1914 / 22 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 26 Jan 1914 18:00:01 GMT) scan diff

Förderung des Gemüsebaues. Da ist das Verbot, in Schrebergarten zu übernachten, nicht gerade im Interesse des Gemüsebaues. Es ist wünschenswert, daß für geordnete Abfatzverhältnisse gesorat wird. Durch einen Zoll kann man das allerdings nicht erreichen. Es ist zwar gesagt worden, dadurch würde das Gemüse nicht teurer werden, aber inen anderen Zweck kann doch der Zoll gar nicht baben. Mit Räcksicht auf die Erklärung des Ministers in der Kommission, daß unserem Antrage in diesem Etat nech nicht stattgegeben werden ( ziehe ich diesen Antrag zugunsten des Kommissionsantrages zurück.

Abg. Paul Hoffmann (Soz.): Dr. Hahn ist gestern hier im Hause erschienen, er kam, sprach und ging und hat eine Reihe von Wünschen geäußert. Der Minister hat wohlwollende Be⸗ rücksichtigung seiner Wünsche zugesagt. Ich hoffe, daß der. Minister den Wünschen der Arbeiter gegenüber ebenso wohlwollend sein wird. Das ewige Rufen nach Zollschutz ist Titer nichts als ein Raubzug auf die Taschen der Konsumenten. Die Anregung zu weiterer Belehrung über SObstkultur unterstützen wir gern. Der Unterricht darf aber nicht nur in den landwirtschchtlichen Schulen erteilt werden, fondern er muß allen ohne, Kosten zugänglich gemacht werden. Die Wünsche der Arbeiter, sie können noch so berechtigt sein, werden von der Regierung immer abgelehnt. Wir werden den einheimischen Obst- und Gemüsebau

unterstützen, um den kleinen Leuten und den Arbeitern die Möglichkeit zu geben, ihre wirtschaftliche Lage zu bessern.

Abg. Lüders (freikons. ); Der Obst, und Gemüsebau bat sich bei, uns in der letzten Zeit gehoben, das ist nicht zu bestreiten. Früher gingen Tausende von ländlichen Arbeitern nach Holland. Die Zahl dieser sog. Hollandsgänger hat sich von Jahr zu Jahr ver— mindert. Heute können wir sogar konstatieren, daß nicht nur keine ländlichen Arbeiter mehr nach Holland hinübergehen, sondern daß sogar 42 900 holländische Arbeiter jährlich zu uns kommen. Aber der Obst⸗ und Gemüsebau muß noch mehr als bisher ge⸗ sördert werden, und wir wünschen, daß der Schutzzoll für Obst und Gemüse nech erhöht wird. Je besseren Schutz wir für den Obst⸗ und Gemüsebau einführen, um so mehr wird der Anbau des Döstes und Gemüses gefördert werden. Ich bitte den Minister, die Gemüseanbauverbände möglichst zu unterstützen. Dadurch wird auch den kleinen Arbeitern geholfen.

Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer:

Meine Herren, durch die letzte Zählung im Jahre 1913 ist fest— gestellt worden, daß sich gegenüber dem Jahre 1900 die Zahl der Obstbäume um 16 Millionen, die Zahl der Gehöfte und Hausgärten mit Obstbäumen um mehr als 300 000, die Zahl der Grundstücke mit Obstbäumen im freien Felde von 5537 auf 514 250 gehoben bat, und ebenso sind im Jahre 1913 112951 öffentliche Wege und Kanal⸗ böschungen mit Obstbäumen bepflanzt gewesen, während es im Jahre 1900 erst 20 097 waren. Ich fübre diese Zahlen an, um den Beweis zu liefern, daß auch auf dem Gebiet des Obstbaues ebenso wie auf dem des Gemüse- und Gartenbaues zweifellos im Laufe der letzten 10 Jahre nicht unerhebliche Fortschritte zu verzeichnen sind, daß die Bevölkerung sich nach und nach auch an diesen Erwerbszweig mehr gewöhnt und ihn lieb gewonnen hat.

Diese Fortschritte sind zum Teil dadurch erklärlich, daß auch staatlicherseits in den ' letzten Jahren erheblich mehr Mittel als früher für die Zwecke des Wein-, Obst-, Garten- und Gemüse— baues ausgegehen worden sind. Der hier in Betracht kommende Fonde betrug im Jahre 19065 nur 185 000 , er ist bis zum Jahre 1914 auf 396 000 „K, in den letzten 10 Jahren um 1130ꝭ ge⸗ steigert worden. Die Herren Vorredner haben schon hervorgehoben, daß im Jahre 1913 und im gegenwärtigen Etat für 1914 jedesmal eine Erhöhung um 50 000 n stattgefunden hat.

Ich konnte schon in der Budgetkommission erklären, daß auch ich den Wünschen sympatbisch gegenüberstebe, welche eine weitere Er— höhung der Mittel sür den vorgenannten Zweck fordern. Ich habe nur davor gewarnt, zu rasch mit der Vermehrung der Mittel vorzugehen, weil ich der Meinung bin, daß es sich bei den in Frage kommenden Betriebszweigen nicht zum wenigsten darum handelt, die Bevölkerung auch entsprechend aufzuklären und sie in diesen Kulturen besser zu unterrichten, als es bisher der Fall gewesen ist. Es ist wobl kein Zweifel darüber vorhanden, daß gerade in der Frage der Ausbildung unserer ländlichen Bevölkerung einschließlich der Arbeiter in den gärtnerischen Betrieben bisher nicht Genügendes geschehen ist. (Sehr richtig) Es fehlt vor allem an der Unterweisung und an der Ausbildung im niederen gärtnerischen Unterrichtswesen. Ich habe die Absicht, in dieser Beziehung darauf hinzuwirken, daß zunächst an den landwirtschaftlichen Winterschulen besondere Fachklassen für Obst, und Gemüsebau eingerichtet werden, und daß auch durch Unterrichtskurse mehr als bisher die ärmere Be⸗ völkerung, besonders auch die Arbeiter im Obst, und Gemüsebau unter⸗ richtet werden. (Bravo! Diesen Bestrebungen sollen vor allem sich auch dienstbar machen die Gartenbauausschüsse, deren Errichtung bei den Landwirtschaftskammern ich durch den Erlaß vom vorigen Jahre in Anregung gebracht habe. Es ist mir eine besondere Freude, daß, mit Ausnahme von drei Landwirtschaftskammern, welche noch zurückgeblieben sind, die übrigen bereits solche Gartenbauausschüsse errichtet haben, und daß natürlich in diesen Ausschüssen auch An⸗ gehörige des gärtnerischen Berufes Aufnahme gefunden haben. Es ist damals dieser Erlaß von mir auch verschiedenen Gartenbauverelnen mitgeteilt worden, einmal zu dem Zwecke, um die in Aussicht ge⸗ nommenen Einrichtungen möglichst weiten Kreisen bekannt zu geben, und dann auch deshalb, weil in gärtnerischen Kreisen sich vielfach der Wunsch geltend machte, eigene Gartenbaukammern zu errrichten und den Gemüse⸗ und Gartenbaubetrieb unabhängig von den Landwirtschaftskammern zu organisieren. Ich glaube, daß ich richtig ge⸗ handelt habe, diesen Bestrebungen entgegenzutreten (sehr richtig! rechts); denn das würde eine Zersplitterung der Kräfte und eine Teilung des landwirtschaftlichen Betriebes auch in der Vertretung seiner Inter essen zweifellos hervorgerufen haben. (Sehr richtig! rechts.) Ich will garnicht leugnen, sondern hier ganz offen eingestehen, daß diese meine Entschließung auch mit beeinflußt worden ist dadurch, daß ein großer gärtnerischer Verband sich offen unter sozialdemokratische Lei⸗ tung gestellt hat. (Hört, hört! rechts Das ist auch der Grund ge— wesen, weshalb ich bei meinen Mitteilungen diesen gärtnerischen Ver band nicht mitberücksichtigt habe und nlcht berücksichtigen konnte. (Sehr richtig! rechts. Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Ich stehe die Herren Sozialdemokraten werden das wahrscheinlich als rückständig bezeichnen auch beute noch auf dem Stand⸗ punkt, daß die Förderung sozialdemokratischer Interessen direkt den Staatsinteressen zuwiderläuft. (Sehr röichtig! rechts)

Ich kann aus diesem Grunde als Landwirtschaftsminister einen wirt schaftlichen Verein nicht unterstüͤtzen, welcher gleichzeitig sonal⸗ demokratische Ziele verfolgt! Ich werde an diesem Standpunkt fest— halten und werde aus diesem Grunde auch davon absehen, die letzte

nicht sehr freundlich gehaltene Eingabe des Deutschen Gärtnerverbandes zu beantworten.

Meine Herren, ich möchte zur Begründung, daß seitens der Land—⸗ wirtschaftlichen Verwaltung auch im letzten Jahre und für das laufende Jahr Erhebliches zur Förderung des Garten und Gemüsebaus geschehen bezw. in Aussicht genommen ist, besonders darauf hinweisen, daß Sie im Etat für 1914 unter Tit. 45 der außerordentlichen Ausgaben einen Betrag von 498 000 M finden für die Errichtung einer Muster⸗ und Versuchsanlage für Obst⸗ und Gemüsebau auf dem Marhofe in der Rheinprovinz. Der Marhof liegt am Vorgebirge und soll durch diese Musteranlage besonders dem dortigen Obst⸗ und Gemüsebau von Nutzen sein! Ich darf auch an die nahezu fertig gestellte Be⸗ wässerungsanlage in Werder erinnern, deren Besichtigung im nächsten Frühjahr ich den Herren Mitgliedern dieses hohen Hauses nur ganz besonders empfehlen kann.

Im übrigen trete ich vollständig der Auffassung des Herrn Abg. Dr. Varenhorst bei, daß wir von Holland noch sehr viel lernen können; ich will auch gern der Anregung Folge leisten, Winterschul⸗ direktoren und Obstbautechniker dorthin zu senden, damit sie sich mit der dortigen Garten und Gemüsekultur näher bekannt machen! (Bravo!) Uns fehlt in Deutschland noch sehr viel; es mangelt an den nötigen Vorrichtungen für die Aufbewahrung von Obst, an Kühlräumen, an Treibereien und Treibhäusern. Auf allen diesen Gebieten muß mehr als bisher geschehen; aber es wird vielfach nur dann möglich sein, wenn es gelingt, die Obst- und Gemüsebauern noch mehr genosfsen— schaftlich zu organisieren, als es bisher der Fall war. Haben wir überall derartige Genossenschaften, dann wird auch der Absatz und Verkauf leichter und besser organisiert werden können.

Ich glaube, damit den Beweis geliefert zu haben, daß uns auf den hier in Frage kommenden Gebieten noch viel zu tun übrig bleibt. Ich freue mich deshalb, daß wohl einstimmig in diesem hohen Hause das Bedürfnis anerkannt wird, die Pflege des Obst-⸗, Gemüse⸗ und Gartenbaues energisch in die Hand zu nehmen; an meiner Unterstützung wird es in dieser Beziehung gewiß nicht fehlen. (Lebhafter Belfall.)

Abg., Dr. Keil (nl); Im April 1913 trat plötzlich ein Rück⸗ schlag in Gestalt großer Kälte ein, der von den schlimmsten Folgen für die schon weit entwickelte Vegetation war. Der Gemüsebau litt sehr darunter, ganz besonders die Frühanlagen. In einzelnen Gebieten erfroren bis 9r9 2 der Obstblüten. Schon in Vorjahren hatte der Spatfrost großen Schaden angerichtet. Wenn aus den betroffenen Kreisen um Unterstützung gebeten wird, dann möge die Staats- regierung, wie auch in früheren Fällen, wohlwollend an die Prüfung herangehen. Abg. Freiherr von Wolff-⸗Metternich Gentr.): Dem Winzerstande geht es zurzeit außerordentlich schlecht. Der Wein— bau ist in Deutschland im Rückgange. In einer Broschüre wird dar auf, hingewiesen, daß seit 1906 der Weinbau um 56 000 Morgen zurückgegangen ist. D agegen sind in einzelnen Gegenden die Unkosten um 522 26 gestiegen. Daran sind die teuren Lohne und die Miß⸗ ernten der letzten Jahre schuld. Auch das Material ist teurer ge⸗ worden. Sehr schädlich ist ferner die starke Rauchentwicklung, gegen die gerade der Weinstock sehr empfindlich ist. In den Winzerkreisen wird auch eine Abänderung des Weingesetzes verlangt. Ebenso muß der Zoll auf Wein anders gestaltet werden. Vie immer großer werdende Wein⸗ infuhr bringt allmählich unseren Winzerstand dem Ruin nahe. Dazu kommt, daß ja der deutsche Wein allen möglichen strengen Bestim— mungen unterworfen ist, von denen der ausländische Wein befreit ist. Abg. Vel tin Gente. : Das für die Landmirtschaft so günstige Jahr 1913 war für den Weinbau außerordentlich ungünstig. In manchen Gegenden hat man nur ein Zwanzigstel der sonst üblichen Ernte gehabt. Auch die Qualität der Weine hat sehr gelitten. Die Schädlinge, in erster Linie die Peronospora, die Reblaus und der Heu- und Sauerwurm haben zugenommen. Hier müßte die Regierung alle diejenigen noch besser unterstützen, die sich mit der Bekämpfung dicser Schädlinge beschäftigen. Vielleicht nützen hierbei internatio⸗ nale Abmachungen. Notwendig ist auch ein besserer Schutz unserer nützlichen Vögel. Ebenso halte auch ich eine Aenderung des Wein— gesetzes und besseren Zollschutz für geboten.

Abg. von Heimburg (kons.) bittet um Unterstützung der Be⸗ kämpfung der Rebschädlinge in den Weingebieten.

Abg. Dr. Hahn (kons. : In der Agitation wird immer verlangt, daß alle Lebensmittel möglichst billig geliefert werden müßten. Man erhebt Anklagen gegen diejenigen, die angeblich diese Lebensmittel verteuern. Das gilt für alle Parteien der Linken bis in die Reihen der Nationalliberalen hinein. Erst weiter rechts stößt man auf die Freunde der Produzenten. Früher hatte man nur kleine Mittel, um den Obstbau zu fördern, wie Frachtermäßigungen usw. Wenn die Herren vom Konsumentenstandpunkte aus urteilen, so mögen sie im Auge behalten, daß, je größer das Produktionsquantum wird, desto zahl— reicher auch die Arbeitsgelegenheit wird. Auch der Arbeiter ist zu⸗ nächst Produzent, dann erst Konsument. Erst die Produktion, dann die Konsumtion. Deshalb muß man immer erst den Standßunkt des Produzenten berücksichtigen Und dann erst sehen, was auch fuͤr die Konsumenten getan werden kann. Holland hat ein viel milderes Klima, die Holländer arbeiten unter günstigeren Bedingungen, sie haben niedrigere Arbeitslöhne, Die Entwicklung hat dazu geführt, daß die Konkurrenz auch der überseeischen Produktion immer gefähr⸗ licher geworden ist. Das muß zu einer Senkung der Preise führen. Die Konkurrenz des australischen und kalifornischen Obstes wird noch bedrohlicher, wenn erst der Panama⸗ kanal seiner Bestimmung übergeben sein wird. Im Aus—⸗ sehen ist unser Obst nicht gut, aber die Qualität ist besser, und der Kenner zieht es vor. Wir sollten eigentlich gar keine Obsteinfuhr haben, denn es wäre möglich, den heimischen Bedarf selbst zu decken. Wenn ein Obstzoll bloß in den Zolltarif hineingeschrieben wird, f nützt das noch nichts, denn er kann durch jeden Handelsvertrag be— seitigt werden. Schon im Jahre 1902 wollte der Bund der Land— wirte einen Minimalsatz für den Obstzoll gesetzlich festgelegt haben. Auch Herr Wachhorst de Wente hat ein wohlwollendes Herz für den Obstbau, aber er hat es abgelehnt, den Zoll auch im Minimaltarif fest— zulegen. Der ihm nahestehende nationalliberale Abgeordnete Dr. Voppe hat sich auch gegen die Festlegung des Obstzolles ausgesprochen. Ich hätte mich gefreut, wenn en nicht nur für einen Milch- und Rahm— zoll, sondern auch für einen Obstzoll, eingetreten wäre. Wir haben den Wunsch, daß möglichst viel Nationalliberale die Notwendigkeit des Schutzes auch dieser kleinen Nebenzweige der Landwirtschaft er— kennen. Es würde mich freuen, wenn Herr Wachhorst de Wente er— klären würde ich hätte mich geirrt und er sei für die Festlegung des Minimaltarifs, dann wären es noch andere, die mit uns das Sdium tragen, daß wir dem armen Manne die Lebensmittel verteuern. Der bavrische Bauernbund hat sich für einen Hopfenzoll ausgesprochen. Es würde mich noch mehr freuen, wenn sich auch in Norddeutschland der Bauernbund auf diesen Standpunkt stellen würde. Der Schuß; ist nur gesichert, wenn er ebenso wie der Schutz für den Körnerbau nicht durch Handelsverträge beseitigt werden kann. Freilich hätte ich mich auch gefreut, wenn die Herren in Bavern auch gesagt hätten, daß der Bund der Landwirte alles das schon seit Jahren verfochten hat. Wir freuen uns über jeden Mitkämpfer, und würden es begrüßen, wenn auch bei den Wahlen die Herren sich etwas prętektionistischer gebärden würden. Ich habe einen Glauben an die Menschheit, der durch nichts Hi er üttern ist, und ich habe die Hoffnung, daß die Herren vom Bauernbunde schließlich für diese einzelnen JZweige der landwirtschaftlichen Nebenbetriebe, die ihnen so sehr ans Her; ge⸗ wachsen sind, nicht allein mit Unterstützungen, sondern auch bei den Zöllen dafür eintreten, daß der Unterschied zwischen den Selbstkosten

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In⸗ und Auslandes ausgeglichen wird. Es ist behauptet worden, der Zoll verteuere die Waren, aber nach dem Inkrafttreten des Zolles auf Kohl sind die verschiedenen Sorten des Kohls nicht teurer ge— worden. Wir wollen nicht die armen Konsumenten schädigen, sondern wir wollen sie in die Lage bringen, zu allen Zeiten genügend Lebens—⸗ mittel auf dem Inlandsmarkte zu finden. Das können wir nicht allein in der Fleischnahrung und im Getreide, sondern das müssen wir auch in bezug auf Kartoffeln und Obst erreichen. Im Falle eines Krieges können wir von unseren Nachbarn in Europa keine Lebens⸗ mittel bekommen, Rußland wird kaum auf unserer Seite sein. Es bleibt uns daher nichts anderes übrig, als die Heimatproduktion zu stärken, und wenn es nicht anders geht, durch einen Zoll, der fest⸗ gelegt und verwirklicht wird. Der Gemüseanbau macht fortgesetzt große Fortschritte nicht nur in den Gärtnereien, sondern auch in der Landwirtschaft. Im Jahre 1906 betrug die Anbaufläche für Gemüse in Gärtnereien 466 ha, der feldmäßige Anbau in der Landwirtschaft erstreckte sich über 175 000 ha. Man muß den moralischen Mut haben, das Odium nicht zu scheuen, einen Zoll zu befürworten. Von Natur aus ist jeder Mensch Freihändler. Denkt er aber etwas schärfer nach, dann wird er sich klar, daß, bevor er Konsument sein kann, er vorher Produzent geworden sein muß. Wenn er sich das klar gemacht hat, dann wird er bereit sein, an erster Stelle den Standpunkt des Produzenten gelten zu lassen.

Abg. Braun (Soz.): Auch wir sind durchaus bereit, alle Maß⸗ nahmen zur Förderung des rationellen Obstbaues zu unterstützen, die geeignet sind, uns diesen Zielen näher zu bringen; speziell sind auch wir für die Nutzbarmachung der Moorflächen für diesen Zweck. Ich muß aber die Verwaltung und das Haus darauf hinweisen, daß diejenigen Großberliner Bürger, die in den sogenannten Laubenkolonien sich der Pflege des Obst⸗ und Gemüsebaues mit Hingebung widmen, den größten polizeilichen Schikanen ausgesetzt sind. Einen Schutzzoll auf Obst und Gemüse halten wir aber für verwerflich; gerade das

man diese

holländische Beispiel, aber auch das dänische zeigt, wie Kulturen auch ohne Schutzzoll hochbringen kann. Der Obstkonsum ist in den letzten Jahren ganz erheblich gestiegen; früher war es, weil viel zu teuer, für den Arbeiter und kleinen Mittelstand überhaupt kein Konsumartikel. Sollen diese Kreise jetzt das ausländische Obst in den Zeiten, wo einheimisches nicht zu haben ist, lediglich deshalb entbehren, damit die Produzenten höhere Preise herausschlagen können? Das ist ja gerade der Segen für diesen Teil der Bevölkerung, daß jetzt zu allen Jahreszeiten Obst und Gemüse zu erträglichen Preisen käuflich ist. In Holland kommen die Leute mit niedrigeren Löhnen aus, weil dort das Geld infolge einer vernünftigen Wirtschaftspolitik eine viel größere Kaufkraft hat. Bei uns sind die Löhne gestiegen, aber die Steigerung hat mit der gleichzeitigen Verteuerung aller Lebensmittel und Bedürfnisgegenstände keineswegs Schritt gehalten. Die Produktenpreiserhöhung durch die Zölle schlägt sofort in eine Erhöhung der Bodenpreise um, welche den mit der Zollerhöhung ei— langten Vorteil alsbald wieder beseitigt. Wir haben nicht die ge— ringste Scheu, uns hier auf den reinen Konsumentenstandpunkt zu stellen. Ich muß bedauern, daß der Minister unserer Forderung nach Be— teiligung der Arbeiter an den Landwirtschaftskammern gegenüber einen rückständigen! Standpunkt eingenommen hat. Dieser Standpunkt ist, aber auch kurzsichtig und schädlich. Es handelt sich um eine po— litisch neutrale, rein wirtschaftliche Organisation. Da wäre es doch angebracht, daß der Minister doch wenigstens eine Antwort der Or— ganisation erteilte. Die Landwirtschaftskammer hat sich darauf zurückgezogen, daß wir uns an den Landwirtschaftsminister wenden müßten. Darauf haben wir uns wieder an den Minister gewandt, aber wieder keine Antwort erhalten. Sind wir etwa nur gut genug Steuern zu zahlen und Soldaten zu werden? Solange wir das tun, müssen wir verlangen, als gleichberechtigte Staatsbürger behandelt zu werden. Wenn man den Staatsinteressen das Profitinteresse voran— stellt, dann mag man den Standpunkt des Ministers verstehen. Die Gärtnereibesitzer wollen sich durch ihre Teilnahme an den Gärtnerei— ausschüssen lediglich vor den Gewerbesteuern drücken. Es herrscht i dieser Frage eine sonderbare Rotscheu. In Holland verschmäht e selbst die Königin nicht, die Vertreter solcer Ausschüsse zu empfangen. Ebenso ist es in Dänemark. Ich wünsche das nicht für Preußen, aber diese Fälle zeigen, daß man die Sozialdemokraten nicht als gleich- berechtigte Staatsbürger ansieht. Auch in Süddeutschland existiert die übertriebene Rotscheu der Preußen nicht.

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——

Abg. Wallenborn Gentr): Die Förderung des Obst- und Gemüsebaues ist durchaus notwendig, und deshalb muß auf dem Ge⸗ biete des Unterrichts für diesen Erwerbszweig noch mehr geschehen. Ven Holland können wir darin noch viel lernen. Wegen der fozialen Lasten, die auch der Garten⸗ und Gemüsebau zu tragen hat. und wegen der Steigerung der Löhne muß auch ein genügen

Zollschutz ten, jedoch gebunden

Ins 1118

U De 1 sin da f wird.

Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Freiherr von Schorlemer:

Meine Herren! Ich habe vorbin vergessen, noch eine Anfrage zu beantworten, die sich auf die Unterstützung des Reichsverbandes deutscher Gemüsezüchter bezog. Wir haben diesem Reichs verbande aus staatlichen Mitteln bis jetzt keine Unterstützung gegeben, weil wir der Meinung sind, daß gerade die Gemüsezucht nach den lokalen Ver⸗ hältnissen und Bedürfnissen eingerichtet werden muß, und wir uns von einem großen Reichsverbande nicht den Erfolg versprechen können, wie von lokalen Organisationen, die sich an unsere in Preußen be⸗ stehenden Einrichtungen, vor allem an die Landwirtschaftskammern, anschließen. Ich glaube deswegen, wenigstens vorläufig keine Zusage dahin geben zu können, daß der Reichsverband deutscher Gemüůsezũüchter unsererseits eine Beihilfe erhalten wird.

Ich möchte im übrigen auch noch bemerken, daß bereits jetzt der Gartenbau und Gemüsebau kleinerer Leute und auch der Arbeiter in der Nähe von Städten möglichste Unterstützung der staatlichen Behörden findet. Wenn von anderer Seite darüber geklagt worden ist, daß diese Leute besonderen polizeilichen Schikanen ausgesetzt seien, so wird mir der betreffende Herr Redner ohne weiteres zugeben, daß ich darauf in Ermanglung jeder Kenntnis von den tatsãchlichen Verhältnissen des einzelnen Falles eine Antwort nicht geben kann und dies dem Herrn Minister des Innern, der für die Ausübung der polizeilichen Befugnisse zuständig ist, überlassen muß. ö ö Man klagt so gern und so allgemein über die Teu erung der Lebensmittel und vergißt nur zu leicht dabei, daß, wenn die Preise aller anderen Artikel steigen, die Lebens bedürfnisse immer größer und stärker werden, die Preise der Lebensmittel nicht dieselben bleiben können. (Sehr wahr! rechts) Das gilt von den Fleischpreisen und ebenso auch von den Preisen der Gemüse und der sonstigen Lebens- mittel, insbesendere auch der Milch. Ich glaube, daß man an sich auch selbst von arbeiterfreundlicher Seite ich will sogar welter gehen: von sozialdemokratischer Seite es doch nur anerkennen muß, wenn die produzierende Landwirtschaft den Anspruch erhebt, solche Preise für ihre Produkte zu erhalten, welche die Produktion noch lohnend gestalten. Denn umsonst und mit Minus können Sie niemand zwingen dauernd zu produzieren. (Sehr richtig! rechts) Und wenn eine derartige Preigerhaltung und Preissteigerung auf keinem anderen Wege zu erreichen ist, dann müssen eben auch die Zölle zu Rate ge⸗ jogen werden, Zölle besonders auch in solchen Fällen, wo es sich darum handelt, eine an sich schwache Produktion zu stärken und kon— kurrenzfähig gegenüber dem Auslande zu machen. (Sehr richtig )

Dr.

Qual

illändische Obst zum größeren Teil bereits verkauft sein dürfte.

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die Macht der Natur, gegen Naturereignisse, die in den Jahren 1912

der Qualität des auf amerikanischer Unterlage erzielten Weines. Ich

Was nun die Einfuhr von Obst angeht, so baben wir ihr enüber in Deutschland den einen sehr großen Vorteil, daß die alttät unserer Sorten größtenteils eine ebenso gute, teilweise auch eine bessere ist wie die der ausländischen Sorten. Wenn es uns gelingt, den heimischen Obstbau entsprechend zu heben und vor allem den Verkauf besser zu organisieren, so, glaube ich, werden wir ee. sehr viel leichter die Konkurrenz des Auslandes aushalten konnen, besonders auch deswegen, weil das ausländische Obst teilweise wenigstens zu einer Zeit auf dem hiesigen Markt auftritt, wo das

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Ich wende mich nun noch mit einigen Worten zu den Verhält— nisen des Weinbaus an Rhein und Mosel. Ich kann in u ereinstimmung mit den Herren Abgg. von Wolff-Metternich, Veltin Wallenborn auch meinerselts konstatieren, daß das Jahr 1913 us nicht den berechtigten Erwartungen entsprochen hat, daß seit

Jahre 1911 als die Winzer mit

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9m

perständlich ist, daß ihre Lage augenblicklich als besonders günstig durchaus nicht bezeichnet werden kann. Aber Abhilfe zu schaffen gegen und! ol die besten Aussichten auf Ernte zerstört haben, ist nicht so einfach. Wir müssen meines Erachtens, abgesehen von der Frage, inwieweit

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und ich glaube, nacht worden sind, auch der Kampf gegen den Heu⸗ und Sauerwurm icht mehr so aussichtslos erscheint. Nach den mir gemachten Be⸗ en kann ich annehmen, daß die Anwendung der nikotinhaltigen ätlel sich in vielen Fällen bewährt hat. Ich bin gern bereit, einen rößeren Versuch auch an verschtedenen Stellen mit staatlichen Mitteln unterstützen, weil ich glaube, daß allein dann, wenn man ein solches ttel nicht an einzelnen Orten, sondern in den verschiedenen Wein baugebieten ausprobiert, am ehesten ein zutreffendes Urteil über den dieses Mittels gewonnen werden kann. Aus Hochheim liegt

ie ich dem Herrn Abg. von Heimburg bemerken möchte, ein rartiger Antrag noch nicht vor. Wenn er eingeht, soll er mit tem Wohlwollen geprüft werden. Der Heir Abg. Veltin hat eine Anfrage an mich gerichtet, wegen

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ti

Frage ausreichend noch nicht beantworten, weil noch ver— nismäßig zu wenig Versuche mit derartigen Weinen gemacht sind. Wir haben sowohl auf domänenfiskalischen Grund⸗

icken als auch auf den Besitzungen verschiedener privater Weinbergs— er seit Jahren den Anbau amerikanischer Reben betrieben. Wir auch schon Produkte davon gewonnen. Bis jetzt ist das Er⸗ als ein ungünstiges nicht zu bezeichnen; aber die große Frage, möglich ist, auf amerikanischer Unterlage unter sonst gleichen hältnissen dieselbe Qualität zu erzielen, wie mit den einheimischen heute nech nicht beantwortet werden. Es werden

von Jahren vergehen und in dieser Zeit weitere

ewinnean sein, ehe ein entscheidendes ausschlaggebendes

Ich möchte noch ein kurzes Wort erwidern auf die letzten Aus—⸗ achtungen des Abg. Braune. In jatsächlicher Beziehung möchte ich feststellen, daß auch der Verband der Deutschen Gärtnereigehilfen eine Antwort von dem Ministerium für Landwirtschaft, Domäncn und

oissen erhalten hat; die weitere Korrespondenz ist zunächst mit der andwirtschaftskammer für die Provinz Brandenburg geführt worden, und als dann nochmals an mich das Ersuchen gerichtet worden ist, geben, habe ich diesem Erfuchen nicht stattgegeben,

weil der Verband bereits darüber unterrichtet war, daß von seiner Zu— sehung zu dem Gartenbauausschuß der Landwirtschafte kammer keine tede sein konnte. Die Ausführungen, die in politischer und staatsrecht⸗ licher Hinsicht und unter Bezugnahme auf die Zustände und Begeben⸗ heiten in anderen Staaten außerhalb und innerhalb Deutschlands gemacht worden sind, kann ich wohl mlt dem Hinweis für mich als erledigt ansehen, daß wir uns hier in Preußen befinden (sehr wahr! bei den zialdemokraten), und daß wir unser Verhalten nach unsern und nicht nach den Grundsätzen anderer Staaten einzurichten haben! Sehr richtig! rechts. Sehr bequem! bei den Sozialdemokraten.) und diese unsere Grundsätze bleiben, wie ich vorhin betont habe, die⸗ ich glaube, daß ich sie jetzt nicht nochmals zu wiederholen

Aber auf eins möchte ich dabei doch hinweisen. Hätte ich

es unternommen, den Wünschen des zweifellos sozialdemokratischen Gärtnergehilfenverbandes stattzugeben, dann würde die Wirkung doch jedenfalls eine negative gewesen sein; denn darüber kann doch er— freulicherweise kein Zweifel obwalten: sowohl die Landwirtschafts⸗ kammern wie auch die sonstigen landwirtschaftlichen Vereine sehen von einem Zusammenarbeiten mit Sozialdemokraten und sozialdemokratischen Verbänden in Vertretung ihrer Interessen ab. (Bravo! rechts. Abg. Adolf Hoffmann: Sie werden sich auch noch daran gewöhnen müssen, wie Sie sich hier auch daran gewöhnen mußten!) Ich habe die Landwirtschaftskammern ausdrücklich darauf hingewiesen, daß zu Gartenbauausschüssen nicht allein die Arbeitgeber, sondern auch Vertreter der Arbeitnehmer zuzuziehen wären, und ich hoffe, daß die Landwirtschaftskammern auch dieser meiner Aufforderung entsprechen Es gibt Gott sei Dank! in Preußen und Deutsch—

nd noch Tausende von ländlichen Gärtnereigehilfen, die nicht daran ten, der sozialdemokratischen Organisation beizutreten. (Bravo! rechts. Abg. Hirsch (Berlin): Nach dieser Rede treten noch

bi a d de Wente (ul): Es ist darauf hingewiesen en, daß Holland in bezug auf Obst und Gemüse vorbildlich sei. liegt mit daran, daß die holländische Regierung schon in sehr

nterstül ar hten Mooren die Ob i daß auch auf ( s geschaffen würden. Seinerzeit hat Herr von Landsberg Landesökonomiekollegium seine günstige Beobachtung mit ie er in Holland in dieser Beziehung gemacht hat. Aber nicht Staatsregierung kann den Obst⸗ und Gemüsebau sopdern,

uch vor allem die Kommunen und vielleicht auch die Land—

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keiten bedacht. Wenn det Bund der Landwirte nichk bei jeder Ge—⸗ legenheit den Bauernbund zitierte, so würden wir noch nicht die Be⸗ achtung gefunden haben, deren wir uns heute erfreuen. Ich habe aller dings in einer Versammlung des Wahlkreises des Abg. Hahn ge— sprochen, nicht nur in einer, sondern in vielen. Nachdem der Abg. Hahn auch in meinem Wahlkreise gesprochen hatte, glaubte ich es der Hof— lichkeit schuldig zu sein, auch in seinem zu sprechen. Ich habe dabei allerdings auch über den Obstzoll gesprochen. Ich nahm in dieser Frage genau den Standpunkt ein, den meine Fraktion einnimmt und den auch der Vertreter des Zentrums heute vertreten hat, nicht den extremen Standpunkt, sondern ich vertrat eine Politik, die nicht nur den Inter⸗ essen der Produzenten, sondern auch denen der Konsumenten entspricht. Eine extreme Schutzzollpolitik haben wir nie gemacht und werden sie auch nie machen. Es kann nicht zweifelhaft sein, wer im Jahre 1902 dem deutschen Volke und auch der Landwirtschaft den größeren Vorteil gebracht hat, diejenigen, die die extremen Forderungen aufstell ten oder die, die auf mittlerer Linie den Zolltarif überhaupt erst ermöglichten.

Abg. Veltin Gentr.) hält gegenüber den Ausführungen des Abg. Braun seine Behauptungen aufrecht.

Ahg. Haenisch

Werksl

(Soz.): Nach den Berichter Jahren 1899 bis 1901 di 25 und der Dur

3

e 1907 waren die

r Kruppschen e Preise für den chschnittslohn um len 16,36 23 und

ah

Vorredner hat seine Ziffern nur dadurch gewinnen z

können, daß er die Zeit von 1871 ab in Betracht gezogen hat. Es kommt aber nicht auf die damalige Zeit, sondern auf die jetzige an. Der Gärtnerverband, dem der Minister nicht geantwortet hat, ist durchaus keine sozialdemokratische, sondern eine gewerkschaftliche Or⸗ ganisation. Aber schließlich wird sich die preußische Regierung wohl auch einmal daran gewöhnen müssen, mit sozialdemokratischen Organisa—

tionen zu verhandeln. Die ganze bisherige Beratung des Landwirt—

schaftselats war ein einziger Schrei nach neuen Zöllen. Das ist ein Alarmruf für das ganze arbeitende Volk. Man muß das Volk auf die dunklen Pläne der Zollwucherer aufmerksam machen. Wir führen den Kampf um die Gesundheit und das Wohl des deutschen Volkes. Das preußische Und das dl tsche Volk s

werden uns später für diesen Kampf dankbar —ĩ

wirklich vaterlandsfreundliche r. Hahn (kons.): Die Entwicklung Deutschlands wäre Zolltarif nicht eine derartige gewesen. Die Löhne sind ge— stiegen, und es hat sich ein Wohlstand eingestellt, um den uns die Nachbarländer beneiden. Wir brauchen nur unsere Entwicklung mit der Englands zu vergleichen. England muß seine Kapitalien ins Aus— land schicken, während wir sie für unsere immer mehr wachsende In— dustrie brauchen. Das verdanken wir unseren Erfindern, den Ge— lehrten und dem Wagemut der Kaufleute. Es ist eine Fülle von Arbeitsgelegenheit geschaffen worden, an die in den 1870er Jahren der kühnste Optimist nicht gedacht hat. Holland hat keine blühende Industrie, da ihm der Schutzzoll fehlt. Wenn der Schiffsbau dort so floriert, so geschieht es nur, weil unsere Industrie die Halbzeugfabrikate im Auslande billiger verkauft. Da England keinen Schutzzoll hat, so kann dort die Entwicklung der Industrie nicht mehr im alten Tempo fortgehen. Die Arbeiter müssen infolgedessen auswandern, während wir Arbeitskräfte aus dem Auslande heranziehen müssen. Selbst auf unserer Linken sitzen sehr viel Schutzzöllner. Der Abg. Korell könnte it dem Abg. Wachhorst de Wente ruhig in Wetteifer treten. Aber n halten zu uns, weil wir ihnen zuverlässiger sind. Der at s it, daß man in ländlichen Wahlkreisen nicht d ö richters auftreten k ß sie keine extremen Die Sozialdemokratie will im Gegensatz zu anderen

. 8 R 52 3 23 868 2 eka nur die Interessen eines einzelnen Standes, des Arbeiter

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Parteien standes, vertreten, aber sie will nur die Arbeiter in Gegensatz zu allen anderen bringen. Was würde aber aus den Arbeitern werden, wenn das wirklich der Fall sein sollte. Das haben die christlichen Arbeiter⸗ vereine längst eingesehen. Deshalb wollen sie mit der bürgerlichen Ge⸗ sellschaft zusammengehen. Der Herr Minister hat erklärt, daß er sich niemals mit der Sozialdemokratie einlassen würde. Leider haben wir Fälle gehabt, wie bei dem Abschluß der Caprivischen Handelsverträge, daß die Sozialdemokratie auf seiten der Regierung stand. Es ist jedoch ine alte Erfahrung, daß da, wo die Sozialdemokraten Stützen des Das haben wir auch in der Verfassungs—⸗

die Billigung der Sozialdemo⸗

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hat sich schwer gehütet, davon zu reden, Freunde freisinnige Abgeordnete in das Haus hahe im Kampf gegen Kandidaten, die doch eigentlich für ihre Politik eintraten. Schweigen bedeutet Zustimmung. Der Abg. Wachhorst de Wente hat sich nicht zum Schutz des Obst⸗ baues geäußert. Er hat gleich den Kampf eröffnet und unsere Ziele als ertreme bezeichnet. Aber die Herren haben damals aus taktischen Gründen sich nur auf die mittlere Linie zurückgezogen, als die Re⸗ gierung es verlangte. Man hatte Angst vor dem Auslande und glaubte, günstige Handelsverträge nicht erlangen zu können. Aber auch hier hängt der Erfolg von der Energie ab, mit der unsere Inter⸗ essen vertreten werden. So ist es auch Rußland gegenüber. Das ist mehr auf uns, als wir auf es angewiesen. Rußland kann uns nicht die Bedingungen eines Handelsvertrages diktieren. Diejenigen, ie damals die Getreidezölle festlegen wollten, stellten das heimische Interesse über das des Auslandes. Natürlich sollten auch der Industrie Ldieselben Zollsätze bewilligt werden. Wir wollen mittlere Preise. Hohe würden uns selbst schädigen. Der Konsument und der Pro⸗ müssen auf ihre Rechnung kommen. Handelsverträge wären

Man hätte dann eben einen neuen

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wirklich mittlere Politik betreibt, dann hätte er unsere Politik unter— stützt, die an das Wohl aller dachte. Er meinte, er wäre dem Bunde der Landwirte dankbar, daß er so oft genannt würde. Dann wäre aber der Bauernbund zu bemitleiden, wenn er nur davon lebte. Die wahre Natur des Bauernbundes werden wir ja erkennen, wenn es zu den Abstimmungen im Reichstage kommt. VJ ö

Abg. Veltin Gentr.): Ich möchte nur darauf hinweisen, daß Kartoffeln und Schwarzbrot wesentlich billiger geworden und die anderen Lebensmittel auch nicht teurer geworden sind.

Abg. Wachhorst de Wente (nl,): Mir ist Unzuverlässigkeit vorgeworfen worden. Ich möchte doch da die Entscheidung in die Hauses legen, wer von uns beiden der Zuverlässigste ist.

Vand des Ich möchte auch daran erinnern, wie der Zentrumsabgeordnete Szmula über den Herrn gedacht hat. Die fünf Wahlkreise in der Provinz Hannover hat der Bund der Landwirte verloren. Kein einziger der Abgeordneten hat wieder das Tor des Reichstags passiert. Auch die Konservatipen sind ja öfters mit anderen Parteien zusammengegangen, ohne sich deren Programm zueigen zu machen, so der Bund der Land wirte das letzte Mal mit den Welfen. Man sollte uns deshalb nicht so naive Vorwürfe machen. Meine Meinung habe ich doch dadurch geäußert, indem ich erwähnte, daß ich der Meinung meiner Vorredner bin. Das sollte doch genügen, vorausgesetzt, daß der Abg. Dr. Hahn bei den Reden im Saal war. Der Abg. Hahn glaubte es noch zu erleben, daß wir der Fahne des Bundes der Landwirte folgen. Das ist unmöglich, solange man mit derartigen Zollforderungen kommt. All das kann man vor Leuten reden, die von Politik nicht allzuviel ver— stehen. Die nationalliberale Partei hat es niemals fehlen lassen an Fürsorge für das Wohlergehen der deutschen Landwirtschaft. Der Abg. Dr. Hahn macht es, wie die Herren aus seiner Rednerschule, nämlich viele Worte, die wenig Inhalt haben. Das Vorgehen des Dr. Hahn kann der Landwirtschaft nur schaden. . Abg. Hirsch-Berlin (Soz.): Es entspricht den Gepflogen—

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hafts kammern. Die Gründung von Absatzgenossenschaften ist noch die ron Produktivgenossenschaften, Heute fehlt 36. Liel—=

han Atfatz. Der Absettĩz Bremens und die Zahl der Gemüsehändler sst verdreifacht Lurch eine Absatzgenossenschaft. Das Beispiel verdient Nachahmung nicht nur im Interesse der Produzenten, sonderm auch ger tons zilligen Ge⸗

Konsumenten, denen namentlich an dem Kauf frischen, bill . es liegt. T hn hat mich wieder mit einigen Freundlich⸗

Der Abg. Hal

heiten dieses Hauses, der Linken und namentlich den Sozialdemo⸗ kraten vorzuwerfen, daß sie durch ihr Eingreifen die Debatte in die Länge zögen und die rechtzeitige Erledigung der Ftatsberatungen ver— hinderten. Kommt bei nächster Gelegenheit dieser Vorwurf wieder, dann werden wir nur das Protokoll der heutigen Sitzung vorzuhalten brauchen. Dr. Hahn hat zu dem Beratungsgegenstand sehr viel gesagt,

Ros in den

Reichstag gebörk: aber er hat es fertig be n, bei dieser Gelegenheit auch über die Verfassung von Elsaß⸗ ingen, über das Programm der Sozialdemokraten, über das zeschippen in Berlin ufw. zu sprechen. Mit dem Abg. Wachhorst Wente sage auch ich, Dr. Hahn hat viele Worte gemacht, hinter enen aber absolut nichts steckt. Schneeschippen anlangt, ist festgestellt, daß die Meldungen der Arbeitslosen so zahlreich ge⸗

Was das

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ahn meint, wir wollten vom Schutz der R

ñ Wir sind vielleicht die einzige Partei, die diesen Schutz wirklich will, wir wenden uns aber dagegen, daß man unter diesem Deckmantel eine Politik zur Verteuerung der Lebenshaltung der Ar— beiterschaft treibt. Wir wollen nicht nur die heimische Arbeit, son— dern auch die heimischen Arbeiter schützen. Sie (rechts) wollen diesen das Koalitionsrecht rauben und die Arbeiterschaft an Händen und Füßen geknebelt dem Unternehmertum ausliefern. Daß wir eine Klassenpartei sind, haben wir nie bestritten: aber auch alle übrigen Parteien sind Klassenparteien, eine der nacktesten Klassenparteien sind die Konservativen. Wir nehmen uns aber nicht ausschließlich der Arbeiterinteressen, sondern der Interessen aller Kreise der Bevölkerung an. Daß der Wohlstand in Deutschland gestiegen ist, haben wir auch nie bestritten. Im Gegenteil sucht uns ja é die Regierung zu widerlegen, wenn wir bei den Etatsberatung en Nachweis liefern, wie ungeheuer der Wohlstand sich gehoben hat. Diese Hebung ist aber besonders bei den wohlhabenden und reichen Schichten der Be— völkerung eingetreten; Mittelstand und Arbeiterschaft haben nur in ganz geringem Maße daran teilgenommen. Einkommensteuer⸗ erträge sind kein Beweis, denn die Einkommen sind keineswegs in gleichem Maße gestiegen, wie die Steuerveranlagung verschärft worden ist. Außerdem ist der Geldwert gesunken. Ein Einkommen von 1500 MM ist heute weniger wert, als ein Einkommen von 1200 6 vor zehn Jahren. Daß die Arbeiterlöhne absolut, nicht relativ, ge⸗ stiegen sind, ist geschehen trotz der Schutzzollpolitik, einzig und allein mit Hilfe der gewerkschaftlichen Organisationen. Das wollen Sie

gerade unmöglich machen. Daher das Drängen nach einem Zucht— hausgesetz.

Die Löhne sind vor allem nicht im Verhältnis der Ver— teuerung der Lebenshaltung der Arbeiter gestiegen. Die Nahrungs— mittelpreisstatistik der Konsumanstalten der Firma Krupp ergibt in ihrer Gesamtziffer mit größter Deutlichkeit, daß die Löhne auch bei Krupp nicht so gestiegen sind, wie die Preise der Lebensmittel.

Abg. Dr. Hahn (kons.): Wie ist denn eigentlich diese allgemeine Zoll- und Wirtschaftsdebatte entstanden? Dadurch, daß der Abg. Varenhorst mit Recht darauf hinwies, wie notwendig es sei, der Land— wirtschaft gegenüber dem Auslande den nötigen Schutz durch Zölle an— gedeihen zu lassen. Ich würde dem Abg. Wachhorst de Wente dankbar dafür sein, wenn er endlich einmal die Freundlichkeit haben wollte, den Tatsachen, die ich vorgetragen habe, zuzustimmen und zuzugeben, daß sie so und nicht anders gewesen sind. Er hat von der extremen Politik des Bundes der Landwirte gesprochen und behauptet, daß dieser einen Futtergerstenzoll von 7,50 60 verlangt hätte. Das ist nicht richtig. Wir haben einen gesamten Getreidezoll, einschließlich der Gerste, von 7,50 „S verlangt, damit es in Deutschland möglich ist, alle Getreide— sorten genügend auszubauen. Anderseits sind wir bereit gewesen, den Futtermittelkonsumenten dadurch zu helfen, daß wir einen einheitlichen Fleisch⸗ und Viehzoll von 20 (M forderten. Der Abg. Wachhorst de Wente sollte doch endlich der Wahrheit und den Tatsachen die Ehre geben. Wir haben diesen Zoll von 7,50 niemals absolut verlangt, sondern darauf hingewiesen, daß die Agrarzölle ein Korrelat der In— dustriezölle wären, um die Landarbeiter auf dem Lande festzuhalten. Es wäre doch gut, wenn die Zuhörer des Abg. Wachhorst de Wente die objektive Wahrheit erfahren würden. Ich will ihm da nicht den guten Glauben absprechen, nur sein Gedächtnis muß etwas mangelhaft sein. Wenn der Abg. Wachhorst de Wente die von mir angeführten Tat— sachen seinen Leuten mitteilte, so würde es mit der ganzen Bewegung des Bauernbundes in kurzer Zeit zu Ende sein. Der Abg. Wachhorst de Wente würde keinen Erfolg haben, wenn er nicht die Kleinen gegen die Großen mobil machte, was die Sozialdemokraten auch tun. Wenn aber die Kleinen erst erkennen werden, daß ihre Interessen dieselben sind wie die Interessen der Großen, dann werden sie sich von der Seite der Großen nicht fortziehen lassen. An dem Verkauf seines Schweines hat der Kleine dasselbe Interesse wie der große Mastzüchter. Es sind das die alten Mittel der Demokratie, mit denen der Abg. Wachhorst de Wente gewisse Erfolge erzielt. Er hat es so dargestellt, als wenn der Bund der Landwirte die nationalliberale Partei als ganzes ange— griffen hätte. Das hat er niemals getan, schon deshalb nicht, weil eine ganze Anzahl Nationalliberaler Mitglieder des Bundes sind, sich auf das Programm des Bundes veipflichtet haben. Alle Nationalliberalen, die auf dem alten Standpunkte des Schutzes der nationalen Arbeit mit den Konservativen und dem Zentrum zusammenarbeiten, sind uns herz⸗ lichst willkommen. ö.

Graf Oriola war sogar Vorsitzender des Bundes im Großherzogtum Hessen. Wir betrachten es als das größte Unglück, wenn die nationalliberale Partei nicht mehr die alte Rechtsrichtung festhielte, sondern sich mit den Freisinnigen und sogar Sozialdemo— kraten verbände. Leider hat der Abg. Wachhorst de Wente in seinem „Deutschen Kurier“ den Abg. Rebmann aus Baden in der ersten Nummer zu Worte kommen lassen, dessen Tendenzen genügend bekannt sind. Der gegebene Anschluß für die Nationalliberalen sind die Kon⸗ servativen und nicht die Freisinnigen und Sozialdemokraten. Daß wir in wirtschaftlichen und sozialen Fragen mit dem Zentrum zusammen⸗ gegangen sind, darauf sind wir heute noch stolz. Wie war es doch mit dem Besitzsteuerantrag Erzberger? (Große Unruhe; Präsident Dr. Graf von Schwerin bittet den Redner, auf diese allgemeinen Fragen nicht weiter einzugehen.) Es ist nicht meine Schuld, daß diese Debatte sich so erweitert hat. Die landwirtschaftlichen Produkte haben heute keinen hohen Preis. Die hohen Preise existieren nur in der Phan⸗ tasie der Sozialdemokraten. Kartoffeln sind geradezu unverkäuflich ge⸗ wesen, wir wären froh aewesen, sie loszuweiden, selbst an einen Hoffmann. Gegen eine Ausführung des Abg. Wachhorst de Wente muß ich mich verwahren. Meine Freunde haben keine Parole für die Welfen ausgegeben, im Gegenteil. Nur hat man es von meinen Freunden in Hannover nicht verlangen können, daß sie bei der Stich⸗ wahl zwischen dem Abg. Wachhorst de Wente und einem Welfen für den Abg. Wachhorst de Wente stimmten. Wir waren anderseits darüber nicht im Zweifel, daß der Welfenkandidat uns wirtschafts⸗ politisch außerordentlich viel näher stand als der Abg. Wachhorst de Wente. Die Zukunft wird das ja zeigen, und erst dann werden wir uns ein endgültiges Urteil darüber bilden können, ob der Abg. Wach horst de Wente zuverlässig ist oder nicht. Wir werden uns unser Urteil aus seiner Abstimmung und nicht aus seinen schönen Worten bilden.

Abg. Dr. Pachnicke (fortschr. Volksp.): Lediglich der Abg. Hahn hat heute es verschuldet, daß die Debatte diesen Umfang genommen hat. Diese Debatte war weiter nichts als ein Auftakt zur agrarischen Woche. Ich hoffe nun, daß die Herren konsequent sein und uns nicht das Wort abschneiden werden, wenn wir bei einer anderen Gelegenheit dasselbe Recht für uns beanspruchen. In sachlicher Beziehung brauche ich nur auf das hinzuweisen, was bereits von einem unserer Parteifreunde gesagt worden ist.

Abg. Wachhorst de (nl): Ich hätte mich gar nicht zum Worte gemeldet, wenn ich nicht von dem Abg. Dr. Hahn in dieser Weise angegriffen worden wäre. Er hat mich gebeten, ich möchte doch der Wahrheit die Ehre geben. Als er dann sah, daß ich mich zum Worte meldete, hat er seine Bemerkung abgeschwächt, indem er sagte, er wolle mir nicht den subjektiven Vorwurf der Unwahrheit machen, er bedauere nur, daß ich ein schlechtes Ge⸗— dächtnis hätte. Ich hätte nun gedacht, er würde mir nachweisen, wo mich das Gedächtnis im Stich gelassen hätte oder wo ich eine Unwahr— heit gesprochen hätte. Ich habe nur gesagt, daß der deutsche Bauern—⸗ bund oder die nationalliberale Partei nicht in der Lage seien, derartig hohen Zollsätzen zuzustimmen, wie sie bei der Futtergerste von dem Bunde verlangt wurden. Daß dieser daneben auch noch andere hohe Zölle forderte, habe ich ebensogut gewußt, wie der Abg. Dr. Hahn. Abg. Hahn hat hier unterstellen zu müssen geglaubt, daß ich eine Politik treibe, dahin, die Kleinen gegen die Großen aufzuhetzen. Ich muß diesen Vorwurf auf das allerenergischste zurückweisen. Das ist nicht unsere

; Wente

Politik, ganz im Gegenteil. Der Abg. Hahn wird mir nicht nach