1914 / 35 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 10 Feb 1914 18:00:01 GMT) scan diff

Aufträge, die der Reichskanzler ertellt, beispielsweise Denkschriften, wie sie jetzt in Arbeit sind über die Vorkommnisse bel Streiks, über die Verhältnisse bei den Unions und was dergleichen mehr ist, und außerdem soll die Abteilung aus eigener Initiative, soweit ihr dazu Zeit bleibt, arbeitsstatistisches Material verarbeiten und veröffentlichen. Zur letzteren Kategorie dieser Veröffentlichungen gehört in erster Linie das Reichsarbeiteblatt und die Beiträge zur Arbeiterstatistik. Daraus ergibt sich also, daß, wenn allgemeine größere Aufträge durch den Reichskanzler erteilt werden, unter Umständen die Tätigkeit auf dem zweiten Gebiet in gewissen Grenzen eingeschränkt wird. Das ist namentlich dann zweckmäßig, wenn die Denkschriften, die der Reichs⸗ kanzler anfordert, wie das augenblicklich verschiedentlich der Fall ge⸗ wesen ist, Materien umfassen, die blsher von dem statistischen Amt aut eigener Inittatlve in kleineren Veröffentlichungen bearbeitet oder in der Bearbeitung begriffen waren.

Im übrigen ist die Annahme, daß die Abteilung für Arbeiter statisttk für die Geschäfte anderer Abteilungen herangezogen wird, unzutreffend, ebenso wie die Annahme unzutreffend ist, daß die arbeiterstatistische Abteilung mit unzureichenden Kräften und Mitteln versehen sei. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß im Etat für 1914 für das Kaiserliche Statistische Amt und zwar zur Verwendung in dieser Abteilung die Stelle eines Mitgliedes neu angefordert wird. Ferner werden von den neu in Ansatz gebrachten Sekretärstellen vier der Abteilung für Arbeiterstatistik überwiesen werden. Bet der Bemessung der Mehrforderungen beim Hilfsleistungsfonds, Kap. 10 Tit. 5, ist endlich davon ausgegangen, daß etwa 12 000 für die Arbelterstatistik mehr aufzuwenden sein werden. Dlese Forde⸗ rungen sind, worauf ich noch besonders hinweisen möchte, längst vor dem Erscheinen des Artikels im „Vorwärts' in den Anträgen des Statistischen Amts zum Etat erhoben und bereits im Juli 1913 dem Reichsschatzamt übermittelt worden. Die Abteilung für Arbeiter- statistik befteht zurzeit aus 1 Direktor, 4 Mitgliedern, 6 ständigen Mitarbeitern, 1 wissenschaftlichen Hilfsarbeiter, 15 expedierenden Sekretären, 22 Sekretariatsassistenten, 9 Bureaudiätaren und Bureau⸗ hilfgarbeitern, 2 Bureauhilfsarbeiterinnen und 2 Kanzleidienern. Ich habe keine Abteilung im statistischen Amt, die mit wissenschaftlichen Kräften so reichlich dotiert ist wie diese Abteilung. Ich glaube, da⸗ mit wird wohl die Sage aus der Welt geschafft sein, daß die Arbeiten auf diesem Gebiete eingeschränkt werden sollten zugunsten anderer Arbeiten. (Bravo!)

Der Herr Vorredner hat dann dem Wunsche Ausdruck gegeben, daß die Verarbeitung der Berufs, und Betriebs- zählung, wie sie bezüglich der Landwirtschaft schon erfolgt und veröffentlicht ist, auch ausgedehnt werden möchte auf Handel und Industrie. Ich glaube, auch darauf ist in der Budget⸗ kommifsion schon die Antwort gegeben, daß das selbstverständlich geschehen soll.

Endlich hat der Herr Vorredner se inem Bedauern darüber Aus- druck gegeben, daß bei der durch die Zentralisierung der Ausfuhr⸗ statistik erforderlich gewordenen Vermehrung des Personals durch Zollaufseher baverische Anwärter gar nicht oder nicht in dem Umfange berücksichtigt seien wie die Anwärter aus anderen Bundes⸗ staaten. Meine Herren, die Sache findet ihre Erklärung darin, daß die Zentralisierung nur schrittweise vorgenommen wird und Bayern den Wunsch ausgesprochen hat, daß die Uebernahme der Arbeiten der baxerischen Zollstellen zuletzt erfolgen möchten. Diesem Wunsche der bayerischen Regierung entsprechend werden erst in diesem Jahre die in Bayern abgegebenen Anmeldungen vom Statistischen Amt zur Aufarbeitung herangezogen werden und dann wird auch eine entsprechende Anzahl bayerischer Anwärter in den Dienst des Statistischen Amts übernommen werden.

Abg. Thiele (Soz.): Die Statistik hat lediglich die Be⸗ schaffung von Tatsachen zur Aufgabe. Jede tendenziöse Färbung oder Frisierung muß sernbleiben. Aber unsere Statistik int nicht ganz tendenzlos. Bei der Handelsstatistik, deren Schwierigkeiten ich nicht verkenne, die aber überwunden werden müssen, muß auch auf den Warenwert und Warenpreis Rücksicht genommen werden. Notwendig ist auch eine Statistik über die Entmündigung. Hier müssen wir auf Grund der bedenklichen Vorgänge auf diesem Gebiet einmal eine Uebersicht bekommen, wieviel Anträge und von wem sie gestellt werden.

ag. Legien (Soz.): Seit vier Jahren schweben Erwägungen über eine amtliche Streikstatistik. Dabet bandelt es sich nur um die Aenderung eines Formulars. Die amtliche Statistik ist in vielen Punkten unrichtig, indem einzelne Streiks überhaupt fehlen. Viel⸗ leicht will man aber nur Material für eine Zuchthausvorlage er— halten.

Stellvertreter des Reichskanzlers, Innern Dr. Delbrück:

Meine Herren! Daß Streikstatistik, so wie sie jetzt besteht, und so wie ste jetzt beschaffen ist, nicht allen Anforderungen entspricht, ist von mir von dieser Stelle aus wiederholt anerkannt worden. Es handelt sich aber dabei nicht lediglich darum, eine Veränderung der Formulare eintreten zu lassen, sondern es handelt sich darum, eine andere Grundlage für die Ermittlungen zu finden. Ueber diese Grundlage, für die ich die Organe der verbündeten Regierungen und der einzelnen Bundesstaaten brauche, schweben in der Tat noch Verhandlungen, die ich unausgefetzt gefördert habe, solange ich im Amte bin, ohne sie zu einem Abschlusse zu bringen. Ich kann dem Herrn Abg. Legten versichern, daß ich außerordentlich glücklich sein würde, wenn ich ihm einen Termin mitteilen könnte, bis zu dem diese

Verhandlungen abgeschlossen sein werden.

Die Ausgaben werden bewilligt.

Bei den Ausgaben über

kommission bemerkt der Abg. Krings (Zentr... Aus den Kreisen der Arbeiter des Westerwalds liegen lebhafte Klagen darüber vor, daß das Eichungs— gesetz in seinem 5 6 auf die Förderwagen in der Hartsteinindustrie nicht angewandt wird. Diese Nichtanwendung erschwert die Lohn⸗ berechnung. Die Arbeitslöhne müssen in einer Weise ermittelt werden, daß die Arbeitaehmer sich nicht benachteiligt glauben. Es muß mehr Einheltlichkeit in der Lohnberechnung herbeigeführt werden. Der Reichskanzler als Ministerpräsident sollte die geeigneten Schritte tun, daß das Reichsgesetz im ganzen Deutschen Reiche durch⸗ geführt wird. Es ist auffallend, daß seit der Verabschiedung des Ge⸗ jetzes im Jahre 1908 bis jetzt keine Klärung über die Ausführungs— bestimmungen erfolgt ist.

Direktor im RNeichsamt des Innern von Jonguidres; Die Hartsteinindustrle ist von der Vorschrift des sz 6 nicht befreit worden. Die betreffenden Wagen sind , , Der Reicht kanzler hat die Bundestregierungen gebeten, der Angelegenheit ihre be—⸗ sondere Aufinerksamkeit zuzuwenden. Die Steingrubenbesitzer haben sich nun darüber beschwert, daß aug der Gichpflicht dieser Wagen besondere Unzuträglichkeiten sich ergeben. Eine Befreiung ist nicht

Staatssekretär des

die Normaleichungs⸗

daß, vorbehaltlich von Ausnahmen im technischen Interesse,

eingetreten. Später haben sich Zweifel ergeben. Der preußische Handelsminister hat sich aber der Auffassung des Reichsamts des Innern angeschlossen und den Standpunkt vertreten, daß in sfabrikmäßigen Betrieben auch die Förderwagen der Eichpflicht unterliegen. Die Jaduftrie muß die Schwierigkeiten, die un zweifelbaft mit der Eichung verbunden sind, auf sich nehmen. Die Verhältnisse in den Steinbrüchen sind erheblich kleiner und minder schwierig als im Bergbau. Ob eine Befreiung dutch eine Verordnung des Bundesrats erfolgen könne, erscheint mir recht zweifel haft. .

Abg. Burckhardt (Wirtsch. Vgg.): Ich dem Ministerialdirektor für diese Auskunft.

Die Ausgaben werden bewilligt.

Zu den Ausgaben für das Reich sgesundheitsamt liegen fünf Resolutionen vor: 1) Behrens, auf Untersuchung über die gesundheitliche Schädigung der im Weinbau beschäftigten Personen, 2) van Calker, auf Regelung der Arbeits- und Nechtsverhältnisse des Krankenpflegepersonals in privaten und öffentlichen Anstalten, 3) Albrecht, auf Vorlegung eines Gesetz⸗ entwurfes zur Regelung des Hebammenwesens, 4) Graf Posadowsky, die verbündeten Regierungen zu ersuchen, auf der nächsten internationalen Konferenz in Bern dafür einzutreten,

danke

einzelnen Industrien die Nachtarbeit für Jugendliche unter 18 Jahren verboten wird, 5) Behrens und Dr. Dahlem, auf Erlaß einer Bundesratsverordnung zur Regelung der Arbeits⸗ zeit in der Binnenschiffahrt und Flößerei.

Aba. Antrick (Soz.): Die bescheidensten Ansprüche des Kranken hauspflegepersonals müssen sobald als möglich erfüllt werden. Die Resolution van Calker verlangt etwas, was schon vor zwei Jahren durch eine Resolution Ablaß verlangt worden ist. Sie genügt nicht; genügte sie, so wäre in dieser Frage schon etwas geschehen. Der Bundesrat hat in seiner Entschließung kundgegeben, daß über diese Frage „Erwägungen“ schweben. Was daraus ge⸗ worden ist, wissen wir nicht. Wir verlangen klare, feste gesetzliche Bestimmungen über das, was auf diesem Gebiete geschehen muß. Wir verlangen in einer Resolution, die wir schon zum Staats⸗ sekretärgehalt gestellt haben, obligatorische Ausbildung des Pflege⸗ personals, weil die fakultative ihren Zweck nicht erfüllt und dahin ge⸗ führt hat, daß der Lohn des Personals ein sehr geringer geblieben ist. Wir verlangen ferner eine Neureg lung der bestehenden Prüfungsvor— schriften. Die jetzigen Krankenpflegeschulen sind ein Lockmittel ge⸗ worden, man lernt aber nichts in ihnen. Für ein lumpiges Gehalt von 30 M müssen junge Leute sich 16—18 Stunden in diesen Pflege⸗ schulen abplagen, um etwa nach zwei Jahren geprüft und entlassen zu werden. Ich habe hier ein bezügliches Inserat einer Kranken pflegeschule vor mir. Was wird den Krankenwärtern denn bei⸗ gebracht? Man sucht sich auf diese Weise ein billiges Pflegepersonal zu beschaffen. Als die betreffenden Wärter einer Anstalt eine Lohn— erhöhung verlangten, wurde ihnen gesagt, für Schüler seien 30 ( genug. Eine Aenderung und Besserung auf diesem Gebiet ist nur möglich durch eine Aenderung der bestehenden Prüfungevorschriften. Diese müssen wesentlich vereinfacht werden. Die Prüfungsgebühr ist übermäßig hoch, sie bettägt 24 ½è. Wir verlangen weiter die Unter— stellung des Pflegepersonals unter die Reichsgewerbeordnung. Die Entwicklung in der Krankenpflege hat aus der freien Liebes⸗ tätigkeit einen technisch geordneten Lebensberuf gemacht. Das Pflegepersonal muß dieselben Rechte und Pflichten haben, wie sie allen Arbeitern auf Grund der Gewerbeordnung auferlegt sind. Jetzt untersteht nur ein verschwindend kleiner Teil des Pflege⸗ personals der Gewerbeordnung; die meisten Pfleger stehen außerhalb derselben, können aber, was noch schlimmer ist, irgendeiner mittelalter⸗ lichen Gesindeordnung unterstellt werden und sind ihr unterstellt worden. Nur durch eine stramme Organisation des Persongls können die Krankenhausverwaltungen gezwungen werden, die bessernde Hand an⸗ zulegen. Heute kann sich aber jede Krankenhausverwaltung heraus⸗ nehmen, ihr Personal einer Behandlung zu unterwerfen, wie sie das Gesinde auf einem ostpreußischen Gutshof erfährt; es gibt Ver⸗ waltungen, die den Beitritt zu irgendeinem Krankenpflegerverein oder ⸗bund untersagen oder den Austritt anbefehlen und schriftliche Anerkennung bezüglicher Reverse verlangen, ja sogar dem Personal vorschreiben, was sie lesen dürfen! Wir fordern ferner die Festsetzung einer zwölfstundigen Dienstzeit (Tag⸗ und Nachtschicht) allwöchentliche Mindestruhezeit von 24 Stunden, Beseitigung des Kost⸗ und Logiszwanges in der Anstalt, soweit nicht unüberwindliche Hindernisse dem im Wege stehen. Ich habe im vorigen Jahre bereits an der Hand eines reichen statistischen Materials nachgewiesen, daß eine solche Regelung notwendig, aber auch möglich ist, daß zurzeit dagegen noch fast durchweg eine übermäßig lange Arbeitszeit bis zu 18 Stunden herrscht. Gegen diese meine Be⸗ hauptung wandte sich damals der Kollege Dr. Gerlach aus dem Zentrum; ich nehme an, daß er die zahlreichen Zuschriften, die mir aus diesem Anlaß zugegangen sind, auch erhalten hat, auch diejenige, die nachweist, daß sogar in der Krankenanstalt, in der er selber tätig war, eine solche üble Arbeitszeit von 95 Stunden wöchentlich bestand. Das Spazierengehen der Pfleger mit den Patienten ist doch zweifel⸗ los dem Dienst miteinzurechnen, weil bei diesen Spaztergängen die Pfleger eine noch größere Verantworiung tragen als im Krankensaal. In der Brandenburgischen Provinzialirrenanstalt zu Neuruppin ist die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit 17 Stunden, und nur alle 14 Tage gibt es einen freien Tag. Wie mit der Arbeitskraft des Pflegepersonals in Königsberg gewüstet wird, das ist geradezu ein Skandal; zu gewissen Zeiten kommen auf 48 Stunden Arbeitszett dort ganze sechs Stunden Ruhe! Die Klagen über die Kost in den Krankenanstalten wollen nicht verstummen, vielmehr häufen sich die Fälle, wo konstatiert ist, daß durchaus minderwertige, unappetitllche, unsaubere und verdorbene Speisen verabreicht worden sind. Allen diesen himmelschreienden Mißständen gegen⸗ über kommt die Regierung in 10, ja in 12 Jahren nicht aus den „Erwägungen“ heraus. Das Vorgetragene genügt schon vollauf, um einen gesetzlichen Eingriff zu rechtfertigen. Der heutige Kost⸗ und Logiszwang macht dem Pflegepersonal den Dienst in den Krankenhäusern einfach unerträglich; heute ist das Per⸗ sonal vielfach in gänzlich unzureichenden, ungesunden Räumen, in Mansarden untergebracht. Wir verlangen weiter die Unterstellung des gesamten Pflege⸗, Massage⸗ und Badepersonals unter die Reichs⸗ versicherungsordnung. Heute ist das Hilfspersonal, namentlich das nicht vorgebildete, den größten Gefahren ausgesetzt. In einer „Muster⸗ anstalt“ infizierte sich ein eben erst angenommener Hilfsdiener mit Typhus⸗- und Cholerabazillen und war am fünften Tage tot. Die öffentlichen gemeinnützigen Krankenanstalten unterstehen zurzeit nicht der Gewerbeordnung und ihr Personal auch nicht der Reichsversicherungsordnung. Auch private Krankenanstalten nehmen keinen Anstand, durch die Anstellungsverträge die Veisicherungs⸗ pflicht auszuschließen und die Angestellten rechtlos zu machen. Es gibt Anstaltsdirektoren, die eine 13 wöchige Krankenversicherungs⸗ pflicht nur für den Fall übernehmen, daß sich der Eikrankte in der betreffenden Anstalt behandeln und verpflegen läßt. Von einer geordneten Reliktenversorgung kann schon bei der unglaublichen Fluktuation unter dem Krankenpflegepersonal gar nicht die Rede sein. Wir verlangen endlich, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, den Erlaß gesetzlicher Vorschriften auf Gewährung eines mindestens 14 tägigen jährlichen Erholungsurlaubs unter Fortzahlung des Lohnes und Entschädigung für sonstige Bezüge; ein Wärter, der sich täglich 15 bis 18 Stunden abrackern muß, hat einen solchen 14 tägigen Urlaub viel nötiger als mancher hohe Regierungsbeamter den seinigen. Trotz der entsetzlichen Mißstände, die auf diesem Gebiete bestehen, habe ich mir in diesem Jahre die allergrößte Beschränkung auferlegt. Was wir verlangen, ist das Allermindeste, was Sie bewilligen müssen, wenn Sle ernstlich daran mitarbeiten wollen, daß diese Mißstände verschwinden; machen Sie nicht nur schöne Worte, sondern beweisen Sie durch die Tat, daß Sie ernstlich dazu entschlossen sind. Bls

Abg. Dr. Gerlach (Zentr.):; Der Beruf der Krankenpflege erfordert einen idealen Sinn und eine ideale Lebensauffassung, denn er verlangt in seiner praktischen Ausübung einen Grad von Ent⸗ sagung wie kein anderer Beruf. Der Vorredner hat sich üher die auf diesem Gebiete notwendigen Reformen mit großer Ausführlich- keit verbreitet. Für die Verbesserung der Lage des Krankenpflege⸗ personals haben sich die Aerzte und ihre Vereinigungen seit langem eingelegt; so sind schon 1896 auf einer Jahrespersammlung der Aerzte Thesen aufgestellt worden, die sich denen des Antrags der, Sozial⸗ demokraten nähern. Ich selbst bin schon vor 20 Jahren dafür einge⸗ treten, daß für die Wärter Familienwohnungen eingerichtet werden. Wenn der Landesdirektor und die anderen Behörden die Zustimmung nicht geben, kann man nichts machen. Ein obligatorischer Unterricht besteht ja in gewisser Beziehung schon. Doch. muß er nach der Art der Krankenpflege verschieden sein. Allgemein gültige Bestimmungen lassen sich hier ebensowenig geben, wie bei den Prüfungsvorschriften. Wie den Arzt, so darf man auch nicht die Krankenpfleger, seine Ge⸗ hilfen, der Gewerbeordnung unterstellen. Wenn man von der Ar⸗ beitszeit der Krankenpfleger spricht, muß man immer unterscheiden zwischen Dienstzeit und wirklicher Arbeitszeit. Da wohl überall Schlafräume vorhanden sind in den Anstalten, so ist den Kranken⸗ pflegern Zeit zum Ausruhen während des Dienstes gegeben. Ich halte eine zwölfstündige Arbeitszeit auch für ausreichend. Auf eine Sicherstellung der Zukunft der Krankenpfleger, muß auf jeden Fall hingearbeitet werden. Die verschiedenen Provinzen haben da schon die verschiedenartigsten Einrichtungen getroffen. Da wir uns auf keinen Punkt der sozialistischen Resolution festlegen können, so emp⸗— fehlen wir die einstimmige Annahme der Resolution van Calker. Der Sozialmedizin ist mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden, Es muß überlegt werden, ob sie nicht in das Staatsexamen eingefügt werden muß. Bei dem schweren Existenzkampf der Apotheken, besonders in den kleinen Städten, ist eine Erhöhung der Arzneitaxe dringend not⸗ wendig. Jetzt nach Einführung der Reichsversicherungsordnung sollte man um so eher an sie herangehen. Ich kann nur wünschen, daß dieser Wunsch eingehend und wohlwollend geprüft wird.

Stellvertreter des Reichskanzlers, Staatssekretär des Innern Dr. Delbrück:

Meine Herren! Es liegt nicht in meiner Absicht, dem Herrn Vorredner auf alle die Gebiete zu folgen, die er in seiner Rede be⸗ rührt hat, sondern ich habe nur die Absicht, zu den beiden Resolutionen auf 1347 und 1275 der Drucksachen einige Worte zu sagen. Der Herr Abg. Antrick hat an einer ganzen Reihe von Einzelfällen nach⸗ zuweisen versucht, daß in den Verhältnissen unseres Krankenpersonals Mißstände bestünden, die eln gesetzliches Eingreifen des Reiches dringend notwendig machten.

Ein Teil der Ausführungen sind berelts durch den Herrn Vorredner widerlegt mindestend auf das richtige Maß zurückgeführt Aber abgesehen davon bin ich nicht in der Lage, auf alle diese Ausführungen einzugehen, weil ich nicht prüfen kann, inwieweit sie auf tatsächlich zwelfelsfreien Unterlagen beruhen. Es liegt mir völlig fern, den guten Glauben des Herrn Abg. Antrick zu bezweifeln; aber ich habe in meiner dienstlichen Laufbahn häufig Krankenanstalten zu beaufsichtigen gehabt und dabei auch Gelegenheit gehabt, zu sehen, daß sich derartige Beschwerden häufig als grundlos, häufig als auf Uebertreibungen beruhend oder häufig als Verallge⸗ meinerungen einzelner Fälle herausstellen, die nicht ausreichen, um ein so absprechendes Urteil zu rechtfertigen, wie es der Herr Abg. Antrick gefällt hat.

Aber ich erkenne trotzdem an und ich habe es schon früher anerkannt daß auf diesem Gebiete Uebelstände bestehen, die zu korrigieren und abzuschwächen selbstverständlich unsere Pflicht ist. Es fragt sich nur, ob das Ziel auf dem Weg zu erreichen ist, den der Herr Abg. Antrick und seine politischen Freunde empfehlen, nämlich auf dem Wege eines Reichsgesetzes, oder ob wir nicht andere Wege gehen müssen.

Wenn verlangt wird, daß wir das Krankenpflegepersonal den Bestimmungen der Gewerbeordnung unterstellen, daß wir die hältnisse dieser Personen analog denen gewerblicher Arbeiter regeln, so sprechen dagegen sehr erhebliche Bedenken. Weder sind die Kranken— pfleger in ihrer Mehrzahl gewerbliche Arbeiter, noch sind die Arbeit⸗ geber des Krankenpflegepersonals Gewerbetreibende im Sinne der Ge⸗ werbeordnung.

Wir müssen uns zunächst gegenwärtig halten, daß die Arbeitgeber nur zu einem ganz kleinen Teil Personen sind, die einen Gewerbebetrieb haben; zu einem erheblichen Teil sind die Arbeltgeber, wenn ich diesen Ausdruck weiter gebrauchen darf, obwohl er sich nicht vollständig mit den tatsächlichen Verhältnissen deckt, öffentliche Behörden, und zu einem anderen Teile steht das Krankenpflegepersonal im Dienst von katholischen Orden und Kongregationen, im Dienste von Diakonissen⸗ häusern, im Dienste von charitativen Vereinen, die man unmöglich mit demselben Maße messen darf, wie man ein gewerbliches Unternehmen mißt. Wir sind in der Mehrzahl dieser Fälle, soweit es sich um Behörden und öffentliche Betriebe handelt, in der Lage, von Aussichts wegen einzugreifen. Soweit auf dem Gebiete der Orden und der Kongregationen eine Einwirkung notwendig ist, sind die kirchlichen Oberen in der Lage, eine derartige Elnwirkung auszuüben, und sie haben sie ausgeübt, wie ich ausdrücklich bemerke. Das alles läßt es doch in hohem Maße bedenklich erscheinen, hier mit einem Gesetze einzugreifen, das den Verhältnissen der gewerblichen Arbeiter nach gebildet ist.

Dazu kommt aber, daß die Verhältnisse in den einzelnen Anstalten der Natur der Dinge nach außerordentlich verschieden liegen. Es ist ein großer Unterschied, ob Sie mit einer großen, unter behördlicher Aufsicht stehenden öffentlichen Irrenanstalt oder mit einem kleineren Privatbetrieb zu tun haben; es ist ein Unterschled, ob Sie mit einer Irrenanstalt oder mit einer allgemeinen Krankenanstalt zu tun haben; es ist ein Unterschied, ob es sich um eine allgemeine Krankenanstalt oder Irrenanstalt oder um eine Entbindungsanstalt handelt. Alle diese Verhältnisse bringen es mit sich, daß an das Pflegepersonal so verschledene und so vielseitige Anforde⸗ rungen gestellt werden müssen, daß es mir unmöglich er⸗ scheint, hier im Wege der gesetzlichen Regelung einzugreifen.

Nun wünscht der Herr Abgeordnete Antrick zwelerlei. Er will einmal Bestimmungen über die Ausbildung des Pflegepersonals haben. Meine Herren, auch hier greifen alle diese Verschiedenheiten Platz. Die Hauptschwierigkeit besteht doch aber in der Lösung der grund⸗ sätzlichen Frage, ob wir, wenn ich mich so ausdrücken darf, einen auf reichsgesetzlicher Grundlage beruhenden Befähigungsnachwels für das gesamte Pflegepersonal einführen können. ter erheben sich sofort dieselben Einwendungen, die ich vorhin schon im allgemeinen ange— deutet habe. Ich würde es für unzweckmäßig halten, wenn man für die im öffentlichen Dienst befindlichen Krankenpfleger und für die im

Antrick oder worden.

des Herrn Abg.

Ve

jetzt ist nichts geschehen.

Dienst von Orden, Kongregationen und Vereinen befindlichen Kranken⸗

Uhrungen eines hohen Regierungsbeamten halte ich nicht

N er

11 5b ild 65 Pflo . s ß N) Ausbildung muß vom Pflegerpersonal gefordert werden. Wir werden

desen frühere Resolution noch nicht erledigt ist.

sorderung für Errichtung einer eigenen Druckerei im Polizei⸗

hfleger in dieser Beziehung einen direkten Befãhigungsnachwels fordert. as, worauf es in erster Linie ankommt, ist, daß bestimmte Grund⸗ stze über die Ausbildung und über die Prüfung diefes Personals besteben, die dann je nach Lage des einzelnen Falles anzuwenden sind. Ueber derartige Grund sätze haben sich die verbündeten Re⸗ gierungen verständigt. Soviel ich weiß, wird nach diesen Grundsätzen berelts in 24 Bundes staaten verfahren, und es bleibt abzuwarten, wie sich diese Grundsãtze bewähren. Der Herr Abg Antrick sst der Neinung, daß sie viel zu tompliziert seien. Ich kann das im einzelnen nicht übersehen. Wir werden zunächst mal abwarten müssen, ob diese Vereinbarungen verbesserungsbedürftig sind, und dann wird eventuell 1 meh sein, ob wir tatsächlich die Wege gehen können und sollen, . ö. m, Antrick empfiehlt, die ich aber vorläufig nicht für Im übrigen handelt es sich um die Anstellungsverhältnisse und

um die Arbeitszeiten des Pflegepersonals. Meine Herren, da haben die Prüfungen eine ganze Reihe von Anständen ergeben, die ich mir gestarten werde hier in der Weise formuliert vorzutragen, wie ich sie zum Ausgangspunkt weiterer Verhandlungen gemacht babe. . Verhütung einer übermäßigen Arbeitsbelastung der Kran enpflegepersonen sind folgende Maßnahmen in Betracht ge⸗ pogen. eine in möglichst zahlreichen Anstalten durchzuführende grund⸗ sätz liche Trennung von Tag und Nachtdienst; Gewährung einer mindestens neunstündigen Ruhezeit an solche Krankenpflegepersonen die außer dem Tagdienst auch noch Nachtdienst zu leissen hatten und zwar unmittelbar nach Beendigung der Nachtwache, und zu. leich die Befreiung solcher Personen von einer Nachtwache in der nachstfolgenden Nacht; die Festsetzung des Beginns mõglichst nicht bor 6 Ubr Morgens und des Endes möglichst nicht nach 8 Uhr Abends des regelmäßigen Tagesdienstes; die Gewährung mindestens eines freien Nachmittags in der Woche, an dem Ausgang zu ge⸗ statten ist, und der mindestens einmal im Monat auf einen Sonn. lag fallen soll; die Gewährung eines regelmäßigen jährlichen Ur⸗ laubs von mindestens 14 Tagen; die Aufstellung einer Dienst⸗ ordnung und deren Kontrolle.“ (Sehr gut!) . Meine Herren, ich habe mich an die Bundesregierungen ge⸗ wandt, und die Bundesregierungen haben teils im Aufsichtẽwege teile durch Einwirkung auf die kirchlichen Organe verfucht, diese Maßnahmen zu verwirklichen. Es wird gegenwärtig von den Bundes teglerungen geprüft, ob auf diesem Wege weitere Erfolge zu erreichen sind, obne daß es eines Eingreifen der Gesetzgebung bedarf. Meine Herren, Sie entnehmen daraus, daß die Annahme des Herrn Abg. Antrick, daß auf diesem Gebiete nichts geschehen sei, un⸗ zutreffend ist. Ich glaube, ich kann mich weiterer Ausführungen ent⸗ halten, um zu beweisen, daß der von dem Herrn Abg. Antrick und seinen polttischen Freunden empfohlene Weg, in dieser Sache durch die Gesetzgebung regulterend einzugreifen, unzweckmäßig bezw. nicht gangbar ist. Sie werden auch aus meinen Ausführungen entnommen . daß ich der Annahme der zweiten Resolution, die unter dem . des Herrn Abg. van Calker geht, nichts entgegenzusetzen habe, da die verbündeten Regierungen bereits die Wege beschritten haben die die Herren uns zum Beschreiten empfehlen. . . Baron s niggg Ckons): Kür; ich hat der Geheimrat Krohne finn rtrag über den Rückgang der Geburten in Deutschland ge⸗ halten von dem ich annehmen muß, daß er die Ansichten der maäß⸗ gehenden Persönlichkeiten wiedergibt. Im Jahre 1912 ist die zn nahme um über 100000 Menschen gegen Das Jahr 1993 zur c geblieben. Der berregierungsrat Elster hat vor zwei Fahren sich weniger bessimistisch ausgedrückt. Er hat sogar einen gewiffen Vorteil darin men, weil die Quglität dadurch zunehmen könne. Solche Aus— Ich wünschte, daß die Ausführungen des Geheimrats ö bien Tausenden von Exemplaren über das Deutsche Reich verbreitet würden. Auch die Bekämpfung der Tuberkulose kann nicht energisch mug betrieben werden. Alle Jahre unterhalten wir uns hier über e wage der Krankenpfleger und -Pflegerinnen. Es sind hier große Mangel vorhanden. Wir haben aber eben erfahren, daß die Re⸗ Ganz besonders

hlerung nach Möglichkeit Abhilfe zu schaffen sucht.

groß ist die Ueberanstrengung und Ueberbürdung der Krankenpflege⸗ inne Es kommt häufig vor, daß Schwestern infolge seelischer und uperlicher lleberanstrengung zusammenbrechen. Merkwürdigerweise . die preußische Regierung die den Schwestern früher gewährte erh nstigt n des alben Fahrpreises auf den Eisenbahnen wieder izbgen. [Ver Prasident bittet wiederholt um Ruhe.) Die Be— werden können nur schrittweise abgestellt werden. Es gibt eine ö von Arbeiten, die man den Schwestern ohne weiteres ab— nehmen kann, sos Fensterputzen, Stubenkehren usw.

Abg. Dr. Blunck (fortschr. Volksp.): hat sich heute darüber beschwert, daß der gnisse der Einzelstaaten einmischt. Was wird er zu den Aus— i frungen des Abg. von Knigge sagen, der heute Aehnliches getan Ut, Ich freue mich, hier wenigstens einmal einen konservativen einn ungsgz . Der Abg. Antrick behauptete, die e e icht Darteien versagten in der Frage der Krankenpfleger voll— n, Wer gerade meine Partei hat immer in erster Änie ge— anden. Der Abg. Antrick hat inzwischen umgelernt; er verlangt gt ö. Stunden Arbeitszeit im Gegensatz zu 8 von früher. Die aan 3 sozialdemokrgtischen Resolution würde nur die be— henden Verhältnisse verschlechtern. Viele Krankenhäuser haben

It, schon 10 Stunden Dienftzeit eingeführt. Ein gewisses Maß von

Der Abg. von Kardorff Reichstag sich in die Be⸗

Hesinnungsgenossen zu haben.

Nor X 1 der Resolution van Calker zustin men.

Man kann zweifelhaft sei . tesolutio 1 A c zweifelhaft sein ob es geht, eine Resolution über s. 6

denselben Gegenstand anzunehmen,

. vertagt sich das Haus.

s folgen persönliche Bemerkungen der Abgg. Antri und Dr. Blunk. ; . 3 ö Gor üluß 714 Uhr. Nächste Sitzung Dienstag 1 Uhr. Fortsetzung der heutigen Beratung; vorher Abstimmungen.)

Preusßischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 22. Sitzung vom 9. Februar 1914, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Das Haus setzt die

? zweite Lesung des . ö haltse tate für ; e, n ,, .

ö ö ö 3 n, das Mini⸗ . des Innern fort. eferent der Budgetkommissi sst . Abg. Dr. Bu ffe kons ). ! hen on dem Einnahmekapitel wird der Titel „Aus der n iti des Zentraspolizeiblattes usw.“ vorläufig zuruck gefellt, da die Kommission unter den Ausgaben die Neu—

ptäsidium zu Berlin gestrichen hat; im übrigen we i hr hat; rden die Linnahmen ohne Diskussion genehmigt. . z h id m ersten Titel der dauernden Ausgaben, „Ge⸗ alt, des Ministers“ (36 000 „6, außerdem 14006 6 für

Gesetzes sehr wenig kennen—

Die Abgg. Dr. Schmedding (Zentr), von = y Freiherr von Zedlitz 1nd Reu kirch . 868 ing (nl. und Cassel (Fortschr. Volksp. bean⸗

»die Regierung zu ersuchen, einen Gesetzentw n 41 1 . j s ; u ö. 26 6. 3. ö. ge , rr . „s1Sweit sie nicht den Land . e e nn n, n, ndarmenverbänden obliegt, vom

Die Abgg. Dr, von Kraus ss den Antrag gestellt: u se und Genossen (nl) haben

das Haus der Abgeordneten wolle beschli = Daus ö eßen 1) die Königliche Staatz reg: Meittei ; nig egierung um Mitte dem Herrn Minister des Innern in der Sitzung ö . 1914 erwähnten Anpwelsung an die Oberpräsidenten wegen des Erlasses von Polizei verordnungen zum Schutze der zffent lichen Sicherheit, Ruhe und Srdn ung der , . . igen n sowie um Auskunft darüber ersuchen, in welcher Art und in welche f ifun. , . lchem Umfange der Anweisung 2) die Königliche Staatzregierung ers ĩ I Lie liche Staatsregi zu ersuchen, die örtlicher Pol seibe hörden und Exekutipbꝛamten anzuhalten, sobald bar en bruch ein er Arbeitsstzeitigkeit eine Störung der öffentlichen Sicherheit Ruhe und Ordnung, insbesondere durch Belästi; . Arbeitswill(iger, festgestellt wird oder zu hesorgen ist n Anwendung und in Gemãäßhelt des bestehenden Rechts und der auf Grund dieses Rechts erlassenen Polizetverordnungen unter i e. i . der , , ,, nn. dem Mißbrauch dieser it in der Richtung eines Koalitionszwange erz und nacht fi c ich cot ese wu ten, F 3) die Königliche Staatßregierung zu ersuchen, auch il ĩ . e Königliche rer Eu ersuchen, auch ibrerse im Bundesrate auf eine beschleunigte Vorlegung der im ie r it. . und von dem Herrn Reichskanzler in Aussicht gestellten enkschrift zur Vorbereitung einer reichsgesetzlichen Regelung des Schutzes der persönlichen Freiheit hinzu wirken ; Dazu beantragen die Abgg. Dr. von und der Lasa (kons), Freiherr von kärch lfreikons und Genossen, 9 hinter Dem Worte „Freiheit“ einzuschalten: „in gz⸗ esondere des Schutzes der Arbeitswilligen“. 3 Sedann liegt der Antrag der Abag. Dr. Hahn (kons.) Mey er Diepholz (nl,, Reinhard (Zentr) und von der Wense (freikons.) vor: die Regierung zu ersuchen, die Ausfũhru iche Ausführungsanweisung vor 5 Mai 1915 zum Gesetze hom 23. Dezember en e , Anlegung von Sparkassenheständen in Inhaber“ bab leren, dahin abzuändern, daß die öffentlichen Sparkassen Pre zent in die Lage versetzt werden, 1) die Elnstellung ihres Pflichtbestandes an Inhaberpapieren in die Bilanz nach dem An⸗ chaffungs went vorzunehmen, 27) die buchmäßigen Kursherluste so e , r ng ebf, als dieser nicht unter 20 d inlage sinkt, 3) die Zinsen des Reservefonds d Jahres; überschüssen hinzuzurechnen. ö ö . Jeder dieser Anträge soll nach dem Abschluß der beim Titel „Ministergehalt“ üblichen allgemeinen Erörterung ge⸗ sondert für sich besprochen werden. .

Cx *

Ferner haben die Abgg. Dr. Gottschalk⸗Solingen und Genossen nl.) beantragt, die Regierung um die Vorlegung eines Gesetzentwurfs zu ersuchen, durch den die bestehenden geseblichen Bestimmungen über den Ausschluß bestimmter im Staats⸗, Gemeinde⸗, Kirchen- und Schuldienst angestellten Personen von der Wahl zu Mitgliedern 24 unaler Körperschaften berichtigt werden.

. Abg. von Kardorff lfreikons. ): Das Mini 3 Inne ist das führende Her isttr n! in . . . samten inneren Politik laufen in ihm zusammen. Aus diesem Grunde haben mich meine politischen Freunde beauftragt, dem guten Brauche dieses Dauses zu folgen und bei der Erörterung dieses Etats eine Reihe allgemeiner politischer Fragen zur Sprache zu bringen. Man hit den Landtag. diesmal wiederum im Januar einberufen. Was der Minister für die Einberufung des Landtags im Januar anführte kann man ja als stichhaltig ansehen. Wir haben aber alle ein Interefse daran, daß der Landtag nicht erst im Januar, sondern schon im No— bember seine Beratungen beginnt. Wir haben hier eine Fülle von kleinen Grundbesittzern als Mitglieder des Hauses, und diese haben grade im Dezember und November eher Zelt, sich parlamentarischen Geschäften zu widmen, als im Mai. Den Grunden des Ministers dafür, daß der Etat erst zu Anfang Januar eingebracht werden kann, kann ich nicht zustimmen. Unser Etat beruht auf Schätzungen und hängt im wesentlichen von der Konjunktur ab. Ueber diese ind wil im Januar gengu so im unklaren wie im Dezember. Wenn die Sessien sechs bis sieben Monate dauert, dann laufen wir Gefahr, daß wir ein Parlament von Berufsparlamentariern werden. Das liegt sicher nicht im Interesse des Landes. Die Arbeit könnte beschlzun gt werden. Cine große Zahl kleiner Fragen könnte aus der Erörterung ausscheiden durch Rücksprache mit den Refe⸗ vnten des betreffenden Ministeriums. Ich bitte also den Minister, diese Frage einer wohlwollenden Prüfung zu unterziehen. w Hänen frage ist einer besonderen Besprechung vorbehalten worden. Meine politischen Freunde sind der Ansicht, daß sich die zage in der Nordmark außerordentlich ernst gestaltet Het. Keine Prodinz hat für die Wahrung deutscher Art und deutscher Sitte so große Dyer gebracht an Gut und Blut, wie gerade die Nordmark. Es ist de halb eine Ehrenpflicht Preußens, dafür zu sorgen, daß die deutsche Art dort gestärkt und geschützt wird. Der Abg. Dr. Muller⸗

Meiningen hat im Reichstag darauf hingewiesen, daß durch das

von Heydebrand . Zedlitz und Neu— in Ziffer 3 des vorstehenden

Verbot des Regierungspräsidenten in Schleswig sich Preußen ei

großen, Blamag⸗ or der Deffentlichkeit , . 1 , Auffassung des Regierungspräͤsidenten und des Ministers Differenzen bestanden, so kommt dies daher, daß der Minister die Frage pom Gesichtspunkte der auswärtigen Politik betrachtete. Das Verbot richtete sich nicht gegen Amundsen, sondern es lag gerade im Inter⸗ esse dieses bedeutenden und angesehenen Gelehrten, daß sein Name nicht in den Die yst politischer Propaganda gestellt wird Der Abg. Dr. Müller. Meiningen behauptete weiter, daß die preußischen Be⸗ hörden auf das Vereint gesez pfiffen. Das ist eine Behauptung die den Tatsachen nicht entspricht. Es ist allseitig anerkannt ; daß gerade in Preußen die Weisung des Ministers aufs steengsie befolgt wird, sich strikte an die Bestimmungen des Vereins- gesetzes zu halten. Jeng Behauptung ist demnach eine Ver⸗ unglimpfung des preußischen Staates im deutschen Reichstage. Es wurde auch eine Erwelterung des Vereinsgefetzet nach mehr als einer Richtung gefordert. Davon wollen wir nichts wissen. Meine politischen Freunde haben zur preußischen Staatsregierung das unbedingte Vertrauen, daß sie jedem Verfuche, das Vereine gesetz zu erweitern, ein rückhaltloses und energisches Rein entgegensetzt. Der 8 12 muß auf jeden Fall aufrechterhalten bleiben. Wenn zefordert worden ist, man solle die jugendlichen Elemente in die Vereine hinein. laffen so sind meine politischen Freunde entgegengesetzter Meinung. Die Jugend gehört nicht in das pokitische Leben; sie soll in christlichem und nationalem Sinne erzogen werden. Man hat sich im deutschen Reichstage mit dem Verbot des Berliner Polizeipräsidenten, betreffend den Verein der Berliner Schutzmannschaft, beschäftigt. Abg. Dr. Müller- Meiningen, der selbst berhorragend an diesem Gesetz mitgearbeitet hat, hat behauptet, dieses Verbot des Polizeipräsidenten sei eine Verletzung des Veresnsgesetzes, ein Verstoß gegen das Wesen de Beamtentums (sehr richtig! links]. Wenn Sie (nach linke) „ihr richtig!“ rufen, so muß ich Ihnen sagen, daß Sie die HBe— stimmungen des Vereinsgesetzes und den historischen Werdegang dieses Ich habe hier einen Kommentar eines

epräsentationszwecke), liegen mehrere Anträge vor.

4 Poltzeipräsidenten sich durchaus im Rahmen der gesetzlichen estimmungen gehalten bai. Ich meine aber auch, daß hierduich der Polizeiprasident die Interessen der Schutzleute selbst wahrgenommen hat. Wir haben neusich bei der Debatte über den Justizetat eine Fülle von An sichte posttarten mit mehr oder weniger nackten Bildern vor uns liegen gehabt. Wenn ich mir die Zustände im Berliner Nachtleben vergegsnwäriige, so habe ich das Gefühl, daß diese Dinge sich hier in einer Weise entwickelt haben, daß die Staate reglerung an ihnen mit e nn gen Augen auf die Dauer nicht vorübergehen kann. Gs findet . . derartiger Verbrauch an moralischer, gesundheitlicher Volkskraft statt, daß die Polizei das größte Interefse karan hat, sich diese Dinge einmal näher anzusehen und zu prüfen, ob hier nicht eine Grenze gesetzt werden kann. Man hat auch schwere Angriffe gegen den Landmirtschaftsminister gerichtet. Diese Angriffe sind nach jeder Richtung hin unbegründet. Es mögen ja kleine Unterlassungssündem he handen sein. Mein politischer Freund Biereck hat immer mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß für die Stärkung des Deutschtums n den Städten mehr geschehen muß, als bisher geschehen ist. Es sind praklische Vorschlaͤge an die Staatregierung in reichem Maße ergangen; bei gutem Willen hätte man die Dinge weiter föt dem können, als zes bisher gescheben ist. Die Schwierigkeiten liegen ja nicht 1m Mnisterium des Innern, fondern beim Finanzminister. Die Dinge können aber nicht so weiter gehen, und ich würde hie bedauern, wenn Maßnahmen dagegen ergriffen werden. Der Ahg. Korfanty hat bei der Generaldebatkte zum Etat schwere An⸗ griffe gegen den Ostmarkenverein, gegen die Staatsregierung und gegen die Paiteien dieses Hauses gerichtet, foweit sie das Vorgghen des Ostmarkenvereins bisher nicht gemißbilligt haben. Der Abg. Korfanty hat uns hier mit Briefen bekannt gemacht, die auf Eine ganz gemeine und niederträchtige Weise aug den Räumen des Ostmarkenvereins gestohlen worden sind. Daß diese Dinge auf eine moralisch nicht einwandfreie Weise in die Hände der Herren ge⸗ kommen sind, darüber kann kein Zweifel sein. Um was Handelt es sich denn? Der Ostmarkenverein hat sich die Aufgabe geftellt, die ruthenischen Arbeiter nach Deutschland zu ziehen, mit anderen Worten, die polnischen Arbeiter durch ruthenische zu ersetzen. Das ist ein Unternehmen welches durchaus im nationalen Interesse liegt. Wie sich die Dinge bei uns zugespitzt haben, bestand die Gefahr, daß ein⸗ mal der polnische Zuzug von Deutschland nach anderen Ländern ab—= gelehnt würde, und weiterhin wird uns gerade immer der Vorwurf gemacht, daß wir die Nationalitätenpolitik hindern. Was der Ost⸗ marken verein im EGinverständnis mit der Staatsregierung tat, kann durchaus vom nationalen Gesichtspunkte gestützt werden. Und wenn der Ostmarkenverein sich welter die Behandlung der ruthenischen Frage hat angeltgen sein lassen, so hat er doch dadurch nichts verbrochen. Das zeigt uns wieder, wie übertrieben und ungerecht die Vorwürfe sind, die Sie (zu den Polen) gegen die preußische Staatsteglerung er⸗= heben. Der Abg. Korfanty hat weiter gesagt: es ist unerhört, daß der Yst marken verein mit der ruthenischen Partei, die den Mord ver— herrlicht, in Verbindung steht. Mit dieser Partei haben Sie aber doch selbst ein Kompromiß geschlossen (Zuruf bei den . Wenn Sie dem Ostmarkenverein den Vorwurf machen, er konspiriere, so ist doch die ganze großpolnische Bewegung nichts anderes, als ein fertwährendes Konsptriren. Die Heranziehung der ruthenischen Arbeiter ist aher nicht Hauptaufgabe des Ostmarkenvereins, sondern das ist die Stärkung des Deutschtums im Osten. Wenn aber Dinge vorge⸗ lomnien ein mögen, die nicht richtig sind, so zweifle ich nicht, daß der Ostmarkenverein solche Sachen in Zukunft unterlassen wird. Korfantp bat in der Budgetkommission gesagt, der Ostmarkenverein erschüttere den Dreihund, wenn er den Polen in Oesterreich Schwierigkeiten mache Nein, Sie erschüttern ihn, wenn Sie fortwährend gegen alle Wehivorlagen stimmen und den preußtschen Staat herabsetzen. Ich eue mich, daß die Briefe, die durch Diebstahl in die Hände der Polen gekommen sind, im Interesse des Deutscht ams nicht veröffentlicht morden sind. Der Ostmar kenverein ist kein Angriffsverein, sondern ein Abwehrperein gegen Ihre Angtiffe. Ich bedaure, daß die Zentrums— partei im Reichstag sich nicht hat dazu entschli. ßen können, die Zu⸗ lagen für Die Ostmarken zu bewilligen. Das bedeutet für die be—⸗ treffenden Beamten eine außerordentlich schwere Schädigung. Leider steht uns kein Mittel zur Verfügung, um dieses Untecht wieder gut⸗ zumachen. Ich möchte aber die Bitte an die Herren vom Zentrum richten, sich einmal in die Lage dieser Beamten zu versetzen. Es wäre besser gewesen, den armen Postbeamten das zu geben, was sie bisher bekommen haben. Ich will jedoch nicht gegen das Zentrum polemisieren; meine politischen Freunde halten das nicht für oxportun. Ich will auch nicht den Brief wechsel zwischen dem Kardinal Kopp und dem Bischof von Paderborn verlesen; ich will auch auf Ihre Paritäts⸗ beschwerden nicht eingehen. Ich beschränke mich darauf, diese Paritäts⸗ beschwerden für unbegründet zu erklären. Ich berufe mich dabei auf ein Mitglied dieses Hauses, auf das ich noch zu sprechen kommen werde. Wenn man aber bedenkt, welche gewaltige Slellung die Zentrumspartei im Reichstag allmählich gewonnen hat, welche ent⸗ gegenkommende Stellung dte reichsgesetzlichen Instanzen der Zentrums⸗ partej gegenüber einnehmen, und wenn man bedenkt, daß die Zentrums⸗ Martei nicht bloß eine rein politische Partei ist, sondern auch die Int eressen des Katholizismus als solchen mit ganz bewußter Ent⸗ schiedenheit vertritt, so werden Sie es dem evangelischen Teile der Bevölkerung nicht verübeln können, wenn Sie bin und wieder eine wenig entgegen kommende Stellungnahme gefunden haben. Dag hat der Abg. von Heydebrand im Jahre 1903 gesagt. Sie werden j doch zu⸗ geben müssen, daß der Abg. von Heydebrand in diesen konfessionellen Fragen stets ine außerordentlich unvorein genommene Stellung eingenommen hat. 5 in Wort gegenüber dem Abg. Marx. Er hat neulich mir zugerufen: Ach, Herr von Kardoff, wenn Sie lachen, ist es mir ganz Wurst. Ich möchte den Abg. Marx doch bitten, sich auch mir gegenüber eines erkehrstones zu befleißigen, wie er unter gebildeten und wohlerzogenen Nenschen im allgemeinen üblich ist. In der Frage des preußischen Wahlrechts stehe ich durchaus auf dem Stan zvunkf, den die sozial⸗ demo ratische Reichstagsfraktion in den Berichten ihres Parteitags eingenommen hat, wenn sie sagt: die Frage des preußischen Wahlrech s ist die Kernfrage der inneren preußischen Politik. Ganz meine Mei⸗ nung. Das ist eine Frage, an deren Behandlung nicht nur Preußen, sondern auch unser ganzes Deutsches Reich ein brennendes Interesse hat. Wenn man in den süddeutschen Staaten eine immer mehr um sich greifende Demokratisierung sich vollziehen fieht, wenn man da oʒialdemokratische Gemeindevorstände wahlt, so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß nicht viel fehlt, daß die Dinge zum lb ppen kommen, und Sie wollen sie ja zum Klappen bringen. Der Abg. Frank hat ja auf dem sozialdemokratischen Parteitag gesagt: wir müssen darüber Klarheit schaffen, daß kein Zwelfel darüber besteht daß 93 dabei bleibt, daß in Preußen entweder eine Wahlreform oder ein Massenstreik kommt. Die Wahlreform in Ihren Sinne wird nicht kommen. Wenn aber der Massenstreik kommen soll, so wollen wir hoffen, daß die preußische Regierung auf ihrem Posten sein wird. Wir müfssen immer wieder darauf hinweisen, das wir dem liberalen Bürgertum zeigen müssen, wohin es geführt wird durch die fortschrittliche Volkspartei. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß, so wie die Dinge nach dem Wunsche des Freisinns sich entwickeln, das Dreiklassenwahlrecht in den Städten und in den Gemeinden doch nicht mehr einen Tag zu halten ist. In Berlin sind 306 069 sozialdemokratische Stimmen und 69 900 Stimmen des Frelsinns abgegeben. Der Freisinn hat die Mehrheit in den Stadtberordneten versammlungen. Das ist ein himmelschreiendes Wahlrecht. Wenn es einmal zum Klappen kommt, dann wird es auch mit dem ungekrönten König von Berlin ein Ende haben, denn werden Ledebour und Hoffmann die Ehrenbürger von Berlin. Wir wollen ein Wahlrecht, in, dem Besitz und Bildung die gebührende Stellung einnehmen. Wir wollen ncht ein Wahlrecht das die Aufpeitschung bei den großen Massen ermöglicht. Wenn Tie Reichstagswahlen vorhei sind, dann dankt inan ja seinem Schöpfer wenn man von dieser Hetze wieder befreit ist. Es würde unerfraglich sein, wenn diese sofialen und konfesstonellen Gegensätze jedes Jahr heute bei den Stadtverordnetenwahlen, morgen bei den Landtaga⸗ wahlen, dann bei den Reichsta swahlen von neuem aufgepeitscht und

Kammergerichtsrats, auß dem hervorgeht, daß dieses Verbot

aufgewiegelt werden. (Abg. Ad. Hoffmann: Das t i ih der Landrat.) Ja, dieser würde es beffer machen . .