1914 / 97 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 25 Apr 1914 18:00:01 GMT) scan diff

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sässige Bevölkerung im Osten haben. Graf Moltke und mit ihm die anze Rechte haben daruber gelacht, daß mein Freund Hus von zauernfreundlichkeit gesprochen hat. Inbezug auf Bauernfreundlich⸗ keit nehmen wir es mit Ihnen auch auf. Der Bauer wird infolge der Vergewaltigung durch die konservativen Gutsbesitzer um Sozial demokralen. Wenn man wunscht, daß die Sozialdemokratie sich auf eine einsame Insel zurückzsge, so müß ich, sagen, daß erstens diele Insel sehr groß sein müßte, und zweitens würden wir dann auf dieser Insel nicht eine solche Kultur treiben, wie sie manche andere Kreise

Abg. von Trampezvns ki (Pole): Wir mißgönnen unseren deutscken' Mitbürgern nicht, daß ihre Lage verbessert werden soll, aber wir empfinden es als ein schweres Unrecht, daß wir von Wohl⸗ aten, zu denen wir ebenfalls S ausgeschlossen werden.

Deutsche auch von polnischen Banken Kredit erhalten haben.

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sfonds der Oberpräsidenten zur Förderung des

und die beiden Posten im Extraordinarium, zweite Rate der Beteiligung des Staates bei der deutschen Pfandbriefanstalt in Posen in Höhe von 1 Millien Markt und elfte Rate von einer Million Mark für Erwerb und Erschließung des Um— wallungsgelän e ;

Bei den sgaben für die Reisekosten der Obeꝛrpräsi⸗ denten und der Regierungspräsidenten führt

Abg. Dr. von Brüning Eons) aus, daß ein Teil seiner Freunde sich nicht von der Rotwendigkeit der Haltung von Automohilen für die betreffenden Beamten überzeugt habe, daß sie aber mit Rück⸗ sicht darauf, daß nur bei größeren Regierungen und nur, wo dies aus ortlichen und sächlichen Gründen sich als notwendig erwiesen hat, die Bereithaltung von Automobilen bon der Regierung in Aussicht ge⸗ nommen fei, dieser Position nicht widersprechen wollen.

Bei den Ausgaben für die Verwaltung des Tiergartens in Berlin erkennt .

Abg. Dr. Pachnicke (fortschr. Volksp.) an, daß die Tier- gartenderwaltung sehr viel für die Verschönerung dieses Tiergartens getan habe. Ramentlich der Rosengarten müsse jeden Blumenfreund er würde es auch dann, wenn er ohne Standbilder ge— . Gine Fortffetzung dieser Tätigkeit für die Verbesserung der Verhaltnisse im Tiergarten sei nur zu wünschen und auch zu er⸗ gegen muͤsse lebhaft Klage geführt werden darüber, daß ilce sich in einem sehr trostlosen Zustande befinde, daß

rkebrsstraße mitunter geradezu einen Morast bilde. Hoffent⸗

lich werde auch hier bald eine Besserung geschehen. Redner tritt dann noch dafür ein, daß die Arbeitskräfte der Tiergartenverwaltung

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in bezug auf Urlaub und Arbeitszeit den städtischen Gartenarbeitern gleichgestellt werden.

Der Rest des Ordinariums und das Extraordinarium werden ohne Debatte unverändert bewilligt.

Ueber den Etat der Staats schulden verwal— tung berichtet im Namen der Budgetkommission der Abg. Dr. von Campe (nl.

Gleichzeitig beraten wird der 65. Bericht der Staats⸗ schuldenkommission über die Verwaltung des Staatsschulden⸗ wesens.

Abg. von Kardorff ffreikons): Wir haben eine ganze Reihe von Gesetzen gemacht, durch welche Gesellschaften gezwungen werden, einen bestlmmten Teil ihres Bestandes in Staatspapieren anzulegen. Eine solche Bestimmung ist auch in das Sparkassengesetz aufgenom- men worden. Man hat uns damals die Zusicherung gegeben, a. wenn dieses Gesetz zustande käme, man auch auf die Versiche rungsgese

chaften einen Zwang ausüben würde. Es sollen nun Erwagungen barüber schweben. Es wäre jetzt wahrlich an der Zeit, die Er— wägungen abzuschließen und das damals abgegebene Versprechen ein⸗ zuloͤsen. Je größer der Betrag ist, der jedes Jahr von festen Händen ufgenomnien wird, desto besser ist der Kursstand. Dann wurde Klage geführt über sehr große Verluste, die die Sparkassen durch den Rückgang der Staatspapiere erlitten haben. Daz sollte Anlaß zum Nachtenken geÜen. Auf jeden Fall weist diese Tatsache mit Not- wendigkeit darauf hin, in Zukunft nur amortisierbare Anleihen aus- zugeben.

Abg. von Ditfurth (kons): Ich bitte den Minister um Auskunft darüber, was das Wort Domänenprästantiarien zu be—⸗ deuten hat. Ich bitte doch, in Zukunft Ausdrücke zu wählen, die einem jeden geläufig sind.

Abg. Dr. Pachn icke (fortschr. Volksp.): Wir haben uns zu fragen, ob jetzt der geeignete Zeitpunkt für eine vermehrte Schuldentilgung gekommen ist. Der Vermögensstand des preußischen Staates ist so glänzend wie der keines anderen Staates der Welt. Unseren Schulden kon 15 Milliarden steht fast das Doppelte an Vermögen gegenüber. Eine dringende Veranlassung zur Schuldentilgung liegt nicht vor. ommt hinzu, daß wir jetzt schon über das gesetzlich festgelegte 3hinaus Schulden tilgen. Wir dürfen doch nicht vergessen, daß der s auch gar nicht einen richtigen Ueberblick über zen geben kann. Wir wissen nicht, was zes alles einkommt. Auch steht nicht fest, pensionäre gebrauchen. Ehe wir nicht völlige anzverhältnisse der Zukunft haben, können chluß fassen. schalk-⸗Solingen (nl): Wir haben bereits nission zu erkennen gegeben, daß der Tilgungsplan ers etwas Verlockendes an sich hat. Der Finanz⸗ isbesondere auf das schöne Vorbild des Reiches ver— z ist gewiß erwünscht, daß im Reiche reichlich Schulden n, und wir wollen hoffen, daß das Reich immer die zur Verfügung hat. Das Reich hat ja nun nicht so viel nder Natur aufzunehmen wie Preußen. Jede Tilgung aut, und es ist gewiß ein Ideal, alle Schulden zu

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so müßten wir uns doch auch über den Umfang Fi inister rechnet einen Schuldenbetrag von

er getilgt werden müsse. Der Kollege

viesen, daß die meisten preußischen

sind. Auch wenn man ihm nicht in

ird sich doch höchstens eine halbe d

zminist

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n, inden das Eisenbahnabkommen trafen, den Aus— dieses Abkommen ist ja jetzt wieder um Hätten wir das Abkommen nicht ge—⸗

les in allem 150 Millionen außerordentlich Das wäre bei der Schätzung einer halben bender Anleihen ein ganz erheblicher Betrag. Antrage, der einer weiteren gesetzlichen Rege⸗ n sind wir in der Kommission nicht durch⸗ Wir werden nunmehr dem von dem Finanzminister im die Zinsersparnis von 2376 000 M zur

z keine Bedenken ent⸗

r berwwews* zu derwenden,

Zentr); Der größte Teil meiner Freunde icke mit des Finanzministers Vorschlag aatsschulden nicht einverstanden er⸗

uschläge großen Widerstand ent⸗ at die Gründe für unsere Stellung⸗

nahme eingehend dargelegt, und sie sind auch in der Budgetkommission ausführlich erörtert werden.

Finanzminister Dr. Lentze:

Ich möchte mir die Frage erlauben, ob die Besprechung über die außerordentliche Schuldentilgung geschlossen ist oder nicht. Ich konnte es bei der außerordentlichen Schnelligkeit nicht verfolgen.

Meine Herren, ich habe schon in meiner Etatsrede darauf hin⸗ gewiesen, daß nach der Ansicht der Königlichen Staatsregierung die Tilgung unserer Staatsschulden bei weitem nicht ausreicht und daß es dringend erwünscht ist, daß neben den bisherigen Tilgungen eine Ver— stärkung, wenn auch nur in bescheidenem Umfange eintritt. Unsere Staatsschulden werden bekanntlich nach dem Gesetze von 1897 nur mit 3 3 von dem jeweils validierenden Kapital getilgt ohne Hinzu⸗— rechnung der ersparten Zinsen. Meine Herren, das ist ein Tilgungs⸗ modus, der sonst nirgendwo besteht; fast alle sonstigen Schulden, im Reich, in anderen Staaten und in den Kommunen werden so getilgt, daß das ursprüngliche Schuldkapital zugrunde gelegt wird, und man auch noch die ersparten Zinsen hinzunimmt. Nur wir tilgen in dieser durchaus geringen Form, daß von dem jeweils validierenden Ka— pital nur ein Betrag von 3.5 3 getilgt wird.

Meine Herren, als dieses Gesetz erlassen wurde, nahmen die Staatsschulden bei weitem nicht in dem Maße zu, als es heute der Fall ist. In den früheren Jahren gehörten Anleihesummen in der Höhe, wie wir sie jetzt alljährlich aufzulegen genötigt sind, zu den Ausnahmen. Es kam sehr selten vor. Dadurch ist es gekommen, daß ein großer Teil unserer Staatsschulden, welcher nur zum Teil zu werbenden Zwecken aufgenommen ist, doch nicht in dem Maße Zinsen bringt und abgetragen wird, als es erwünscht ist. Im Reich hat man eingesehen, daß zu einer gesunden Finanzwirtschaft unbedingt auch eine regelmäßige und starke Schuldentilgung gehört und infolge⸗ dessen hat man im Reiche die gesamten Reichsschulden, die bis zum 1. Oktober 1910 aufgelaufen sind, einer starken Tilgung unterworfen, einer Tilgung von 1 23 vom ursprünglichen Anlagekapital plus der ersparten Zinsen. Dadurch werden die Reichsschulden, die bis dahin aufgelaufen waren, am 1. Oktober 1953 sämtlich verschwunden sein. Damit nun die schlechte Finanzlage beim Reich nicht wieder einreißen kann, ist zu gleicher Zeit ein Gesetz erlassen, daß sämtliche neuen Reichsschulden ebenfalls einer starken Tilgung unterliegen; und zwar, soweit die Schulden werbenden Zwecken dienen, soll eine Schuldentilgung von 19 * plus ersparte Zinsen und, soweit sie nicht werbenden Zwecken dienen, sogar von 3 26 plus ersparten Zinsen stattfinden Meine Herren, das sind Summen, die ganz außer— ordentlich hoch sind, die von Jahr zu Jahr immer höher werden, sodaß in ganz kurzer Zeit, bei den werbenden Anlagen nach 30, und bei den nicht werbenden Anlagen sogar schon nach 25 Jahren die Reichsschulden getilgt sind. Meine Herren, das ist ein großes Sicher⸗ heitsbentil für die Reichsfinanzen. Denn wenn auch neue Anleihen beim Reich aufgenommen werden, so kann man immer den Zeitpunkt absehen, wann hinterher diese Schulden wieder verschwinden. Nur bei uns in Preußen ist das vollständig ausgeschlossen, hier verschwindet die Staatsschuld niemals; denn eine Tilgung von 25 2 von der je⸗ weiligen Schuld kann mathematisch niemals zu Ende kommen und tut es auch nicht.

Nun, meine Herren, besitzen wir zurzeit nicht die Mittel, eine große starke Schuldentilgung in Preußen zur Durchführung zu bringen. Denn bei unserer hohen preußischen Staatsschuld von über 10 Milliar— den würden ganz erhebliche Beträge notwendig sein, um wirklich eine fühlbare Amortisation herbeizuführen. Wenn wir auch die ersparten Zinsen überall heranholen und das ursprüngliche Anlagekapital zu— grunde legen wollten, würden Summen herauskommen und unseren Etat belasten, daß wir unsere Finanzen ganz anders anspannen müßten. Diesem Vorschlage will ich auch gar nicht nähertreten. Aber, meine Herren, es ist doch unbedingt notwendig, daß wenigstens derjenige Teil der Staatsschuld, der nicht werbender Natur oder jedenfalls nur so beschaffen ist, daß er nur geringere Zinsen aufbringt, in etwas stärker getilgt wird, als das bisher der Fall war. Unsere Eisenbahnschulden werden zwar auch nur mit den bekannten drei Fünfteln getilgt. Aber man kann doch immerhin sagen, daß in der Gestaltung unseres Eisenbahnextraordinariums von 1,15 2 des statistischen Anlagekapitals eine Abschreibung liegt, und infolgedessen kann man darüber eher hinwegsehen. Unsere Bergschulden haben auch besonders Tilgungsmodalitäten; die sollen auch nicht in Betracht ge— zogen werden. Aber unsere ganzen übrigen Schulden müssen stärker getilgt werden. Unter diesen Schulden, die noch 2,3 Milliarden be⸗ tragen, ist ein sehr großer Posten von Defizitanleihen, die absolut nicht für werbende Zwecke, sondern für die Fehlabschlüsse des Staats- haushaltetats aufgenommen sind. Außerdem befinden sich unter ihnen eine ganze Menge Schulden, die sich geringer verzinsen. Ich ver— weise nur auf die Anleihen für Siedlungszwecke, Wohnungspolitik usw. wo allerdings, wie Herr Abg. Dr. Pachnicke ganz zutreffend hervor— gehoben hat, Einnahmeposten erscheinen, die uns jedoch nur eine so

geringe Einnahme bringen, daß man, um sie voll zu verzinsen, aus den übrigen Etatsmitteln noch hinzulegen muß, die also keine volle Verzinsung bringen.

Nun verfolgt der jetzige Antrag einen doppelten Zweck. Es soll erstens periodisch in mäßiger Weise eine verstärkte Schuldentilgung eingeführt und zweitens die Möglichkeit eröffnet werden, daß dem Staate von Zeit zu Zeit immer wieder eine Einnahme zur Verfügung steht, die bis dahin anderen Zwecken dienen mußte, der Staat also periodisch die Mittel für plötzlich auftretende, unvorhergesehene größere Ausgaben erhält.

Nun meinte Herr Abg. Dr. Pachnicke, der Zeitpunkt, in dem man damit vorgehen wollte, wäre durchaus ungeeignet, denn die ganzen Verhältnisse wären doch ungeklärt, man könnte nicht wissen, welche Forderungen für die Altpensionäre entstehen, welche Forde⸗ rungen für den Schullastenausgleich und welche sonstigen Forderungen uns noch bevorständen, und deswegen wäre es ganz unangebracht, jetzt mit einer solchen Maßregel vorzugehen. Meine Herren, ähnliche Er—⸗ wägungen haben mich veranlaßt, davon abzusehen, Ihnen einen Gesetz⸗ entwurf vorzulegen; eine direkte Bindung hielt die Staatsregierung in diesem Augenblicke auch nicht für tunlich; es wäre auch nach unserer Ansicht nicht richtig, jetzt mit einem solchen Gesetzentwurf an den Landtag heranzugehen, weil man tatsächlich nicht weiß, was für Aus. gaben für uns in nächster und übernächster Zeit bevorstehen. In⸗ folgedessen soll diese Maßregel versuchsweise eingeführt werden, indem Regierung und Landtag ein Programm aufstellen, nach welchem, wenn keine besonderen Verhältnisse dazwischen kommen, für die nächsten zehn Jahre verfahren werden soll.

Meine Herren, dem einen muß ich aber ganz entschieden wider⸗ sprechen, was der Herr Abg. Dr. Pachnicke ausgesprochen hat. Er hat gesagt: Unser Staatsvermögen ist so groß, und unsere sonstigen Einnahmen sind so sicher, daß unsere sämtlichen Schulden erstklassig fundiert sind, sodaß es überhaupt absolut überflüssig ist, unsere Schul den stärker zu tilgen. Meine Herren, daß unser Staats vermögen groß und sicher ist, erkenne ich dankbar und freudig an. Der preußische Staat ist, Gott sei Dank, so fundiert, daß er über ein großes Ver⸗ mögen verfügt, und ebenso sind sämtliche Schulden, die der preußische Staat aufgenommen hat, absolut sicher. Das ist alles richtig. Aber, meine Herren, es ist doch ein vollständig falscher volkswirtschaftlicher Grundsatz, daß man ein gut fundiertes Vermögen immer mehr ver— schuldet. (Sehr richtig! rechts.) Unsere Schulden wachsen, aber unser Vermögen wächst nicht in dem Maße. Es ist deshalb volkswirtschaft⸗ lich unrichtig, daß man das kräftige Vermögen durch Schulden all⸗ mählich verschulden läßt. (Sehr richtig! rechts) Da muß man, wenn man volkswirtschaftlich richtig verfahren will, auch für eine Wieder—⸗ beseitigung der Schulden Sorge tragen, selbst wenn alle Schulden so sicher sind, wie sie es heute sind, und selbst, wenn die Gläubiger, wie bei uns, niemals Angst zu haben brauchen, daß sie nicht wieder zu ihrem Gelde kommen.

Aus diesem Grunde möchte ich doch bitten, daß sie dem Vor⸗ schlage der Königlichen Staatsregierung Folge geben und darein willigen, daß der Versuch mit dieser bescheidenen Verstärkung der Schuldentilgung gemacht wird. Der Etat wird nicht sonderlich da⸗ durch belastet; auf der anderen Seite haben wir aber nach 10 Jahren über 140 Millionen außerordentlich getilgt, und wenn die Zeit vor⸗ über ist, haben wir obendrein dann einen Betrag, der bis dahin schon im Etat vorhanden gewesen ist, für andere bis dahin noch nicht vor⸗ gesehene Zwecke verfügbar. Das ist ungemein wichtig. Gerade diese

allgemeine Reserve fehlt uns in unserem Etat vollständig, und manch. Frage muß von der Staatsregierung zurückgestellt werden, weil sie sich sagen muß, dafür haben wir zurzeit überhaupt keine Mittel, wir wissen nicht, wie wir Deckung schaffen sollen. Aber, meine Herren, wenn wir periodisch im Etat selbst immer wieder solche allgemeinen Reserven haben, ist unserem Etat für solche Zwecke wesentlich geholfen. Wir haben also zwei Folgen, wenn Sie diesen Vorschlag stattgeben: ein⸗ mal, daß wir eine besondere Reserve für zukünftige Bedürfnisse er⸗ halten, und zweitens, daß wir unsere Schulden schwächer anwachsen lassen, indem wir, wenn auch bescheiden, so doch in stärkerem Maße tilgen als bisher. (Bravo h

Abg. Dr. Pachnicke (fortschr. Volksp. : Wir halten es im ge⸗ genwärtlzen Augenblick nicht für angezeigt, eine erhöhte Schuldentil— gung vorzunehmen. Die Argumente, die der Finanzminister für eine verstärkte Schuldentilgung angeführt hat, können uns nicht überzeugen. Der Unterschied zwischen den Schulden im Reich und denen in Preußen liegt auf der . und wird auch vom Finanzminister nicht übersehen. In Preußen handelt es sich in erster Linie um Schulden werbender RNatuͤr, im Reiche bagegen um Schulden umproduktiver Art, in erster Linie namentlich um Schulden für militärische Zwecke. Daß bei der Tilgung solcher Schulden unproduktiver Art ein schnelleres Tempo ein⸗ geschagen wird, ist selbstverständlich, aber daß es notwendig ist, auch für die preußischen Schulden ein schnelleres Tempo einzuschlagen, dafür ist uns der Finanzminister den Beweis schuldig geblieben. Eine Aende⸗ rung in dieser Richtung halten wir erst für wünschenswert, wenn sich die Verhältnisse klar übersehen lassen.

Damit schließt die Besprechung. Ein Antrag des Abg. Dr. Pachnicke, den Ausgabetitel „Zur Verstärkung der gesetz⸗ lichen Schuldentilgung durch ersparte Zinsen 2376 000 Mark“ zu streichen, wird nach Probe und Gegenprobe abgelehnt. Der Titel wird durch eine Mehrheit, bestehend aus der Rechten und den Nationalliberalen, bewilligt, ebenso der gesamte Etat der Staatsschuldenverwaltung.

Es folgt der Etat des Hauses der Abgeord⸗ neten

Berichterstatier Abg. Dr. Pachnicke verweist bezüglich der Ver⸗ handlungen der Budgetkommission auf den ausführlichen schriftlichen Bericht.

Es liegt zu dem Etat folgender, von dem Abg. Dr. Dättrich-Braunsberg (3entr) gestellter und von Mit⸗ gliedern der freisinnigen Volkspartei, von Nationalliberalen und Freikonservativen unterstützter Antrag vor:

Die Königliche Staatsregierung wird ersucht, den Mit⸗

liedern des Hauses der Abgeordneten für die

Dauer der jedesmaligen Legislaturperiode und für die gesamte Monarchie ein Fahrkarte zur freien Fahrt in beliebiger Wagen klasse auf den preußisch⸗hessischen Staatsbahnen zu gewähren.“

Abg. Dr. Di tt rich Gentr.): Ich kann diesen Antrag um so unbefangener und objektiver empfehlen, als ich so gut wie gar nicht reise, schon deshalb nicht, weil ich wegen meines hohen Alters eine zehn- bis zwölfstündige Fahrt im D⸗Zuge kaum noch aushalte. Die Freikarte nach der Heimat (nach dem Wahlkreise) liegt besonders im Interesse derjenigen Abgeordneten, die einen freien Beruf ausüben, der Landwirte, Rechtsanwälte, Geschäftsleute. Sie versäumen und ver⸗ lieren durch ihre dauernde Anwesenheit in Berlin außerordentlich viel. Sie müssen häufig nach Hause reisen, um dort Anordnungen zu treffen. Die Freikarte verlangen wir aber auch zu dem Zwecke der Infor⸗ mationsreisen. Jeder Abgeordnete hat das Bedürfnis und die Pflicht, mit seinen Wählern in Fühlung zu bleiben. Das erfordert seine ganze Stellung. Um diese erfüllen zu können, ist es mindestens sehr wün⸗ schenswert, daß er eine Freikarte auch nach seinem Wahlkreise hat, aber nicht bloß bis an die Grenze seines Wahlkreises, sondern auch innerhalb des ganzen Wahlkreises. Der Abgeordnete ist aber nach der Verfassung nicht nur der Vertreter seines Wahlkreises, sondern des ganzen Landes. Er ist der Vertreter aller Volksschichten und aller Berufsstände. Dar⸗ aus folgt mit notwendiger Konsequenz, daß er sich im ganzen Lande in⸗ formieren muß. Will er das in ausreichendem Maße tun, dann muß er eben eine Freikarte durch das ganze Land haben, aber nicht nur für die Dauer der Session, sondern für die ganze Legislaturperiode, denn er muß seine Informationen in die parlamentsfreig Zeit ver—⸗ legen. Die Freikarte ist aber auch notwendig im Interesse der Agi⸗ tation im Lande. Wer die Fahne seiner Partei hochhält, muß ihr auch Anerkennung verschaffen, nicht bloß in seinem Wahlkreise, sondern auch in den weitesten Kreisen, im ganzen Lande. Das Recht der Agitation ist auch allgemein anerkannt, sie ist allgemein üblich und auch notwen⸗ dig, auch im Interesse des Staates. Der Agitation der nichtstaats⸗ erhaltenden Partei muß eine Agitation der staatserhaltenden Parteien entgegentreten können, und das ist notwendig und wünschenswert im Interesse des Staates. Auch deshalb muß der Staat die Freikarte für die Dauer der Legislaturperiode gewähren. Aus allen diesen Grün⸗ den bitte ich Sie, unseren Antrag anzunehmen.

Unterstaatssekretär im Ministerium des Innern Dr. Drews: Der Minister des Innern hat mich beauftragt, zu dem vorliegenden Antrage nachstehende Erklärung abzugeben: „Ich bin nicht in der Lage, die Zustimmung des Königlichen Staatsministeriums zu dem. Antrage Dr. Dittrich⸗Braunsberg, betreffend die Bewilligung von, Eisenbahn. freikarten während der ganzen Legiglaturperiode an die Mitglieder des Hauses der Abgeordneten, in Aussicht zu stellen. Die Frage der Ab- anderung der Vorschriften über Diäten und Reisekosten war in de

letzten Session der vorigen Legislaturperiode in eingehenden Beratur

gen erörtert worden. Das Ergebnis der hierbei ene enn, 3 stimmungen eröffnet nicht die. Möglichkeit, eine entsprechen e 6 lung mit dem für die Königliche Staatsregierung in vorderster 6. stebenden Ziele der Verbesserung der räsenzstärke des , es n Einklang zu bringen. Damit entschwindet die erste Grundlage für ein Vorgehen der Königlichen Staatsregierung, der in dieser Frage eine orders forgfältige Prüfung um so mehr auferlegt ist, als damit eine . der verf rechtlich Borschriften verbunden sein Veränderung der verfassungsrechtlichen Vorschriften würde.“ ; ö . Abg. von Bockelberg Fon Die eben gehörte Erklärung wird die Diskussion abkürzen. Ein Teil meiner politischen Freunde wird dem Antrage zustimmen, der größere Teil, zu dem auch i . höre, lehnt ihn ab. Der ehrenamtliche Charakter, den die preuß che Verfassung dem Abgeordneten zuweist, erleidet unbedingt Einbuße, wenn dem Abgeordneten aus der Staats kasl Vorteile erwachsen, die nicht unbedingt notwendig sind, um sein Mandat pflichtgemäß und gewissenhaft ausüben zu können. Den Antrag selbst ist nicht neu, er nthalt aber in diesem Jahre ein Reihe von Erweiterungen. Wer Lutrag enthält aber keinerlei Mittel, damit sein Zweck auch erreicht wird. Es scheint die Absicht der Antragsteller zu sein, dahin zu win— En daß der Abgeordnete häufiger, als es jetz vielfach den Fall ist, mwefend ist. Wenn man auf die Freifahrtkarten der Reichstags⸗ Rrgeordneten hinweist, dann muß man auch Taran denken, daß immer⸗ in doch ein Unterschied besteht. Als die Freifahrtkartenberechtigung für die Mitglieder des Reichs tages eingeführt wurde, wurden An⸗ mesenheitsgelder eingeführt. Man darf, auch nicht vergessen, daß die bäcordneten Vergnügunggreisen auf Grund ihrer Freifahrtkarten nernehmen. (Zuruf des Abg. Hoffmann: Woher wissen Sie denn das?) Das brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Das Bedürfnis nach Besichtigungen im Inlande kann durch die gemeinsamen Reisen der Mhöeordneten unter sachkundiger Führung ausreichend gestillt werden. Abgeordnete soll nicht bloß, wie es heißt, für seinen Wahlkreis, auch für das ganze Land da sein, er soll es deshalb auch knnen lernen. Man hätte auch hinzusetzen können, daß es vielleicht much im Interesse des Staates ist, wenn dem Abgeordneten Gelegen⸗ beit gegeben wird, in seinem Wahlkreis zu agitieren. Logischerweise müßte man ihm dann auch Entschädigungen für die Auslagen auf dier Reise gewähren. Es könnte dahin kommen, daß in der Be— pelkerung der Anschein erweckt wird, als ob der Abgeordnete ein ganz kesonderes Privilegium genießt, und daß er deshalb seine Reise nicht zu bezahlen braucht. (Zuruf des Abg. Hoffmann: Jeder Eisenbahn⸗ amte hat doch freie Fahrt) Es laßt sich allerdings nicht leugnen, daß diejenigen Herren, die nicht um Berlin herum wohnen, materiell kr viel schlechter gestellt sind. Es hat sich aber bisher noch nicht fistellen lassen, ob die freie Fahrt, die wir jetzt schon haben, die fen; des Hauses verbessert oder verschlechtert hat. Auf jeden Fall bas Bedürfnis, eine solche Aenderung herbeizuführen, nicht nach⸗

Abg. Dr. Levy (ul): Die Mehrzahl meiner Freunde stimmt dem Antrage zu. In der Verfassung ist direkt gesagt, daß die Ab⸗ Rordneten nach Maßgabe des Gesetzes Diäten beziehen. Darin ist. loch vorgesehen, daß der Abgeordnete für seinen durch, das Amt not⸗ nendigen Aufwand entschädigk ist. Daß diese Entschädigung auch über

die Sitzungsdauer hinaus gewährt werden muß, hat ja ein früherer

Präsident dieses Hauses der Oberrechnungskammer gegenüber direkt dertreten. Wir haben heute die Freifahrkarte vom Wohnsitz des Abgeordneten nach Berlin. Aber es ist notwendig, daß der Ab⸗ nete auch mit seinen Wählern Fühlung nimmt, deshalb muß e Freifahrkarte auch nach seinem Wahlkreis gewährt werden. amn geht es doch auch nicht an, daß man dem Abgeordneten außer⸗ ch die Reiseroute vorschlägt. Werden wenigstens diese Be⸗ gen aufgehoben, dann sind wir von der Gewährung der Frei⸗ rten auf allen Linien der preußisch⸗hessischen Eisenbahngemein— nicht mehr weit entfernt. Daß ein Mißbrauch mit diesen Fahr— getrieben wird, glaube ich nicht. Eine finanzielle Belastung Cisenbahnetats wird auch kaum eintreten, dann könnten ja die etergelder, die jetzt für die Abgeordneten gezahlt werden, fort—

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wesen ist, ausgedehnt werden soll.

neren und zwar, weil nach Ansicht des Herrn Ministers Zuruf:

Welcher? die Frequenz des Hauses durch die Erteilung der Frei⸗ fahrtberechtigung nicht gefördert werden wurde. Das dürfte in keinem

1 ahrung? Von uns doch nicht.

würdigkeit gegenüber seinen Freunden oder ein Mißtrauen sein? Ich Laube, es ist das letztere. Ich aber habe mehr Vertrauen zu seinen Freunden. Wir haben die Ueberzeugung, daß die Männer, die in ras Haus gewählt sind, die Freifahrkartenberechtigung zu den Zwecken

6 ü Was für lahme

Gründe sind das alles! Es soll ein Privileg der, Abgeordneten sein, we freie Fahrt haben. Das Privileg, Abgeordneter zu sein,

von den meisten von uns mit großen Opfern an Zeit und auch

J Geld erk Es ist nicht jeder in der glücklichen Lage, Landrat , in, daß er hier ruhig seiner Pflicht nachgehen kann, ohne daß dem. Staate daraus ein Nachteil erwächst. Es geht da nicht an, uns u, agen, wir wollten uns nur vor den Verhandlungen im Hause drücken. Die Reichstagsabgeordneten haben freie Fahrt in gan Deutschland, allerdings noch etwas beschränkt. Diese fah übera and, allerdings noch etwas beschränkt. Diese fahren übera

uf den preußischen Bahnen. Jedes deutsche Land, das selbst über⸗

stattgegeben, was wir erst noch bekommen sollen. Bayern, 32 Abgeordneten bereits ä Freikarten gegeben in dem Umfange, in dem wir sie wünschen. Ist Tätigkeit im preußischen Abgeordnetenhause weniger wichtig als Tätigkeit der Landtagsabgeordneten dieser kleinen Staaten? Und t das Bedürfnis, sich zu informieren, im preußischen Landtage neniger groß als in jenen Landtagen? Es ist ja oft hier mit Stolz Forgehohen worden, im preußischen Abgeordnetenhaus werde gründ⸗ . gearbeitet. Ich bin der Letzte, der das bestreiten würde, aber nun kann. nur gründlich arbeiten, wenn man sich informiert, und eine mation an Ort und Stelle ist oft unumgänglich nötig; Die ecke macht uns oft den Vorwurf, wir verständen die Verhältnisse m »sten zu wenig. Sehen Sie, wir haben das Bedürfnis, uns auch ort zu informieren. (Zuruf des Abg. Ad. Hoffmann: Das ist . ngs.) Deshalb wollen wir auch diese Freikarten. Hinter wier Ablehnung steckt kein sachlicher Grund, sondern parteipolitische Fomente. Es entspricht aber doch nicht der Würde des Abgeordneten⸗ es wenn man derartige parteipolitische Momente entscheiden Paßt in einer Frage, in der ein Parlament einig sein müßte.

9 . . 8 ö 8 F . hen 6 Di r ch Berlin (Soz.): Ich habe mich im Gegensatz zu . egen Dr. Levy über die heutige Erklärung des Regierungs⸗ an mifsarg Cefreut, denn die Regierung hat sich damit doch wenig—⸗ 6. an dieser Erörterung schon vorweg beteiligt, was sie bisher e ebe ent, hat. Vor 4 Jahren wurde durch die Regierung die e ahr kartenfrage noch als eine politisch höchst bedeutsame bezeichnet; a nicht mehr geschehen. Wir haben es allerdings nur mit . des Ministers von Dallwitz zu tun. Minister 1 Vallwitz, wie wir ihn kennen, verleugnet sich auch in dieser Erklärung

nicht. Die Verquickung der Frage mit der rchuenm des Hauses ist abfolut nicht am Platze. Wir stimmen für den Antrag Dittrich. Die Argumente des Abg. von Bockelberg sind bereits von einer großen Mehrheit des Hauses mit Nachdruck zurückgewiesen worden; sie haben namentlich auch nicht das geringste dazu beitragen können, die Ueber⸗ zeugung von der Notwendigkeit ausgiebigster Informationen der Ab⸗ geordneten an Srk und Stelle zu erschüttern oder zu entkräften, Zum Vergnügen fährt niemand auf der Bahn, solcher komischen Menschen dürfte es nur äußerst wenige geben; von einem Mißbrauch oder gar pon einer Vernachlässigung der parlamentarischen Geschafte infolge der Gewährung von Freifahrtkarten in dem geforderten Umfange kann nicht die Rede sein. In anderen parlamentarisch regierten Staaten verliert man Über solchè Dinge überhaupt kein Wort; in Preußen ist es anders. Das Haus muß der Regierung zeigen, daß die große Mehr⸗ heit auf dem Boden des Antrages steht, dann kann sie später sich nicht mehr darauf berufen, daß im Hause selbst keine Einigkeit darüber besteht.

Abg. Dr. Bredt lfreikons): Es ist wohl kein Zweifel mehr vor⸗ handen, welche Aufnahme der Antrag Dittrich, wenn er angenommen werden' sollte, bei der Regierung finden wird. Ich möchte jetzt die Aufmerksamkeit des Hauses auf die Lage unsere Bibliotheksgehilfinnen lenken, die noch immer auf tägliche Kündigung angestellt sind.

Präsident Dr. Graf von Schwerin unterbricht den Redner und weist darauf hin, daß jetzt nur noch über den Antrag, betr. die Freifahrkarten, verhandelt werden soll.

Persönlich bemerkt

Abg. von Bockelbu rg Eons. Ich habe nicht gesagt, daß die Frei⸗ fahrkarten eine Verminderung der Frequenz des Hauses herbeiführen würden; gesagt habe ich es nicht, was ich darüber denke, ist ja eine andere Frage.

Abg. Lippmann ortschr. Volksp.: Der Abg. von Bockel⸗ berg hat Wendungen gebraucht, die mich berechtigen, anzunehmen, daß er allerdings das gesagt hat, was er denkt. Nachdem er aber diese Er⸗ klärung hier abgegeben hat, fällt das, was ich gegen ihn gesagt habe, weg; aber ich kann jetzt feststellen, daß das, was der Regierungsvertreter gesagt, bei keinem Redner Beifall gefunden hat, auch nicht bei Herrn von Bockelberg.

Der Antrag Dittrich wird gegen die Stimmen eines größeren Teils der Konservativen angenommen.

Abg. Lippmann Gortschr. Volksp.): Im Hause muß noch mehr für bessere Ventilation gesorgt werden, besonders wenn jetzt die Praxis der Achtstundensitzungen mehr einreißt, denn auch die feinsten Leute verderben die Luft. Bei der Anschaffung neuer Telephonzellen bitte ich auf größere Schallsicherheit zu achten. Es ist angeregt worden,

—* *

daß wir am Schluß der Session die stenographischen Berichte unsexer Sitzungen in gebundenem Eremplar bekommen. Es besteht ein großer Rnterschied in der Ausstattung der Räume für die Journalisten im Reichstag und hier im Abgeordnetenhause. Es könnten da ganz kleine Bequemlichkeiten geschaffen werden, die den Journalisten, deren Mit—⸗ arbeit wir alle hochschätzen, ihre Tätigkeit erleichtern würden. Es ist in letzter Zeit wiederholt vorgekommen, daß in Vexanstaltungen, für die unser Plenarsaal zur Verfügung gestellt worden ist, gegen einzelne Par⸗ teien lebhaft polemisiert worden ist. Das ist eine Taktlosigkeit, die

unbedingt vermieden werden muß. Es kommt hier dazu, daß unsere Schubfächer nicht verschließbar sind. Es wäre sehr wünschenswert, wenn hier Schlösser angebracht würden. Auch das Anstellungsverhält— nis der Leute muß reformiert werden.

Abg. Adolf Hoffmann (Soz) : Auch wir haben schon längst auf eine anderweitige Regelung der Anstellung der Boten hingewirkt.

Abg. Dr. Bredt freikons.) bespricht im Namen der Bibliotheks⸗ kommission die Anstellungsverhältnisse der Bibliotheksgehilfinnen und hebt hervor, daß ihre Lage hinter derjenigen der staatlichen Beamtinnen zurückstehe.

Damit ist der Etat des Hauses der Abgeordneten erledigt.

Ohne Debatte wird der Etat des Herrenhauses angenommen.

Eine Reihe von Petitionen, zu denen Wortmeldun— gen nicht vorliegen, wird ohne Diskussion nach den Anträgen der Petitions- bzw. Agrarkommission erledigt.

Schluß 6 Uhr. Nächste Sitzung Sonnabend 11 Uhr: Nach— tragsetat für 1913 (Ankauf des Grundstücks neben dem Abge— ordnetenhause), Eisenbahnanleihegesetz.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Entwurf. eines Ausführungsgesetzes zum §1 des Reichsgesetzes über Aenderungen im Finanz— wesen vom 3. Juli 1913 ist nebst Begründung dem Hause der Abgeordneten zu—

gegangen. Er lautet, wie folgt:

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Das Recht zum Erlaß von ortsstatutarischen Vorschriften (Steuer— ordnungen) gemäß § 1 Abs. 5 des Reichsgesetzes über Aenderungen im Finanzwesen vom 3. Juli 1913 (Reichsgesetzbl. S. 52!) stebt nur den Kreisen, den Stadtgemeinden und denjenigen Landgemeinden zu, welche mehr als 5000 Einwohner haben oder in denen eine Wert— zuwachssteuer schon vor dem 1. Januar 1911 in Kraft war. Durch Steuerordnungen können auch die Satzungen abgeändert oder aufge— boben werden, welche auf Grund einer gemäß § 1 Abs. 4 Ziffer 2 des genannten Reichsgesetzes erlassenen Anordnung Geltung baben Die Vorschriften der 85 18 Abs. 2, 77 Abs. 3 des Kommunalabgaben— gesetzes sowie der 85 19 Abs 1 Ziffer 1 und 20 des Kreis und Pro— dinzialabgabengesetzes finden Anwendung.

Im übrigen behält es bei den Vorschriften der S5 13 des Kem— munalabgabengesetzes und 6 Abs. L Ziffer 1 des Kreis. und Provinzial abgabengesetzes mit folgenden Maßnabmen sein Bewenden:

1 Bie Eihebung der Zuwachssteuer durch eine kreisangehörige Gemeinde auf Grund einer eigenen Steuerordnung schließt für sie die Erhebung der Zuwachssteuer durch den Kreis aus;

2) die Erhebung der Zuwachssteuer durch einen Landkreis auf Grund einer eigenen Steuerordnung schließt die Erhebung von Zuwachssteuer auf Grund des Reichszuwachssteuergesetzes durch die kreisangehörigen Gemeinden aus. j

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§ 2.

Die auf Grund einer Steuerordnung (1 Abs. I) zur Erhebung gelangende Zuwachssteuer wird vom Kreisausschuß oder vom Gemelnde⸗ vorstand veranlagt, je nachdem die Ordnung vom Kreise oder von der Gemeinde beschlossen worden ist.

Die vom Kreisausschuß veranlagte Zuwachssteuer ist an die Kreis— kommunalkasse, die vom Gemeindevorstand veranlagte an die Gemeinde— kasse unbeschadet der Vorschrift des § 3 zu zahlen.

F 3.

Erhebt ein Landkreis oder eine Gemeinde eines Landkreises Zu— wachssteuer auf Grund einer Steuerordnung (G 1 Abs. L, so wird das Steueraufkommen zwischen dem Kreise und der Gemeinde, in der sich der Steuenfall ereignet hat, so geteilt, daß letztere, sofern sie nicht mehr als 15 090 Einwohner hat, zwei Drittel, sofein sie mehr als 15 000 Einwobner hat, drei Viertel erhält.

Die Vorschriften des 5 4 Abs. 2 bis 4 des Ausfübrungegesetzes zum Reichszuwachssteuergesetz vom 14. Jult 1911 (Gesetzsamml. S. 5) finden entsprechende Anwendung.

§ 4

Wenn in einer Gemeinde eines Landkreises, in dem Zuwachssteuer auf Grund des Reichszuwachssteuergesetzes vom 14. Februar 1911 (Reichsgesetzbl. S. 33) erhoben wird, die Besteuerung des Weitzu— wachses beseitigt wird, so hat die Gemeinde die Summe, die im

Durchschnitt der drel verflossenen Steuerjahre aus Zuwachtsteuerfällen

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in der Gemeinde an den Kreis gefallen sind, jährlich an ihn abzu— führen. Kreis und Gemeinde tönnen auch anderweite Vereinbarungen treffen. ; Wenn in einem Landkreis die Besteuerung des Wert zuwachses beseitigt wird, so treten die Vorschriften des 8 4 deg Aus führunge⸗ gesetzes zum Reichs zuwachssteuergesetz sowie die Vorschriften des 8 3 Abs. 1 des gegenwärtigen Gesetzes und des vorstehenden Absatzes außer Anwendung, bis der Kreis eine Besteuerung wieder einführt.

Die Vorschrift des 52 des Ausführungsgesetzes zum Reichs zuwachs steuerges tze findet, auch wenn Zuwache steuer auf Grund einer S euerordnung (8 1 3bs. I) erhoben wund, mit der Maßgabe An⸗ wendung, daß nach Inkrafttreten der Nev Il zum Landet ve rwaltungs⸗ gesfetze an die Stelle des Bezirke ausschusses die Kammer für Abgaben⸗ sachen tritt.

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Die §3 38 und 41 des Reichszuwachssteuergesetzes werden außer Kraft gesetzt .

Der nach §S3 Abs. 2 des Ausführungsgesetzes zum Reichs zu wachs⸗ steuergesetz dem Staat vorbehaltene Bet'ag von 5 vom Hundert des Ertrags der Zuwachssteuer trüt dem den Gemeinden und Gemeinde⸗ verbänden verbleibenden Betrage hinzu.

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FS 1.

Die Berechtigung, die nach dem Reichszuwachssteuergesetz fällige Abaaße aus Billigkeitsaründen zu erlassen (5 tg56 Abs. 1 des Reichs⸗ zuwachssteuergesetzes) geht auf die veranlagende Kommunalbehörde uber.

§ 8.

Für das Strafverfabren wegen Zuwiderhandlungen gegen 8 50 Abs. 2 des Reichs uwachesteuergesetzes gilt 5 81 Abs. 2 und 3 des Fommunalabgabengesetzes Bei Veranlagung der Zuwachssteuer durch den Kreis tritt an dte Stelle des Gemeindevorstandes der Kreisaus⸗ schuß. Im übrigen gelten für das Strafverfahren wegen Zuwider⸗ handlung gegen das Reichs zjuwachssteuergeseß die 388 82 Ab. 2 des Kommunalabgabengesetzes bezie hungsweise 17 Abs. ? des Kreis- und Provinzialabgabengesetzes.

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8 8 8 Dieses Gesetz tritt mit dem Tage der Verkündung in Kraft.

In der dem Gesetzentwurf beigegebenen Begründung wird ausgeführt:

Bis zum Erlaß des Reichkzuwachssteuergesetzes batten die Gemeinden gemäß § 13 des Kommunalabagabengesces, die Kreise gemäß § 6 Abs. L Ziffer 1 des Kreis- und Provinzialahgabengesetzes das Recht, beim Uenergang von Grundstücken und ibnen gl ihstebenden Rechien eine indirekte Steuer nach Maßgabe des dabei erzielten Wert— zuwachses zu erheben. 159 Städte, 129 Landgemeinden und 13 Land⸗ kreise hatten entsprechende Steuerordnungen erlassen, als das Reich dieses Gebiet für feine Gesetzgehung in Anspruch nahm. Durch 8 72 des Zuwachssteuergesetzes sind alle diese Steuerordnungen grunzsätzlich& befestigt worden. Nur in den Gemeinden Erfurt, Emden, Gelsen⸗ kirchen und Efsen bestehen noch die alten Ordnungen auf Grund des 51 Abf. 4 Ziffer 2 des Reichzgesetzes über Aenderungen im Finanz⸗ wesen vom 3 Juli 1913 fort.

Das Zuwachssteuergesetz verfolgte in erster Linie den Zweck, dem Reiche eine Einnahme zuzuführen. Durch § ] Abs. 3 des Gesetzes über Aenderungen im Figanzwesen vom 3. Juli 1913 ist es dieses Zweckes entkleidet worden. Seine gänzliche Aufhebung schien nur deshalb bedenklich, weil es eine Hälfte des Ert ages zum kleineren Teile den Bundesstaaten, zum sehr viel größeren den Gemeinden und Gemeindeverbänden überwiesen hatte (3 55). Diesen letzteren Be— rechtigten konnte das Reich ihre Einnahmen aus dem Gesetz obne schwere Erschütterung der Finanzverhaltnisse zahlreicher Fommunen nicht entziehen. Ez ließ daber das Zuwachssteuergesetz noch in Kraft und setzte nur den Reichsanteil außer Hebung.

Nunmehr hat das Reichsgesetz üher Aenderungen im Finanzwesen dem Landesrécht die Befugnis zur Regelung dieses Gebiets wieder zurückgeg ben. Die Vorschrijt des 8 1 Abs. 5 daselbst eimächtigt zu ; nächst die Landes gesetzge bung zu freier Verfügung über das Reichs— recht hinsichtlich der Besteuerung des Wertzuwachses, und zwar um⸗ faßt diese freie Veifügung ebensowohl das Recht zu völliger Auibebung der Besteuerung (vergl Sten. Ber. des Reichstags vom 27. Juni 1913 S. 6867 B wie zur Abänderung von Einzelheiten der Regelung. Die Vorschrift des 5 1 Abs. 5 geht aber noch weiter. Insoweit das Landesrecht ortsstatutarische Vorschriften“ auf diesem Gebiet zuläßt, sollen auch diese die freie Verfügung über die Regelung der Zuwachsbesteuerung haben. Die durch 5 72 a. a. D. aufgebobenen „Satzungen der Gemeinden und Gemeindeverbände“ sind nicht wieder aufgelebt; wohl aber können die Gemeinden und Gemeindeverbände neue derartige Satzungen er⸗ lassen, soweit ihnen nach Landesrecht Autonomte zustebt. Die Ge⸗ meinden und Kreise sind also durch den 5 1 Abs. 5 des Reichsgesetzes vom 3. Juli 1913 in Verbindung mit 8 13 des Kommunalabgaben— gesetzes und 8 6 des Krris. und Probinzsalabgabengesetzes unmittelbar ermächtigt, die Besteuerung des Wertzuwachses entweder aufzuheben oder abweichend vom Reichagrecht zu gestalten.

In der Literatur ist allerdings,wmon einigen Stellen die Auffassung vertrejen worden, daß noch ein neues Landesgesetz ergehen müsse, um fär die Gemeinden dle erforderlich, Rechteunterlage zu schaffen. Durch §z 72 des Zuwachssteuergesetzes seien diejenigen Landesgesetze, welche die Zuwachssteuer betreffen, aufgehoben. Ju Preußen fielen unter diese Vorschrift die 85 13 des Kommunalabgabensetzes und 6 Abs. I Ziffer 1 des Kreis- und Proxinzialabgabengesetzes, insoweit sie die gesetzliche Unterlage für die Gemeinden und Kreise zur Besteuerung des Zuwachses abgeben. Insoweit seien diese Paragraphen also durch das Zuwachssteuergesetz ͤufgehoben. Nirgends seien sie wieder in Kraft gesetzt. Es fehle daher in Preußen zurzeit an einer landes— recht ichen Regelung, welche die Unterlage für ortsstatutarische Vor⸗ schriften über die Besteuerung des Wertzuwachses abgeben könnte.

Diese Ausführungen gehen fehl. Zunächst sind die 13 des Kommunalabgabengesetzes und 6 Abs. 1 Ziffer JI des Kreis- und Provinzialbagabengesetzes keine Landesgesetze der von 5 72 des Zu- wachs steuergesetzes betroffenen Art. Sie sind durch letzteren unberührt geblieben. Unter ‚Landesgesetzen, welche die Besteuerung des wachses bei der Veräußerung von Grundstücken betreffen“, können nur besondere Zuwachssteuergesetze, nicht aber all— gemeine landesgesetzliche Vorschriften verstanden werden, die unter anderem auch bei Einführung einer Zuwachssteuer in Anwendung kommen (vergl. Hoeniger: Das Zumachssteuer⸗ gesetz vom 14. Februar 1911, Anmerkung 1 zu §72, wo als Staaten, in denen Landesgesetze der gedachten Art vorbanden sind, nur Hessen, Lippe, Hamburg und Lübeck genannt werden). Bei § 13 des Kom— munalabgabengesetzes hat auch zum Ueberfluß der eigene Wort⸗ laut von vornheiein die Möglichkeit einer Erfassung durch das Reichsrecht verbmdert. Er erteilt die Ermächtigung an die Ge— meinden ausdrücklich nur innerhalb der durch die Reichsgesetze ge⸗ zogenen Grenzen“. Er hätte in derselben Form gerade so gut nach Erlaß des Reichszuwachssteuergesetzes als Landesgesetz erlassen werden können. Wie soll er da durch dieses teilweise beseitigt sein? Wenn das Zuwachssteuergeseert die im 5 3 selbst, erwähnten Grenzen enger steckte, so wurde er dadurch nicht teilweise beseitigt, sondern es wurde nur sein Wirkungskreis verkleinert. Mit dem Fortfall der engeren Grenze erweitert sich dieser automatisch. In §z 6 des Kreis- und Provinzialahgabengesetzes feblt allerdings der ausdrückliche Vorbehalt des Reichsrechts. Dennoch ist er in vorliegender Frage dem §z 13 gleichzustellen, denn jener Vorbehalt hat nur deklaratorischen, nicht konstitutiven Charakter. Der Gesetzesbesehl geht, auch ohne daß dies ausdrücklich etwähnt wird, nicht über die reichsrechtlichen Grenzen hinaus und kann reichsverfassungsgemäß nicht über sie hinausgehen.

Auch die Absicht des Reichs gesetzgebers spricht fär die hier ver tretene Auffassung. Ursprünglich war die fragliche Voischrift des Finanzgesetzes folgendermaßen formuliert: Durch die Landesgesetz⸗ gebung oder in Gemäßheit derse. en durch ortsstatutarische Vor⸗ schrift .. . (vergl. Drucks. 1126 des Reichstages 15. Legislatur⸗

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