1914 / 44 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 20 Feb 1914 18:00:01 GMT) scan diff

doc lleinliche Rangunterschiede. Wenn Hilfskräfte entlassen werden, müßten mindestens die underheirateten den verheirateten vorangehen. Es muß darauf gesehen werden, daß die Leute, die im Marinedienst kehen, bor materiellen Sorgen geschützt werden. Der Staatssekretar erief sich darauf, daß die Arbeiter zufrieden seien, und führte zum Beweis den Fackelzug in Kiel zu Ehren des Kaisers an. Es hat dort ein Kaisergeburtstagsessen auf Abschlagszahlung stattgefunden. Es ist den Herren gestattet worden, den Betrag in drei Raten zu ahlen. Keine Marine der Welt hat im letzten Jahre so diele lenschen durch Unfälle verloren wie Deutschland. Zwei Unfälle sind Torpedounfälle. Es ist nicht festgestellt worden, ob die Betei- ligten schuld waren. Aber von einem der Unfälle bin ich geneigt anzunehmen, daß er auf das Konto eines übertriebenen militärischen Schneids zurückzuführen ist. Solche tollkühnen Manöver in der Nacht, wie sie hier veranstaltet wurden, sind stets mit Gefahren ver—⸗ bunden. Bezüglich der schrecklichen Unfälle des L 1 und L 2 stellt die Marine verwaltung jede Schuld in Abrede. Mindestens 1 war ein Fahrzeug, das nicht widerstandsfähig genug gewesen ist. Es ist irrig, daß Luftschiffe über dem Meere weniger Gefahren ausgesetzt sind. L. 2 ist zugrunde gegangen, weil man zu rasch für Kriegszwecke ein Fahrzeug haben wollte. Daß sich Unfälle nicht bermeiden lassen, ist ein schlechter Trost. Diejenigen, die sich diesen Gefahren aussetzen, müssen aber mindestens das Gefühl haben, daß die Hinterbliebenen vor dem Betteln geschützt sind. Die Sammlung für die Hinterbliebenen der beiden Luftschiffe hat die blamable Summe von 7847 6 ergeben, ein solcher blamabler Bettel darf sich nicht wiederholen; es müsfen hinreichende Mittel in den Etat einge— stellt werden. Das Problem der Rüstungslieferungen wird trotz der Auseinandersetzungen von früher den Reichstag noch öfter beschäftigen müssen. Bemerkenswert ist, daß die Preise erhöht werden. Ein Kartell ist ja nicht zustande gekommen. Aber es wird fortgesetzt versucht, das Reich zu prellen. Das beweist ein geheimer Marine⸗ verständigungskonzern in Dortmund. Wenn eine Werft Schiffs⸗ baumaterial gebraucht und sich an verschiedene Werke wendet, dann lassen die Werke an die Geschäftsstelle einen Geschäftszettel gelangen, und es erfolgt eine Verständigung zwischen den Werken. Jedes Werk, das eine Bestellung erhält, muß vom Fakturenbetrag 109 3 an die geheime Geschäftsstelle abliefern. Die vollzogene Lieferung ist an die geheime Stelle zu melden. Nach Abzug der Geschäftsunkosten wird der Ueberschuß jenes Betrages an die übrigen Werke verteilt. Was soll gegen solche Praktiken geschehen oder was ist schon geschehen? Die Regierung darf uns nicht auf die geheimen Verhandlungen der Rüstungskommission vertrösten, sondern muß sich öffentlich dagegen äußern. Ich frage den Staatssekretär: Welches sind die Beziehungen des Kruppagenten Brandt zum Marineamt gewesen? Ganz neben— sächlich können sie nicht gewesen sein. Vor Gericht ist man darüber hinweggegangen; es ist keine Klarheit geschaffen worden. Das Schmiergelderunwesen hat ja der Magdeburger Prozeß recht anschau⸗ lich beleuchtet. Das Wettrüsten dauert fort, und zwar in Form einer starken Steigerung aller Ausgaben; denn die Ausgaben sind in allen Teilen des Marinebudgets von Jahr zu Jahr immer mehr gestiegen. Man muß deshalb darüber Betrachtungen anstellen, wie dieser zum finanziellen Ruin der Völker führenden Erscheinung entgegengetreten werden kann, sei es, indem man zu einer Verständigung über die Flottenstärke zwischen den beteiligten Ländern kommt, oder indem man die Gegensätze zwischen den Völkern zu verringern sucht. Das muß selbstverständlich auf das äußerste erschwert werden, wenn immer wieder gewissenlos von hochstehenden Personen gehetzt und geschürt witd und auf das unabwendbare Eintreten eines Krieges immer hingewiesen wird. In dem Augenblick, als Deutschland sich an— schickte, mit Frankreich und England das Abkommen über Kleinasien zu treffen, führte der General Bernhardi aus, daß ein Krieg unver— meidlich sei bei der undefinierbaren Spannung zwischen den euro— päischen Völkern. Aber man sollte nicht nur den Rüstungsinter⸗ essenten auf die Finger klopfen, man sollte auch einer gewissen Presse das Handwerk legen. Ein Schriftsteller Adolf Stein ist unmittelbar nach Erscheinen einer hetzerischen Broschüre zu einer Flottenübung eingeladen worden, der sonst kein Fremder beiwohnen darf. Das muß geradezu als eine Belohnung angesehen werden. Hoffentlich gibt ö der Staatssekretär nähere Auskunft; das Treiben der Rüstungsinteressenten ist ja erst kürzlich wieder durch den Putilow⸗— skandal ans Licht gekommen. Dabei kommt das Rüstungskapital natürlich auf seine Kosten, aber das deutsche Volk wird die Zeche zu bezahlen haben. Baut Rußland seine Ostseeflotte aus, so wird unser Flottenverein den Deutschen wieder klarzumachen versuchen, daß auch bei uns eine Flottenvermehrung notwendig sei. Man hat dafür ge—⸗ sorgt, daß die Putilowwerke wieder flott gemacht werden konnten. Man hatte gesagt, sie sollten an 5 verkauft werden. Das Resultat war, daß diese Werke 50 Millionen Frank französisches Geld erhielten. Zwischen den Putilowwerken und der Firma Blohm u. Voß sollen recht enge geschäftliche Beziehungen bestehen, die Putilowwerke hängen wieder mit den österreichifchen Skodawerken jusammen, und diese wieder mit den Werken in Fiume. Die russi⸗ schen Werke in Reval werden von deutfschen Firmen geschaffen und mit deutschem Kapital leistungsfähig gemacht. Man will sich dadurch ein, Gegengewicht schaffen. Dieser Zustand' findet selbstverständlich darin keine Entschuldigung, daß es die englischen Firmen ebenso machen, indem sie für Italien Riesenschiffe bauen. Ueber ein Äb— kommen mit England hat sich der Staatssekretär am 4. Februar, als er die Flottenstärke Englands zu Deutschland darlegte, mit recht lauwarmen Worten geäußert. Leider ist dem englischen Ver—= ständigungsvorschlag nicht eine diplomatische Verständigungsaktion gefolgt. Das Verhalten der deutschen Diplomafse soll England von einem direkten Vorschlage abgehalten haben. Hat man doch bei uns immer wieder betont, daß auf der Durchführung des Flottengesetzes bestanden werden müsse. Darauf hat auch Sir Edwars Grey in einer Rede in Manchester hingewiesen. Man stellt sich gegenseitig auf den Standpunkt: Hannemann, geh du voran! Der Staatssekretãr sagte, England müsse den ersten Schritt tun, da es besser gerüstet sei als wir. Das ist, soweit die Schiffszahl in Betracht kommt, richtig, aber mit Bezug auf die anderen Richtungen falsch. Es muß auch das Heer berücksichtigt werden. Der Vorschlag eines sogenannten Flottenfeierjahres hat in England nicht sehr viel, in Deutschland gar keine Gegenliebe gefunden; bei der deutschen Regierung fand er überhaupt keinen Anklang. Der Staatsfekretär hat ihn als sachlich ungeeignet bezeichnet. Gewiß würde es schwierig sein, sich über dieses Flottenfeierjahr zu verständigen, aber diese Schwierigkeiten würden zu überwinden sein. Die Argumentation des Staatssekretärs, daß Deutschland seine Rüstungsausgaben viel langsamer gesteigert habe als andere Länder, ist nach keiner Richtung hin als beweiskräftig anzusehen. Richtig ist, daß seit 1909 die Ausgaben für die deutsche Flotte langsamer gestiegen sind als die englischen. Legt man aber andere Jahre zugrunde, so kommt man zu ganz anderen Zahlen. Der Staatssekretär hat sich ein besonders günstiges Jahr herausgesucht. Man kann deutsche und englische Heer und Flottenausgaben über⸗ haupt nicht vergleichen, weil, abgesehen von der Verpflegung, die übrigen Kosten für die Mannschaften in England erheblich höher sind als in Deutschland. Der Staatssekretär hat gesagt, daß wir jährlich zwei Linienschiffe bauen, mehr sei auch nicht beabsichtigt. Man ver⸗ mutet nun, daß die Oeffentlichkeit auf eine neue Flottenvorlage vor⸗ bereitet werden soll. Eine solche würde einen unberechenbaren poli- tischen Schaden verursachen, die guten Beziehungen zu England ver— nichten und ein Wettrüsten herborrufen. Wenn man bedenkt, was der Großadmiral Köster als Mindestmaß von großen Schlachtkreuzern jährlich verlangt, so kann man eine solche neue Flottenborlage nicht als unwahrscheinlich bezeichnen. Die Abneigung gegen weitere Rüstungen und der Wunsch, zu einer Verständigung mit England zu gelangen, findet immer mehr Anklang in Kreisen, die man früher solcher vernünftigen Ideen nicht für fähig gehalten hätte. Ich ver—= weise guf, einen Artikel des Professerg Schumann in der Kreuz zeitung! über ein deutsch⸗englisches Bündnig. Der Staats sekretãr des Auswärtigen Amts sprach in der Kommission von unseren Kolo— nialperhandlungen mit England. Das deutsche Volk will lieber ein deutsch'englisches Bündnis Über die Abrüstüng. Wenn Allerdings die Führer der bürgerlichen Parteien solche imperialistischen Bestrebungen

an den Tag legen, wie wir es wiederholt erlebt haben, dann kann kein Vertrauen bei den anderen Stgaten auffommen. gs ist auch ar nicht einzusehen, warum nicht bei einigem guten Willen der be⸗ . Gegfnlatz zwischen Deutschland und Frankreich nicht ge— mildert und beseitigt werden könnte. Man nenne unsere Bestrebungen nicht utepisch. Selbst das englische Bürgertum empfindet die Militär- lasten schwer, und es ist gar nicht aussichtslos, daß wir zu einer Ver- ständigung mit England gelangen. Diese würde allen Völkern zum Segen gereichen.

Staatssekretär von Tirpitz:

Meine Herren! Einige der Ausführungen des Herrn Vorredners veranlassen mich zu einer sofortigen Antwort. Zunächst möchte ich dem Herrn Referenten auf seine Anregung, daß wir bei den Lieferungen auch die süddeutschen Firmen nach Möglichkeit berücksichtigen sollten, erwidern, daß die Marine durchaus auf demselben Standpunkt steht. Die Marine ist eine Reichsmarine; es gibt bei uns keine Stämme Deutschlands, sondern es gibt nur Deutsche. Diesen Standpunkt ver⸗ treten wir auch im Auslande; wir erweitern ihn sogar ganz unwill⸗ kürlich über das deutsche Reich hinaus, insofern als sich Angehörige einer ganzen Reihe uns verwandter Staaten, wie die Schweiz, Oester. reich uswi, häufig unter unseren Schutz begeben. Aus diesem grund— sätzlichen Standpunkt der Marine folgt von selbst, daß ich bestrebt bin, die Vergebung von Lieferungen möglichst gleichmäßig über das ganze Reich zu verteilen. Natürlich läßt sich das nicht absolut genau machen, da ja manche Industrie, im besonderen die Schwerindustrie an einer Stelle konzentriert ist.

des Reichsmarineamts, Großadmiral

Aber wir bemühen uns in dem erstrebten Sinne, und wir haben kürzlich erst Experten nach Süddeutschland geschickt, die mit den Handelskammern und Gewerbekammern in Ver⸗ bindung treten sollen, um eine stärkere Beteiligung der süddeutschen Firmen herbeizuführen. Ich hoffe, daß eine stärkere Beteiligung der süddeutschen Staaten dabei herauskommen wird. Die Wünsche, die uns von den Handelskammern bezüglich Proben, Veröffentlichungen usw. geäußert worden sind, werden zunächst erfüllt werden. (Bravo) Wir werden weiter versuchen, ob wir bei den Submissionen die verschiedenen Eisenbahnkosten berücksichtigen können. Die Herren mögen versichert sein, in Süddeutschland, oder wo immer es im Deutschen Reiche ist, daß wir es an Bemühungen nach dieser Richtung hin nicht fehlen lassen werden.

Ich möchte nun auf die Ausführungen des Herrn Abg. Noske eingehen. Er hat zunächst gesagt, daß die Vorgesetzten verhältnismäßig milde bestraft würden und die Gemeinen sehr hart, zu hart. Ich muß dem entschieden widersprechen. (Oho! bei den Soz) Wir verfahren nach dem Strafgesetzbuch. Bei den Fällen, die der Herr Abg. Noske angeführt hat, handelt es sich um tätliche Angriffe gegen Vorgesetzte, und das ist ein schweres militärisches Verbrechen und ein schwerer Ver⸗ stoß gegen jede militärische Disziplin.

Er hat ferner davon gesprochen, daß die Stimmung auf einzelnen Schiffen der Flotte in diesem Sommer sehr schlecht gewesen wäre. Das Gegenteil ist der Fall. Der Dienst in der Marine ist freilich hart, das ist klar; er ist aber für den Mann ganz gewiß nicht härter als für den Offizier; denn der Mann dient drei Jahre bei uns, der Offizier muß durchhalten. Also in dieser Beziehung besteht nicht nur Gleichheit, sondern die Offiziere und die Berufssoldaten sind sehr viel stärker belastet. Dann widerspricht die Statistik der Behauptung des Herrn Abg. Noske, daß die Strafen für Mißhandlungen zugenommen hätten. Tatsächlich haben die Mißhandlungen abgenommen. Im Jahre 1909 kamen auf 10 009 Mann 3,9 Fälle und im Jahre 1912 kamen auf 10000 Mann 3,4 Fälle. (Hört, hört! rechts, Was können gegen diese Zahlen die Behauptungen des Herrn Abg. Noske besagen, die er gar nicht belegt hat?

Herr Abg. Noske hat dann einen Fall aus Kiel angeführt. Beim Besuch Seiner Majestät des Kaisers hätten Unteroffiziersfrauen die Fenster geöffnet, um Seine Majestät zu sehen, und seien die Männer dieserhalb bestraft worden. Die Sache liegt so: Es besteht ein Ka— sernenbefehl, wonach die Fenster bei solchen Gelegenheiten nicht auf⸗ gemacht werden sollen. Weil dagegen in den Wohnungen der Unter— offiziere verstoßen worden war, sind die letzteren bestraft worden. Gurufe bei den Soz.: Na also) Wollen Sie gütigst abwarten, was ich weiter zu sagen habe. Nachdem diese Bestrafung stattgefunden hatte, ist sie zur Kenntnis Seiner Majestät gekommen, und Seine Majestät haben die Strafen aufgehoben. (Hört, hört! rechts.) Der betreffende Vorgesetzte mußte zunächst seinen Vorschriften gemäß handeln.

Dann hat Herr Abg. Noske von gefährlichen Torpedobootsmanö— vern gesprochen. Gewiß: Nachtmanöver der Torpedoboote sind nicht ohne Gefahr. Ich kenne sie reichlich persönlich und kann Ihnen sagen, daß ich immer am Morgen sehr zufrieden war, wenn ich alle Küken wieder zusammenhatte. Aber dergleichen läßt sich nicht vermeiden. Daß häufig Gefahren eingeschränkt werden können, ist zuzugeben. Aber da kann ich mitteilen, daß nach den letzten Vorgängen alles, was möglich ist, geschehen ist, um irgend vermeidbare Gefahren auszuschal⸗ ten. Ganz ausschalten läßt sich das nicht, auch bei anderen Marinen nicht, und wenn sie etwa bei anderen Marinen wirklich ganz ausge— schaltet wären, und die Manöver so angelegt würden, daß dergleichen überhaupt nicht vorkommen kann, dann bezweifle ich, ob in der be— treffenden Marine das Torpedobootswesen im Kriege die Leistungs⸗ fähigkeit haben kann, die das unsere jedenfalls haben wird.

Ferner hat der Herr Abg. Noske gesagt, wir hätten den „L 1“ zu frühzeitig nach Helgoland geschickt; die Leute wären nicht ausge⸗ bildet gewesen. Das ist durchaus nicht richtig. Wir haben ja den Fall von „L 1“ kriegsgerichtlich genau untersuchen können, da zwei Offiziere, die als Schüler mit an Bord waren, und auch einige Mann— schaften gerettet worden sind. Diese Untersuchung hat ergeben, daß in jeder Beziehung vorsichtig und korrekt verfahren worden ist. Der Kommandant ich bin ja selber mit ihm gefahren und kann das auf Grund persönlichen Urteils sagen war ein ausgezeichneter und geübter Luftfahrer; aber er ist in eine Wetterkatastrophe hineinge⸗ raten, wie sie zu den größten Ausnahmen gehört. Nachdem von allen Seiten telegraphiert war, daß barometrische Störungen nicht vorhan⸗ den und nur leichte Winde zu erwarten wären, ist die Fahrt ange⸗ treten worden. Mit einem Male setzte eine schwere ein, von der mir die Herren, die auf den Schiffen waren, gesagt haben, sie hätten selten, wenn überhaupt jemals in ihrem Leben, eine solche erlebt. Das waren die Tatsachen. Ich habe ja in der Budgetkommission längere Ausführungen gemacht, die im Plenum zu wiederholen zu weit führen würden; jedenfalls glaube ich, daß wir allmählich auch bezüglich der Wetterbeobachtungen noch etwas weiter kommen werden. Im übrigen kann ich nur wiederholen, daß es sich hier um eine force

majeure gehandelt hat, um eine Wetterkatastrophe, die in keiner Weise zu erwarten war.

Was das zweite Unglück betrifft, so hat der Herr Abg. Noske ge⸗ meint, wir wären mit dem Bau des „L. 2“ zu rasch vorgegangen, d. h. wir hätten ihn zu rasch vergrößert. Das ist doch der Sinn dessen, was der Abgeordnete sagte. Auf der einen Seite behauptet der Herr Abgeordnete Noske, das Schiff L. 1* wäre nicht leistungsfähig genug gewesen, um in die Nordsee geschickt zu werden, und auf der anderen Seite wirft er der Marineverwaltung vor, daß sie gerade das getan hat, was die Fähigkeit zur Verwendung in der Nordsee erheblich ver⸗ bessert. (Abg. Noske: Ich habe von Konstruktionsfehlern ge⸗ sprochen) Bezüglich der Konstruktionsfehler kann ich nur sagen, daß diejenigen, die speziell diese Konstruktion ausgeführt haben, ja leider tot sind und sich hier nicht selber verteidigen können. Wir haben jedenfalls aufs strickteste darauf geachtet, nie etwas anzuordnen, was nicht auch die Zeppelingesellschaft gebilligt hat, und die offiziellen Erklärungen, die von mir über den Unglücksfall des „. 2“ an die „Norddeutsche Allgemeine“ gegeben worden sind, sind zusammen mit der Zeppelingesellschaft aufgestellt worden. Gewiß sind auch Kon— struktionsfehler vorgekommen, die sich vielleicht in Zukunft werden vermeiden lassen, das ist richtig; aber ich wiederhole, wir haben immer auf dem Boden gestanden, nichts von der Zeppelingesellschaft zu ver— langen, was sie nicht auch ihrerseits annimmt. Daß sich bei derartigen neuen technischen Errungenschaften, wie es Luftschiffe sind, Gefahren herausbilden, die keiner in dem Augenblick der Konstruktion erwartet auch der besten Konstruktionen nicht ist selbstverständlich. Zwei⸗ felsohne war unser Ingenieur, den ich drei Jahre lang zur Ausbildung nach der Zeppelingesellschaft geschickt hatte, eine ganz hervorragende technische Kraft. Auf ihn allein könnte eine etwaige Schuld fallen, und deshalb fühle ich mich verpflichtet, gerade in Rücksicht auf diese Persönlichkeit dafür einzutreten und festzustellen, daß das Beste ge⸗ macht worden ist, was wir überhaupt machen konnten. (Bravo) Dann hat der Herr Abgeordnete Noske davon gesprochen, daß es doch nicht in der Ordnung wäre, daß die bei derartigen Katastrophen Ver unglückten auf private Mildtätigkeit angewiesen seien. Meine Herren, davon kann gar keine Rede sein; denn die verunglückten Witwen, Waisen, Eltern und sonstigen Angehörigen bekommen ohne weiteres die höchste Pension, die es im Pensionsgesetz gibt, nämlich die Kriegs⸗ pension. (Sehr richtig Der Staat hat also alles getan, was er kann, oder er müßte ein neues Pensionsgesetz für den Krieg machen. Nach der Richtung hin ist es also gar nicht möglich, mehr zu tun, als geschehen ist.

Was die freiwillige Hilfe anbetrifft, so war die Höhe der Summe, die der Herr Abgeordnete Noske angeführt hat, doch nicht ganz richtig. Ich habe am zweiten Tage schon im Reichsmarineamt 18 000 M frei- willige Beiträge in der Hand gehabt und nach dem, was ich über die private Wohltätigkeit, die für die Luftschiffer eingesetzt hat, gehört habe, sind 40 000 4K zusammen gekommen. Es sind also immerhin rund gerechnet 60 000 M gewesen. Andererseits hat es sich doch auch nur um eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen gehandelt.

Der Herr Abgeordnete Noske hat mich ferner gefragt, inwiefern die Marine mit dem Kruppprozeß zu tun gehabt hätte, inwieweit sie bei den Unregelmäßigkeiten beteiligt wäre, die bezüglich einiger unter⸗ geordneter Organe zutage gekommen sind. Darauf habe ich zu er⸗ widern, daß wir sofort, als diese Unregelmäßigkeiten bekannt wurden, eine eingehende Untersuchung eingeleitet haben. Da ist festgestell t worden, daß in der Marine weder ein Fall des Verrats militärischer Geheimnisse, noch irgendein Fall von Bestechung oder Ungehorsam gegen einen Befehl in Dienstsachen gelegentlich der Tätigkeit des Herrn Brandt vorgekommen ist. Das Einzige, was festgestellt ist das habe ich schon in der Budgetkommission mitgeteilt ist, daß einige Kanzleidiener Trinkgelder bis zu ganzen 3 S be⸗ kommen haben (Hört, hört! und Heiterkeit rechts) dafür, daß sie die Röcke und Schirme der betreffenden Herren getragen haben. Seien wir doch froh, daß wir ein solch einwandfreies Beamtenpersonal haben (Sehr richtigh, und bewerfen wir es nicht immer mit Verdächti— gungen! (Erneute Zustimmung) Es ist doch ganz unbestreitbar richtig, daß unser Personal in allen seinen Schichten integer ist. Wenn sich wirklich einmal ein schlecht besoldeter, kleiner Beamter findet, der sich einen Vorteil zu verschaffen sucht, der nicht in der Ordnung ist, so sind das in Wirklichkeit doch Bagatellen! (Lebhafte Zustimmung.) Werfen Sie doch nur einmal einen Blick auf das Ausland; ich will gar nicht auf spezielle Fälle da hinweisen. (Abgeordneter Noske: Ich habe keinen Vorwurf erhoben) Der Vollständigkeit wegen will ich noch sagen, daß gegen zwei mittlere Beamte des Reichsmarineamts noch ein Disziplinarverfahren schwebt. Aber es handelt sich auch hier weder um eine Verletzung der Dienstpflicht, noch um irgendeine Bestechung, sondern höchstens vielleicht um eine nicht genügende Wahrung der Diskretion. Sie haben vielleicht unvorsichtig gesprochen, aber auch das ist noch nicht festgestellt. Das sind unsere Beziehungen zu den ganzen Vorgängen, die der Kruppprozeß aufgerollt hat.

Was die Magdeburger Schmiergelderangelegenheit anbetrifft, so ist diese von uns dem Staatsanwalt übergeben worden. Weiter können wir zurzeit nichts tun.

Dann hat der Herr Abgeordnete Noske von dem Siemens⸗Martin⸗ Stahlwerkkonzern gesprochen. Die Sache verhält sich so, daß tatsäch⸗ lich zehn Konzernfirmen existieren und? außerhalb des Konzerns stehen. Ich habe die Zahlen der Vergebung an die Firmen vom Jahre 1912 hier. Danach sind an die Kon zernfirmen für 200 000 M vergeben worden und an die anderen Nichtkonzernfirmen für 78 000 S6. Ein Ring, der die Preise diktiert, ist in diesem Falle noch nicht vorhanden. Guruf von den Soz.: Noch nicht) Nicht vorhanden.

Der Herr Abg. Noske hat dann von den Offizieren a. D. ge⸗ sprochen, die als Vertreter von Firmen tätig sind, und er hat mich aufgefordert, meine Stellungnahme, die ich in der Budgetkommission dazu eingenommen habe, hier zu wiederholen. Da kann ich nur konsta⸗ tieren, daß irgend eine Beeinflussung im Reichsmarineamt von seiten solcher Firmen durch solche Offiziere a. D. meines Wissens und ich habe auch meine Herren durchgefragt niemals stattgefunden hat. Das halte ich auch für gänzlich ausgeschlossen, das ist eigentlich selbst= verständlich. Es wird solchen Firmen, die als Vertreter ehemalige Marineoffiziere haben, ganz gewiß keine Bevorzugung im Marineamt gegeben. Darüber brauchen wir kein Wort zu verlieren; das ist Gott sei Dank bei uns selbstverständlich. (Sehr richtig! rechts) Im übrigen möchte ich aber doch betonen, daß alle Offiziere, die verabschiedet sind, die von einer kärglichen Pension leben und Kinder haben, meiner Unter⸗ stützung sicher sein können, wenn sie sich sonst irgendwie gewerblich und kaufmännisch weiter betätigen wollen, um so ihre Pension zu ber⸗

besser und ibren Kindern eine ute Erziehung zu geben. Brado) Das

halte ich ebenso für meine Pflicht und werde es ganz bestimmt tun.

Der Herr Vorredner hat eine Reihe von Auslassungen in der Presse erwähnt, die teilweise von früheren Offizieren, teilweise von anderen Herren geschrieben sind und die gewissermaßen einen Krieg poraussagen. Ich meine, daß der Herr Vorredner diese Auslassungen doch wirklich zu hoch einschätzt. Die Entscheidung über diese Frage wird ganz sicher niemals von einzelnen Artikeln irgendwie beeinflußt. Sehen Sie sich einmal die ausländische Presse an. Da wimmelt es in ganz anderer Weise von solchen Artikeln. Was bei uns in dieser Be⸗ ziehung geleistet wird, ist verschwindend gegenüber dem, was im Aus⸗ lande geschieht.

Dann hat der Herr Abg. Noske von den Putilowwerken gesprochen. Er ist darüber besser orientiert als ich und hat eine ganz gute Er⸗ klärung für die Vorkommnisse dort abgegeben.

Ferner hat Herr Noske davon gesprochen, daß deutsche Firmen für Rußland bauen. Ja, Rußland will sich eine Flotte schaffen. Wenn unsere Firmen den Bau ablehnen, wird sie eben von anderen gebaut.

Sehr gut) Wir bemühen uns ja gerade, für unsere Privatindustrie Arbeit zu schaffen. Und Herr Noske ist auch nicht so sehr böse gewesen gegen die Entsendung eines Marineattachss nach Buenos Aires, wenn ich ihn richtig verstanden habe. Es ist doch nicht zweckmäßig, wenn irgend ein anderes Land ich will es gar nicht mit Namen nennen das Monopol für Kriegsschiffbau erhält. (Sehr richtig Im Gegen— teil. Also den Vorwurf, daß unsere Firmen unpatriotisch handelten, kann ich nicht anerkennen.

Der Herr Abg. Noske hat ferner die Zahlen bemängelt, die ich in der Budgetkommission bezüglich der Etatssteigerungen genannt habe. Er hat andere Zahlengruppierungen berglichen, die für uns ungünstigere Steigerungen ergeben. Ich bitte aber dabei folgendes zu

berücksichtigen: Wir haben vor 15 Jahren praktisch überhaupt keine Flotte gehabt, die wenigen Schiffe, die wir besaßen, waren veraltet. )

Daß wir in den ersten Jahren bei Ausführung des Flottengesetzes, nachdem die verbündeten Regierungen das hohe Haus und unser Volk in der überwiegenden Mehrheit sich entschlossen hatten, ein gewisses Maß von Seemacht sich anzuschaffen, von dem Null, auf dem wir standen, ausgerechnet, zunächst einen hohen Steigerungsprozentsatz hatten, das ist ja selbstverständlich. Das, was ich über die Steigerung ausgesprochen habe, bezog sich auf das Verhältnis dieserzu der Abrüstungs⸗ fage. Diese Frage ist ja in der Tat erst seit fünf Jahren akut ge⸗ worden, und für die Stellung der Staaten zu dieser Frage geben die Zahlen, die ich genannt habe und das habe ich auch in der Budget⸗ kommission ausdrücklich erklärt ein sehr gutes Bild. Ich habe gesagt: „Die Frage der Rüstungsbeschränkungen ist erst in den letzten fünf Jahren in den Vordergrund getreten, und dafür, wie sich die Nationen heute zu dieser Frage stellen, geben die Zahlen der Rüstungssteigerung in den letzten fünf Jahren allerdings ein sehr gutes Bild. Es ist eben die erhebliche Größe der Rüstungssteigerung auf der andern Seite seit fünf Jahren gegenüber der unsrigen, welche ein Stimmungsbild für diese Frage überhaupt abgibt.

Dann hat der Herr Abg. Noske, obgleich er auf meine Erklärung in der Budgetkommission hingewiesen hat, gefragt, ob wir beabsich⸗ tigten, die Zahl der Schiffe über das Flottengesetz hinaus zu ver— mehren. Ich habe dazu ganz präzis die Herren werden mich ver— standen haben in der Kommission erklärt, daß wir beabsichtigten, nicht mehr als zwei Linienschiffe pro Jahr aufzulegen und daß wir semer das kann ich hinzufügen beabsichtigen, auch bezüglich der großen Kreuzer die Zahl des Flottengesetzes nicht zu überschreiten.

Nun hat der Herr Abg. Noske sich darüber beschwert, daß wir gewisse Schriftsteller an Bord genommen und ihnen die geheimsten Manöver gezeigt hätten. Meine Herren, ich möchte doch den Schrift⸗ steller sehen, der unsere geheimsten Manöver fachmännisch beurteilen kann! (Heiterkeit) Im übrigen ist es eine alte gute Gewohnheit der Marineverwaltung gewesen, die Flotte, ihre Einrichtungen und den Dienst auf derselben soweit wie möglich unserm Volk zugänglich zu machen, und zu diesem Zweck haben wir Vertreter aller bürgerlichen Parteien, auch Schriftsteller, eingeladen und haben ihnen die Flotte gezeigt. Ich glaube, das hohe Haus wird genügend darüber orientiert sein, um dieser meiner Behauptung zustimmen zu können. (Sehr richtig! rechts) Meiner Ansicht nach ist es durchaus wünschenswert, daß unser Volk die Flotte kennen lernt. Man kann die Armee sehen, in jeder Stadt und in jeder Gegend, auf dem Exerzierplatz und im Manöver, man kann aber nicht die Flotte sehen, und da wir sie nicht den vielen Millionen unseres Volkes zeigen können, müssen wir uns mit einzelnen Vertretern begnügen. Tausende von Söhnen unseres Volkes gehen durch die Flotte. Wir werden alles tun, um das Gefühl der Reichszusammengehörigkeit durch unsere Flotte in jeder Beziehung zu stärken. Dafür sind derartige Besuche in hohem Maße nützlich gewesen, und ich werde auch in Zukunft daran fest— halten. Cebhaftes Bravoh

Abg. Erzberger Gentr.): An eine Verminderung des Soll—⸗ bestandes ist nicht zu denken. Die beste Rechtfertigung für die Durchführung unseres Flottengesetzes bilden unsere politischen Be⸗ ziehungen zu England. Wir legen den größten Wert darauf, daß wir mit England in einem friedlichen Verhältnisse stehen; ob es aber zichtig ist, zur Erzielung eines solchen Verhältnisses die Frage der Abrüstung zu erörtern, erscheint mir Ehr zweifelhaft. Das kann nur der Anfang eines Zwistes sein. Man berständigt sich leichter über etwas, was man nöcht hat, als über etwas, was man eventuell abtreten soll. Bezüglich einer Verständigung zwischen Deutschland und Gngland bin ich etwas mißtrauisch. Mein Mißtrauen ist durch die Verhandlungen in der Kommission noch gewachfen. Eine Ver— ständigung um den Preis der deutschen Seewehr kann es nicht geben, und zwar aus deutsch⸗nationalen Gründen. Eine Verzichtleistung auf die notwendige Seekraft würbe den Ruin der deutschen Weltmacht bedeuten, wäre eine Bankerotterklärung der siebzehn jährigen Flotten⸗ politik. Es ist falsch, wenn gesagt wird, daß Deutschland das Rüstungsfieber hervorgerufen hätte. England ist es gewesen, das Deutschland zu seiner Flottenpolitik getrieben hat. Deutschland ist immer nur anderen Nationen gefolgt. Wir haben das Verhältnis von 16: 10, das pon deutscher Seite als akzeptabel bezeichnet wurde, innegehalten. Sngland hat Fas nicht geian, sondern hat ' ftath 16 Schiffe 25 Schiffe gebaut, wir dagegen nur 16. England hat also das Verhältnis durchbrochen. Bezüglich der Abrüstung muß ein amtlicher Vorschlag in offizieller Form an Deutschland gemacht werden. Das ist bisher nicht geschehen. Wir können uns nicht darauf einlassen, wenn bon einzelner Seite alle

paar Monate ein anderes Abrüstungsprogramm aufgestellt wird. Wenn wir an dem Flottengesetz festhallen, dann weiß auch England, auf welcher Basis ine Verstaändigung möglich ist. Die auswärtige Politik muß vor—⸗ orgen gegenüber den Maßnahmen, die jetzt in Rußland getroffen erden. Daß Rußlands Schwergewicht nach, der Ostsee verlegt wird, ist nicht erfreulich. Bie auswärtige Politik muß das Nötige tun. Tatsache ist, daß Rußland sich eine große Flotte schafft, und da be—⸗

Aufträge zu erhalten. In Rüstungslieferungen stecken 50 R. Ar— beiterlöhne, sollen diese Summen nach Frankreich usw. fließen? Der letzte Balkankrieg hat uns die Lehre gegeben, daß der Schwache die Beute des Stärkeren wird; das ist vom christlichen Standpunkte aus zu bedauern, aber es ist eine Tatsache. 1914 werden Tie Flotten⸗ ausgaben voll von der jetzigen Generation gefragen. Ueber neue NRoße Flottenausgaben zerbreche ich mir heute den Kopf nicht. Die Steigerung der Flottenausgaben ist eine natürliche Folge des Tief⸗ baues und der Vergrößerung des Deplacements. Bei den Lieferungen von Torpedobooten für Argentinien hat die deutsche Industrie am besten abgeschnitten; im Auslande ist das systematisch totgeschwiegen worden. Die Unglücksfälle in der Marine erfüllen auch uns mit aufrichtiger Trguer. Möge bei den gefährlichen Torpedo⸗ manöpern alles an Gefahr weggelassen werden, was im Ernstfalle an Gefahr sich, nicht ergibt, selbft wenn mal einige tausend Mark dabei verloren werden. Die Unglücksfälle bei der jungen Luftschiffahrt haben mit dem starren System nichts zu tun. Für den Unglücksfall bei Helgoland trifft niemand eine Schuld; das möchte ich dem Abg. Noske gegenüber bemerken. Es haben da höhere Naturgewalten eingegriffen. Die Wünsche der Marineverwaltung und der Konstrukteure werden wahrscheinlich immer auseinandergehen. Der Marineverwaltung wird es immer nicht schnell genug gehen. Wenn eine Diagonale zwischen beiden Wünschen gezogen wird, so mag dies etwas mehr zugunsten der Konstrukteure geschehen. Samm⸗ lungen für die Hinterbliebenen solcher Unfälle sollten in der Oeffentlich⸗ keit nicht mehr veranstaltet wecden; dafür hat das Reich Geld genug. Die Zeppelingesellschaft hat ja ihre Angehörigen gegen solche Unglücksfälle versichert. Das Schiffsmaterial ist gut, aber vor allem kommt es auf den Geist der Besatzung an. Ich muß es dem Abg. Noske entschieden bestreiten, daß in unserer Marine ein Geist der Unzufriedenheit herrscht. Unter so vielen Leuten wird es immer Unzufriedene geben, aber das soll auch in der sozialdemokratischen Fraktion vorkommen. Es ist doch eine recht harte Arbeit, die die Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften in der Marine zu leisten haben, Von Komfort und Luxus kann man da nicht sprechen. Möge nur der Staats sekretär dafür sorgen, daß keine Marinegarde entsteht. Bisher ist zu dieser Befürchtung kein Anlaß. Die Marine sieht sich ihre Leute nur auf ihre Fähigkeiten an, und es finden in ihr Personen Aufnahme, die im Landheere wegen ihrer Herkunft keine Aufnahme finden. Die Marine ist eben deutsch, das Heer preußisch. Eine Exklusivität besteht in der deutschen Marine nicht. Daraus erklärt sich die große Popula⸗ rität der deutschen Marine. Es ist nicht richtig, daß in der deutschen Marine ein großer Mangel an Unteroffizieren besteht. Freilich muß alles geschehen, um uns eine genügende Zahl pon Unteroffizieren zu sichern und zu erhalten. Zu diesem Zweck sollten mehr als bisher fiskalische Wohnungen für die Unteroffiziere gebaut werden. Dann müßte auch für eine bessere Zivilversorgung gesorgt werden und hier . bor allem der Staatssekretär selbst die Initiative ergreifen. Unsere Marine hat im Auslande überall dem deutschen Namen Ehre gemacht. Unsere Matrosen und Offiziere haben namentlich in Skutari durch ihr ganzes Auftreten einen vortrefflichen Eindruck gemacht. Um so bedauerlicher ist es, daß in den Besuch unserer Schiffe in

Manila eine Publikation des amerikanischen Admirals Dewey ge—

fallen ist, die das größte Befremden erregen mußte, und tendenzibse Angriffe gegen deutsche Offiziere enthielt. Ueber die Schmiergelder will ich nicht weiter sprechen. Jedenfalls hat der Fiskus bei den Oel⸗ und Kohlenlieferungen gut abgeschnitten. Die Erklärung des Staats⸗ sekretärs, daß keine Firmen bevorzugt werden, die pensionierte Offiziere als Agenten benutzen, ist sehr erfreulich. Noch erfreulicher ist es, daß er es sich überlegen will, ob eremit Firmen überhaupt verhandeln solle, die ihm solche früheren Offiziere schicken. Viele Industrielle werden ihm dafür dankbar sein, denn sie seufzen unter den Kosten, die ihnen diese Offiziere verursachen. Nicht minder erfreulich ist die Zusage des Staatssekretärs üher eine stärkere Heranziehung der süd— deutschen Firmen. Das ist keine partikularistische Forderung, denn Süddeutschland zahlt ebenso für die Flotte wie Norddeutschland. Der Staatssekretär sollte bei seinen Verträgen mit den Firmen dahin wirken, daß diese auf ihre Arbeiter keinen Wahlterrorisinus ausüben, wie es zum Beispiel bei den Dillinger Werken vorgekommen ist, wo die Beeinflussung sich bis in das Wahllokal hinein erstreckt hat. Alles in allem, wir betrachten die Flotte als ein Instrument zur Förderung unseres Welthandels und als die beste Friedensbürgschaft.

Staatssekretär des Reichsmarineamts, Großadmiral von Tirpitz:

Meine Herren! Der Herr Abg. Erzberger hat eine Reihe von Anregungen gegeben, denen wir nachgehen werden. Ich möchte nur dabei bemerken, daß er meine erzieherische Kraft bezüglich der Wahlen überschätzt. Da sind die Landesbehörden diejenigen, die den Ausschlag zu geben haben.

Bezüglich der Bemerkung, die Herr Abg. Erzberger über eine Selbstbiographie des amerikanischen Admirals Dewy machte, daß sie scharfe Angriffe gegen den damals vor Manila kommandierenden deutschen Admiral von Diederichs enthalte, möchte ich anführen, daß Herr Admiral von Diederichs, wie ich von ihm gehört habe, demnächst eine vollständige Veröffentlichung der damaligen Vorgänge beabsichtigt (Bravoh, die, soweit ich über diese Darstellung orientiert bin, mit ab— soluter Deutlichkeit die völlige Korrektheit und Richtigkeit des Handelns des Admirals von Diederichs und der ihm unterstellten Offiziere er⸗ geben wird. (Bravo!)

Hierauf wird gegen 614 Uhr die Fortsetzung der Beratung auf Freitag 1 Uhr pünktlich vertagt; vorher kleine Anfragen.

Preusischer Landtag. Herrenhaus. 4. Sitzung vom 19. Februar 1914, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Das Präsidium hat auf Grund der ihm erteilten Ermäch⸗ tigung Seiner Majestät dem Kaiser und König zu Allerhöchst⸗ seinem Geburtstage die Glückwünsche des Hauses dargebracht; Seine Majestät haben dieselben gnädigst entgegengenommen.

Den Hinterbliebenen der bei dem Grubenunglück auf Zeche Achenbach bei Dortmund ums Leben gekommenen Berg— leute hat das Präsidium die Teilnahme des Hauses aus⸗ gesprochen.

Am 30. Januar ist das älteste Mitglied des Hauses, von Rexin⸗Woedtke, der dem Hause seit dessen Konstituierung, also seit 1859, angehörte, im Alter von 92 Jahren verstorben— Das Haus ehrt sein Andenken durch Erheben von den Sitzen.

Von den seit dem 10. Januar erfolgten Neuberufungen wird Mitteilung gemacht; neuberufen sind im ganzen 10 Pit—

lieder. z Darauf tritt das Haus in die Tagesordnung ein und stimmt zunächst den von der Regierung unter dem 31. Oktober 1913 erlassenen Verordnungen zur Bekämp fung der akuten spi nalen Kinderlähmung in den Re⸗ gierungsbezirken Hannover und Wiesbaden in einmaliger Schlußberatung ohne Diskussion zu. ü

Es folgt die einmalige Schlußberatung über den Gesetz⸗ entwurf, hetreffend die Zuständigkeit der Ge⸗ richtsschreiber der Amtsgerichte für die öffentliche Beglaubigung einer Unterschrift.

greife ich nicht, daß beutsche Firmen sich nicht bemühen sollen, russische

Der Antrag des Berichterstatters Herrn Dr. Heinroth geht

Vosen

dahin, der Vorlage unverändert die verfassungsmäßige Zu⸗ stimmung zu erteilen.

Nachdem auf Anregung des Herrn Dr. Wilms ein Kommissar des Justizmi usters die Er⸗ klärung abgegeben hat, daß für die Beglaubigung durch die Gerichtsschreiber dieselben Gebühren wie jetzt für die richter⸗ liche Beglaubigung werden erhoben werden, beschließt das Haus ohne weitere Diskussion nach dem Antrage des Bericht⸗ erstatters. .

Der Gesetz entwurf, betreffend die Dien stver⸗ gehen der Beamten 8er Orts-, Land und Innungskran tenkassen, wird ebenfalls in einmaliger Schlußberatung erledigt. Der Referent Herr Tortilowicz von Batocki⸗Friebe empfiehlt die Zustimmung zur un⸗ veränderten Vorlage. Das Haus beschließt demgemäß ohne Debatte.

Nunmehr wendet sich das Haus zu dem Entwurf einer Rovelle zum Landesverwaltungsgesetz, welcher von der XI. Kommission vorberaten worden ist, und über den ein umfangreicher schriftlicher Bericht vorliegt.

Der Neferent Herr von Sydow S toljenfelde führt aus: Die immer wiederholten Anregungen in beiden Häusern des Landtages, eine Vereinfachung und größ re Einbest⸗ lichkeit der Landesverwaltungen herbeizuführen, haben 1909 zu der Einsetzung der Immediatkommission geführt. Das Er— gebnis der Beratung dieser Kommission hat sich zunächst in der Regierungsvorlage und in dem Gesetzentwurf wegen Aufhebung der Generalkommission in Königsbera niedergeschlagen. Es ist eine weitgehende Vereinfachung des Geschäfteganges, eine zweckmäßigere Vert ilung der Arbeitslast erreicht, es sollen zur Verbesserung des Instanzenzuges Kammern für Abgabensachen eingerichtet werden; auch eine große Menge von Erleichterungen im Verwaltungsstreitverfahren ist vorgesehen. Auf die Einzelheiten wird besser bei den einzelnen Paragraphen einzugehen sein.

Minister des Innern Dr. von Dallwi tz:

Meine Herren! Aus den Verhandlungen im Jahre 1908 und in den folgenden Jahren, die über die Verwaltungsreform in beiden Häusern des Landtages stattgefunden haben, habe ich ersehen, daß damals die Anschauungen der einzelnen Fraktionen und auch inner⸗ halb der Fraktionen die Meinungen der einzelnen Mitglieder recht weit darüber auseinandergingen, wie nun eigentlich die allseitig als wünschenswert bezeichnete Verwaltungs⸗ reform gestaltet werden und welche Ziele damit an⸗ gestrebt werden sollten. Die einen wollten die Oberpräsidien kurzer Hand beseltigen und waren bemüht, sie als sachlich überflüssige, mehr dekorativen Zwecken dienende Behörden hinzustellen; die anderen wollten zwar die Oberpräsidien beibehalten, aber nue unter Ueber⸗ weisung des Löwenanteils der Funktionen und Geschäfte der Regie⸗ rungspräsidenten und der Regierungen. Noch andere wollten den Schwerpunkt der Verwaltunge reform in die Freisinstanzen verlegt wissen und zu diesem Zweck teils mit, teils ohne Abschaffung der Bezirksinstanzen die Landratsämter zu kleinen, bureaukratisch organisierten Regierungen umgestalten. Und auch sonst gab es kaum ein Gebiet der Verwaltung, auf dem nicht wesentliche Wandlungen von der Einführung der Schreibmaschine an bis zur Ausübung der wichtigsten Hoheitsrechte von der Durchführung der Verwaltungs— reform erwartet worden wären. Ja, der Reformeifer ging soweit, daß auf einem städtischen Verbandstage die völlige Abschaffung der Landrats⸗ ämter, die Auflösung der Kreisverbände und die Einteilung des platten Landes in gleichmäßig schematisch einzurichtende Landbürgermeistereien, und zwar für den ganzen Umfang der Monarchie, allen Ernstes vor= geschlagen und auch erhoben worden ist. Meine Herren, wenn nun sonst noch vielfach die tunlichste Lockerung, tetlweise gar die völlige Lösung der Beziehungen zwischen den Kommunen und den staatlichen Aufsichtsbehörden verlangt worden ist, so wäre man so allmählich dazu gekommen, einen Zustand zu befürworten, der sicherlich zur Auflösung des Staates in zahlreiche Mikrokosmen und zu Zu⸗ ständen geführt hätte, wie sie einmal bereits und zwar im frühen Mittelalter in unserem Vaterlande bestanden haben. Gegenüber diesen wohl allzu großzügigen, jeder Rücksichtnahme auf die geschicht⸗ liche Entwicklung und das geschichtlich Gewordene entbehrenden, auf rein spekulativen Erwägungen beruhenden Bestrebungen mußten allerdings mehr praktische, nüchterne Bestrebungen, so zum Beispiel der Wunsch, Zeit, Geld und Kräfte zu sparen, recht nüchtern und fade er scheinen Da war es das Verdienst der Immedlatkommission, daß sie sich von vornherein streng an die ihr gesteckten Grenzen gehalten hat, daß sie in das Chaos von Wäünschen und Theorien, von mehr oder minder unausgereiften Pro⸗ sekten Ordnung gebracht. Sie hat die Wünsche gesichtet und hat sich schließlich auf das praktisch Durchführbare und auf das einfach Nütz⸗ liche beschtänkt. So ist aus der Fülle der Ideen heraus ein Ent⸗ wurf entstanden, der allerdings seltsam nüchtern und trocken anmutet und der sich demzufolge auch bald den Vorwurf zugezogen hat, daß er der Großzügigkeit entbehre, daß er ein Elaborat bureaukratisch⸗ pedantischen Sinnes sei und daß er jede Spur geistigen Schwunges und genialer Auffassung vermissen lasse.

Meine Herren, mit dieser Kritik wird man sich abfinden mässen und auch abfinden können. Ich begrüße sie als ein Zeichen dessen, daß der Entwurf im großen ganzen die rechten Bahnen innehält und daß die auf gutem, altbewährtem Grund aufgebauten Neue— rungen und Aenderungen die Gewähr eines maßvollen und vernünftigen, aber auch der allmählich fortschreitenden Entwicklung entsprechenden Fortschritts in sich schließen.

Die einzelnen Bestimmungen, meine Herren, ergeben sich aus Grundgedanken, die ursprüngliche Einheitlichkeit, Beweg⸗ lichkeit und Wüksamkeit tunlichst wꝛeder herzustellen durch Vereinfachung der inneren Organisation der Behörden im Sinne einer einheitlicheren Leitung und eines engeren Zusammen⸗ schlusses und durch Vereinfachung des Verfahrens vor den Verwal⸗ tungsgerichten und den Beschlußbehörden unter gleichzeitiger ent⸗ sprechender Umgestaltung der Instanzen und der Rechts mittelzuge. Daß und warum eine Aenderung der bestehenden Dreiteilung des Aufbaues der Verwaltungsstaffel in Kreis,, Bezirks- und Provinztal⸗ behörden nicht in Frage kommen konnte, ist in der 11. Kommission, die mit der Durchberatung des Gesetzentwurfs betraut war, eiagebend erörtert und dargelegt worden. Ich darf daher wohl vorerst auf den Ihnen vorliegenden schriftlichen Bericht und auf die betreffenden Stellen in der allgemeinen Begründung des Gesetzentwurfs hinweisen. Dagegen bringt der Entwurf, und zwar fast durchweg in Uebereinstimmung mit den gutachtlichen Anregungen der Immediatkommission, sehr ein schneidende Aenderungen in bezug auf die innere Organisation der

dem

Besirksbehörden. Des ist namentlich der Fall in den Artikeln 5, 6, 7,