in Zabern und das kriegsgerichtliche Verfahren näher einzugehen. Die Kriegsgerichtsurteile haben den Gegnern der Militärgerichksbar⸗ keit neue Waffen in die Hand gegeben. Der schwerste Fehler ist, daß der oberste Gerichteherr auf die Einlegung der ihm zustehenden Rechtsmittel verzichtet hat. Die Verschiedenheit der Zeugenaussagen liefern wieder einen Beitrag zur Psychologie der Zeugengussagen. Den Kenner überrascht eine solche Verschiedenbeit nicht. Es wäre dringend erwünscht, wenn das Oberkriegsgericht eine Nachprüfung der Zeugenaussagen vorgenommen hätte. Außer- dem ist noch eine . von Rechtsfragen strittig. Es ist die ständige Rechtssprechung auch des Reichsmilitärgerichts, daß in solchen Fällen der Körperverletzung nicht freigesprochen wird; der Voꝛsatz kann ausgeschlossen sein, aber die fahrlässige Körperverletzung nicht. Es wäre richtig gewesen, daß auch in diesem Falle die Meinung des obersten Militärgerichts eingeholt worden wäre. Es müßte ge⸗ 33 werden, ob bei dem Obersten Reuter der dolus eventuasis vorlag. Die plötzliche Zurückzehung der Rechtsmittel hat zu der Annahme geführt, daß die Behörden Veranlassung hatten, die Ent⸗ scheidung des Reichsmilitärgerichts zu scheuen. Das Krüiegsgericht in Straßburg bat den Satz ausgesprochen, daß für die preußischen Truppen im Reichslande die preußischen Vorschriften bindend seien, wie die sächsischen Vorschriften für die sächsischen Truppen im Reichs lande. Jeder Soldat trage seine Dienstvorschriften im Tornister mit sich. Professor Laband hat ja bekanntlich einen ähnlichen Gedanken geäußert. Wenn der Satz an sich richtig ist, in seiner Anwendung in Jabern ist er zweifellos falsch. Stände etwa ein württembergisches Regiment im Verbande eines preußischen Armeekorps oder umgekehrt, so würden im ersten Falle für das württembergische Regiment die preußischen, im zweiten für das preußische die . Vorschriften gelten. Aber der Fall ist auch falsch in seiner Anwendung für den Fall der Berührung mit der Zivilbevölkerung. Da gelten keine Diensivorschriften, sondern da gilt das Reichs- und das Landesrecht. Das Reichsrecht gilt selbstverständlich einschließlich des Reichsstraf⸗ rechts. Bedauerlicherweise werden unsere Offiziere in der Ueber⸗ zeugung erzogen, daß ihnen gegenüber ein anderer Notwehr Paragraph gilt als der des Strafgesetzbuchs. Das wird in einem Kommentar ausdrücklich hervorgeheben; es wird dort auch erklärt, daß ein ge— legentliches, Mehr“ dem Ansehen des Standes besser entsprechen dürste als ein zu wenig“. Nehen dem Reichsgericht gilt noch das preußische Recht. Es ist keine leichte Aufgabe, den Umfang seiner Geltäng sest⸗ 9. tellen, denn das in Aussicht gestellte Reichsmilitärgesetz ist in dieser Beziehung immer noch nicht erlassen. Dennoch kann man zu einigen ganz bestimmten Sätzen gelangen. Man wird auszugehen haben von der preußischen Verfassung, Art. 36. Auch die preußische Regierung ist der Ansicht gewesen, daß es der vorherigen Requirierung der Zivil⸗ behörde beim Einschreiten des Militärs bei Unterdrückung von Unruhen bedarf. Ausnahmen läßt Art 365 zu, sie müssen aber gesetzlich festgelegt sein. Es ist Zweifel entstanden darüber, ob das Gesetz von 1837 eine solche Ausnahme darstellt. Es fragt fich, ob außer diesem Gesetz und dem Gesetz über den Belagerungszustand noch andere gesetzliche Be— stimmungen vorhanden sind; selbstverständlich ist dabei aber doch, daß, waß nicht in Preußen gilt, erst recht nicht in Elsaß-Lothringen Geltung hat. Es war ziemlich schwierig, die nunmehr angezogene Kabinettsorder von 1820 auszugraben. Ich habe sie aus den Kampetzschen Annalen ausgegraben; es ist höchst. charakteristisch, daß solche Bestimmungen, die so schwer auffindbar sind, in Preußen noch gehandhabt werden. Der entscheidende Teil dieser Order macht aber auch das Einschreiten des Militärs davon abhängig, daß nach Pflicht und Gewissen festgestellt ist, daß die Zivilbehörde mit dem Eingreifen zögert, indem ihre Kräfte bereits nicht mehr zur Bewältigung der Unruhen hinreichen. Es ist also die KFrage, ob diese Srder, ihre Rechtsgültigkeit einmal angenommen, im Zaberner Fall anwendbar war oder nicht. Die Voraussetzungen dieses entscheidenden Teiles treffen in dem Falle Zabein nicht zu. Die Zivilbehörde hat erklärt, es lag am 28. November kein Anlaß zum Einschreiten vor. Da handelt es sich also um Meinungsverschieden⸗ beiten, nicht aber um Unvermögen der Zivilbehörde; und da hat sich also der Oberst v. Reuter einer schweren Rechtsverletzung schuldig gemacht. Der Oberst v. Reuter hatte ja Zeit genug, mit den Zivilbehörden Rücksprache zu nehmen; das ist nicht gesch'hen. Aber ist diese Order nun überhaupt gültig oder nicht? Die fast ein— stimmige Meinung aller Rechtslehrer verneint die Gültigkeit. Die Kabinettsorder ist kein Gesetz, sonst würde sie ordnungs— gemäß in der preußischen Gesetzsammlung veröffentlicht sein. Wäre die Kabinettsorder ein Gesetz, was sie nicht ist, so wäre sie durch Ait. 109 der preußischen Verfassung aufgehoben. Die Kabinettsorder ist dann in die späteren Dienstvorschriften über— gegangen. In Bayern und Württemberg gilt diese Bestimmung der Kabmettsorder nicht; das ist in der Bayerischen Kammer von dem Kriegsminisier ausdrücklich hervorgehoben worden. Der Württem⸗ bergische Staatsanzeiger führte aus, . das Einschreiten des Militärs bei inneren Unruhen nur auf Requlsition der Zivilbehörde zulässig sei. Die Dienstvorschrift von 1899 hat den Satz der Kabinetts⸗ order von 1820 aufgehoben. Von ihr gilt dasselbe, was ich von der Kabinettsorder gesagt habe. Die Dienstvorschrift von 1899 besteht überbaupt nicht zu Recht; nötig für den inneren Dienst mag ie sein, das leugne ich nicht, aber sie ist nicht in Kraft, sobald die Militär⸗ behörde irgendwie mit den Zivilbehörden in Verbindung tritt. Es handelt sich um die unberechtigte gewaltsame Durchführung ungültiger Gesetze, das ist ein unerträglicher Zustand. Das Ansehen der Militärverwaltung in Elsaß⸗Lothringen hat zweifellos durch diese Vorgänge nicht gewonnen. Es muß Klarheit geschaffen werden, was hi Ellaß-Lothringen eigentlich? Die einen sagen, es sei ein Staat, die anderen, es sei ein Kommunalverband; andere sagen, ein Jurist konne die Frage nicht beantworten, es sei keine Rechts-, sondern eine Machtfrage. Meine Freunde meinen, daß Elsaß. Lothringen zu einem selb— ständigen Bundesstaat geworden ist. Der eventuell versprochenen Aenderung der Tienstvorschriften stehen meine Freunde etwas skepfisch gegenüber; sie kann morgen aufgehoben und übermorgen wieder zurückgenommen werden. Wer garantiert uns denn, daß Kabinettsorders von 1805, 1801 oder 1780 wieder verwertet werden, die dem Militär vlelleicht noch weiter⸗ gehende Rechte einräumen wie die Kabinettsorder von 1820. Wir haben unseren Antrag eingebracht, um das Recht des Waffengebrauchs zu kodifizieren. Wir sind darin soweit wie möglich entgegen gekommen. Nach § 2 bleibt das Recht der bewaffneten Macht un— berührt, die Ausübung ihrer dienstlichen Tätigkeit gegen Angriffe oder Störungen zu schützen. Wir haben unsere Interpellation nicht eingebracht gegen den Reichskanzler. Wir stehen ihm mit kühler Achtung gegenüber. Wir werden nur gegen ihn auftreten, wenn das unsere politische Ueberzeugung erfordert. Unsere Interpellation ist auch nicht gegen die Armee gerichtet. Wir halten es für unsere heiligste Pflicht, Kritik an der Militärberwaltung zu üben, wo Ucbergriffe oder Mißgriffe vorliegen. Wir werden uns davon nicht abhalten lassen, durch die Schreiereien der Kriegs⸗ partei und durch die Schmähreden der Versammlung des preußischen Bundes usw. Unsere Interpellation ist auch nicht gegen Preußen gerichtet. Wir wollen ein starkes und sich seiner Kraft bewußtes Preußen. Wir verlangen aber von ihm, daß es dem Reiche gibt, was des Reiches ist, und die anderen Bundesstaaten als gleich- berechtigt betrachtet. Wir bestreiten den paar Leuten des preußtschen Bundes das Recht, sich als echte Preußen zu bezeichnen. Die Aristokratie will unter dem Deckmantel der Monarchie ihre Macht⸗ gelüste befriedigen Dieser Geist ist gestört durch die Vorkommnisse in Zabern. Die Verbindung zwischen Norden und Süden zu sichern, ist der Zweck dieses Antrages.
Zur Beantwortung der Interpellationen Wort der
Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg:
Meine Herren! Ich werde zunächst an die juristischen Ausfüh⸗ rungen des letzten Herrn Vorredners anknüpfen. Daß Klarheit darüber bestehen muß, in welchen Fällen das Militär bei Unruhen einzuschreiten hat, ist selbstverständlich. Das Militär selbst hat daran ein eigenes und dringendes Interesse.
nimmt das
Der Grundsatz daß das Militär regelmäßig Ekrst auf Requisition der Zivilbehörde einschreitet, ist verfassungsmäßiges Recht, sobiel ich sehe, in allen Bundesstaaten, jedenfalls in Preußen. Daß es aus⸗ nahmsweise einer Requisition nicht bedarf, das ist von der preußischen Verfassungsurkunde ausdrücklich und prinzipiell anerkannt worden, denn sonst hätte sie nicht dieserhalb ein besonderes Gesetz vorbehalten können. Dieses Gesetz ist tatsächlich nicht erlassen. Es entsteht die Frage, ob aus dem Fehlen dieses Gesetzes geschlossen werden muß, daß das Militär niemals und unter keinen Umständen einschreiten darf, wenn es an einer Requisition der Zivilbehörde fehlt.
Nun, meine Herren, von den reichsgesetzlich geregelten Fällen der Selbsthilfe und der Selbstverteidigung brauche ich nicht zu sprechen. Ueberall, wo die Voraussetzungen der Notwehr, des Notstandes im Sinne des Strafgesetzbuchs und des Bürgerlichen Gesetzbuchs vor⸗ liegen, da ist unbestritten das Militär ebensogut wie jeder andere be⸗ rechtigt, alle zur Abwehr des Angriffs, zur Abwendung der Gefahr er— forderlichen Handlungen innerhalb der durch diese Gesetze gezogenen Grenzen vorzunehmen. Ebenso kann ich natürlich die gesetzlich ge⸗ regelten Fälle des Kriegs- und des Belagerungszustandes ausscheiden.
Weiterhin muß — und das ist ein Punkt, den auch der Herr Abgeordnete Dr. von Liszt soeben berührt hat — dem Militär auch ohne besondere gesetzliche Ermächtigung das Recht zugestanden werden, selbständig einzugreifen, wenn es sich um die Beseitigung von Hinder⸗ nissen handelt, die sich ihm bei der Ausübung staatshoheitlicher Funk— tionen, bei militärischen Uebungen, auf Wachen, Posten usw. entgegen⸗ stellen. Die Berechtigung dazu folgt aus allgemeinen Rechtsgrund⸗ sätzen.
Endlich, meine Herren, wird dem Militär das Recht zugestanden werden müssen, auch ohne Requisition der Zivilbehörde selbständig ein⸗ zugreifen, wenn die Zivilbehörde überwältigt oder aus anderen Gründen außer stand gesetzt worden ist, die Requisition zu erlassen. Dieses Recht, das auch von der Staatsrechtslehre ausdrücklich anerkannt wird, beruht auf dem Gedanken, daß der Staat seine Existenz selbst in Frage stellen würde, der auf das Recht verzichten wollte, zur Ueber⸗ windung einer dem Bestande des Staats, den Grundlagen des staat⸗ lichen Lebens drohenden, auf eine andere Weise nicht abwendbaren Ge⸗ fahr mit allen Mitteln entgegenzutreten und zu seinem eigenen Schutze die ihm zur Verfügung stehende Kraft der bewaffneten Macht zu ver— wenden. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.)
Meine Herren, ich glaube, daß ich hiermit ganz im allgemeinen die Lage umschrieben habe, wie sie sich aus Verfassung, aus Gesetz und allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergibt.
Die Vorschrift über den Waffengebrauch des Militärs und seine Mitwirkung bei der Unterdrückung innerer Unruhen vom 23. März 1899, die jetzt durch die Zaberner Vorgänge in den Vordergrund gerückt worden ist, ist eine für den Dienstgebrauch des preußischen Militärs und der ihm angeschlossenen Kontingente bestimmte Zusammenstellung der Fälle, in denen das Militär befugt sein soll, einzuschreiten. Daß der Oberst von Reuter diese Instruktion auf ihre Rechtsgültigkeit nicht nachzuprüfen, sondern ihr zu folgen hatte, darüber besteht wohl heute kein ernsthafter Streit mehr. Die Angriffe richten sich dagegen, daß die Instruktion von 1899 in einzelnen ihrer Bestimmungen der not— wendigen gesetzlichen Grundlage entbehre, und zwar dort, wo sie die Kabinettsorder vom 17. Oktober 1820 anzieht. Man streitet über die Gesetzeskraft dieser Kabinettsorder. Meine Herren, nach meinem Da⸗ fürhalten geht dieser Streit an dem Kern der Sache doch einigermaßen vorbei. Die Kabinettsorder von 1820, soweit sie in die Instruktion von 1899 aufgenommen worden ist, regelt zunächst das Verhalten des Militärs für den Fall, daß es von der Zivilbehörde requiriert worden ist, also für den später von der Verfassung aufgestellten gesetzlichen Normalfall. Weiterhin bestimmt die Kabinettsorder von 1820, wie sich das Militär verhalten soll, wenn die Zivilbehörde nicht requirieren konnte, weil sie überwältigt war oder aus anderen Gründen außer stande gesetzt worden war, die Requisition zu erlassen. Insoweit kann die Rechtsgültigkeit der Instruktion von 1899 in keiner Weise rechtlich angefochten werden (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen), und darin werden mir auch die Herren, die die Interpellation von Payer unterstützt haben, wie ich aus dem Wortlaut der Interpellation, aus ihrer Fassung schließen möchte, nicht widersprechen.
Die Kabinettsorder von 1820 bestimmt dann weiter, daß das Militär auch ohne Requisition der Zivilbehörde einschreiten dürfe, wenn die Zivilbehörde mit der Requisition zu lange zögere, indem ihre Kräfte nicht mehr ausreichen. Ob diese Vorschrift in Verfassung und Gesetz die notwendige Grundlage findet, darüber ist jetzt Streit ent⸗ standen. Bisher und seit ihrem Bestehen, also seit 1820, ist diese Vor⸗ schrift, soweit ich sehe, niemals öffentlich angefochten worden, und vor allem ist diese Vorschrift in der ganzen Zeit, bis auf den einen Fall in Zabern, niemals praktisch angewendet worden. (Zurufe rechts: Hört, hört! — Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.)
Meine Herren, diese Vorschrift ist gleich den übrigen Vorschriften der Kabinettsorder von 1820 in die Dienstanweisung von 1899 über⸗ nommen worden, und diese Dienstanweisung ist niemals der Oeffent⸗ lichkeit vorenthalten worden. Von der Heimlichkeit, von der der Herr Abg. Dr. Frank gesprochen hat, ist absolut keine Rede.
Nun hat das Kriegsgericht in Straßburg es als unzweifelhaft hingestellt, daß die Dienstanweisung von 1899 für das Militär un⸗ bedingt rechtsverbindlich ist. Zu einer Prüfung der Frage, ob die Kabinettsorder von 1820 Gesetzeskraft hätte, ist das Kriegsgericht überhaupt nicht gekommen. Denn die Frage, ob der Oberst von Reuter strafbar oder straflos sei, hängt rechtlich lediglich von der Frage ab, ob sein Vorgehen durch die Dienstinstruktion von 1899 gedeckt wurde. Aus demselben Grunde würde auch ein Berufungs⸗ oder das Revisionsgericht keinen Anlaß gehabt haben, sich mit der Frage der Rechtskraft der Kabinettsorder von 1820 zu befassen. Nachdem sich aus den Vorfällen in Zabern und den Erörterungen, die sich daran geknüpft haben, ergeben hat, daß die Fassung der Kabinettsorder Zweifel und Mißverständnisse über ihren Inhalt nicht ganz ausschließt, so hat Seine Majestät der Kaiser, wie dem Reichstage bereits bekannt ist, sofort nach dem Ausgange des Pro⸗ zesses befohlen, nachzuprüfen, ob die Dienstanweisung von 1899 dort, wo sie für das requisitionslose Einschreiten des Militärs die Ka⸗
binettsorder von 1820 verwertet, die für diesen Fall maßgebenden Rechtsgrundsätze, die ich vorhin angedeutet habe, klar und zweifelsfrei wiedergibt. Diese Prüfung ist im Gange; sie wird mit möglichster Beschleunigung durchgeführt werden, und mit ihrem Ergebnis wird die Dienstanweisung von 1899 in Einklang gesetzt werden. Damit ist alles geschehen, was zurzeit überhaupt geschehen kann (Hört, hört! links), und ich hoffe, es wird bei dieser Gelegenheit möglich sein,
unter den Dienstanweisungen für die verschiedenen Kontingenten m, gehörenden Truppenteile in den Reichslanden in allen wesentlich Punkten die Uebereinstimmung herbeizuführen, die ich für durchan wünschenswert halten muß. . !
Meine Herren, auf einen geschichtlichen Vorgang möchte ich be dieser Gelegenheit noch aufmerksam machen. Im Jahre 1850 un 1851 hat das preußische Staatsministerium verhandelt über den Gr. laß des Gesetzes, welches der Artikel 36 der preußischen Verfassung. urkunde für die Fälle vorbehält, wo das Militär ausnahmsweise ohn Requisition der Zivilbehörde einschreiten sollte. Das preußisc⸗ Staatsministerium ist damals in seiner eingehenden Verhandlumn zu der Ueberzeugung gekommen, daß ein Gesetz, wie es der Verfassum vorzuschweben scheine — ich benutze Worte aus den damaligen Vor. gängen —, daß ein Gesetz, wie es der Verfassung vorzuschweben scheine, nicht zu machen sei, und hat infolgedessen von dem Erlaß eine solchen Gesetzes Abstand genommen. Dabei ist offenbar die Cr wägung maßgebend gewesen, daß die. Fälle des staatlichen Notstande; die hier in Frage stehen, sich einer erschöpfenden und für alle Fäll⸗ zutreffenden Feststellung in einem Gesetze entzögen. Die Feststellun der Voraussetzungen, unter denen die Zivilbehörde außer stand geseh⸗ worden sei, die Requisition zu erlassen, lasse sich nur unter Berüch sichtigung der Einzelheiten des besonderen Falles überhaupt bor, nehmen. Von diesem Standpunkt aus — von dem Standpunkt daß ein Gesetz nur allgemeine Grundsätze würde feststellen können und daß die Ausführung der Instruktion überlassen werden müsse — ist im Jahre 1851 das preußische Staatsministerium davon abge⸗ gangen, ein Gesetz zu erlassen, und in Uebereinstimmung hiermit sind die Dienstanweisungen von 1851, dann von 1861, 1863 und schließlis die Dienstvorschrift von 1899 erlassen worden. Aber einerlei, o Gesetz oder ob Instruktion — wo Zweifel bestehen, muß und win — das wiederhole ich — unter allen Umständen Klarheit geschaffen werden.
Nun, meine Herren, ist draußen im Lande versucht worden, di Bestimmungen dieser Instruktion als ungeheuerlich, als eine Heraus— forderung der Zivilbevölkerung, als einen Beweis für ein angeblic bei uns herrschendes Säbelregiment darzustellen. Wenn diese Säbelregiment wirklich existierte, dann hätte doch wohl die Arms von der ihr zustehenden Macht häufiger Gebrauch gemacht. Aber it wiederhole: Zabern ist seit 1820, seit bald einem Jahrhundert, der einzige Fall, wo die hier strittige Bestimmung überhaupt angewandt worden ist. (Zurufe von den Sozialdemokraten.) .
Meine Herren, ich glaube, das Volk wird dieser einseitigen Uebertreibungen und Verallgemeinerungen satt. (Sehr wahr! rechts, Der Fall Zabern hat so trübe Fluten aufgewühlt, daß es eine Zei lang schien, als sollte die ganze Nation darin ertränkt werden. n ruhe bei den Sozialdemokraten. Sehr richtig! rechts.)
Von den Verhältnissen in den Reichslanden will ich im einzelnen nicht sprechen. Daß dort viel geschehen muß, um zu normalen r ständen — zu normalen Zuständen für das Land und für das Reich — zu kommen, das ist unstreitig, und es wird geschehen. (Aha! bei de Sozialdemokraten Aber einer Auffassung muß ich entgegentreten der Auffassung, daß der Zaberner Fall töpisch sei für die Verhäl nisse in den Reichslanden. Ich habe schon bei den Interpellations debatten darauf hingewiesen, daß es örtliche Vorkommnisse gewesen
sind, welche den ersten Anstoß gegeben haben, und daß persönlik.
Unstimmigkeiten stark mitgewirkt haben — eine Tatsache, die j durch das Kriegsgericht leider nur zu sehr bewahrheitet worden i Ich glaube, man erweist weder dem Reichslande, noch dem Retz
einen Dienst, wenn man aus den Zaberner Vorgängen einen anden als den allgemeinen Schluß zieht, daß die Reichslande nur um ö einer ruhigen und einheitlichen, unter einer gerechten, aber festen M. Eebhafte Zustimmung. — Zurufe von
waltung gedeihen können.
Sozialdemokraten.) Meine Herren, wenn Sie nun
sehen .
zum Ausbruch gekommen, einen partikularen Gegensatz zwischen Nen
und Süd zu konstruieren. (Zurufe links) Meine Herren, dieser We
—
such muß im Keime erstickt werden. (Lebhaftes Bravo) — Jawohl — Der Bayer, der Franke, der Schwabe sieht mit anderen Augen
Dinge und Menschen an, als es der Preuße, der Nordländer tun
und jeder ist eifersüchtig darauf bedacht, seine Stammeseigenart nm allen ihren Vorzügen, auch mit allen
teidigen, der Süddeutsche so gut wie der Norddeutsche. Aber wohin soll es führen, wenn man sich immer wieder gegenseitig diese Ver züge und diese Schwächen vorrechnet? Eebhafte
Daraus können nur schädliche Verstimmungen heworkommen. W haben es ja in den letzten Tagen erlebt, wie über Nacht schwer Aergernisse hervorgezaubert werden wider den Willen der Beteiligt auf Grund von mißverständlichen und mißverstandenen Aeußerungn Gurufe links.) Könnte denn irgendein deutscher Volksstamm so ste⸗ auf sich sein, wie er es ist, wenn wir nicht das einigende Rei hätten? (Sehr wahr) Das beste, was ein jeder einzelne Sta— . an staatlichem Verantwortlichkeitsgefühl, an Pflichtbewußtsein br ist gerade gut genug für das Reich (3Zustimmung), das unsere Vän in treuer und tapferer Kameradschaft mit ihrem Blute erstrittn haben. (Lebhafter Beifall Alle in der gleichen Begeisterung, der gleichen Hingabe, in der gleichen Tapferkeit! Und die baperiss Armee, von der in diesen Tagen die Rede gewesen ist, — men Herren, die Schlachtfelder von Wörth, Weißenburg, Bazeilles, blutige Ringen um Orleans verkünden genug, was die bayerisck Soldaten im Jahre 1870 geleistet haben (Lebhafter Beifall * Zentrum und links), so wie alle Siege des Jahres 1870 ein glänzerde Zeugnis für die vereinigte Tapferkeit aller deutschen Stämme sin (Lebhafter Beifall im Zentrum und links Das bayerische W wetteifert zusammen mit seinem Könige an Treue und Liebe n Reich mit allen anderen deutschen Volksstämmen seit der Zeit, König Ludwig als erster dem preußischen Könige die Kaiserku anbot. Der nationale Reichsgedanke, der an den bayerischen Berg in ebenso treuer Hut ist wie am Neckar, wie am Rhein, wie der Memel, — dieser nationale Reichsgedanke allein ist es, der n in Zeiten, an denen sich kein deutscher Mann freut, über die part politischen Gegensätze hinweg zu Besserem führen kann. (Sehr richt links) Ebenso entschieden, wie Sie mir vor einem Monat * Meinungsverschiedenheit bekundet haben, ebenso entschieden rechne 1 darauf, daß Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß es nunmehr * mehr gilt, in der Wunde herumzuwühlen, sondern daß es nunme gilt, diese Wunde zu heilen. Cebhafter Beifall. Zurufe von den Sd
über die Reichslande hin die nervöse Stimmung, der sich ein Teil der Nation den letzten Wochen hingegeben hat, ist schließlich in dem Versut⸗⸗.
ö .
ihren Schwächen zu er
Zustimmun
R — b — 8
Eine Partei schließt sich dabon aus und wünscht, die Zaberner zorfälle für ihre weitergehenden Pläne auszunutzen. (Sehr richtig! echts. — Zurufe bei den Soz) Das haben uns die Ausführungen es Herrn Abg. Dr. Frank gezeigt, und das geht noch deutlicher aus r sozialdemokratischen Presse hervor. Ein halbes Jahr, nachdem is Volk die größte Heeresvermehrung seit dem Kriege als notwendig
3
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2 2
pon der äußersten Linken nichts Geringeres als dies: Abschaffung der Militärgerichte (Sehr richtig! bei den Soz.), „umstürzende Demo— kratisierung“ unserer allgemeinen Heereseinrichtungen (Sehr richtig! bei den Soz.), Beseitigung der Kaiserlichen Kommandogewalt Eachen und Zurufe bei den Soz.), Einrichtung eines demokratischen Miliz— heeres. (Sehr richtig! bei den Soz) Das ist das Programm, welches vor kurzer Zeit der „Vorwärts“ ausdrücklich als das sozial⸗ demokratische Programm aufgestellt hat — zugleich mit sehr derben eLiebenswürdigkeiten für die bürgerlichen Parteien. Der „Vorwärts“ hat gemeint, es gehöre große Kühnheit dazu, dieses Programm an⸗— zunehmen, und diese Kühnheit traut er den bürgerlichen Parteien nicht zu; die bürgerlichen Parteien sind insgesamt — ich will den Ausdruck nicht gebrauchen, Sie werden ihn im „Vorwärts“ gelesen haben, und Sie werden aus dem „Vorwärts“ ersehen haben, wes— halb die modernen Dantons — auch die Erinnerung an diesen Revo⸗— lutionshelden stammt aus dem „Vorwärts“ — auf ihre Hilfe nicht rechnen.
Meine Herren, als ich vor einem Monat hier sagte, das Be⸗ streben der Sozialdemokraten gehe darauf hinaus, die Kaiserliche Ge⸗ walt unter sozialdemokratischen Zwang zu beugen, hat man das viel— fach als ein billiges Schlagwort abgetan. (Sehr richtig! und Zurufe bei den Soz.) Nun, worauf geht denn das vom „Vorwärts“ seinen Lesern aufgetischte Programm anders hinaus? (Sehr wahr! rechts.) l es ist gut, meine Herren, daß Sie mit Ihren Plänen für
unft offen herausrücken (Unruhe und Zurufe bei den Soz.), —
, meine Herren — lassen Sie mich aussprechen —, daß dem
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Fahren Sie so fort, halten Sie nicht hinter dem Berge mit Ihren Plänen zur Destruktion unseres Volksheeres! Darin versteht der Deutsche keinen Spaß. Der wird Sie übel heim⸗ schicken. (Zurufe von den Soz.)
Dann hat es die sozialdemokratische Presse so dargestellt, als ob die Vorgänge in Zabern ein Paradigma sein sollten für Zusammen— stöße zwischen dem Misitär und der Arbeiterklasse, der Versuch zu einer Vorübung, „um die soziale Frage als militärische Frage auf der Straße zu lösen“. Auch diese Aufreizung der Arbeiterklasse hat im „Vorwärts“ gestanden! (Zurufe von den Soz) Ich frage: was haben die Zaberner Vorgänge mit der Arbeiterfrage zu tun? Eachen bei den Soz.) Erst sollte eine Beleidigung des engeren Stammes—⸗ bewußtseins der Elsaß⸗Lothringer eine Beschönigung für Beleidigungen unseres Heeres abgeben. Dann sucht man den Arbeitern zu sugge— rieren, daß ihnen von dem Militär Herausforderungen drohen, daß ein blutiger Konflikt zwischen Militär und Arbeiterschaft herauf— beschworen werden soll! Meine Herren, unser Heer ist kein Instru— ment für Parteikämpfe. Es ist viel zu schade dafür, glauben Sie mir: Mir und allen von der Regierung, und in erster Linie meinem Mitarbeiter, dem Herrn Kriegsminister (Zurufe von den Soz.), wider— strebt es über alles, das Militär zum Polizeibüttel zu machen. (Sehr richtig! rechts. Zurufe) Man sagt, der Krieg sei die ultima ratio regum. Wenn es noch einen weiteren Superlativ gäbe, so würde ich ihn anwenden für die Verwendung des Militärs zur Unter— drückung innerer Unruhen. Das Militär hat etwas anderes zu tun (Bravo! rechts), und wir wünschen nicht — die Regierung nicht und die bürgerlichen Parteien auch nicht — daß dies anders werde, etwa dadurch, daß aufgereizte Menschenmassen auf die Straße geschickt
en und die Herbeiholung militärischer Hilfe notwendig machen.
Meine Herren, wer, wie es in der die Arbeiter so auf—
(Bravo! rechts.)
Sie haben in den letzten Wochen gesehen, welches Bild ein Teil der auswärtigen Presse von den Zuständen in Deutschland entwirft. Die Leser solcher Artikel müssen glauben, daß Deutschland ein Land mit ganz verrotteten Zuständen sei, in dem die rohe Säbelfaust den friedsamen Bürger knebelt. Aus eigener Anschauung haben die fremden Journalisten diese Wissenschaft nicht. Dazu sind sie viel zu intelligente Herren. Aber ich fürchte, sie haben als wahr angenommen, was sie in unserer sozialdemokratischen und auch in einem großen Teil unserer bürgerlich⸗radikalen Presse gelesen haben (Lebhafte Rufe: Hört, hört! und Sehr richtig! — Zurufe von den Sozialdemokraten), und haben daraus ihre Schlüsse gezogen. Aus derselben Presse, die dann wieder ihrerseits die mißliebigen Stimmen des Auslandes mit einem gewissen Behagen bei sich sammelte. (Sehr richtig! rechts) Ich verfolge die ausländische Presse sehr genau, aber ich habe noch kein fremdes Land gefunden, in dem bei einem Dissensus zwischen Regierung und den Parteien die Opposition im Kampf gegen die Regierung sich zur Festei⸗ gung ihrer Stellung als Eideshelfer ausländische Preßstimmen herangezogen hätte. (Sehr richtig! rechts. Zurufe von den Sozial⸗ demokraten. Diese Eigentümlichkeit scheint uns Deutschen vorbehalten zu sein. Dafür macht man dann aber der Regierung Vorwürfe, daß sie es nicht verstehe, die Ehre des deutschen Namens im Auslande zu wahren! (Sehr gut! rechts.)
Meine Herren, ich weiß nicht, was den sozialdemokratischen Agita—⸗ tionen gegen unsere Heereseinrichtungen mehr zuwider ist, die reale Macht, die sich in unserer Armee verkörpert, oder der Geist, der in ihr lebt. Jedenfalls widerlegt dieser Geist strammer Selbstzucht und treuer Pflichterfüllung (Lachen und Unruhe bei den Sozialdemokraten) im Dienste des Vaterlandes alle Klagen darüber, als ob der Bürger schußlos der Willkür des Militärs preisgegeben sei, als ob eine kon fliktslüsterne Soldateska ein Säbelregiment aufzurichten trachte. (Un⸗ ruhe und Zurufe links. Ja, dieses geschmähte Land der Soldateska! Unter der Herrschaft dieser Soldateska ist Deutschland ein Menschen— leben lang ein starker Hort des europäischen Friedens gewesen Eeb⸗ haftes Bravoh, haben Handel und Industrie und alle Gewerbe einen Aufschwung genommen, um den uns die ganze Welt beneidet. Unter der Herrschaft dieser Soldateska (Rufe von den Sozialdemokraten: Trotz derselbenh hat Deutschland eine führende Rolle in der Sozialpolitik gespielt, die von allen großen Nationen willig anerkannt wird. Unter dieser Herrschaft hat die freie Betätigung in der Pflege des Gemein—
sinns, der Volksbildung, der Ausbildung aller Volkskräfte überhaupt zu Erfolgen geführt, die sich hinter denen keiner großen Kulturnation zu verstecken brauchen. Eebhaftes Bravo) Wenn das die Produkte unserer Soldateska sind, dann wollen wir sie uns erhalten. Den Ruhm, daß unsere Armee ein Volksheer ist, wie wohl kein zweites in der Welt, den Glauben, daß dieses Volksheer die Nation jung und gesund er⸗ halten wird, weil sie jeden jungen Deutschen in sich aufnimmt und ihm Pflichttreue, Disziplin, Königsliebe einimpft (3urufe von den Sozialdemokraten), die Gewißheit, daß uns diese Tugenden bitter not⸗ wendig sind, wenn wir unsere Stellung in der Welt aufrecht erhalten wollen — all das, meine Herren, werden wir uns nicht rauben lassen, weil — nun, meine Herren, weil an einem einzigen Orte des großen Deutschen Reiches sich Dinge abgespielt haben, deren Wiederkehr kein Mensch wünscht. Eebhafter Beifall rechts und bei den Nationallibe— ralen. — Zischen bei den Sozialdemokraten.)
Auf Antrag des Abg. Dr. Müller -⸗Meiningen (fortschr. nn wird Besprechung der beiden Interpellationen be— ossen. .
Abg. Fehrenbach (Zentr.): Zu meiner Freude (Aha! links) kann ich versichern, daß ich heute den Ausführungen des Reichskanzlers eine andere Resonnanz entgegenbringen kann, als am 3. Dezember. Ich verstehe Ihr (links Aha nicht; was damals aus meinem Munde kam, bleibt in vollem Umfange bestehen, aber auch meine Freunde und ich haben das Bedürfnis, namens des Zentrums zu sagen, daß wir in dem Bestreben, nicht weiter in den Wunden zu wühlen, ondern sie zu heilen, mit ihm gerne einig gehen wollen, daß wir aber von der Reichsregierung die sichere Er— wartung hegen, daß sie ihrerseits alle Maßnahmen ergreift, die zur Gesundung dieses wunden Körpers nötig sind. Einverstanden sind wir auch mit seinen Worten über die trüben Fluten, die über den Fall Zabern aufgestaut worden sind, dazu gehören auch die Bemerkungen über Säbelregiment und Soldateska; aber ich unter⸗ stelle ihm, daß er dabei nicht bloß hieran gedacht hat, sondern auch an die Beschimpfungen gegenüber dem Reichstag, an die Verdrehungen des damals hier von uns Vorgetragenen. Aus der sorgfältigen Art, wie er sich ausgesprochen, glaube ich entnehmen zu dürfen, daß er auch daran etwas gedacht hat. Unter jenen Angriffen auf den Reichs⸗ tag sind ganz besonders bemerkenswert solche, die bier in Berlin von dem derzeitigen Rektor der Universität auf dem Kommerse deutscher Studenten gemacht worden sind. Der Herr hat gesagt: Was für einen Reichstag haben wir erleben müssen! Einen, der auf Zeitung' geschwätz und demagogisches Gerede hin den Mut gehabt hat, Mißtrauensvoten aus— zuteilen, die er jetzt vielleicht auf den Knien zurücknehmen möchte. (Vizepräsident Do be: Um Mißverständnisse auszuschlleßen, bemerke ich dem Redner, es war nicht der Rektor, es war der Professor Roethe.“ Jawohl, ich hatte mich versprochen. Wir sind ja wohl einig darüber, daß der Reichstag sich von einer höheren Mädchen— schule im Ton unterscheidet, auch wohl darüber, daß der Ton in vor⸗ gerückten Abendstunden auf fröhlichen Kommersen etwas anders ist als auf dem Katheder; aber was dieser Herr Geheimrat an mildernden Umständen für sich in Anspruch nimmt, über⸗ schteitet doch das zulässige Maß. Eigentümlich ist, daß es ihm bei seinen Vorlesungen auch nicht anders zu gehen scheint als beim Kommerse. Eine zur Ehrung von Erich Schmidt erschienene Schrift von Dr. Kluge erwähnt, daß der Geheimrat Roethe in seinen Vorlesungen an namhaften Gelehrten scharfe Kritik übt, denen er aber gar keine entsprechenden Gegenleistungen aufzuweisen hat; es ist darin die Rede von Roethes eigener an— maßender Beurteilung sogar bei seinem Nachruf auf Erich Schmidt. Ich glaube doch der Bedeutung dieses Geheimrats Roethe schuldig zu sein, seine Beleidigungen des Reichstags nicht ganz unerwähnt vorübergehen zu lassen, und der deutschen Wissenschaft schuldig zu sein, auch das andere hinzuzufügen. Wenn Professor Roethe aus⸗ spricht, wir wären jetzt vielleicht bereit, auf den Knien das Miß⸗ trauensvotum vom 4. Dezember zurückzunehmen, so täuscht er sich. Ich habe von dem, was ich namens meiner Freunde gesagt habe, nichts zurückzunehmen, aber auch kein Wort. Ich bin kein recht— haberischer Mensch, ich habe mich sorgfältig geprüft, ob mir nicht die späteren Feststellungen eine solche Gewissenspflicht auferlegen, aber ich kann feststellen, daß ich meine Kritik nur ganz bestätigt gefunden habe. Die kriegsgerichtlichen Verhandlungen haben den Anschein erweckt, als ob aus dem blauen Himmel heraus tumultuarische Szenen sich abgespielt hätten ohne jeden von militärischer Seite gegebenen Anlaß; und dagegen muß doch nochmals hervorgehoben werden, daß allerdings eine schwere Beschimpfung des ganzen elsässischen Volksteils voraus— gegangen war, daß für genügende Sühne nicht gesorgt worden war, und daß man es namentlich der Mühe nicht für wert erachtet hatte, dem elsässischen Volk zu sagen, daß man für Sühne Sorge tragen werde. Was über den Ausdräack „Wackes“, gebraucht von dem Leutnant von Forstner, und über alles, was damit zusammenhängt, ein General in der Ersten elsässischen Kammer gesagt hat, möchte ich mir doch nicht zu eigen machen; er meinte, das elsässische Volk wird doch auf eine so lche m ng eines simplen Leutnants nichts geben. Das heißt doch den Standpunkt eines jungen Leutnants zu sehr herab— 6 Der Ausdruck war beleidigend und hätte Sühne erfordert. Ebenso ernstliche Rüge verdienen auch die sich wiederholenden Aus— schreitungen, die damals in Zabern sich abgespielt haben; sie sind im einzelnen noch nicht genügend festgestellt, man weiß auch nicht, wie die Urheber zu charakterisieren sind, man hat den Eindruck, als ob es ehrlose Bübereien einiger weniger waren; aber immerhin sind Ausschreitungen vorgekommen, die, wie man gemeint hat, ent— weder durch den Willen der Bevölkerung oder der Zivil⸗ ewalt hätten vermieden werden können. Ich muß allerdings . daß in gewissen Einzelheiten das Verhalten der Zwil⸗ behörden als ein korrektes nicht wird angesehen werden können; ich erinnere nur an die Geschichte von dem Diner und dem Verbleiben gewisser Gäste auf demselben trotz Anerbietens eines Extrazuges. Wenn es auch schwer hält, sich ganz ruhig zu diesem Urteile zu ver— halten, so würde ich mich doch hüten, das Rechtsbewußtsein im Volke zerstören zu wollen. Ich kann auch dem nicht beistimmen, was Dr. Frank über die Militärjustiz gesagt hat. Ich habe in diesen Sachen einige Erfahrung, und ich kann im allgemeinen diesen Gerichten nur meine Anerkennung aussprechen. Ich habe sogar zwei Fälle erlebt, daß zwei höhere Offiziere, die ich berteidigte, schlechter weggekommen sind, als sie bei einem Zivilgericht voraussichtlich weggekommen wären. Allerdings war der jetzige Fall ein politischer Prozeß. Wenn bei diesem Prozeß verschiedene Fehler begangen worden sind, so ist doch zu bedenken, daß besonders in politisch aufgeregten Zeiten, bei politisch aufgeregten Richtern auch das Recht gebeugt worden ist. Da braucht man gar nicht in die älteste Zeit zurückzugreifen. In dem Urteil gegen den Leutnant von Forstner habe ich die Eifahrung gemacht, daß die Urteile der zweiten Instanz nicht immer besser sind als die der ersten. Den Grund, den Leutnant aus Notwehr freizusprechen, betrachte ich geradezu als eine Beleidigung für den Mann. Die elsässische Presse hat sich über das erste Ürteil immer bedauernd ausgesprochen. Das ist ein gutes Zeugnis für das Herz der Elsässer. In dem Fall Reuter ist besonders anzuerkennen, daß dieser Offizier die ganze Verantwortung auf sich genommen hat. Allerdings wären die Begleitumstände nach dem Freispruch, Gratu— lation und Telegramm, bei einem Zivilgericht nicht vorgekommen. Hoffentlich ist deß das letzte Mal gewesen. Solche Gepflogenhetten wären geeignet, das Vertrauen der weitesten Kreise unserer Bevölke rung in die Justiz zu erschüttern. Was die Rechtsfrage anbelangt, so liegt die Schwierigkeit in der richtigen Abgrenzung der Befugnis der zivilen und milttärischen Y eht bei inneren Unruhen. Der Reichskanzler fühlt selber das Bedürfnis, daß über die bestehende Unsicherheit die notwendige Klarheit ge— schaffen werden muß. Das kann nur durch ein Gesetz geschehen. Besonders kommt in Frage der Fall, wo rasch eingegriffen
werden muß. Die große Mehrheit unserer Rechtslehrer ist der Ueberzeugung, daß die Kabinettsorder von 1820 nicht mehr rechts⸗ gültig ö Besonders kann das Nebeneinanderbestehen verschiedener Bestimmungen, zum Beispiel bayerischer und württembergischer, zu großen Unzuträglichkeiten führen. Nach 5§ 13 der Militärkonvention von 1370 kann das Einschretten des Militärs nur auf Reguisition der Zivilbehörde und in einigen anderen Fällen erfolgen. Obgleich wir das Reich für die Regelung dieser Angelegenheit für kompetent halten, ist es doch erwünscht, daß von allen Bundesstaaten eine . Regelung erfolgt. Die Erklärung des Reichskanzlers cheint sich ja auch in der gleichen Richtung zu bewegen. Hoffentlich nicht zu lange auf sich warten. Ich glaube, daß die Elsässer allen Grund haben, mit dem Gesamtresultat der Erörterung dieser Angelegenheit zufrieden zu sein. Uns liegt allen daran, aus Elsaß⸗Lothringen ein glückliches, aber auch treu deutsches Land zu machen. Und es wird sehr zur Beruhigung der Bevölkerung unseres Reichs⸗ landes beitragen, wenn sie weiß, daß es in Berlin eine Instanz gibt, bei der sie recht bekommt: das ist der Deutsche Reichstag. Es wird auch seinen Eindruck nicht verfehlen, daß die Elsässer Volks—⸗ vertretung mit der Elsässer Regierung einig gewesen ist. Die Erste Kammer des Reichslandes hat die Erwartungen der Bevölkerung bei weitem übertroffen. Daraus ist der Schluß zu ziehen, daß die Verfassung viel besser ist, als man im Reichslande glaubte. Meine Partei ist gern bereit, die Wünsche, die die Zweite elfässische Fammer zum Ausdruck gebracht hat, zu unterstützen. Ich habe von verschiedenen Leuten Dinge gehört und daraus g schlossen, daß das Verhältnis der Zivilbevölkerung gegenüber dem Militär in Elsaß⸗Lothringen doch nicht so ist, wie man es sonst im übrigen Deutschland findet. JI kann nur empfehlen, was ich schon früher gesagt habe, daß man si von den nattonalistischea Elementen trennk. Die eisässischen Ver—⸗ hältnisse werden regelmäßig der Zentrumepartei des Deutschen Reiches in die Schuhe geschoben. Wir konnten es natürlich den Elsässern nicht verwehren, daß sie sich als eigene Partei aufgetan haben. Sie haben das getan nach bestem Wissen und Gewissen, aber man wird es uns nachempfinden, daß wir, da wir ohne Einfluß sind, auch nicht die Verantwortung tragen können. Wenn es wahr— scheinlich auch die Elsässer nicht verlangen, so geschieht es doch auf Grund der Identität des Namens. Auch wir sind bis zu einem gewissen Sinne Partikularisten, wir Bayern, Badenser usw. (Zuruf: Preußen), davon will ich gar nicht reden. Bei aller Eigenart verfolgen wir doch alle das nur im Rahmen des deutschen Nationalstaates, nämlich unsere staatlichen Eigenheiten zu erhalten. Wir wünschen deshalb, daß auch die Elsaß-Lothringer kein besonderer Baum sein sollen, sondern ein starker Ast an dem kraft⸗ vollen deutschen Baum. Wenn die Elsässer das bestreiten, so freut es mich. Der Kollege Ricklin wird es mir bezeugen, daß der eine oder andere zu anderen Anschauungen genügend Anlaß gegeben hat. von Wrochem hat auf dem Preußentage gesagt, am 3. Dezember habe über unserem Heer eine furchtbare Gefahr geschwebt. Er sprach dabei vom Pöbel aller Stände. Solche Maßlosigkeiten braucht man nur in ihrem Wortlaut festzustellen, um sie ganz zu erkennen. Wir können doch eine Kritik an dem Heere üben. Wir wollen ein kräftiges und starkes Heer, wir schätzen unsere Armee und unser Vaterland als Garantie der staatlichen Ordnung und um das Volk zu erziehen zur Enthaltsamkeit, Zucht und Tapferkeit. — Es kann aber diese Aufgabe nur erfüllen, wenn es aus dem Volke hervorgegangen, wenn es, wie dieses denkt und fühlt, und von seinem Vertrauen getragen ist. Das deutsche Volk und das deutsche Heer darf nur in untrennbarer Zusammengehörigkeit gedacht und genannt werden. Von der Kommandogewalt des Kaisers hat man zuerst 1906 geredet. Damals hat man einigen Nutzen davon gehabt. Auch später hat man dies gehofft und dieses Schlagwort aus⸗ genutzt. Graf Vorck von Wartenburg hat dem Reichstag Eingriff in die Kommandogewalt des Kaisers vorgeworfen. von Wrochem hat unter Nennung des Namens Erzberger von Angriffen auf das monarchische Heer und die Kommandogewalt gesprochen, wie sie dreister und unverschämter sich nicht denken lassen. Das ist der Dank. Gerade mein Kollege Erzberger hat soviel Arbeit und Mühe für die Verbesserung der Pensions-⸗ und Gehaltsverbält— nisse des Militärs aufgewandt. Es hat sich bei den Ablehnungen nur um Budgetfragen gehandelt, sowohl bei den Kavallerie— regimentern wie bei den Kommandanturen. Und das ist doch kein Eingriff in die Kommandogewalt. Die Regierung bittet uns, ja zu sagen. Sie muß deshalb auch auf ein Nein gefaßt sein. Schließlich ist die Bitte um Bewilligung auch weiter nichts als ein Eingriff in die Kommandogewalt des garn. Welche Kritik ist aber an dem Relchstag geübt worden! Auch ich kritisiere den Reichstag, auch ich wünschte eine andere Zusammensetzung. Aber er ist einmal der Vertreter des deutschen Volkes, der eine würdige Behandlung verlangen darf, er mag zusammengesetzt sein, wie er will. Auch ein Kollege aus dem Hause hat sich drüben im Abgeordneten hause nicht so ganz freundlich über den Reichstag geäußert. Er schätzzt es sich aber doch wohl zur Ehre, dieser Gesellschaft an⸗ zugehören. Es ist gesagt worden, daß der Reichstag bei der Debatte um die Deckungsfragen hätte aufgelöst werden müssen. Das hätte unter Umständen sehr verhängnisvoll werden können. Die Art und Weise der Deckung, wie sie ursprünglich vorgeschlagen war, hat in Preußen keinen Beifall gefunden. Das begreifen wir. Aber in Preußen werden auf den Kopf der Bevölkerung nur 9 und in Baden über 15 Æ auf den Kopf der Bevölkerung bezahlt. Eine weitere Erhöhung dieser Steuern wäre direkt ruinös für das Land gewesen. Wir sind zwar kleiner als Preußen, haben aber doch unsere Existenzberechtigung, und das gibt hier den Ausschlag. von Wrochem hat von der höchst gemischten Geselschaft gesprochen, die sich heute Deutscher Reichstag nennt. Eine solche Beschimpfung muß sich der Deutsche Reichstag gefallen lassen, ein halbes Jahr nach der Bewilligung der Wehrvorlagen. Graf Jorck von Wartenburg sprach von widerwärtigsten Debatten. Die Debatten über die Deckungsfragen waren sehr schwer und manches dabei vielleicht über⸗— flüssig. Aber wenn man dem deutschen Volke ein solches Opfer an Gut und Blut auferlegt, dann kann man es doch keinem Parlamentarier zumuten, daß er in einem Hurra im Laufe einer Woche allem zustimmt. Man braucht sich nur Frankreich an zusehen, wie lange es gebraucht hat, um dasselbe zustande zu bringen. Das Jahr 1913 war für das deutsche Volk ein Ruhmesjahr, und es zu beschimpfen, dazu gehört ein eigentümlicher Mut. Graf Yorck und die e rn, hat gezeigt, welche unübersteigbare Mauer zwischen dem deutschen Süden und dem deutschen Norden oder richtiger zwischen dem preußischen Nordosten und dem übrigen Deutschland besteht. War das nötg? Wo id denn die Eingriffe des übrigen Deutsch lands in speziell preußische Verhältnisse? Unsere deutschen Stämme haben von altersher die Eigenart, über einander zu räsonnieren. Aber, was da jetzt in Berlin in Szene gesetzt worden ist, beginnt ge— fährlich zu werden. Diese Gefährlichkeit ergibt sich aus der Freude des Auslandes. Lassen Sie uns doch das bißchen Demokratie! Stellen Sie sich doch nicht einer gutdeutschen demoktatischen Be wegung hemmend in den Weg. Wenn Sie den Partikularismus der i e Lor n, auf die Anklagebank setzen, dann sind Sie die schlimmsten Partikularisten. Wir verkennen durchaus nicht die Ver— dienste Preußens um die Wiedergeburt Deutschlands, um die Gründung des Deutschen Reichs. Ich finde, daß der Reichsgedanke wächst. Welche Summe vaterländischer Gedanken sind nicht durch unsere Reichstagsabgrordneten beit Beratung der Wehrvorlage bis in die a fernt len Gebirgsdörfer gedrungen. Dlese Frucht darf durch keinen Hagelschlag veidorben werden. Nicht Preußenland, nicht Süd deutschland, das ganze Deutschland soll es sein.
Abg. B a)se umann (ul.); Ich bin beute in der angenebmen Lage, mit den Ausführungen des Reichskanzlers einverstanden zu sein. Das gilt namentlich bezüglich des Anerkennsmmisses, daß notwendige Klarheit geschaffen werden muß über die Abgrenzung der Militär-
iwvilgewalt, das gilt von dem Wersprechen der Qerstellung
läßt diese Regelung
gegen übe r man chen