1914 / 45 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 21 Feb 1914 18:00:01 GMT) scan diff

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Deutsches Reich.

Seine Masjestät der Kaiser haben Allergnädigst geruht:

dem Mitglied der Kaiserlichen Technischen Prüfungsstelle, . Dr. Kuhlwein den Charakter als . Geheimer Negierungsral zu verleihen.

Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 6 des Reichsgesetzblatts enthält unter Nr. 43356 eine Bekanntmachung über die Ratifikation der beiden am 23. September 1910 in Brüssel unterzeichneten see⸗ rechtlichen Uebereinkommen durch Japan und die Hinterlegung der Natifikationsurkunden, vom 4. Februar 1914, und unter Nr. 4357 eine Bekanntmachung, betreffend Bestimmungen zur Ausführung des Gesetzes über den Absatz von Kalisalzen, vom 17. Februar 1914. Berlin W. 9, den 21. Februar 1914. Kaiserliches Postzeitungsamt. Krüer.

Königreich Preußen.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht:

den Regierungs- und Baurat Paul Effenberger, Mit⸗ glied der Königlichen Eisenbahndirektion in Frankfurt (Main), zum Geheimen Baurat und vortragenden Rat im Ministerium der öffentlichen Arbeiten,

den Landrat Freiherrn von Maltzahn in Prenzlau zum Oberpräsidialrat und

den bisherigen Direktor bei der Königlichen Bibliothek in Berlin, Professor Dr. Konrad Haebler zum Abteilungs direktor an der Königlichen Bibliothek zu ernennen,

dem Geheimen Registrator, Rechnungsrat Minisierium des Innern den Charakter‘ als Rechnungsrat zu verleihen und

die Wahl des Oberlehrers, Professors Dr. Ernst Hampel an dem Reformrealgymnasium in Naumburg a. S. zum Direktor der Oberrealschule bei den Franckeschen Stiftungen in Halle a. S. zu bestätigen.

Lenz im Geheimer

Just izministerium.

Den Landgerichtsräten Dr. Spies in Koblenz und Dr. . in Cöln ist die nachgesuchte Dienstentlassung mit Pension erteilt.

Versetzt sind die Amtsrichter: Doetsch in Düren als Landrichter nach Aachen, Geißeler in Posen als Landrichter nach Düsseldorf, Dr. Riffart in Wittlich nach Koblenz und Dr. Philipp in Koppenbrügge nach Rantzau, sowie die Staatsanwälte: Wodtke in Oppeln an die Staatsanwaltschaft des Landgerichts in Cassel und von Kajdacsy in Lüneburg an die Staatsanwaltschaft in Verden mit dem Amtssitz in Geestemünde.

Dem Notar, Justizrat Alfred Müller in Demmin ist die nachgesuchte Entlassung aus dem Amte mit Ablauf des 31. März d. J. erteilt.

Der Rechtsanwalt Kefer stein in Goslar ist zum Notar ernannt.

In der Liste der Rechtsanwälte sind gelöscht die . anwälte: Justizrat Max Lehmann und Dr? Siegfried Mofes bei dem Landgericht J in Berlin, Justizrat Morsbach bei dem Landgericht in Bonn, Dr. Julius Rosenfeld bei dem Land— gericht I in Berlin, Vogel bei dem Amtsgericht in Bockenem und Bohle bei dem Amtsgericht in Bütow—

In die Liste der Rechtsanwälte sind eingetragen die Rechts⸗ anwälte: Zucker aus Waldenburg bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Breslau, Willenbücher aus Ortelsburg bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Königsberg i. Pr., Kurt Such aus Berlin⸗Wilmersdorf bei dem Amtsgericht Berlin⸗Schöneberg, die Gerichts assessoren: Lignitz bei dem Landgericht L in Berlin, Dr. Füllenbach und Herdiecker— hoff bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Dort⸗ mund, Nig mann bei dem Amtsgericht in Oderberg, Mattenklott und Dr. Schlie bitz bei dem Amtsgericht in Waldenburg, Wöhlking bei dem Amtsgericht in Pyrmont, Dr. Gaßner bei dem Amtsgericht in Buer, Biermann bei dem Amtsgericht in Gütersloh, Brenschede bei dem Amts⸗ gericht in Wetter (Ruhr), Dr. Paul Lüdtke bei dem Amts— gericht in Schivelbein, die früheren Gerichtsassessoren: Krappe bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Essen, Brümmer bei dem Amtsgericht in Nieder Wüstegiersdorf und Brostowski bei dem Amtsgericht in Pr. Holland.

Die Rechtzanwälte Dr. Otto Herzfeld in Berlin und Eduard Berg in Recklinghausen sind gestorben.

Ministerium der öffentlichen Arbeiten.

Der Regierungshaumeister des Maschinenbaufachs Kott, bisher in Saarbrücken, ist zum Eisenbahnzentralamt nach Berlin versetzt.

Versetzt sind ferner die Regierungsbaumeister Verlohr von Kirchhain als Vorstand des Hochbauamts in Kempen und Masur von Posen als Vorstand des Schloßbauamts in Königsberg i. Pr.

Ministerium der geistlichen und Unterrichts⸗ angelegenheiten.

Dem Oberbibliothekar an der Königlichen Bibliothek in Berlin Dr. Heinrich Krause ist der Titel eines Direktors bei der Königlichen Bibliothek,

dem Korpsstabsvmeterinär Troester bei der Militär— veterinärakademie in Berlin sowie den Dozenten an der König⸗ lichen Technischen Hochschule in Breslau Dr.⸗Ing. Emil Günther und Dr.Ing. Paul Oberhoffer ist das Prädikat Professor und

dem Gesanglehrer der Viktoria⸗Luisen⸗Schule in Berlin⸗ Wilmersdorf und Gesanglehrer und Zweiten Dirigenten des Königlichen . und Domchores Max Wiedemann und dem Obermusikmeister Krelle vom * Pommerschen Fuß⸗

artillerieregiment Nr. 15 der Titel Königlicher Musikdirektor verliehen worden.

Finanzministerium.

Das Katasteramt Zossen im Regierungsbezirk Potsdam ist zu besetzen.

Ministerium des Innern.

Der Oberpräfidialrat Freiherr von Maltzahn ist dem Oberpräsidenten in Potsdam zugeteilt worden.

Hauptverwaltung der Staatsschulden.

Bei der Haupwwerwaltung der Staatsschulden ist der Buch— halter, Rechnungsrat Tangermann zum Oberbuchhalter des Staatsschuldbuchbureaus ernannt worden.

Evangelischer Oberkirchenrat.

Zum Pfarrer der deutschen evangelischen Gemeinde Petro⸗ polis im Staate Rio de Janeiro (Brasilien) ist der Pfarrer Ratsch in Staritz, Bezirk Halle, berufen worden.

Bekanntmachung. Königliche Technische Hochschule in Breslau.

ö für Maschineningenieurwesen und Elektro⸗ technik.

Abteilung für Chemie und Hütten kunde.

Abteilung für Allgemeine Wissenschaften. .

Die Studierenden der Technischen Hochschule sind be⸗ rechtigt, an den Vorträgen und Uebungen der Universität teil⸗ zunehmen. Einschreibefrist für das Sommersemester 1914: 1. März bis 21. April 1914. Beginn der Vorlesungen: Mitte April. Das Programm wird gegen Einsendung von 60 3 Ausland 1 6 vom Sekretariat zugestellt.

Breslau, im Februar 1914.

Der Rektor der Königlichen Technischen Hochschule Breslau. Schen ck.

Aichtamtliches. Deutsches Reich.

Prenßen. Berlin, 21. Februar 1914.

Seine Majestät der Kaiser und König, Allerhöchst⸗ welcher gestern abend von Karlsruhe hier wieder eingetroffen sind, hörten heute vormittag im hiesigen Königlichen Schlosse die Vortrage des Chefs des Marinekabinetts, Admirals von Müller und des Chefs des Militärkabinetts, Generals der Infanterie Freiherrn von Lyncker.

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesrats für Rechnungsz⸗ wesen, für Zoll- und Steuerwesen und für Justizwesen, die ver⸗ einigten Ausschüsse für Zoll- und Steuerwesen und für Justiz⸗ wesen und der Ausschuß für Zoll- und Steuerwesen hielten heute Sitzungen.

Baden.

Gestern nachmittag hat in Baden-Baden die feierliche Beisetzung Ihrer Kaiserlichen Hoheit der Prinzessin Wilhelm von Baden stattgefunden. Die von Karls— ruhe übergeführte Leiche der Prinzessin und die fürst⸗ lichen Leidtragenden wurden, wle „, , ,, mnelbet, auf dem Bahnhof von dem Großherzoglichen Landes⸗ kommissar, dem Amisvorstand und dem Oberbürgermeister von Baden⸗Baden empfangen. Von dort setzte sich der Zug durch die mit Traueremblemen geschmückten Straßen nach der Kapelle in der Lichtenthaler Allee in Bewegung. Am Portal der von der Verstorbenen dem russischen Staat geschenkten Kapelle wurde der Sarg von der Geistlichkeit empfangen und vor den Altar geleitet. Dann fand ein feierlicher Trauergottesdienst statt, an dem die fürstlichen Anverwandten, Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog und bie Großherzoginnen Luise und Hilda, Seine Großherzogliche Hoheit der Prinz Maximilian von Baden und Seine Hoheit der Herzog von Anhalt mit Gemahlinnen, und die Hofwürdenträger denen sich in Baden⸗Baden noch der frühere russische Gesandte Freiher v. Knorring an⸗ schloß, beiwohnten. Der Sarg wurde nach beendigter Trauer⸗ feier von den Kammerherren in die an die Kapelle angebaute Gruft getragen und dort beigesetzt.

Oesterreich⸗ Ungarn.

In der gestrigen Plenarversammlung der handelspolitischen Kommission sprach sich der Vorsitzende, Bürgermeister Weis⸗ kirchner, gegen eine Verlängerung der Handels— verträge aus, die zur Wahrung der Interessen von Industrie und Gewerbe sowie der städtischen Konsumenten auf neuen Grundlagen aufgebaut werden müßten.

Der Statthalter von Tirol hat dem Landes⸗ hauptmann im Allerhöchsten Auftrag die Schließung des Landtags mitgeteilt.

Im ungarischen Abgeordnetenhause beant⸗ wertete gestern der Ministervräsident Graf Tisza eine Inter⸗ pellation, betreffend die Verhandlungen mit ben Führern der ru mänischen Nationalpartei.

Wie . W. T. B.“ berichtet, erörterte Graf Tisza im einzelnen die Vorschläge, die er für die Verbesserung der Zustände in kultureller und wirtschaftlicher Beziehung gemacht habe. Er bedauere, daß seine Verschläge abgelehnt worden feien, doch seien diese Besprechungen nicht bollkommen vergebens gewesen. Er babe das Bewußtsein, durch seine Bestrebungen der Idee der Verständigung treffliche Pionlerdienste ge— leistet zu haben. Es sei nicht ausgeschlossen, dan die rumänischen Führer später zu der Einsicht gelangten, fie ihrer Nation elnen weit besseren Dienst geleistet hätten, wenn sie seine Vorschläge angenommen hätten. Die Regierung werde unabhängig von jeder Vereinbarung bestrebt sein, alle berechtigten Wünsche der Rumänen zu erfüllen, soweit dies mit dem nationalen Charakter den ungarischen Staates vereinbar sei. Dadurch werde der Agitation der Giftjahn ausgebrochen und zie Zahl derfenigen Rumänen vermehrt werden, die einfäͤhen, daß sie alle Ursache hätten, treu ergebene Bürger des ungarischen Vater⸗ landes zu sein. Im Zusammenhange mit der Besprechung der Schulverhãaltnisse äußerte sich Graf Tisza auch über die pangermanische Agitation, die teilweise durch ausländische Gelder unterstützt werde. Es werde versucht, für diese Bewegung sowohl in Beuisch⸗ land wie in deutsch österreichischen Kreisen Interesse zu erwecken. Im Schoße der yatriotischen, deutschsprechenden Bevölkerung Ungarng, die dem ungarischen Staat treu ergeben sei, finde diese Agitation keinen Anklang. Nachdem jedoch die Agttatlon den Hebel bei der Mutter— sprache angesetzt habe und tendenziög verbreitet werde, die deutsche

Sprache sei gefährdet, müßte den ÄAgstatoren dieser Vorwand ge—

nommen und die Praxis des Schulunterrichts verbessert werden, in⸗ dem in den Staatsschulen, die in Srtschaften mit deutschsprechender Bevölkerung errichtet würden, für die Pflege der deutschen Sprache gesorgt werde und entsprechende Lehrkräfte herangebildet würden.

Frankreich.

In der gestrigen Sitzung des Senats wurde der von dem Radika len Jeanneney verfaßte Bericht über die Wahlreform verteilt. In diesem wird namens des Aus⸗ schusses der von der Kammer im vorigen Jahre angenommene Vermittlungsentwurf abgelehnt und der Antrag des Senats auf Einführung der Listenwahl nach dem Mehrheitssystem unherändert aufrecht erhalten. Der Bericht schließt, wie „W. T. B.“ meldet, mit den Worlen:

Falls eine Verständigung zwischen Kammer und Senat unmöglich sein sollte, und die bevorsteh ende Kammerwahl auf Grund des big⸗ herigen Arrondlssementswahlsystems volljzogen werden müßte, dann sind wir sicher, daß durch diefes System niemand benachteiligt wird. Wir erinnern ung daran, daß Polncarsé alt Ministerpräsident in der Kammer erklärt hat, daß das Arrondissementswahlsystem, wenn es auch auf dem Mehrheitsgrundsatz beruhe, eine Vertretung der Minder⸗ heiten möglich mache.

= Die Deputiertenkammer setzte gestern die Inter⸗ pellgtion über den Gesundheits zuständ des Heeres fort.

Nach dem Bericht des obengenannten Lelegraphenbureaus erklärte der Unterstaatssekretär im Kriegsministerium Maginot, eine unpartelische Schilderung der Sachlage geben zu wollen. Er erkannte an, daß der Gesundheltszustand in einer fehr großen Zahl von Gar⸗ nisonen sehr schlecht sei. In 125 von 367 Garnifonen seien Fälle von epidemischen Krankheiten vorgekommen. Als Ursache für die Ver⸗ mehrung der Krankheiten und die Erhöhung der Slerblichkeit führte der Redner u. a. den besonders harten Winter an Maginot erklärte, die Zahl der Todesfälle hätte im Armeedurchschnitt 1,11 auf Tausend erreicht, sie sei seit 1908 nicht so hoch gewesen. Die größte Kranken⸗ ziffer sei beim neunten Armeekorps mit S126 auf Tausend festgestellt, dann folgten der Reihe nach das achtzehnte, vierzehnte, dreizehnte, zehnte Armeekorps und das Gouvernement Paris. Die meisten Todes⸗ fälle hätten das achtzehnte Armeekorps, das Gouvernement Paris, das achte, zwölfte, einundzwanzigste, siebehnte und sechzehnte Armee⸗ korps. Die Krankenziffer, die im Jahre 1913 26 auft Tausend, und die Zahl der Todesfälle, die G,. 25 betragen habe, sei 1914 auf 29 bezw. O, 39 gestiegen. Die Lage im Februar sei noch schlechter als im Januar. Maginot erklärte, gestützt auf Statistiken, die Krankheitsbewegung bei der Zivilbevölkerung sei ganz ähnlich. Der Abg. Augagneur warf dem Unterstaatssekretär vor, er hätte die Orte, aus denen er Angaben gemacht hätte, mit Bedacht ausgewählt, und behauptete, einige Garnifonen seien von Epidemien dezimiert, während die Zivilbevölkerung gesund set. Der Unter— staats sektetür Maginot erklärte, ein * anderer Grund sei unbe⸗ streitbar die Einberufung der beiden jungen Klassen unter die Fahnen. (Zwischenrufe auf der 4ͤußersten? Linken: Das ist der einzige Grund. Man dürfe aber diesen Grund nicht übertreiben, denn es wären noch andere milltärische Gründe vorhanden, d nen man 64 beugen müßte. Die Krankheitsz ffer für die Jahresflasse 1911 gabe im Jahre 1914 84 vom Tausend, die Sterblichkeit G, 64 betragen. Die Krankheitsziffer für die Klasse 1912 125, die Sterblichkeit O, 50. Die Zahlen für die Klasse 1913 seien 139 und O56 einschließlich der Freiwilligen. Sodann gedachte der Unterstaatssekretär aller Schwierig⸗ keiten, die sich für die Milttärverwaltung bei der Ausführung der Parlamentebeschlüsse ergeben hätten, und gab der Ansicht Ausg⸗ druck, daß die Erhöhung der Krankheits fälle und die Schwierigkeit der Unterbringung folgenden Umständen zuzu— schteiben seien: erstens der erhöhten Zahl., von Einstellungen, zweitens der Tatsache, daß die Jahresklasse 1913 ein höheres Kon⸗ tingent stelle, als man angenommen habe. Der Adrmiral Bienaims unterbrach den Redner mit der Bemerkung, der frühere Kriegsminister hätte 60 Millionen mehr verlangt, was 40 000 Mann mehr ent⸗ spreche. Darauf entspann sich eine lebhafte Debatte. Etienne bestritt energisch, ewas derartiges gesagt zu haben. Ma ginot fuhr sort, man sollte den Genietruppen und der Intendantur für die erlangten Ergebnisse dankbar sein. Trotz der größeren Anzahl neuer und noch nicht völlig fertiger Kasernen sel der Gesundheilszustand im Osten besser als anderswo. Uebergll set die vorschriftsmäßige Anzahl Betten vorhanden, und seit drei Mongten habe sich der Zustand der Kasernen sehr gebessert, des—= gleichen Ernährung, Heizung, Schuhwerk und Kleidung. Unter bäufigem Beifall der Sozialisten, namentlich seitens Jaurèz', wies Maginot auf die Notwendigkeit hin, die Lage der Stabsärzte zu ver- bessern, und fuhr dann fort: Die Ereignisse hätten denjenigen nicht recht gegeben, die die Einberufung der Zwanzigjaͤhrigen fürchteten. Jedoch habe die Anwesenheit der beiden jungen Klassen die Lage, die sich aus den außergewöhnlichen klimatischen Verhält⸗ nissen ergeben habe, etwas verschlimmert. Aber man dürfe die öffent⸗ liche Meinung nicht beunruhigen. Eg bandele sich um einen Kampf gegen Maßcegeln, die für die nationale Verteidigung unumgänglich seien und die man doch nicht jetzt schon nach einigen Monaten widerrufen könne. Frankreich habe soeben während der Organisation des neuen Zustandes eine Zeit schmerhafter aber unvermeidlicher Prüfungen durchmachen müfsen. Andere machten sie ebenso durch und seien nicht weniger ausdauernd in den Anstrengungen, die sie auf sich' nehmen zu müssen glaubten. Der Zugang der Kranken zu den . sei im Abnehmen. Die Regierung tue alles, um den Gesundheitezustand der Soldaten, der alle Franzosen angehe, zu verbessern. Nach dem Unterstaatssekretär Maglnot ergriff der Sozlalist Oisy das Wort und hob in eingehender Weise die verschiedenen sanitären siebelstände hervor, die durch das Dreijahrsgesetz aufgedeckt worden seien.

Hierauf wurde die Fortsetzung der Interpellationsdebatte auf Montag vertagt.

Rußland.

Das Ministerium des Aeußern veröffentlicht soeben eine Sammlung von diplomatischen Dolumenten über die Balkankrise. Wie die „St. Petersburger Telegraphenagentur“ meldet, gehe aus dieser Sammlung der unparteiische Charakter und das Desinteressement der russischen Aktion hervor und beweise ferner Rußlands freundschaftliche Haltung gegen alle Balkanstaaten sowie gegen Rumänien.

Von Anfang der Krise an habe Rußland seine Aktion darauf gerichtet, Reformen in der europäischen Türkei durchzusetzen. Als der Bruch unvermeidlich geworden sei, habe die russische Diplomalte auf die Aufrechterhaltung des Cinvernehmenz zwischen den Großmächten hingearbeitet auf der Grundlage des terrftorialen Desinteressements und des Ausschlusses jedes Einzelvorgehens und mif dem ausschlteß⸗ lichen Zweck. den Verbündeten die durch ihre Anstrengungen erworbenen Vorteile zu sichern. Rußland bezeuge darin seinen festen Entschluß, sich jedem gesonderten Vorgehen zu wider⸗ setzen sowie jedem etwaigen Versuch von seiten einer der Mächte, sich auf dem Balkan eine Vorzugsstellung zu sichern. Die entscheidenden Siege von Anfang des Krieges an hätten der Kaiserlichen Regterung gestattet, „den Grundsatz der Teilung der erworbenen Gebtete unter die Verbündeten aufzustellen. Die russische Regierung habe in gleicher Weise ihren Einfluß geltend gemacht, um die Abtretung Adrianopels an Bulgarien zu erreichen. Nach dem Fall dieser Stadt habe Ruß⸗ land die Schaffung einer türkisch⸗bulgarischen Grenze in einer geraden Linie von Enos nach Midia unterstützt. Rußlands Programm bin= sichtlich Albaniens habe darauf hingezlelt, dort für alle Großmächte eine gleiche Lage herzustellen und gleichzeitig die wirtschaftliche und politijche Unabhängigkeit Serbiens zu sichern, indem es diesem Staate den Zugang zum Abriatischen Meer durch einen neutralen Frelhafen vorbehielt. DVieses Ziel sei erreicht. Infolge der zwischen den Groß⸗

mächten über die albanesische Grenzfrage gepflogenen Verhandlungen

Fabe es Rußland erreicht, daß die Städte Prizrend, Ipek, Dibra und

Diakowa Serbien und Montenegro zuerkannt worden feen.

Der zweite Teil der Sammlung ist den Verhandlungen der Verbündeten uber die Grenzstreitigkeiten hinsichtlich der eroberten Gebiete gewidmet.

Wie die genannte Telegraphenagentur mitteilt, ließen diese Dokumente die ständigen Bemühungen der russischen Diplomatie er⸗ keanen, die eine friedliche Regelung der Streitfragen und die Festigung bes Balkanbundes zum Ziele gehabt hätten. Indem sie sich bei Bul' garlen für eine direkte Verständigung mit seinen Verbündeten verwendet zabe, hätte die Kaiserliche Regierung nicht nachgelaffen, den Kabinetten n Belgrad und Athen zur Mäßigung zu raten. Seit April ihls haber sich die russische Diplomatie für den Plan eincr Zu— sammenkunft zwischen den Ministerpräsidenten der verbündeten Stacken 1usgesprechen, ebenso für den Voischlag der Demobilisierung. Am bI9. Mai habe die russische Regierung eingewilligt, dien Ron des Schiedsrichters in dem serbisch, bulgarischen Streit zu über⸗ nehmen, und auf der gleichzeitigen schieds richterlichen Lösung der griechisch⸗bulgarischen Streitfragen befanden. Am 31. Mal abe, die rufsische Regierung infolge eines Telegramm wechsels zwischen dem Kaiser von Rußland und den Königen von Seiblen und Bulgarien an die Ministerpräsidenten der berbündeten Staaten eine Einladung gerichtet, in St. Petersburg usammen zukommen. Rußland hahe sich bemüht, einen gemeinsamen Echritt der Großmächte über die Frage der Demobilisierung herbei suführen. Wie russische Diplomatie habe sich bis zum Augenblick des endgültigen Bruches tatkräftig für die Erreichung der bedingungs— sosen Zustimmung Serbiens zu Rußlands Schiedsrichterfunktion ver- wandt und sich Mühe gegeben, die bulgarischen Forderungen, betreffend die Befetzung der strittigen Gebiete, in Gemeinschaft mit Serbien und Griechenland zu bekämpfen. Gleichzeitig habe Rußland fort⸗ gesetzt auf einer schiede gerichtlichen Lösung der griechisch⸗bul⸗ garischen Streitpunkte bestanden. Die Sammlung enthält zahl⸗ teiche Urkunden, die die freundschaftlichen Mahnungen der russischen Diplomatie erkennen ließen, die bestimmt gewesen, Bulgarien vor den Gefahren eines Bruches mit seinen Verbündeten und vor dem drohenden Eingreifen der, rumänischen und türkischen Armee zu warnen. Am 16/29. Juni, am Vorabend der Eröffnung der Feind— seligkeiten, habe der Minister des Aeußern dem bulgarischen Ge⸗ sandten in St. Petersburg erklärt, daß der Enischluß Rumäniens, im Falle eines Bruches zwischen den Verbündeten zu intervenieren, ein Pfand für die Erhaltung des Fröedens sei, und daß, wenn Bul⸗ garien die Initiative zum Kriege ergriffe, es nicht auf die Unter⸗ stützung der Kaiserlichen Regierung rechnen dürfte.

Die letzten Seiten des zweiten Teils der Sammlung enthalten Erklärungen über die Bemühungen der russischen Diplomatie, dem rumänisch⸗bulgarischen Konflikt ein Ziel zu setzen, und eine Besetzung bulgarischen Gebiets zu verhindern sowie einer Besetzung von Sofia vorzubeugen. ;

Der dritte Teil der Sammlung ist den rumänisch⸗bulga⸗ rischen Besprechungen zum Zweck einer Konferenz in St. Petert⸗ burg gewidmet.

Auf die Aufforderung Rumäniens habe Rußland Ende Oktober die Vermittlerrolle zwischen Rumänten und Bulgarien übernommen. Auf Grund dieses Mandats habe sich die russische Diplomatie bemüht, Bulgarien dazu zu bringen, konkrete Vorschläge, die als Grundlage für Verhandlungen dienen könnten, zu formulieren. Ende Dezember habe die russische Diplomatie in Bukarest die in vier Punkten formulierten Vorschläge Bulgariens übermittelt. Diefer Schritt habe zu einer Entspannung der Lage geführt, die infolge der Neigung Rumäniens, einen Teil des bulgarischen Gebietes zu besetzen, sich verschärft hätte. Im Verlaufe der weiteren Verhandlungen im Januar 1913, also fünf Monate vor dem Kriege zwischen den Ver⸗ bündeten, habe Rußland bet der bulgarischen Regierung auf die Not— vendigkeit hingewiesen, jeden weiteren Aufschub zu vermeiden, und gleich eitig Rumänien neue Ratschläge zur Mäßigung gegeben. Am 18/31. Januar 1913 habe die Kaiserliche Regierung erklärt, sie könne die gewaltsame Erwerhung eines Teiles des bulgarischen Gebiets nicht zulossen. Von dem Wunsche beseelt, für beide Parteien ein gerechtes Kompromiß herbeizuführen, habe die russische Regierung Bulgarien empfohlen, die Grenzlinie Silistria—Chabla anzunehmen, und sich bemäht, gleichzeitig das Bukarester Kabinett zu überreden, sich mit der Linie Medschidie -Tabia =- Chabla zufrieden zu geben. Da die Be⸗ ziehungen zwischen Rumänien und Bulgarien sich trotz aller ange⸗ wandten Bemühungen zu trüben drohten, habe die russische Re⸗ gierung den Großmächten eine energische Aktion bei beiden Parteien borgeschlagen, um ihnen zu raten, die Lösung ihrer Meinungs⸗ berschiedenheiten der Entscheidung der Mächte zu Überlassen. Nu— mänien und Bulgarien hätten die Vermittlung angenommen und als Ort der Zusammenkunft St. Petersburg gewählt.

Der Text des endgültigen Protokolls der St. Petersburger Konferenz findet sich unter der Zahl der veröffentlichten Dokumente.

Der Reichsrat hat gestern, wie ‚W. T. B.“ meldet, bei der Beratung des Antialkoholgesetzes eine Bestimmung angenommen, in den Elementarschulen und den höheren Schulen Hygienekurse einzurichten, in denen über die durch Alkoholismus entstehenden Gefahren Aufklärung gegeben werden soll.

Ein amtlich veröffentlichtes Rundschreiben des Ministers für Volksaufklärung ordnet an, daß die A ufnahme von Juden in den Mittelschulen der Krone nach bestandenem Eintrittsexamen zu dem 1910 festgesetzten Prozentfatz durch das Los zu erfolgen hat.

Portugal.

Der Senat hat nach einer Meldung des „W. T. B.“ gestern beschlossen, an dem Gesetzesvorschlag über die Amnestie Aenderungen vorzunehmen. Vorher hatte er mit 29 gegen 20 Stimmen einen von der Rechten eingebrachten Antrag an⸗ genommen, in dem erklärt wird, der Senat wünsche eine weitergehende Amnestie.

Die Deputiertenkammer hat obiger Quelle zufolge gestern das Amnestiegesetz für Verschwörer, ausgenommen die Hauptverschwörer, mit 103 gegen 24 Stimmen angenommen.

Numãnien.

Bei den Kammerwahlen im dritten Wahlkörper sind, wie ‚„W. T. B.“ meldet, 39 Liberale und 1 Demokratisch⸗ Konservativer gewählt worden. Unter den Gewählten befindet sich auch der Arbeitsminister Angelesco.

Amerika.

Der amerikanische Senat beriet heute über den Schiedsgericht svertrag mit Spanien. Wie „W. T. B.“ meldet, wurde in einem Amendement beantragt, daß die Fragen, die die Panamakanalgebühren, die Einwanderung, die Zulassung bon Kindern zu den Schulen in den Einzelstaaten betreffen, und alle Fragen, die die Monroedoktrin berühren, von den schiedsgerichtsverträgen ausgeschlossen werden sollten. Das Imendemenk wurde mit 46 gegen 13 Stimmen abgelehnt. Die Abstimmung ergab eine entschiedene Mehrheit zugunsten des Programms des Präsidenten Wilson in bezug auf Schieds⸗ gerichts verträge.

Der Gouverneur der Panamakanalzone Oberst Goethals, der von dort gestern in Washington eingetroffen ist, stellte nach einer Meldung des „W. T. B.“ in Aussicht, daß Handels schiffe bereits am J. Juli den Kanal durchfahren würden. Um

seine Meinung über den Gebührenstreit befragt, erklärte er, er sei schon immer gegen die Befreiung der amerikanischen Küstenschiffe von den Kanalgebühren gewesen, weil dies die Kanalgebühren verringern und nicht zum Nutzen der Konsu⸗ menten ausschlagen, sondern nur den Nutzen der Schiffseigner vermehren würde.

Ein Telegramm, das dem amerikanischen Staats—⸗ departement zugegangen ist, meldet, daß der seit 27 Jahren in Mexico lehende englische Farmer W. S. Benton, der von dem mexikanischen Insurgentenführer Villa gefangen genommen worden war, am Mittwochabend standrechtlich erschossen worden ist. Das Kriegsgericht, von dem Benton abgeurteilt wurde, befand ihn für schuldig, sich verschworen und den General Villa gereizt und beleidigt zu haben. Der Staatssekretär Bryan hat nach den heutigen Kabinetts beratungen eine sofortige Untersuchung über die Tötung Benton angeordnet.

Asien. Die heute auf ihr Gesuch entlassenen chinesischen Minister

der Justiz Liangchichgo und des Unterrichts Wangtahsieh sind durch den bisherigen Präsidenten des Obergerichtshofes Changtsunsiang und durch Jenhsiun, der unter der Mandschudynastie den Posten eines Vizeministers für die Volks⸗ bildung bekleidete, ersetzt worden.

Wie das „Reutersche Bureau“ meldet, wird dem japani⸗ schen Landtage der Befund der Untersuchungskommission in der Bestechungsangelegenheit bei der Marine in wenigen Tagen bekanntgegeben werden. Inzwischen werden die Haussuchungen ausgedehnt auf die Wohnungen der höheren Beamten in den Seestationen Yokosuka und Kure sowie im Depot von Tokuyama, wo man bei der Brikettfabrik anscheinend Enthüllungen erwartet.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Reichs⸗ tags, der Bericht über die gestrige Sitzung des Preußischen Herrenhauses sowie der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.

Das Haus der Abgeordneten setzte in der heutigen 33.) Sitzung, welcher der Minister des Innern Dr. von Dallwitz beiwohnte, die zweite Beratung des Etats des Ministeriums des Innern bei dem Kapitel der Straf⸗ anstalts verwaltung fort. Hierzu liegen die überein⸗ stimmenden Anträge der Abgg. Dr. Sch mitt ⸗-Düsseldorf Zentrum) und Dr. Flesch (fortschr. Volksp.) sowie der Abgg. Dr. Liep mann (nl. und Genossen vor, den Fonds von 34 000 ½ zur Förderung der Fürsorge für die aus der Strafhaft Entlasse nen im nächsten Jahre wesentlich zu erhöhen.

Abg. Dr. Schmit t-Düsseldorf (3entr): Die Seelsorge in unseren Strafanstalten ist im allgemeinen als gut zu bezeichnen. Es gibt aber einige Strafanstalten, wo es nach unserer Meinung besser wäre, die Geistlichen nicht im Nebenamte, fondenn im Hauptamt an⸗ zustellen. Zu diesen gehören die Gefängnisse in Brandenburg und Celle. Hier wünschen meine Freunde, daß, um dem religiösen Be— dürfnis der Gefangenen mehr Rechnung tragen zu können, die Seel⸗ sorge von Geistlichen im Hauptamte aue geübt wird. Ganz besondere Be ach ung verdient das Jugendgefängnis in Wittlich. Bei diesem Gefängnis kommt allerdings auch der Strascharakter zur Geltung. Aber trotz des Strascharakters ist der Erziehungsgedanke in den Vordergrund gesellt. Wir sind vollkommen damit einverstanden, daß ein möglichst großes Gewicht auf eine systematische Erziehung der Jugend gelegt wird. Wir sind aber der Ansicht, daß noch mehr als bisher sittlich⸗religiöse Mittel angewendet werden müssen, und meine Freunde meinen, daß dem religtös⸗ sittlichen Gedanken in dem Jugendgefängnis zu Wittlich zu wenig Rechnung getragen wird. In diefem Jugendgefängnis übt die Seelsorge ein Geistlicher im Nebenamte aus. Das müssen wir als voll kommen unzureichend bezeichnen. Der Geistliche ist durch seine Tätigkeit in verschiedenen charitativen Vereinen so stark in Anspruch genommen, daß es ihm nicht möglich ist, sich individuell mit den jugendlichen Ge⸗ fangenen zu beschäftigen. Dies hat auch schon der Direktor des Ge— fängnisses erklärt, und wir können ihm hierin nur recht geben. Wir legen nicht so sehr Wert darauf, daß der Geistliche in den Gefängnissen Gottesdienst abhält; für uns liegt der Hauptwert der Seelsorge darin, daß der Geistliche die einzelnen Gefangenen in der Zelle be— sucht, daß er ihre Verhältnssse kennen lernt, vorher die Akten der Betreffenden einsieht, und daß er so zu erkennen sucht, aus welchen Gründen heraus der betreffende Gefangene das Verbrechen begangen hat. Dazu genügt nicht der allgemeine Gottesdienst, sondern nur die persönliche Fühlungnahme; dazu steht aber einem Heistlichen nur die Zeit von 12 bis 1 Uhr zur Verfügung, da in der übrigen Zeit die Zöglinge anders beschäftigt sind. Gerade in diesen Anstalten ist die individuelle Seelsorge notwendig, und deshalb paßt die nebenamtliche Seelsorge gar nicht in dieses System hinein. An den Jugendgefängniffen müssen hauptamtliche Stellen dafür geschaffen werden; kann die Gefängnisverwaltung dies beim Finanz⸗ ministerium nicht durchsetzen, so möge sie' lieber an einer anderen Gefängnisanstalt eine hauptamtliche Seelsorgestelle eingehen lassen, um sie für ein Jugendgefängnis frel zu bekommen. Von den vereinigten Schuhfabrikanten ist mir eine Eingabe über die Konkurrenz der Gefängnisarbeit zugegangen, aber unser ganzes Strafsystem ist ohne den Arbeitszwang nicht durchzuführen. In der Schuh— fabrikation herrscht allerdings ein großes Elend; die Per— einigten Schuhfabrikanten halten die Konkurrenz der Ge— gefängnisarbeit für zu groß. Es sind jedoch nach der Statistik in den Gefängnissen nicht so viele Arbeiter mit der Schuhfabrikation heschäftigt, daß die Konkurrenz dem freien Gewerbe einen großen Schaden machen könnte; es kommen nur die Anstalten in Striegau und Münster in Frage. Immerhin könnte die Regierung den Um— fang der Schuhfabrikation in diesen Anstalten noch einmal nach⸗ prüfen.

Schluß des Blattes.)

Bei der Reichstagsstichwahl im Wahlkreise Magdeburg 3 haben, wie ‚W. T. B.“ meldet, nach dem amtlichen Wahlresultat bei 31 884 Wahlberechtigten der Ritter— gutsbesitzer Schiele⸗Schollene (Kons. 16625 und der Ex⸗

pedient Haupt⸗Magdeburg (Soz) 15 259 Stimmen erhalten.

Koloniales.

Nach einer gestern in Berlin eingetroffenen Meldung des Gouverneurs von Samoa sind, wie dem „W. T. B.“ mit⸗ geteilt wird, am 9. Februar die Pflanzer Treviranus und Schlitt (Schmidt?) von vier . Fita⸗Fita (An⸗ gehörigen der Polizeitruppe) auf der Leseapflanzung (etwa 15 Kilometer von Apia) ermordet worden. Bei der sofort eingeleiteten Verfolgung hat anscheinend ein schwerer Kampf mit den Verfolgten stattgefunden; denn drei von den Tätern sind am 11. Februar bei Malie erschossen

worden, nur der vierte konnte nach erfolgter Verwundung ge⸗ fangen genommen werden. Der Polizeimeister Motzkus erhielt bei dem Angriff auf die Mörder einen Schuß in den Oberschenkel, der Pflanzungsaufseher Hellige von der Samoa⸗Kautschuk⸗ Compagnie wurde hierbei getötet. Wie der Gouverneur weiter berichtet, erinnert der Vorfall an die einige Jahre zurück⸗ liegenden Ausschreitungen des Samoaners Sitioi, der sich gleichfalls in den Busch flüchtete und von dort aus mehrfach sinnlose Angriffe auf ihm gänzlich unbekannte Personen unter⸗ nahm, wobei er den Pflanzer Hirsch erschoß. Nach der Meldung des Gouverneurs wird die Tat von allen Samoanern mißbilligt, ohne deren durchaus loyale und tatkräftige Unterstützung bei Ausführung der Verfolgung die schnelle Sühne des Verbrechens unmöglich gewesen wäre. Es handelt sich nach der Ansicht des Gouverneurs hiernach nicht etwa um eine Auflehnung samoanischer Ein⸗ geborenen gegen die Weißen, sondern um einen höchst bedauer⸗ lichen Vorfall, der, wie im Falle des vorerwähnten Sitivi, offenbar auf das auch in der Südsee beobachtete Amoklaufen zurückzuführen sein dürfte.

Kunst und Wissenschaft.

A. F. In der am 13. d. M. unter dem Vorsitz von Geheimrat Prof. Dr. von Luschan abgehaltenen Sitzung der Gesellschaft für Anthropologie gedachte der Vorsitzende in ehrendem Nachruf eines am 23. Januar verstorbenen Forschers, des Anatomen Br. Paul Bartels Königsberg i. Pr., an dessen wissenschaftliche Tätigkeit sich begründete Hoffnungen geknüpft hatten. Frau Dr. Ellen Kalten⸗ bach legte, wie sie in letzter Sitzung versprochen, Bildnisse und Zeichnungen vor, die sie auf einer Reise nach dem Pamir⸗ plateau von der dortigen Bevölkerung der Totschiken, Uebeken, und Kirgisen aufgenommen hat, und die neben ihrem künstlerischen Werte auch für die Ethnographie von Bedeutung sind. Es galt auf dieser Expedition in einer hochalpinen Tour die Kette Peters des Großen? zu erforschen. Der Gatte der Dame war als Zoologe an dem Unternehmen beteiligt, dessen Ausgange punkt Buchara war. Frau Dr. Kaltenbach schildert die Totschiken als eine hagere, von den wohlbeleibten Usbeken sich charakte⸗ ristisch unterscheidende Rasse. Letztere sind seit einiger Zeit dem Dpiumgenuß ergeben. Dies gefährliche Gericht erhalten sie aus Afghanistan. Die Usbeken haben sich vor längerer Zeit als die stärkeren erwiesen und die Totschiken ins Gebirge getrieben, was zur Folge gehabt hat, daß letztere sich rein und mit den nomadischen Kirgisen unvermischt erhakten haben. Die Frauen aller dieser 3 Stämme zeigen eine bemerkenswerte Geschicklichkeit in kunstvollen Stsckereien.

Von Geheimrat Professor Dr. Hans Virchow wurden hierauf in kritischer Darlegung die Methoden der Messung der Lendenwirbel und der zwischen ihnen gelogerten Band“ scheib en erörtert, ein Gegenstand, der insofern von hervorragendem anatomischen Interesse ist, als bereits Cunningham und Turner an Skeletten farbiger Rassen Abschweisungen im Bau wahrgenommen hatten, deshalb ein seltener Fall, weil bei erwachsenen Menschen eine Veränderung an den Wirbeln sonst niemals zu beobachten gewesen ist. Der Vorsitzende, Geheimrat von Lusch an gab sodann noch einige Er⸗ gänzungen zu dem in der voraufgegangenen Sißung behandelten Thema: Pygmäen und Buschmänner. Er führte im Lichtbilde eine große Anzahl von Typen vor, die er freilich auf die kleinen afrika⸗ nischen Rassen zu heschränten hatte, da ihm vergleichende Typen von den Negritos der Philippinen fehlten, welche den Pygmäen Afrikas in der ganzen Variationsbreite der somatischen Eigentümlichkeiten zum Verwechseln ähnlich sind. Heute, wo die neuen, exakten Messungen der afrikanischen Pggmäen aus dem deutschen Kongogebiete durch Oher⸗ stabsarzt Kuhn vorliegen, kann man nun die Frage aufwerfen: Wie stehen die kleinen Leute zwischen Uelle und Iture zu den sonst be⸗ kannten Pygmäen in Afrika, in Westsudan usw., und ferner, wie stehen diese zu den Buschmännern? Zunäͤchst muß man die echten“ Buschmänner von den sogenannten, d h. von solchen Menschen scheiden, die wohl einige Eigentümlichkeiten des Buchmann aufweisen, wie das Fehlen des Ohrläppchens, helle Hautfarbe und ähnliches, die aber L 60— 170 m groß sind? Das sind keine Buschmänner mehr, wie Pöch, Wien einwandfrei festgestellt hat. Die echten Buschmänner, die von Luschan 1905 in der Oranje River Kolonie gemessen hat, sind nie über 150 und 1,ů40 m groß, ja 138 m und, geringere Körpergrößen kommen nicht bloß bei Frauen vor. Franz Sainer hat Haarproben, gesammelt von echten‘ und sogenannten? Buschmännerg und miteinander verglichen. Er fand, daß nur die „echten Buschmänner spiralgerolltes Haar besitzen, wobei oft 25 Haare zur Spinale zusammengewachsen sind. Ganz so ist auch das Vaar. der Pygmäen beschaffen, sowohl das der Aktka' als das der zwischen Uelle und Iture lebenden. Dagegen befinden sich bei den „sogenannten Buschleuten die Haare in Mengen von 30— 60 zu Knäueln gebildet, zu einer Form, die von den Arabern als „Filfil“ bezeichnet wird. Demnach dürften die großen Leute mit Buschmannmerkmalen eine Mischung durch Hottentottenblut erfahren haben. Auf den vorgeführten Typen⸗ bildern erscheinen die ungemein breiten Nasen der Buschmänner deut⸗ Iich kenntlich; dagegen will von Luschan die Ansammlung von Fett. polstern an den Huͤften der Buschmanntfrauen nur als einen Rück— schlag auf ganz alte Typen deuten. Bekanntlich sind solche Rück⸗ schlagserscheinungen den Tierjüchtern geläufig. Von Luschan denkt dabei an Darstellungen auf Reliesbildern der älteren Stein- zeit, unter anderen auch an die sogenannte Venus von Willendorf. Für die Verbreitung der kleinen Rassen in Afrika gibt das Vorkommen der zum Beschweren dienenden durchbohrten Steinkugeln am Wurzeiprob- stock der Buschmänner einen Hinweis. Wir kennen solche durchbohrten Steinkugeln nördlich vom Zambesi, aber auch am Nyassa, am Kiliman⸗ dscharo, ferner bei den Somali und selbst aus Abessinien, sodaß dieser materielle Besitz uns gleichsam zum „Leitfossil! für die Sitze der Buschmänner dient. (Ausgeschlossen ist allerdings nicht, daß die durchbohrte Steinkugel auch durch Wanderungen bis über den Zambesi nach Süden vorgedrungen sein kann.) Die Buschmanns⸗· malereien“ stellt von Luschan in Vergleich zu den paläolithischen Gemälden, wie sie die Höhlen Sudfrankreichs und die von Altamira in Nordspanien bieten. Freilich besteht über diese Fragen noch viel Meinungsverschiedenheit unter den an. Vinsichtlich der Faltenbildung und der Hohlhand stehen uschleute und Pygmäen einander viel näher als etwa Pygmäen und Bantu. Wie ein Zusammenhang zwischen den Urwald pygmäen und den im Westsudan auftretenden Leuten mit Pygmäenmerkmalen herzustellen ist, wird vielleicht in der Folge die moderne Sprachforschung gründen. Wenn wir die schmalen Nasen in Aegypten wohl auf die Einwanderung vorderasiatischer Elemente zurückführen dürfen, bie schon während des „Alten Reiches“ stattgefunden hat, so ist, in Südafrika die überaus breite Nase vorherrschend, die bei den Pyamäen am Uelle und Iture wiederkehrt und dann im Westsudan sich auch noch findet. Bemerkenswert ist, daß die heutigen Buschmänner nicht ganz so breite Rafen wie die Urwald⸗ pygmäen besitzen. In der sich an diese Darlegungen knüpfenden Aussprache hob Geheimrat Professor Dr. Fritzfch hervor, man könne die Papgmäen Afrikas als die sporadisch über das ganze Fest⸗ land verteilte Urbevölkerung betrachten. Damit lasse sich das Auf⸗ treten der kleinen Rassen im Osten wie im Südwesten des Erdteils erklären, wenn man an die bestehenden Verbindungen denkt. Da die Buschmänner leicht fremde Sprachelemente aufnehmen, sel von der Sprachforschung wohl keine Förderung der Frage des Zusammenhanges zwischen den einzelnen Sledlungen der Pymaen zu erwarten. Wunderbar bleiben und in ihrer Art einzig die eigentümlichen Schnaljlaute der Pygmäen. An dieser Erörterung betelligten sich auch Dr. Kuhn und Professor Westermann, ohne daß man zu mehr als einer Feststellung der die Pygmäensprache charakteri.