1914 / 38 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 13 Feb 1914 18:00:01 GMT) scan diff

Augenzittern der Bergleute, auf die Berufskrankheiten in der Stein- industrie, im Maler. und Anstreichergewerbe und in der chemischen ndustrie; diese müssen noch der r, unterworfen werden. Die Bekämpfung der Unfall efahren ist viel notwendiger als di KRrankenfürsorge. Die Unfa tif im Bergbau ist über die Zahl der erhöhten Belegschaftsziffer zinausgestiegen. Ein Ausbau des Systems der Sicherheitsmänner wäre das beste Mittel, die Ünfall⸗ gefabr zu verminbern. Die große Zahl der Bergarbeiter bringt diesem System ein großes Interesse entgegen. Wo das Inte resse nachgelassen hat, ist das darauf zurückzuführen, daß die Unternehmer Schwierigkeiten in den Weg legten. Wiederholt haben Beamte die Autorität der Sicherheitsmänner geschmälert. Wenn Sicherheitsmanner um ihres Brotes willen Anzeigen unterlassen, so ist das menschlich zu ver⸗ stehen. Man sollte sie in Schutz nehmen, wenn ihnen bon Ünter— nehmern und Beamten Schwierigkeiten bereitet werden. Die

fiskalische Bergverwaltung im Saarrebier wußte sich eines Sicher-

heitsmannes dadurch zu entledigen, daß sie die betreffende Steiger⸗ abteilung eingehen ließ. Ein ähnlicher Fall ereignete sich in Königshütte. Je mehr die Unfälle abnehmen, umsoweniger sind die Berufsgenossenschaften belastet. Die nordöstliche Bauberufsgenossenfchaft läßt sich von den Aerzten neben dem Attest, das der Versicherte erhält, ein zweites Gutachten ausstellen. Das läuft auf eine Vorspiegelung falscher Tatsachen hinaus. Der Versicherte läßt sich durch dieses Verfahren bestimmen, von weiteren Schritten abzusehen, und wird so geschädigt. Gegen die Gutachten der Privatärzte herrscht auf Seiten der Berufsgenossenschaften und Versicherungsämter ein unbegreifliches Mißtrauen. Es ist empörend, wenn man sieht, wie so ein armer Mensch, der nichts mehr berdienen kann, von Pontius zu Pilatus rennen muß, um zu seiner Rente zu kommen. Ich muß mich dagegen wenden, daß in die Rentenakten Dinge eingetragen werden, die mit der Sache nichts zu tun haben, z. B. politische Notizen, wie wir es in einem Falle haben feststellen müssen. Es fehlte nur noch, daß politische Maßregelungen gegen Unfall. und Invalidenrentenempfänger angewendet werden. Auch die Verkürzung oder Entziehung von Renken

unter dem Vorwande, daß sich der Rentenempfänger an den Verlust

von Fingern usw. gewöhnt habe, ist im höchsten Grade zu miß⸗ billigen. Dies Verfahren hat sich geradezu zu einem Unfug aus— gewachsen. Ein Uebelstand ist ferner, daß die Rente unter keinen Umständen erhöht werden kann. Es müßten die Rente erhöht werden, wenn die Lebensverhältnisse sich verteuern, der Rentenempfänger Familie bekommt, usw. Die betreffenden gesetzlichen Bestimmungen müßten geändert werden, ebenso wie man für die Altpensionäre sorgt, so sollte man auch für die Aermsten der Armen, für die Renten“ empfänger sorgen.

Abg. Dr. Pfeiffer (Zentr): Ich habe mich schon früher über die schwammige Definition des Hausgewerbes in der Krankenversiche⸗ zung beschwert. Der Ministerialdirektor Caspar versprach wohlwollende Prüfung, aber das Hausgewerbe war grimmig enttäuscht, als das Gesetz in Kraft trat. Die Korbmacher Thüringens sind geradezu empört. Man muß dafür sorgen, daß die Leute durch das Gesetz nicht geschädigt werden.

Direktor im Reichsamt des Innern Dr. Caspar: Die Ver⸗ hältnisse der Korbmacher sind zweifellos besonders schwierig und be— dürfen eingehender Erwägung. Die Definition über Hausgewerbe hat der Vorredner aus dem älteren Gesetz entnommen. Es ist ja schon angedeutet worden, daß über diesen Punkt Verhandlungen schweben. Auch über das sehr schwierige und wichtige Gebiet der Berufskrank⸗ heiten, in erster Linie über das Augenzittern der Bergleute, schweben

eingehende Erwägungen. Der preußische Handelsminister hat schon seit langer Zeit hierauf sein Augenmerk gelenkt, auch neuerdings wieder sind wissenschaftliche Untersuchungen eingeleitet worden. Jetzt ist eine Kommission mit der Prüfung der Frage betraut.

Damit schließt die Diskussion. Die Abstimmungen über die . für das Reichsversicherungsamt und die dazu ge⸗ stellten Resolutionen werden morgen stattfinden.

Nach einer persönlichen Bemerkung des Abg. Peus (Soz.) wird gegen 7 Uhr die Weiterberatung auf Freita g 1 Uhr pünktlich vertagt; vorher kurze Anfragen.

Preuszischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 25. Sitzung vom 12. Februar 1914, Mittags 12 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Das Haus setzt die zweite Beratung des Etats des Ministeriums des Innern, und zwar die allgemeine Be⸗ sprechung im Anschluß an den Titel „Gehalt des Ministers“ fort. Hierzu liegen vor:

der Antrag der Abgg. Dr. von Krause (ul.) und Ge— nossen auf Mitteilung der Anweisung an die Oberpräsidenten betreffs des Erlasses von Polizeiverordnungen zum Schutze der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der Person und des Eigentums, auf Anhaltung der Polizei⸗ behörden zum Eingreifen bei Streikunruhen und auf beschleunigte Vorlegung der vom Reichskanzler in Aussicht ge⸗ stellten Denkschrift zur Vorbereitung einer reichsgesetzlichen Regelung des Schutzes der persönlichen Freiheit, wozu Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa (kons.) den Zusatz be⸗ antragt hat: „insbesondere zum Schutze der Arbeits— willigen“,

der Antrag der Abgg. Dr. Gottschalk⸗Solingen (ul.) und Genossen auf Gewährung des passiven Wahlrechts in den Gemeinden an Beamte, Geistliche und Lehrer,

sowie der inzwischen noch eingegangene Antrag der Abgg. Braun (Soz.) und Genossen,

die Regierung zu ersuchen, mit tunlichster Beschleunigung I) eine Dentschrift über die bisherige Anwendung des Arbeiter“ legitimationszwangs unter Abdruck der von den Behörden dabel zugrunde gelegten und erlassenen Bestimmungen vorzulegen, 2) die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um zu verhindern, daß ausländische gewerbliche Arbeiter, die vielfach seit langen Jahren in Deutschland ana ß sind, ohne Grund ausgewiesen oder unter Ausnutzung des Legttimattonszwangs“ durch Androhung der Außt⸗ weisung zur Uebernahme landwirtschaftlicher Arbeit genötigt werden, en auch die ständige Gefahr internationaler Verwicklungen er⸗ wächst.

Abg. Cassel (fortschr. Volksp.): Der Anregung des Grafen won der Groeben betreffs einer Beschränkung der Redefreiheit können wir unt nicht anschließen; aber wir sind allerdings der Ansicht, daß solche Vorkommnisse, wie wir sie bet der Rede des Abg. Hoffmann erlebt haben, es immer schwerer machen werden, An⸗ trägen auf Beschränkung der Redefretheit entgegenzutreten. Bie Ge— chäftgordnung ist zum Schutze der Minderheit da. Eine Verengerung er Geschäftsordnung wäre unnütz und würde den Präsidenten nur in eine unangenehme Lage bringen. In der Frage der Ab⸗ änderung der Stadt⸗ und Landgemeindeordnungen müssen die Ansprüche der kleinen Gemeinden auf das richtige Maß zurück⸗ geführt werden. Meine politischen Freunde find auch schon in, früheren Jahren für die Uebertragung der Wohlfahrts⸗ Polizei an diejenigen Gemeinden eingetreten, die solche Anträge stellen. In den früheren Jahrzehnten haben selbst die Lensel eh ssen auf einem ähnlichen Standpunkt gestanden. Der , . Minister von Miquel hat augesprochen, daß derjenige, der die Polizei in der Hand hat, auch die ganze Gemeindeberwaltung damit in der Gewalt hat, und ist für eine solche Uebertragung ein⸗

at gestern in seiner Antwort auf die Frage hetreffs der Vorgänge im

usammenhang mit der Erwerbung der Herrschaft Lanke scharfe Angriffe gegen die Stadtverwaltung von Berlin gerichtet, die ich nicht als berechtigt anerkennen kann. Die Erhöhung der Umsatzsteuer für Kaufverträge im Werte von 5 Mllllonen Mark an aufwärts richtete ch ausschließlich gegen die Stadt Berlin. Der Landrat des Kreises

iederbarnim hat selbst zugegeben, daß der bevorstehende Abschluß des Kaufvertrags Anlaß zu? der Beschleunigung gegeben hat. Wir halten es für rechtswidrig, daß elne Steuerordnung gemacht wird mit Rücksicht auf einen einzigen Fall. Man hat diesen Vorgang als einen gesetzlichen Raub bezeichnet. Wir treten unbedingt für die Wahrung der persönlichen Freiheit ein, aber wir sind der Ueberzeugung, daß die bestehenden Bestimmungen vollauf genügen. Wir wollen nicht Anträge unterstützen, die dazu geeignet sind, die Haltung der nationalliberalen Fraktion im Reichstage zu ändern, die auf eine Aenderung der Haltung des Reichstags und des Staatssekretärs Dr. Delbrück hinzielen. Herr Fuhr⸗ mann hat uns gestern nicht eines anderen überzeugen können. Er hat selbst zugegeben, daß ein Verbot des Streikpostenstehens undurchführbar sein würde, was auch der Minister ausgeführt hat. Aber der Abg. Fuhrmann hat weiter ausgeführt, daß die bestehenden Bestimmungen für eine völlige Beseitigung des Streikpostenstehens zu, verwenden seien. Darin können wir uns ihm nicht anschließen. Die Rede des Abg. Fuhrmann erweckt den Verdacht, daß er zum mindesten die Anregung geben wollte zu der Auffassung, als sei bei jeder, Arbeitseinstellung fofort die öffentliche Ruhe und Sicherheit in Gefahr. Gegen eine solche Auffassung müssen wir uns un— bedingt wenden. Der Antrag Kraufe widerspricht dem Antrag der nationalliberalen Reichstagsfraktion; der lerytere wünscht nur die Vorlegung einer Denkschrift, der Antrag Krause schlägt aber zugleich eine gesetzliche Regelung des Schutzes der persönlichen Freiheit vor, und es ist zu vermuten, daß darin eine Be⸗ schränkung des Koalitionsrechts liegen soll. Gewiß wünschen auch wir einen Schutz der persönlichen Freiheit, aber wir bestreiten, daß diese nicht schon durch die bestehenden Gesetze gesichert ist. Inbezug auf das Verlangen nach allgemeinen Verordnungen zum Ein⸗ schreiten der Polizei bei Streikausschreitungen stehen wir auf dem selben Standpunkt wie das Zentrum, daß die Polizeibehörden bisher immer ihre Pflicht getän und gegen Ausschreitungen ein- gegriffen haben. Wenn im Verfolg des Streiks an der Ruhr 2090 Strafen ausgesprochen worden sind, so ist das ein Beweis, daß die Behörden ihre Pflicht in reichem Maße tun. Und da ruft man nach einer Erweiterung der Polizeibefugnisse! Das sieht wirklich nach Beeinträchtigung des Koalitionsrechts aus. Wenn die Hirsch⸗Dunckerschen Gewerkvereine und die christlichen Gewerkschaften mit den sozialdemokratischen Gewerkschaften zusammen⸗ gehen, so ist das in wirtschaftlichen Fragen, wie z. B. der Tariffrage, nicht bedenklich; darum bleibt der politische und gesellschaftliche Gegensatz zwischen diesen Organisationen doch bestehen. Es heißt, wir neigten zur Sozialdemokratie, aber gerade wir haben die Sozial⸗ demokratie immer schärfer bekämpft als die Konservativen und die Regierung. Die Kluft zwischen uns und der Sozialdemokratie besteht trotz gelegentlichen Zusammengehens bei den Wahlen. Auf diesen Widerspruch war ich gefaßt, und doch haben alle anderen Parteien auch Abkommen mit der Sozialdemokratie bei den Wahlen getroffen oder die Unterstützung der Sozialdemokraten willig an⸗ gengmmen. Die Freikonserhatiben wollen sich ausschließen? Auch sie haben fozialdemokratische Wahlunterstützung gehabt. Durch Kom— promisse mit den Konservativen bei den Reichstagswahlen hätten wir unsere Grundsätze aufgegeben, durch unser Zusammengehen mit den Sozialdemokraten sind unsere Grundsätze vollkommen unberührt ge— blieben, und unsere Wahltaktik hat zum Wohle des Vaterlandes eine konservativ-ultramontane Mehrheit im Reichstag verhindert. (Rufe rechts: Eugen Richter) Ich hin persönlicher Freund Richters gewesen und weiß ganz genau, daß auch er, wo es ihm zum politischen Nutzen des Landes als notwendig erschien, bei den Wohlen Unterstützung sowohl vom Zentrum wie auch von der Sozialdemokratie angenommen hat. Wenn von den Freikonservativen höhnisch uns der Untergang oder die völlige Bedeutungslofigkeit angekündigt wird, so haben wir das Recht, dahin zu wirken, daß unfere Grundsätze im Parlament in ausgiebiger Weise vertreten find. Wir wollen unsere Grundsätze auftecht erhalten, und deshalb können wir die Verantwortung fuͤr unsere Wahltaktik vor unseren Wählern mit gutem Gewissen tragen. Der Antrag Braun spricht nur von gewerblichen Arbeitern, es ist ung aber bekannt, daß nicht nur gewerbliche Arbelter sondern auch selbständige Unternehmer, die jahrelang hier gewohnt haben, plötzlich der Ausweisung verfallen sind, und daß bei diesen Ausweisungen politische und insbesondere konfessionelle Bedenken die Ursachen waren. Das halten wir für beklagenswert. Wir wissen auch, daß vielfach die Erlaubnis zur Benutzung ausländischer Arbeits— kräfte verschieden erteilt wird, je nachdem es sich um Grundbesitzer oder Handwerker handelt. Die Handwerker an der Grenze von Böhmen werden durch diese Praxis sehr geschädigt. Gleichwohl können wir die Anträge, wie sie hier gestellt sind, um der Ausnutzung des Legitimationszwanges vorzubeugen, nicht für geeignet halten. Sie beziehen sich nur auf die gewerblichen Arbeiter und nicht auch auf andtre. Darum können wir uns für diefe Anträge nicht erwärmen. Indessen haben wir die Erkenninis gewonnen, daß diese Frage von großer Bedeutung ist, und wir sind mit der Untersuchung dieser Frage beschäftigt. Wir werden auf Grund unserer Erwägungen und Untersuchungen einen selbständigen Antrag einbringen, der sich namentlich gegen die willkürliche Ausweisung wenden wird. In einem Prozeß in Westfalen wurde ein jüdischer Sachverständiger von der Feuerversicherungssozietät, die die Beklagte war, abgelehnt, weil er nicht glaubwürdig erscheinen sollte, da er in Glaubens gemeinschaft mit dem Kläger stand. Dies ist eine schwere Kränkung der jüdischen Glaubensgenossen. Es ist daraufhin von dem Verein jüdischer Staatsbürger bei dem Oberpräsidenten Beschwerde eingelegt worden, und der Oberpräsident hat erwidert, daß er gegen diefe angebliche Beleidigung“ nicht einschreiten könne, da die Beschwerde don dem Sachverständigen nicht selbst geftellt worden ist. Gegen den Ausspruch des Oberpraͤsidenten „angebliche Beleidigung“ müffen wir auf das entschiedenste protestieren. Wir müssen uns mit aller Ent— schiedenheit gegen solche Verdächtigungen unserer Religion wehren. Wenn es sich um Gaben und Geldgeschenke handelt, dann sind wir keine Staatsbürger zweiter Klasse. Ich bedauere den Bescheid des Oberpräsidenten und bitte den Minister, zu erwägen, ob diefer Vorfall doch nicht zu Maßnahmen seinerseits Anlaß gibt, die in Zukunft der⸗ artige Verletzungen der Religion unferer Glaubensgenossen verhindern. Der Abg., von Kardorff hat das Wort von dem ungekrönten König bon Berlin in bezug auf mich gebraucht. Ich stehe 26 Jahre im Dienste der Stadt Berlin und habe mich immer bemüht, nach bestem Können meine Pflicht zu tun. Ich habe aber niemals eine Stellung erstrebt, auf die der Abg. von Kardorff angespielt hat. Das wäre pen mir im höchsten Maße anmaßend. Ich muß mich dagegen ent⸗ schieden wehren, daß mir eine solche Absicht unterstellt wird. Der Abg. von Kardorff hat von einer Bedrohung des preußischen Staates und Deutschen Reiches durch eine zügellofe Demokratie gesprochen. Sie machen so sehr gegen den Reichstag Front. Aber dieser felbe Reichstag hat eine Heeresvermehrung beschlossen, wie sie in gleicher Weise überhaupt noch nicht dagewesen ist. Wie kommen Sie dazu, die große Mehrheit des Reiche tags des Mangels an Vaterlandsliebe zu bezichtigen, weil sie keine Beschlüsse faßt, die Sie wollen? Das ist nur die Verärgerung darüber, daß die Stimmen der Konservativen nach den Reichstagswahlen nicht mehr die Bedeutung haben, als früher. Deswegen blasen Sie zum Sturm, weil Sie 'im Reichstag nicht genügend vertreten sind. Sie wollen das Schlachtfeld ver⸗ schieben in das Abgeordnetenhauß und in das Herrenhaus, weil Sie vermöge eines ungerechten Wahlrechts und einer ungerechten. Wahlkreiseinteilung hier viel mehr Raum und Plätze besitzen, als Ihnen nach den Stimmen zukommen. Der Abg. von Kardorff mischt sich ein in die Reichstagsgesetzgebung und die Haltung des Staatssekrekärs. Man hat es den üddeutschen Staaten verdacht, daß diefe eine Aenderung des Wahlrechts vor⸗

6. die wir nun schon Jahr für Jahr fordern. Der Minister

genommen haben. Sie haben von einem politischen Vorgehen der Einzelstaaten gegen Preußen gesprochen. Wie kom men Sie dazu, in solcher Weise gegen die füddentschen Staaten zu hetzen!

. Dr. Graf von Schwerin Löwitz: Sie dürfen einem Mitgliede des Hauses nicht vorwerfen, daß er hier gehetzt hat.

Abg. Cassel ffortschr. Volksp): Ich will nicht sagen, daß der Abg. von Kardorff gehetzt hat, ich will nur sagen, daß selne Rede als Hetzerei in den süddeutschen Staaten, auch wenn er eine solche nicht beabsichtigt hat, empfunden wird. Die Konfervativen wühlen gegen den hadischen Minister von Bodman, lediglich deshalb, weil er sich als liberalen Minister bejeichnet und erklärt hat, seine liberale Ansicht nicht aufzugeben. Glauben Sle, daß diese Wühlerei die Ge— fühle der Süddeutschen gegen die Konservat wen und dieses Haug ver= mehren wird? Wir müßfen annehmen, daß lediglich politische Macht. gelüste die Ursache der Erregung diefer Unzufriedenheit gegen Reichstag und Einzelstaaten sind. Sie können es nicht vertragen, daß jemals die Zeit kommen könnte, wo aus dem preußischen Abgeordnetenhaus die starke konservative Zusammensetzung einmal verschwinden würde, daß nicht mehr gestatter würde, die Politik einseltig zu beeinflussen. Wir denken nicht daran, die Rechte der Krone zu verkürzen, wie Graf Groeben sagte. Wir wollen die Rechte des Königs nicht beschränken, aber wir wollen ein Parlament, dag etwas zu sagen hat, wie es in einer konstitutionellen Monarchie notwendig ist, und dag nicht bloß ein Scheindasein führt. Es handelt sich aber hier gar nicht um die Rechte der Krone, sondern nur um Ihre Interessen. Sie sehen in dem Kaiser unter Umständen sogar den polttischen Gegner. Die Kon. servativen haben in der Tat gar keine Veranlassung, sich so zu stellen,

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als wenn sie die Königstreue gepachtet hätten. Wir sind für ein ge— rechtes Wahlrecht und eine gerechte Wahlkreiseinteilung. Das Königswort ist noch nicht eingelöst; es kann ohne, Gefährdung bon Staat und Monarchie nicht uneingelöst bleiben. (Zuruf rechts: Berliner Stadtverordnetenversamm lung) Darauf komme ich auch noch. Die Stadztverordnetenversammlung von Berlin hat sich wieder⸗ holt für Aufhebung des Hausbesitzerprivilegs ausgesprochen. Wir haben sogar Parteigenossen, die über diefe Forderung noch hinaus⸗ gehen. Unsere Forderung des gleichen und geheimen Wahlrechts ist so weitgehend, daß Sie uns einen großen Gefallen tun würden, das zu beschließen. Es geht nicht an, daß das Wahlrecht so gestaltet ist, daß es einer Minderheit des Volkes eine ausschlaggebende Be⸗ deutung gibt. Wir werden daher nicht ablassen, die Erfüllung dieser Forderung immer und immer wieder zu verlangen zum Wohle unseres Vaterlandes.

Minister des Innern Dr. von Dallwitz:

Herr Abg. Herold hat sich gestern darüber beschwert, daß dem Verbande der öffentlichen Lebensbersicherungsanstalten in Deutschland die Genehmigung erteilt worden set zum direkten Betriebe der Lebens- versicherung in Rheinprovinz. Ich halte diese Beschwerde nicht für begründet. Nach § 3 der Satzungen des Verbandes öffentlicher Lebensversicherungsanstalten ist der Zweck des Verbandes die Förderung des öffentlichen Lebensversicherungswesens, insbesondere die Gewährung von Rückversicherungen an die ihm angeschlossenen Anstalten. Der Verband ist ferner mit Genehmigung des Königlich preußischen Ministers des Innern berechtigt, in denjenigen Landesteilen, in denen öffentliche Lebenspersicherungsanstalten nicht bestehen, die Lebensver= sicherung unmittelbar zu betreiben. Diese Genehmigung ist erst er— teilt worden, nachdem der Provinzialausschuß der Rheinprovinz gehört war und seine Zustimmung zur Genehmigung des Betriebes der direkten Lebensversicherung erteilt hat. Wenn Ste erwägen, daß jeder Privatgesellschaft der Betrieb der direkten Lebenspersicherung für den ganzen Umfang des Reiches ohne irgend welche Einschränkung er⸗ teilt werden kann und in der Regel erteilt werden muß, so glaube ich, wäre es unbillig, wenn einer Lebensversicherungs⸗ anstalt, die von sieben Provinzen der preußischen Monarchie begründet ist und die öffentliche Interessen insofern wahrnimmt, als sie Erwerbszwecke nicht verfolgt, sondern lediglich gemeinnützigen Interessen dient, der Betrieb der direkten Lebensversicherung in einer Provinz dann nicht einmal genehmigt werden soll, wenn die dor tigen Behörden, der Provinzialausschuß, Oberpräsident, Landes⸗ hauptmann ꝛc. dagegen keine Einwendungen zu machen haben. Allerdings hat der Provinzialausschuß den Wunsch gehegt, daß der Verband seine dortigen Prämienreserven ausschließlich in der Rhein⸗ probinz anlegen sollte. Diesem Wunsch ist deshalb nicht stattgegeben worden, weil von vorn herein dem Verband die Verpflichtung auf⸗ erlegt worden ist, seinen Betrieb in dem Augenblick einzustellen, in dem die Provinz eine eigene öffentlich · rechtliche Anstalt begründen würde. Es war also von vorn herein vorgesehen, daß es sich nur um ein ganz kurzes Uebergangsstadium handeln würde. Es wäre also nicht gerechtfertigt gewesen, für diese kurze Uebergangszelt noch eine besondere Beschränkung in der Anlegung der Prämienreserven auf⸗ zuerlegen. Tatsächlich ist inzwischen von den provinziellen Organen die Begründung einer eigenen Lebensversicherungsanstalt für die Rheinprovinz beschlossen worden. Es hört mithin demnächst der direkte Betrieb des Verbandes, über den Herr Herold sich beschwert hat, auf, und mit dem Uebergang der Versicherungen, die in der Rheinprovinz erworben worden sind, geht auch der Bestand an Prämienreserven auf die Provinzialanstalt über. Es liegt mithin meines Erachtens nicht der mindeste Grund zu den Klagen, dle Herr Herold gestern geltend gemacht hat, vor.

Der Herr Abg. Cassel hat sich dann über den Oberpräsidenten der Provinz Westfalen und mich deshalb beschwert, well die dortige Provinzialfeuersozietät einen Sach verstän digen jüdischen Glaubens abgelehnt habe und auf Beschwerde eines Verbandes jüdischer Staatsbürger nicht Remedur eingetreten sei. Ich bedaure, daß der Herr Abg. Cassel und seine Glaubensgenossen sich durch diesen Fall verletzt gefüblt haben, glaube aber, daß sie von unzutreffenden Voraussetzungen ausgehen. Der Fall liegt so. In einem Zivil⸗ prozeß ich betone, daß es sich um einen Zivllprozeß handelt gegen die westfälische Provyinzialfeuersozietät hat diese im Jahre 1912 durch ihren Rechtsanwalt einen Sachverständigen der Gegenpartei abgelehnt. Der Abgelehnte war jüdischen Glaubens. Die Sozietät hat aber ausdrücklich erklärt, ihren Anwalt beauftragt zu haben, ihn nicht als Juden abzulehnen. (Widerspruch des Abg. Cassel Der Anwalt hat diesen Grund geltend gemacht, aber der Auftrag dazu ist nicht erteilt worden. (Widerspruch des Abg. Cassel.) Die Sozietät schlug ihrerseits drei Sachverständige vor, von denen einer ebenfalls Jude war (Abg. Dr. Schmedding: Hört, hört! Widerspruch des Abg. Cassel. Jawohl, ich kann Namen nennen, aber ich glaube, es empfiehlt sich nicht, den Herrn namhaft zu machen. Also hieraus schon ergibt sich, daß die Konfession für die Feuersoztetät nicht der Anlaß zur Ablehnung dieses Sachverständigen gewesen ist.

(Fortsetzung in der Dritten Beilage.)

(Fortsetzung aus der Zweiten Beilage)

(Abg. Dr. Schmedding: Sehr richtig) Der Zentralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens hat sich wegen der Ablehnung eines Juden beschwert. Ein Einschreiten ist abgelehnt worden und auch nicht möglich, weil das Ablehnungsrecht der Parteien auf dem Zwil⸗ projeßrecht beruht. Es ist reichsgesetzlich geregelt. Hinsichtlich der Gründe der Ablehnung ist es vollkommen unbeschränkt, und über die Ablehnung und ihre Begründung kann also lediglich das Gericht entscheiden. Wenn die Staatsaufsichtsbehörde in einem solchen Fall eingreifen würde, so würde sie gegen die reichsgesetzlichen Bestimmungen verstoßen. Sie ist dazu also gar nicht in der Lage (Zuruf des Abg. Cassel), ganz abgesehen davon, daß, wie ich nochmals betone, die Feuersozietät selbst ausdrücklich erklärt hat, daß sie ihrem Rechts⸗ anwalt nlcht den Auftrag erteilt hat, die Ablehnung auf diesen Grund zu stützen. Ich glaube, daß hiernach der Sachverhalt klar liegt, und daß die Beschwerde unter diesen Umständen alt begründet nicht angesehen werden kann. (Zurufe der Abgg. Cassel und Rosenow Glocke des Präsidenten.)

Der Herr Abg. Cassel hat dann gesagt, daß ich gestern heftige Angriffe gegen die städtischen Behörden von Berlin gerichtet habe, die er als begründet nicht anerkennen könne. Auch das trifft nicht zu. Ich habe keineswegs heftige Angriffe gegen dle städtischen Behörden gerichtet, sondern habe lediglich die beftigen Angriffe abgewehrt, welche die städtischen Behörden, der Magistrat und die Stadt⸗ verordnetenversammlung, sowie derjenige Teil der Presse, der seine Informationen in Kommunalangelegenheiten aus der Königstraße ein⸗ zuholen pflegt, gegen die staatliche Aufsichtsbehörde gerichtet haben, und das ist meine Pflicht. (Sehr richtig! rechts.)

Der Herr Abg. Cassel hat nun, wie ich zur tatsächlichen Be⸗ richtigung erwähnen möchte, gesagt, solche Fälle, daß ein Fünf— millionenobjekt verkauft wird, seien im Kreise Niederbarnim Üüber—⸗ haupt noch nicht vorgekommen. In der Nähe von Berlin handle es sich überdies bei den von mir erwähnten Fallen nur um fiskalische Verläufe. Dlese unterliegen doch auch der Umsatzsteuer, sodaß das an sich kein Grund wäre, eine Umsatz⸗ steuer oder deren Staffelung nicht zu beschließen. Ich möchte dem⸗ gegenüber darauf hinweisen, daß beispielsweise das Terrain, auf dem die Gartenstadt Frohnau errichtet ist, ein verhältnismäßig geringer Teil der Herrschaft Schönflleß, aus dem Privatbesitz des Eigentümers von Schönflleß in den Privatbesitz eines andern Pripat— manns übergegangen ist, und daß der Kaufpreis meines Wissens 5 Millionen überstiegen hat. (Zuruf des Abg. Rosenow) Im Kreise Niederbarnim. Es ist also nicht richtig, daß solche Fälle nicht schon vorgekommen sind.

Nun hat der Herr Abg. Cassel aber gesagt, es sei doch eine un= gerechtfertigte Beschleunigung gewesen, oder diese Beschleunigung sei tendenziös gegen Berlin gerichtet gewesen, denn der obligatorische Kaufvertrag sei ja schon am 18. Juni abgeschlossen worden und da sei es ja ganz gleichgültig, daß die Vorlage des Magistrats erst später, im September, an die Stadtverordnetenversammlung gerichtet worden ist. Ja, meine Herren, der obligatorische Kauf— vertrag hat mit der Besteuerung nichts zu tun. Derjenige Vorgang, der der Besteuerung unterliegt, ist lediglich die Auf— lassung, und diese ist, wie ich inzwischen erfahren habe, auch heute noch nicht erfolgt. Es würde also auch heute immer noch die Zu— stimmung der Aussichtsbehörde zu der Aenderung der Umsatzsteuer—⸗ ordnung ausgesprochen werden können (hört, hört! rechts), und es würde auch dann noch der Kauf von Lanke besteuert werden können weil der Steuerfall überhaupt bisher noch nicht eingetreten ist. Also daraus ergibt sich doch wohl, daß die angebliche Beschleunigung der taatlichen Zustimmung mit dem Steuerfall tatsächlich nicht im Zu⸗ sammenhang Gsteht.

Uebrigens möchte ich zur weiteren Illustrierung dessen, daß eine schleunige Behandlung solcher Sachen kein Ausnahmefall ist, noch hinzufügen, daß mir heute früh eine Satzung des Magistrats der Königlichen Haupt- und Residenzstadt, betreffend die Berliner Feuer- sozietät, vorgelegt worden ist. Diese Satzung ist am 26. September vom Magistrat beschlossen worden und bereits am 27. September im Ministerium des Innern genehmigt worden ein weiterer Beweis, daß in diesen Dingen nicht in Einzelfällen, sondern ganz allgemein mit tunlichster Beschleunigung gearbeitet zu erden pflegt. (Hört, hört! rechts.)

Im übrigen möchte ich in bezug auf den obligatortschen Kauf— vertrag noch anführen, daß dieser seine Rechtsgültigkeit erst später erworben hat, als die Zustimmung der Stadtverordneten dazu und die Genehmigung der Fideikommißbehörde erteilt worden war. Ich habe gestern schon darauf hingewiesen, daß die Zustimmung der Stadtverordneten erst am 4. Oktober v. J. beschlossen ist.

Wenn der Herr Abg. Cassel es in Abrede gestellt hat, daß die Maglstrats vorlage und die Verhandlungen der Stadtverordneten⸗ versammlung heftige Angriffe gegen die staatlichen Behörden gebracht haben, so gestatte ich mir, Ihnen einige wenige Notizen hierüber mitzutellen. In der Magistratsvorlage an die Stadtverordneten befindet sich folgender Passus:

Der Beschluß ist am 17. Juni vom Bezirkausschuß geneh⸗ migt, am 29. Juni hat ihm der Oberpräsident im Einerstãndnis mit den Herren Ressortministern zugestimmt, und am 30. Juni ist er mit alsbaldiger Wirksamkelt veröffentlicht worden.

Nach einigen anschließenden Betrachtungen darüber, daß der Beschluß „eine Verletzung der steuerlichen Gleichberechtigung“ enthalte und „unberelnbar set mit den Grundlagen des Steuerrechts“ kommt der Magistrat zu dem Ergebnis:

Den Erfolg, den Interessen Berlins ein Hindernis in den Weg zu legen, wird jedoch das Vorgehen des Kreises und der staatlichen Organe nicht haben dürfen.

Melne Herren, diese Darlegungen können doch nur die Deutung zulassen, daß die Staatsaufsichtsbehörden sich unter Verletzung der steuerlichen Gleichberechtigung mit dem Kreise Niederbarnim

ö. Dritte Beilage . zum Deutschen Neichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

13. Februar

Berlin, Freitag, den

verbunden hätten zu einer mit den Grundlagen des Steuerrechts unverelnbaren Schädigung der Interessen Berlins. daß ein schwererer Vorwurf als dieser einer Aufsichtsbehörde nicht

Ich glaube,

Meine Herren, es sind dann nach den Zeitungsberichten in der Sitzung von dem Magistratevertreter diese Ausführungen noch ergãnzt worden, wie folgt:

Wir würden fragen, wie ein solcher Akt vereinbar ist mit der uns wiederholt kundgegebenen Versicherung, daß der Stadt Berlin und den Städten überhaupt dasselbe Wohlwollen entgegengebracht werde wle allen anderen Selbstverwaltungen. und haben, was wir besonders lebhaft beklagen, dle Aufsichts⸗ behörden alle Beschleunigung walten lassen, um einen einzelnen bestimmten, bereits im Laufe befindlichen Rechtsvorgang noch kurz vor Tores schluß einer Sondersteuer zu unterwerfen.

Ich habe schon vorhin bemerkt, daß die Auflassung auch jetzt noch Selbstredend sind dann diese Ausführungen des Magistrats aus der Mitte der Versammlung mit den in neuerer Zeit dort ja nicht seltenen drastischen Kraftausdrücken illustriert worden. Es sind nach den Berichten der Presse Ausdrücke wie Landstraßenraub, mittelalterliche Raubritter usw. gefallen, und wenn demnächst das Vor⸗ gehen des Kreises mit Straßenraub verglichen worden ist, so sollte offenbar der Staatsregierung der Vorwurf der Beihilfe und der Förderung zu diesen Handlungen gemacht weiden. Ich glaube, das genügt wohl, um den Nachweis zu erbringen, daß eine Abwehr derartiger Angriffe meinerseits der Berechtigung nicht entbehrte. Konservativen.)

Meine Herren, nun hat der Herr Abg. Cassel sich noch mit dem Kreise Niederbarnim über die Berechtigung der Steuerordnung aus⸗ Auf die Streitigkeiten zwischen Berlin und Nieder barnim selbst einzugehen, habe ich keine Veranlassung, um so weniger, als demnächst wohl das Oberverwaltungsgericht über die Rechts gültigkeit dieser Steuerordnung usw. möchte aber doch zur sachlichen Berichtigung mitteilen, daß bereits Kreisverwaltung Niederbarnim die Erwägungen darüber begonnen haben, ob eine Erhöhung und Differenzierung der Kreisumsatzsteuer für Nieder— barnim geboten Verbandsdirektor etwaiger Ankäufe fiskalischer Grundstücke innerhalb des Kreises Nieder⸗ barnim an den Kreisausschuß gerichtet hatte. also bereits im Winter vorigen Jahres, ist im Kreisausschuß aus der Mitte des Kreisausschusses heraus angeregt worden, eine Erhöhung der bisherigen Kreigsumsatzsteuer für höhere Wertobjekte eintreten zu lassen, unter Hinweis darauf, daß der finanziell sehr viel günstiger ge— stellte Kreis Teltow den doppelten Satz des Kretlses Niederbarnim er— hebe. Daraus ergibt sich wohl zur Genüge, daß keineswegs allein dieser elnzelne Fall den ursprünglichen Anlaß zur Einführung einer erhöhten Steuer gegeben hat.

Ich glaube, hiermit diesen Fall definitiv abschließen zu können, und möchte nur nochmals erklären, daß, soweit Angriffe gegen die Staatsbehörden gerichtet werden, diese der Begründung vollkommen (Bravo! rechts,)

Abg. Korfanty (Pole):

Hier hat der Kreis

nicht erfolgt ist.

Sehr wahr! bei den

elnandergesetzt.

zu befinden haben wird.

im Winter

einer Anfrage,

Zweckoerbandes Besteuerung

Bei dieser Gelegenheit,

Wir sind für die Anträge der Natlonalliberalen und Konservativen, welche eine Einschränkung des Koalitionsrechtes der Arbeiter bedeuten, nicht zu haben. von Kardorff scheint nicht zu wissen, daß die überwältigende Mehrhelt des Reichstags erklärt hat, daß die preußische Handhabung des Vereinsgesetzes im Wider spruch mit dem Reichsgesetze steht; er behauptete nämlich, daß allseitig bekannt sei, daß die Klagen darüber abgenommen hätten. In der Begründung des Reichsgesetzes heißt es, daß private Vereinsversammlungen nicht von den Strafenparagraphen hetroffen as ö,, hat dasselbe auch ür die wissenschaftlichen Vorträge festgestellt. . : fir ich in Breslau hat aber wissenschaftliche Vorträge in polnischer Sprache in den Bezirken, die wenigstens 60 oo, Polen in der Be⸗ völkerung haben, für unzulässig erklart, es hat sich damit in Wider⸗ spruch mit den Erklärungen des Herrn von Bethmann Dollweg als Das Oherlandesgericht in Marten⸗ werder hat in Widerspruch mit den klaren Bestimmungen des Vereins⸗ gesetzes geschlossene Vereinsversammlungen unter nichtiger Begründung für öffentliche Versammlungen erklärt und dadurch es unmöglich gemacht, im Bezirk Marienwerder überhaupt Vereintzversammlungen abzu⸗ Die Behörden erklären jeden Verein, in dem sich, nur Polen befinden, für politisch, wenn er auch gar keine polttischen . ie Ausnützung des Legitimationszwanges ist durch— Diese Ansicht wird nicht allein von uns geteilt, sondern auch von den österreichischen Behörden. Ich hoffe, daß die öster⸗ reichische Gesetzgebung hier endlich diesen Gesetzwidrigkeiten der preußischen Behörden einen Riegel vorschseben wird. der Sozialdemokraten in Sachen des Arbeiter legitimationszwanges werden wir zustimmen, obwohl er uns nicht weit genug geht. Peit der Aueweisung ist man dann schnell dabei, wenn es sich um Polen Dagegen weisen die preußischen Behörden Leute, die sich die größten Verbrechen haben zuschulden kommen lassen, aber nicht der polnischen Nationalität angehören, nicht immer aus. ß auf einen Prozeß zu sprechen kommen, in dem ein Maͤdchenhändler aus Myslowitz wegen Bestechung zweier Polizeibeamten angeklagt war. Dieser Mädchenhändler; bet ieb sein gemeines und schmutziges Handwerk schon jahrelang in Desterreich, wurde dort bestraft, ausgewiesen und ging nach Preußen, Amerika . Linie

Das Oberlandes«

Staatssekretärs des Innern gesetzt.

Zwecke verfolgt. aus gesetz widrig.

Dem Antrage

Ich muß hier

wo er bei der Hamburg- Der Reglerungepräsident Oppeln und die ihm untergeordneten Beamten mußten bestimmt wissen mit was für einem Mann sie es hier zu ten hatten. Aber der Mädchenhändler wurde nicht gusgewiesen. ;

sagt in bezug auf die Veröffentlichung der Dokumente des Ostmarken⸗ i niederträchtigen Weise, die nech schlimmer sei als Diebstahl entwendet selen. Dagegen Der Registrator des Ostmarken⸗ vereins hat die Dokumente nicht gestohlen, sondern nur abgeschrieben, und dies hat er aus idealen Gründen getan, um seiner Sache zu dienen. Wenn der Ostmarkenverein derartige Gemeinheiten in seinen Akten hat, so ist das nicht die Schuld des Registrators. dagegen auf den schon früher erörterten Fall hin, in welchem ein olizeiagent aus einem Briefkasten Briefe entnommen, sich von ihrem Inhalt Kenntnis verschafft und sie dann wieder in den Kasten zurück⸗ 9 Der Abg. von Kardorff und der Minister von Dallwitz stellen sich hler als unschuldige Lämmer hin und sagen: die Verbin- dung des Ostmarkenvereins mit dem ruthenischen Exekutivkomitee habe

Der Abg. von Kardorff

muß ich entschieden protestieren.

gelegt hat.

ist doch bekannt, daß Vertreter des ruthenischen Komltees nach Berlin gekommen sind, um gemeinsam mit dem Osimarkenverein ein Pro⸗ gramm für den Kampf gegen die Polen aufzustellen. Wollen Sie da noch leugnen, daß der Ostmarkenverein mit dem ruthenischen Exekutip⸗ komitee nur deshalb in Verbindung trat, um ruthenische Arbeiter anzuwerben? Das steht dech fest, der Ostmarkenverein hat sich mit einer Partei in Verbindung gesetzt, die den politischen Mord auf ibre Fahne geschrieben hat. Erinnern Sie sich doch, daß der Mörder des Statthalters von den Ruthenen als Nationalheld efeiert wird und daß die ruthenischen Zeltungen diesen 3. als einen Märtyrer ihrer Sache hingestellt haben. Da wagt es der Minister hier zu erklären, das fel die Tat eines einzelnen, die dem Verein nicht zur Last gelegt werden kann? Der Minister mußte über diese wichtigen Dinge ganz anders informiert sein. Der Konsulatssekretär Rautter in Lemberg soll nach Ze tungs⸗ berichten versetzt worden sein; wenn das wahr ist, so beweist es, daß die Tätigkeit des Ostmarkenvereins in Galizten nicht ganz fo harmlos gewesen ist. Der Minister hält den OSstmarkenverein für notwendig, solange die Polen einen Staat im Staa! bilden, er weiß also nicht, auf welchem Tiefstand der Ostmarkenverein steht, und daß er nicht einmal Respekt vor dem Kaiser hat, da er ihn mit einer Nummer bezeichnet. Herr von Tiedemann hat seinerzeit an den Fürsten Bülow bezüglich des Enteignungsgesetzes geschrieben: Tragen Sie die Sache dem Kaiser nur richtig vor, dann wird der Kaifer schon unter⸗ schreiben'. Minister von Schorlemer mußte einen Mann wie Herrn von Tiedemann darum bitten, daß der Ostmarkenverein seine Angriffe gegen ihn einstelle. Ist das nicht demüttgend für einen Minister? Der Ostmarkenperein muß immer wie ein wildes Tier einen neuen Fraß vorgeworfen bekommen. von Tiedemann hat mit den Konser⸗ vatiben nichts zu tun, ich bitte diefe m Entschuldigung, daß ich ihn ihnen einmal an die Rockschöße gehängt habe, einen Mann, der beim Kaiser mit Denunziationen arbeitet, der die polnischen S udenten hei dem Universitätsdezernenten Geheimrat Elster wegen staats efährlicher Versammlungen denunziert hat. Ich bin überzeugt, daß die Konser⸗ vativen mit einem solchen Herrn nichts zu tun haben; dessen Platz ist vielmehr neben Herrn Octavio von Zedlitz.

Unterstaatssekretä Holtz: Bei der Beschuldigung zweier Beamten in der Angelegenheit, des Mädchenhändlers handelt es sich um Beamte, die sich selt Jahren bewährt haben. Ich glaube nach meiner Kenntnis dieser Beamten von vornherein, daß auch in diesem Fall, wie in früheren sich herausstell n wird, daß die Informats onen des Abg. Korfanty etwas zu wünschen übrig lassen werten. Es ist unrecht, lediglich nach Zeitungsnachrichten diese Beamten hier zu nennen. Die Sache wird sich ja im Prozeß herausstellen. Sodann ist wiederum behauptet worden, daß ein Polizeiagent aus einem Briefkasten Briefschaften herausgenommen, sich von deren Inhalt Kenntnis ver— schafft und sie dann wieder in den Briefkasten gelegt haben soll. Es ist mir pfychologisch erklärlich, daß der Abg. Korfanty diesen Fall aufs neue urgieit. Nechdem man mit dem Registrator kein Glück gehabt hat, will man einem Polizeibeamten etwas Aeh liches nachweisen können. Weder in strafrechtlichen Ermittlungen noch im Disziplinar⸗ derfabren ist dicse Verfehlung nachweisbar gewesen. Der Versuch des Nachweises, daß der Beamte an dem Biiefkasten auf frischer Tat ertappt sel, und seine Ueberführung durch Zeugen ist völlig miß⸗ glückt. Deshalb wird sich der Abg. Korsank von mir sagen lassen müssen, daß es ein Unrecht ist, zur Verdächtigung einer Person fortgesetzt Dinge zu wiederholen, die man nicht be— weisen kann. .

Abg. Ströbel (Soz.): Die lange Rede meines Freundes Hoff mann war nur ein Akt der Notwehr. Sie beweist, daß wir uns nicht vergewaltigen lassen. Wir müssen die Möglichkeit hahen, bei der Generaldebatte alles Nötige zu sagen. Wie Sie die Geschäfte ordnung auch gestalten mögen, wir werden immer noch in der Lage srin, alles vorzubringen, was wir zu sagen haben Es war keine Obstruktions⸗ rede, sondern sie war streng sachlich und brachte nur einzelne Fälle. Daß es so viel Fälle waren, daran tragen Sie allein die Skuld. Wären nur alle Redner so sachlich wie wir! Die Rede des Abg. Fuhrmann war lediglich ein Aufruf für die. Sammelpolitik zu gemeinsamem Kampfe gegen die Sozialdemokratie. Das Parlament hätte ssich auf die sachliche Erörterung der vom Abg. Hoffmann vorgebrachten Fälle einlassen müssen. Das hat es aber nicht getan, weil diese Källe zu niederschmetternd waren. Man steckt den Kopf in den Sand; aber das Volk draußen treibt keine Vogelstraußpolitik. Es herrscht hier ein System der mangelnden Aufrichtigkeit, indem das ganze Materigl als unvollständig hingestellt wird. Man entrüstete sich über die Witze meines Kollegen Hoff mann. Man. hat aber nicht daran gedacht, daß Redner anderer Parteien, zum Beispiel der Abg. Oertel im Reichstage, auch nicht besonders zimperlich sind. Der Unterstaatssekretär hat das Spitzelsystem, das von Mäbchenhändlern, Zuchthäuslern usw. ausgeführt wird, für gerechtfertigt erklärt, und zwar mit Rücksicht auf das Vorhandensein der Sozialdemokratie. Staats verräterische Umtriebe treiben wir nicht; wir verhandeln vor der breitesten Oeffentlichkeit. Durch das Vorhandensein dieser Spitzel müssen die anderen Polizeiorgane angesteckt werden. Abg. Hoff mann hat darauf hingewiesen, daß die Zensur in geradezu skandalöser Weise ausgeübt wird. Gerade die Nationalliheralen sollten sich dagegen aufbäumen. Abhilfe wird erst geschaffen, wenn der Staat seine Polijzeiorggne vor aller Welt lächerlich gemacht hat.! Das beweisen auch wieder einmal die Ausführungen des Unterstaatssekretärs über die Karfreitagskonzerte. Es ist mög⸗ lich, daß die Erklärung vom Ministertisch über den Inster⸗ burger Landrat zutreffend ist; aber wir sind sebr skeptisch, weil wir oft die Erfahrung gemacht haben, daß die Erklärungen vom Regierungstisch den Tatsachen nicht entsprachen. In der Handhabung des Reichsvereinsgesetzes werden wir die Praxis der Landräte genau verfolgen, und Verstoͤße werden wir uns nicht gefallen lassen. Wenn ein Polizeipräsident in ein schwebendes Gerichts verfahren eingreift, so braucht das Volk, und namentlich die Herren Liberalen, sich vor einent Eingriff in ein schwebendes Verfahren nicht so ängstlich zu hüten. Wenn das ein Mann tut, der bei Hofe ein und ausgeht, so ist dessen Aeußerung geeignet, die Gerichte zu beeinflussen. von Jagow muß sich selbst bewußt, geworden sein, daß die ganze jetzige Politik nichts wert ist, sonst hätte er das Verbot der Schutz manns vereinigung nicht erlassen. Ernsthafte Liberale können doch heutzutage gar nicht mit den Konser⸗ vativen zusammengehen. Unter ernsthaften Liberalen verstehe ich frei⸗ lich nicht die Nattonalliberalen. Die naturgemäße Entwicklung aller politischen Dinge führt dazu, daß das Volk sich neue Rechte erringt. Wie steht es denn mit der Köntgstreue der Konservativen und Frei= konservativen, wenn der Abg. von Kardorff die Einlösung des Königswortes von der Wahlreform nicht wahrmachen will. Es ist ein Köhlerglaube, daß die Nation sich spalte in Ordnungs⸗ parteien auf der einen und in eine Umsturzpartei auf der anderen Seite und daß die Millionen von Arbeitern bis aufs Messer bekämpft werden müßten. In, der Frage des Um— sturzes haben sich alle Parteien nicht viel vorzuwerfen. Der freisinnige Prosessor Mominsen hat darauf hingewiesen, daß die Parteien alle eine Aenderung des bestehenden 3 standes herbeiführen wollen. Er hat auch als Ziel des Liberalismus bezeichnet die Um⸗ wandlung des Reichsoberhauptes in den ersten Diener des Staates, etwa im Sinne Englands. Wir wollen nicht die Ordnung stürzen,

nur den Zweck, ruthenische Arbeiter anzuwerben. Aber dem Minister

sondern nur das Unrecht. Professor Rein hat im Jahre 1910 aut