich auf den Regierungspraäsidenten zur eigenen Be— arbeitung unter seiner alleintgen Verantwortung, ebenso wie es bisher bereits im Geschäftskreise der sogen. Präsidialabteilung der Fall war, übergehen. Nur zur Erledigung einzelner Geschäfte soll es einer be— schließenden Mitwirkung der zu dem Geschäfiskreise gehörigen Regie⸗ rungsmitglieder bedürfen.

Bei jedem Bezirksausschuß wird eine Kammer für Abgaben⸗ sachen errichtet, die aus diei Mitgliedern bestehen soll. Sie soll an Stelle des Bezirksausschusses in erster Instanz über die im Entwurf näher bezeichneten Abgabenstreitigkeiten entscheiden. Die Berufung dieser Kammer zur erstinstanzlichen Eatscheidung steht mit der Ein— schränkung des Rechtsmittels der Revision im unmittelbaren Zu— sammenhang, auf welche im Jateresse der Entlastung des Oberver⸗ waltungsgerichts das größte Gewicht gelegt werden muß Der besseren organisatorischen Anpassung der Behörden an ihre Aufgaben dienen fe rner Vorschriften über die Abteilungsbildung bei den Be⸗ zirksausschässen, über die Sitzungspräsenz bei den Be— schlußbehörden für gewisse Angeledenheften und über die er— leichterte Herbeiziehung technischer Beratung, endlich über die Einrichtung eines Disziplinargerichts, das die Vollver— sammlung der Regierung im Disziplinarverfahren ersetzen soll.

Die Entlastung des Oberverwaltungsgerichts wird auch mit anderen Vorschriften angestrebt, so durch die Einschränkung der mündlichen Verhandlungen und der Prüfungspflicht des höchsten Verwaltungsgerichtshofs sowie der Gründe, auf die eine Revision gestützt werden kann, und durch Erhöhung der Kosten für die Tätigkeit des Oberverwaltungsgerichts.

Im dritten Titel des Landesverwaltungsgesetzes ist bei den Vorschriften über das Verfahren“ überall auf weitgehende Vereinfachung und Beschleunigung Bedacht genommen, so insbesondere durch Erleichterung des Erlasses von Vorbescheiden, durch Uebertragung von Befugnissen des Gerichts auf den Vorsitzenden, durch Abkürzung des Verfahrens in Ablehnungsfällen und durch Bindung der Unter— gerichte an die Rechtsauffassung des Oberverwaltungegerichts.

Die Rechtsverfolgung soll dem Publikum durch die grund⸗ sätzliche Vereinheitlichung der gesetzlichen Fristen in die Normalfrist von zwei Wochen, die Vereinfachung der Vorschriften über die An⸗ bringung der Rechtsbehelfe, die Herabsetzung der Anforderungen an den notwendigen Inhalt der Prozeßvorschriften und die Ermöglichung nachträglicher Klageergänzungen und Klageänderungen erleichtert und gesichert werden.

In den Abschnitten über die Rechtsmittel gegen polizeiliche Verfügungen“ und über die ‚Zwangsbefug⸗ nissen bringt der Entwurf Vereinfachungen des Rechtsmittelwesens und der Instanzenzüge. Darüber hinaus nech weitere Rechtsmittel wege und Instanzenordnungen zu verbessern, würde aus dem Rahmen des Landesverwaltungsgesetzes herausfallen und muß kesonderer Regelung vorbehalten bleiben.

Im Hinblick auf die nötige Einheitlichkeit der Regierungs⸗ tätigkeit wird die Aufhebung der Generalkommission in Königsberg in der Novelle in Aussicht gestellt. Die darauf bezüg— liche Bestimmung lautet:

5 16. Die Generalkommission fär die Provinz Brandenburg bleibt zugleich für die Proplnz Pow mmern, die Generalkommission für die Provinz Hannover zugleich für die Provinz Schleswig⸗-Holstein zu— ständig. Die Geschäfte der Auseinandersetzungebehörden in den Provinzen Ostpreußen, Westpreußen und Posen gehen auf Behörden der allgemeinen Landesverwaltung und auf die ordentlichen Gerichte über. Die Generalkommission in Königsberg wird aufgehoben; das Näbere wird durch besonderes Gesetz geregelt. Die Aufhebung anderer Generalkommissionen bleibt vorbehalten.“

Der Minister des Innern ist ermächtigt, das ‚Landes verwaltungsgesetz' in der durch die vorliegende Novelle abgeänderten Fassung zu veröffentlichen. Die zur Ausführung des Gesetzes erforder⸗ lichen weiteren Bestimmungen erläßt der zuständige Minister.

Der Gesetzentwurf über Familien fideikom misse und Familienstiftungen.

Dem Herrenhause ist auch, ein Gesetzentwurf über Familienfideikommisse und Familienstiftungen zugegangen. Der 197 Paragraphen umfassenden Vorlage ist eine allgemeine Be gründung und eine sehr umfangreiche besondere Begründung beigegeben. Eine statistische Sonderbeilage ferner gibt über den Stand und die Bewegung der Fideikommisse von 1895 bis 1912 Auskunft. ;

In der allgemeinen Begründung zum Gesetzentwurf wird zunächst die Reformbedürftigkeit des Fideikommißrechts und die Zuständigkeit der Landesgesetzgebung auf diesem Gebiet nachgewiesen. Die Reserve des bestehenden Rechtszustandes in Preußen kann aber nur in einer zeitgemäßen Neuordnung, keinesfalls in der Ab— schaffung des ganzen Rechtsgebildes bestehen. Letzteres ist zwar in Preußen wie in anderen Staaten früher versucht worden, doch ist die Errichtung von Familienfideikommissen zumeist, in Deutschland z. B. nahezu überall, wieder in praktischer Geltung. Schon die Tatsache, daß das Familienfideikommiß sich durch die Jahrhunderte hindurch unter völlig veränderten politischen und wirtschaftlichen Verhaltnissen lebensfäbig erhalten hat, widerlegt die Behauptung, daß diese Rechts- bildung sich als eine für den Staat schädliche oder doch mindestens überflüssige Einrichtung erwiesen hätte.

Zur Rechtfertigung der Familienfideikommisse wird hervorgerufen 31

Gerade in der Gegenwart, wo so viele Verhältnisse auf die Lockerung und Auflöfung der weiteren Familiengemein— schaft binwirken, muß dem Staat daran gelegen sein, Einrichtungen zu fördern, die auf eine Festigung dieser Gemeinschaft abzielen. Schon dieses sittlich-politische Interesse des Staats würde die Bei⸗ behaltung eines Rechtsgebildes rechtfertigen, das bei zweckentsprechen der Auegestaltung besonders geeignet erscheint, den Familien auf der Grundlage eineg beständigen Familienvermögens ein festeres Gefüge zu geben. Hierzu tritt aber noch ein wichtiger wirtschafts⸗ politischer Grund. Sofern bei den Familien fideitommissen nach der geschichtlichen Entwicklung dieses Rechtsgebildes als wirtschaftliche Grundlage der Familtenverbände vorzugsweise

1914.

die altererbten Familiengüäter in Betracht kommen, trifft das private Interesse der Familien an der Erhaltung dieser Güter zu⸗ sammen mit einer staatlichen Aufgabe, deren volkswirtschaftliche und sozialpolitische Bedeutung für die Gegenwart mehr und mehr an— erkannt wird, der Aufgabe nämlich, der Gefahr entgegenzutreten, daß der land⸗ und forstwirtschaftliche Grundbesitz unter dem Vordringen der kapitalistischen Wirtschaftsordnung zu einem bloßen „Spekulations⸗ und Handelsobjekt“ wird. Wenn auch derzeit die Befestigung des mitileren und kleinen Grundbesitzes im Vordergrund steht, so hat der Staat doch auch ein wesentliches Interesse daran, ein Rechtsgebilde zu erhalten und auszubauen, das die gleiche Aufgabe für den Groß⸗ grundbesitz erfüllt. In der Tatsache, daß das Fideikommiß, wo es in der ihm natürlichen und geschichtlich begründeten Form des Grund⸗ fideikommisses auftritt, ein vorzüglich geeignetes Mittel für die Er⸗ haltung eines letstungsfähigen Großgrundbesitzes ist, liegt heute vor allem die Rechtfertigung dieses Rechtsgebildes. Die Erhaltung eines sachgemäß bewirtschafteten Großgrundbesitzes aber ist, abgesehen davon, daß der Großgrundbesitz dem Staate wertvolle Kräfte für die immer steigenden Anforderungen freiwilliger gemein—⸗ nütziger Betätigung, insbesondere auf dem Gebiete der Selbstver⸗ waltung, zuführt, aus volkswirtschaftlichen Gründen von entschiedenem Nutzen für das Gemeinwohl.

Der Großgrundbesitzer ist in der Lage, seine Liegenschaften, wenn auch nicht immer in vollem Umfang, so doch wenigstens teilweise im Großbetrieb zu bewirtschaften. Dabei ist im Sinne des Entwurfs davon auszugehen, daß die einheitliche Bewirtschaftung eines Gutes pon mindestens 300 ha sich regelmäßig als Großbetrieb dar⸗ stellt. Die volkswittschaftliche Bedeutung der Großbetriebe liegt nun zunächst darin, daß der wohlhabende und gebildete Großlandwirt, da es ihm seine Mittel ermöglichen, den Fortschritten auf wirtschaftlichem Gebiete dauernd zu folgen und dadurch eine besondere Erfahrung und Einsicht zu erwerben und zu betätigen, berufen erscheint, dem kleineren Besitzer mit seiner Wirtschaftsführung ein wertvolles Vorbild zu geben und dadurch zur Förderung des Wohlstandes des einzelnen wie der Gesamtheit beizufragen. Für manche Wirtschaftszweige, insbesondere für die Waldkultur, sind Güter größeren Umfanges Überhaupt besser geeignet als kleinere.

Diese Bedeutung des Großgrundbesitzes teilen die ihm ange— hörenden Familienfideikommisse in vollem Umfang. Infolge der grund⸗ sätzlichen Unteilbarkeit und Unverschuldbarkeit des fideikommissarischen Gtundbesitzes bilden sie zudem einen wertvollen Schutz gegen die fortschreitende Ueberschuldung des ländlichen Grund⸗ e sitzes sowie gegen eine der Notlage des Besitzers entspringende unwirtschaftliche Zerstückelung des Grund und Bodens. Vor allem aber wird durch die fideikommissarische Bindung der Groß⸗ güter eine vlanmäßige Forstwirtschaft begünstigt. . . . Die große Wichtigkeit der Waldungen für die Volkswirtschaft und insbesondere für die Landeskultur wird allseitig anerkannt und be— darf keiner näheren Darlegung. Für den Staat ist daher die Er—⸗ haltung und Vermehrung des Waldbestandes von erheblicher Be— deutung. Es ist für ihn von besonderem Wert, wenn Aufgaben, die er sonst nur in seinen Wäldern oder in denen der Gemeinden und öffentlichen Anstalten erfüllen kann, von den Fideikommißbesitzern frei⸗ willig gefördert werden, weil dies zugleich ihrem Vorteil entspricht.

Der ganzen Eigenart des Fideikommißrechts entspricht es, daß die Errichtung von Familtenfideikom missen dem Groß— grundbesitz vorbehalten bleiben muß. Dem Gesichts⸗ punkt, daß das Familienfideikommiß eine dem Großgrundbesitz dienende Rechtsschöpfung sein soll, trägt das geltende Recht nicht überall aus— reichend Rechnung. Einige der in Preußen geltenden Gesetze be— stimmen zwar für den Wert des Grundbesitzes, der zu einem Familien— fideikommiß gewidmet werden darf, oder fur den Reinertrag aus ibm eine Mindestgrenze; da dieser Grenze aber der Geltwert zur Zeit des Erlasses jener Gesetze zugrunde gelegt ist, so ist sie heute bei dem inzwischen Lesunkenen Geldwert oft so niedrig, daß sie die Er—⸗ richtung und das Bestehen von Familienfideikommissen aus mittleren

und selbst aus kleineren Gütern nicht mehr ausschließt. .. Der Entwurf will die Gewähr dafür, daß Familienfideikommisse nur aus

Grundbesitz errichtet werden, der sich als Großgrundbesitz darstellt, dadurch schaffen, daß er für den zum Familienfideikommiß zu widmenden land⸗ und sorstwirtschaftlichen Grundbesitz eine Mindestfläche von 300 ha und ein reines Mindesteinkommen von 10 000 4A verlangt (8 3). Daz Vorhandensein einer Mindestfläche und eines Mindesteinkommens bietet aber für sich allein noch keine Gewähr dafür, daß der zu bindende Grundbesitz den Anforderungen entspricht, die an ein Grundfideikommiß gestelt werden müssen. Soll das Grundfideikommiß dem Fideikommißbesitzer eine führende Stellung auf wirtschaftlichem Gebiet verschaffen und seine Teilnahme an den öffentlichen Verhältnissen seiner engeren Heimat anregen, so darf der zum Fideikommiß gewidmete Geundbesitz nicht, wie es nach geltendem Recht zulassig ist, vollständig zersplittert sein und sich nicht auf weit auseinander liegende Landes⸗ teile verteilen, die vielleicht nach ihrer geschichtlichen Entwicklung und Eigenart sehr verschieden sind. Denn bei einer solchen Zer— splitterung des Grundbesitzes wird der Fiderkommißbesitzer auf seinem Besitz nirgends festen Fuß faßssen und ihn oft nur als Einnahmequelle zur Deckung seiner personlichen Bedürfnisse betrachten. Nur von einem in der Hauptsache geschlossenen, in sich leistungsfähigen Besitz läßt sich auch erwarten, daß er zum wirtschaftlichen Rückbalt und zum Stammsitz einer Familie werden kann. Nach dem Entwurf soll des⸗ halb grundsätzlich nur solcher landwirtschaftlicher Grundbesitz zur fideikommissarischen Bindung zugelassen werden, der eine wirtschaft⸗ liche Einheit bildet. Für die Bindung forstwirtschaftlicher Grundstücke soll dies Erfordernis nicht gelten, weil der Entwurf die Widmung solcher Grundstücke zum Fideikommiß wegen der Vorteile für die Landeskultur tunlichst erleichtern will.

Eine zeitgemäße Neuordnung des Fideikommißwesens muß darauf Bedacht nehmen, daß die Befestigung des Großgrundbesitzes mit den auf Erhaltung und Mehrung der Bauern- und Klein⸗ siedlerstellen gerichteten Gesetzen und Verwaltungsmaßnahmen in Einklang gesetzt wird. Mit Recht hat schon Sering darauf hin⸗ gewiesen, daß die Aufgabe der inneren Kolonisation und die Aufgabe, den verbleibenden Großbesitz zu befestigen, wohl zu ver⸗ einigen sind. Es muß nur bei der Neuordnung des Fideikommiß⸗ wesens im Auge behalten werden, daß einerseits ein übermäßiges Anwachsen der Fideikommtsse auf Kosten des müttleren und kleinen Besitzes nicht geduldet werden darf und daß anderseits mehr als bisher die Möglichkeit geboten werden muß, Fidetkom miß⸗ ländereien zu Ansiedlungszwecken heranzuziehen.

Nach den statistischen Erhebungen für 1912 ist zwar das Ver⸗ hältnis des Fidelkommißbesitzes zur Gesamtfläche des Staates mit 7 vom Hundert und der landwirtschaftlich genutzten Fideikommißfläche zu der landwirtschaftlich genutzten Fläche im Staate von 49 vom Hundert zurzeit noch kein übermäßtges, und auch die für die Provinzen und Regierungsbejirke ermittelten Ziffern geben im allgemeinen zu Besorgnissen noch keinen Anlaß. Aus den für die Kreise Jestgestellten Verhältniszahlen geht aber doch hervor, daß in manchen Landegteilen ein verhältnismäßig recht großer Teil des Grundbesitzes durch fidei⸗ kommissarische Bindung dem Verkehr dauernd entzogen worden ist. Der Entwicklung einer derartigen Besitzstande verteilung in einzelnen Gegenden wirksam entgegenzutreten, bieiet das geltende Recht keine ausreichende Dandhabe. In einigen Landesteilen kann zwar ein Familien · fideikommiß nur mit landesherrlicher Genehmigung errichtet werden; in dem

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