1914 / 21 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 24 Jan 1914 18:00:01 GMT) scan diff

dieser Tage. Auch darin sind wir mit ihm einverstanden, wenn er einen Appell an alle Parteien richtete, nunmehr zusammenzuwirken, um die Wunden, die der Fall Zabern geschlagen hat, in Elsaß— Lothringen zu heilen, und daß es nottue, die Liebe zur Armee zu er⸗ halten. Wenn die Darlegungen der sozialdemokratischen Presfe im Auslande den Eindruck erweckt haben, daß bei uns ein Säbel regiment vorhanden sei, und wenn dies zu verurteilen ist, so ist es ebenso falsch, wenn die rechtsstehende Presse den Eindruck erweckt, als wenn unter Zurückdrängung der Kaiserlichen Gewalt das Heer der demokratischen Parlamentsherrschaft ausgeliefert sei. Die kriegsgerichtlichen Ver⸗ handlungen haben die Tatsache nicht erschüttert, daß Armee und Volk in Deutschland eng verbunden sind. Das kann im Lande der allge— meinen Wehrpflicht auch gar nicht anders sein. Es besteht auch durchaus keine Kluft zwischen Offizieren und Mannschaften. Wir sind wegen der Vorgänge am 4. Dezember von der rechten Seite sehr stark angegriffen worden. Gegenüber den Angriffen von links und rechts haben wir den Eindruck, die richtige Mitte einzuhalten. Wie wenig die Angriffe gegen uns wegen unserer Haltung zur Armee berechtigt sind, beweist die Tatsache, daß wir in früheren Militär⸗ vorlagen Lücken gefunden haben. Je mehr die Gegensätze der ein— zelnen Völker wachsen, um so notwendiger ist es, ein starkes Heer zu haben. Ich muß also den Vorwurf, als hätten wir durch unsere Abstimmung vom 4. Dezember eine Stellung gegen die Armee ein— nehmen wollen, auf das entschiedenste zurückweisen. Die Ausführungen des Abg. van Calker in der damaligen Sitzung sind zum Ausgang von Angriffen der rechten Seite gemacht worden. Der Abg. van Calker hat damals weder für die Zivilverwaltung, noch für die Militär— verwaltung sich erklärt, sondern die Sache objektiv dargestellt. Er sagte, wer des Königs Rock trage, müsse auch gegen die kleinste Be— leidigung reagieren. Er sagte weiter, wenn es richtig wäre, was der Kriegsminister gesagt habe, dann wäre es ein Unrecht, daß der Reichs— kanzler nicht schon längst eingegriffen habe. Ich habe bei der Etats⸗ beratung die Gründe entwickelt, aus denen wir zu dem Votum vom 4. Dezember gekommen sind; ich will sie bei der vorgerückten Stunde nicht wiederholen. Ein Widerspruch zwischen meinen Ausführungen und denen des Abg. Röchling im preußischen Abgeordnetenhause über die Zaberner Vorgänge besteht nicht. Auch er beklagte den Mangel an Zusammenwirken von Militär- und Zivilgewalt; die Richtigkeit seiner staatsrechtlichen Anschauungen kann nicht bestritten werden. Auch was der Abg. Schiffer im preußischen Abgeordnetenhause gesagt hat, war weder eine Stellungnahme für das Militär, noch für das Zivil. Es besteht also bei uns eine einheitliche Behandlung dieser Frage. Man hat uns vorgeworfen, daß wir die Kommandogewalt antasten. Dieser Begriff ist überaus schwankend, wie die Literatur beweist. Die Kommandogewalt im eigentlichen Sinne anzutasten, fällt uns nicht ein; wir halten diese Prärogative im vollen ÜUmfange aufrecht. Aber über der Kommandogewalt steht das Etatsrecht des Reichstages, die Tatsache, daß Geldforderungen der Genehmigung des Reichstages unterliegen und auch vom Reichstage abgelehnt werden können. Die Frage der Abgrenzung der Zivil- und Militärgewalt ist eine sehr schwierige. Von den deutschen Staatsrechtslehrern hat einer nach dem anderen das Wort ergriffen, und sie haben sich nicht einigen können. Jedenfalls kann hier die Frage nicht entschieden werden, am wenigsten durch kurze Formulierungen, durch Schlag— worte. Die Sache kann nur durch sehr eingehende, detaillierte gesetz⸗ liche Vorschriften geregelt werden. Im einzelnen Falle wird immer das Pflichtgefühl der Behörden und der Takt der Persönlichkeiten, die die Frage zu entscheiden haben, eine große Rolle spielen. Der Kollege Frank hat die kriegsgerichtlichen Urteile sehr scharf kritisiert. Sein Urteil deckt sich nicht mit den Anschauungen weiter Volkskreise. Eins trat in den Verhandlungen hervor, was für uns Juristen durch— aus nicht erstaunlich war. Vielfach stand Aussage gegen Aussage. Wer eine kriminelle Verteidigung geführt hat, weiß aus eigener Er— fahrung, wie sich Zeugenaussagen widersprechen, wie sich namentlich bei Körperverletzungen die Vorgänge bei den Zeugen verschieden 1 und wie sich in den Anschauungen und namentlich in dem Gedächtnis der einzelnen Zeugen Gegensaäͤtze in der Beurteilung der Tatsachen herausstellen. Es muß offen ausgesprochen werden, der Gerechtigkeit halber, daß sich aus den Verhandlungen ergibt, daß in einzelnen Phasen der Zaberner Vorfälle die Zivilbehörden versagt haben. Das gilt namentlich von dem Verhalten des Kreisdirektors. Aus dieser Tatsache des Versagens der Zivilbehörden hat sich zweifel— los die Stärkung des guten Glaubens des Obersten von Reuter er— geben. Eingehend hat sich mit dieser Frage der Geheimrat Laband und unser politischer Freund Hamm beschäftigt; beide kommen zu dem Resultat, daß in der Festhaltung der vorlaufig Verhafteten ein ungesetzliches Verhalten vorlag. Eine Klärung der Rechtslage muß also erfolgen. Ueber die Frage der Rechtsgültigkeit der Order von 1820 gehen die Anschauungen der Rechtslehrer auch weit ausein— ander; auch hier also dieselbe Unklarheit. Angesichts dieser Sach— lage ist es tatsächlich richtig, die angeordnete Prüfung und deren Ergebnis abzuwarten. Je weiter man in das Problem hinein— steigt, desto größer werden die Schwierigkeiten, namentlich wenn man die Verhältnisse in den Grenzprovinzen in Betracht zieht. Der von uns angekündigte Antrag will die Ergebnisse der Prüfung abwarten und dann die Entscheidung treffen, geht aber von dem Standpunkt aus, daß die Befugnisse der Zivil- und Militärverhält— nisse streng gegeneinander abgegrenzt werden müssen. Der Fanzler hat gesagt, im Elsaß muß viel geschehen, und es wird geschehen. Be— züglich des Wortes des Abg. van Calker: „Wieder alles kaput!“ möchte ich bemerken, daß im Fortgang der Verhältnisse doch auch manches Erfreuliche sich gezeigt hat. Von nationalistischen Strömun— gen und Kundgebungen im franzosenfreundlichen Sinne ist bei allen diesen Vorgängen kaum etwas zu merken gewesen; und erfreulich sind auch die Verhandlungen der Ersten Kammer, die Aeußerungen von Schwander und Curtius, sowie das ehrende Zeugnis, das dort preußische Generale über die Tüchtigkeit der elsässischen Soldaten abgelegt haben. Was in deutschen Kreisen vielfach verstimmt hat, ist die Hetze, die in der Presse anläßlich des Falles Zabern getrieben worden ist, und diese Hetze ist in der Ersten Kammer fast ein— stimmig, eine Ausnahme machte wohl nur der Colmarer Bürger⸗ meister Blumenthal, getadelt worden. Als wir hier die Verfassung beschlossen, habe ich ausdrücklich bereits darauf hingewiesen, daß Be— strebungen, wie sie sich im „Souvenir frangais“ usw. zeigten, von uns nicht geduldet werden können. Das Versagen der Zivilbehörden in dem Grenzland ist dasjenige, was in den Kreisen guter Patrioten in Deutschland die schwersten Bedenken hervorgerufen hat, da für den Fall einer Mobilmachung gerade die Grenzlande von höchster Be— deutung sind. Wir hoffen, daß nach all den schweren Unstimmigkeiten es nunmehr gelingen wird, Besserung zu schaffen. Wir hoffen weiter, daß man auch bei der Auswahl der Beamten darauf fieht, daß es pflichterfüllte, energische und gleichzeitig mit Verständnis für die Tigenart des elsässischen Volksteils begabte Persönlichkeiten sind. Zur Konstitution des Deutschen Reiches gehört auch der Reichstag; ich muß auch meinerseits sehr bedauern, daß bei dem Preußentag die dort anwesenden Reichstagskollegen kein Wort der Mißbilligung für die dort gegen den Reichstag gerichteten Angriffe gefunden haben. Selbstverständlich muß der Einfluß des Reichstags mit der Be— willigung so riesiger Mittel, wie sie die letzte Wehrvorlage erfordert hat, wachsen. Kein Reichstag hat so viel getan wie der jetzige für die Aufrechterhaltung unserer Stärke und für deren Fortbildung. Die Reichstagsmehrheit ist besonders auch angegriffen worden wegen der Reichsbesitzsteuer, die die Proletariervertreter im Reichstage auf die besitzenden Klassen abgewälzt hätten, wodurch die Steuer— hoheit der Einzelstaaten gefährdet sei. Die Deutschkonservativen haben seinerzeit die Erbschaftssteuer abgewiesen, sich aber mit einer Vermögenssteuer im Reiche einverstanden, wenigstens diesen Ge danken für diskutabel erklärt. Danach hat die Mehrheit doch nur im Sinne jener Erklärung der Rechten gehandelt. Wir wissen, daß die heutige Machtstellung Deutschlands ohne die preußische Armee nicht möglich gewesen wäre; aber wie wir ein starkes Preußen als Vormacht des Reiches für nötig halten, ebenso protestieren wir aufs entschiedenste gegen Beschimpfungen von Reichsinstitutionen. Den Partikularismus heute neu zu beleben, halten wir für einen Frevel gegen das Reich. Unsere Aufgabe ist es, die Einigkeit der deutschen Stämme, die Bismarck herbeigeführt hat, zu erhalten; wir freuen uns

des 18. Januar 1871, der Gründung des Reiches. Die glänzende Entwicklung Deutschlands ist erfolgt in dem Zusammenwirken zwischen Regierung und Parlament; dieses Jusammenwirken hat dem Volke die Rechtseinheit und seine Wirtschaftspolitik gegeben, die Deutsch— land zur Höhe geführt hat, ferner die Sozialgesetzgebung, auf die wir stolz sind. Allein in diesem Zusammenwirken war es möglich, auch in der deutschen Weltpolitik vorwärts zu kommen, eine starke Kriegs— flotte zu schaffen und Kolonialpolitik zu treiben. Diese Entwicklung hat zur Macht und Größe unseres Volkes geführt und berechtigt zu der optimistischen Hoffnung, unsere nationale Entwicklung zu fördern; sie wird nicht stillestehen denn sie hat feste Wurzeln in unserem Volke. Wir wollen den Reichsgedanken hochhalten und pflegen, und wir hoffen, daß der Reichsgedanke auch in Elsaß festere Wurzeln faßt. Wir sind auch bemüht, der Rechtsforderung der Elfaß— Lothringer Rechnung zu tragen. Das sind Ausblicke, die auch in Elsaß Lothringen eine gute Wirkung haben werden.

Abg. Graf Westarp (kons. : Selten ist eine Stellungnahme so restlos und unwiderleglich gerechtfertigt worden, wie die Auf— fassung meiner Freunde am 3. und 4. Dezember in der Zaberner An⸗ gelegenheit. Jetzt liegen klare Tatsachen vor. Leider haben sich auch eine Reihe von Befürchtungen, Bedenken und Besorgnissen, die wir damals hegten, erfüllt, daß die Aufreizungen nationalistischer und demokratischer Umtriebe im Elsaß eine geradezu verheerende Wirkung auf gleiche Teile der elsässischen Bevölkerung hervorgerufen haben, Bedenken, die wir gegen die Haltung der Zivilverwaltung für die weitere Zukunft des Reichslandes gehegt haben. Auf der anderen Seite gewährt uns jedoch eine große Befriedigung das Verhalten der Armee. Aus allen den Angriffen und Darstellungen, als ob es sich um eine rücksichtslose Soldateska handelt, ist die Armee tadel⸗ frei heworgegangen. Verfehlungen eines Leutnants haben ihre sofor— tige und ausreichende Sühne gefunden, und es hat sich herausgestellt, daß die Truppen im Verteidigungszustand gehandelt haben, wenn sie

dauernde Verhöhnung und Beschimpfung und körperliche An⸗ t zurückgewiesen haben. Der verantwortliche Oberst von Reuter at in Pflichtbewußtsein und soldatischem Verantwortungsgefühl ge— handelt, wie es besonders das Gut der deutschen Armee ist, und gute, alte Tradition. Diese Tatsachen sind festgestellt. Ich freue mich, daß meine beiden Vorredner vor der Rechtskraft der Gerichtsverhandlungen

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v Halt gemacht haben. dem Urteil des Land Geri Das erfüllt uns mit besonderer ide. t Beurteilung dieser Dinge hat sich weit über die Volksteile hinaus, ebhaftes Ver⸗ hier handelt, j Volks⸗ e des Wortes ist, daß sein m Volk als sein eigenes Schicksal betrachtet wird. Daf deutlich hervorgetreten ist, ist eine erfreuliche sonst so traurigen Vorgänge und zeigt, demokratie auf Granit, beißt, wenn sis hältnis zwischen Offizieren und Soldaten Die vorliegenden Intenpellationen beschäftigen schreiten des Militärs gegen Störungen der inneren Ordnung, sei es auf Requisition der Zivilbehörde, sei es ohne diese. Wir können uns an einer Erörterung über diese Frage nicht beteiligen. Es ist Sache der Landesherren, innerhalb der Abgrenzung, die durch ir ihre Kontingente i solchen Gelegen⸗ Erlaß dieser Be⸗ die Gesetze gebunden. Es gibt kein Reichsgesetz, keine Bestimmung der Reichsverfassung, die in dieser Beziehung materiell dem Landesherrn Vorschriften machen kann. Innerhalb des Rahmens der einzelnen staatlichen Gesetzgebungen hat der Landesherr freie Verfügung. An diesem Rechtszustande wollen wir festhalten und ihm Rechnung tragen. Deshalb können wir auch nicht anerkennen, daß der Reichstag das zuständige Forum ist, um diese An⸗ gelegenheit zu regeln. Wir sind angegriffen, weil wir so oft über die Kommandogewalt sprechen. Wenn Dinge, die der Kontingentsherr zu regeln hat, der Zuständigkeit der Reichsgesetzgebung unterworfen werden sollen, so ist das nach unserer Auffassung eine Einschränkung der Kom—⸗ ehenden

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mandogewalt. Es entspricht nicht den Bestimmungen des Rechtszustandes, wenn der Reichstag Anordnungen erlassen will, Kommandogewalt des Kontingentsherrn unterstehen. Die

mandogewalt in ihrem jetzigen durch die Verfassune garantiertem

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fange bildet eine der wichtigsten Grundlagen für das fes unseres Staates; deshalb an ihr rütteln zu wollen, ist für Frage von schwerster, grundsätzlicher Bedeutung. Es entsp unserer Auffassung, daß die Anträge auf die Tagesordnung des tags gesetzt sind. Es ist deshalb wohl selbstverständlich, daß Anträge ablehnen. Die beiden Anträge der Nationalliberalen Zentrums wünschen, daß der Reichstag berufen sei, um auch

diese Fragen zu erörtern und Beschlüsse darüber zu fassen.

zu, daß die Fassung der Anträge zunächst harmlos erscheint, aber sind der erste Schritt auf einem Wege, den wir grundsätzlich nicht be⸗ schreiten wollen, dessen Konsequenzen nicht zu umgehen sind. Weitere Schritte würden dem ersten folgen. Ich will nicht auf die Ausführungen der Herren Fehrenbach und Bassermann eingehen, die mit der Kom— mandogewalt nur in losem Zusammenhange stehen, doch zwingen mich die Ausführungen des Abg. Fehrenbach über eine Rede, die Abg. von Heydebrand im Abgeordnetenhause gehalten hat, zu einer

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Stellungnahme. Ich gebe zu, daß Abg. Fehrenbach einen Teil der Aeußerungen des Abg. von Heydebrand nach dem Stenogramm zitiert hat, aber er hat den Sinn der Rede meines Fraktionskollegen micht zutreffend ausgelegt. Da beziehe ich mich darauf, was der Abg. Schiffer im Abgeordnetenhause zu diesen Aeußerungen erklärt hat. Der Abg. Fehrenbach ist demselben Irrtum verfallen, der auch dem Abg. Schiffer unterlief, wenn er sagte, daß der Reichstag im vorigen Jahre hätte auf⸗ gelöst werden müssen. Der Abg. Schiffer ist von dieser Auffassung jedoch bald abgekommen. Das Volk hätte die Abgeordneten sicherlich nicht wieder gewählt, wenn die Heeresvorlage abgelehnt worden wäre. Noch einige Aeußerungen dazu, was als das unberechtigte Aufflackern einer preußischen, partikularistischen Bewegung bezeichnet wurde. Da muß ich ausdrücklich konstatieren, was auch unser Parteivorstand schon getan hat, daß der Preußenbund und der Preußentag keine Veranstal⸗ tungen der konservafiven Partei gewesen sind. Von keinem der heutigen Redner ist etwas Gegenteiliges behauptet worden; es ist auch tatsäͤch— lich nicht der Fall. Der Vorsitzende gehört nicht zu unserer Partei, und die Bewegung wird nicht von unserer Partei geleitet. In unserer Parteierklärung kommt ferner klar und unzweideutig zum Ausdruck, daß wir durchaus nicht mit allen Aeußerungen einverstanden sein können, daß wir es bedauern, daß auf dem ersten Preußentage diese mißverständ⸗ liche Ausdrucksweise vorgekommen ist, die jedenfalls den konservativen Anschauungen nicht entspricht. Dasselbe gilt auch von den Aeußerungen des Abg. Bassermann. Bassermann hat bedauert, daß die anwesenden

Reichstagsabgeordneten diesen Aeußerungen der betreffenden Redner nicht sofort entgegengetreten Die Herren werden doch aber wissen, daß das in einer Versammlung, in der man als Gast zugegen ist, nicht ohne weiteres möglich ist: es Aeußerungen richtig zu stellen. Ich behaupte aber, daß heute bei der Kritik der Aeußerungen, die auf dem Preußentage gefallen sind, das Maß überschritten worden ist. Es ist zu bedauern, daß über Offiziere, die mit dem Eisernen Kreuz geschmückt und mehrfach im Kriege ver— wundet wurden, in abfälliger Weise gesprochen wurde. Wenn solche Aeußerungen über preußisches Wesen und preußische Einrichtungen fallen, dann ist es erklärlich, wenn diese ein Echo finden in Reden, die sich auch nicht an den Salonton binden. Es handelt sich jedoch nicht um solche Aeußerungen, sondern um preußische Interessen. Diesen An—⸗ trägen liegt das e, die Rechte i Preußen, die ihm durch Verträge garantie

gunsten eines zen Regimentes einzuschränken. diese Bestrebungen von den Sozialdemokraten und von einem Teile der Fortschrittlichen Volkspartei propagiert werden,

nicht leugnen können, und es war allerdings gegenüber

strebungen an der Zeit, daß wir und die Mitglieder des Preuße sich einmal schützend vor die Reichsverfassung gestellt haben.

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sondern wir wollen sie schützen. Wir verlangen aber, daß die Ver⸗ fassung und die Verträge geachtet werden. In der Bekenntnis zum Reichsgedanken und in der tatkräftigen und warmen Forderung des Reichsgedankens lassen wir uns von niemandem Vorschriften machen. Ein Vertagungsantrag von der Rechten wird nach einer Erklärung des Abg. Scheidemann (Soz.) zurückgezogen. Abg. Schultz⸗Bromberg (Rp.): Wenn man die Stimmung heute mit der vom 3. Dezember vergleicht, so kann man wohl sagen, den Reichstag erkennt man nicht wieder. Damals wurden die Herren don den Stimmungen über die Vorgänge hinweggerissen, der ganze Reichstag war eine schäumende Masse von tiefster Entrüstung. Ich habe den Eindruck, als ob heute die Debatte auf ein ande res Gebich abgeschoben ist, die Abgrenzung von Kommando⸗ und Zivilgewalt. Man scheint die Stimmung im Lande verkannt zu haben; das Land läßt sich nicht gefallen, daß man das Heer in dieser Weife angreift. Das Mißtrauensvotum vom 4. Dezember richtete sich nicht bloß gegen den Reichskanzler, sondern am letzten Ende gegen unsere Armee, nicht Legen den unglücklichen Leutnant von Forftner und nicht gegen den Obersten von Reuter, dem man alle Eigenschaften eines Soldaten absprach, sondern gegen den Geist, der in unserer ganzen Armee herrscht; so ist es im Lande aufgefaßt wowden. Wie ist man denn hier über unsere Offiziere hergefallenn „Im Elsaß werden Gesetz und Recht von der Militärdiktatur mit Füßen getreten“, das Milität wird „eine wild gewordene Horde“ genannt; dem Kriegsminister wird gesagt, er habe in einem „schnoddrigen“ Tone gesprochen; auch das Wort „Prätorianertum“ fiel. Also es ging vor allem damals gegen den Geist der Armee. Ich darf Ihnen ein Wort aus dem Munde eines französischen Offiziers in „La France militaire“ Ruf: Auslandspresse) Daß Ihnen das nicht paßt, V heißt es im Anschluß an die Worte dieses S nehme ganz allein die volle Verantwortung“ usw. . .. „es wird niemand widersprechen, wenn ich behaupte, daß man Führern solchen Chgraktereigenschaften überallhin folgt, wohin sie fübren; wenn alle Obersten der deutschen Armee ihre Verantwortlichkeit auffassen, dann ist die deutsche Armee gut geführt.! Ob Die Srde don 1829 gültig ist oder nicht, darüber ist nicht der Reichstag

Tribunal, sondern das wird von den Gerichten entschieden wer

Aber nicht unerwähnt darf bleiben,

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sse kilite Wir haben aber auch das Interesse, daß die Ord— nung unter allen Umständen aufrecht erhalten bleibt. In normalen Fällen hat ja allerdings zuerst die Zivilverwaltung die Pflicht, die Ordnung aufrecht zu erhalten. Es können aber doch Fälle eintreten, wo das Militär von selbst zugreifen muß, wo es nicht erst abwarten kann, bis der Bürgermeister schreibt. In Fällen dringender Rot und dringender Gefahr muß zweifellos so verfahren werden. Es ist unwiderleglich klar festgestellt, daß sich unter der elsaß-lothringis Bevölkerung eine immer mehr dem Deutschtum abwendige Stim geltend macht. Wir haben das Votum vom 4. Dezember auch de— so lebhaft beklagt, weil die dortigen Nationalisten sagen konnten, daf der Reichstag sich auf ihre Seite gestellt habe. Wir dürfen nich

bergessen, daß das Reichsland das Aufmarschgebiet Heeres fte .

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Fehler einzugestehen, und dann auch mit Energie an ihre Abstellung

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verfolgte. Politik uns dem Frieden näher gebracht hat, und ob wir 1

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damit diesem Ziele näher kommen werden. Wir brauchen dort 8 , . 1 ,, 1 e,, , nner, die die Würde und die Ehr deutschen Vaterlandes letzten

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nes ) edauerlich des Abg. Frank gegen den Kron⸗

Wenn nicht Tausende für es nicht so gut mit dem Welt⸗ frieden. nnen n An⸗ der Nationalliberalen, aber er ers überflüssig. Wir hoffen d die atten higung eintreten wird, sowohl be die e Bedrohung der bürgerlichen Freiheit befürchten, wie ie glauben, daß im Elsaß Verhältnisse bestehen, die die es Reiches bedrohen. Nach dem Ergebnis der Kriegs— erhandlungen haben jedenfalls die Militärbehörden besser ab—

nitten als die Zivilbehörden.

Um 614 Uhr schlägt Präsident Dr. Kaempf dem Hause vor, sich zu vertagen. Dieser Vorschlag wird von einer Mehr— heit, die aus Rechten, dem Zentrum und den National

liberalen besteht, abgelehnt.

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Abg. Ledebour (Soz.) ; bg. D. N a sfortschr. Reichskanzler n dieser stre 1 Rechtsfrage auf eine Kaiserliche Ver⸗ s Daß in di zerordnung Licht und Schatten ein werden, können wir nach den bisherigen Er⸗ Ahne weiteres annehmen. Es steht doch hier nicht nur

C bel Beziehung auf die Aeußerungen. d 6⸗lothringischen Regierungsvertreter verweisen. Die Elsãäss ben sich nicht nur gegen die Umklammerung des Reichs, sonde ich Preußens zu wehren. Wer ist denn eigentlich der Mund d Elsässer? Wer kann für sie sprechen? Wir haben darüber i elsassischen Landtage die beweglichen Klagen der Regierungsvertre gehört. Der elsässische Landtag hat sich fast einmütig auf die Se gestellt. Wir hörten von

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garen dieser ganzen Frage die Elsässer ein⸗ mütig und Was hießen die Worte des Kanzlers, man wolle für Elsaß⸗Lothringen noch weiter sorgen? Will man ihnen eine bessere Verwaltung geben? Das wäre gut! Oder soll die zin rückwärts getrieben werden? Die Elsässer f unmilitärisch, und die Vorgänge in Zabern sind nilitärischen Stimmung entsprungen. Sie richteten sich rische Geschmack⸗ und Taktlosigkeiten, und gerade in higsten aller deutschen Orte des mußte alles das passieren, en niemals f Württemberg und Bayern iso abgespiel

Vorgänge el t ie Achtung vor Menschen, auch es nur Zivilisten und Elsässer sind, hat beim Militär gefehlt.

Torte von unserm Volksheer. Dann müßte aber auch das Offizierkorps volkstümlicher Empfindungen für das Volksheer

nicht bar sein. Befindet sich das Militär nach den Worten des

Dr. von Jagow gewissermaßen in Feindesland, dann ist das J,, , . . 1 Militär ein Fremdkörper. Das Volk weiß es, daß es solche Worte gibt, die durch keine Kabinettsorder ausgelöscht werden können.

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(Fortsetzung in der Zweiten Beilage.)

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

M 21. (Fortsetzung aus der Ersten Beilage)

Der Mann, der nach seiner Meinung im besten Sinne des Wortes Ord= nung schaffte, indem er Maschinenge wehre gegen die Bürgerschaft auf⸗ fahren ließ der tat das, was in allen Staaten das kritischste Moment ist, wenn die Maschinengewehre auf den Bürger gerichtet sind. Daß es nicht zum Blutvergießen kam, dafür find wir dankbar. Die Leute sind gusgerissen. Was wäre aber geschehen, wenn ein Lahmer, wie der Schuhmacher, dabei gewesen wäre, und geschossen worden wäre. Dann möchte ich wissen, wieviel Orden der Sberst von Reuter dann bekommen hätte. Er ist eine berühmte Person geworden, weil er seine Pflicht getan haben soll. Das tun täglich Taufende von Men— schen. Er hat aber den Gedankengang des politischen Sosdaten vertreten. Er ist als Ordnungsschaffer aufgetreten. Er erscheint den Gratulanten als der richtige Soldat, der einmal durchbricht durch diese larmoyante, demokratisierte, bürgerliche Seele, durch diesen einfach zidilen Mechanismus, der den Soldaten bis an den Hals geht. Des⸗ halb wird er antelegraphiert und angefeiert. Graf Westarp hat soeben gegenüber dem Preußenbunde eine weihevolle Rückzugserklärung abgegeben. Ich will deshalb auf die dortigen Itzenpfitzreden nicht weiter eingehen. Ich glaube, die Reden des Grafen Vorck von Wartenburg im Herrenhause ünd des Abg. von Heydebrand im ÄAb— geordnetenhause sollten den Kanzler darauf aufmerksam machen, daß er nicht so sehr Reichskanzler sein möchte. Preußen ist die Grund= lage. Dagegen hat kein Mensch von uns etwas. Preußen ist aber nur die historische Grundlage, und darüber ist der Reichsbau weiter gewachsen und ist jetzt 50 Jahre nach der Reichsgründung etwas anderes, als er nach dem Wortlaut der Reichsgründungszeit überhaupt sein konnte. Damals war das Reich noch keine Wirklichkeit. Wirk— lichkeit war nur Preußen und die anderen in das Syndikat auf— genommenen Bundesstagten. Jetzt ist das Reich etwas anderes ge— worden. In Preußen sagt man sich aber so haben wir uns eigent— lich diesen Verband nicht gedacht. Das Reich wird zu stark für uns, was bleibt denn eigentlich für Preußen übrig? Jetzt hat das Reich Justizgesetze gemacht, Sozialpolilik und andere Dinge. Die Minister der. Bundesstaaten sind zur Hälfte ausführende Organe der Reichs⸗ oierung geworden. Bismarck sagte 1877, wenn es einmal einen Reichsfinanzminister giht, dann wird der preußische fein Feind sein. Wir haben zwar noch keinen Reichsfinanzminister, aber eine Reichs— steuer. Die Spannung wächst deshalb immer mehr bei den Konser⸗ vatiden, als sie der Reichsminister nicht mehr so sicher sind, als sie es früher von Geburt her sein zu können glaubten. Das ist der springende Punkt. Wir auf der linken Seite sind für ein parlamen⸗ tarische; Regiment. Wir brauchen nicht England zu kopleren; die Entwicklung geht in jedem Staate ihren eigenen Weg. Welche Stellung man dem Reichstage zuweisen will, as zeigt ja die Ant— wort der verbündeten Regierungen auf die Resolutionen des Reichs- kages. Was nützt das alles, wenn hinten immer ein Papierkorb steht, in den alles hineingeworfen wird. Den Reichstag aus seiner Yilflesiskeit zu erwecken und ihm Kraft zu verleihen, das ist unsere Absicht. Die Konservativen meinen, es könnte zu anderen Besetzungen der, Aemter als zu den Besetzungen ihrer Freunde und nächsten Ange⸗ hörigen kommen. Als das Reich gegründet wurde, konnten sich die Tonservativen nur langsam an diesen Gedanken gewöhnen. Es kam die Zeit der Deklaranten. Die echt preußischen Leute von damals haben über Bismarck genau in demselben Ton gesprochen wie die echt preußischen jetzt über Herrn von Belhmann Hollweg. Der Kanzler muß von ihnen abhängig sein, das ist ihre parlamentarifche Auf— keln Wenn die Konserbatiben das als ihr Bekenntnis ansehen, dann können sie es den anderen nicht übelnehmen, wenn sie sagen, wir wollen einmal die Plätze tauschen. Als damals in den schwierigen W Tagen des Kaisers Friedrich die Möglichkeit auftauchte, daß ein— nal Minister und der Reichskanzler aus anderen Kreisen genommen werden als denen, die dazu das Patent zu haben glauben, aus den hochgeborenen n, da gingen sie in die Höhe. Ebenso war es, lben Mehrheit machte, anzler bei der D rlage. i Da war es Liebenberg,

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Abg. Ledebour (Soz.): Der Reichskanzler ist nicht im Saale. Aber er braucht nicht zu fürchten, daß ich ihm eine schlaf— lose Nacht machen will. Ich habe noch am Tage einige Stunden Heit. Der Reichskanzler ging von dem Gesichtspunkte aus, daß es sich hier um das Vorgehen eines jungen Leutnants handelt, das durch das Urteil in Straßburg seine Erledigung gefunden bat. Es handelt sich aber in Wirklichkeit darum, ob in Deutschland eine Säbel herrschaft etabliert werken soll, oder ob wir in Deutschland einen wirklichen Zollstaat einrichten wollen. Was wir jetzt im Elsaß erlebt haben, das war das Erwachen des Prätorianertums, das zwar in Deutschland immer vorhanden war, aber jetzt seine Zeit gekommen glaubt, und endlich seine Maske abgeworfen hat. Wer annimmt, daß es sich hier nur um die Tat einiger übereifriger Prätorianer handelt, der irrt. Wenn es sich bloß um den Leutnant Forstner oder den Obersten Reuter handelte, dann krauchten wir häer nicht das zweite Mal uns mit der Angelegenheit zu beschäftigen. Der Kriegsminister hat hier ausgesprochen, und das ist die Ausgeburt einer ganzen Denk— weise, daß dem Militär die unbedingte Herrschaft über die Gesell⸗ schaft gehört. Er hat des Königs Rock auf die Stange gesteckt, der unter allen Umständen respektiert werden müsse. Er hat auch ge— meint, ein Offizier, der beschimpft wird, dürfe dem sogenannten Schimpfer ruhig den Degen durch den Leib rennen. Auf jeden Fall hat sich der Kriegsminister so ähnlich ausgedrückt, und wenn er das auch nicht so direkt gesagt hat, dann ist es nur eine Putativnotlüge gewesen. (Vizepräsident Dove: Ich nehme nicht an, daß Sie hiermit dem Kriegsminister den Vorwurf machen wollen, als habe er die Unwahrheit fagen wollen, Der Abg. Fehrenbach bestritt, daß man im allgemeinen von einer Parteilichkeit der Kriegsgerichte nicht sprechen dürfe. Ich gebe zu, daß der Abg. Fehrenbach selbst diese Erfahrung noch nicht gemacht hat. Aber es ist doch sicher, daß hier aus Kameradschaftlichkeit vielleicht mit Standesvorurteilen die Richter an den Prozeß herangegangen sind. Es ist doch erwiesen, daß man den Zeugen gewissermaßen eine Art Schuldgeständnis suggerieren wollte. Gerape das Urteil, das gegen Leutnant von Ferstner gefallt worden ist, zeigt doch, daß hier geradezu mit zweierlei Maß gemessen worden ist. Der Reichskanzler hat in seiner heutigen ersten Rede mit furchtbarer Entrüstung gegen die Ausführungen des Abg Frank protestiert; aus hem Wortlaut der Rede des Abg. Frank ergiht sich lein Anlaß dafür. Der Kronprinz hat sich gewaltsam in die Zaberner Affäre hineingedrängt; mitgefangen, mitgehangen, er muß sich eben dann auch die Kritik gefallen lassen. Mildernde Umstände stehen ihm

Berlin, Sonnabend, den 24. Januar

ja zur Seite. Wer eine Prinzenerziehung genießt, mit 10 Jahren Leutnant wird und sich dann sein Leben lang zunächst nicht befatigen Rarf, nur auf das angewiesen ist, was er von Mentoren, wie don Oldenburg Fanufchau, zu hören bekommt, der offer bar nach der Mei— nung des Kanzlers nicht zu den Verfassungsderächtern gehört, nun, wir haben ihn ja hier gehört, wie er sich freute auf den Moment, wo der Reichstag durch einen Leutnant und zehn Mann geschlossen würde. Mit der Jugend kann man den Kronprinzen nicht entschul⸗ digen. Wenn jemand einen Regimentsbefehl erläßt, wie der Kron— prinz an die Leibhusaren, so spricht das von einer Wehleidigkeit, die außerhalb der Mädchenschule, höchstens noch bei dem ewigen QOuar— taner Karlchen Mießnick .. . . (Vizepräsident Dove ersucht den Redner, diese Betrachtungen zu verlassen). Ich bin auch damit fertig, und würde überhaupt dazu keinen Anlaß gehabt haben, wenn der Kronprinz bei der Fabrikation von Manschettenknöpfen geblieben wäre. Der Abg. von Heydebrand sehnt, das steht trotz der Ver— klausulierung durch den Grafen Westarp fest, die Stunde herbei, wo die Sozialdemokratie Revolution macht, weil sie dann durch das Militär niedergeschlagen werden kann. Auch der Kanzler machte heute eine Andeutung von „auf die Straße iehen', aber das rechtfertigt noch keineswegs ein Einschreiten des Militärs; sind nicht am Wahltage von 1907 hier in Berlin Bürger zu Tausenden bei Fackelschein auf die Straße gezogen, um dem Kanzler und dem Kaiser Ovationen darzubringen? Wir bekennen uns selbst— verständlich zu dem Programm der Beseitigung der Säbelherrschaft, die gegenwärtig unter allerhand Verschleierung und Beschönigung in Deutschland besteht. Das Heer wird von den heute herrschenden Gewalten gebraucht als Machtmittel zur Niederhaltung des Volkes. Es wird immer betont, Deutschland hätte ein Volksheer und sei stolz darauf. Das ist falsch. Die Bevölkerung wird in dem Heere unter ein Militärrecht gestellt, das sie zu Knechten des Offizierkorps macht. Ein wirkliches Volksheer läßt keine Beschränkung der bürgerlichen Rechte der Soldaten zu. Des Königs Rock ist niemals so infam be⸗ schimpft und besudelt worden von Zivilisten, wie das heutigen Tages noch geschieht durch Soldatenschinder im Offizier⸗ und Unteroffizierrock, in den Kasernen und auf den Exerzierplätzen. Aber gleiches Recht zu schaffen lehnen sie ab; sie nehmen lieber die scheußlichsten Soldatenmiß⸗ handlungen in den Kauf, als daß sie auf die Offiziersvorrechte per— zichteten. Die Schweizer Miliz hat sich durchaus bewährt; der Schweizer Soldat nimmt nach der Uebung sein Gewehr mit nach Hause. Das geht in der Schweiz; warum geht es nicht bei uns? Weil Sie (gegen den Bundesratstisch gewendet) Angst haben vor dem Volke, weil Sie ein wehrloses Volk haben wollen, das von einem Prätorianer— heer niederkartätscht werden kann! Bizeprasident Do ve ruft den Redner wegen dieser Aeußerung zur Ordnung. Der Oberst von Reuter hat gesagt: Mit dieser feigen Gesellschaft in Zabern ist ja nichts anzufangen, das heißt: man hoffte, die Gesellschaft würde sich pro— vozleren lassen, und man könnte sie niederkartätschen. Der . hat bei dieser Aeußerung jedenfalls vorausgesetzt, daß die Leute nicht ge⸗ nügend bewaffnet waren. Geben Sie den entlassenen Soldaten eine Waffe mit, dann werden wir kein zweites Zabern erleben. Die Kom— mandogewalt wird gegen das Volk mißbraucht, das muß beseitigt wer⸗ den. Soldaten und Offiziere müßten vor allem auf die Verfassung ver— eidigt werden, damit sie die Gesetze achten. Dig bürgerlichen Parteien hätten Gelegenheit, dem Militarismus die Krallen zu beschneiden, wenn sie nur den Mut dazu hätten; eine Auflösung des Reichstags brauchten sie nicht zu fürchten. Aber ich weiß, daß ich mit diesem Appell tauben Ohren predige. Wir haben ja gesehen, wie sich die Stimmung in der nationalliberalen Partei gewandelt hat, ich brauche bloß auf den Widerspruch der Reden der Abgg. Röchling und van Calker hinzuweisen. Wir werden die Säbelherrschaft auch weiter be⸗ kämpfen und werden Sieger bleiben.

Vizepräsident Dove ruft den Abg. Ledebou r wegen der gegen en Kronprinzen gerichteten beleidigenden Aeußerungen nachträglich zur Ordnung.

Stellvertreter des Reichskanzlers, Staatssekretär des Innern Dr. Delbrück:

Meine Herren! Der sachliche Verlauf der Debatte würde der Reichsleitung keine Veranlafsung geben, noch einmal das Wort zu ergreifen. Wohl aber bin ich genötigt, auf die Ausführungen des Herrn Abg. Ledebour einzugehen, nicht insoweit sie sich auf den Fall Zabern bezogen haben, sondern insoweit sie sich nicht auf den Fall Zabern bezogen haben.

Meine Herren, während wir dankbar anerkennen, daß bei allen bürgerlichen Parteien dieses hohen Hauses das Bestreben vorhanden gewesen ist, den Fall Zabern in ruhiger, sachlicher Weise, den Grund⸗ sätzen unserer Verfassung, der Würde und der Ehre des Reichs ent— sprechend, zum Augtztrag zu bringen, habe ich auch nach der letzten Rede, die wir von seiten der Herren Sozialdemokraten gehört haben, diesen Eindruck nicht gewonnen. (Zurufe von den Sozialdemokraten.) Die Ausführungen, die der Herr Abg. Ledebour gemacht hat, haben erneut bewiesen, daß es Ihnen beim Fall Zabern nicht auf die Frage ankam, inwieweit die verfassungsa mäßigen Bestimmungen be⸗ folgt waren oder nicht, sondern daß es Ihnen darauf ankam, auf der Grundlage dieses Falls einen Stoß zu führen gegen die Monarchie und gegen die Armee. (Hurufe von den Sozialdemokraten.) Dagegen, meine Herren, muß ich mich wehren, ich muß mich nament— lich dagegen wehren im Hinblick auf die Ausführungen, die der Herr Abg. Ledebour in bezug auf die Person det Kronprinzen des Deutschen Reichs gemacht hat. Der Herr Präsident hat den Herrn Abg. Ledebour bereits zur Ordnung gerufen. (Zurufe von den Sozialdemokraten: Also! Ich sehe damit den durch den Ordnunggzruf getroffenen Teil seiner Ausführungen für erledigt an.

Ich sehe mich aber genötigt, in sachlicher Beziehung gegen folgendes Verwahrung einzulegen. Der Herr Abg. Ledebour hat mit Bezugnahme auf die aus den Zeitungen ja bekannte Tatsache, daß Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz mit Herrn von Oldenburg-⸗Januschau aus Anlaß seines Aufenthaltg in Danzig in persönliche Beziehungen getreten ist, darauf hingewlesen, daß der Kronprinz des Deutschen Relchs in Bezlehung zu ‚Verächtern der Verfaffung“ stünde. Er hat im Zusammenhang damit an dle Er— zählung des Herrn von Oldenburg erinnert über Auflösung des Reichstags durch einen Leutnant und 10 Mann. (Zurufe von den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, die Zusammenstellung dieser Tatsachen kann nur in der Absicht geschehen sein, draußen im Lande die Auffassung zu verbreiten, als ob der zukünftige Deutsche Kaiser ein Verächter der Reichsverfassung wäre. Dagegen, meine Herren, muß ich mich wehren. Ez ist in allen konstitutionellen und mon archlschen Staatswesen und in einem solchen leben wir nicht üblich, die Person des Monarchen in die Debatte zu ziehen. (Huru

1914.

von den Sozialdemokraten) Aber, meine Herren, es widerspricht auch dem konstitutionellen Geist, wenn man die Person des Thron⸗ folgers in der Weise hier zum Gegenstand von Erörterungen macht (Unruhe bei den Sozialdemokraten), wie es der Herr Abg. Ledebour getan hat. Ob dieses Verfahren nach den Regeln dieses hohen Hauses zu rügen war, will ich nicht erörtern; das ist Sache Ihres Herrn Präsidenten. Aber ich muß vom Standpunkte der Reichsleitung aus gegen diese Auslassungen des Herrn Abg. Ledebour Verwahrung einlegen. (Bravo! rechts.)

Dann hat der Herr Abg Ledebour erneut Bezug genommen auf den Regimentsbefehl, den der Kronprinz des Deutschen Reichs erlassen hat, als er sich von selnem Husarenregiment in Danzig trennte. Was diese Bezugnahme mit dem Fall von Zabern zu tun hat, ist mir unerfindlich. Aber, meine Herren, daß der jugendliche Kronprinz sich mit so warmen Worten von seinem Regiment getrennt hat, was beweist das denn? Es beweist uns doch nur, daß der gute Geist der deutschen Armee, die vertrauensvollen Beziehungen zwischen Offizieren und Mannschaften in der Armee noch lebendig sind und am allerersten lebendig sind in dem zukünftigen Träger der Kaiserkrone, und dafür werden wir ihm stets dankbar sein. (Lebhafter Beifall rechts.)

Abg. Ledebour (Soz.): Wir halten die monarchischen Einrichtungen für veraltet und werden als Vertreter dez Proletariats, das auf republikanischen Anschauungen steht, stets den Beweis für diese Behauptungen zu liefern suchen, auch gegenüber dem absolutistischen Geist, der bei den verschiedensten Gelegenheiten in Deutschland auch durch den Träger und den Erben der Krone betätigt worden ist. Daß ich mich überhaupt mit dem Kronprinzen beschäftigen mußte, ist nicht unsere Schuld. Der Kronprinz hat unbestrittenerweise in der Zaberner Affäre zwei Telegramme abgesandt, eins an den Obersten von Reuter vor dem 28. November, wie behauptet wird mit dem Wortlaut: „Immer feste drauf!“ (Zuruf rechts: Haben Sie es gelesen?7 Es hat in der gesamten Presse gestanden und ist nicht bestritten worden. Von Männern, die, wie notorisch ist, die größte Partei des Reiches als eine Rotte bezeichnet haben, nicht wert, den Namen Deutsche zu tragen das war der Vater und die größte Partei des Reiches als Elende bezeichnet haben das war der Sohn ist anderes nicht zu erwarten. Es ist von dem Kronprinzen durchaus glaubhaft, daß er das telegraphiert hat. Wieder unbtstrittener Weise hat der Kron⸗— prinz nach der Attacke vom 28. November ein Bravo telegraphiert, wo selbst der Reichskanzler Widergesetzlichteit annahm. Heute frei⸗ lich hat er „einerseits —anderseits' deduziert. Nach dem, was er heute als, seine. Auffassung dargelegt hat, ist eigentlich nichts übrig geblieben als ein langes perknittertes Fragezeichen. Der Reichskanzler hat gesagt, daß in Zabern wider das Gesetz ge— handelt worden ist, und der Deutsche Kronprinz telegraphiert an den Obersten von Reuter, der vom Reichekanzler widergesetzlicher Handlungen bezichtet worden ist. Unter diesen Umständen sind wir genötigt gewesen, auch einmal einer so außerordentlich einflußreichen Persönlichkeit die Wahrheit zu sagen. Man ver⸗ sucht, hier eine politische Säulenhelligkeit zu konstruieren. Der Träger der Krone hat das Privileg, hier aus der Debatte aus— zuscheiden. Der Erbe der Krone ist weiter nichts als jeder andere. Unter diesen Umständen sehe ich wirklich nicht ein, was der Staats— sekretär hier verteidigen wollte, und ich erwarte von ihm die nähere Aufklärung.

Präsident Dr. Kaem pf: Ich kann nur aussprechen, daß diese Erörterungen außerordentlich peinlich sind. Es wäre hesser gewesen, sie wären gänzlich unterblieben. Der Abg. Ledebour hat vom Staats sekretär des Innern gesagt, daß er inzwischen landflüchtig geworden ist. Diesen Ausdruck halte ich für durchaus ungehörig. Ich rufe den Abg. Ledebour hierdurch zur Drdnung.

Damit schließt die Diskussion.

Persönlich bemerkt der

Abg. Ledebour (Soz.): Ich babe soeben einen Ordnungsruf erhalten wegen eines Ausdruckes, den ich gern selbst jetzt als nicht zu= treffend erkläre. Ich will mich deshalb korrekter ausdrücken und will sagen, der Staatssekretär ist reichstagsflüchtig geworden.

Das Haus vertagt sich um 84 Uhr. Nächste Sitzung Sonnabend, Vormittags 10 Uhr. (Gesetzentwurf des Abg. Ablaß und Genossen über den Waffengebrauch des Militärs und weitere Auträge der Sozialdemokraten, Elsässer, des Zentrums und der Nationalliberalen, denselben Gegenstan betreffend; Etat des Reichsamts des Innern.)

Preusvischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 10. Sitzung vom 23. Januar 1914, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Es wird die zweite Beratung des Etats der landwirt— schaftlichen Verwaltung bei dem Kapitel „Förderung der Fischerei“ fortgesetzt.

Zu diesem liegt der Antrag der Abgg. von Wenden (kons.) und Genossen vor:

die Regierung zu ersuchen, bei der Ausführung der infolge der letzten Sturmfluten an der Ostseeküste sich als notwendig beraus stellenden Uferschutzbauten die Interessen der Küsten. und der Hochseesfischeret mehr als bisher ins Auge zu fassen und besonders auf eine vermehrte Anlegung von Fischereibäfen an der Ostseeküste und in den Haffen Bedacht zu nebmen.

Berlchterstatter Abg. von Kessel teilt mit, daß nach einer Erklärung der Regierung in der Kommission der Entwurf eines Fischereigesetzes am Ende dieses Monats an das Haus werde gebracht werden.

Abg. von Wenden (kons.): Meine politischen Freunde en schon wiederholt bervorgeboben, daß ohne eine genügende Vermebrun der Fischerhäfen die Fischerei der Ostsee, die jetz so darnieder licgi. nicht wieder aufleben kann. Hätten wir ausreich nde Räfen gebabt, so würde bei der letzten Sturmflut der Verlust an Boten und Fischereigeräten nicht so groß gewesen sein. Unsere Ostseesischer müssen in den Stand geletzt werden, die Konkurrenz des Auslandes auszubalten. Es handelt sich darum, die besten Teile der Bevölkerung n f. n ihrer ursprünglichen Kraft zu erhalten.

Abg. Freiherr von Maltabn (kons): Die Fischerei⸗ sragen sind in der Kommission nur aanz kurz behandelt worden. Wir sind früher inbejug auf das Fischereigeseß vertröstet worden auf das Wassergeset Wir haben jetzt das Wassergesetz seit dern 1. April. Nun liegt kein Grund mebr vor, mit der Cinbringung des Fischerelgesetzes zu zögern. Der Etat berüchtigt nur do