großen Betriebsverwallungen bei einem vorzeitigen Abschluß der Vor arbeiten nicht annähernd ein zutreffendes Bild der wirtschaftlichen Entwicklung im laufenden und im künftigen Jahre würden ergeben können. Ein Etat aber, der auf mehr oder minder willkürlichen Ziffern derdient seinen Namen nicht; er würde auch nicht geeignet sein, als Grundlage für die Beschlüsse dieses Hohen Hauses zu dienen. Aber auch im übrigen, meine Herren, walten recht wesentliche Verschieden⸗ heiten zwischen Preußen und dem Reiche ob, insofern, als das Reich
teine eigentliche innere Verwaltung und ebensowenig technische
beruht
Ver⸗ waltungen in nennenswertem oder annähernd gleichem Umfange be— sitzt wie Preußen, sodaß die Reichsämter sehr wohl in der Lage sind, ihre Arbeitskraft überwiegend den legislatorischen, den rischen Arbeiten zu widmen und auf diese Arbeiten während umgekehrt
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zu konzentrieren, bei den preußischen Ressorts der Schwerpunkt ihrer er Verwaltung liegt und im Interesse der Bevölkerung vird liegen müssen. Es liegt daher auf der Hand in bezug auf die Einberufung der Parlamente und die Dauer
vischen Preußen und dem Reiche nicht angestellt wer⸗ aber die preußische Staatsregierung trotz alledem darauf be⸗ den Wünschen dieses Hohen Hauses auf frühere Einberufung enigegenzukommen wenn
w. — in geeigneten Fällen, also dann, J zesonders
da
ich von vornherein übersehen läßt, daß eine große Anzahl k umfangreicher Gesetze zur Erledigung kommen muß, die eine über den Durchschnitt hinausgehende Dauer der Session bedingen, und wenn es möglich ist, diese Entwürfe so rechtzeitig fertigzustellen, daß Spätherbst vorgelegt werden können —ů daß in solchen andtag auch früher ein⸗ zuberufen, ergibt sich aus der Tatsache, daß in den letzten Jahren nicht weniger als viermal, nämlich in den Jahren 1905, 1907, 19608 und 1912
die Staatsregierung geneigt ist, den L
Herbstsessionen stattgefunden haben. In diesem Jahre lagen aber die Voraussetzungen nicht so günstig wie in den früheren Jahren, in denen Herbstsessionen stattgefunden haben. Denn beispielsweise ließ sich im Herbst in dem Ressort des Innern noch gar nicht übersehen, ob es möglich sein würde, die Novelle zum Kommunalabgabengesetz bis zum Beginn des Landtags, d. h. bis Mitte Januar, fertigzustellen, und tat— sächlich ist es denn bisher auch noch nicht möglich gewesen, diese Novelle
einzubringen, während anderseits von der Novelle zum Verwaltungs—
gesetz von vornherein feststand, daß es sich anempfehlen werde, sie ihres überwiegend verwaltungstechnischen Charakters wegen zuerst im Herren— hause einzubringen. Bei den anderen Ressorts lagen ähnliche Verhält— nisse vor, sodaß der Vorwurf einer Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Landtage, der gleichzeitig den Vorwurf einer willkürlichen und sach— widrigen Verzögerung der Einberufung enthält, nicht berechtigt sein
dürfte.
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Herren, der Herr Abg. Wiemer ist auf die Wahl reform zu sprechen gekommen, die meines Erachtens durch die Er— klärungen, die der Herr Reichskanzler gestern abgegeben hat, zunächst erledigt ist. (Widerspruch und Lachen links) Aber zwei Bemerkungen des Herrn Abg. Wiemer veranlassen mich doch zu einer Entgegnung.
Er hat gesagt, daß viele Wähler sich von der Wahl zurückgehalten hätten, nicht etwa, weil sie kein besonderes Interesse an dem Ergebnis der Wahl gehabt hätten, sondern weil ihnen das Wahlsystem nicht sympathisch wäre. (Sehr richtig! links) Ja, meine Herren, wenn jemand ein Interesse an der Aenderung des Wahlsystems hat, dann wird er doch wohl von seinem Wahlrecht Gebrauch machen, um eine Mehrheit zustande zu bringen, die eine Aenderung herbeiführt. (Sehr richtig! rechts. — Widerspruch links.) Dieser Einwand erscheint mir also vollkommen verfehlt.
Herr Abg. Wiemer hat ferner gesagt: „wie lange bemühen wir uns, den Stein ins Rollen zu bringen und eine Wahlreform durch— Ja, meine Herren, wenn irgendeine Partei durch verfehlte Anträge, dadurch, daß sie alljährlich die Einführung des Reichstags— wahlrechts hier zur Besprechung gestellt hat, zu einer Verzögerung der Lösung der Wählrechtsfrage beigetragen hat, so ist es die Partei ge— wesen, die von dem Herrn Abg. Wiemer vertreten wird. (Sehr richtig! und Heiterkeit rechts. — Lachen und Widerspruch links.)
zu setzen.
Abg. Wiemer hat gegen die Ausführungen des Herrn Reichs— kanzlers polemisiert, indem er die Berechtigung, von dem nicht ein— gelösten Königswort zu sprechen, daraus herleiten wollte, daß eine Lösung der Wahlreformfrage noch nicht erfolgt ist. Meine Herren, darauf kommt es doch nicht an; es kommt darauf an, durch wessen die Lösung dieser Frage noch nicht stattgefunden hat, und da hat der Herr Reichskanzler gestern ausgeführt, daß in Ausführung der i er Thronrede vom Jahre 1908 enthaltenen Ankündigung die
aatsregierung eine Wahlrechtsnovelle vorgelegt hat, welche der An—
i Thronrede vom Jahre 1908 vollkommen entsprach.
erspruch links.) Daß diese Wahlrechtsnovelle — die, nebenbei be—
merkt, selbstverständlich genau so die Allerhöchste Sanktion gefunden wie der ihr Erscheinen ankündigende Passus der Thronrede von 1908 — den Beifall dieses Hohen Hauses nicht gefunden und infolge— dessen Gesetzeskraft nicht erlangt hat, daran ist doch die Staatsregie rung nicht schuld. Eachen links.) Die Staatsregierung darf für sich in Anspruch nehmen, daß sie in vollkommen loyaler Weise der Ankündi— gung der Thronrede vom Jahre 1908 gerecht geworden ist (lebhafte Zu— stimmung rechts. — Lachen links), daß die von ihr dieserhalb in die Wege geleitete gesetzgeberische Aktion aber an dem mangelnden Ent— gegenkommen dieses Hohen Hauses gescheitert ist Cachen links) und es daher in ihr Ermessen gestellt bleiben muß, wann sie die aufnahme von Wahlrechtsverhandlungen für angezeigt hält.
Herr Abgeordneter Wiemer hat sich dagegen gewendet, daß Herr Polizeipräsident von Jagow eine Berufsvereini gung von
Schutzleuten nicht genehmigt hat. Ich will auf die Frage nicht näher eingehen, weil sie bei der zweiten Lesung des Etats wohl noch einmal zur Erörterung kommen wird. Ich kann aber jetzt schon mit— teilen, daß der Standpunkt des Herrn von Jagow meine Billigung im vollen Umfange gefunden hat. (Lebhafter Beifall rechts. Ruf links: Zelbstverständlich) Es ist nicht wohl möglich, daß eine allgemeine Vereinigung von Schutzleuten in einer militärisch organisierten Truppe geduldet werden kann, deren militärische Disziplin aufrechterhalten werden muß. (Sehr richtig! rechts.)
Her Abg. Wiemer hat ferner einen Zeitungsartikel zur Sprache gebracht, den der Herr Polizeipräsident von Jagow aus Anlaß der Verurteilung des Leutnants von Forstner mit voller Namens⸗ unterschrift, aber ohne Bezeichnung seines Amtscharakters, in der Mreuzzettung“ veröffentlicht hat. Für die Beurteilung dieses Zeitungs⸗ artikels scheiden zunächst der angebliche Eingriff in ein schwebendes
Herr
Schuld —
(Wi
hat
8 14 * Wieder⸗
teiligten Gerichte aus. Denn es liegt auf der Hand, daß ein solcher Eingriff und eine solche Beeinflussung nur von einer übergeordneten Behörde erfolgen und ausgehen können (Widerspruch und Lachen links), nicht aber von einem amtlich bei der ganzen Sache völlig unbeteiligten Beamten. (Sehr richtig! rechts.)
Herr Abg. Wiemer hat ferner einen Vergleich gezogen zwischen dem Vorgehen des Herrn von Jagow und dem Vorgehen eines Ober⸗ bürgermeisters — er hat den Namen nicht genannt — gegen den ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden sei, welches vom Oberver— waltungsgericht gebilligt worden ist. Wenn es der Oberbürgermeister ist, den ich im Auge habe (Zuruf links: Wahrscheinlich), so bestand dessen Pflichtverletzung darin, daß er (Abg. Adolf Hoffmann: frei⸗ sinnig ist! — Heiterkeit), die unzutreffende de
zutreffen
übergeordneten Behörden in durchaus r und unzulässiger Weise öffentlich angegriffen und un— Beschuldigungen gegen sie erhoben hat. Eine Pflichtver— letzung dieser Art kann doch unmöglich aus den juristischen D
Deduktionen des Artikels, den Herr von Jagow in der „Kreuzzeitung“ veröffentlicht hat, entnommen werden.
Anderseits halte auch ich bei voller Anerkennung des Rechts auf freie Meinungsäußerung es nicht für erwünscht, und kann es daher auch nicht gutheißen, wenn Beamte ohne zwingenden und dringenden Grund an ein noch nicht abgeschlossenes gerichtliches Verfahren in der poli⸗ tischen Tagespresse kritische Bemerkungen knüpfen, selbst dann, wenn iese Bemerkungen rein oder überwiegend juristisch-technischer Art sind. Das entspricht meines Dafürhaltens nicht der Zurückhaltung, die in ganz besonderem Maße richterlichen Behörden gegenüber Platz greifen muß. (Sehr richtig! links) Je höher und exponierter die Stellung eines Beamten ist, um so mehr empfiehlt sich für ihn, diejenige Zurück haltung bei etwaigen Meinungsäußerungen in der politischen Tages presse zu beachten, welche die gebotene Rücksichtnahme auf anders— denkende, auf neben- und übergeordnete Behörden erheischt.
Wenn nun aber der Herr Abg. Wiemer von mir eine Auskunft über etwaige Vorhaltungen verlangt hat, die aus Anlaß dieses Falles dem Herrn Polizeipräsidenten gemacht worden sind, so muß ich ein solches Verlangen mit aller Bestimmtheit ablehnen (bravo! rechts), weil es in Preußen und allen anderen Staaten nicht üblich ist, intern dienstliche Vorkommnisse in der Oeffentlichkeit zu erörtern (sehr richtig! rechts), und weil es allein Sache des Ressortchefs ist, darüber zu be⸗ finden, ob und in welcher Weise er einem ihm unterstellten Beamten seine Zustimmung oder seinen Dissens aus Anlaß eines Einzelfalles zu erkennen geben will. (Bravo! rechts. — Unruhe links.)
Präsident Dr. Graf von Schwerin -Löwitz: Im Namen des Hauses möchte ich dem Minister unseren Dank aussprechen für die Ankündigung von Mitteilungen über den Umfang des Notstandes und der Schäden an der Ostseeküste und für die vorläufigen An— ordnungen von seiten der Königlichen Regierung in dieser Hinsicht. Ich beabsichtige, dem Hause vorzuschlagen, sobald die nötigen Unter— lagen dafür von der Königlichen Staatsregierung bereitgestellt sein werden, in der ersten Sitzung die Notstandsinterpellation und die dazu gestellten Anträge auf die Tagesordnung zu stellen.
Zur Geschäftsordnung bemerkt
Abg. Freiherr von Maltzahn (kons.): Meine politischen Freunde haben gewünscht, daß die Anträge möglichst bald, aber nach Schluß der ersten Lesung des Etats, auf die Tagesordnung gesetzt würden. Nachdem der Minister bereits erklärt hat, daß Maßnahmen zur Linderung der Not getroffen worden sind, wird eine Verzögerung der Aktion nicht zu befürchten sein, wenn die Besprechung der Anträge noch hinausgeschoben wird. Wir freuen uns über das, was zur Linderung der Not geschehen ist und sind bereit, für die Mittel, welche bereit gestellt worden sind und welche noch zur Verfügung gestellt werden, der Regierung Indemnität zu erteilen. Wir bitten aber, daß, sobald das amtliche Material vorliegt, sofort die Anträge auf die Tagesordnung gestellt werden.
Abg. Lippmann Gfortschr. Volksp.): Auch meine politischen Freunde haben den Wunsch, daß möglichst bald eiwas zur Linderung der Not geschieht. Wir haben aber mit Rücksicht auf die Erklärungen des Ministers nichts dagegen einzuwenden, wenn dem Vorschlage des Präsidenten gefolgt wird. Wir haben dabei das Vertrauen zur Staatsregierung, daß in der Zwischenzeit die Mittel zur Linderung der dringendsten Not auch ohne unsere Bewilligung bereitgestellt werden.
Die Abgg. Dr Schröder-⸗Cassel (nl. , Freiherr von Zedlitz und Neukirch (freikons., Hirsch⸗Berlin (Soz.) und Dr. Porsch Zentr) schließen sich den Ausführungen der beiden Vorredner an. Präsident Dr. Graf von Schwerin ⸗Löwitz stellt fest, daß das Haus einmütig wünscht, daß die Notstandsinter pellation und die dazu gestellten Anträge nach Eingang des amtlichen Materials und nach Beendigung der ersten Lesung des Etats auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung gesetzt werden.
Das Haus sährt in der Beratung des Etats fört.
Abg. Korfanty (Pole): Die allgemeine Lage ist keineswegs so rosig, wie der Finanzminister sie dargestellt hat. Der Druck auf Handel und Gewerbe ist groß, und Hunderttausende von Arbeitslosen sind vorhanden. In der Arbeitslosenversicherung meinen meine politischen Freunde, daß das Versteckspielen zwischen Gemeinde und Staat aufhören muß. Betreffs des Arbeitswilligengesetzes verpönen wir ausdrücklich jedes Ausnahmegesetz. Wir sind der Meinung, daß die heutigen Gesetze vollkommen ausreichen. Wir wünschen, daß die Gesetze aber mit derselben Strenge wie gegen streikende Arbeiter auch gegen den Terrorismus der Unternehmer angewandt werden. Es ist be⸗ dauerlich, daß die Arbeiterlöhne in den staatlichen Bergwerken noch nicht genügend erhöht worden sind. Die Berechtigung der Forderungen der Arbeiter sind allgemein anerkannt worden. Trotzdem ist der Streik erfolg⸗ los aufgelaufen. Mit Politik hatte der Streik gar nichts zu tun. Aber seit Jahren wird, wenn es sich um Polen handelt, einem solchen Arbeitskampfe der politische Stempel aufgedrückt, die ganze PDolttik, die gegen uns Polen getrieben worden ist, die fast eine Milliarde Maik gekostet und doch fast nichts erreicht hat, widerspricht dem Recht und der Verfassung. Sie ist ein ständiges Unrecht seit 27 Jahren, das gegen uns begangen wird. Im vorigen Jahre sind einige polnische Gutsbesitzer von Haus und Hof vertrieben worden. Und dieses Un— recht besteht immer noch. Das genügt der Regierung noch nicht. Sie fordert innere Kolonisation. Auch wir sind Freunde der inneren Kolonisation, und wir unterstützen sie, aber nicht eine solche, die dahin geht, daß sie nur zugunsten der Deutschen betrieben wird. Der Etat des Innern gibt mir Veranlassung, darauf hinzuweisen, in welcher Weise die Polizei gegen uns vorgeht. Ich erinnere nur an den Fall, daß in Posen ein Kriminalbeamter mit Hilfe eines Nach— schlüssels in ein Geschäft eingedrungen ist und dort die ganze Kor⸗ respondenz durchgelesen hat. Was ist gegen diesen Mann geschehen? Ist der Mann auf das Unmoralische seiner Handlungsweise aufmerksam gemacht worden? Ich glaube nicht. Es ist Tatsache, daß hohe Pol zei beamte ihre Stellung zu einem regelrechten Verkehr mit dem Ost⸗ markenverein mißbrauchen, um die Polen zu schädigen. Die Inwendung des Vereinsrechtes ist noch immer nicht besser geworden. Namentlich in Ostpreußen werden sämtliche Sitzungen und Vereine polizei⸗ lich überwacht. Als wir das Vereinsgesetz im Reichstag ver— abschledeten, hat die Mehrheit nicht erwartet, daß eine solche Auslegung in Preußen stattfinden würde. Sie wissen ja auch, wie von der Polizei immer gegen die Gewerkschaften vorgegangen wird.
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Verfahren und ebenso die angeblich unzulässige Beeinflussung der be—
Mit kurzen Worten muß ich auch auf die Wahlrechtsfrage eingehen.
Daß die Freikonservativen keine Reform des Wahlrechts haben wollen das verstehen wir schon. Hätten wir ein demofratisches Wahlrecht. dann würden sie in diesem Hause auf 3 oder 3 zusammenschmelen nicht zum Schaden des preußischen Volkez. Der Minister den Innern bat behauptet, wenn das Interesse an der Reform dez Wahlrechts wirklich vorbanden wäre, so würde die Beteiligung an ren Wahlen eine größere sein. Aber der Minister des Innera weiß das doch ganz genau, daß bei der öffentlichen Wahl die Wähler vielfach geiwungen sind, anders zu wählen, als sie möchten. Das, was die Regierung vor einigen Jahren vorgelegt hat, war keine Wahlreform, sondern eine Wahlrechtsverschlechterung— Der Kultusetat ist voll von Angriffen gegen uns. Wir finden da viele Posisionen von Bauten für deutsche evangeliscke Kirchen in den katholischen polnischen Gegenden, und die Zuschüsse an die Akademie, Kaiser Wilhelms Bibliothek usw. dienen alle demselben Zwecke des Kampfes gegen das Polentum; diese Posten werden ja auch von Jahr zu Jahr größer. Ich frage die Königliche Staatsregierung, wie eg mit der Besetzung des Erzbistums Gnesen steht. Es wird Jahr für Jahr gesagt: mit unserem Volksschulwesen können wir uns sehen lassen. Das will ich gar nicht bestreiten, aber mit Ihren Volksschulen in unseren Landesteilen können Sie sich nicht sehen lassen. Dort ist die Erziehung der Kiader eine unmoralische. Der Lebrer verspottet und verhöhnt die Sitten und Verfangenbeit der Väter der Kinder. Der Abg. Röchling hat auf einen Zwischenruf erklärt, er sei ein preußischer Richter. Diese Aeußerung kann nur so aufgefaßt werden, daß es den preußischen Richtern nicht darauf an— kommt, objektiv das Recht zu finden, sondern daß bei ihrer Recht— sprechung Staatsinteressen ausschlaggebend sind. Bisher war die Ehre der preußlschen Richter, objektiv zu urteil⸗n. Diez scheint leider nach dem Ausspruch dis Abg. Röchling anders geworden zu sein. Mit allen Mitteln geht man jetzt gegen uns, unsere Literatur und Kultur vor. Selbst die Eisenbahnverwaltung treibt Polen— politik. Einem polnischen Eisenbahnbeamten wurde bedeufet, er solle die polnische Inschrift auf dem Grabe seines Vaters ent— fernen, wenn er nicht Unannehmlichkeiten ausgesetzt sein wolle. Dieses Beispiel charakterisiert so recht die Moral der Polenpolitik. Der Polizeipräsident von Posen macht aus seinem Herzen keine Mördeigrube. In einem Gutachten sagt er, daß durch die An— siedlungspolitik Haß und Verbitterung bis in die letzte Hütte des Landes hineingetragen wird. Dies ist auch unsere Ansicht. Als der Abg von Kardorff seine bekannte Polenrede hielt, hatte ich eine große Hochachtung vor ihm, da er sich der Mühe unterzogen halte, sich mit dieser Frage eingehend zu beschiftigen. Aber wie erstaunt war ich, als ich später erfuhr, daß das Material zu dieser Rede im Ostmarken
verein ausgearbeitet worden war. Auch der Abg. von Zedlitz und der Abg. Friedberg beziehen ihre Information über die Polenfraͤge aus dem Ostmarkenverein, der auch in engster Beziehung zu der ruthenischen Partei steht, zu jener Partei, welche den politischen Moid auf ihre Fahne geschrieben hat. Unser Ostmarkenverein unterstützt die Tatigkeit der ruibenischen Partei, nicht nur moralisch, sondemn auch materiell. Der Ostmarkenverein steht in engster Verbindung mit dem Exekutipfomitee dieser Partei. Die Beratungen dieses Komitees haben wiederbolt in Berlin stattgefunden, und an diesen Beratungen haben hohe Staatsbeamt‘ teilgenommen, ein Vertreter der Än
siedlungskommission, der Vertreter des Dstmarkenvereins und ein Vertreter des landwirtschaftlichen Mmisteriums. Interessant ist, wie der Ostmaikenverein im Auslande auftritt; dies geht aus einem Schreiben des Derrn von Tirdemann hervor, darin heißt es, daß im Auslande der Ostmarkenverein als ein Privatunternebmen auftreten soll, damit die Regierung jederzeit in der Lage sei, offiziell jede Beteiligung an seinen Unternehmungen abzuleugnen. Der Ostmarkenverein hat fogar Dinge unterstützt, die in Oesterreich als Hochverrat angesehen werden. Der Ostmarkenverein unterstützt die Propaganda der Ruthenen und der Littauer gegen ihre Regierungen. Die Sozialdemokratie könnte sich über diesen Bundesgenesfen in ihrem Kampfe gegen die russische Regierung freuen. Aus Schriftstücken, die aus dem Ostmarkenperein in die Oeffentlichkeit gedrungen sind, geht klar hervor, daß Germani—⸗ sierung und Protestant sierung einunddasselbe ist. Die Tätigkeit des Ostmarkenvereins richtet sich gegen die katholische Kirche und sucht das ganze katholische Leben zu vernichten. Was jetzt in Elsaß— Lothringen geschehen ist, und was gegen uns Polen geschleht, das ist alles der Einfluß desselben Geistes, der sich gestern wieder hier zeigte, als der Abg. Röchling bei der Rede des Reichs kanzlers rief, der leitende Staalsmann habe in solchem Falle nicht nach der Gesetzmäßigkeit, sondern nach der Zweckmäßigkeit zu verfahren. Das ist der Geist des alldeutschen Chauvinismus. Wie kann der Staat den Beamten gestatten, dem Ostmarkenverein an— zugehören, der verbrecherische Taten im Inlande und Auslande unter stützt? Die Auffassung des Abg. Röchling bedeutet, daß die christliche Moral aus der Politik ausgeschieden wird und der Grundsatz herrscht, daß der Zweck die Mittel heilige. Das ist die Politik der Apachen. Diese Untergrabung der politischen Moral wirkt natürlich auf die persönliche Moral. Diese Akte einer Nebenregierung erfolgen gerade in dem Augenblick, wo Hunderttausende der evangelischen Kirche den Rücken kehren und nicht mehr an Gott glauben wollen. Wir können nicht rubig sein, wir müssen immerfort die Regierung anklagen wegen der Taten, die an unserem Volke getan werden. Es wird aber doch die Zeit kommen, wo auch bei Ihnen ur Rechten) und auch bei den Nationalliberalen die Vernunft siegen wird. Diese Marotten müssen aufhören, die in demselben Staate nicht verschiedene Nationalitäten friedlich nebeneinander leben lassen. Das polnische Volk hat verschiedene Mißgeschicke erlebt, aber es hat weiter gelebt, und dieser Fels wird auch nicht gestürzt werden. Abg. Oirsch Berlin (Soz.): Bie Regierung kehrt sich nicht an die Beschlüsse dieses Hauses; jedes Parlament hat die Regierung, die es verdient. Wenn die Regierung den Landtag nach den Wünschen des Hauses früher einberufen hätte, so wäre Beratungs— stoff genug in den verschiedenen Gesetzentwürfen, namentlich in dem Wohnungsgesetzentwurf, vorhanden gewesen, und wir brauchten nun nicht Dauersitzungen oder Abendsitzungen abzuhalten. Die späte Einberufung kann uns aber nicht davon abhalten, den Etat gründlich zu beraten. Das Bild unseres Etats ist immer glänzender geworden, die Einnahmen aus Steuern und Betriebsverwaltungen sind gestiegen. Die Einnahmen entfallen zu 53,8 m aus den Steuern und zu 16,2 9 aus den Be triebwverwaltungen; das ist ein Beweis, daß nicht nur die wohlhabenden Kreise die Einnahmen in Preußen aufzubringen haben. Angesichts dieser Finanzlage müssen wir uns ernstlich überlegen, ob die Ein— kommensteuerzuschläge nicht aufgehoben werden sollen. Die rohe Aufhebung der Zuschläge genügt uns allerdings nicht, wir ve langen eine organische Reform unseres Steuersystems, be— sonders die Heraufsetzung der Grenze für die steuerfreie Stufe. Die Reglerung hat vor zebn Jabren selbst an eine Steuerfreiheit bis zum Einkommen von 1200 (6 gedacht; das entspricht aber nach den inzwischen veränderten Lebensverhältnissen heute einem Ein— tommen von 2000 e. Dafür muß das Veimögen stärker heran— gezogen werden. Die niedersten Schichten sind bereits durch direkte Steuern und indirekte Steuern überlastet. Ferner wünschen wir die Quotisierung der Steuern, die sich in anderen Ländern bewährt hat. Wenn man sich zum Beweise dessen, daß Preußen die Kultur— aufgaben erfülle, auf die 4 Millionen Mark beruft, die für das Fortbildungsschulwesen ausgeworfen sind, so ist darin auch die eine Million enthalten, die zur Bekämpfung der sozialdemo kratischen Jugendpflege dienen soll, und darin können wir doch keine Kulturaufgabe erblicken. Das Volksschulwesen muß in Preußen noch immer darben: für den Schüler der höheren Lehranstalten und den Siudenten gibt der Staat viel mehr aus als für den Volksschüler. Die Zahl der hauptamtlichen Kreisschulinspektoren genügt noch nicht im entferntesten den Bedürfnissen. Ein Schneckentempo herrscht in der Umwandlung der nebenamtlichen Kreisschulinspektorstellen in haupt amtliche. Für Bestrafung und Bewachung der Verbrecher gibt der preußische Staat jährlich über 300 Millionen aus, für die Fürsorge für die entlassenen Strafgefangenen dagegen ganze 34000 6. Die ge⸗ setzliche Durchführung ker Arbeitslosenversicherung ist absolut notwendig. Der Einwand, daß die Unternehmer nicht mehr soisalpolitische Lasten über—
nehmen könnten, ist angesichts der Zunahme des Wohlstandes nicht stich⸗
—
lig. Leider verhält sich die Regierung in dieser Frage ganz ablehnend, er . ablehnend verhalten sich auch die übrigen Bun desregierungen. Wenn man sagt, daß die Arbeite lolenhersicherung die Gewerkscha ten prlbilegiere, so ist das durchaus nicht richtig, wenn man das richtige Srstem in Anwendung bringt. Nach dem Genter System sind auch Je nicht gewerkichajtlich organisierten Arbeiter in der Lage, die Vor⸗ telle der Arbeits osenversicherung zu genießen. Dien in Preußen. ist ja berhaupt kein Boden für Reformen vorhanden. Glücklicherweise gibt 5 ja noch ein anderes Parlament. Dort werden meine Freunde immer ieder auf die Notwendigkeit der Arbeitslosenveisicherung hinweisen. n Arbeitszwang, von dein der Abg. Röchling sprach, darf nicht aus zeübt werden, aber selbstverständlich muß jeder die Arbeit annehmen, ie ihm zugewiesen wird, wenn sie seinen Fähigkeiten und seinen Förperkräften entspricht. Faulenzer wollen auch. wir nicht nterstützen. Von einer Beschränkung der Freizügigkeit darf, unter feinen Umständen die Rede sein. So sehr wir die Arbeitslosenver⸗ cherung wänschen, so würden wir sie doch Licht um den Preis einer J inschräankung der Freizügigkeit wünschen. Die einzigen die sich bis⸗ r der Arbeitslosen angenommen haben, sind die Gewenlschaften, nicht nur die freien, sondern auch die Hirsch Dunckerschen. Wie kann „nan einen verstärkten Schutz der Arbeitswilligen verlangen, da es ja nung Fälle gibt, die beweisen, datz die Arbeitswilligen von der rechtsprechung ungeheuerlicher Weise bevorzugt werden. Das enügt den Scharfmachern noch nicht. Und deren Forderungen haben h ja zu einem Antrage verdichtet, den die freikonserpative hartei eingebracht hat. Die preußische Regierung besorgt die Geschãfte er Scharfmacher ja schon ohnedseß in genügender Weise. Man spricht immer von sozialdemokratischem Terrorismus, aber ver⸗ t dabei ganz, daß der Unternehmerterrorismus der schlimmste ist. Das Haus weist im allgemeinen kein anderes Bild auf wie früher. Gz ist keine wesentliche Verschiebung eingetreten. Die Konserpativen ben selbstverständlich ein paar Mandate verloren, aber dafür hat é nationalliberale Partei eine erhebliche Stärkung ersabren. Das Treiklassenwahlrecht muß nun endlich abgeschafft werden. er NMinisterpräsident hat gestern erkläàrt, daß das Versprechen vom Ja bre öh eingelöst ist. Ich will nicht mit Worten spielen. Mir ist es ganz gleich zültig, ob es ein Versprechen des. Vönigs oder der Regierung war, aber das eine steht doch lest, daß die Negierung in Ueber inssimmung mit dem König im Jahre 1908 i. . es Dreitlassenwahlsystems als eine der wichtigsten Aufgaben der Gegenwart bezeichnet hat. Richtig ist nun allerdings, daß ie Regierung eine Vorlage eingebracht hat, und wir bedauern auch nicht. daß die Regierungsvo lage nicht angenommen worden ist, denn wenn zi. Vorlage von 1916 Gesetz geworden wäre, dann wäre an ben Grundzügen des Dreiklassenwahlsystems so gut wie nichts ge⸗ ntert worden. Jedenfalls halten wir die Uebertragung des Reiche tagswahlrechts auf Preußen für eine dringende Notwendigteit. Die Aussichten, daß wir hier im Landtage zu einer Reform des Drei slassenwahlrechts kommen sind äußerst ungünstig, vielleicht kommen ars die gesetzichen Körperschaften des Reiches hierbei zu Dilfe. Die stegierung hat die heilige Pflicht, dar ür. ju, lorgen, daß endlich auch der preußische Staat eine, winkliche Vol she tretung erhält. Dar Dreiklassenwahlsystem ist kein Wahlrecht des Mittelstand wie ö. (bgeordnete von Zedlitz meint. Aus allem, was wir bighe 96 ört haben können wir entnehmen, daß die Regierung keine Wehlen m mill. Wenn sie aber gegen eine Reform ist, dann mussen alle Mittel ngewan.t werden, um sie zu einer Resorm zu zwingen. Die srelen Gewerkschaften werden von der Polizei im Hundt mit der Imstiz au bas heftigste verfolgt. Die Polizei bemüht sich, Material zu. saunmeln zum Beweise dafür, daß die freien Gewerkschaften politisch sind, Wir haben also in der nächsten Zeit eine neue Aktion gegen die freien Gewerkschaften zu erwarten. Dabei wird es natürlich auch nicht bleiben, sondern man wird dann versuchen, auch den anderen Gewerkschaften auf den Leib zu zücken. Man hat ja, auch die Arbeiterturnvereine für politisch erklärt, ebenso die, Arbeitergesang, vereige, selbst die Arbeitersamaritervereine. Die Art, wie , polltischen Bebörden vorgehen, hat uns immer wieder por dem us⸗ fand Flamiert. Man hat in der letzten Zeit Eng indet ohne jeden Grund ausgewiesen. Und dann das Verbot des Vortrags bekannten Polarforschers Roald Amundsen in norweg i sche rache in Flensburg. Die Herren auf, der rechten Sein klagen Ansturm der Demokratie im Reiche, in Wahrheit die reaktionäre Gesinnung der echt yreußischen im Ansturm ist. Diese echt preußische Gesinnung am liebsten auf ganz Deutschland übertragen. Der 6 Röchling, der doch im Verzeichnis als Nationallibergler aufgeführt sst, hat kein Wort des Bedauerns gefunden für die Beleidigung der vilperwaltung durch das Militär, er, hat nur immer gesprochen von de eleidi en des Militärs durch die Zivilbevölkerung. den angeblichen Beleidigungen des Mi zurch die . Möge iich das Schicksal davor bewahren, einmal vor ,. ichte u siehen. An dem Verhalten des Herrn von Jagow übt z s der Hamburger Korrespondont. die schärsste Kritik, und er nenn ö Verhalten den größten Skandal. Der Minister de Innern is wohl im Grunde seines Herzens ganz einperstanden mit ton Jagom. Der Minister berief sich dabei auf das Recht der . Meinungsäußerung. Damit sind wir einverstanden, wenn . f naewe vird er echt auf alle Beamten gleichmäßig angewendet wird. was wäre mit dem br. juris, von, Jagow. gesckehen. wenn er juristisch nachgewiesen hätte, daß jeder Staatebürger berechtigt sei in putativer Notwehr einen Schutzmann niederzustechen, Dann . wobl von Jagow nicht einen Tag länger im Amte geblieben. Das Vorgehen von Jagows war zugleich ein Vorgehen gegen den Reichskanzler. Herr von Bethmann Hollweg ist ia allerdings nohl ohnedies erledigt. Er ist gestern freilich hier n aufgetreten als früher, aber das war, vielleicht , , mn. Verzweiflung. Das Herrenhaus hat ihm ein verstecktee Miß⸗ frauensvotum ausgesprochen, und es hat sich gleichzeitig gegen den Reichstag gewendet. Ich habe keine Veranlassung, mich . en Ministerpräsidenten einzusetzen, aber mir scheint doch, ie die er im Herrenhause und auch hier erfahren kt, ie hat er nicht verdient, denn er hat sich doch bei 36 Ge⸗ legenheit als Erzreaktionär erwiesen. Das größte Ver ö. bers Verrn von Bethmann Hollweg in den Augen des Grafen Jon von Wartenburg ist die Gewährung der Verfassung
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des Spr über den 1 Leute, die möchte man
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J an Elsaß⸗Loth ringen. Diese Gewährung ist aber mehr als wettgemacht duich den Atillstand der Wahlreform in Preußen. Es ist ja nicht das aste Mal, daß sich der Landtag gegen den Reichstag gewendet hat. . Icht fann' man dem Reichstag nicht verzeihen, daß durch seine Be⸗ stimmungen die Veranlagung zur preußischen Einkommensteuer ver bessert worden ist. Wenn es irgend cinem unreifen Burschen, der zufällig das Offizierstleid trägt, einfällt, über ruhige Bürger. her⸗ usallen und fie zu verhaften, so ist dies unerhört. Die . lungen des Herrenhauses haben aufs neue gedeigt, welche tiefe Kluf sich auftut zwischen den breiten Massen des Volkes und den ge 5 zeberischen Körperschaften Preußens. Wir sühren einen unermün= lichen Kampf für die Demokratisierung Preußens und Deutschlands.
Justizminister Dr. Beseler: .
Meine Herren! Die Darlegungen des Herrn Vorredners über seinen Standpunkt zu der Frage, ob ein gesetzlicher Schutz der Arbeits willigen angezeigt sei, hat ihn veranlaßt, auch über die Tätigkeit der Gerichte Ausführüngen zu machen, und war in elner im höchsten Grade abfälligen Weise. Diesen Ausführungen muß ich mit der allergrößten Entschiedenheit entgegentreten. (Bravo Der Herr Abgeordnete hat eine Reihe von Fällen auf⸗— geführt, in denen er meinte, es sei zu Unrecht von den Gerichten ent schieden worden, und jwar so, daß die Anhänger seiner Partei zu streng und andere zu milde oder gar nicht bestraft worden seien, wo sie es verdient hätten. (Sehr richtig! bei den Soꝛialdemokraten. Es ist in erster Linie von ihm betont worden, daß das Wort Streikbrecher
in vielen Fällen als eine schwere Beschimpfung aufgefaßt worden sei und
man sich allerdings: ist es denkbar, daß das Wort allein so schwere Strafe nach sich ziehen muß? Aber der Herr Verredner hat nicht dabei erwähnt, daß in der Regel gerade die äußeren Umstände, unter denen dies Wort gebraucht wird, dieses Schimpfwort zu einer allgemeinen Gefahr machen (sehr richtig — Lachen bei den Sozialdemokraten), indem es schwere Tätlichkeiten und Streitigkeiten hervorrufen kann; und wir haben auch einige Fälle gehabt, wo Arbeitswillige auf ihrem Wege nach Hause gestört worden sind, in ihre Wohnungen verfolgt worden sind, dort beleidigt und gekränkt worden sind. Wenn in solchen Fällen das Wort Streikbrecher als ein beleidigendes mit Ernst und Strenge in Betracht gezogen worden ist, so kann man doch schwerlich sagen, daß das eine zu harte Beurteilung wäre. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.)
Des weiteren hat der Herr Abgeordnete einen Fall angeführt, in dem sehr strenge Strafen verhängt worden seien gegen solche, die Auf⸗ ruhr oder Landfriedensbruch begangen hätten, und die harten Strafen seien darauf zurückzuführen, daß hier diejenigen, welche streikten, weil sie zu den Streikenden gehörten, besonders strenge Strafen erfuhren. Ich weiß von dem Fall nur so viel, daß in der Tat einzelne sehr strenge Strafen verhängt worden sind. Wie groß die Zahl der Verurteilungen insgesamt war, weiß ich nicht. Ich weiß also nicht, wie sich das Rechenexempel, das der Herr Abgeordnete aufgemacht bat, stellen muß; aber gerade in diesem Falle war festgellt, daß der Verurteilte auf dem Bahnhof diejenigen erwartet hatte, welche arbeiten wollten, um fie dann von der Arbeit fernzuhalten oder um sie, wenn sie ihm nicht folgten, dorthin zu führen, wo sie ihre Gegner fanden, die dann über sie herfielen und sie mißhandelten. Also ein sehr schweres Ver gehen; und in diesem Falle ist gelungen, auch den Rãdels. führer zu ermitteln und zur wohlverdienten Bestrafung zu bringen. Was soll nun daraus folgen? Im Sinne des Derrn Abgeordneten garnichts. Dle Gesetze sind nicht verletzt, die Strafen sind aus⸗ gesprochen, das Gericht hat die Höhe der Strafen für angemessen ge⸗ halten. Damit ist die Sache doch erledigt. (Lachen bei den Sozial demokraten Wollen Sie denn hier behaupten, daß Sie imstande wären, das besser zu beurteilen? Berufen sind auch nicht dazu, und was hat Ihre Kritik dann für einen Boden?
Das weitere und vielleicht das schwerste, was an Angriffen von dem Herrn Vorredner vorgebracht worden ist, waren die zwei Fälle, wo, wie er es darstellen zu können glaubte, ein Arbeitswilliger ohne Grund von der Anklage des Mordes freigesprochen worden ist. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Einer dieser Fälle ist mir nicht bekannt, ich weiß nichts davon, ich lasse ihn ganz unberührt. Der andere Fall war der, wo ein Arbeitswilliger einen anderen er⸗ stochen hatte und doch freigesprochen worden ist (Zuruf von den Sozialdemokraten: Jawohl h, und zwar ist das vor dem Schwur— gericht in Stettin gewesen. Die Anklage lautete, wie der Herr Ab⸗ geordnete es wohl nach seinen Aeußerungen für richtig gehalten hätte, nicht auf Mord, sondern auf Körperverletzung mit töd— lichem Ausgang. Der Herr Abgeordnete hat bemerkt, der Täter, der den anderen ums Leben gebracht hätte, sei ein schlecht beleumundeter Mann gewesen, der auch schon vorbestraft worden sei, der andere aber ein braver Arbeiter. Das gehört nicht zur Sache. Es macht den Eindruck, als ob der Herr Abgeordnete gewissermaßen Stimmung machen wollte gegen den, der die Tat ausgeübt haben soll. Nach dem Gesetz kann auch einer, der schon bestraft ist, in rechter Notwehr handeln und einer, der vorher nicht bestraft ist, kann sehr wohl einen Mord begehen. Also, was soll diese ganze Erörterung? Nun ist in der Tat der Spruch des Schwur⸗ gericht so ausgefallen. Wie wollen Sie in der Lage sein, zu sagen, daß der Spruch nicht der Rechts, und Sachlage entsprochen hätte? Sind Sie im Schwurgericht gewesen, baben Sie die Leute gehört? Und gleichwohl sagt der Herr Abgeordnete schließlich mit besonderem Nachdruck, der Freigesprochene sei ein Mörder! (Zuruf bei den Sozlaldemokraten: Jawohl) Das ist (in ganz un— erhörtes Vorgehen, wenn Sie in der Art einen Richterspruch kritisieren, das dürfen Sie nicht. Die Gerichte sind unab⸗ hängige, durch Verfassung und Gesetz berufene Stellen im Staate und haben ihre amtlichen Pflichten unter ihrer vollen Verantwortung zu erfüllen; aber sie stehen, wie Sie ja selbst gern oft betonen, lediglich unter der Autorität des Gesetzes, und wenn das Gericht seine Ueber⸗ zeugung dahin ausspricht: hier liegt rechte Notwehr oder strafbare Ueberschreitung der Notwehr vor, und demnach zur Freisprechung ge⸗ langt, dann ist die Sache vollständig im Rahmen und nach Vorschrift des Gesetzes erledigt. Oder wollen Sie etwa be haupten, daß das Gericht absichtlich unrichtig geurtellt hat⸗ (Zuruf des Abg. Hirsch (Berlin): Habe ich nicht gesagt) Tas ist ein Vorgehen, das ich nur als agitatorisch bezeichnen kann. (Sehr wahr! rechts,. Sie wollen nichts weiter tun, als draußen in der breiten Masse die Meinung verbreiten, die Gerichte urteilen nicht gerecht, wie es ihre Pflicht sei, sondern in der Weise, wie der Derr Abgeordnete es zu schildern beliebt hat. Deshalb habe ich es hier für meine Pflicht gehalten, die Gerichte nachdrücklichst in Schutz zu nehmen und derartige Angriffe mit aller Entschiedenheit zurückzuweisen. (Bravo! rechts.)
Minister des Innern Dr. von Dallwitz:
Meine Herren! Auf die phantasiereichen politischen Ausführungen des Herrn Abg Hirsch über die Stellungnahme der rechtsstehenden Parteien im Herrenhause und auch sonst zu dem Herrn Reichskanzler und über den angeblichen Zusammenhang des Zeitungsartikels des Herrn von Jagow hiermit mich irgendwie noch zu äußern, lohnt sich nicht. Dagegen hat der Herr Abg. Hirsch vorhin gesagt: die Berliner Polizei habe für alles Zeit, nur nicht Zeit, ihre Pflicht zu tun. . Da dieser Ausdruck nicht gerügt worden ist, halte ich es für meine Pflicht. gegen eine so ungeheuerliche, unerwiesene und unbeweisbare Beschusdi gung einer mir unterstellten pflichttreuen Behörde hiermit entschiedene Verwahrung einzulegen. (Lebhaftes Bravo! rechts. Abg. Lleb⸗ knecht: Wo ist der Mörder des Herrmann 2)
Darauf vertagt sich das Haus.
Persönlich bemerkt .
Abg. Dr. Röchling (ul.): Die Abgg. Hirsch und Wiemer behaupten, ich hätte gesagt, die Staatsraison müsse dem Recht und der Gerechtigkeit vorgehen. Nach dem unkorrigierten Stenonramm babe ich aber, als ich das späte Eingreifen der Regierung beklagte, gesagt: „Ein leitender Staatsmann darf in solchen Fragen und kann leider nicht erst nach der Gerechtitkeit fragen, bier hat die Staatraison einzugreifen, und es muß gescheben, waß politisch notwendig ist, und zwar möglichst bald gescheben.“ Da
es
— —12
—1*
für einen Richler. Ich hahe allo gedrückt, daß der hinausschieben darf,
daß er sich von der Schluß Etat.)
leitende Stagtsin bis genau festgeste Staatsraison leiten lassen muß.
gegen 6 Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag, 10 Uhr.
Reichskanzler ist aber nicht Richter, sondery voll tische einen politischen Beamten sind andere G6 esichter mal im Zusaunnenhange ann seine Entscheidung Ut ist, wer recht hat, sondern
Beamter, und für
unkte maßgehend als
flar auß
nicht
1912
tung für das Rechnungszahr Zahlen entnommen seten.
Im Betriebe waren
in Westfalen 5 (5) mit 16763 (4 3 mit 0 4765 (— 911), zusammen 2 beschäftigten Personen, ferner
beschäftigten Personen
und zugehörige Steinsalzbergwerke jahre), 4 (4 Eisenhütten mit bütten mit 1532 (— 142), 4 (4) 2 10) Bohrverwaltung mit 105 Staatswerke mit 105562 (4 sonen. Infolge der Stillegung
Nassau um drei verringert.
Preußen mit , Braunschweig mit? kohlenbergwerk (bei Obernkirchen), das
und ) berücksichtigt. Kalisalzbergwerk Asse, 1898 13. Februar 1899 werkschaft gehört, mit
entstanden
Sechstel beteiligt.
werken
(gegen das Vorjahr 852 591 t) (— 10401 832 MS), am Deister
und bei 136 173 197 (4 11753 930)
(426435761 im Werte von ferner Braunkoblen 326 932 1096719 539) M,
Werte von 2482078 (4 (— 7879) t im Werte sonstige Erze
( 2197
9 (
von
Die Verarbeitung von Werte neuer Produkte: das Vorjahr 531 330) (4 9192 855) , 1892 925 4 113 Werte von 5283160 (—
— 1
6 *
3 154 692 (- 142767) Werte von 29 006 ( — 3502) 4,
hüttenbetrieb Erzeugnisse im Werte v Der Ges erzeugnissen
wie folgt:
Werke
Art der
Steinkohlenbergwerke: 1. in Oberschlesien,.
b. am Deister und bei Obern⸗ kirchen k k,
d. bei Saarbrücken.
St. Andreasberg und durch die Verp J hat sich die Zabl der betriebenen W Unter den nach
—
( 4560) 4 im Werte von 7468 423
1 9 9
3 (im Vorjahre kohlenbergwerke mit 302 gegen das Vollarbeitern und Beamten, 1 (3) Bernsteinwerk mit! ; ausfchließlich von 335 (— 40) Heimarbeitein, 2 (2) Eisenerzbergwerke mit 521 ( berg werke mit 2923 (— 96), 3 83) Ste in 3 (3) Kalisalzberg werke mit 2363 gr
während des Berichlsiahres Steinkohlenbergwerken in Oberschlesien 4 (im falls 4) mit 21 989 (gegen das Vorjahr 1] ü und Beamten, am Deister und bei Obernkiichen? (2
29) beschäftigten
—
dem
Statistik und Volkswirtschaft. Betriebsergebnisse der vreußischen Bergverwaltung für das Rechnungsjahr 1912.
Dem Landtag ist der Betrlebsbericht der preußischen Bergrerwal⸗ zugegangen,
die folgenden an staatlichen Vo jahre eben⸗ Vollarbeitern 3208 ( 130),
9 —
mit
17 bei Saarbrücken 12 (12) (63) mit 2 436 (4 2169)
Vorjahr
4 Braun⸗ 5) beschäftigten
os - R
22
67), H (9) son stige Erz⸗
brũche 2997,
mit 892
2160 (444 69, 4 Badeanstalten mit 191 6 4),
mit 10971 (- . 79), 7 () Salinen (wie im Vor⸗
(6) Metall-
( 1D, insgesamt 60 (63) 2124) beschäftigten Per- der Hütten
achtung der r ö erke gegen das Vorjahr gewiesenen Werken befinden sich ein Erzbergwerk' und zwei Metallhüätten (am Unterharz), die gemein- schaftlich mit Braunschweig betrieben werden und an deren Ertrãgen
zu Altenau und Braunkohlengrube
beteiligt ist, sowie ein Stein zu gleschen Teilen in gemeinschaft⸗
Die Menge und der Wert der in gewonnenen Roher zeug nässe jtellten sich ür, na. nungsjahr 1912, wie folgt: Steinkohlen in Oberschlesien7 095 5101 im
Ur
.
92
D206 . Robbernstein 436 200 319)
J
109 539 (4 1549) 779) M, Kalksteine und Gips im ( 121 663) s, Kalisalze 0 351 (4 140611) 10 568 364 (4 2077 811) und Steins im Werte von 649 790 k—
isse V von 285 965923 82 k Bergwerkserzeugnissen
Koks
——
308) M, 20 522 (4
on
5
3) t
und einer An
sta stellten
de
Werte bei Ob
18
4 6172) 1 im Werte von 7749 958 (4 421 930), Westf h 837518 ( 912922) im Werte von 41 506 393 (4 11 834 427) 4 Saarbrücken 11735 022 (4 871891) 1 im zusam men hö 759 ( 344121189) ,
464) t.
6,
18,
im Wert
ins gesa ( 38
schließli es Salinenbetriebes ergab folgende . die Steinkohlenverarbeitung 1502 Werte 147295 (4 10 950) 4 Briketts im Werte von 7854) 1 Ammoniumsulfat im 2220 886) 6 und sonstige Produkte im Werte von 2917973 ( 1438630) t, die Bernsteinverarbeitung Erzeugnisse im Werte von 2130 290 ( 163 reitung 103430 * 19985) im Werte von der Saltnenbetrieb 131 3956 (4 6223) „MS und 3138 (4
im
Siedef
1
Eisenkrze
alz 12
lichem Besitz Preußens und des Fürsten von Schaumburg. Lippe steht. Von diesen 4 Werken ist in dem vorliegenden Beri Bergverwaltung bei Angabe der Erzeugungsmengen legschaftszahl usw. stetz nur der auf Preußen — Außerdem ist der vreuß das durch Konsolidationsvertrag vom 9. ist 1265 Kuxen beteiligt. Kaltsteingewinnung bei Rüdersdorf ist die S tadt
cht der preußischen Ueberschüsse. Be⸗
entfallende Anteil (*
sche Staat an dem Juli 1060 teiligen Ge⸗ dem Ertrage der Berlin mit einem
atlichen Berg⸗ sich für das Rech
von 68 330211 * ernkirchen B86 029 AM, in Westfalen
Werte von 23354079
im Werte von ( 35h * in 91321 18 333) 46,
e von 14006 240
im Werte von 2416726
im Werte von 2 959 (— 3696) t mt Roherzeug⸗ 623 522) A8.
ein- Mengen und 489 (gegen
von 24 604 838
130) 46, die Kalisalzaufbe 3 178 442 ( 2512 453) , alz im Werte von 241) 1 Nebenerzeugnisse im
der Eisenhüttenbetrieb 33108
21 168 868
amtwert der durch Verarbeitung. einschließlich des Salinenbetrieb? gewonnenen Produkte betrug 81 828 612 (gegen das Vorjahr 4 18 626 425) .
Der bilanzmäßige Reingewinn der Staatswerke stellte sich,
16130 944
( 971133) 46 und der Metall⸗
C 2 460 hr) t. von Bergwerks⸗
1912 gegen 1911 mehr (4) oder weniger (-) 6
̃ 808079 315 006
* 166 452 9h67 390
zusammen Braunkohlenbergwerke . Bernsteinwerke ... Eisenerzbergwerke : fonstige Erzbergwerke .. ,, Kalisaljbergwerke Sallnen und zugehörige bergwerke Eisenhütten . . Jö Metallhütten . Badeanstalten Bohrverwaltung. zum Ausgleich.
Steinsalz⸗
. * . . .
r*
594
967 088 324 203 3 599 385 52 903
6 808 206
554 146 170 244 3927004 47691 350 499 13 649
18 126 927 83 431 362 486 4252 43 086 21 596 2482 234
12
134 554 17477 1215589
— 19 232 * 30 080 * 13 649
in gantetn⸗ Die Reingewinne
zusammengestellt:
Bleterzbergbau und Bleihütten⸗ betrieb in Vberschlesien .
Oberharzer Berg⸗ und Hüttenwerke
Unterharzer Bergwerks, und Hütten
warde mir zugerufen: Das sagt ein Richter! Diesen Standpunkt
zu schweren Bestrafungen geführt habe. Wenn man das so hört, so fragt
] . J M. f . 31 ö. 8 kann allerdings ein Richter nicht in der Rechtsprechung einnehmen, der
ö
Hüttenbetrleb in Oberschlesien und am Harze
—
46172037 seien 1912 16 3885 485
2067 675
1578 343
22778 857.
des staatlichen Erzbergbaues nebst zugehörigem
hier noch besonders gegen 1911 mehr 6
1216570 650018
509 722.