Königreich Preußen.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: dem Mitglied des Kaiser Wilhelm⸗Instituts 46. Chemie, ordentlichen Honorarprofessor in der philosophischen Fakultät der Friedrich Wilhelms⸗Universität in Berlin Dr. Richard Willstätter zu Berlin-Dahlem den Charakter als Geheimer Regierungsrat zu verleihen.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: dem Kommissionsrat Emil Knobloch in Berlin⸗-Grune— wald den Charakter als Geheimer Kommissionsrat zu ver⸗ leihen.
Ministe rium für Handel und Gewerbe.
Fräulein Gertrud Maxckwardt ist zur Königlichen Pensionatsvorsteherin an der Handels⸗ und Gewerbeschule für Mädchen in Potsdam ernannt worden.
Finanzministerium. Das Katasteramt Dortmund L im Regierungsbezirk Arnsberg ist zu besetzen.
Die Rentmeisterstelle bei der Königlichen Kreiskasse in Eckernförde, Regierungsbezirk Schleswig, ist zu besetzen.
Aichtamtliches. Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 16. April 1914.
In der Nacht vom 14. zum 15. d. M. starb in Berlin der frühere Unterstaatssekretär im Justizministerium, Präsident des Disziplinarhofs für nichtrichterliche Beamte, Wirkliche Geheime Rat Dr. Küntz el im 860. Lebensjahre.
Küntzel wurde am 26. September 1834 in Meseritz geboren und trat am 9. Mai 1857 in den Justizdienst. Nach 20 jähriger richterlicher Tätigkeit, insbesondere bei den Kreisgerichten in Samter und Schroda und dem Stadtgericht in Berlin, wurde er am 1. Dezember 1881 zum Kammer⸗ gerichtsrat ernannt. Am 1. Oktober 1885 wurde er als Hilfsarbeiter in das Justizministerium berufen, dem er dann ununterbrochen bis zu seinem Ausscheiden aus dem Justizdienste fast 271½ Jahre hindurch angehört hat. Am 14. Dezember 1885 wurde er zum Geheimen IJustizrat und vortragenden Rat, im Jahre 1889 zum Geheimen Ober⸗ justizrat, im Jahre 1894 zum Wirklichen Geheimen Oberjustiz⸗ rat mit dem Range der Räte erster Klasse ernannt. Seit Ende des Jahres 1890 war er Mitglied der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs und zu— nächst stellvertretender Vorsitzender, seit Oktober 1893 Vor⸗ sitzender dieser Kommission. Im Juni 1896 wurde ihm die Stelle eines Präsidenten des Oberlandesgerichts in Marien⸗ werder verliehen; Küntzel verblieb aber im Justizministerium, um die Arbeiler zu leiten, welche zur We-sführung des Bürger⸗ lichen Gese g buch in Preußen erforderlich wurden. Am 30. Juni 1900 wurde er zum Unterstaatssekrekär im ernannt. Seit dem 17. Geheimer Rat mit dem Exzellenz, versah Küntzel das Amt des sekretärs bis zu seiner Versetzung in den Ruhe⸗ stand, die am 1. Juni 1913 erfolgte. Im Nebenamt war er 12 Jahre hindurch Mitglied der Justizprüfungs⸗ kommission, kurze Zeit Mitglied des Gerichtshofs zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte und seit dem 1. Sep⸗ tember 1903 Präsident des Disziplinarhofs für nicht— richterliche Beamte. Die letztere Stellung behielt er auch nach seinem Ausscheiden aus dem Justizdienste bei. Küntzel hat mit Johow zusammen das Jahrbuch für Entschei⸗ dungen des Kammergerichts begründet und war bis zu seinem Tode Mitherausgeber der Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts. Aus Anlaß seiner hervorragenden Mit⸗ wirkung bei dem Zustandekommen des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind ihm zahlreiche hohe Ordensauszeichnungen verliehen worden; an preußischen Orden besaß er den Königlichen Kronen⸗ orden erster Klasse seit 1905, den Roten Adlerorden erster Klasse mit Eichenlaub seit 1908; zu diesem Orden wurden ihm bei der Versetzung in den Ruhestand die Brillanten verliehen. Zu seinem Dienstjubiläum am 9. Mai 1906 wurde er durch ein Allerhöchstes Handschreiben ausgezeichnet. Im Jahre 1894 ernannte ihn die Universität Halle zum Ehrendoktor der Rechte.
Küntzel war eine lebensfrohe und lebenskräftige Natur, ein Freund heiterer Geselligkeit, ein begeisterter Verehrer guter Musik, bis zuletzt von einer erstaunlichen Frische des Geistes und des Körpers. Vorbildlich in seiner nie versagenden Arbeitsfreude, unerreicht in rascher, scharfer Auffassung der rechtlichen und tatsächlichen Zusammenhänge und in der ziel⸗ sicheren Leitung schwieriger Beratungen, verband er in glück— lichster Weise einen gesunden praktischen Sinn mit meister⸗ hafter Beherrschung der Technik des Rechts und der Gesetz⸗ gebung. In seiner langen dienstlichen Laufbahn hat er sich in den verschiedensten Stellungen unvergeßliche Verdienste um Rechtspflege, Gesetzgebung und Verwaltung erworben, vor allem aber wird sein Name mit dem Gelingen des großen Gesetzgebungswerks des Bürgerlichen Gesetzbuchs untrennbar verbunden sein.
Dezember Prädikat Unterstaats⸗
Justizministerium 502 Wirklicher
Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Pan⸗ ther“ am 14. April in Teneriffa eingetroffen.
Bayern.
Gestern abend fand im Hofballsaal der Residenz zu Ehren Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Erzherzogs Franz Ferdinand von Oesterreich eine Galatafel statt, während der Seine Majestät der König, wie „W. T. B.“ meldet, folgenden Trinkspruch auf den hohen Gast ausbrachte:
Eurer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit entbiete ich zugleich im Namen der Königin unseren herzlichsten Willkomm. Dankbar des gütigen Empfanges eingedenk, den Seine Kaiserliche und König⸗ liche Apostolische Majestat uns im vorigen Jahre bereitet haben, — noch heute unter dem Eindruck der herzlichen Sympathien, die die Bevölkerung Wiens der Königin und mir bekundete, rechnen wir es uns zu hober Freude, Eure Kaiser⸗ liche und Königliche Hoheit als Allerböchsten Vertreter des von uns innigst verehrten Kaisers und Königs Franz Joseph hier empfangen
zu dürfen. Daz baverische Volk nimmt warmen Anteil an dieser . es bewillkommt mit mir in Eurer Kaiserlichen und Königlichen
oheit den erlauchten Vertreter des erhabenen Herrschers, der, ehr⸗ furchtgebietend durch die Würde seiner Persönlichkeit, vorbildlich in seiner Pflichterfüllung, die Geschicke der mit dem Deutschen Reiche eng verbündeten österreichisch⸗-ungarischen Monarchie lenkt. Der Gedanke an die Blutsverwandtschaft, die, in einer ehrwürdigen Reihe von Jahrhunderten gefestigt, die Häuser Habs burg Lothringen und Wittelsbach umschlingt, läßt Eurer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit heute in Bayern die Herzen in warmer Freude entgegen⸗ schlagen. Die treuen Gefühle der Liebe und Verehrung, die ich für die erhabene Person Seiner Kaiserlichen und König lichen Apostolischen Majestät hege, die innigsten Segenswünsche, die ich dem Glück und der Wohlfahrt der österreichisch⸗ ungarischen Monarchie weihe, begegnen beim bayerischen Volke warmherzigem Widerhall. Gott schüͤtze, Gott segne und erhalte den Kaiser und König Franz Joseph. Das ist der Wunsch, in dem sich heute unser aller Gedanken vereinigen. Dem Gefühl von Herzen kommender Freude, das in dieser Stunde mich, die Königin und mein ganzes Haus beserlt, gebe ich Ausdruck in dem Rufe: Seine Kaiserliche und Königliche Apostolische Majestät und sein er— lauchter Vertreter, Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit Erz⸗ herzog Franz Ferdinand, leben hoch! hoch! hoch!
Unmittelbar darauf erhob sich Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit der Erzherzog Franz Ferdinand und antwortete mit folgenden Worten:
Hochbeglückt durch den mir zuteil gewordenen Allerhöchsten Auftrag, den vorjährigen Besuch Eurer Majestäten zu erwidern, der meinem Allerhöchsten Oheim in freudigster Erinnerung ge⸗ blieben ist, bitte ich Eure Majestät, meinen tief empfundenen Dank entgegennehmen zu wollen für die gütige Aufnahme sowie die soeben an mich gerichteten gnädigen Worte, welche die Innigkeit der von alters her zwischen den Häusern Wittelsbach und Habsburg bestehenden verwandtschaftlichen und freund⸗ schaftlichen Beziehungen in herzlicher Weise zum Ausdrucke bringen. Der überaus freundliche Empfang, den ich hier gefunden habe, ist ein neues Zeugnis für die Besländigkeit der freundnachbar⸗ lichen Gefühle, die das bayerische Volk der österreichisch⸗ungarischen Monarchie, der treuen Verbündeten des Deutschen Reichs, entgegen⸗ bringt. Diese von weiland dem verehrungswürdigen und unvergeß⸗ lichen Prinz⸗ Regenten Luitpold gepflegten, unter Eurer Majestät glorreicher Regierung unwandelbar fortdauernden Gefühle finden in dem Herzen meines Allerhöchsten Herrn und bei der Bevölkerung der Monarchie den lebhaftesten und dankbarsten Widerhall. Ge⸗ tragen von diesen herzlichen Empfiadungen, gebe ich den aufrich⸗ tigsten Segenswünschen Seiner Majestät des Katsers für Glück und Wohlergehen des Königlichen Hauses sowie des Landes Bayern Ausdruck, indem ich mein Glas mit dem Rufe erhebe: Ihre
Mojestäten der König und dle Königin von Bayern leben hoch! hoch! hoch! Sachsen.
Seine Majestät der König empfing gestern mittag, wie „W. T. B.“ meldet, im Residenzschlosse den Staatssekretär des Reichsschatzamts Kühn, der vorgestern abend in Dresden eingetroffen war, in Audienz.
Mecklenburg⸗Strelitz.
Die „Landeszeitung für beide Mecklenburg“ verbreitet nach Erkundigung an zuständiger Stelle über das Befinden Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs Adolf Friedrich die Mitteilung, daß das Befinden des Großherzogs zu irgendwelchen Besorgnissen durchaus keinen Anlaß bietet. Der Heilungsprozeß schreitet normal fort. Die Nächte sind bereits n., sehr gut, sodaß der hohe Patient ohne Schlaf⸗ mittel in de, Nacht sieben bis acht Stunden . Der Kräftezustand Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs hebt sich von Tag zu Tag, sodaß er seit mehreren Tagen das Bett auf ein paar Stunden verlassen und einige Schritte selbständig im Zimmer gehen kann.
Desterreich⸗Ungarn.
Die gestrigen Konferenzen des Grafen Berchtold mit dem italienischen Minister Miarquis di San Gin lia no werden in den nächsten Tagen fortgesetzt. Gestern abend gaben der Graf und die Gräfin Berchtold ein Mahl zu Ehren des Marquis di San Giuliano.
Großszbritannien und Irland.
Wie das „Reutersche Bureau“ erfährt, hat die fran— zösische Regierung dem britischen Vorschlage zu— gestimmt, daß zwischen den beiden Regierungen eine Er— örterung über das Kondominium auf den Neuen Hebriden stattfinden soll. Beide Parteien sind jetzt dabei, die Grund⸗ lagen und das Ziel der Konferenz sowie die zu behandelnden Materien zu bestimmen. Es ist noch nicht bestimmt, ob die Konferenz, die im wesentlichen einen technischen Charakter haben wird, in London oder in Paris abgehalten werden soll.
Spanien.
Das Parlament hat heute seine Arbeiten wieder auf— genommen.
Niederlande.
Der Minister des Auswärtigen hat im Friedenspalast im Haag den geschäftsführenden Ausschuß der Interparlamentarischen Union empfangen, dessen Vorsitzender Lord Weardale einen von dem Ausschuß ausgearbeiteten Entwurf, betreffend die Zusammen⸗ setzung des internationalen Ausschusses zur Vorbereitung der dritten Friedenskon ferenz, überreichte. Wie, W. T. B.“ meldet, möchte die Interparlamentarische Union, daß der ständige Verwaltungsrat des internationalen Schiedsgerichtshofes, der aus den im Haag beglaubigten Gesandten besteht, die Mit⸗ glieder dieses Ausschusses wählte. Der Minister erwiderte, die mit der russischen Regierung begonnenen Vorbesprechungen über die Einsetzung eines vorbereitenden Ausschusses seien noch nicht beendet, aber er hoffe, demnächst dem Ausschusse eine endgültige Antwort geben zu können, dem er seinen Dank dafür aussprach, daß er die Bemühungen der niederländischen Regie— rung durch interessante Anregungen gefördert habe.
Schweden.
Gestern abend ist, wie „W. T. B.“ meldet, über das . des Königs Gustav folgender Bericht ausgegeben worden:
Die Besserung des Königs schreitet in befriedigender Weise fort. Die Darmfunktionen sind in Ordnung. Temperatur 37,3, Puls 56.
— Heute liegen die Wahlergebnisse aus sechs weiteren Kreisen vor. Obiger Quelle zufolge sind bisher 46 Mitglieder der Rechten, 41 Sozialdemokraten und A Liberale gewählt worden. Die Rechte gewinnt 10 Sitze und verliert einen Sitz, die Sozialdemokraten gewinnen 5 und verlieren 2, die Liberalen verlieren 12 Sitze.
Türkei.
Die Pforte hat, wie „W. T. B.“ meldet, aus der Kandi⸗ datenliste den früheren Gouverneur von Niederländisch Indien Westeneck und den norwegischen Major Hoff als General⸗ inspektoren für die Reformen in Ostanatolien aus⸗
gewählt. . Griechenland.
Der deutsche Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg ist gestern abend über Brindisi in Korfu eingetroffen und von den Gesandten von Treutler und Grafen von Quadt empfangen worden.
Serbien.
Der Kronprinz Alexander, der Ministerpräsident Paschitsch und der Minister des Innern Protitsch haben sich gestern zu mehrtägigem Aufenthalte in den neuen Gebieten nach Uesküb begeben.
Montenegro.
Der russische General Potapow, Mitglied der Kommission für die Absteckung der Grenze in Nordalbanien, ist gestern in Cetinje eingetroffen.
Amerika.
Die amerikanische Regierung hat eine amtliche Er— klärung erlassen, in der sie den Uebergriff gegen die ameri⸗ kanischen Matrosen in Tampico, die Zurückhaltung von Depeschen und anderes mehr aufzählt. Diese wiederholten Uebergriffe, erklärt die Regierung laut Meldung des „W. T. B.“, die man sich keinem Vertreter einer anderen Macht gegenüber erlaubt habe, hätten notwendigerweise den Eindruck hervorgerufen, daß die Vereinigten Staaten für Kund⸗ gebungen bösen Willens und der Geringschätzung herausgegriffen worden seien. Die Regierung gibt weiterhin der AÄnsicht Ausdruck, daß die mexikanische Regierung, wenn ihr die ernste Wirkung der sich häufenden Zwischenfälle deutlich gemacht werde, einsehen würde, daß es schicklich und notwendig sei, solche Beweise von ihrem Wunsche, diese Vorfälle zu miß— billigen und wieder gut zu machen, zu geben, die nicht nur dle Vereinigten Staaten befriedigten, sondern auch der übrigen Welt zeigten, daß sie ihre Haltung völlig geändert habe. Die de tacto bestehende Regiernng in Mexiko könne nichts von ihrer Würde verlieren, wenn sie die Forderungen einer großen . Regierung bezüglich der angeführten Tatsachen an—⸗ erkenne.
Die Darlegung des Staatssekretärs Bryan für die Gründe der Entsendung der Flotte nach Mexiko ist allen amerikanischen Botschaften und Gesandtschaften zur Information der aus⸗ wärtigen Regierungen telegraphisch mitgeteilt worden. Amtlich wird ohiger Quelle zufolge erklärt, daß zu den Gründen für die Entsendung der amerikanischen Flotte auch die Tatsache zu rechnen sei, daß Depeschen an den amerikanischen Geschäfts⸗ träger in Mexiko von den Mexikanern aufgefangen worden seien.
Die Schlachtschiffe „Arkansas“, „Vermont“, „New Hampshire“ und „New Jerseyn sowie das Depeschenboot „Yankton“ sind gestern vormittag von Hampton Roads unter vollem Dampf nach Tampico abgegangen. Das Marineamt hat eine Flottendemonstration auch an der pazifischen Küste Mexikos angekündigt.
— Der Handelsvertrag zwischen Japan und Bolivien ist, wie ‚W. T. B.“ meldet, gestern unterzeichnet
worden. Asien.
Nach einer Meldung der „St. Petersburger Telegraphen⸗ agentur“ hat dieser Tage beim Dorfe Deschtasi in der Kaza Hamidieh, Wilajet Siwas, zwischen türkischen Truppen aus Wan und Mossul ein Zusammenstoß mit Kurden unter dem Scheik des Barzanstammes stattgefunden, in dem die Türken viele Tote, zwei Geschütze, vierzig Gewehre und vierzig Gefangene verloren.
— Die Liste des neuen japanischen Kabinetts ist gestern dem Kaiser unterbreitet worden. Wie das „Reutersche Bureau“ mitteilt, gehören die Mitglieder des Kabinetts zwei Parteien des Abgeordnetenhauses an, der Doshikai⸗ und der Teheseikai⸗Partei, die zu unterstützen sich die Kokuminto⸗Partei verpflichtet hat, aber die Seiykwai⸗Partei behält die Mehrheit. Man glaubt, daß dies eine Auflösung des Parlaments not⸗ wendig machen werde und daß die Wahlen die Entfernung der Seiyukwai⸗Mehrheit zur Folge haben werde. Das Kabinett besitzt die einmütige Unterstützung der Presse und verfügt über das Vertrauen des Publikums. Der Premierminister Okuma verspricht wirtschaftliche Reformen und praktische Neuerungen.
— Die Mitglieder des Kriegsgerichts, das gegen die in den Flottenskandal verwickelten Offiziere verhandeln soll, sind nunmehr ernannt worden.
Parlamentarische Nachrichten.
Dem Reichstag ist der folgende Entwurf eines Gesetzes zur Aenderung des Gesetzes, betreffend die gemein— samen Rechte der Besitzer von Schuldverschrei— bungen, vom 4. Dezember 1899, nebst Begründung zu⸗ gegangen:
Das Gesetz, betreffend die gemeinsamen Rechte der Hf siher von Schuldverschreibungen, vom 4. Dezember 1899 (Reschegesetzbl. S. 691) wird dahin geändert:
1) Der § 16 Abs. 3 wird durch folgende Vorschriften ersetzt:
Ist eine Mitwirkung der Gläubiger erforderlich, um an Stelle eines weggefallenen Vertreters der im Abs. J bezeich neten Art einen neuen Vertreter zu bestellen, so kann eine Gläubigerversammlung mit verbindlicher Kraft für alle Gläu— biger über die Bestellung beschließen. Der Beschluß bedarf einer Mehrheit von mindestens drei Vierteilen der abgegebenen Stimmen, soweit nicht in verbindlicher Weise andere Fest— setzungen getroffen sind; die Vorschriften des 5 12 Abs. 2 und des 5 13 finden Anwendung.
Auf Antrag von Gläubigern, deren Schuldverschreibungen zusammen den fünften Teil des Gesamtbetrags der im Umlauf befindlichen Schuldverschreibungen erreichen, kann das Gericht, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, den Vertreter abberufen. Unter den gleichen Voraussetzungen kann das Gericht an Stelle eines weggefallenen Vertreters einen neuen Vertreter bestellen. Zuständig ist das im 8§ 4 bezeichnete Amtsgericht. Vor der Verfügung, durch die über den Antrag entschieden wird, ist, soweit tunlich, der Schuldner und im Falle der Abberufung des Vertreters auch dieser zu hören. Gegen die Verfügung findet die sofortige Beschwerde statt. Das Amtsgericht kann vor der Entscheidung über den Antrag auf Abberufung eines Vertreters eine einstweilige Anordnung erlassen.
Auf die Eintragung des Wegfalls eines Vertreters sowie auf die Eintragung eines neuen Vertreters an Stelle des weg⸗
gefallenen findet die Vorschrift des 5 44 Abs. 1 der Grund⸗
* buchordnung keine Anwendung. Im Falle des Abs. 4 ist das Amtsgericht befugt, das Grundbuchamt um die Eintragung zu ersuchen. 2) Der § 17 erhält folgenden Abs. 3: —
Wird an Stelle eines weggefallenen Vertreters der im Abs. 1 bezeichneten Art nach dem Zeitpunkt, in welchem das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, gemäß 8 16 ein neuer Vertreter bestellt, so kann die Eintragung dieses Vertreters in das Grundbuch (58 1189 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) auf die⸗ felbe Weise wie die Bestellung herbeigeführt werden, obne Unterschied, ob der weggefallene Vertreter in das Hypotheken⸗ buch oder ein ähnliches Buch eingetragen war oder nicht.
Dem Reichstag ist ferner der Entwurf eines Gesetzes, betreffend statistische Aufnahmen der Vorräte von Getreide und Erzeugnissen der Getreidemüllerei, nebst Begründung zugegangen.
Statistik und Volkswirtschaft.
Die Bewegung der Bevölkerung in Preußen in den Jahren 1912 und 1913.
Im preußischen Staate sind für das Jahr 1912 1222168 Ge— burten, 672 228 Sterbefälle (einschließlich der 35 925 Totgeburten) und 328 340 Eheschließungen ermittelt worden. Der Geburten überschuß betrug somit 549 40 oder 134 auf das Tausend der mittleren Bevölkerung. Im Jahre 1913 sind nach den vorläufigen Ermittlungen 1206775 Kinder geboren (einschließlich der 35 8690 Totgeborenen) und 656 011 Personen gestorben (mit Totgeburten). Eheschließungen gab es 323 717. Danach ist 1913 die Geburtenzahl gegen das Vorjahr um 15393 und die Zahl der Todesfälle um 16217 zurückgegangen. Der Geburtenüberschuß ist dementsprechend um 824, und zwar von 549 940 auf 550 764, gestiegen. Eine besonders auffällige Er⸗ scheinung der Jahre 1909 bis 1912 ist die abnehmende Geburten— zahl bei steigender Ehefrequenz. Während sich nämlich im Jahr— zehnt 1903— 1912 im Durchschnitt die Geburtenzahl auf 1276756, die Zahl der Sterbefälle auf 720718, der Geburtenüberschuß somit auf 556 038 belief, ist die Geburtenzahl im Jahre 1912 berelts 54 588 unter dem zehnjährigen Durchschnitt gewesen, 1913 aber sogar 69 981. Die Zahl der Todegfälle ist 1912 mit 48490 und 1913 mit 54 707 unter dem zehnjährigen Durchschnitt geblieben. Die Zahl der Eheschließungen betrug 1912 20139 und im Jahre 1913 15516 über dem zehnjährigen Durchschnitt 1903 — 1912. Es ist also klar, daß die eheliche Fruchtbarkeit in einer nicht unerheblichen Abnahme begriffen ist.
Der besseren Vergleichung wegen geben wir hier die folgende Nebersicht: Es sind beurkundet
Ge⸗ Sterbe·
burten fälle
einschließl. der Tot⸗ geborenen
Ge⸗ . Ehe⸗ burten⸗ schließun⸗ überschuß gen
1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 ,, 11 5256 JJ 1913 (vorl. Ergebn.) .] 1206775
Wichtig sind noch die Verhältniszahlen. der mittleren Bevölkerung
562 501 294732 515 019 299988 596 043 309 922 578 750 313 039 575 437 311 131 581 343 307904 581 517 nh 492 439 321 151 549 g40 328 340 56 6 3 7. Es betrug auf 1000
e * — 98 527 359 285 384
O C O N — C N — — ON TC ' 3 Xe
1— 8 — — — D —
8 8 — * 1 — — — — 4 D d do Gi Gi?
1 D O60
die Geburts- die Sterbe- der Geburten, die Heirats. ziffer ziffer überschuß ziffer
20,8 . 15, JJ 20,6 162 19, ö 16,5 18,8 9. 16,1 18, 8 16,0 17,9 ͤ 15.6 16, / z 15, J 18, 2, 15,9 J 16, 16, 1913 Gorläuf. Ergebn.) .. 29,0 . 34 16,5.
C C C Ct Q., Q C N e L K L o Om
se ea A A D d D oo
N 8 — 2D To
Hiernach hat sich die Geburtenziffer um 18 und die Sterbeziffer um 24 v. H. von 1903 bis 1913 verringert. Die Heiratsziffer für 1913 liegt um 3 v. H. unter dem zehnjährigen Durchschnitt 1903 — 1912. (Nach der Stat. Korr.“)
—
Zur Arbeiterbewegung.
Der Aus stand der Berliner Kraftdroschkenführer (ogl. Nr. 88 d. Bl.) hat keinen großen Umfang angenommen. Da sich zahlreiche stellungslose Kraftfahrer zur Verfügung stellten, nahmen auch, wie hiesige Blätter melden, viele der Ausständigen die Arbeit wieder auf, sodaß die Mitglieder des Vereins der Kraftdroschkenbesitzer Groß Berlins gestern abend einen großen Teil ihrer Wagen wieder im Betrieb hatten. Die übrigen noch im Ausstand befindlichen Kraftfahrer dürften heute ihren Dienst wieder antreten. — Die im Deutschen Transportarbeiterverband organisierten Berliner Fensterputzer beschlossen, dem Berl. Lok.⸗Anz.“ zufolge, gestern abend in stark besuchter Versammlung, den am 30. Juni ablaufenden Tarifvertrag zu kündigen. Ein Ausschuß wurde beauftragt, einen neuen Tarif auszuarbeiten, der insbesondere eine den teuren Lebens verhältnissen angemessene Lohnerhöhung aufweist.
Die Pflastermeister des Solinger Bezirks haben, wie die »Rh.⸗Westf. Ztg. mitteilt, mit den seit längerer Zeit ausständigen frelorganisierten Pflasterern einen Lohntarif abgeschlossen, der den Gesellen einen Zuschlag von 2 3 für die Stunde fofort und 1 3 für das nächste Fahr bringt. Der Ausstand wurde aufgehoben.
In Velbert hatten, wie die „Köln. Ztg.“ berichtet, die Schneidergehilfen, Schneiderinnen und Wäschenähe— rinnen Müte vorigen Monats die Kändigung eingereicht, da ihnen elne von den Arbeitgebern zugestandene Lohnerhöhung nicht genügte. Nunmehr ist für drei Jahre ein neuer Tarif, der sich auf Velbert und Umgegend erstreckt, und eine zehnprozentige Lohnerhöhung vorsieht, ausgegeben worden. (Vgl. Nr. 67 d. Bl.)
Die Grubenarbeiter von Jorkshire baben, wie W. T. B.“ aus London erfährt, mit einer Mehrheit von 15 000 Stimmen die Wiederaufnahme der Arbeit beschlossen. (Vgl. Nr. 85 d. Bl.)
In der Ueberschuhabteilung der Gummiwarenfabrik
rowodnik und in der Fabrik von Rosenkranz und Co. in iga ist, W. T. B. zufolge, die Arbeit gestern wieder aufgenommen worden. (Vgl. Nr. 86 d. Bl.)
(Weitere „ Statistische Nachrichten“ s. i. d. Ersten Beilage.)
Wohlfahrtspflege.
In dem wissenschaftlichen Kursus des Berliner Zentralverbandes zur Bekämpfung des Alkoholismus, der am 14. und 15. d. M. hier⸗ selbst abgehalten wurde, sprach der Geheime Medizinalrat, Professor Dr. Ewald über Alkohol und Infektionskrankheiten. Nach einer kurzen Uebersicht über die verschledene Bewertung, die der Alkohol als Arzneimittel im Laufe der Zeit bei den Aerzten gefunden bat, wurden die Tatsachen angegeben, die über die Wirkung des Alkohols in kleinen und großen Gaben auf den menschlichen Organismus bekannt sind. Von einer günstigen Wirkung des Alkohols auf die Erreger der Infektionskrankheiten könne keine Rede sein. Die Empfänglichkeit werde durch ihn nicht herabgesetzt, sondern gesteigert. Die Giftigkeit krank— machender Keime werde nicht abgeschwächt, und besondere Heilerfolge der ausgebrochenen Krankheit gegenüber seien nicht nachzuweisen. An dem Beispiel der infektiösen Tropenkrankheiten, der Spphilis, der Lungentuberkulose und Lungenentzündung könne die Richtigkeit dieser Behauptung statistisch nachgewiesen werden. So betrage die Sterb⸗ lichkeit an Lungenschwindsucht auf je 100000 Personen bet den Schankwirten 579, bei anderen Personen der gleichen Gesellschaftsklasse und in aleichem Alter von 35— 45 Jahren dagegen nur 245. Etwa 750,9 der Spphilitiker hätten die In⸗ feklionsgefahr unter dem Einfluß der Alkoholvergiftung aufgesucht u. a. m. Vergleichende Statistiken über den Verlauf und Ausgang fieberbafter Krankheiten, die zum Teil mit, zum Teil ohne Alkohol be— handelt wurden, hätten nahezu durchweg günstigere Ergebnisse für die letztere Gruppe von Krankheitefällen ergeben. Selbst bei schweren Trinkern, die im Zustand des delirium tremens in die Behandlung traten, habe sich eine Sterblichkeit von 71,4 0,½ (mit Alkohol) gegen 3456 0/0 (ohne Alkohol) ergeben. Nur bei plötzlicher Herzschwäch⸗ könne von der erregenden Wirkung des Alkohols anscheinend mit Nutzen Gebrauch gemacht werden. Wie weit aber unter anderen Umständen der Alkohol, wie weit andere gleichzeitig verab⸗ folgte Herzmittel und allgemein kräftigende Maßnahmen das wirk— same Moment waren, sei nicht immer sicher festzustellen. Chronische Infektionskrankheiten, in erster Linie die Lungentuberkulose, behandelt der Redner ohne Alkohol, solange der Zustand des Herzens es irgend gestattet, und verordnet auch dann alkoholische Getränke nur in ein— maligen vorübergehenden Gaben, nicht zu dauernder Anwendung. Kindern wird überhaupt kein Alkohol verabreicht. Der Weinkonsum ist in dem dem Vortragenden unterstellten Hospltal in den letzten zehn Jahren um die Hälfte zurückgegangen, die Sterblichkeitsziffer dagegen besser geworden.
Ueber die Bedeutung der Alkoholfrage für den kommunalen Haushalt“ sprach der Stadtrat Rosenstock⸗ Königsberg. Die deutschen und insbesondere die preußischen Kom— munen beziehen aus dem Alkohol einige Einnahmen: die Biersteuer — Wein und Branntwein sind den Kommunen als Steuerobjekt gesetzlich entzogen —, die Betriebssteuer, die von den Gast- und Schankwirtschaften erhoben wird, und die Schankkonzessionssteuer, die eine große Anzahl von Gemeinden, in denen die Ausübung des Schankgewerbes von einer besonderen Erlaubnis abhängig ist, für Erteilung dieser Erlaubnis erhebt. Jedoch spielen diese Einnahmen im Haushalt der größeren Kommunen eine nur geringe Rolle. So waren im Berliner Haushaltsplan für 1913 von insgesamt fast 99 Millionen Mark, die durch kom—⸗ munale Steuern aufzubringen waren, nur eine Million aus der Blersteuer nnd gar nur 280 0900 „ aus der Betrkebssteuer als Ein— nahme angefetzt, zusammen also nur etwa 13 0, des gesamten Steuer⸗ bedarfs. Eine Schankkonzessionssteuer erhebt Berlin nicht. Von Bedeutung für den kommunalen Haushalt sind ferner diejenigen Ein— nahmen, die ihm indirekt aus den Alkoholgewerben zufließen: zahl⸗ reiche Arbeiter und Angestellte finden in diesen Gewerhen ihren Lebene⸗ unterhalt und ein zu versteuerndes Einkommen und verhelfen als Konsumenten anderen Gewerbetreibenden zu einem solchen. Endlich fließen den Gemeinden aus dem Ertrage der ungeheuren Kapitalien, die in Brennereien, Brauereien, großen Bier⸗ und Weinpalästen ꝛc. angelegt sind — allein das Aktienkapital der Brauereien in Deutschland beträgt fast 39 Milliarden Mark —, erhebliche Einnahmen zu. Freilich würde bei geringerem Verbrauch und dement— sprechender geringerer Erzeugung von Alkohol ein großer Teil des dadurch Ersparten auf andere Weise, für bessere Ernährung, Kleidung, Wohnung usw. ausgegeben und dadurch manches andere Gewerbe in seinem Kapitalbedarf, seinem Umsatz, seinem Bedarf an Arbeitskräften, seinen Erträgen gefördert werden. Von den Ausgaben, die den Kom— munen aus dem Alkohol oder vielmehr aus dem Alkoholismus, d. h. aus den Schädigungen des einzelnen durch den Alkohol, erwachsen, assen sich nur diejenigen auf dem Gebiete der Armen und Kranken⸗ pflege annähernd berechnen. Man hat auf Grund sorgfältiger Er— hebungen in kleineren Städten, die keineswegs einen besonders hohen Alkoholverbrauch haben, die durch Alkohslismus notwendig ge— wordenen Unterstützungen, Krankenhaus., Irrenpflegekosten und sonstigen Aufwendungen der offenen und geschlossenen Armen— pflege auf mehr als 40 0½ der gesamten städtischen Armenpflege⸗ ausgaben ermittelt. Für große Städte lassen sich solche Er⸗ mittlungen nicht anstellen, weil sie die genaue Kenntnis jedes einzelnen Armenpflegefalles nach seinen Ursachen voraussetzen; aber es ist kein Grund vorhanden, weshalb die Belastung der Großstädte durch den Alkoholismus wesentlich geringer zu veranschlagen wäre. Schreibt man z. B. für Berlin auch nur 20 0½ der städtischen Aus⸗ gaben für Armen- und Krankenpflege dem Alkoholismus zur Last, so kommen auf sein Schuldkonto nach dem Haushaltsplan für 1913 mehr als 8 Millionen Mark, d. h. mehr als 11 0 der Gemeindeeinkommen⸗ steuer müssen erhoben werden, um die Kosten zu bestreiten, die der Alkoholismus der Berliner Armenpflege verursacht. Dazu aher kommen noch sehr erhebliche andere Ausgaben. So hat man in Berlin, Ham—⸗ burg und Straßburg ziemlich übereinstimmend denjenigen Teil der wegen besonders schwacher Begabung der Hilfsschule zugewiesenen Kinder, die aus erweislich trunksüchtigen Familien stammen, auf 29 bis 30 9,½ der gesamten Schülerzahl der Hilfsschulen ermittelt. Da nun die Hilfsschulen viel kleinere Klassen haben als die für normale Kinder bestimmten Schulen, weil die Schüler der Hilfsschule wegen ihrer Geistesschwäche besonders individueller Behandlung be— dürfen, so hat die Kommune für jeden Hilfsschüler reichlich die doppelten Kosten wie für den normalen Volksschüler aufzuwenden, und von diesen Mehrkosten sind etwa 30 0½ auf den Alkoholismus zurückzuführen. Damit ist das Schuldkonto des Alkohols im kom munalen Haushalt keineswegs erschöpft. Aber schon diese Tatsachen zeigen, daß die Einnahmen, die den Kommunen aus dem Alkohol zu— fließen, gegen die Ausgaben aus der gleichen Quelle völlig ver⸗ schwinden, und daß die Gemeinden alle Ursache haben, schon aus rein finanziellen Gründen sich an dem Kampfe gegen das Gift des Alkoholismus zu beteiligen.
Kunft und Wissenschaft.
A. F. In dec jüngsten Sitzung der Gesellschaft für Erd⸗ kunde wurde vom Vorsitzenden, Geheimen Regierungsrat von Beseler die erfreuliche Mitteilung gemacht, daß vom Konsortium der „Ost— asiatischen Gesellschaft für die chinesische Provinz Schansi“ der Ge⸗ sellschaft eine Spende von 20 000 6 „zu Studienzwecken“ in dieser westlich von Schantung gelegenen Provinz überwiesen worden ist. — Den Vortrag des Abends hielt der Dr. Rudolf Lütgens aus Hamburg über Land, Leute sowie Reisen in der Republik Haitin. Seine Studien dort hat der Redner im Auftrage der Dam burger Geographischen Gesellschaft gemacht. Ziemlich alle Jahre hört man bekanntlich von Halti, daß dort eine Revolution ausgebrochen sei. Dann erscheinen regelmäßig zum Schutz vlelseitiger Interessen der Mächte deren Kriegsschiffe in Port au Prince, und der weitere Verlauf ist gewöhnlich der, daß die Häupter oder Häuptlinge der besiegten Partei Aufnahme an Bord finden, bis ein knappes Jahr später die Sieger von heute wiederum die Besiegten sind und die gleiche Gastfreundschaft in Anspruch nehmen. In Europa fast
unbekannt, bietet die Insel, das amerikanische Gegen⸗ stück zu Afrikanisch Liberia, dem Geographen viel Gelegenheit zur Betätigung; denn die jüngsten Karten der Insel sind 150 Jahre alt und stammen aus den Tagen, da die Franzosen dort herrschten. Erst in den letzten 10 Jahren hat unser deutscher Landsmann Tippenhauer wieder genauere Aufnahmen von Halti gemacht. In den drei Rich⸗ tungen Allgemein geographisch f, „Wirtschafts⸗Geographisch! und Kulturell! glaubte der Vortragende auf Grund eingehender Studien egenwärtig sich nach Möglichkeit erschöpfend, wie folgt, äußern zu können: Die Insel Halti stellt das Mittelstück der großen Antillen“ dar. ele sind deren Beziehungen zu den mittelamerikanischen Ge⸗ birgen Tbch nicht zweifelsfrei bestimmt worden. Da die Gebirge von Nicaragua und Honduras nach den Ermittlungen von Sapper westöstlich streichen, ist eine geologische Verbindung Westindiens mit Südamerika über Panama nicht anzunehmen. Eduard Sägh hat zuerst versucht, die abgebrochenen Gebirgsketten Westindiens aus dem unterserischen Relief herzustellen, wobel er die gebirgsbildende Tätigkeit dreier Epechen zu berücksichtigen hatte. Gegen Ende der Tertlärzeit ist das alte Gebirgsland in die Tiefe gesunken und dann erst haben sich die jung-Hulkanischen Gebilde, auf Haiti zur höchsten Höhe von 3200 m ansteigend, erhoben. Die Insel ist von Europa über New York in 12 Tagen zu erreichen. Durch die in deutschen Händen befindliche Atlaslinie wird von New York aus der Verkehr vermittelt. Das Land besitzt Eisen⸗ und Kupfererzminen, letztere sind mit 15— 20 06 Kupfer recht abbauwürdig Die Effenerze begegnen zurzeit noch nicht der Beachtung. Gebahnte Wege gibt es auf der Insel noch nicht. Dem Redner blieb also nichts übrig, um das Land kennen zu lernen, als es, den Rucksack über die Schultern geworfen, in beschwerlichön Märschen zu durchwandern. Seine besondere Aufmerksamkeit war der nordwestlichen Landzunge zugewandt. Das Reisen ist, soweit Menschen und von ihnen ausgehende etwaige Bedrohung in Betracht kommen, ohne jede Gefahr. Freilich muß man sich reichlich mit Rum und Tabak versehen. Die Neger hul⸗ digen einem eigenartigen, auf niedriger Stufe stehenden Kult, mit dem Tänze verbunden sind. Zwischen den von Südwest nach Nordost streichenden Bergketten liegen die der kurzen Erstreckung der Insel entsprechenden kurzen Flußtäler. Das Hochland ist fruchtbar, zum Teil mit Mahagoniwald bestanden. Im Nordosten finden sich am Meere die Reste eines alten, gegen Ende der Tertiärzeit tätig gewesenen Vulkans, der später abgesunken ist. Die Anwesenheit der jüngsten Korallenketten in den obersten Gebirgsschichten beweist, daß man es hier sonst nur mit jungem Vulkanismus zu tun hat. Fragt man nach besonders kennzeichnenden Eigentümlichkeiten von Haitt, so fällt zunächst das geringe Vorhandensein von Flachland auf. Die Mittelgebirge, bis zu 1000 und 1200 m ansteigend, sind dicht bewaldet. Eigentliche Trockengebiete gibt es nur im Nord⸗ westen. Nahe bei Port au Prince und südöstlich von diesem an der Südwestküste der Insel gelegenen Haupthafen streicht das Gazellen⸗ gebirge, das Dr. Lätgens bis zur Höhe von 1700 m erstieg. Die Erzvorkommen sind an das jung vulkanische Gestein gebunden. Das geringe Vorkommen ebenen Bodens rührt zumeist von den An⸗ schwemmungen der Flüsse her, eine Ausnahme hierin macht nur die Zentralebene der Insel, die als ein ausgefülltes Meeresbecken anzu⸗ sehen ist. Auch die Ebene von Port au Prince liegt in einem Grabenbruch. Bei der Nähe des Meeres scheint dies überraschend, doch ist es bezeichnend für den geologischen Charakter der Insel, deren Gebirge meistens zum Meere hin abbrechen. Nur einen größeren Fluß besitzt Daiti. Das Klima ist im allgemeinen gesund, wenn auch nicht uberall gleichmäßig. Höhen von 800 bis 1000 m sind schon recht kalt, die 1600 m übersteigenden Höhen werden von den Negern als für sie zu kalt gemieden. Tropischer Regenwald begleitet die Nordkuͤste, Savanne die Südküste, im trockenen Gebiet kommen auch Salzsteppen vor. Landeserzeugnisse sind u. a. Kakao, Zuckerrohr, Bananen, Gajak⸗ und Blauholz. In 500 m Höhe gedeiht der Kaffee, Mahagoniwälder entsprechen 800 m; bei 1500 m können unsere Gemüse angebaut werden, der Hochgebirgswald ist durch die Fichte gekennzeichnet. Das wertvollste Erzeugnis ist der Kaffee, doch auch Baumwolle liefert in den trockenen Ebenen gute Erträge, Zuckerrohr und Kakao gehören dem Norden und Westen der Insel an, auf den Steppen des Innern wird Viehzucht erfolgreich betrieben. So darf von der Gesamt⸗ Insel gesagt werden: Sie besitzt nur wenige nicht ertragsfähige Gebiete.
Fragt man nach den Haiti bewohnenden Menschen, wie und was sie sind, was sie erreicht haben und ferner zu erreichen hoffen dürfen, so ist eine runde Antwort schwer zu erteilen. Die Neger wohnen isoliert im Bergwalde, bares Geld bringt ihnen der Kaffee, wofür sie andere Lebensbedürfnisse eintauschen können. Ihre Siedlungen sind meist mit Palmenalleen als Freiheltssombolen geschmückt. Neben den Negern reinen Blutes spielen die Mischlinge, wenn sie auch kaum mehr als 100,0 der Gesamtbevölkerung ausmachen, eine hervorragende Rolle. In Port au Prince leben vor allem viele Mu⸗ latten. Nachkommen der indianischen Urbevölkerung gibt es nicht mehr. Diese ist zwischen 1510 und 1530 von den Spaniern zu Millionen vernichtet worden, die so lange hier — auf ihrem gepriesenen San Domingo oder Hispaniola — wüteten, bis sie in Mittelamerika an Silber und Gold ergiebigere Länder gefunden hatten. Um 1690 kamen die Franzosen nach Halti und gründeten eine Plantagenkolonie, die während des ganzen 18. Jahrhunderts mit Hilfe der als Sklaven eingeführten Neger in solchem Grade blühte, daß um 1796 die Ausfuhr der Insel an Kaffee, Indigo und Zuckerrohr sich auf 300 Millionen Mark an Wert be— zifferte. In dieser Zeit legten die Franzosen auf der von ihnen be— setzten Westseite Haitis Straßen an; die im Besitz der Spanier bleibende, zumeist Viehzucht treibende Ostseite genoß nicht den Kultur⸗ fortschritt des Straßenbaues, aber die Rassenmischung erfolgte hier stärker als auf der Westseite, wo die Neger vorherrschend blieben. Nach der französischen Revolution wurde durch die Franzosen auf Halti Selbstverwaltung eingeführt, von Napoleon aber in der Be⸗ sorgnis des Verlustes der Kolonie 1802 Militär dorthin gelegt. Da in der Folge aber der Nachschub ausblieb, siegte schließlich das Neger⸗ element politisch über die Kolonisten und Pflanzer. Vorübergehend war dann von 1806 ab dieser westliche Teil der Insel, der heute die Republik Haiti bildet, während der Osten als Republik „Santo Domingo“ von ihr unabhängig besteht, Sitz eines Negerkönigs, ja eine Zeitlang sogar eines Negerkaisers, bis 1859 die republikanische Staatsform eingeführt wurde, die nun 55 Jahre, allerdings unter be⸗ ständigen Parteikämpfen und Zuckungen, sich erhalten hat. Was durch Europäer hier an Kulturwerten geschaffen worden war, ist durch das mehr als hundertjährige Negerregiment ziemlich vollständig wieder vernichtet worden. Die finanzielle Lage des Landes ist so ungünstig wie möglich. 6 * 15 bis 20 Jahren sind die Nord⸗ amerikaner vergeblich bemüht, auf Haiti, das, in Anknüpfung an seine Glanzzeit im 18. Jahrhundert, die französische Sprache als Staatssprache beibehalten hat, irgend welche Fortschritte zuwege zu bringen. Man hatte gehofft, durch Verbindung der die Intelligenz verkörpernden Mulatten Erfolge zu erzielen; doch hat dies Element keineswegs das Vertrauen gerechtfertigt, das man ihm geschenkt. Die Ausfuhr aus Haiti beträgt z. Zt. nur etwa den 10. Teil vom Wert, der im Jahre 1796 bereits erreicht war, die Einfuhr 15— 20 Millionen Mark. Der deutsche Handel ist am Verkehr stark beteiligt. Die Zahl der in Halti ansässigen Deutschen dürfte 6090 nicht übersteigen, unter einer Gesamtbevölkerung von etwa einer Million auf einer Fläche von 28 000 km. Das zweite Staatengebilde auf der Insel, die Republik Santo Domingo, bedeckt 48 000 km, bei 450 000 Ein⸗ wohnern, ist also ungleich dünner bevölkert als Halti. Ein Vergleich dieser beiden Republiken — auch Santo Domingo hat dieselbe Be⸗ völkerungsmischung wie Halti — mit dem benachbarten, britischen Jamalka legt die Erfahrung nahe, daß die Neger aus sich selbst nicht entwicklungsfählg, vielmehr auf schon geschaffene Kulturelemente zerstörend einwirken.