1914 / 67 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 19 Mar 1914 18:00:01 GMT) scan diff

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Massen, die bei ihnen vor dem 1. April hinterlegt sind. An⸗ träge auf Auszahlung solcher Massen müssen also bis zum 30. September an die Regierungen (in Berlin an die Ministe⸗ rial⸗ Militär⸗ und Baukommission) gerichtet werden. Das gleiche gilt für alle weiteren Einzahlungen zu derartigen Massen. Wenn z. B. ein Mieter, der seine Miete hinterlegen muß, weil mehrere Gläubiger des Vermieters sie gepfändet haben, bereits am 1. Januar d. J. oder noch früher hinterlegt hat, so muß er sich auch noch am 1. April und 1. Juli d. J. an die Regierung (in Berlin an die Ministerial⸗, Militär- und Baukommission) wenden und dort seine Miete einzahlen. Erst am 1. Oktober d. J. geben die Regierungen alle alten Sachen an die Amtsgerichte ab. Von da an sind diese die alleinigen staatlichen Hinterlegungsstellen.

Im Interesse des Publikums ist indessen für diese vom L April bis zum 30. September d. J. dauernde Uebergangszeit bestimmt, daß die Amtsgerichte Anträge, die ihnen in alten, zunächst noch bei den Regierungen verbleibenden Angelegen— heiten zugehen, nicht ablehnen dürfen, daß sie sie vielmehr unter Benachrichtigung des Antragstellers an die zuständige Regierung weiterzugeben haben. Insbesondere sollen sie auch Einzahlungen in alten Sachen nicht zurückweisen. Sie nehmen sie an und überweisen sie den Regierungen, die über sie end— gültig befinden.

Besondere Vorschriften gelten für die Hinterlegungen in Lehns⸗, Familienfideikommiß- und Stiftungssachen, für die die Seehandlung Hinterlegungskasse werden soll. Sie übernimmt diese Sachen schon am 1. April d. J.

Unberührt bleibt auch weiterhin die Zulassung der See— handlung, der Zentralgenossenschaftskasse und einiger land— schaftlicher Kassen als Hinterlegungsstellen für Wertpapiere in vormundschaftlichen und ähnlichen Angelegenheiten.

Der Oberregierungsrat Schulin, bisher Dirigent der Kirchen- und Schulabteilung bei der Königlichen Regierung in Trier, ist dem Regierungspräsidenten in Trier mit der Befugnis zu dessen Stellvertretung in Fällen der Behinderung gemäß 8 20 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 zugeteilt worden.

Der Kammergerichtsrat Dr. Pape ist dem Königlichen Ob erverwaltungsgericht als Hilfsrichter überwiesen worden. Dem Regierungsassesso Dr. von Waldow in Liegnitz ist die kommissarische Verwaltung des Landratsamtes im Kreise Prenzlau, Regierungsbezirk Potsdam, und dem Re— gierungsassessor Freiherrn von dem Knesebeck-Milen— donck in Stolp die kommissarische Verwaltung des Landrats— amtes in Neuruppin, Regierungsbezirk Potsdam, für die Zeit vom 1. April 1914 ab übertragen worden.

„Der Regierungsrat Bau rmeister in Schleswig ist der Königlichen Regierung in Wiesbaden, der Regierungsrat von Wedel in Stettin der Königlichen Regierung in Breslau und der Regierungsassessor Dr. Rud orff aus Trier der König— lichen Regierung in Cöln zur weiteren dienstlichen Verwendung überwiesen, der Regierungsassessor von Dziembowski aus Rinteln dem Landrate des Landkreises Liegnitz, der Regierungs— assessor Graf von. Brühl in Liegnitz dem Landrate des Kreises Grottkau, der Regierungsassessor Schwebel aus Schleswig dem Landrate des Kreises Mettmann, der Regierungsassessor Dr. Vogeler aus Memel dem Landrate des Kreises Ottweiler, der Regierungsassessor Frankenbach aus Wolmirstedt dem Landrate des Kreises Lennep und der neuernannte Regierungs— assessor Mey dam aus Schleswig dem Landrate des Kreifes , . Hilfeleistung in den landrätlichen Geschäften zuge— teilt worden.

Laut Meldung des „W. T. B.“ sind am 17. März S. . M. S. „Geier“ in Tanga und S. M. Flußkbt. „Tsingtau“ in Samshui, am 18. März S. M. S. „Tiger“ in Schanghai eingetroffen.

Braunschweig.

Das Herzogliche Oberhofmarschallamt gibt Bulletin bekannt:

Nach gut verbrachter Nacht ist das Befinden Ihrer Königlichen Hoheit der Herzogin und des neugeborenen Erbprinzen heute durchaus zufriedenstellend.

Braunschweig, den 19. März, Vormittags.

Krukenberg.

Reußz ä. L.

Seine Hochfürstliche Durchlaucht der Heinrich vollendet morgen sein 36. Lebensjahr.

folgendes

E. Lurtz. Fürst

Samburg.

Die Bürgerschaft hat gestern, wie W. T. B.“ meldet, den Antrag des Senats auf Ausbau des Kolonial“ instituts durch sofortige Errichtung von drei Professuren für Sprache und Kultur Japans, fuͤr Kultur und Geschichte Indiens und für Geschichte und Kultur Rußlands sowie bie Errichtung einer kolonialgeschichtlichen Abteilung am historischen Seminar angenommen. hn den Unkosten des Prinz Heinrichfluges 1914 bewilligte die Bürgerschaft eine Beihilfe von 40 900 S6 und zur Beschaffung eines Ehrenpreises für diesen Flug 2500 „6.

El saß⸗Lothringen.

Die Erste Kammer des Landtags trat gestern in die Beratung des Etats ein, der mit rund S8ü/ . Millionen balanciert.

In der Debatte verwies der Abg. Dr. Höffel laut Bericht des W. T. B.“ auf die starke Bewegung, die in den letzten Monaten durch das Land gegangen sei, hervorgerufen durch eine schon längst bestehende Mißstimmung. Er zollte der früheren Re— gierung Anerkennung und wies die Behauptung zurück, daß die Verfassung an den letzten Ereignissen mitschuldig sei. Er er— mahnte weiter zur Mäßigung und praktischer Arbeit im weiteren Anschluß an die deutsche Kultur. Der Abg. Blumenthal fuhrte aus, zu einem Lobe der früheren Regierung, die Aus nahmegesetze beantragt habe, liege kein Anlaß vor. Man müsse bedauern, daß die Absicht, Elsaß Lothringen mit Ausnahmegesetzen zu beglücken, noch nicht aufgegeben worden sei, und mit dem Ausbau der Verfaffung habe es keine Not. Die Statthalterschaft, bei der es sich jetzt um ein Interregnum handle, sei eigentlich überflüssig. Wenn man dem Lande nicht eine Regierung geben wolle, dle wirklich dem Volke unterstellt sei und aus dem Volke hervor- gebe, so sage er, der jetzige Zustand sei besser als jeder andere. Der Abg. Ruland ging in längeren Ausführungen auf die polltifche Entwicklung Elsaß⸗Lothringens ein, wobei er bemerkte, man könne nicht erwarten, daß mit dem wirtschaftlichen Anschluß Elsaß—

Lothringens an Deutschland sich sofort auch der innere nationale , vollziehe. Man dürfe keineswegs die sehr schwierige Lage verkennen, in der sich die elsaß⸗lothringische Regierung befinde. Der Redner sprach sodann von den Nationalisten als einer kleinen, aber einflußreichen Partei, der man dadurch begegnen müsse, daß man sie ignoriere. Die Liga zur Verteidigung Elsaß, Lothringens könne ihr Zlel nur dann erreichen, wenn sie die Wurzel des Uebels im eigenen Lande suche und bekämpfe. Der Redner hofft, daß sich die Liga auch gegen die Angriffe des alten Deutschland wenden und in Frankreich die Wahrheit verbreiten werde. Er forderte zum Schlusse einen völligen Systemwechsel in der Regierung.

In der Nachmittagesitzung nahm der Bischof Benzler den katholischen Klerus gegen den Vorwurf der Deutschfeindlichkeit in Schutz. Der Bürgermeister Dr. Schwander erklärte, die Kammer habe von ihrem Urteil über Zabern nichts zurückzunehmen. Die Kammer verlange auch von der neuen Regierung, daß diese sie vor Willkür schütze. Sie protestiere gegen die Aufnahme, die die Resolution des Hauses in Altdeutschland gefunden habe, zumal die Reglerungen anderer Bundesstaaten ja im Sinne der Kammer Erklärungen ab— gegeben hätten. Die Kammer müsse Front dagegen machen, daß alles, was hier geschehe, in Altdeutschland als Hochverrat, Phrafendrescherei und als Ausfluß antingtionaler Gesinnnung gebrandmarkt werde. Noch nie sei, die Autorität einer Regierung so geschwächt worden, wie hier im Falle Zabern. Die Kammer rechne es daher der früheren Regierung und dem Statthalter hoch an, daß sie es abgelehnt hätten, die Regierung weiter zu führen. Der Abg. Ruland bemerkte, er habe der katholischen Geistlichkeit nicht den Vorwurf der Deutschfeindlichkeit gemacht, sondern nur ge— sagt, daß leider ein Teil der katholischen Geistlichkeit die nationa— listischen Bestrebungen unterstütze.

Der Etat wurde schließlich an die Finanzkommission ver⸗ wiesen.

Großzbritannien und Irland.

Das Unterhaus setzte gestern die Debatte über den Marineetat fort.

Nach dem Bericht des W. T. B.‘ bemängelte Lord Beres— ford (Unionist) scharf daz Programm Churchills und erklärte, daß Churchill den wichtigen Punkt nicht berührt habe, wie die Flotte stark genug gemacht werden solle, um der größer gewordenen Ver— antwortung des Reiches in der kritischesten Periode zu begegnen. Seine Erklärung sei elne verwirrende Reihe von Einzelheiten ähnlich einer Armee von Statisten, die immer rund um die Bühne marschierten, bis das Haus schwindlig und verwirrt geworden sei. Beresford verlangte dringend die Ernennung eines Reichs aus⸗ schusses von Vertretern aller Parteien und Dominions, um einen methodischen Plan einer Reichsverteidigung auszuarbeiten. Der Abg. Snowden (Arbeiterpartei) griff die Flottenpolitik der Regierung scharf an und erklärte, die Haltung Churchills sei eine Gefahr für die Sicherheit des Landes und eine Drohung für den Weltfrieden. Snowden fragte, weshalb es notwendig sel, die Mittel meerflotte zu verstärken, denn wenn England mehr Schiffe dorthin verlege, würden Italien und Oesterreich⸗Ungarn ihre Flotten vergrößern, und wenn dies so fortginge, so würde England in wenigen Jahren einen Marine— etat von hundert Millionen haben. Im weiteren Verlauf feiner anderthalbstündigen Rede machte Snowden einen heftigen Angriff auf den Rüstungsring. Er erklärte, das Land müsse herauskommen aus den Klauen der Schwindler, Diebe, Politiker, Generale und Rüstungs— schürer und einen tatsächlichen Beweis geben von seinem Wunsche, die Flottenausgaben herabzusetzen. Der Abg. Aub rey Herbert (Unionist) brachte eine Resolution ein, in der erklärt wird, die Lage im Mittelmeer erfordere vermehrte Wachsamkeit seitens der Reglerung und mache die Bereitstellung einer angemessenen Flottenmacht zum Schutze des Weges nach Indien notwendig. Im welteren Verlauf der Bebatte sagte der Abg. Mark Sykes, der Tripleentente drohe Gefahr seitens französischer Finanzleute im nahen Osten. Das Ergebnis ihrer Politik werde der Zusammenbruch des ottomanischen Reiches sein, was für England ein fürchterliches Unglück bedeuten würde. Bie Konzessionen, die von der Türkei als Entgelt für die Hingabe von Anleihen herausgepreßt würden, zielten im letzten Grunde auf ein französisches Handelsmonopol in Syrien.

Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts Grey erklärte, die Debatte habe sich über ein sehr weites Feld erstreckt, und er denke nicht, das gesamte Gebiet des guten Einvernehmens zu behandeln, das zwischen England, Frankreich und Rußland bestanden und zweifel⸗ los während der beiden letzten unruhevollen Jahre zum Frieden Europas beigetragen habe. Es sei manches Schmeichelhafte über ihn gesagt worden, fuhr der Staatssekretär fort, doch sei ihm damit zu viel zugeschrieben worden. Das Wesentliche für den Frieden Europas fei das Bestehen der Mächtegruppen gewesen, und die Rollen, die die Mächte innerhalb dieser Gruppen gespielt hätten und die sie nicht so wirkungs— voll hätten spielen können, wenn sie diesen Gruppen nicht angehört hätten. Großbritannien habe an diesen Verständigungen festgehalten und gemeint, daß sie zum wechselseitigen Vorteil dienten, sowohl für Großbritannien selbst, wie für die anderen Mächte. Einer der Redner habe von Sonnenschein und Schatten in der Lage gesprochen. Er meine, Schatten sei zu der Zeit vorhanden gewesen, als die Triple—⸗ entente noch nicht bestanden habe, nämlich von 1886 bis 19605, damals, als beständig zwischen England und einem oder dem anderen der Länder Kriegsbesorgnisvorhanden gewesen sei, mit denen England jetzt in so guten Beziehungen stehe. Ein anderer Redner habe richtig gesagt, daß England in seinen guten Beziehungen zu Frankreich und Rußland mit besonderer Genugtuung auf die Tatsache blicke, daß das Kriegsbeil begraben sei. Er, Grey, erinnere sich gern daran, daß das Kriegebeil nicht nur begraben, sondern jetzt vollständig außer Sicht gebracht sei. Wir waren bestrebt', erklärte Grey, „dieses gute Fin— vernehmen aufrechtzuerhalten. Wir glaubten, daß es dem Frieden diene, weil es selbst Frieden gestiftet hat. Aber die Tat— sache, daß wir unter uns selbst Frieden hielten in Dingen, die uns gegenseitig betrafen, bedeutete nicht, daß jede der Entente“ mächte verantwortlich zu machen war für das, was eine andere in Dingen unternahm, die ihre eigenen Interessen betrafen. Es bestand Neigung anzunehmen, daß wir, weil wir befonders gute Beziehungen zu einer anderen Macht in Angelegenheiten unterhlelten, an denen wir ein gemeinsames Interesse hatten, deshalb auch ein besonderes Recht hatten, alles zu kritisieren, was diese Macht in irgend einem Teile der Welt in Angelegenheiten tat, an denen wir nicht beteiligt waren. Wenn das so wäre, dann würde eine Entente für die ihr angehörenden Mächte eine unerträgliche Last sein. Wir würden niemals daran denken, eine Entente bis zu einem solchen Punkte aus— zudehnen. Grey ging dann auf die Mitte lmeerfrage ein und sagte, Churchills Programm könne nicht als ein Aufgeben des Mittel— meers bezeichnet werden, aber England könne nicht überall eine außerordentlich hohe Flottenmacht besitzen. England könne im Mittel- meer keine allen anderen Mächten überlegene Flotte aufrechterhalten. Der englische Standard müsse dort offenbar so hoch fein, daß er jeder wahrschein lichen Kombination gleichkomme. Ueber die Beziehungen der Flottenstärke zur auswärtigen Politik sagte der Staats sekretär, wenn das Haus auf einen Standard der völligen Ueberlegenheit über alle anderen Mächte zusammen hinaus— wolle, dann ware die auswärtige Politik verhältnismäßig einfach. Wenn es aber nicht darauf hinauswolle, dann müsse die Regierung die Politik so einrichten, daß England in keinem Augenblick eine Kombination gegn sich habe, der seine Flotte nicht ge—⸗ wachsen sei. r meine, daß Großbritannien sich weder in diplomatische Verwicklungen einlassen, noch seine Stellung durchaus von starken und festen Bündnissen abhängig machen solle die ihm starke und feste Verpflichtungen auferlegten und ihm seine Stärke in solchem Maße nähmen, daß es in Dingen, die Lebensfragen wären, von der Unterstützung anderer Mächte abhänge—

Das Haus müsse von der Regierung erwarten, daß sie die Be⸗ siehungen zu den anderen europäischen Mächten bewahre und

England nicht in die Lage kommen lasse, einer Mächte⸗ kombination gegenüberzutreten, die über eine stärkere Flotten= macht verfüge. Die Politik Englands der ürkei gegenüber bestebe jetzt, wo der Friede hergestellt sei, darin, den diplomatischen Einfluß zu brauchen und die Unverletzlichkeit der türkischen Besitzungen zu wahren. Die Regierung habe nicht in die Finanziers dringen können, der Türkei Geld zu leihen, und wenn die Türkei ein Anlehen aufzunehmen wünschte, so müßten die britischen Bankiers darüber selbst entscheiden. Die Regierung habe von der Türkei noch während der letzten Wochen die ausdrücklichsten Ver= sicherungen erhalten, daß die Türkei ihr Haus selbst in Ordnung zu halten wünsche und keine aggressiven Absichten habe, weder den Frieden verletzen, noch einen Rachekrieg in Europa beginnen wolle. Er glaube, diese Veisicherungen stellten die aufrichtige Ab⸗ sicht der gegenwärtigen türkischen . dar, und die britische Regierung habe gegen diejenigen, die der Türkei Geld vorstreckten, keinerlei politische Einwendungen erheben können. Diese Finanziers hätten das im gegenwärtigen Augenblick aus handelspolitischen Gründen getan. Auf die Einzelheiten der arme nischen Frage könne er nicht eingehen, aber der armenische Reform= plan sei soweit gefördert worden, daß er glaube, dieser habe in seinen wesentlichen Punkten die Zuftimmung der Mächte und der türkischen Regierung gefunden. Er hoffe, daß er bald genehmigt werde. Die tärkische Regierung habe erfahren, wie viel sie durch ihre schlechte Regierung in Mazedonien und in den verlorenen Gebieten in Europa eingebüßt hätte, und wie wesentlich es wäre, die Lehren, die sie in ihren europäischen Provinzen bekommen habe, auf ihre astatischen Provinzen anzuwenden. Das Abkommen über die Aegäischen Inseln sei von Griechenland bereitwillig angenommen worden. Sollte es in Zukunft einmal in einem der

Türkei feindlichen Sinne angewandt werden, dann würden Englands Sympathien immer auf Seiten derjenigen Maßnahmen stehen, die zur Sicherung der Türkei gegen solche Umstände getroffen würden, deren .

hätten.

Nachdem Sir Edward Grey diese Erklärungen abgegeben hatte, wurde die oben mitgeteilte Resolution zurückgezogen.

en aus dem Abkommen die Mächte nicht beabsichtigt

Frankreich.

Die Regierung hat in der Kammer einen Kredit in Höhe von 421 000 Franks zur Deckung der Kosten des bevor⸗ stehenden Besuchs des Königs von England und des Königs von Dänemark nachgesucht.

Der Senat beriet gestern den Entwurf zum Ein⸗ kommensteuergesetz. Wie „W. T. B.“ meldet, wurden der Artikel 40 in der Kommissionsfassung, der Artikel 45 nach Aufhebung einer Bestimmung, wonach auf die ausländischen Werte, die nur in französischen Banken aufbewahrt werden, Stempelgebühren erhoben werden müssen, und darauf die letzten Artikel des Titels 2 angenommen.

Die radikale und sozialistisch⸗radikale Gruppe der Kammer hat einstimmig einen Beschlußantrag gefaßt, in dem sie dem früheren Finanzminister Caillaux, dem Verteidiger einer gerechten Form der Besteuerung, angesichts der gegen ihn gerichteten abscheulichen Verleumdungskampagne ihre tiefe Sympathie und herzliches Vertrauen ausspricht.

Ohne die Abstimmung des Senats über die Verleihung richterlicher Befugnisse an die Rochette⸗Untersuchungskommission abzuwarten, hat Jaurès diese als deren Vorsitzender für heute nachmittag zusammenberufen.

Rußland.

Der Direktor und Professor der Kriegsakademie, General⸗ leutönant Januschkevitsch ist nach einer Meldung des „W. T. B.“ zum Chef des Generalstabes ernannt worden.

Das Ministerium für Handel und Industrie hat zur Kenntnis des Ministerrats einen Gesetzentwurf gebracht, der die Einfuhr von Gußeisen nach Rußland bis zum 13. Januar 1916 insgesamt auf nicht mehr als 15 Millionen Pud beziffert. .

Die Duma hat gestern mit 136 Stimmen der Oktobristen, Nationalisten und der rechtsstehenden Parteigruppen gegen 90 Stimmen der Opposition die Interpellation über das Verbot der Schewtschenkofeier abgelehnt.

Türkei.

Die Pforte hat dem neuen serbischen Gesandten in

Konstantinopel Nenadowitsch, wie „W. T. B.“ meldet, die Zustimmung erteilt.

Die Pforte hat ferner den Vertrag mit der englischen Marinemission, der die Reorganisation der ottomanischen Flotte obliegt, für ein Jahr, und zwar bis zum April 1915, verlängert.

Rumänien.

Die Abgeordneten kammer hat gestern, wie, W. T. B.“ meldet, in erster Lesung in namentlicher Abstimmung mit 100 Stimmen gegen 1 bei 8 Stimmenthaltungen beschlossen, den Entwurf über die Revision der Verfassung in Er⸗ wägung zu ziehen. Das Ergebnis der Abstimmung wurde mit anhaltendem Beifall aufgenommen.

Der Se nat hat die Antwort auf die Thronrede mit 72 gegen 5 Stimmen angenommen.

Serbien. Die Skupschtina hat nach einer Meldung des, W. T. B.“ in der gestrigen Sitzung mit 76 gegen 40 Stimmen das Budgetgesetz für 1914 in erster Lesung angenommen.

Schweden.

Der König ist gestern von seiner Reise nach Norrland zurückgekehrt. Wie „W. T. B.“ meldet, wird über das Be⸗ finden des Königs mitgeteilt, daß er in der letzten Zeit an dem gleichen Magenleiden (Cardialgie) gelitten hat wie bisher. Der König wird daher auf Schloß Droltningholm die größt⸗ möglichste Ruhe beobachten, wird aber, wie gewöhnlich, die Regierungsgeschäfte wahrnehmen.

Amerika.

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ wird die britische Regierung gemäß Vereinbarungen zwischen dem Staatssekretär Bryan und dem britischen Botschafter in Washington erforder⸗ lichenfalls bei den Führern der Aufständischen in Chihuahua durch den dortigen britischen Vizekonsul Kapitän Scobell Vor⸗ stellungen erheben oder, wenn sich in Ciudad Juarez ein Zwischenfall ereignen sollte, durch den britischen Konsul in El Paso. Dort, wo Großbritannien nicht vertreten ist, sind die amerikanischen Konsuln angewiesen worden, zu inter⸗ venieren.

Der argentinische Finanzminister hat, obiger Quelle zu⸗ folge, mit einem englischen Hause einen Vertrag über eine Anleihe von zehn Millionen Pfund Sterling unter—

zeichnet. Jünf Millionen werden der argentinischen Regierung am 6. April ausgehändigt werden, den Rest wird sie im August und September erhalten. Asien. estern ist in Peking die Versammlung, die zur Ab⸗ . der pro visorischen Verfassung gebildet worden ist, vom Minister des Aeußern Sun Paochi eröffnet worden. Von den 60 gewählten Mitgliedern waren 44 anwesend. Wie W. T. B.“ meldet, verlas Sun Paochi eine Er⸗ sffnungsbotschaft des Präsidenten Muanschikai, die einen lleberblick über die. Geschichte der proyisgrischen Ver⸗ fassung gibt und über deren ungünstige Folgen auf die nneren Vorhältnisse Chinas und seine auswärtigen Beziehungen infolge der Beschränkungen, die sie der Regierung auferlegte, und ihrer Unanpaßbarkeit an die in China bestehenden Ver⸗ hältnisse. Der Präsident drückte die Ueberzeugung aus, daß die Kenntnisse und Fähigkeiten der Mitglieder der Versammlung bei der Fassung der Abänderung, die dem Volke Chinas Frieden und. Wohlfahrk geben solle, Erfolg haben würden.

Afrika. Bei den Wahlen zum Provinzialparlam ent von Transvaal sind einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge

bis jetzt 23 Arbeitervertreter gewählt worden. Die Arbeiter—

partei hat daher in dem Parlament, das 36 Mitglieder zählt, die Mehrheit.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Bericht über die gestrige Sitzung des Hauses der Abgeordneten befindet sich in der Ersten und Zweiten Beilage.

In der heutigen (-63. Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach beiwohnte, wurde zunächst bei der Wahl eines Mitgliedes der Staatsschuldenkommission auf Vorschlag des Abg. Freiherrn von Zedlitz und Neukirch freikons. der Abg. Aronsohn ffortschr. Volksp.) durch Zuruf wiedergewählt und dann die zweite Beratung des Etats der Eisenbahnverwaltung bei den einmaligen und außer— ordentlichen Ausgaben fortgesetzt.

Berichterstatter Abg. Dr. Ing. Macco (nl) referiert kurz über

die Kommissionsverhandlungen.

Im Bezirk der Eisenbahndirektion Altona werden 400000

. als fernere Rate der Gesamtforderung von 15 Millionen Mark

für die Umgestaltung der Bahnanlagen in Flensburg ge— fordert. Abg. Wittrock (fortschr. Volksp.): Die Summe von 100 000 M läßt nicht darauf schließen, daß der Umbau des Bahn—⸗ hofs besonders gefördert werden soll. Ein schnelleres Tempo des Baues ist dringend erforderlich. Es ist direkt im Interesse des Verkehrs eine Notwendigkeit. Die bestehenden Bahnbofsanlagen sind sowohl für den Personen⸗ wie für den Güterverkehr völlig unzu— reichend. Das hat ja schon vor Jahren der Minister anerkannt. Es

ist notwendig, daß wir eine genaue Auskunft darüber bekommen, in

wie viel Jahren die Sache fertig sein wird. Auf jeden Fall ist es er

wünscht, daß der neue Bahnhof so schnell wie möglich hergestellt wird.

Munisterialdirektor Dorner: Die Mißstände sind ja auch uns bekannt, und die Regierung wird alles tun, um sie möglichst schnell

. zu beseitigen. Eine genaue Zeit läßt sich natürlich nicht angeben.

In einem Teil sind die Arbeiten ja schon in Angriff genommen worden, und man hofft, sie auf dem anderen im Laufe dieses Sommers beginnen zu können.

Im Bezirk der Eisenbahndirektion Berlin werden für Erweiterung des Rangierbahnhofs Tempelhof als fernere

Rate 400 000 At verlangt.

Abg. Dr. Liepmann-⸗Teltow (nl): Die Absicht der Regierung, in Tempelhof einen Verschiebebahnhof anzulegen, hat unter der Bevölkerung der südlichen Vororte große Aufregung hervorgerufen,

ganz besonders in Tempelhof, Mariendorf und Südende. Aber auch

die Grundbesitzervereine haben gegen diesen Plan einstimmig Protest erhoben. Neben einer Eingabe an den Minister soll auch eine solche direkt an den Kaiser abgegangen sein, um die große Schädigung der

dortigen Bevölkerung noch im letzten Augenblick zu verhindern. Das

Wohnungsgesetz legt ja großen Wert darauf, daß die Wohnungen möglichst ruhig sind. Durch diesen Verschiebebahnhof wird aber durch Rauch und vor allem durch Lärm die ganze Gegend belästigt, sodaß neben der hygienischen Schädigung auch eine solche am Werte des Grund und Bodens. zu erwarten ist. Der Grundbesitzerstand kann eine weitere Belastung nicht mehr

vertragen; deswegen wird es sich doch fragen, ob man diesen

Rangierbahnhof in großem Stile nicht an die Peripberie von Groß Berlin legen kann, wo vorläufig an eine dichte Bebauung noch nicht zu denken ist. Ein solcher Platz würde gegeben sein zwischen Mariendorf und Teltow. Dadurch würde gleichzeitig ein früheres großes Unrecht gutgemacht, daß man nämlich den Bahnhof 22 km von Teltow entfernt gelegt und Teltow nicht an den Vorortverkehr angeschlossen hat, der auf der anderen Seite von Berlin bis auf 47 km weit ausgedehnt worden ist. Ich Lebe die Hoffnung aber nicht auf, daß bei wohlwollender Prüfung das Ministerlum meiner Bitte folgen wird und dadurch die Villenterrains nicht zur Entwertung bringt, indem es den Grundbesitzern noch weitere Lasten auferlegt.

Präsident Dr. Graf von Schwerin: Ich möchte bemerken, daß sich zum Extraordinarium noch 26 Redner gemeldet haben. Ich möchte deshalb die nachfolgenden Redner dringend bitten, sich bet ihren Ausführungen auf die örtlichen Verhältnisse zu beschränken und alle grundsätzlichen Fragen nicht zu erörtern.

Abg. Traub (fortschrVolksp ): Ich möchte die Bitte des Abg. Dr. Liepmann unterstützen. Der Plan, der in . ausgelegen hat, ist von dem jetzigen verschieden. BVurch die Hinausschiebung des Bahnhofes von Tempelhof nach Südende kann den betriebstechnischen Schwierigkeiten auf die Dauer nicht abgeholfen werden. Ich habe mich von den Zuständen an Ort und Stelle persönlich überzeugt. Durch die geplante Unterführung wird der Verkehr sehr wesent, lich unterbunden. Gegen das, Projekt hat Lankwitz Einspruch erhoben, der sich hauptsächlich gegen die Gütergleise richtet.

möchte bitten, 8 die Pläne einer neuen Prüfung unter⸗ zogen werden. Der Minister des Innern hat zugesichert, daß durch die Allerhöchste e ng der Baupläne der Charakter dieser Orte gewahrt bleiben soll. as ist aber nicht möglich, wenn eine derartige Ausdehnung des Bahnhofet erfolgt. Ich möchte den Minister bitten, daß er den berechtigten Interessen von Lankwitz, Südende und Mariendorf entspricht.

Ministerialdirektor Dorner: Von einer Neuanlegung des Bahn⸗ bofz ist nicht die Rede, sondern von einer AugJgestaltung. Formell ist dieser Verschiebebahnhof bereils genehmigt. Durch die Ausführung des Projefts entsteht weniger Lärm und auch eine en Rauch⸗ bela tigung als bisher. Der in Lankwitz ausgelegte P an ist allerdings derschleden von dem jetzigen; der neue Plan unterliegt überhaupt erst noch der landes polizeilichen Genehmigung.

. der Forderung für die Herstellung eines Abstellbahn⸗ hofs für den Potsdamer Fernverkehr bei dem Betriebsbahnhof

Schöneberg liegt eine Petition vor, die die Ablehnung dieser Forderung wünscht. Das Haus geht über die Petition zur Tagesordnung über.

(Schluß des Blattes.)

Nr. 15 des Zentralblatts für das Deutsche Reich“, herausgegeben im Reichsamt des Innern, vom 13. März 1914 hat folgenden Inhalt: 1) Konsulatwesen: Ernennungen; Ermächtigung zur Vornahme von Zivilstandshandlungen, 2) Bankwesen: Status der deutschen Notenbanken Ende Februar 1914, 3) Post⸗ und Tele⸗ graphenwesen: Neue Fassung der „Anweisung über das Verfahren, betreffend die vostamtliche Bestellung von Briefen mit Zustellungs⸗ urkunde“, 4) Versicherungswesen: Befreiung von der Versicherungs— pflicht nach 5 1242 Nr. 1, 2 der Reichsversicherungsordnung, 5) Justizwesen; Uebersicht über die Reichsbehörden, denen als höhere Verwaltungsbehörden Auskunft über die im Strafregister gelöschten Vermerke erteilt werden darf, 6 Militärwesen: Erhöhung der schweren Kriegsration an Heu, 7) Statistik: Aenderungen der Anlage D der Bestimmungen über die Statistik der Seeschiffahrt vom 27. Juni 1907, 8) Zoll⸗ und Steuerwesen: Ausschluß des neuen Petroleumhafens mit den angrenzenden Landflächen vom Zollgebiete von dem zur Errichtung eines Zollausschlußgebiets bestimmten hamburgischen Gelände. Zu— lassung eines zollfreien Veredelungsverkehrs mit inländischen Grund- stoffen sowie Satin oder Plüschstoffen bei Herstellung von Hand⸗ stickereien im Ausland; Ausübung des Handstickereiveredelungsverkehrs durch Faktore; Aufhebung der Bundesratsbeschlüsse vom 3. November 1910, betreffend die Herstellung von Putzwaren auf, Teneriffa usw. Zulassung eines zollfreien Lohnveredelungsverkehrs mit ausländischen Kontaktstiften aus Kupferdraht oder Bronze und Winkelstücken aus vernickeltem schmiedbaren Eisen. Neue Fassung der Nr. 32 der An weisung zur Ausführung des Vereinszollgesetzes in Ziffer 1 Abs. 2c. Veränderungen in dem Stande und den Befugnissen der Zoll- und Steuerstellen. 9) Polizeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus

dem Reichsgebiete.

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Im Düsseldorfer Gärtnergewerbe ist, wie die Rh. Westf. Ztg. erfährt, nach längeren Verhandlungen zwischen den Unter— nehmern und den beteiligten AÄrbeiterorganisationen für die nächsten 3 Jahre k abgeschlossen worden, der ver⸗ schiedene Lohnerhöhungen vorsieht.

c Auf der Grube Hostenhach bei Völklingen sind W. T. B.“ zufolge gestern vormittag 757 Mann der Mittagsschicht entlassen worden, weil sie sich geweigert hatten, eine Fünfviertelschicht zu ver— fahren. Nachmittags hat auch die Mehrheit der Frühschicht die Ab— kehr erhalten. (Vgl. Nr. 65 d. Bl) . .

In Solingen beschlossen, wie die „Köln. Ztg.“ meldet, die Waffen fabrikanten am 17. d. M. in einer Versammlung, die Aussperrung der Arbeiter aufrechtzuerhalten. Sie waren ein⸗ stimmig der Ansicht, daß an eine Aufhebung der Sperre nicht gedacht werden könne, solange die Arbeiter den Fabrikanten verwehren wollten, im Notfall Arbeiten auswärts ausführen zu lassen. (Vgl. Nr. 60 d. Bl)

In Velbert haben, wie die ‚Rh.⸗Westf. Ztg. mitteilt, die Schneidergehilfen, Schneiderinnen und Wäsche arbeiter ihre Kündigung eingereicht, da die geforderte Lohnerhöhung von den Aibeitgebern nicht angenommen wurde. Letztere waren zu einem Ent⸗ gegenkommen bereit, was aber den Arbeitern und Arbeiterinnen nicht genügte. . e

Aus Regensburg wird dem „Berl. Tagebl. telegraphiert, daß der Verband der Granttindustriellen allen Arbeitern, die den bestehenden Tarif nicht, unterschriftlich auf weitere zwei Jahre unterzeichnet haben, bis zum 31. März gekündigt hat. Der bestehende Tarif war vorher von seiten des freien und christlichen Verbandes der Steinarbeiter gekündigt worden. Die beantragte allgemeine Lohnerhöhung hatten die Arbeitgeber abgelehnt. Sie hatten sich bereit erklärt, einzelne Alkordlöhne zu erhöhen, da— gegen wollten sie die höchsten anderen Löhne herabsetzen. Die in Regensburg geführten Verhandlungen haben nun das obige Ergebnis gezeitigt.

(Weitere „Statistische Nachrichten“ s. i. d. Zweiten Beilage.)

Kunft und Wissenschaft.

Die deutsche Erforschung der schinesischen Baukunst.

Die Träger der Beziehungen zwischen Ching und dem Westen haben im Lauf der Weltgeschichte gewechselt. Die Chinesen haben sich an ihrer Pflege tätig immer nur dann beteiligt, wenn ihnen die Sorge nicht von anderen Völkern abgenommen wurde. So haben sie nur vorübergehend den Handel durch Innerasien und zu Schiff bis nach dem Persischen Meerbusen hin selbst wahrgenommen. Im übrigen waren es zuerst die Araber, die bis zu ihren Küsten vor— drangen und einen stetigen Handelsverkehr mit den chinesischen Häfen zu errichten suchten, dann folgten die Venezianer und später, nach der Entdeckung des Seewegs um Afrika herum, Holländer, Engländer und Franzosen, zuletzt die Deutschen. Das gilt auch für die Erforschung Chinas und seiner Bewohner. In dieser Hinsicht haben sich in früheren Jahrhunderten besonders die Engländer und Franzosen in die Aufgaben geteilt, indem jene durch Gesandtschafttreisen und Forschungterpeditionen mehr die Erkundung des Landes, diese insbesondere durch die hervorragende Tätigkeit der jesuitischen Missionare mehr die vielleicht noch schwierigere Er⸗ gründung des Chinesentums im Volk pflegten, Erst in der zweiten Hälfte deg 19. Jahrhunderts treten auch deutsche Forscher in China auf den Plan und haben sich auf gewissen Gebieten ein überragendes Verdtenst erworben. Vor allen glänzt über der deutschen China—⸗ forschung der Name Ferdinand, von Richthofen, der in mehr als vierjährigen Reisen die Kenntnis von China in fast allen seinen Teilen derart förderte und auf wissenschaftliche Grundlagen stellte wie nie⸗ mand vor ihm. Es läßt sich auch nicht sagen, daß er in der geo— logischen und geographischen Erkundung Chinas einen würdigen Nach— folger gehabt hätte, obgleich in Einzelsorschungen, insbesondere in der Provinz Schantung, von deutscher Seite und durch kartographische Aufnahmen in weiterer Ausdehnung von englischer Seite Anerkennentz— wertes geleistet worden ist. Es ist um so erfreulicher, daß auf einem anderen wichtigen Gebiet der Chinaforschung deutsche Hingabe und Tatkraft wiederum bahnbrechend vorgegangen sind, näm⸗ lich in der Erforschung der chinesischen Baukunst. Eine ewaltige, ja, überwältigend erscheinende Aufgabe ist es, die U. der. Bearbeitung harrt, und deshalb ist. es gleichermaßen zweckmäßig, interessant und auch ein Akt der Gerechtigkeit, darzulegen, wie dies große Werk von deutscher Seite in Angriff genommen worden ist. Der Einwand, daß ein Studium der chinesischen Baukunst eine Ehe e ee, nebensächliche Angelegenheit sei, läßt sich jetzt durch Tatsachen beseitigen. Die Geschichte des Monumentalwerks Über die Baukunst und religiöse Kultur der Chinesen von Ernst Boerschmann, dessen zweiter Band in diesen Tagen erschienen ist, eht auf die Wirren von 1900 und das durch sie bedingte europäische ingreifen zurück. Boerschmann kam zuerst als Baubegmter zu den deutschen Besatzungttruppen im Jahre 1902 und faßte schon während seineß zweijährigen Aufenthalts den Plan zu einer systematischen Erforschung der Baudenkmäler Chinagß. Der eift gste Förderer des Gedankens wurde Pater Dahlmann in China selbst und dann in Deutschland Dr. Carl Bachem. Der verstorbene Staatssekretäür im Auswärtigen Amt, Frelherr von Richt— hofen, das preußische Kuros a snssterlun und auch andere Reichs. behörden begünstigten die Bestrebungen, sodaß schon 1905 die ersten

Mittel für die von Boerschmann geplante Forschungsreise vom

Reichstag bewilligt wurden. Diese stellt sich als eine der umfang

reichsten Unternehmungen dar, die nicht nur von Deutschland aus,

sondern überhaupt innerhalb Chinas ausgeführt worden sind, denn sie

umfaßte volle drei Jahre fast ununterbrochener Arheit im Norden,

Osten, Süden, Westen und Innern des Reichs. Selbst solche Gebiete,

die für die Bereisung als gefahrvoll galten, hat Boerschmann anstandlos

durchquert, und das ist um so höher anzuerkennen, als sich das

Ziel des Reisenden vorzugsweise auf Plätze richten mußte, die den Bewohnern als heilig halten. Es ist erstaunlich, daß Boersch⸗

mann alle Hindernisse zu beseitigen und dahin zu gelangen wußte, auch chinesische Tempel bis aufs Zentimeter auszumessen, in ihrem

Innern genau kennen zu lernen, Tausende von Photographien aufzu- nehmen, alle Inschriften aufzuschreiben und nachzubilden und so im

ganzen eine Kenntnis der Kulturstätten zu geben, wie sie vollständiger kaum gewünscht werden kann. Und das in einer Zeit, in der bereits revolutlonäre Gärungen durch das Land gingen und bald darauf im Sturz des Kaisertums ihren Gipfel erreichten. Nachdem Beersch⸗ mann zurückgekehrt war, fehlte es auch nicht an der tätigen Anerkennung, die für die Verwertung des gesammelten Materials notwendig war. Er erhielt nicht nur die für die Bearbeitung erforderliche Muße, sondern auch die Mittel, die Ergebnisse seiner Reisen in würdiger Form und Ausstattung zu veröffentlichen. Wer den neuen weiten) Band des Werks, dessen Widmung Seine Majestät der Kaiser angenommen hat, auch nur flüchtig durchgeht, wird sich nicht wundern, daß die vier Bände, auf die das ganze Werk veranschlagt ist, nicht schneller dem Ahbschluß genähert werden konnten. Handelte es sich doch nicht nur um eine Wiedergabe der an Ort und Stelle zusammengebrachten Grundrisse und Aufnahmen anderer Art, sondern auch wesentlich um die Deutung all dieser Bauten mit ihren Einzelheiten aus der kulturellen Entwicklung der Chinesen heraus, und dies Moment ist es, das dem Werk einen Wert weit über die fachlichen Interessen hinaus verleiht. Das Abendland hat eine Phase der künstlerischen Japanisierung durchgemacht, manches Bleibende daraus gelernt und das Vergängliche und Unwesentliche, das mehr von der Mode aufgegriffen wurde, wieder beiselte getan. Wie viel mehr von China zu lernen wäre, das beweisen die neuen Arbeiten. Japan ist ein herrliches Land, nach manchem welterfahrenen Urteil das schönste der Erde, aber die Kultur der Japaner ist meist etwas Auf⸗ gepfropftes gewesen, und ihre Wurzeln ruhen zum größten Teil im hinesischen Reich. Dennoch könnte man sagen, das Chinesentum bliebe für uns Europäer immer etwas Fremdes und die Beschäftigung mit ihm vermöchte uns keinen inneren Gewinn zu bringen. Gerade deshalb darf man das Hauptverdienst des Boerschmannschen Werks in allgemeiner Hinsicht darin finden, diese durch Ueberlieferung und Ueberhebung befestigte Anschauung zu entkräften. Die Schilderung der Gedächtnistempel, denen der neue Band gewidmet ist, gibt einen Beleg dafür, der sich in wenige zwingende Sätze zusammen⸗ fassen läßt. Man traut den Chinesen nach einem landläufigen Irrtum wenig Natursinn zu. Ihre Tempelanlagen beweisen aber das Gegenteil. Während es in anderen Ländern fast überall als eine Ausnghme erscheint, wenn ein kirchliches Bauwerk mit Rücksicht auf die Natur angelegt worden ist, so ist es in China die Regel, daß die Wahl des Mlatzes durch die Landschaft bestimmt ist. Die schönsten Orte, hohe Berge und waldige Talgehänge, werden für die Tempel bevorzugt, und noch mehr ans Gemüt greift die Tatsache, daß die Wahl des Ortes außerdem meist im engsten Anschluß an das Heimatsgefühl erfolgt, das dem Chinesen ebenso hoch steht wie seine Ahnenverehrung und sein Familiensinn. Nur die Erforschung der Tempel mit all ihren Einzelheiten an sinnbildlichem Schmuck und an Inschriften gibt einen Aufschluß über diese Seite der chinesischen Kultur, die tief in einem rein menschlich verständlichen und ver⸗— ehrungswürdigen Boden des Volkscharakters ruht. Das hat auf der Erde nicht seinesgleichen, besonders in Ansehung des Alters der Kultur. In Europa sind so alte Kulturdenkmäler über⸗ haupt nicht zu finden, und wo sie noch vorhanden sind, wie in Aegypten oder im näheren Orlent, ragen sie als Rätsel oder als Zeugen einer verschwundenen Geisteswelt in die Gegenwart hinein. In China aber leben die Elemente jener uralten Kultur noch. heute im Volk, und man darf hoffen, ja fast darauf rechnen, daß die Er— forschung der alten Baukunst mehr wie etwas anderes den Schlüssel weisen wird. der den Berg Sesam des Chinesentums für das europäische Verständnis öffnet. Daß auch die Geschichtsforschung den größten Nutzen von diesen Arbeiten ziehen wird, ist ohne weiteres begreiflich. So kann man nur mit Spannung und lebhafter Teilnahme der Vollendung dieses ersten großen Sammelwerk über die chinesische Baukunst entgegensehen und den Wunsch hegen, daß es die Einleitung zu noch wichtigeren und tieferen Aufklärungen bilden wird, als sie schon in diesen Arbeklten enthalten sind. Professor Dr. Tiessen.

Literatur.

Ein Verzeichnis der Südpolarliteratur. Als gewichtiger Anhang zu dem ziemlich kurzen Bericht, den die internationale Polar⸗ kommission über ihre letzte Zusammenkunft in Rom im April 1913 erstattet hat, ist jetzt eine Bibliographie der Antarktis erschienen, die alle Veröffentlichungen über das Südpolargebiet von den frühesten Schriften bis zum Jahr 1913 enthält. Der Verfasser dieser mühsamen Arbeit, die ein unentbehrliches Hilfsmittel für alle Interessen der antarktischen Forschung darstellt, ist J. Denucsé, der schon früher wichtige Vorarbeiten dafür ge— liefert hatte. So gab er 1908 eine Liste aller Polarexpeditionen seit 1800 heraus, die er bereits drei Jahre später in verbesserter und ergänzter Ausgabe wieder erscheinen ließ. Die neue Bibliographie zeichnet sich nicht nur durch Reichhaltigkeit, vielleicht sogar Voll— ständigkeit, sondern auch durch übersichtliche Anordnung aus. Inner⸗ halb der einzelnen Abschnitte sind die Titel nach zeitlicher Reihenfolge aufgeführt. Dabei zeigt es sich, daß die seit etwa 20 Jahren üblich gewordene Einteilung des Südpolargebiets in vier gleiche Quadranten ein Fehler gewesen ist, da sie die natürliche Einheit des Roß⸗ meers entzweischneidet. Je mehr die Verbindung der früher nur einzeln bekannt gewesenen Teile des antarktischen Fest⸗ lands erforscht wird, um so mehr wird eine andere Einteilung des ganzen Gebiets nötig werden. Denucs hat eine wirklich musterbafte Arbeit geleistet, indem er nicht nur die besonderen fachlichen Ver⸗ öffentlichungen berüclsichtigt hat, sondern auch wichtige allgemeinere Uebersichten, auch viele wertvolle Zeitungsartikel und kurze Notizen in geographischen Werken, die sonst leicht in Vergessenbeit geraten wären. Es wäre wünschenswert, daß eine ähnliche Bibliographie auch für das Nordpolargebiet geschaffen würde, aber die Schwierig keiten sind dort viel größer, weil die Literatur zu einer fast unüber— sehbaren Fülle angewachsen ist und einen weit längeren Zeitraum umfaßt.

Verkehrswesen.

Laut Telegramm gus Cöln Deutz ist die Post aus Trankrelch, die gestern abend in Berlin fällig war, ausgeblieben. Grund: Zug . in Belgien.

In Ambam (Kamerun), etwa 150 km östlich von Kampo, ist am 5H. Januar eine Post agentur eingerichtet worden, deren Tätigkeit ich auf die Annahme und Ausgabe von gewöhnlichen und einge— aich er Briefsendungen sowie auf die Ausgabe von Postvaketen und Postfrachtstücken erstreckt. .

Die Postanstalt in Ukeko (Kamerun) nimmt fortan auch am Postanweisungedienst, Nachnahmedienst und Zeitungsdienst teil.

Die Eiswacht im nördlichen Atlantischen Ozean. Dle guten Folgen der internationalen Konferenz zur Verstärkung der Sicherbeit auf See beginnen berelts sich zu zeigen. Dle enalische Regterung wird beim Unterhaus die Bewilligung von G20 000 4

na chen, die für die Veranstaltung, genguer Untersuchungen über die Bewegungen des Eises im nördlichen Atlantischen Ozean dienen