1914 / 66 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 18 Mar 1914 18:00:01 GMT) scan diff

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Konkurrenz erfolgt. Es steckt dahinter eine gewisse Absicht, über deren Gründe ich mir ja selbstverständlich Gedanken mache. Es ist mir aber doch recht erwünscht, hier im preußischen Abgeordnetenhause die gegenteilige Auffassung mit aller Bestimmtheit vertreten zu können.

(Lebhafte Zustimmung rechts.)

Meine Herren, wir haben seit zwei Jahren und der Herr Berichterstatter hat schon darauf hingewiesen ständige Be⸗ sprechungen, Erörterungen und Verhandlungen mit allen Bundes⸗ regierungen mit Staatseisenbahnbesitz im Sinne des Ausgleichs von Differenzen dort, wo sie hervortreten. Sie treten ja ganz überwiegend auf dem Gebiete des Güterverkehrs hervor schon aus der einzigen Ursache, weil dauernd neue Bahnen gebaut werden, die Abkürzungen schaffen und eine Aenderung der Verkehrsleitung erforderlich machen. Es ist noch in keiner dieser Konferenzen ein irgendwie scharfer oder unüberbrückbarer Gegensatz hervorgetreten; es ist im Gegenteil in einer der letzten Konferenzen ganz ausdrücklich ausgesprochen und an⸗ erkannt worden, daß die Verkehrsleitung im Güterverkehr im großen und ganzen nicht nur dem Interesse des Verkehrs, sondern auch dem Interesse der Verwaltungen entspricht. Das ist eine Feststellung, gegen die man doch nicht angehen kann. Also, meine Herren, mit dem Eisenbahnkrieg, den Preußen gegen die Bundesstaaten führen soll, ist es durchaus nichts.

Herr Abg. von Quast ist dann noch zum Schluß auf eine Frage eingegangen, die gestern bereits erörtert worden ist, nämlich auf die Frachtzahlung für die Güter in Wagen von größerer Tragfähigkeit, pon 15 bis 20 Tonnen. Ich möchte eines feststellen, meine Herren, was gestern nicht von mir bemerkt worden ist. Diese ganze Regelung der Frachtfrage gilt nur für bestimmt bezeichnete Güter, die in offenen Wagen befördert werden. Ob Güter, die in bedeckten Wagen be— sördert werden, in 10, 12,5⸗ oder 15 Tonnenwagen befördert werden, ist für die Frachtberechnung ganz gleichgültig. In gedeckten Wagen fährt der größere Teil der Güter, die für die Landwirtschaft ein größeres Interesse haben. Herr Abg. von Quast kam auf Getreide zu sprechen. Das wird nur in gedeckten Wagen befördert, ebenso Düngemittel und Kartoffeln. Dagegen kommen für die gedachte Frachtregelung folgende Güter in Frage: Erde, Erzschlacken, Ton, Mergel, Wegebaustoffe, Steine, Eisenerze, Schwefelkies, ferner Kalk⸗ steine und Stoffe zum Spülversatz, also alles Massengüter, bei denen präsumtiv auch nicht der geringste Anstand besteht, Wagen von 15 Tonnen zu stellen und die Fracht dafür zu fordern. Zweifel be⸗ stehen bei Steinkohle und Steinkohlenasche. Bei Steinkohle und Steinkohlenasche besteht nur für einen minimalen Bruchteil der Empfänger das Bedürfnis oder der Wunsch, hier die Frachtzahlung nur nach dem verladenen Gewicht zu gewähren.

Ich habe mir ja bereits gestern auszuführen gestattet, daß bei der ungeheuren wirtschaftlichen Bedeutung, die der Frage eines einheitlichen Wagenparks zukommt Herr Graf Moltke hat mich in dieser Frage unterstützt bei der Perspektive, ob wir unsere Tarife halten können oder nicht, die geringen Lasten, die diesen oder jenen treffen, hinge⸗ nommen werden müssen. Cebhafter Beifall.)

Abg. Gerhardus Gentr.):: In unserer Enteignungsgesetz⸗ gebung besteht eine Lücke, welche auch die Erlasse des Ministers vom Februar dieses Jahres bezüglich der Eisenbahnanlieger nicht ausgefüllt haben. Bei dem jetzigen Rechtszustande sind die Grundbesitzer oder Interessenten, wenn ein Verschulden des Schädigers oder eine sonstige zwilrechtliche Verpflichtung nicht besteht, ohne Anspruch auf Ent— schädigung. Wenn z. B. durch eine Neuanlage der Eisenbahn ein Iffentlicher Weg abgesperrt wird oder längere Sperrungen eines Wegüberganges erfolgen, so haben die nichtenteigneten Grundbesitzer feinen Anspruch auf Entschädigung, z. B. wenn ein Wirtschafts⸗ oder sonst gewerblicher Betrieb dadurch ruiniert wird. Es wäre hier eine Aenderung des materiellen Rechts sehr wünschenswert. Unser Tarif⸗ wesen zeigt eine gewisse Systemlosigkeit, trotzdem sind wir mit seiner Handhabung vom volkswirtschaftlichen und Verkehrsstandpunkt durch⸗ aus einverstanden. Unsere Eisenbahnverwaltung hat die Fortbildung unferes Tariswesens durch die Entwicklung von Ausnahmetarifen mit

Recht in die Hand genommen. Auch wir sind mit dem Minister der Ansicht, daß bei dem Tarifwesen ein individualisiertes Vorgehen, ein Anpassen an die volkswirtschaftlichen Bedürfnisse und Notwendigkeiten im Einzelfalle stattfinden soll. Es ist dies eine gute Mittelstands⸗ politik unserer Eisenbahnen. Die Formel, die für unser Tarifwesen gefunden worden ist, daß Ausnahmetarife nach Maßgabe des Nach— weises eines allgemeinen wirtschaftlichen Bedürfnisses gewährt werden sollen, ist sehr allgemein. In der neuesten Entwicklung unseres Tarif: wesens hat diese Formel eine Inkonsequenz ergeben insofern, als bei der Gestaltung der Ruhr-Moseltarife nicht der Nachweis des allge⸗ meinen Bedürfnisses verlangt wird. Wir sind aber töotz dieses Man⸗ gels mit der bezeichneten Maßnahme durchaus einverstanden. Ebenso sind wir mit der Gewährung der Ausgleichstarife für die anderen Wirt⸗ schaftsgebiete einderstanden, deren Entwicklung mit dem Ruhr Mosel⸗ Verkehr direkt oder indirekt zusammenhängt. Die für den Lahn, Dill- und Siegbezirk zu gewährenden Tarife werden von der dortigen Industrie dankbar begrüßt. Ich bitte den Minister, die Ausnahme— Rrife für Koks für das Siegerland auch auf den von manchen Eisen— steingruben benötigten Gaskoks auszudehnen. Mit der Nichtherab— setzung der Personentarife 1. Klasse sind wir durchaus einverstanden. Unfere Tarifpolitik sollte in Einklang gebracht werden mit unserer Hollpolitik im Reich. Wir sind auch für eine weitsichtige und vor⸗ sichtige Inaussichtnahme der Elektxisierung unserer Bahnen, obwohl wir im vorigen Jahre gegen die Elektrisierung der Berliner Bahnen Bedenken geltend gemacht haben. Wir wünschen, daß die Regierung die Elektrisierung der Berliner Bahnen mit derselben Vorsicht, wie es bis jetzt geschehen ist, in die Hand nimmt. Was die beantragte (Ermäßigung der Berliner Vororttarife auch nach der Elektrisierung be⸗ trifft, so billigen wir den Standpunkt der Budgetkommission, welche eine geringe Erhöhung dieser Tarife als nötig anerkannt hat,

Abg. Dr. Röchling (ul.): Inbezug auf die finanzielle Seite der Cisenbahnverwaltung kann ich der Freude Ausdruck geben, daß der von uns bei früheren Beratungen eingenommene Standpunkt auf pielen Seiten des Hauses Anerkennung gefunden hat. Wir können setzt das Eisenbahnabkommen von 1910 noch um ein paar Jahre ver⸗ längern. Die Grenze von 1,15 2 des statistischen Anlagekapitals für die Dotierung des Extraordinariums wird tatsächlich wohl nicht aus— reichend sein, und wir werden die ganzen Fragen des Ausgleichsfonds später weiter prüfen müssen. Daß diese Regelung nicht aus dem Handgelenk erfolgen kann, ist ja selbstverständlich. Die Begrenzung von 710 3 des statistischen Anlagekavpitals für die Verwendung der (Cisenbahnüberschüsse für allgemeine Staatszwecke scheint mir allerdings ausreichend zu sein, denn die Eisenbahnen sind in erster Linie im Interesse des Verkehrs und der nationalen Wirtschaft da. Wie es nach zwei Jahren, wenn das Abkommen abläuft, aussieht, und was dann zu geschehen hat, darüber ist heute noch nichts zu sagen. Aber man ann sich doch schon über die Grundsätze für eine eventuelle Grneue, rung des Abkommens aussprechen. Wir werden dabei nicht nach thecretifchen Erwägungen, sondern nach den Erfahrungen der Ver⸗ gangenheit zu handeln haben. Das Abkommen hat bis jetzt gute Dienste geleistet, wir werden abwarten, wie es sich in den nächsten zwei Jahren gestalten wird. Wir werden dann wohl eine abgeschlossene 6Gntwicklung hinter uns haben und uns danach für die Zukunft ent⸗ scheiden können. Das Abkommen wird nicht eine Bindung auf die

Dauer enthalten dürfen, sondern nur auf Zeit zu treffen sein. Durch

Die weniger straffe Bindung würde sowohl die Regierung wie auch die Volksbertretung eine gewisse Freiheit der Entschließung behalten.

Wenn wir uns gesetzlich binden würden, so wäre für die Zukunft das Parlament ausgeschaltet, so lange sich die Regierung im Rahmen des Gesetzes hielte. Andererseits dürfte im Inte resse unserer Finanzen die Bindung nicht auf zu kurze Zeit erfolgen, ich denke etwa quf eine Wirtschaftsperiode von acht bis zehn Jahren. Das ist natürlich nichts Feststehendes, ich habe nur das Sentiment, daß eine Reihe von Jahren notwendig ist, um die Entwicklung durchzuprobieren und vor allem den Finanzen eine gewisse Sicherheit zu geben. . muß die Regelung unter dem Gesichtspunkte erfolgen, daß die Kisenbahnherwaltung un⸗ abhängig von der übrigen Staatsverwaltung ist und nach ihren eigenen Bedürfnissen geleitet und ausgestattet werden muß. Das kann nur pon dem, der die Verantwortung hat, von dem Eisenbahnminister ge⸗ schehen; dieser muß tunlichst unabhängig gestellt werden; auch in finanzieller Beziehung. Der Eisenbahnminister elbst muß über die Erhaktung der Leistungsfähigkeit und über die Steigernng derselben bis zum höchsten Grade sowie über die Ausdehnung des Betriebes ent⸗ scheiden können. Allerdings hat auch die Eisenbahn hisher bekommen, was sie gebraucht hat, und wird es auch in Zukunft bekommen.; Aber zuzeiten des Finanzministers von Miquel haben wir doch den Eindzuck gehabt, daß die Eisenbahnverwaltung nicht die erforderliche Be⸗ wegungsfreiheit hatte zum Schaden der Eisenbahnverwaltung und der allgemeinen Staatsverwaltung. Die Eisenbahn ist ein gewerbliches Unternehmen und ein solches kann auf die Dauer nur Gutes voll⸗

bringen, wenn es in sich selbst gefestigt und unabhängig ist. Es ist gar nicht zu verwundern, wenn in unserem Eisenbahnwesen noch nicht das Sättigungsstadium eingetreten ist. Die Eisenbahn muß deshalb die Arme freibekommen, damit sie sich entwigelt, wie es die Volks⸗ wirtschaft und der Verkehr erfordert. Dem Eisenbahnminister müßte ein Reservefonds, ein Ausgleichsfonds A zur Verfügung stehen, um bei außergewöhnlichen Anforderungen die Leistungsfähigkeit auf den höchsten Stand bringen zu können. Gegenwärtig kommt zuerst, der Disposttionsfonds, dann die Rente und dann erst as Extraordinaxium. In erster Linie müßten aber bei der Ausgestaltung des Eisenbahn⸗ wesens die Bedürfnisse des Eisenbahnwesens und dann erst die Rente in Frage kommen. Man könnte aus dem Reserpefonds dann einen Reservefonds B schaffen, den man dem Finanzminister überweisen könnte. Natürlich sollen das alles nur Anregungen sein, die dazu dienen, den Anschauungen des Fürsten Bismarck Geltung zu ver⸗ schaffen, wonach bei der Eisenbahn zuerst das allgemeine wirtschaft⸗ liche Interesse und dann erst der Verdienst kommt. Ist die Eisenbahn erst einmal auf das höchste Maß der Leistungsfähigkeit. gebracht, dann werden sich Ueberschüsse, ganz von selbst ergeben, Eine Reihe von Rednern hat sich gegen eine allgemeine Tarifermäßigung ausgesprochen, obwohl sie im allgemeinen eine solche wünschten. Was aber verlangt werden muß, das ist die Tatsache, daß man Tarifermäßigungen von Fall zu Fall nach Maßgabe des wirtschaftlichen Bedürfnisses sorgfältig prüfen soll te. Jetzt fragt man bei Handelskammern und ähnlichen Korporationen heruin und lehnt die Ermäßigungen ab, sobald nur eine sich dagegen aus⸗ spricht. Das ist nicht richtig. Man muß entgegenstehende Interessen aus gleichen. In jedem Fall muß aber das größere wirtschaftliche Interesse den Vorzug haben. Einnahmeausfälle werden ja manchmal in Kauf genommen werden müssen. Es ist guf die Tariferhöhungen in Nach⸗ barländern hingewiesen worden. Es ist richtig, daß dadurch unser Export Vorteile gehabt hat, Aber man soll doch nicht vergessen, daß für diese Tariferhöhungen Agitationen maßgebend gewesen sind, denen bie betreffenden Regierungen keinen. Widerstand leisten konnten. In Frankreich und Belgien sind ja die offiziellen Tarife höher. Es werden aber durch Speziglabkommen bei Verfrachtung, von großen Massengütern vielfach erhebliche Rabattsätze gewährt. Dieses System will ' ich nicht empfehlen. Es zeigt sich dabei aber, daß unter Um⸗ staͤnden doch erheblich billiger als bei uns gefahren wird. Ich weiß nicht, weshalb man sich bei uns gegen eine Verbilligung der Tarise pon Kohlen und Erzen sträubt. Der Abg. Schmedding führte aus, daß bei Tarifen verdient werden müsse. Er hatte dabei aber nur die Güter⸗ tarife im Auge. Hätte er dabei die Personentarife im Auge gehabt, dann wäre es nur logisch gewesen, zu fordern, daß die Personentarife erhöht werden, da hierbei der Staat nichts verdient. Diese Folgerung hat der Kollege Schmedding aher nicht gezogen. Der Abg. Schmedding scheint anzunehmen, daß es Leute gibt, die allmonatlich zu ihrem bloßen Vergnügen einmal nach Berlin fahren. Dabei vergißt er ganz, daß Berlin sich mehr und mehr zu einem Zentrum unseres ganzen wirtschaftlichen Lebens entwickelt und daß daher die Geschäfts= feute das Bedürfnis immer dringender empfinden, sich in bestimmten ZJeitabständen in Berlin zu treffen, Den meisten ist das Reisen Ficht ein Vergnügen, sondern ein bitteres Muß. Die Eisenbahnver— waltung soll aber dazu beitragen, daß jeder Städter wenigstens einmal in der Woche einen Blick n Gottes freie Natur tun kann. Die Güterzüge leiden in ihrer Schnelligkeit noch immer daran, daß die

Luftdruckbremfe nicht eingeführt ist. Wegen der kleinen Handbremsen können die Züge nicht die Schnelligkeit entwickeln, die sie mit der

Kraft ihrer Maschinen entwickeln könnten, und infolgedessen müssen viele

Industrielle übermäßig lange auf die Gestellung von Wagen warten.

Hierbei kommt auch die 1 hinzu, daß wir mit den jetzigen 9

Einrichtungen im Falle einer dobilmachung nicht die nötige Schnelligkeit entwickeln können. Wenn wir es mit zwei Fronten zu tun haben, werden wir mit vielen Zügen die, aus Güterwagen bestehen, arbelten müssen. Ich verkenne die Schwierigkeiten und die Kosten, die es verursacht, nicht, aber ich bitte den Minister dennoch, diefe Schwierigkeiten und diese Kosten nicht zu scheuen, damit wir auch in dieser Beziehung in der Frage unserer Verteidigung beruhigt sein können

Abg. Graf Moltke (freikons.): Die Ausnahmetaxife sollen in erster Linie dazu dienen, unser ganzes wirtschaftliches Leben zu be— fruchten und gleichzeitig im Inlande gewisse Ungleichheiten aufzuheben. Die zweite Äufgabe ist die, daß Ausnahmetarife vor allen Dingen für die Beförderung nach den Seehäfen gewährt werden. Es handelt sich da um eine Begünstigung unserer ganzen Produktion, der Landwirtschaft wie der Industrie. Bei der Einfuhr sollen die Ausnahmetarife unsere ganze industrielle Tätigkeit gegenüber der, des Auslandes konkurrenzfähig er— halten. Diejenigen Einfuhrartikel, die unsere Produktion durchaus nötig hat, Rohstoffe vor allen Dingen, bis zu einem gewissen Grade auch' die Futtermittel, müssen durch die Ausnahmetarife begünstigt werden. Auf der anderen Seite aber mu die Gestaltung dieser Ein⸗ fuhrtarife dazu angetan sein, diejenigen Auslandsartikel fernzuhalten, die eine zu starke Konkurrenz unseérer heimischen Produktion dar—⸗ stellen würden. Die immer wachsende Anwendung von Ausnahme⸗ tarifen hat auf unsere ganze Produktion eine außerordentlich be— günstigende und befruchtende Wirkung ausgeübt. Aber es kommen auch manchmal sehr ungeeignete Ausnahmetarife zustande, die den Gedanken nahe legen, daß vorsichtiger vorgegangen werden muß. Ein

Beispiel dafür, daß ein Notstandstarif unter Umständen im Laufe

der Zeit in seinen Wirkungen vollständig umgekehrt wird: wir haben große Rotstandstarife gehabt und bei einem ist es vorgekommen, daß, nachdem er einige Jahre günstig gewirkt hatte, er nicht mehr aufgehoben werden konnte. Sämtliche Handelskammern erklärten, die Industrie habe sich jetzt so daran . und darauf eingerichtet, daß sie diese Ausnahmetarife, die nur Notstandstarife sein sollten, jetzt nicht mehr entbehren könnte. Als in den Jahren 1908,09 in Ostpreußen der große Ronnenfraß eintrat, wurde eine Erleichterung für das ost⸗ preüßische Fichtenholz gegenüber dem oberschlesischen geschaffen durch Aufstellung eines Ausnahmetarifes. Er bezog sich speziell, nur auf die Konkurrenz zwischen ostpreußischem und schlesischem Fichtenholz. Unter der Einwirkung dieses Ausnahmetarifes stieg die Ausfuhr von ostpreußischem Holz von S00 Tonnen auf 14 000 Tonnen, und die Cinnahmen diefes einen speziellen Gegenstandes sind von etwa 0 660 auf über 300 000 c in dem einen Jahre gestiegen. Solche Wirkungen der Ausnahmetarife muß, man sich vor Augen halten; die Beispiele zeigen, wie vorsichtig in diesen Dingen operiert werden muß. Auch bei den Durchfuhr⸗ tarifen kommen manche Sonderbarkeiten vor. Es wurde 1911 ausführlich erörtert, daß Hamburg in seinem Handel ganz außerordentlich geschäbigt wurde dadurch, daß die großen Trans— portgesellschaften, so Hapag, Lloyd usw, im Anschluß an diese Durch⸗ gangstarife ganz besonders niedrige Frachtsätze erstellten. Es ist ferner in der Presse das Beispiel angeführt worden, daß eine Sendung

von 20 Kisten Wein von Hamburg nach Marseille ganz erheblich teurer zu stehen komme, als wenn sie von Hamburg zunächst nach Pinneberg und dann von hier mit Hilfe der , nach Marseille geschickt werden. Diese eigenartigen Erscheinungen zeigen doch, welche Vorsicht auf diesem Gebiete geboten ist, und daß die Ver⸗ waltung sehr wohl daran tut, sich jeden? usnahmetarif ganz besonders

scharf auf etwaige Konkurrenzierungen anzusehen. Meine gestrige . über den Streckenberkehr in England hat der Men wohl mißverstanden. Ich habe hervorheben wollen, daß in England eine Tariferhöhung viel eher angezeigt sei, weil die englischen isen⸗

bahnen unter schwierigeren Bedingungen arbeiten als wir; ich habe nicht davon gesprochen, daß die englische Industrie für den Bezug von Kohle und Erzen durch die kürzeren Strecken die zu durchmessen sind, viel mehr begüänftigt sei. Mit der Streckenlänge wächst Loch eben die Transport- und die Cinnahmenmöglichkeit. In einem Spezialfall is ein Absender, der frisches Blut als frisches Fleisch, für welch letzteres ein Ausnahmetarif bestand, bei der Versendung von Elmshorn nach Hamburg deklarierte, für straffällig wegen falscher Deklaration er⸗ Härt worden. Er hat gemeint, frisches Blut sei dem Verderhen ebenso und noch mehr ausgesetzt als frisches Fleisch, er hat nur aus Unwissen⸗ heit gefehlt, soll es aber bei der erwähnten Entscheidung bleiben, so sollte doch auch ein Ausnahmetarif für frisches Blut in Erwägung ge⸗ zogen weiden. Die Verbilligung der Fahnpreise sollte in noch höherem Maße als bisher auch dem Mittelstande zugute kommen, nicht nur den Arbeitern, denen man den Verkehr von und nach den Großstadten durch billlge Sätze, Wochenkarten usw; erleichtert. Kleinen und Mittel- städten, die fünf, zehn oder fünfzehn Meilen von der, Großstadt entfernt liegen und der letzteren gegenüber unter sehr schwierigen Erwerbsbe⸗ dingungen stehen, müssen möglichst ö. Verkehrsbedingungen geg ben werden; es wohnen da eine große Menge mittlerer und kleiner Pro⸗ duzenten, denen alles daran gelegen ist, die Vorteile der Großstadt auch für' ihren Heimatsort zu erlangen. Es ist überhaupt erforderlich, daß, wenn durch große und notwendige Maßnahmen auf dem Gebiete des Transportwesens Orte und Gebietsteile ungünstig beeinflußt wer⸗ den, man bemüht sein muß, namentlich den kleinen und mittleren Städten ein Aequivalent zu schaffen. Im Reichstage hat der preußische Cisenbahnminister auf die Vorteile hingewiesen, welche der Ausbau einer Strecke durch ein drittes und viertes Gleis gegenüber dem Bau einer neuen Bahn biete; ich bitte ihn, dieses Prinzip auch guf, die preußische Eisenbahnverwaltung anzuwenden. Der Abg. Ströbel hat gestern sich darüber heschwert, daß die Dauerredner seiner Partei sich der Ungunst des Hauses erfreuen; er hat anderseits auf die langen Reden angespielt, die der Abg. Macco und ich gestern gehalten haben. Wenn ich unhöflich wäre, würde ich sagen, es kommt doch auch ein ganz klein wenig auf das an, was man spricht. Sein Vorwurf gegen das Haus ist aber auch deshalb unzutreffend, weil das Vaus ein ehr feines Unterscheidungsvermögen gerade bezüglich der Reden auch einer eigenen Genossen hat. Selbst der Ahg. von Pappenheim hat hervorgehoben, daß es sich mit einem durchaus sachlichen Redner wie dem Abg. Hus recht gut diskutieren lasse, und ich stelle dem Abg. Ströbel zur Erwägung, daß er und seine Freunde, wenn sie uns mehrstündige Reden halten, auch ihren Inhalt entsprechend ausgestalten.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach:

Meine Herren! Herr Abg. Graf Moltke hat sich in seiner Rede mit dem Zweck und dem Wesen der Ausnahmetarife eingehend befaßt. Ich darf feststellen, daß ich seinen Ausführungen in allen wesentlichen Punkten beitreten kann, auch darin, daß die Ausnahme⸗ tarife mag man sie nun Ausnahmetarife oder Notstandstarife nennen unter Umständen recht unerwünschte Nebenwirkungen zeigen. Gerade deshalb ist bei der Frage der Gewährung oder Nichtgewährung von Ausnahmetarifen große Vorsicht geboten. Das möchte ich auch gegen⸗ über dem Herrn Abg. Röchling bemerken, der es bemängelte, daß die Staatseisenbahnverwaltung Ausnahmetarife häufig ablehne, auch schon dann, wenn nur dieser oder jener Interessent sich durch die Ein— führung des Tarifes verletzt fühle. In allen wichtigeren Fragen hören wir die uns beigegebenen Beiräte, in der Provinzialinstanz die Be— zirkseisenbahnräte, und als Beirat des Ministers den Landeseisen bahnrat, und es ist bekanntermaßen sehr selten geschehen, daß der Minister sich auf einen anderen Standpunkt gestellt hat als der Landes⸗ eisenbahnrat.

Die Nebenwirkungen, von denen Herr Abg. Graf Moltke sprach, muß man tunlichst zu vermeiden suchen. Sie lassen sich aber nicht ganz vermeiden. Beispielsweise beschweren sich die Handelsminister in Magdeburg und die Schiffahtsinteressenten auf der Elbe über den von Herrn Abg. Graf Moltke erwähnten Düngemittelausnahmetarif, einen ganz normalen Tarif, deshalb normal, weil zwei Tarifermäßigungen aufeinander gesetzt sind; er ist über das, was ursprünglich gewährt worden ist, noch um weitere 20 35 ermäßigt. Er bereitet nach meinem Ermessen eine erhebliche Konkurrenz für die Schiffahrt, ist aber Gegen⸗ stand lebhafter Klage. Weil er etwas ganz Anormales bedeutet, haben wir ihn befristet; er wird immer nur für einen gewissen Zeitraum ver⸗ längert und ist ganz jüngst bis 1917 verlängert worden.

Ein anderer Tarif, der Aufsehen erregte, war der Nonnenfraß⸗ holztarif, den wir von Ostpreußen über Berlin hinaus einführten. Er bot keine besondern Anormalien; denn bis Berlin bestand schon ein Ausnahmetarif, der die Grundlage für den weiteren Ausbau bis zur Elbe bildete. Dieser Tarif hat segensreich gewirkt. Er hat den Osten, der unter dem gewaltigen Nonnenfraß stark gelitten hat, ent⸗ lastet. Er hat selbstverständlich im Gebiet zwischen der Spree und der Elbe, zwischen Berlin und Magdeburg einige Unbequemlichkeiten erzeugt, wir haben aber mit dem Landeseisenbahnrat gemeint, daß diese Beschwerden hingenommen werden müßten.

Ein dritter Fall, den Herr Graf Moltke erwähnte, sind die so⸗ genannten Durchtarife, die wir mit bestimmten Reedereien von In— landsstationen über unsere Seeplätze, in erster Linie Hamburg, nach Auslandsplätzen eingerichtet haben, um unserer inländischen Industrie die Möglichkeit zu gewähren, stets mit festen Frachtsätzen zu kalkulieren, in denen auch die Platzspesen am Seehafenplatz eingerechnet sind. Diese Tarife haben in gewissen Verkehrsbeziehungen nach der Levante, nach Ostafrika —, ganz bedeutenden Segen und Nutzen ge⸗ stiftet; das wird allgemein anerkannt. (Sehr richtig! links) Aber sie haben den Interessenten in Hamburg Anlaß zur Beschwerde ge⸗ geben, weil diesen Tarifen, um den Schwankungen der Seefrachten vorzubeugen, niedrigere Seefrachtsätze zugrunde gelegt werden mußten als die normalen, und weil das so ist, beschweren sich die Platzinter⸗ essenten darüber, daß derjenige, der vom Platz aus verfrachtet, höhe ne Seefracht zahle als derjenige, der vom Inland verfrachtet. Also hier sind kleine Nebenwirkungen eingetreten, die die Interessenten hin- nehmen müssen, weil das, was durch den Ausnahmetarif gewährt wird, doch einem größeren Kreise von Interessenten zu größerem Nutzen gereicht.

ö Die Frage, ob frisches Blut zu gleichen Ausnahmetarifen wie frisches Fleisch befördert werden kann, wird geprüft werden.

Dagegen habe ich doch lebhafte Bedenken, den Anregungen des Herrn Grafen Moltke über die Ausdehnung der Vororttarife, die wir im Berliner und im Danzig-Zoppoter Verkehr haben, zu folgen. Die Berufungen wären ohne Ende, und es würden ganz außerordentliche Schwierigkeiten überall da eintreten, wo man den Vorortverkehr nicht

auf besonderen Gleisen bewältigt, wo man ihn daher nicht von dem

Verkehr scheiden kann, der auf demselben Gleis als Fernverkehr sich entwickelt. Es würden hier Komplikationen eintreten, die wir kaum ertragen können. Im großen und ganzen ist für den Verkehr aus den Städten heraus in die Umgebung der Fahrplan der preußischen Staatseisenbahnverwaltung sehr vervollkommnet worden. Wir haben dem Gesichtspunkt, der hier von anderer Seite auch schon vorgetragen worden ist, daß man der städtischen Bevölkerung die Möglichkeit geben müsse, auszuschwärmen und sich draußen zu erholen, in weitestem Maße Rechnung getragen; das soll auch in Zukunft so geschehen. Ich glaube, damit haben wir doch das Richtige getroffen. ;

Wenn dann Herr Graf Moltke eine Frage berührt, die in kurzer Zeit praktische Bedeutung gewinnen kann, ob es richtig sei, bei ein⸗ tretendem Grweiterungsbedürfnis neben zwei vorhandenen Gleisen zwei weitere Gleise zu bauen, oder aber als selbständiges Gleispaar durchs Land zu führen, so meine ich, daß man diese Frage von Fall zu Fall zu behandeln hat. Der Regel nach liegt die Sache so. Wenn wir infolge von Verkehrsüberlastung genötigt sind, zweite, dritte und vierte Gleise zu baueny dann werden wir zweckmäßigerweise diese Gleise eben als zweite, dritte und vierte Gleise legen und betreiben, weil auf diese Weise die Zukunft in viel höherem Maße gesichert wird, als wenn wir eine neue Bahn als ein- oder zweigleisige Bahn durch das Land bringen. Die Leistungsfähigkeit einer Bahn mit vier Gleisen ist ohne Zweifel größer als die Leistungsfähigkeit zweier zweigleisiger Bahnen. (Es kann aber ein besonderer Fall eintreten, daß man aus örtlichen Gründen oder um Abkürzungen herbeizuführen, die im Interesse des Uyrkehrs sehr erwünscht sind, schließlich doch von dieser Regelung ab— weichen muß. Also die Frage kann nur von Fall zu Fall geregelt werden.

Meine Herren, der Herr Abg. Röchling hat sich nochmals mit der Frage der Tarifermäßigungen befaßt, und dabei auf die Auslandstarife hingewiesen und die Gründe erwogen, die die uns umgebenden Staaten veranlaßt haben, ihre Tarife zu erhöhen. Da möchte ich doch fest⸗ stellen, daß in Oesterreich, Ungarn und England die Tariferhöhungen ausschließlich aus finanziellen Rücksichten erfolgt sind. In England hat sich dieser Vorgang erst in den allerletzten Jahren abgespielt. Als im Jahre 1912 der große Eisenbahnerstreik ausbrach und die englischen Eisenbahngesellschaften genötigt waren, Lohn- und Einkommens— erhöhungen zu bewilligen, haben sie zur Bedingung gemacht, daß zum Ausgleich dieser Lasten, die ihnen zugemutet wurden die Re⸗ gierung hatte zu vermitteln gesucht —, diese Tariferhöhungen zu—⸗ gestanden würden. Die Frage der Tariferhöhungen ist für die preußische Eisenbahnverwaltung zurzeit eine wenig praktische. Soweit ich die Sach- und Verkehrslage zu beurteilen weiß, brauchen wir uns wirklich über diese Frage nicht den Kopf zu zerbrechen. Wenn ich sie in die Debatte geworfen habe, dann ist es geschehen, um darauf hinzuweisen, daß man uns nicht hindern darf, alle technischen Vervollkommnungen in unserem Apparat durchzuführen, weil man auf diese Weise uns davor bewahrt, daß die stärker als die Einnahmen steigenden Aus— gaben uns in Zukunft zu Tariferhöhungen nötigen.

Herr Abg. Dr. Röchling hat die Frage des Verhältnisses der Staatseisenbahnverwaltung zur Finanzverwaltung und der beiden Chefs zueinander behandelt. Ich möchte davon absehen, mich heute in diese Frage zu vertiefen, zumal ja Herr Abg. Dr. Röchling aner⸗ kannt hat, daß der gegenwärtige Zustand durchaus befriedigend ist. Er hat retrospektive Betrachtungen angestellt und gemeint, es wäre nicht immer so gewesen; aber er hat doch übersehen, daß die Staats⸗ eisenbahnverwaltung sowohl wie die Finanzverwaltung aus der Ent⸗ wicklung unseres Verkehrs in den letzten Jahren Lehren gezogen hat, die niemals vergessen werden können. Mir hat das Bild des Herrn Abg. Graf Moltke, daß beide Ressorts gemeinsam eingespannt seien, um den Acker zu bearbeiten und fruchtbar zu machen, sehr wohl ge⸗ fallen, und ich habe es mir zu eigen gemacht, wohl wissend, daß die Staatseisenbahnverwaltung, um Erfolge zu erzielen, unter allen Umständen Kraftfutter braucht. (Heiterkeit)

Ich wende mich zu den Ausführungen des Herrn Abg. Gerhardus. Er hat bemängelt, daß die Staatseisenbahnverwaltung keine neue Ge⸗ setzesborlage wegen der Abänderung des 8 4 des Eisenbahngesetzes ge— bracht habe, und sich gewissermaßen darüber beschwert. Die Vor— gänge sind wohl noch in aller Erinnerung. Man hat sich mehrere Jahre bemüht, eine gesetzliche Regelung zu finden, um sowohl nach formalen wie nach realen Gesichtspunkten bezüglich der Feststellung der Eisenbahnbaupläne eine Aenderung im Sinne der Schaffung von Rechtsgarantien herbeizuführen. Es hat sich nun in diesen mehr— jᷣhrigen Verhandlungen doch ergeben, daß die Auffassungen, die einer— seits hier in diesem hohen Hause und andererseits bei der Staats— regierung bestanden, unvereinbare waren. Ich habe bezüglich einer Reihe von Bestimmungen, die die Kommission erst in den Gesetz— entwurf hineingearbeitet hat und die leider, wie ich feststellen muß, in dritter Lesung in diesem hohen Hause angenommen worden sind, er=— klären müssen, daß sie für die Staatsregierung unannehmbar seien. Auch heute steht die Staatsregierung noch auf dem Standpunkt, daß diese Bestimmungen unannehmbar sind und wir konnten voraussehen, daß, wenn sich eine Aenderung der Auffassungen nicht anbahnen läßt, dann eine Einigung zwischen Staatsregierung und Landtag in dieser Frage nicht zu erzielen ist.

Da habe ich geglaubt, denjenigen Weg beschreiten zu sollen, der im Leben immer richtig ist, nämlich den praktischen Versuch zu machen, ob man nicht die große Zahl der Anregungen, die aus diesem hohen Hause heraus bei der Beratung des Gesetzes gegeben wurden und von ber Regierung akzeptiert werden konnten, zunächst im Verwaltungs⸗ wege durchführen kann. Das ist durch zwei Erlasse geschehen, die von mir und den beteiligten Ressorts herausgegeben sind und von denen der eine die Grundsätze enthält, die bei der Aufstellung der Eisenbahn—⸗ baueniwürfe zu beachten sind, während der zweite das Prüfungsver⸗ fahren regelt. ;

Meine Herren, der Grundgedanke dieser beiden Erlasse ist, daß bei der Vorbereitung und Feststellung der Eisenbahnbauentwürfe die Pflege der allgemeinen Wohlfahrt, des gesamten Staatswohls entscheidend sein müsse, und daß, soweit der Minister durch den 5 4 des Eisen⸗ bahngesetzes die Befugnis zur Entscheidung erhalten hat, doch der Grundsatz an der Spitze stehen soll, daß nicht der Eisenbahnminister sondern der Staatsminister die Entscheidung trifft und unter allen Umständen das allgemeine Staatsinteresse zu wahren hat. Ich möchte dem hohen Hause vorschlagen, zunächst einmal in Ruhe abzuwarten, wie diese Erlasse wirken werden, die optima mente und von der Absicht und dem lebhaften Wunsche beseelt ergangen sind, Frieden zu schaffen.

Erst dann, wenn sich ergeben hat, wie sie in praxi wirken, wird man auf diese Frage zurückkommen können.

Auch Herr Abg. Gexhardus hat eine Reihe von Tariffragen in

den Kreis seiner Erörterungen gezogen. Er war der Meinung, daß dasjenige, was wir als Ausgleich für die nicht auszuführende Kanali⸗ sierung der Mosel und Saar an Tarifermäßigungen planen, denjenigen Interessenten, die nicht Ruhr⸗Moselinteressenten sind, zu wenig gebe. Aber Herr Abg. Gerhardus hat bei seinen Ausführungen doch übersehen, daß der Ausgleich den Saarinteressenten und den lothringischen Interessenten gewährt werden soll und daß, wenn wir, darüber hinausgehend, auch anderen Revieren etwas gewähren, dies nur geschieht, um Verschiebungen zu ungunsten dieser Interessenten zu vermeiden. Meine Herren, wie wäre es denn geworden, wenn die Mosel und die Saar kanalisiert worden wären? Das kann ich heute aussprechen: die Staatseisenbahnverwaltung hätte sich keinesfalls be⸗ rufen gefühlt, dann Ausgleiche zu gewähren an andere Reviere. Hier aber, wo wir durch das Eingreifen der Staatseisenbahnverwaltung und die starke Begünstigung, die Lothringen und die Saar erhalten, Ver⸗

schiebungen hervorrufen, sind wir bereit, diese Verschiebungen durch

den Eisenbahntarif und zwar durch Gewährung von Eisenbahn⸗ ausgleichtarifen abzumildern. Diese Abmilderung ist also der Zweck unserer Tarife zugunsten der anderen Reviere, und diese Abmilderung kann nur immer denjenigen zuteil werden, die durch die Hauptermäßigung, die Ermäßigung zwischen Ruhr und Mosel, getroffen werden, den Hoch—m ofeninteressenten. Darum ist die ganze Maßnahme auf die Bezüge der Hochöfen an Koks und Erzen beschränkt.

Herr Abg. Gerhardus hat auf eine Tatsache hingewiesen, die ja unbestreitbar ist: daß nach Inbetriebnahme des Rhein ernekanals die Interessen der einzelnen Werke, die in größerer oder weiterer Ent— fernung von dem Kanal liegen, in ganz verschiedener Weise gefördert werden. Ja, meine Herren, diese Tatsache wird regelmäßig zu ver⸗ zeichnen sein, wenn neue Verkehrswege entstehen, insbesondere aber, wenn neue Schiffahrtswege geschaffen werden. Die Schiffbarmachung einer natürlichen Wasserstraße oder die Schaffung einer künstlichen Wasserstraße wirkt ungleichmäßig, viel ungleichmäßiger als die Ge⸗ währung von Ausnahmetarifen auf den Staatseisenbahnen. Gerade durch die Gewährung von Ausnahmetarifen kann in zweckmäßiger Weise ausgeglichen werden, während diese Applanierung bei der Her— stellung von Wasserstraßen kaum möglich ist.

Gegen einen Vorwurf muß ich aber die Staatseisenbahnverwal⸗ tung mit aller Bestimmtheit in Schutz nehmen: daß sie zwischen aus⸗ ländischen und inländischen Bezügen in ihrer Tarif⸗ gest altung zugunsten der ausländischen Bezüge differenziere. Das ist in dieser Allgemeinheit doch ganz zweifellos unzutreffend: die Staatseisenbahnverwaltung steht, wie ich das gestern schon ausführte, durchaus im Dienste und im Banne unserer gesamten Wirtschafts— politik, und da unsere Wirtschaftspolitik doch eine Schutzzollpolitik ist, ist auch der gesamte Eisenbahntarif auf den Schutz unserer inländischen Interessen zugeschnitten, (Sehr richtig rechts.), und wenn es zuweilen den Anschein hat, als wenn wir mit dem, was wir den inländischen Interessen an Ausnahmen, an Vergünstigungen zuweisen, auch die aus⸗ ländischen Interessen fördern, so beruht das doch auf dem Bestehen von Handelsverträgen, gegen die wir nicht angehen können.

In diesem Zusammenhange muß ich auch den Vorwurf zurück— weisen, daß wir unsere inländischen Steininteressenten gegen⸗ über dem Auslande benachteiligt hätten. Im Gegenteil, meine Herren, wir haben vor zwei Jahren für Pflastersteine einen Ausnahmetarif mit sehr starken Ermäßigungen im Interesse der Förderung unseres Pflastersteinversands eingeführt, und dieser Ausnahmetarif ist aus⸗ schließlich auf die eigene Produktion beschränkt. Wir haben auch in demselben Sinne wie Herr Abg. Wallenborn mir bestätigen wird im vorigen Jahre nach eingehenden Verhandlungen mit allen Stein⸗ interessenten, namentlich mit Interessenten der Bruchsteinherstellung, wiederum einen Ausnahmetarif eingeführt mit der ausgesprochenen Absicht, unsere inländische Produktion zu fördern.

Ich glaube daher, meine Herren, daß diese Vorwürfe nicht zu⸗ treffen, daß im Gegenteil die Staatseisenbahnverwaltung für sich in Anspruch nehmen kann, ganz in Uebereinstimmung mit unserer ge— samten Wirtschaftspolitik die inländischen Interessen zu fördern.

Abg. Münsterberg Cortschr. Volksp.): Dem Ausgleichs fonds stehe ich an sich sehr sympgthisch gegenüber. Nachdem aber der Steuerdruck so hoch geworden ist, muß ich doch sagen, daß es nicht angängig ist, so große Summen anzusammeln, wenn man guf der anderen Seite die Steuerzuschläge nicht beseitigt. Den Minister bitte ich guch Sonntagskarten auszugeben für Fahrten nach Srten von großer historischer Bedeutung. Bedauerlicherweise hat der Eisenbahn⸗ minister mit seinen Bemühungen um Aufhebung der Fahrkarten⸗ steuer keinen Erfolg gehaht. Wünschenswert ist die Wiedereinführung der Gesellschaftskarten für mindestens 30 Personen zum Preise der einfachen „Fahrt. Es müßte auch möglich sein, Sonntagskarten für größere Vereine schon Sonnabends zu bekommen. Mit , habe ich, gesehen, daß die Geltungszeit des Ausnahme⸗ tarifs für frische Fische zum HBezuge durch Gemeinde⸗ behörden bis auf weiteres verlängert ist Die Ver⸗ wendung der Holzschwellen ist im Laufe der letzten fünf Jahre erheblich gesunken. Diese Verminderung gibt dem Handel und der Forst⸗ industrie zu Besorgnissen, auch für die Interessen der Ostseeplätze, Anlaß, deren Import zurückgehen muß. Bei dem schnell vermehrten Bahnhau der letzten Jahre ist es ja zu verstehen, wenn der Minister mehr Eisen hierfür verwandt hat. In der Budgetkommission hat der Regierungskommissar erklärt, daß die Eisenschwelle heute kaum teurer sei als die hölzerne. Das ist aber nach den höchsten Holzpreisen be⸗ rechnet, die jetzt wesentlich niedriger sind. In der Kommission wurde betont, daß im Interesse der nationalen Arbeit die schwerwiegenden Interessen der inländischen Industrie hier gefördert werden müssen. Aber die Arbeiter des Holzhandels, der Holzindustrie und der Tränk⸗ anstalten mit ihren Tausenden von deutschen Arbeitern leisten doch auch nationale Arbeit. Der Staat wird den Interessen des Handels und der Eisenbahnverwaltung am besten dienen, wenn er seine Auf⸗ träge so rechtzeitig vor der Fällungsperiode im Oktober macht, daß die Waldeigentümer sich danach richten können, und rechtzeitig angiht, zu welchen Tränkanstalten die Schwellen geführt werden sollen. Während früher die Forderung einer allgemeinen Tarifermäßigung oft ausge⸗ sprochen wurde, ist man jetzt auf allen Seiten des Hauses zu einer ge⸗ mäßigten Auffassung gelangt. Die Intexessengegensätze der ver⸗ schiedenen Landesteile ermöglichen hier nur ein sehr. vorsichtiges Vor— gehen. Der gesamte Osten mit seinem schmalen Hinterlande ist viel leichter durch Ausnahmetarife gefährdet als der Westen. Durch die Ausnghmetarife für oberschlesische Kohle nach den Ostseeplätzen Danzig und Königsberg ist eine allmähliche Verdrängung der seewärts einge⸗ führten Kohle eingetreten. Auch der Streik in England hat. dabei natürlich vorübergehend Einfluß geüht, Bei weitgrer. Verschiebung wilrde die Seeschiffahrt empfindlich leiden. Der Notstandstarif für Futtermittel 1911 hat Danzigs Leistungsfähigkeit dagegen erhöht. Man sieht, daß Ausnahmetarife auf inen Ort verschiędenartige Wirkungen ausüben können. Der gleichzeitig erlassene Notstands

die Hälfte des Verkehrs geschädigt. Die Ostseestädte müssen Tarif⸗ ermäßigungen nach Rußland bekämpfen. So hat Danzig bereits Ende der 80er Jahre dadurch die ganze Baumwollspedition verloren. Kein Vewohner des Ostens wird verlangen, daß man aufhören solle, Cisenbahnen zu bauen. Berechtigt ist aber das Verlangen des Dan. dels, daß nicht das Ergebnis jahrzehntelanger Arheit mit einem Schlage durch Tarifverschiebung ertötet wird. Zurzeit schwebt um Lodz ein Kampf zwischen Stettin und Danzig. Die neue Eisenbahn nach Rußland über Skal⸗ mierzyce hat Stettin um eine neue direkte Verbindung mit Ruß⸗ land gebracht. Gegen den Widerspruch Danzigs sind bestimmte Aus⸗ nahmetarife auf diefe neue Strecke übertragen. Dadurch ist die Fracht pon Stetin nach Lodz billiger, als die von dem näheren Danzig nach Lodz. Das bedeutet für Danzig auch den Verlust des Verkehrs mit Warschau, dem einzigen Gebiet, in dem Danziger Einfluß bisher überwog. Diese neue Maßregel muß für den Verkehr von und nach Rußland einen geradezu vernichtenden Schlag bedeuten. Ich po⸗ lemisiere nicht gegen Stettin, sondern nur, um zu erklären, weshalb so viele Liberale sehr konservativ in Tarifangelegenheiten sind. Man darf nicht vergessen, daß der heutige Tarifzustand das Ergebnis sechzig⸗ sahriger Arbeit und Kämpfe ist. Erfreulicherweise fällt wenigstens heute die Klage über mangelnde Verbindung der Eisen zahnverwaltung mit den Interessenten in Handel und Industrie fort, und man darf hoffen, daß aus dieser engen Wechselwirkung auch weiterhin eine erfreuliche Entwicklung sich gestalten wird.

Hierauf wird die Debatte geschlossen.

Zur Geschäftsordnung bemerkt

Abg. Klausener (Zentr, daß er infolge der Schließung der Diskussion sich nicht habe zu den Verkehrsstörungen äußern können, und

Abg. Dr. Liep m ann (nl), daß er aus demselben Grunde ver—⸗ hindert ist, zur Frage der Vororttarife Stellung zu nehmen.

Die Einnahmen aus dem Personen⸗, Gepäck- und Güter— verkehr werden genehmigt, ebenso die Ausgabepositionen, be— treffend den Ausgleichfonds, und der dazu gehörige Etatver—⸗ merk. Die Verhandlungen des Landeseisenbahnrats im Jahre 1913 werden nach Kenntnisnahme für erledigt erklärt, ebenso der Betriebsbericht für 1912. Ueber eine Petition um Bestehen lassen der Fahrpreise für Arbeiterwochenkarten nach Ein⸗ führung der elektrischen Zugförderung beim Berliner Stadt-, Ring- und Vorortverkehr wird mit Rüͤcksicht auf die Erklärung der Regierung zur Tagesordnung übergegangen, ebenso über eine Petition um Abänderung der Vororttarife und über die jenigen um Ausdehnung der Bestimmungen der Verkehrs⸗ ordnung, über Fahrpreisermäßigungen für Fahrten zu wissen⸗ schaftlichen und belehrenden Zwecken und über eine Petition, betreffend Aenderung in der Schwellenbeschaffung, soweit be⸗ antragt ist, durch Festlegung eines möglichst bestimmten Ver⸗ hältnisses für die Verwendung von Holz- und Eisenschwellen Schwankungen vorzubeugen. Die Geltungsdauer des Ab⸗ kommens, betreffend den Ausgleichsfonds, wird nach dem An⸗ trage der Budgetkommission um zwei Jahre verlängert, nach⸗ dem der Antrag des Zentrums, die Verlängerung nur auf ein Jahr auszusprechen, abgelehnt worden ist.

Bei den dauernden Ausgaben für die vom Staate verwalteten Eisenbahnen, und zwar zu den persönlichen Ausgaben bemerkt

Abg. Dr. Schmitt⸗Düsseldorf (Zentr): In dem Gebiete um Crefeld, Neuß und Düsseldorf ist die prozentuale Zunahme der Be— völkerung eine sehr staͤrke gewesen. Im Ruhrgebiet hat die Eisen= bahnverwaltung die richtige Konsequenz aus der Bevölkerungszunahme gezogen und eine eigene Eisenbahndirektion dort eingerichtet. So sollte auch für diesen Bezirk ein besonderes Eisenbahnperwaltungsge⸗ biet geschaffen werden, damit die Eisenbahnverwaltung besser imstande ist, die Verkehrsbedürfnisse der Gegend zu beobachten und zu beurteilen. Man braucht eine eigene Direktion auch deshalb, weil dadurch das ganze wirtschaftliche Leben mehr befruchtet werden könnte. Eine eigene Direktion, etwa in Düsseldorf, würde den Vorortverkehr mit Schnell⸗ bahnen ganz anders in Angriff nehmen können. Düsseldorf ist ja der Sitz auch anderer höherer Verwaltungsbehörden. Ich bitte den Mi⸗ nister, den Wunsch der Stadt Düsseldorf zu berücksichtigen und einen besonderen Eisenbahndirektionsbezirk Düsseldorf einzurichten.

Abg. Wallb aum wirtsch. Vgg., Hosp. der Kons.) bespricht die neue Lohnordnung für die Eisenbahnarbeiter, die unleugbar einen Fort— schritt gebracht habe, aber noch nicht alle Wünsche erfülle. Solche lägen u. a. noch vor bei den Werkstätten⸗ und Güterbodenarbeitern. Im Bereiche der für die Sicherheit des Betriebes verantwortlichen Be⸗ amtenschaft sei die Meinung vorherrschend, daß das Zugrevisions⸗ personal vermehrt werden müsse. Die neuen Bestimmungen üher die Ruhezeit würden nicht überall im Sinne der neuesten Ministerialerlasse angewendet. In den Kreisen der Aushilfsbeamten herrsche zurzeit große Unruhe darüber, ob es denen, die aus dem Arbeiterverhältnis kommen, überhaupt werde möglich werden, in das Beamtenverhältnis zu gelangen; sie fürchteten, daß ihnen Militäranwärter vorgezogen werden. Es sei wünschenswert, daß der Minister diese Wünsche und Besorgnisse in Er⸗ wägung ziehe. Die Dienstzeit, die über die ersten zehn Jahre hinaus—⸗ reiche, sollte den Eisenbahnern, die Beamte geworden sind, auf das Dienstalter angerechnet werden, Auch die Bureau- und Schreibgehilfen seien dem Wohlwollen des Ministers zu empfehlen. Sie nähmen eine eigenartige Stellung ein, indem sie weder zu den Arbeitern noch u den Beamten zählten und damit eigentlich doppelt benachteiligt ee. Zu begrüßen sei, daß der Minister sozialdemokratische Ten— denzen, soweit es in seiner Macht stehe, fernzuhalten bemüht sei. Der Cisenbahnbetrieb erfordere Strenge gegenüber den sozialdemokratischen Umtrieben. Die Auffassung, daß in den Berufsvereinen die Neutralität auch Geltung haben müsse gegenüber der Sozialdemokratie, sei irrig; bier gebe es kein Paktieren. Der „Weckruf“, das soʒigldemokratische Organ für die Eisenbahner, erblicke die Neutralität offenbar in den maßlosesten Angriffen auf den Eisenbahnminister und die bürgerlichen Parteien. Die Sozialdemokraten sollten sich doch hüten, von Stimm- vieh zu reden. Die Sozialdemokraten suchten mit Hilfe der Hunger peitsche den kleinen Geschäftsleuten rote Zettel in die Hand zu drüdtn In den eigenen Betrieben der Sozialdemokraten seien die Yrbeits. verhältnisse nicht die besten. Sie hätten kein Recht, über die deute wie Krupp und Stinnes ein Verdammungsurteil zu fällen, denn sie zahlten in ihren Konsumvereinen usw. sehr geringe Löhne. Nicht bei den Sezialdemokraten, sondern bei den bürgerlichen Parteien seien die Interessen der Arbeiter am besten aufgehoben. ; J iers nicht eingehen; sie stehe mit dem Etat nur in losem Zusammenhang. Das gesamte Eisenbaghnpersonal habe die kolossale Höhe von 600 000 Köpfen erreicht. Die berechtigten Wünsche Beschwerden der Beamten und Arbeitet müßten auch m , , der Eisenbahnverwaltung selbst berücksichtigt werden. Kr behalte fil dor, eine kleine Blütenlese dieser Wünsche dem HMinister schristlich zu übermitteln. Der Etat sehe eine Vermehmrn . etatsmäaßigen Beamtenstellen um 25 3 ver, Begründet werte diese Vermeh ung mit der Steigerung des Verkehrs und der Berlängerung der Dienst und Ruhepausen der Beamtenschaft. Dies sei sehr zu begrüßen, und . u wünschen. daß in dieser Richtung fortgefahren. werde. Die Zahl der etatsmäßigen Stellen werde aber noch weiter vermehrt werden müssen, denn es gebe noch Bear stellung warten. Die etatsmäßig stens für die einzelnen Direktionsbez egelt

damit die Verschiedenheit in der ' Be mirtlern

Beamten, fährt der Redner fort, darf der Aufstieg nach oben nicht er Fw9 o rherr W 21 * n, 1 z schwert werd n. Di rafte bei der Eisenbahnderwaltung, die ja im Hilssbean J

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