1914 / 18 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 21 Jan 1914 18:00:01 GMT) scan diff

ganze Deuische Reich geschickt, die zusammen mit den zuständigen Organen der Bundesregierungen die Verhaͤltnisse in denjenigen Landes teilen geprüft haben, in denen die Krankenversicherung bereits durch« geführt war und in denen sie noch nicht durchgeführt war. Wir, d. h. der damalige Herr Staatssekretär des Innern und der damalige Handelsminister, d. h. der heutige Reichskanzler und der jetzige Staate. sekretär des Innern haben den ungewöhnlichen Weg beschritten, daß wir selbst in die preußischen Provinzen gereist sind und diese Frage einer eingehenden Erörterung mit den Vertretern der Kommunal behörden, mit den Vertretern der Staatsbehörden, mit besonders sachderständigen Leuten unterzogen haben, mit dem Ergebnis, daß wir uns gesagt haben, der Zeitpunkt für die Durchführung der Kranken— versicherung auch auf dem platten Lande ist gekommen.

Daß dlese Ausdebnung der Krankenversicherung, daß noch viel mehr aber die Krankenversicherung der unständigen Arbeiter und der Hausarbeiter mit Schwierigkeiten verknüpft sein würde, das haben wir gewußt. Aber, meine Herren, wer wie ich die Schwierigkeiten mit erlebt hat, die sich schon der ersten Durchführung des ersten Kranken— versicherungsgesetzes und der Durchführung der Invalidenversicherung in der ersten Zeit entgegenstellten, der ist auch von der Ueberzeugung durchdrungen, daß es möglich sein wird, dieser Schwierigkeiten Herr zu werden bei den Erfahrungen, die wir und die Behörden draußen im Lande auf diesem Gebiete haben, und bei einigermaßen gutem Willen.

Also, meine Herren, wir sind zu einem gewissen Ab— schluß gelangt bei unseren sozialpolitischen Gesetzen, auch in— soweit, als wir annähernd die Grenze derjenigen Versicherungs— möglichkeiten erreicht haben, die es überhaupt gibt. (Zuruf von den Sozialdemokraten: Arbeitslosenversicherung) Ueber die Arbeits⸗ losenversicherung habe ich neulich gesprochen! Ich habe die großen grundsätzlichen und praktischen Schwierigkeiten dargetan, die einer obligatorischen Reichsversichetung gegen Arbeitslosigkeit ent— gegenstehen, und ich habe insbesondere darauf hingewiesen, daß die Arbeitslosigkeit als solche einen anderen Charakter trägt als alle diejenigen Fälle von Not, gegen die der Arbeiter bis jetzt auf Grund unserer bestehenden Veisicherungsgesetze versichert ist. Nun, meine Herren, wer im übrigen weiß, wie es im Laufe der letzten zwel Jahre nicht nur im Reichsamte des Innern, sondern auch in den Landeszentralbehörden, in den höheren und den unteren Ver— waltungsbehörden sämtlicher Bundesstaaten zugegangen ist, der wird mir zugeben, daß hier nicht Stillstand geherrscht hat, sondern daß mit fieberhafter Hast gearbeitet ist, um alle diese Gesetze bis zu dem Zeitpunkt durchzuführen, den dieses hohe Haus gewünscht hat und den wir konzediert haben, obwohl wir nicht einen Augenblick darüber im Zweifel gewesen sind, daß es große Anstrengungen erfordern würde, um alle Vorbereitungsarbeiten rechtzeitig zum Abschluß zu bringen.

Welche Summen für die jetzt schon durchgeführten Gebiete der sozialpolitischen Versicherung aufgewandt sind, ist hier oft er— örtert. Ich will nicht darauf eingehen. Aber die Reichsversiche— rungsordnung hat auch in einem anderen Gebiete einen außer— ordentlichen Fortschritt gegen früher gebracht. Mit der Ein— richtung der Versicherungsämter und der Obeiversicherungsämter, d. h. paritätisch besetzter Behörden unter einem beamteten Vorsitzenden, ist die Selbstoerwaltung auf dem Gebiete unserer sozialpolitischen Versicherung wesentlich ausgedehnt worden. Es sind die Geschäfte der sozialpolitischen Versicherung, wenn ich mich so ausdrücken darf, in die allgemeine Organisation unserer Landes- und Kommunalver— waltung eingearbeitet worden. Sie haben damit, wenn ich so sagen darf, in unserer gesamten Verwaltungsorganisation Bürgerrecht ge— wonnen. Das ist ein eminenter Fortschritt; denn wir haben von jetzt an in allen Verwaltungsbehörden Beamte sitzen, die Speztallsten auf dem Gebiete der sozialpolitischen Versicherung sind, die nicht bloß immer vorübergehend mit ihren Geschäften befaßt werden. Wir haben in den Vorsitzenden der Versicherungsämter und vor allen Dingen in den Obeiversicherungsämtern, die in Preußen mit Ober— reglerung? täten besetzt sind, Beamte gewonnen, dle sich in die sozial—⸗ politlschen Fragen in viel höherem Maße vertiefen und einarbeiten können, als das bisher geschehen ist. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen) Meine Herren, damit ist in unserer Ver— waltung das durchgeführt, was auch ein Ergebnls unserer zwanzigjährigen Behandlung dieser Materie hler im Reichstage ist: die Durch— dringung des ganzen Volkes mit den sozialpolitischen Ideen, aus denen die Gesetze hervorgegangen sind, die wir hier im Laufe von mehr als einem Menschenalter zur Verabschiedung gebracht haben.

Daß unter diesen Umständen auf dem Gebiete der Sozialpolitik, insbesondere auf dem Gebiete der sozialpolitischen Versicherung eine Pause eintreten muß, ist selbstverständlich. Das haben wir alle ge— wußt, und ich erinnere daran, daß an dem Tage, wo wir dle Reichs— versicherungsordnung hier verabschiedet haben und die Vertreter der einzelnen Parteien noch eiamal einen Rückblick auf die Verhand— lungen warfen und von dem sprachen, was erreicht und was nicht er— reicht wurde, auch dieser Gedanke von den Rednern verschiedener Par⸗ teien ausdrücklich zum Ausdruck gebracht worden ist.

Nun, meine Herren, ist eine andere Beschwerde, über die ich hier auch schon wiederholt gesprochen habe, daß wir nicht mehr genug Bundes ratsberordnungen zum Schutze von Leben und Gesundheit der Arbeiter erließen. Das ist ja das jwelte große Gebiet der Sozial— politik Auf der einen Seite die Versicherung, auf der anderen Seite die Fürsorge für Gesundheit und Leben der Arbeiter in den Betrieben. Meine Herren, ich möchte in Ankaüpfung an das, was ich auch hierüber früher schon ausgeführt habe, daran erinnern, daß auch hitr eine ganze Reihe von Foitschritten zu verzeichnen ist, und zwar in allereister Linie auch auf organisatorischem Gebiete. Meine Herren, wir haben angefangen, indem wir die Grundsätze, die im s 1202 der Gewerbeordnung in seiner heutigen Fassung festgelegt sind, allmählich ausbauten und entwickelten. Wir haben dann dem Bundesrat die Möglichkeit gegeben, Vecordnungen zum Schutze von Leben und Gesundheit der Arbeiter auf Grund dieser allgemeinen Bestimmungen zu erlassen, und dann haben wir die Möglichkeiten des Eingreifeas auf diesem Gebiet immer mehr vervielfältigt, immer komplizierter und darum wirksamer gestaltet. Jetzt können, wenn der Bundesrat nicht eingrelft, die Landeszentralbehörden elngreifen. Jetzt können, wenn die Verschledenartigkelt in großen Bezirken oder in einzelnen Bundesstaaten ein Eingreifen der Zentralbehörde nicht zuläßt, die Ortepolizeibehörden mit Polizeiverordnungen ein— greifen. Es können neuerdings die einzelnen Polizeibehörden mit Anordnungen für den einzelnen Betrieb eingreifen. Wir haben die

einzelnen Bundesstaaten dadurch gefördert, daß unter Mitwirkung des Kaiserlichen Gesundheitsamts, unter Mltwirkung der Kommission für Arbeiterstatistik allgemeine Grundsätze festgelegt sind, nach denen be⸗ stlmmte Betriebe beaufsichtigt werden müssen, und diese Grundsätze in das Land hinausgeschickt. Das Verfahren auf Grund des § 16 der Gewerbeordnung über die Genehmigung von Betrieben ist systematisch auch nach der Richtung des Arbelterschutzes hin ent— wickelt und ausgebaut. Auch hier hat jeder Gewerbeaufsichtebeamte, der ein solches Konzessionsgesuch zu prüfen berufen ist, die Anleitung der Zentralbehörde in der Hand, wie im einzelnen Falle für den Schutz für Leben und Gesundheit der Arbeiter gesorgt werden kann.

Meine Herren, diese Vielheit der Möglichkeiten ist zweifellos eine Verbesserung; sie gibt uns eben einen Anhalt, überall da ein— zugreifen, wo eine generelle Regelung sich verbietet, wo eine generelle Regelung im wesentlichen auf eine anderweite Gestalturg der all. gemeinen Vorschriften aus 8 120a der Gewerbeordnung hinauslaufen könnte.

Wenn ich nun dazu noch erwähne, daß neuerdings in Preußen es ist ja auch schon von anderer Seite darauf hingewiesen worden den Gewerbeaufsichtsbeamten die Möglichkeit eines unmittelbaren polizeilichen Eingriffs gegeben ist, so werden Sie mir zugeben, daß ich recht habe, wenn ich behaupte, daß auch auf dem Gebiete des Schutzes von Leben und Gesundheit, auch wenn keine Bundesratsverordnungen erlassen werden hier sind gewisse Grenzen gezogen —, unendlich viel geschehen ist, um eine praktische Fürsorge für den Arbeiter in den einzelnen Betrieben und im einzelnen Falle sicherzustellen.

Meine Herren, aus allen diesen Ausführungen ergibt sich, daß die Möglichkeiten des Eingriffs außerordentlich vermehrt sind, und daß, was augenblicklich zu tun bleibt, nicht gesetzgeberische Arbeit ist auf jedem Gebiete erschöpft sich in gewissen Zwischen⸗ räumen die Möglichkeit des gesetzgeberischen Eingreifens —, sondemn es ist die Detailarbeit des einzelnen Beamten, die Detail— arbeit der Behörden draußen. Das ist auch einer der Fortschritte, die wir im Laufe der drei Jahrzehnte erreicht haben, in denen wir uns mit diesen Fragen beschäftigen: wir haben jetzt geschulte Beamte, die die Kenntnis und das Verständnis für die Beurteilung sozialer Fragen haben; die einzelnen Zentralbehörden in den Bundesstaaten sind unablässig bemüht, ihr Beamtenpersonal in dieser Beziehung zu vervollkommnen. Das ist eln Erfolg, den ich hier ausdrücklich fest⸗ stellen möchte. Es ist falsch, wenn man das Maß der sozialpolitischen Tätigkeit einer Regierung oder eines Parlaments nach der Zahl der Gesetze und nach der Zahl der Verordnungen mißt.

Nun, meine Herren, auf einige Einzelfragen, die im Zusammen— hang hiermit erörtert worden sind, gehe ich nicht ein. Ich überlasse das meinen Kommissaren, die wahrscheinlich im Laufe der Debatte noch ausreichend Gelegenheit haben werden, auf die einzelnen Fragen zurückzukommen, die gestern und heute hier erörtert worden sind. Ich möchte aber darauf aufmerksam machen, daß das Urteil auch darauf ist gestern hingewiesen worden über den Wert und die Bedeutung unserer sozialpolitischen Gesetzgebung hüben und drüben in ein gewisses Schwanken geraten ist; meines Erachtens mit Unrecht, soweit es sich um das Maß des Erreichten handelt. Aber der Herr Abg. Hitze hat schon im vergangenen Jahre angeregt, man möge doch einmal versuchen, Material über die Wirkung unserer sozialpolitischen Gesetzgebung zu sammeln. Ich bin diesem Antrage gern nachgekommen. Wir sind dabei, eine Denk— schrift über diese Fragen auszuarbeiten. Es wird einige Zeit ver— geben, bis diese Denkschrift fertiggestellt ist; denn wir können uns nicht auf Gelegenheitsarbeiten, auf einzelne Apergus beschränken, sondern wir müssen versuchen, auf einer unanfechtbaren wissenschaft⸗ lichen und statistischen Grundlage zu einem klaren Bilde der Ent— wicklung und ihrer Ergebnisse zu gelangen. Ich möchte aber diejenigen Herren, die sich für diese Fragen interessieren, mit einem Worte noch hinlenken auf das sehr beachtenswerte kleine Buch des Präsidenten des Reichsoersicherungsamts, Herrn Dr. Kaufmann, das kürzlich erschlenen ist und in einer Reihe kurzer, sehr interessanter Ausführungen Auf⸗ schluß über gewisse Ergebnisse unserer sozialpolitischen Gesetz— gebung gibt.

Melne Herren, wenn also auf den eben von mir erörterten Ge— bieten ein Anlaß zu einem Vorwärtsdrängen der Gesetzgebung nicht vorllegt, so hat das auch seinen Grund darin, daß tat— sächlich die sozialpolitischen Probleme, ie vor uns liegen, auf einem ganz anderen Gebiete liegen. Diese Probleme gehören in das Gebiet des Koalitionsrechts, nicht nur in das Gebiet des Koalitionsrschis der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer; die Koalition, die Organisation beherrscht unser ganzes öffentliches und wirischaft⸗ liches Leben. Sie beeinflußt nicht nur die Verhältnisse des Arbeits— marktes, nicht nur die Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeit- nehmern, fie hat tatsächlich die wirtschaftlichen Grundlagen verschoben, auf denen sich unsere Volkswirtschaft bis vor kurzer Zeit wissen— schaftlich und praktisch aufgebaut hat.

In das Gebiet des Koalittonsrechts greift hinein die gestern erörterte Frage des Syndikategesetzes. Es greifen hier hinein die Erörternng über eine Umgestaltung unseres Submissionswesens, die Forderungen nach einer Verstaatlichung der Rüstungs— industrie. Es gehören hierher die Forderungen nach einer Monovolisierung des Kalibaues, die Erörterungen über das Kohlensyndikat und die Forderung nach einer Verstaatlichung des Kohlenbergbaues. Es greifen hier hinein die Bestrebungen einzelner Bundesstaaten, durch die Vermehrung ihres Besitzes an Kohlen— feldern einen Einfluß auf die Preiegestaltung gegenüber den großen, übermächtigen Syndikaten zu gewinnen. Meine Herren, alle diese Fragen sind auf demselben Boden erwachsen. Das freie Spiel der Kräfte ist weder der Theorie noch der Praxis nach wirksam in der Entwicklung unseres gesamten Wirtschasts lebens. An die Stelle des freien Spiels der Kräfte ist als bewegender Faktor der bewußte Wille der Organisationen getreten. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen und bei den Sozialdemokraten.) Unsere Preise und unser Wittschafts⸗ leben werden nicht mehr beeinflußt durch die freie Konkurrenz zahl⸗ loser Unternehmungen, sondern durch den Kampf einiger weniger Organisationen. (Sehr richtig! links) Nicht auf das wirtschaftliche Gebiet, nicht auf das eigentliche Arbeiterrecht beschränkt sich der Ein fluß des Organisationsgedankens, bis in unser Beamtenrecht hinein, bis in die Verhältnisse der Staatsarbeiter hinein schlägt diese Frage ihre Wellen. Ich habe den Eindruck, daß diese Probleme uns für die nächste Zelt gesetzaeberisch und für die Verwaltung auf lange Zeit

Tätigkeit dieser mittleren und unteren Verwaltungsorgane in den

Meine Herren, ich will im Rahmen meiner heutigen Eroͤrterun auf die Einzelsragen, die ich eben erwähnt habe, soweit sie außer n des Gebiets des Arbeiterrechts liegen wenn ich mich so ausdrũ darf nicht eingehen. Meine Ausführungen wärden damit ufer werden. Ich habe auch nicht die Absicht, heute auf das Koalttionge der Arbeiter einzugehen. Ich habe die Rechtsauffassung der n bündeten Regierungen, so wie sie sich nach der Entwicklung unse Gesetzgebung und unserer Judikatur darstellt, vor etwas über Jahn frist aus Anlaß einer Interpellation hier im Reichstage eingehend. örtert. Ich habe den Eindruck, daß der Rechtsstandpunkt, den damals vertreten habe, im großen und ganzen von niemand widerl⸗ worden ist, und ich habe deshalb keine Veranlassung, an men damaligen Ausführungen zu rühren; ich würde damit die Situa nicht klären, sondern nur verdunkeln.

Meine Herren, ich habe auch nicht die Absicht, auf die Frage y Arbeitswilligenschutzes einzugehen. Schon im vorigen habe ich mich darüber geäußert und vor allen Dingen hat der n Reichskanzler bei der ersten Lesung des Etats über diese Frag? sprochen. Ich halte es nicht für zweckmäßig, den Ausführungen Derrn Reichskanzlers auf diesem Gebiete heute irgendetwas hin zufügen.

Dagegen möchte ich auf eine andere Frage eingehen, die eng dem Koalitionsrecht zusammenhängt und die der Herr Abg. Doormor bei seinen Ausführungen am Sonnabend angeschnitten hat. Er mich gefragt, ob wir denn noch immer nicht so welt wären, um; eine gesetzliche Regelung des Rechtes des Tarifvertrags eintre zu können. Meine Herren, auch hlerüber habe ich wiederholt sprochen. Ich habe wlederholt darauf hingewiesen, daß ja nicht stritten werden kann, daß unser Tarifvertrag solange elne genf rechtliche Unterlage entbehrt, als diejenigen, die diesen Tarifvertrag schließen, nicht Rechts subjekte sind, nicht Eigentum erwerben könne

die Erfüllung der Verträge, dle sie eingegangen sind, in irgend ei Weise, namentlich mit ihrem Vermögen, haftbar gemacht werden.

Die Voraussetzung jeder Regelung des Rechts der Tarifvertrãge die Rechtsfähigkeit der Berufsvereine, mindestens die teilwelse Haftun

ihres Vermögens. und Parlament über ein Berufsvereinsrecht voraus, das den Bernt!

und das andererseits dem Staate die Möglichkeit gibt, einen M brauch ihrer großen wirtschaftlichen und moralischen Macht 1 Schaden der Gesamtheit oder zum Schaden des einzelnen zu ra hindern.

der Frage in diesem hohen Hause gemacht haben, zweifelhaft. I . möchte aber für meine Person ausdrücklich betonen, daß es sich hi

um ein Problem handelt, daß weiter traktiert werden muß, das n

versuchen müssen, einer endgültigen Lösung entgegenzuführen. Delg

möchte ich nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß es sich hier un

ein Problem handelt, das zurzeit alle Kulturstaaten der Welt h.

schäftigt, und dessen Lösung noch kelnem von ihnen so verschien

die gesetzgeberischen Maßnahmen auch sein mögen, die man ange wendt

hat gelungen ist. So verschieden das Recht ist, der Zustand s

bier, in Australien, in England und in Frankreich in seinen lerne Effekten und Folgen im wesentlichen immer derselbe.

Meine Herren, diese Erwägungen haben mich veranlaßt, in

Fragen einzutreten und die historische Entwicklung des Rechtes Berufe vereine bei uns und in anderen Kulturstaaten zu verfol unter Erörterung der praktischen Konsequenzen, die sich aus Koalitionsrecht in den einzelnen Staaten ergeben haben, der Zwar mittel der Strafgesetzgebung, die man angewandt hat, um 2 wüchsen des Koalitionsrechts entgegenzutreten, und dergleichen n unter eingehender Erörterung namentlich der Judikatur, wie sie

bei uns aus den sz 152 und 153 der Gewerbeordnung entwlckelt einer Entwicklung, die, soweit ich das jetzt überseben kann, zum T anders ist, als man im allgemeinen angenommen hat. Meine Herre wenn diese Denkschrift in Ihren Händen sein wird ich kann nic sagen, wann es geschieht, aber ich werde das Meinige tun, daß bald geschieht werden wir vielleicht in der Lage sein, auf die Problem des Koalitionsrechls, soweit es sich um Arbeiter und Arb geber handelt, in diesem hohen Hause näher einzugeben.

Im unmlttelbaren Zusammenhang mit der Frage des vertragsrechts steht nun eine zweite Frage, dle allerdings, wie glaube, noch von keinem Redner in der diesjährigen Etatsverhandlͤ gestreift worden ist ich kann mich aber irren —, die aber name lich in der letzten Zeit in der Presse fast aller Parteien wieder a getaucht und Gegenstand lebhafter Erörterungen gewesen ist, das

die Frage eines Reichseinigungsamts für Streitigkeiten zwisck Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Meine Herren, auch die Lösu dieser Frage hängt wiederum von der Vorfrage ab, wie das Recht? Berufsvereine gelöst ist. Ein Reichseinigungkamt hat nur dann esn wirklichen Zweck, wenn wir einen Verhandlung zwang haben und in der sind, die Entscheidung eines solchen Amtes zu vollstrecken. So

wir diese Möglichkeit nicht haben ich habe das oft ausgeführt n

ich werde mit jedem Fall, der mich erneut in diese Materie bine führt, in dieser Auffassung bestärkt ist es zweckmäßig, den jetzig Zustand aufrecht zu erhalten, das heißt a! hoe unter Mitwirku— der Bebörden, sei es des Reichs oder des Staats, auf Anrufen d Beteiligten paritätische Schledsämter zu berufen. Denn, mei Herren, die Durchführbarkeit einer durch das Gesetz nicht vollstre— baren Entscheidung hängt von dem Vertrauen ab, das beide Tei dem Schiedsgericht zuwenden, und dieses Vertrauen, meine Herre— wird für die Mehrjahl aller Fälle nur dann vorhanden sein, wer fich beide Patteien für den einzelnen Streitfall über die Rlcht geeinigt haben, die das entscheidende Urteil sprechen sollen Ich kl also der Meinung, daß wir es in dieser Richtung zunächst bei d— ö bisherigen Entwicklung lassen, die ich, soweit ich dazu in der nn bin, ebenso zu befördern bereit bin, wle ich das bisher getan habe— . Meine Herren, ich möchte im Zusammenhang damit an einen Fel ö. erinnern, der eigentlich für die Regelung derartiger Fragen toi

hinaus beschäftigen werden. (Sehr gut! bei den Nationalliberalen.)

ist, das ist die kürzlich zustandegekommene Einigung zwische⸗ . den Krankenkassen und den Aerzten. Es scheint ich heft

nicht klagen und verklagt werden können, nicht in der Lage sind,

Aber, meine Herren, darin liegt ja die Schwiergt! in das Recht der Tarifverträge im Wege der Gesetzgebung einzugrene! Das setzt also eine Einigung zwischen Reglern! vereinen auf der elnen Seite das Maß von Freiheit läßt, das

brauchen, um ihre wirtschaftlichen und charitativen Zwecke zu erfülle das die Einhaltung der von ihnen eingegangenen Verträge sicherstel

Meine Herren, ob dleses Ziel in absebbarer Zeit erreichbar erscheint mir nach den Erfahrungen, die wir mit der Behandlin

eingehendes wissenschaftliches Studium der Entwicklung all die

es —, daß es gelungen ist, hier im Wege des Verltags von Organisatlon zu Organtsatlon eine Aufgabe zu lösen, bei der die Gesetzgebung bisher versagt hat und auch wahrscheinlich bis auf weiterez versagt haben würde. Charakteristisch an diesem Abkommen ist, daß alle Streitfragen in die Hand von paritätisch besetzten Schiedsinstanzen unter beamteten Vorsitzenden gelegt sind, und charakteristisch ist, daß der Zentralausschuß, der nach diesem Prinzip gebildet ist, gleichzeitig die Aufgabe haben soll, wenn das be— stehende Abkommen aus irgend einem Grunde gekündigt ist, alsbald die Arbeiten sür die Herstellung eines neuen Abkommens herbei zuführen.

Meine Herren, ich halte diesen Fall, ganz abgesehen von der Freude, die ich darüber empfinde, daß es mir gelungen ist, diesem un heilvollen Streit zwischen Aerzten und Kassen noch rechtzeitig vor⸗ zubeugen (Bravo!, für ein außerordentlich interessantes Epperiment auf dem Gebiete der Kämpfe zwischen Arbeitgebern und Arbeit—⸗ nehmern überhaupt. Ich betone das in Ankaüpfung an die Aus⸗ führungen, die ich vorhin gemacht habe. Dle Organisation macht nicht Halt bei den Verbänden der gewerblichen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sie greift über in unser ganzes wittschaftliches und politisches Leben.

Meine Herren, damit bin ich mit meinen allgemeinen Aus— führungen über die Sozialpolitik fertig. Ich wiederhole, unsere Gesetzgebungsarbeit ist an einem gewissen Abschluß angelangt. Für unsere Betätigung auf sozialpolitischem Gebiet im Verwaltungswege sind neue Wege geöffnet. Daneben sind aber auch neue Ziele empor—- gewachsen, die zu verfolgen und dle ihrer Lösung entgegenzuführen unsere selbstversländliche Pflicht ist. Aber, meine Herren, ebenso ist es eine selbstverständliche Pflicht sowohl dieses hohen Hauses wie der Regierung, sich zu hüten, auf diesem Gebiet sich einem gedankenlosen Vorwärtstreiben in ausgefahrenen Gleisen hinzugeben. Das bedeutet nicht einen Abbau unserer Sozialpolitik? Im Gegenteil, meine Herren, ich weiß mich mit diesem hohen Hause und mit allen ein— sichtigen Vertretern unserer Arbeitgeberschaft darin einig, daß eine gebildete, gesellschaftlich und wirtschaftlich gut gestellte Arbeiterschaft eine der Säulen ist, auf denen unsere Industrle und unser nationaler Wohlstand steht. (Bravo! im Zentrum.) Ich bin mir auch röllig im klaren und auch da glaube ich, werde ich bei Ihnen und dem ganzen Lande Zustimmung finden —, daß nur auf dieser Grundlage die Pflege der sittlichen und vaterländischen Ideale möglich ist, die ein Volk beseelen müssen, wenn der Staat nicht Schaden leiden soll— (Lebhaftes Bravo) Meine Herren, eine verständige Soʒialpolitit ich lege den Ton auf das Wort „verständige! ist nach meiner Auffassung eine Kraftquelle für das Deutsche Reich, die es niemals ungestraft vernachlässigen darf. Meine Herren, ich habe gesagt, eine verständige Sozialpolitik (Zuruf bei den Sozialdemokraten.) Lassen Sie mich, bitte, doch auzreden, Herr Ledebour! (Heiterkeit.) Also, ich habe von einer verständigen Sozialpolitik gesprochen. Unter einer verständigen Sozialpolitik verstehe ich eine solche, die nicht bloß dem Arbeiter, sondern auch dem Arbeitgeber gibt, was ihm zusteht. (Mehrseitiges sehr richtig Unter einer verständigen Soʒialpolitit derstehe ich eine Sozialpolitik, die auch dem Arbeitgeber dasjenige Maß von wirtschaftlicher und, ich möchte sagen, auch moralischer Ellbogenfteiheit gibt, das notwendig ist (sehr richtig! rechts), um die großen Aufgaben zu erfüllen, die unsere Industrie bisher gelöst hat und in viel größerem Maße als bisher wird erfüllen müssen, wenn wir die führende Stellung in der Welt behalten wollen, die wir stolz sind augenblicklich inne zu haben. (Bravo! bei den Nationalliberalen.] Meine Herren, eine verständige Sozialpolitik muß sich in den Grenzen des wirtschaftlich Möglichen halten. Der Umfang der Betätigung auf sozialpolitischem Gebiete muß im Einklang mit der allgemeinen Wirtschaftspolitik und mlt ihren Ergebnissen sein. (Zuruf bei den Sojialdemokraten: das sind Phrasen) Meine Herren, das ist keine Phrase. Sle werden mir doch zugeben, daß man auch an— derer Meinung sein kann als Sie, (Heiterkeit); und Sie müssen doch allmählich begriffen haben, daß es Pflicht der Regierung ist, die Dinge anders zu beurteilen als Sie, weil wir nicht die Ziele einer einzelnen Partel, nicht das Wohl einer einzelnen Klasse, sondern des ganzen Landes zu vertreten haben. (ELebhaftes Bravo! Zurufe bei den Sozialdemokraten. Ob Sie mich einen Knecht der Unternehmer nennen oder nicht, ist mir ganz gleichgültig, (Bravo! bei den National⸗ liberalen) und Sie werden mich nicht im mindesten verhindern, das zu tun, was ich für richtig halte. (Bravo!) Ich bin damit auf das Gebiet unserer Wirtschaftspolitlk hinübergeglitten und möchte nun⸗ mehr die Erörterungen, die ich jetzt zu machen habe, zunächst noch einmal anknüpfen an die Betrachtungen, die ich eben über eine ver⸗ ständige Sozialpolitik gemacht habe, d. h. ich möchte einmal die Frage aufwerfen: ist unsere Sozialpolitik bisher eine zu große Last für unsere Industrie gewesen?⸗ Hat unsere Soglalpolitik die Entwicklung unserer Industrie irgend⸗ wie gehindert? Und im Zusammenhange damit darf ich auf eine allgemeine Würdigung unserer Wirtschaftspolitik eingehen, ins⸗ besondere im Hinblick auf alle die Vorteile, die unsere erfolg⸗ reiche Wirtschaftspolitik dem Arbeiter gebracht hat, die freilich von Ihrer Seite (Gu den Sozialdemokraten) stets bestritten werden.

Wenn man diese Fragen lösen will, dann darf man sich nicht an die Wirtschaftsergebnisse dieses oder jenes einzelnen Jahres an⸗ klammern. Ich möchte Sie zunächst bitten so ungern ich es tue —, einige wenige Zahlen mitanzuhören, die zeitlich ungefähr die⸗ selbe Perlode unserer Wirtschaftspolitik wie unsere Soialpolitik um⸗ fassen, also die Periode, die einsetzte mit dem Zolltarlf von 15870. Ein zuverlässiger Gradmesser der wirtschaftlichen Bedeutung eines Landes ist sein Außenhandel. Im Jahre 1880 betrug unsere Einfuhr 2.8 Milliarden Mark, im Jahre 1912 10,59 Milliarden; im Jahre 1880 betrug unsere Ausfuhr 2,92 Milliarden, im Jahre 1912 83.98 Milliarden Mark, und wenn die Schätzungen richtig sind⸗ die mir über die Ergebnisse des Jahres 1913 vorliegen, so wird sich in diesem Jahre die Ausfuhr auf 107 Milliarden und die Einfuhr auf 10,1 Milliarden Mark bemessen ein Ergebnis, das nicht nur durch die Höhe seiner Zahlen interessant ist, sondern, wie gestern schon von einem der Herren Redner hervorgehoben worden ist, auch durch das überaus günstige Verhältnis von Ein- und Ausfuhr, durch die überaus günstige Gestaltung der Handels, und Zahlungsbilanz, die sich aus diesen Zahlen ergibt.

Ich darf Sie vielleicht auch bitten, meine Herren, kurz einen Vergleich mitanzuhören zwischen der Entwicklung Deutsch lande in wirtschaftlicher Beziehung uad der Entwicklung unserer größten

brltannlen und den Vereinigten Staaten don Nordamerika zeigt, daß Deutschland in seinem Gesamthandel noch im Jahre 1891 mit Frankreich und den Vereinigten Staaten von Nordamerika auf einer Stufe gestanden hat, britischerseits um rund 760 übertroffen wurde. Heute hat Deutschland die beiden zuerst genannten Länder weit über— flügelt und ist dem britischen Gesamthandel nahegerückt. Im Jahre 1912 bezifferte sich der Spezialhandel in Millionen Mark für die Elnfuhr: in Deutschland auf 10691, in Frankreich auf 6585, in Großbritannien auf 12914, in den Vereinigten Staaten von Amerika auf 6801, während sich die Ausfuhr stellte: in Deutschland auf 8957. in Frankreich auf 5370, in Großbritannien auf 9944 und in den Ver— einigten Staaten von Amerika auf 9115. Der britische Gesamthandel übertrifft hiernach den französischen um 920;, den amerikanischen um 440,9 und den deutschen nur noch um 1660/9. (Hört; hört! im Zentrum und bei den Nationalliberalen.)

Meine Herren, dieser doch gewiß stattlichen Entwicklung unseres Außenhandels entspricht auch die Entwicklung des inneren Marktes. Ich will hier auch nur wenige Zahlen mit wenigen Beispielen geben. Ein Bild für die innere Entwicklung der Wirt— schaftsverhältnisse bieten die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktionen, die Steigerung der berg, und hüttenmännischen Produktionen, insbesondere von Kohlen und Eisen, und die Zunahmen auf dem Gebiete des Verkehrswesens bei Eisenbahnen, Post, Tele— graphie, Telephon, Schiffahrt, Kapitalgentwicklung u. dergl. mehr. Meine Herren, hier wieder einige Zahlen! Es wurden geerntet in Deutschland im Jahre 1880 an Weizen 2.4 Millionen Tonnen, im Jahre 1912 44 Millionen Tonnen (hört! hört! rechts und beim Zentrum), an Roggen 1880 5 Millionen Tonnen, 1912 11,6 Millionen Tonnen (hört! hört! rechts und im Zentrum), an Hafer 1880 42 Milllonen Tonnen, 1912 8,5 Millionen Tonnen, an Gerste 1880 2.1 Millionen Tonnen, 1912 3,5 Millionen Tonnen und an Kartoffeln 1880 19,5 Millionen Tonnen und im Jahre 1912 50,2 Millionen Tonnen. (Hört! hört! rechts.)

Ich darf dann vielleicht noch mit einigen Zahlen auf die Entwicklung unserer Viehproduktion in demselben Zeit— raum zu sprechen kommen. Unsere Viehzählungen ergaben im Jahre 1892 an Pferden 3,8 Millionen Stück, im Jahre 1912 4,5 Millionen Stück, an Rindvleh im Jahre 1892 17,6 Millionen Stück, im Jahre 1912 202 Millionen Stück und an Schweinen im Jahre 1892 12, Millionen Stück, im Jahre 1912 21,9 Millionen Stück.

Dann einige Zahlen aus unserer Montanstatistik. Wir haben an Steinkohle gefördert im Jahre 1891 73,B? Milltonen Tonnen, im Jahre 1912 1749 Millionen Tonnen, an Braunkohle im Jahre 1891 20,5 Millionen Tonnen, im Jahre 1912 80,9 Mil⸗ lionen Tonnen (hört, hört), an Kalisalzen im Jahre 1891 1,4 Mil⸗ lionen Tonnen, im Jahre 1912 11,R2 Millionen Tonnen, an Eisen— erzen im Jahre 1891 107 Millionen Tonnen, im Jahre 1912 2772 Millionen Tonnen. Die Roheisenproduktion hat betragen 1891 4,8 Millionen, 1912 17,9 Millionen Tonnen, 1913 193 Mil lionen Tonnen.

Und nun, meine Herren, noch wenige Zahlen aus unserem Güterverkehr. Unser Güterverkehr hat sich im Laufe der letzten 20 Jahre verdreifacht. Im Jahre 1891 betrug die Zahl der zurück- gelegten Tonnenkilometer 23 328 Millionen, im Jahre 1901 35 325 Millionen und im Jahre 1911 61 870 Millionen. Wer sich dafür interessiert, sieht vielleicht einmal nach, wie enorm die Zahl der beförderten Briefe, der Depeschen und der Telephongespräche gestiegen ist. Auch diese Zahlen sind schlagende Bewelse für die glänzende und rapide Ent— wicklung, die hinter uns liegt. IQn Seeverkehr wurden 1891 66 736 Schiffe mit 14.35 Millionen Nettoregistertons nachgewiesen, die in deutschen Häfen zu Handelszwecken eingelaufen waren, gegen 112 691 mit 31,5 Millionen Netto Registertons im Jahr 1911. Zu Handelszwecken abgegangen waren in den entsprechenden Jahren 66 752 gegen 113579 Schiffe mit 1455 bezw. 31,6 Millionen Netto— Register tons.

Und nun einige Zahlen über die Entwicklung des Kapitalmarktes! Das dividendenberechtigte Aktienkapital sämtlicher deutschen Aktien gesellschaften betrug 190708 12664 Millionen, erreichte im Jahre 1911112 die Höhe von 14550 Millionen. Der Gesamtumsatz der Relchsbank ist von 110 Milliatden Mark im Jahre 1891 auf 414 Mil⸗ lianden Mark im Jahre 1912 gestiegen.

Nun komme ich auf ein Thema, das in dem Kampfe mlt den Herren von der Linken über die Bedeutung unserer Wirtschaftspolitit eine hervorragende Rolle spielt, nämlich, in welchem Umfange sind die arbeitenden Klassen, diejenigen Klassen der Bevölkerung, die man nicht zu den Kapitalisten rechnet, an diesem doch wohl kaum bestreitbaren Aufschwunge beteiligt, und da möchte ich einzelne Zahlen geben zunächst aus der Einschätzung zur Einkommensteuer in Preußen.

Das zu den direkten Steuern in Preußen veranlagte Ein— kommen über 900 S6 ich betone diese Zahl ganz besonders be— trug 1392 5704 Millionen, 1902 8560 Millionen, 1912 15 210 Mil— lionen Maik und, meine Herren, worauf es dabei besonders ankommt, die Zahl der physischen Zensiten belief sich im ersten der genannten Jahre auf 26, im zweiten auf 406 und im letzten auf 7,54 Millionen. Daraus ergibt sich also, meine Herren, daß das große Kapital vermögen, das in Preußen im Laufe der Jahre 1892 bis 1912 sich angesammelt hat, sich keineswegs nur in den Geldschränken der reichen Leute angehäuft hat, sondern daß die gesamte Bevölkerung bis in die Kreise des Handarbeiters herab an dieser Einkommensvermehrung teil⸗ genommen hat. (Unruhe bei den Sozialdemokraten.) Denn die Grenze von 900 . Einkommen, die ich eben angeführt habe, wird jetzt bekanntlich ich komme im Laufe meiner Ausführungen noch auf die Zahlen von dem Einkommen eines großen Teiles unferer Aibeiterschaft längst überschritten. (Zuruf von den Sozialdemokraten: Und die Kaufkraft? Auch darauf werde ich kommen. Sie kennen mich doch als einen gründlichen Menschen (Heiterkeit), Sie erfahren alleg. Also, meine Herren, nach den Zahlen, die ich Ihnen eben gegeben habe, ist das Einkommen in den 20 Jahren 1892 bis 1912 in Preußen gewachsen um 167 09. Die Bevölkerung Preußens zählte in den Jahren 1892: 29,9, 1902: 346, 1912: 40, Millionen Köpfe. Sie ist also in 20 Jahren rund um 34 gestiegen. Während also die Bevölkerung nur um 34 060 zunahm, stieg das Einkommen um 167 0ꝭ9, also fünfmal so stark.

Und nun noch wenige Worte über unser Sparkassenwesen. Aus den Einlagen in den preußischen Sparkassen läßt sich zweifellos im

Konkurrenzländer. Ein Vergleich mit Frankreich, Groß⸗

wesentlichen erkennen, in welchem Umfange das Vermögen der kleinen

Kapltalisten oder sagen wir einmal: des kleinen Manneß aus a Mittel. dem Bürger- und Arbeiterstond sich vermehrt hat. Eg wurden in Preußen eingezahlt: im Jahre 15972... 3552 Millioaen Mark,

1902 6728 ; 19011 11837 ; ; Das durchschnittliche Einzelguthaben ist von 595 auf 8 410 ge⸗ wachsen, es hat sich also in 19 Jabren um 480, erhöht. Die Spar⸗ einlagen auf den Kopf der Bevölkerung berechnet sind en, so stark gestiegen, wie die Bevölkerungezunahme in dem gleichen Zeit⸗ raum betragen ha . Und nun, meine Herren, noch das Ergebnis der Veranlagung zur Vermögenssteuer in Preuß'n. Nach der Ergänz ungesteuer , das veranlagte Vermögen in Preußen im Jahre 1885 63 S57 Millionen Mak und 1911,13 104057 Millionen Mark. Auf den Kopf der Bevölkerung errechnet, ergibt sich danach ein Durchschnittsveimögen von

2072 M im Jahre 1895 un ,, 191113, also eine Steigerung um 29 0 in 16 Jahren.

Meine Herren, ich bin Ihnen sehr danlbar, daß Sle diese velen Zahlen so geduldig angehört haben, (Heiterkeit) und werde des halb in dieser statistischen Behandlung eine kleine Pause eintreten lan.

Wir haben uns bei Gelegenheit der Interpellation über die Arbeitslosenversicherung ja auch über die wirtschaftliche Entwicklung des Deutschen Reiches und die augenblickliche wirtschaftliche Situalien unterhalten. Wir haben damals eingehend gesprochen über die weichende Konjunktur, ihre Ursachen und ihren möglichen und voraus— sichtlichen Verlauf. Ich nehme auf die damals gegebenen Zahlen und Ausführungen Bezug; es ist nichts eingetreten, was eine wesentlich andere Beurteilung begründen könnte, als wie sie damals nicht bloß von meiner Selte, sondern auch von verschiedenen Rednern aus diesem Hause gegeben worden ist. Aber ich möchte auf eines hinweisen im Anschluß an die Erörterungen über die Konjunktur. Ich habe damals hier ausgeführt, Laß die ungünstige Konjunktur und der sie pꝛrur⸗ sachende ungünstige Geldmarkt im Inlande und im Auslande im wesentlichen eine Folge der internationalen Verwicklungen gewesen ist, die unser ganzes wirtschaftliches und politisches Leben seit dem Sommer 1911 in einer starken Unruhe gehalten haben. Als wir im Herbst 1911 die Bilanz unserer finananziellen Kriegsbereitschaft aufmachten, da haben wir ich kann das heute ruhig aussprechen eine gewisse Sorge ge— habt, ob wir diesen, damals günstigen, erträglichen Standpunkt würden durchhalten können, wenn die Krisis länger dauerte. Meine Herren, die Krisis hat nicht 6 Monate gedauert, sie ist abgelöst worden durch die Balkankrisis; und wenn wir uns heute den Standpunkt unseres Geldmarktes, den Status der Reichsbank ansehen, so kommen wir zu dem Ergebnis, daß wir am Schlusse dieser 27 Jahre voll schwerer, internationaler Krisen, was die finanzielle Kriegsbereitschaft betrifft, stärker dastehen, als wir bei ihrem Anfang g-wesen sind. Das ist nach meiner Ansicht ein schlagender Beweis für die gute Situation, in der sich unsere gesamte Volkswirtschaft trotz der Schatten, welche die letzten Monate naturgemäß geworfen haben, befindet. Daß das Streben der Reichsbank nach einer Konzentration des Goldes in ihren Tressors, daß die Vermehrung des Goldschatzes gelegentlich auch ihre nachteiligen Folgen gehabt hat, wie der Herr Abgeordnete Mayer (Kauf⸗ beuten) gestern ausgeführt hat, kann wohl nicht bestritten werden. Aber gegenüber dem eben von mir festgestellten Erfolge müssen solche Nebenerscheinungen in Kauf genommen werden. Ich möchte auch da— rauf aufmerksam machen, daß doch der Mangel an Umlaufemitteln, der sich zeitweilig gezeigt hat, nicht bloß mit der Aufsaugungspolitik der Reichsbank zusammenhängt, sondern auch damit zusammen— gehangen hat, daß ein großer Teil der Kapi:alisten sein Gold in die Tressors gesperrt, also aus dem Verkehr gezogen hat, daß sich ein Teil dieser Kapitalisten auch nicht gescheut hat, mit diesem Gelde ins Ausland zu gehen. (Hört! hört! rechts und bei den Sozialdemokraten.) Erschwert werde die Lage auch durch ein starkes Abströmen von fremden Geldern, die uns soast in nicht unbeträcht lichem Maße zur Verfügung standen. Ich möchte im Anschluß daran ausdrücklich feststellen, daß diese ausländischen Zahlungsgittel nicht zurückgeflossen sind und wahrscheinlich auch nicht zurückfließen werden, daß wir aber trotzdem jetzt mit einer wesentlichen Erleichterung des Geldmarktes rechnen können, von der wir hoffen wollen, daß sie anhält trotz der unbestreitbaren unerfreulichen Per peklive, die der Herr Abgeordnete Mayer (Kaufbeuren) gestein im Hinblick auf. die außerordentlich große Masse noch schwimmender Kommunalanleihen eröffnet hat.

Nun frage d Zahlen, die ich schon gegeben habe, die Arbeitnehmer an dieser günstigen wirtschaftlichen Entwicklung des Deutschen Reiches teilge— nommen? Wir hören immer, die Löhne seien zwar gestiegen, sie selen aber in ganz unzureichendem Maße gestiegen, (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten) sie hätten nicht mit der Steigerung der Lebens— mittelpreise Schritt gehalten, und im Anschluß daran kommen dann in der Regel die Erörterungen über die die Lebensmittel verteuernde Wirtschaftspolitik der Regierung und der Majorität dieses hohen Hauses, um keine schlimmeren Vorwürfe zu zitieren. Ich habe vorhin die Daten über die Entwicklung des Einkommens und das Volks— vermögen gegeben, weil sie klar beweisen, daß trotz der steigen den Preise der meisten Lebensbedürfnisse, die niemand in Abrede stellen kann, auch der kleine Mann in Deutschland im Laufe der letzten zwanzig Jahre in steigendem Maße in der Lage gewesen ist, auch sein Vermögen zu vermehren. Ich möchte jetzt mit wenigen Sätzen auf die Entwicklung unserer Löhne eingehen.

Ein klares Bild über die Entwicklung unserer Löhne in ihrer Gesamthelt, eine gerechte Würdigung der Höhe dieser Löhne im Ver— hältnls zu den Bedürfnissen einer Arbeitersamilie ist überaus schwer zu erlangen. Ich habe mich früher hier wiederholt auf die vortreff⸗ lichen Arbeiten von Calwen berufen, die ich auch heute noch für maß— gebend ansehe, aus denen sich ergibt, daß wenigstens bis vor ganz kurzer Zeit die Steigerung der Löhne stärker war als die Steigerung der Lebensmittelpreise. Calwen hat, soweit ich mich erinnere, auch besonders darauf hingewiesen, daß man bet der Steigerung der Löhne auch be rücksichtigen müsse, daß das, was der Arbeiter für das aufgewendete Geld bekommt, erheblich viel mehr und besser geworden ist. Unsere Wohnungen sind besser geworden trotz aller Mängel, die ihnen noch anhaften mögen darüber werden wir uns ja bei anderer Gelegen— heit unterhalten —, die ganze Lebenshaltung dez Amnbeiters ist eine bessere und höhere geworden. Das alles, die gesteigerte Lebensbaltung,

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ich: in welchem Umfange haben, abgesehen von den

die besseren Wohnungen usw. haben die minderbemittelten Klassen be—