1914 / 103 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 02 May 1914 18:00:01 GMT) scan diff

In dieser Beziehung ist mit besonderen Anträgen ich will hier gleich darauf eingehen, um dann bei der Behandlung der Anträge nicht mehr zu sprechen zunächst ein Lehrstuhl für osteuropäische Ge⸗ schichte in Breslau gewünscht. Wir haben einen solchen in Berlin; er ist auf Ihren Wunsch in Berlin eingerichtet, meine Herren. Ob nun das Bedürfnis besteht, an einer anderen Stelle wieder einen solchen Lehrstuhl zu errichten, ist mir doch recht zweifelhaft. Ich meine, es genügt, wenn wir einen solchen Lehrstuhl an einer Universität haben. An sich ist die Materie gewiß von Bedeutung und von Wichtigkeit gerade für unsere Verhältnisse. Haben wir sie aber an einer Uni⸗ versität, dann müssen eben diejenigen Studenten, die sich für diese Materie interessieren, die betreffende Universität besuchen. Wir können überhaupt nicht alle Einzelheiten auf allen Universitäten haben; wir können nur die Universitäten in gewissen Dingen minderwichtiger Art gewissermaßen zu Spezialuniversitäten machen; die eine spezielle Materie wird auf dieser, die andere auf jener Universität besonders gefördert, und danach müssen dann die Studenten die Auswahl unter den Universitäten treffen.

Sodann wird ein Lehrstuhl für Tropenpathologie gewünscht. Vielleicht gehört das in den Kreis der Erwägungen, die zu dem An⸗ trage der Errichtung einer Auslandshochschule geführt haben, oder der Berücksichtigung der ausländischen Interessen bei den Universitäten, der Errichtung eines Auslandinstituts an der Berliner Universität, wie es von den Herren Konservativen beantragt worden ist. In diesen Kreis würde auch die Tropenpathologie fallen, so daß es viel⸗ leicht doch nicht notwendig ist, nun außerhalb des Kreises dieser Er⸗ wägungen noch einen besonderen Stuhl für Tropenpathologie einzurichten.

Weiter wird ein Ordinariat für prähistorische Forschung ge⸗ wünscht. Auch da ist mir zweifelhaft, ob man diese Forschung, noch weiter als es schon geschieht, fördern soll.

Herr Abgeordneter Faßbender ist in seinen Ausführungen ein⸗ gehend auf die Begründung eines Lehrstuhles für Charitas zu sprechen gekommen. Eine solche Anregung ist bisher noch nicht an mich gelangt, auch nicht von den Universitäten aus, und ich habe auch aus den Aus— führungen des Herrn Faßbender den Eindruck gewonnen, daß das, was er unter Charitas zusammenfaßte, auch in den bestehenden Einrichtun— gen unserer Universitäten schon unterrichtet und gelehrt werden könnte. Er exemplifizierte selbst auf, wenn ich nicht irre, verschiedene evan— gelisch-theologische Fakultäten, wo das Gebiet der Charitas schon in den Unterricht einbezogen wird. Aber ich bin durchaus bereit, diese An— gelegenheit einmal näher zu prüfen, wie auch übrigens die anderen An— träge, und zu sehen, ob es in der Tat angezeigt ist und ein Bedürfnis dafür vorliegt, neue Einrichtungen auf diesem Gebiete an den Univer— siläten zu schaffen.

Von demselben Herrn Abgeordneten ist angeregt worden, an den Universitäten, an denen sich eine katholisch-theologische Fakultät nicht befindet, einem katholischen Theologen in der philo⸗ sophischen Fakultät einen Lehrauftrag für Orien— tierung der Studenten aller Fakultäten in der Religion zu geben. Er hat dabei auf eine Einrichtung Bezug genommen, die wir in Münster geschaffen hatten, und die auch noch dort besteht, die aber mit der be— vorstehenden Einrichtung einer evangelisch⸗theologischen Fakultät an dieser Universität wegfallen wird. Es war dies im Interesse der evangelischen Lehramtskandidaten geschehen, um diesen zu ermöglichen, Vorlesungen in der Religion zu hören. Dies ist das Beispiel, das der Herr Abgeordnete angeführt hatte, um daran die Forderung zu knüpfen, daß nun auch für Katholiken, namentlich doch wohl auch für katholische Lehramtskandidaten, eine derartige Einrichtung an den Universitäten ohne katholisch⸗theologische Fakultät geschaffen werden möchte. Ich bin bereit, der Frage näher zu treten und einmal einen Versuch zu machen, ob sich das bewährt. Ich habe ja gewisse Bedenken dagegen auch schon in der Kommission geäußert, ob es zweckmäßig wäre, ohne Anschluß an eine Fakultät einen Gelehrten mit einem derartigen Auftrag zu betrauen. Indessen, wie gesagt, ich bin bereit, die Sache näher zu prüfen und eventuell einen Versuch zu machen. Es muß nur auch gelingen, eine geeignete Persönlichkeit dafür zu finden.

Der Herr Abgeordnete von der Osten ist, wie in der Kommission so auch in diesem hohen Hause, auf Wünsche eingegangen, die ihm von einem oder mehreren Rektoren vorgetragen worden sind. Ich habe schon in der Kommission erklärt, daß mir von diesen Wünschen nichts bekannt sei, daß sie an mich bisher nicht gelangt seien, daß ich aber bereit sei, in eine Prüfung dieser Wünsche einzutreten. Diese Be⸗ reitwilligkeit habe ich ausgesprochen, weil ich annahm, daß diese Wünsche nun auch an mich gelangen würden. Das ist aber heute noch nicht geschehen. Ich muß doch sagen, daß das doch wohl auch nach Ansicht des Herrn Abgeordneten von der Osten nicht der richtige Weg ist, daß, wenn ein Rektor oder mehrere Rektoren derartige Wünsche haben, sie sich da nicht an ihren Minister wenden und ihm ihre Wünsche vortragen, sondern daß sie ihn gänzlich übergehen. Ich weiß übrigens gar nicht einmal, ob sie sich an das Abgeordnetenhaus oder nur an einen einzelnen Abgeordneten gewendet haben, ob von einem eder mehreren Rektoren, oder ob überhaupt von einem Rektor oder einem Professor, der früher einmal Rektor gewesen ist, diese Wünsche vorgetragen werden. Das alles kann mich doch einigermaßen über⸗ raschen, wie mir die Herren zugeben werden, und ich kann doch sagen, daß, wenn die Rektoren der Universitäten eine Aenderung ihrer Stel⸗ lung nach der einen oder anderen Richtung wünschen, es dann das Richtige wäre, wenn sie sich an das Ministerium wenden, und dort ihre Wünsche vortragen; sie wären sicherlich dort geprüft worden. Kommen sie dabei nicht zu ihrem Recht, bliebe es ihnen selbstverständ⸗ lich unbenommen, sich an das hohe Haus zu wenden. Das wäre doch wohl das richtige Verfahren. Wenn also die Wünsche nicht noch direkt an mich gelangen, dann werden Sie es mir nicht übel nehmen, wenn ich der Angelegenheit einen weiteren Fortgang nicht geben kann.

Nun hat in der letzten Zeit in der Oeffentlichkeit und in der Presse, in der Kommission sowohl wie in diesem hohen Hause die Frage der Verleihung der Doktorwürde an die Stu⸗ dierenden der Zahnheilkunde zu Ausführungen Anlaß gegeben. Ich habe schon in der Kommission erklärt, daß ich mit rieser Frage beschäftigt sei, daß sie aber keineswegs so einfach läge, wie das von den Studierenden der Zahnheilkunde angenommen wird, Sie haben ja den allerverkehrtesten Weg beschritten, um Sympathie für ihre Wünsche zu erregen, indem sie sich hier in Berlin und anderen Orten zu einem Streik entschlossen. Das ist ihnen mit aller Deut⸗ lichkeit zum Ausdruck gebracht worden, und ich glaube, daß sie heute selber diesen verfehlten Schritt bereuen. Es ist ihnen selbstverständ⸗

lich auf Grund dieses Streiks auch nicht die geringste Zusage ge⸗ macht worden. (Bravo!) Ich habe ihnen nur sagen lassen, ich wollte Gnade für Recht insofern walten lassen, als ich mich durch ihr Ver— halten in der Behandlung dieser Angelegenheit nicht zu ihrem Nach⸗ teil beeinflussen lassen wolle.

Die Frage ist, wie ich sagte, keineswegs so einfach, und sie kann auch wohl nur im Einverständnis mit den übrigen Bundesstaaten, die Universitäten besitzen, geregelt werden, wie wir denn, was Sie gewiß billigen werden, in solchen Fragen möglichst immer einheitlich mit den übrigen deutschen Universitäten vorgehen. Ich bin auch nicht in der Lage, Ihnen heute über diese Angelegenheit eine bestimmte Er— klärung abzugeben. Ich kann nur wiederholt auf die Schwierig—⸗ keiten und darauf hinweisen, daß mit dieser Frage die Ordnung der medizinischen Doktorwürde, die ja von der Doktorwürde in den übrigen Fakultäten wesentlich verschieden ist, zusammenhängt. Es vird sich fragen, ob nicht überhaupt in den Kreis der Erörterungen der medizinische Doktor zu ziehen sein wird, und ob nicht auf diese Weise auch den Studenten der Zahnheilkunde ihr Recht verschafft werden kann. Diese werden sich jedenfalls noch einigermaßen gedulden müssen; denn die Angelegenheit bedarf reiflicher Prüfung, ehe sie zum Abschluß gebracht werden kan.

Anders muß ich mich zu den Wünschen stellen, die hier wieder mit soviel Warmherzigkeit für die Tierärzte vorgetragen worden sind, die als Imature in Bern dereinst den Doktorgrad erworben und nun den Wunsch haben, daß dieser Doktorgrad auch hier in Preußen anerkannt wird. Meine Herren, es war eine Konzession von nicht geringer Bedeutung, als man den tierärztlichen Hochschulen das Pro— motionsrecht einräumte. Es war das ein langjähriges Streben dieser Kreise, und sie konnten, glaube ich, sehr zufrieden sein, als sie das erreicht hatten. Bei den Verhandlungen darüber ist aber von allen Seiten als Bedingung unbestritten anerkannt worden, daß die Vor— aussetzung für die Erwirkung des Doktortitels an den tierärztlichen Hochschulen das Maturitätsexamen sei. Das hing wieder damit zu— sammen und entsprach gerade einer Forderung der tierärztlichen Kreise, daß sie verlangten, nur der sollte approbierter Tierarzt werden können, der das Maturitätsexamen gemacht habe.

Nun wird behauptet, es handle sich doch hier um eine absterbende Kategorie, es seien doch vielleicht nur 200 oder 300, die hier in Be— tracht kämen, und es sei ihnen zugesagt oder wenigstens in Aussicht ge⸗ stellt worden, daß diesen ihren Wünschen entsprochen werden würde. Meine Herren, das ist nicht zutreffend. Vom Ministerium aus ist niemals eine Zusage nach dieser Richtung hin gemacht worden. Es handelt sich lediglich um die Anfrage eines Studenten der Tierarznei⸗ kunde, der sich an den damaligen Referenten, der jetzt nicht mehr im Ministerium ist, mit der Frage gewandt hatte, ob er ihm rate, den Dr. med. vet. in Bern zu machen, oder ob dieser Grad wohl auch mal bei uns eingeführt werden würde. Da ist ihm der Rat gegeben worden, er solle das nur tun, es wäre auch nicht ausge— schlossen, daß der Dr. med. vet. auch einmal bei uns eingeführt würde, unter welchen Voraussetzungen und unter welchen Bedingungen, davon ist damals keine Rede gewesen. Und selbst wenn man diesen Brief eines Dezernenten als Zusage des Ministeriums ansehen wollte, so müßte man doch sagen, daß nach dem Inhalt dieses Briefes eine Zusage, wie sie jetzt beantragt wird, niemals gemacht worden ist.

Aber, meine Herren, das doch nur nebenbei; das ist natürlich nicht ausschlaggebend. Das Ausschlaggebende ist die grundsätzliche Stellung und die Schwierigkeit, in die die Unterrichtsverwaltung geraten würde, wenn sie dem Wunsche entspräche. Der Herr Landwirtschaftsminister steht auf diesem Gebiete anders wie ich; er hat es eben nur mit diesen Tierärzten zu tun. Wenn ich mich aber dazu bereitfinden ließe, den Berner Doktortitel, der, ohne daß das Maturitätsexamen vor⸗ ausgegangen wäre, gemacht worden ist, in Preußen anzuerkennen, so würde ich ein Unrecht tun gegen zahlreiche Zahnärzte, Apotheker, Chemiker, Volksschullehrer, Journalisten und Kaufleute, wenn ich nicht auch ihnen, die als Immatur den philosophischen Doktor ge— macht haben, die Anerkennug der Doktorwürde in Preußen aussprechen würde. Das ist die Schwierigkeit, in der ich mich befinde, und das sind die Konsequenzen, vor denen ich zurückschrecke, und es bestimmt mich der Wunsch, der von Ihnen allen, meine Herren, gewiß geteilt wird, unsere Doktorwürde hochzuhalten (Sehr richtig) und die Doktor—⸗

promotion nicht zu erleichtern, sondern sie zu erschweren, damit der,

Doktortitel das bleibt, was er früher war. Denn, meine Herren, die Klage, daß zu dem Doktormachen gewissermaßen Doktorfabriken be— gründet wären, haben wir doch vor kurzem in der Oeffentlichkeit ge⸗ hört, und ich glaube, es ist eine Aufgabe der Unterrichtsverwaltung, das ihrige dazu zu tun, daß bei der Verleihung der Doktorwürde nach festen Grundsätzen und nicht nach schwankenden Maßgaben verfahren wird.

Ich bedaure das für die davon betroffenen Herren. Ein Unrecht

geschieht ihnen nicht, meine Herren, sie mußten darauf vorbereitet sein,

aus ihren eigenen Kreisen ist die Forderung des abgelegten Maturi— tätserxamens hervorgegangen.

Dann ist von der Notwendigkeit der Fortenwicklung unserer Universitäten die Rede gewesen. Nun, ich glaube, daß wir in dieser Fortenwicklung begriffen sind, sie vollzieht sich nicht durch starke Eingriffe, sondern durch eine allmähliche Weiterentwick— lung, und das ist, glaube ich, auch das richtige. Ich bin auch der An— sicht, daß unsere Universitäten sich den modernen Anforderungen und Ansprüchen, die die fortschreitende Entwicklung unseres Lebens an sie stellt, nicht entziehen dürfen (Sehr richtigh, sonst würden sie der Ver— steinerung anheimfallen. (Sehr richtig) Dabei können sie die alten Traditionen und die guten Einrichtungen, die sich bewährt haben, durchaus beibehalten, auf sie die erforderlichen neuen Einrichtungen aufpflanzen, sie in Einklang mit den alten bringen und dann den Be— dürfnissen unserer heutigen Zeit gerecht werden. (Sehr richtig) Das geschieht jetzt bezüglich der Einrichtung von Seminaren. Wir haben auf diesem Gebiete unzweifelhaft das wird jeder, der unsere Universitätsberhältnisse kennt, zugeben entschiedene Fortschritte gemacht. Es hat sich in der Tat der Lehrbetrieb auf unseren Univer⸗ sitäten geändert. Während es früher lediglich das Kolleg war, steht jetzt neben dem Kolleg mit gleicher Berechtigung das Seminar. (Sehr richtig) Das wollen wir weiter ausbauen. Wir haben auch bauliche Einrichtungen in weitem Maße nach dieser Richtung hin getroffen.

Ich weiß sehr wohl, daß auf diesem Gebiete noch vieles zu wünschen bleibt und daß an manchen Stellen so gar noch recht unerfreuliche Zuftände in dieser Beziehung bestehen. Wir werden uns bemühen, das allmählich zu ändern; auf einmal ist das einfach unmöglich. Die

Zahl der Studenten ist so enorm gewachsen auf unseren Universiläten, und wenn Sie das Bedürfnis nach intensiverem Lehrbetrieb daneben nehmen, wird es Ihnen begreiflich erscheinen, daß da noch nicht überall alles vorhanden ist, was bei einem geordneten Betrieb vorhanden sein soll. Wir werden uns bemühen, auf dem Gebiet fortzuschreiten, und ich weiß mich dabei der Zustimmung des Herrn Finanzministers zu meiner Freude sicher, er ist bereit, in entsprechenden Grenzen unter Berücksichtigung der verfügbaren Mittel hier helfend mir zur Seite zu stehen, und wenn Sie alle, meine Herren, in Ihren Ausführungen warme Worte für den hohen Wert der Universitäten gefunden haben und Ihre Bereitwilligkeit immer wieder zum Ausdruck bringen, die Mittel zu bewilliges, um die Universitäten weiter auszubauen, sie fortzuentwickeln, dann hoffe ich, daß es dabei bleiben wird, daß die preußischen Universitäten ein Stolz der preußischen Staatsverwaltung sind. (Lebhaftes Bravo)

Abg. Dr. Liebknecht (Soz.): Wir denken nicht daran, künst⸗ lich ein gelehrtes Proletariat zu schaffen und eine Unmasse von Ge— ehrten in die Welt zu setzen, für die keine Verwendung im sozialen Organismus ist. Wir wünschen aber, daß die Akademiker nicht aus—

schließlich aus den besitzenden Kreisen kommen, sondern daß eine Aus— wahl der Tüchtigsten und Geeignetsten aus allen Volkskreisen statt— findet. Die politische Freiheit wird auf den Universitäten nicht in der notwendigen Weise gewahrt. Studenten, die sich allzusehr liberal betätigen, müssen sich gefallen lassen, daß ihnen von der Aufsichts— behörde, vom Senat und Universitätsrichter Schwierigkeiten bereitet werden. In Königsberg ist einem Sozialdemokraten untersagt wor— den, in der freien Studentenschaft einen Vortrag über die freien Ge— werkschaften zu halten. Dieser Vorgang ist nur ein Glied in der Kette des Vorgehens gegen die freie Studentenschaft. Wenn sich die Studen. ten aber gegen die Sozialdemokratie betätigen, dann legt man ihnen keine Schwierigkeiten in den Weg. Als die Studenten wegen des Titels „Dr. med. dent. sich des Mittels des Streiks bedienten, haben wir keinerlei Entrüstung darüber gehört. Die studentischen Organi⸗ sationen, namentlich die Korps, sind in erster Linie das Aushebungs— gebiet für unsere höchsten Staatsstellen. Besonders die Bonner Borussen werden zu den höchsten Stellen der Diplomatie und des Staates bevorzugt. Das Frauenstudium an unseren preußischen Uni— versitäten hat in letzter Zeit stark zugenommen. Die Zahl der Frauen an den preußischen Universitäten war 1913 gegenüber 1912 auf 3435 gegen 2958 gestiegen. Obwohl das Frauenstudium für das Proletariat noch nicht in Frage kommt, setzen wir uns doch dafür ein, daß die Frauen in immer größerem Umfang zum akademischen Studium zu— gelassen werden. Die Einschränkung der Zulassung von Ausländern an unseren deutschen Universitäten richtet sich einzig und allein gegen die russischen Studenten. An der Berliner Universität ist im letzten Wintersemester kein einziger russischer Student aufgenommen wor— en, auch in Königsberg und Breslau nicht. Die Zahl der auslän

chen Studierenden war keine so außerordentlich hohe, daß eine Ein—

ränkung der Zulassung von Ausländern notwendig war. Wir haben s hier nicht mit einem Vorgehen im Interesse der deutschen Studentenschaft zu tun, sondern mit einem reaktionären Akte. So ist von dem russischen Generalkonsul von Hamm an die Berliner Uni— versität ein Schreiben gerichtet worden, worin für den Fall, daß sich

ein Student für die Universität melden sollte, also schon vorher, mit— geteilt wurde, daß der Betreffende in Rußland als Gymnasiast wegen des Verdachts revolutionärer Umtriebe relegiert worden sei. Und die Berliner Universität hat nicht etwa den Wisch ohne Beachtung zurückgeschickt, sondern sie scheint an solche Dinge schon gewöhnt zu sein. Die Ausweisung von Lunatscharsky ist anscheinend auch auf eine Denunziation von seiten der echt russischen Studentenschaft zurück— zuführen, in welcher der Sohn des russischen Generalkonsuls von Hamm eine Rolle spielt, der in der „Deutschen Tageszeitung“ einen schamlosen Artikel über diese Sache geschrieben hat. Die Wiffen— schaft kann nicht ganz voraussetzungslos sein, die reinen Geisteswissen— schaften sind an gewisse Voraussetzungen gebunden, und auch die Selbstverwaltung der Universitäten würde kein Heilmittel dagegen sein. Die Sozialdemokratie ist der einzige Hort der Freiheit. Die Frage der Rechte der Privatdozenten ist noch wichtiger als die der Rechte der außerordentlichen Professoren, schon deshalb, weil die Privatdozenten ohne jede staatliche Unterstützung dastehen. Die Un— abhängigkeit der Universitätswissenschaft verlangt, daß die Privat⸗ dozenten sichergestellt werden, aber diese Sicherstellung darf nicht mit einer Abhängigkeit der Privatdozenten erkauft werden. Der“ Aus— schluß der Privatdozenten von manchen Universitätsanstalten ist eine Rechtlosigkeit, die mit der Lehrfreiheit nicht vereinbar ist. Der Lehr stuhl von Erich Schmidt ist noch immer nicht endgültig besetzt, es wird fortgewurstelt mit der provisorischen Besetzung durch Professor Röthe, Einen Teil der Vorlesungen von Erich Schmidt haben junge Dozenten übernommen. Professor Röthe hat trotz allem Aus— sicht, Nachfolger von Erich Schmidt zu werden. Und doch ist er nicht durch seine wissenschaftlichen Qualifikationen dazu geeignet, sondern durch ganz andere Dinge; er ist ein strammes Mitglied ber Leibgarde der Hohenzollern an der Berliner Universität. Er hat bei dem Reichskommers des Vereins der deutschen Studenten im Januar eme Rede gehalten, von der man glauben könnte, sie sei nicht von einem voraussetzungslosen Lehrer der Wissenschaft, sondern von Herrn von Aldenburg-Januschau gehalten. Bekannt ist auch die Stellung von Professor Röthe zum Frxauenstudium, er hat zwar jetzt die Frauen zu seiner Vorlesung zulassen müssen, aber er hat sich nicht enthalten, sein lebhaftes Bedauern darüber auszusprechen und den Frauen zi sagen, daß sie bei gewissen Stellen seiner Vorlesung, wenn er es ihnen sage, fortbleiben möchten. Das ist natürlich ein bewußter Hohn des Nachfolgers eines Mannes wie Erich Schmidt. Herr bon der Osten hat gegen den Kathedersozialismus gesprochen, die Konfervativen treiben eine Hatz gegen diesen. Als Nachfolger des Professors Wagner kommt ein Freihändler in Betracht, während Wagner entschiedener Schutzzöllner ist. Also agrarische Nützlichkeitsinteressen bestimmen die konservative Hatz ich meine natürlich diejenige in der Presse gegen den Kathedersozialismus. Männer wie Ehrenberg und Bernhard passen den Agrgriern natürlich, sie wollen Vertreten ihres Interessenstandpunktes auf den Lehrstühlen haben. Wir haben erst, kürzlich hier von Vertretern der Rechten sprechen hören von der Freiheit der Wissenschaft und von voraussetzungsloser wissenschaft⸗ licher Forschung. Wenn man dann wieder solche Einseitigkelten bört, so muß man jg gewisse Gefühle des Unwohlseins zurückdrängen. Vertreter der Marxistischen Anschauung werden nicht einmal als Dozenten zugelassen. Ich brauche nur das Wort lex Arons auszu— sprechen, um zu zeigen, was an den Redensarten von voraussetzungs⸗ loser Wissenschaft wirklich dran ist. Besonders charakteristisch ist es, wie in der letzten Zeit selbst gegen Männer wie Adolf Wagner, Pro— fessor Delbrück und andere hervorragende Nationalökonomen gehetzt wird. Man mag die Kathedersoziglisten nicht leiden, weil sie vielleicht in einem gewissen Maße die Interessen, der breiten Bevölkerung pertreten könnten und weil sie wohl auch freihändlerisch gesinnt sind. In der preußischen Universitätsperwaltung herrscht kein anderer Geist, Als der Geist, der ja auch in diesem Hause herrscht. Im vergangenen Jahre hat sich die Berliner Universität an der byzantinischen Jubi⸗ läumsfeier beteiligt. Aber es gab noch einen Mann, der eine Ehrung verdiente, ein gewisser Fichte, der einst der erste Richter der Berliner . war, und vielleicht der klangpollste Name gewesen ist unter allen Berliner Universitätslehrern. Man hat an seinem hundert⸗ jährigen Todestage, am 14. Januar 1914, an seinem Grabe eine leine Gedächtnisfeier abgehalten, wie man sie vielleicht am Grabe eines Selhstmörders abhält. Von einer besonderen größeren Gedächt⸗ nisfeier ist Abstand genommen worden mit Rücksicht auf die Nahe von Kaisers Geburtstag, so wurde offiziell bekanntgegeben. Also die byzantinische Pflicht ging der Berliner Universität vor der Ehrung ihres größten Mannes. Das charakterisiert die Verhältnisse und gibt nicht das Vertrauen, daß hier in Berlin voraussetzungslose Wissen⸗ schaft gelehrt wird.

(Fortsetzung in der Zweiten Beilage)

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(Fortsetzung aus der Ersten Beilage.)

Abg. Dr. Di t trich⸗Braunsberg (Zentr.): Wir haben in Preu⸗ ßen nur vier katholisch-theologische Fakultäten, in Bonn, Münster, Breslau und Braunsberg. Auch die Seminare sind nicht ausreichend vorhanden. Im , fe der katholischen Studenten, die besonders auch in Berlin und Greifswald zahlreich sind, müssen an Universitäten, an denen keine katholisch⸗theologischen Fakultäten bestehen, Einrich⸗ tungen getroffen werden, durch welche auch die katholischen Studenten in den Strömungen der Religion unterrichtet werden. Ich freue mich, daß der Minister der Frage nähertreten will. Wir müssen uns gegen die Bestrebungen wenden, die den Religionsunterricht in eine deli⸗ gionswissenschaft auflösen wollen, auch schon in den mittleren und un⸗ leren Volksfchulen. Das würde nur zu einer Zersetzung führen. Eine geschichtliche Wertung der Religion ist nur möglich auf den höheren Stufen, besonders an den Universitäten, und soll dort zur Vertiefung des Religionsunterrichtes dienen. Ich kann dem Minister nur emp= fehlen, das Unternehmen der Göttinger Gesellschaft, der Wissen⸗ schaften, die Sammlung der Quellen der Religionsgeschichte mit staat⸗ lichen Mitten zu unkerstüͤtzen. Die Göttinger Gesellschaft erwirht sich durch dieses Unternehmen ein großes Verdienst. Die Privat⸗ bozenten sollen an den Dissettationen beteiligt werden. Es ist eine bedenkliche Erscheinung, daß wir manche Privatdozenten haben zwischen Ih und 45 Jahren. Barunter sind viele hervorragende Lehrer. We⸗ nigstens diese müssen entsprechend ihrer gesteigerten Bedeutung für den akademischen Lehrbetrieb größere Beträge bekommen. Die For⸗ derung der Vermehrung der Stellen für die Ordinarien halten wir für berechtigt. Das Verlangen der Privatdozenten, in ihren eigenen An⸗ gelegenheiten gehört zu werden und in ihren eigenen Angelegenheiten sich zu äußern, muß ebenfalls erfüllt werden. Den. Privat⸗ dozenten muß gewährt werden, was im Interesse der Lehrtätigkeit und im Interesse der Universitäten erforderlich ist.

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der Zahnheilkunde durchaus verkehrt gewesen sind. üurtei den von ihnen inszenierten Streik durchaus, bitten aber den Minister,

ihn als einen jugendlichen unüberlegten Schritt aufzufassen. Ich hoffe,

die Frage des Dr. med. dent. bald zu einem gedeihlichen Abschluf to

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e. z 2 . Tageslicht gefördert hat, übersteigt bei weitem das Maß des Be— techtiglen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit zum Ausdruck bringen, die Regierung sich bei Berufung dieses Professors an die Berliner

3 nicht auf Konzessionen einläßt. Die Art und Weise, wie Professor Röthe den Damen die Tür gewiesen hat, führt nicht nur zu Unzuträglichkeiten, sondern paßt auch durchaus nicht mehr in einen modernen Schulbetrieb hinein.

Geheimer Oberregierungfrat Tilmann: Aus der Rede des Vor⸗ redners will ich nur einen Punkt herauegreifen. Die Tierärzte, die den Dr. med. vet. in der Schweiz gemacht haben sind durchaus nicht zurückgesetzt behandelt worden. Diese Tierärzte werden nach denselben Grundsätzen behandelt, wie die anderen Kategorien von Leuten, die den Doktortitel bei uns erworben haben. Wenn sie den Vosaussetzungen entsprochen haben, die für uns gestellt sind, also das Abimnrienteneramen gemacht haben, so kann ihr Dr. med. vet. bei uns anerkannt werden. Die Ausführungen des Abg. Heß über die Promovierung von Im⸗ maturen in der philosophischen Fakultät bedürfen einer Einschränkung. Dlese Promotionen bestehen, aber als große Ausnahmen, nämlich dann, wenn eine Doktorarbeit von der gesamten philosophischen Fakultät einstimmig als eine hervorragende wissenschastliche Leistung anerkannt worden ist. Von dieser Möglichkeit wird nur ein äuß'rst sparsamer Gebrauch gemacht. In den letzten dreizehn Jahren sind auf den zehn preußischen Universitäten nur 1657 Inländer ohne Abtturium promoviert, das ist also nicht ein Student im Semester. Diese Möglichkeit wird also in dem strengen Sinne gehandhabt, in welchem sie gedacht ist.

Abg. Münster berg (fortschr. Volksp): Zunächst möchte ich meiner Freude Ausdruck geben über die Erklärung des Ministers, daß bei Besetzung von Lehistühlen nicht einseitige Richtungen bevorzugt werden und daß nur die wissenschaftliche Qualifikation eines Professors maßgebend ist. Der Abg. von der Osten hat sich schon autführlich über die Neubesetzung des Lehr⸗ stuhles von Adolf Wagner ausgelassen. Er hat eine etwaige Be⸗ rufung Lujo Brentanos befürchtet. refer Wagner denkt aber noch gar nicht daran, seine Lehrtätigkeit aufzugeben, bezüglich des Falles Röthe schließe ich mich den Ausführungen des Vorredners an Es geht nicht an, daß man diesem Prof ssor allein ein Monopol gibt, den studierenden Damen die Tur zu i Mit der Besttzung des Lehrstuhles Erlch Schmidts sollte man nicht allzulange warten. Die Frauen, die sich dem wissen schaftlichen Studium widmen, gehören zu den besten ihres Ge⸗ chlechtes, und man sollte ihnen ihr Studium möglichst erleichtern. Die ganze Frauenbewegung hat sich in der letzten Zeit außerordent⸗

Zweite Beilage . zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

1914.

den 2. Mai

Berlin, Sonnabend, ist nicht zum mindesten darauf zurück⸗ zuführen, daß die Frauen zum Universitäte studium zugelassen worden sind. Das Zugeständnis, daß die Extraordinarien an der Wahl des Rektors beteiligt werden sollen, ist bies⸗ her das einzige, was in dieser Beziehung geschehen ist. Die Extraordinarlen wünschen in der Hauptsache einen größeren Einfluß auf die Gestaltung der missenschaft⸗ lichen Stellungnahme der Fakultat. Ich hoffe auch, daß der Minister den Privatdozenten und Extraordinarien das Recht gibt, bei der Beurteilung der Doktorarbeiten, soweit sie in ihr Spezialfach fallen, mitzuwtiken. Das Verhältnis der Ordi⸗ nariate zu den Extraordinariaten ist ein sehr ungünstiges. Die Omdi⸗ nariate müssen unbedingt vermehrt werden und müssen Schritt halten mit der Vermehrung der Zahl der Studierenden. Auf den Universitäten und technischen Hochschulen ist das Gefühl sehr allgemein verbreitet, daß es zu wenig Ordinariate gibt, sodaß die Beziehungen der O dinarien zu den Studlerenden oftmals aufgehoben werden. Nur die eine Beziehung bleibt bestehen, daß der Student unter allen Umständen seine Kolleggelder bezahlen muß. Man darf bei Betrachtung der Zahlen nicht ohne weiteres Extra ordinarien und Privatdozenten zusammenwerfen, denn die Extra— ordinarien nehmen immerhin eine gewisse Mittelstellung zwischen den Ordinarien und den Privatdozenten ein. Die Privatdozenten sind vielfach in ihrer Tätigkeit sehr stark behindert. Sie können unter Umständen Seminarübungen nicht abhalten, weil ihnen die Räumlich⸗ keiten nicht zur Verfügung gestellt werden; sie sind darin ganz auf das Entgegenkommen der ordentlichen Professoren angewiesen. Das ist ein ungesunder Zustand, da doch die Universitäten gar nicht ohne die Tätigkeit der außerordentlichen Professoren und der Pripat— dozenten autkommen können. Wir können mit Genugtuung fest stellen, daß ein neuer Idealismus sich entwickelt, der auf den Geist Fichtes zurückgeht, und es wird eine neue Weltanschauung entstehen.

Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten D Dr von Trott zu Solz:

Meine Herren! Wenn ich noch einmal das Wort ergreife, so geschieht es nicht, um die soeben gehörten mir in vielen Punkten außerordentlich interessanten Ausführungen näher zu beleuchten, sondern es ist der Umstand, daß sowohl mein Herr Vorredner wie der Herr Abg. Dr. Heß sich den heftigen Angriffen, die der Herr Abg. Dr. Liebknecht gegen den Herrn Geheimrat Professor Dr. Röthe gerichtet hat, wenigstens bis zu einem gewissen Grade an⸗ geschlossen haben. Das bestimmt mich doch, einige Worte für den hochverdienten Herrn Geheimrat Professor Dr. Röthe hier zu sagen.

Die Angriffe richteten sich wesentlich gegen Ausführungen, die Herr Geheimrat Professor Röthe außerhalb der Universität bei Kom⸗ mersen und festlichen Veranstaltungen gemacht hat. Ich glaube, daß das, was Herr Professor Röthe da spricht, der Kritik dieses Hauses eigentlich nicht unterworfen ist. (Sehr richtig! rechts) Wenn er in der Universität auftritt, dann wird sein Auftreten dort auch hier einer Kritik unterzogen werden können; was er aber außerhalb der Universität tut, das entzieht sich, glaube ich, der hiesigen Kritik.

Wenn man eine Rede des Herrn Geheimrats Professor Dr. Röthe bei solchen festlichen Gelegenheiten gehört hat, wenn man seinen warmen heißblütigen Patriotismus aus diesen Reden hervorleuchten sieht (Bravol rechts., die urwüchsige, kräftige Art, mit der er da auftritt, sieht, wie er es versteht, die Studenten mit seinen Worten hinzureißen, dann kommt man doch vielleicht auch zu einer anderen Beurteilung seiner Art und wird geneigt, seiner ausgesprochenen In⸗ dividualität Rechnung zu tragen und nicht jedes Wort auf die Wage zu legen. (Sehr richtig! rechts) Ich kann nur sagen, daß ich eine solche Rede des Herrn Professors Dr. Röthe bei einem vaterländischen Anlaß mit großer Freude gehört habe. (Bravo! rechts.)

Nun, meine Herren, sind aber die Vorwürfe gegen Herrn Ge⸗ heimrat Professor Dr. Röthe auch mit Bezug auf seine Tätigkeit an der Universität gemacht worden, und darauf möchte ich doch auch mit einigen Worten eingehen.

Als es sich vor mehreren Jahren um die Berufung des Herrn Geheimrats, längst vor meiner Amtszeit, handelte, da war den Frauen die Immatrikulation an unseren Universitäten noch nicht zugestanden. Er stellte die Bedingung, daß ihm eingeräumt werde, Frauen von seinen Vorlesungen fernzuhalten, wenn er den Ruf nach Berlin an— nehmen sollte. Dieses Recht ist ihm damals zugestanden worden, und er ist daraufhin nach Berlin gekommen. Selbstverständlich bin ich daran gebunden, nachdem dieses Recht dem Herrn Professor Röthe einmal eingeräumt worden ist. Ich habe schon in der Kommission zum Ausdruck gebracht, daß selbstverständlich von sämtlichen Pro⸗ fessoren, die an unseren Universitäten lehren, verlangt werden muß, daß sie die Frauen ebenso zulassen wie die Männer, nachdem die Frauen überhaupt einmal zu unseren Universitäten zugelassen worden sind. (Sehr richtig Das kann nicht in die Willkür des einzelnen Professors gestellt werden. Das versteht sich ganz von selbst. Bei Herrn Professor Röthe lag aber, wie ich schon darlegte, der Fall be⸗ sonders. Ich war ihm deshalb um so mehr dankbar, daß er bei der Schwierigkeit, die sich ergeben hatte, den Lehrstuhl des verewigten Professors Erich Schmidt zu besetzen, sich bereit erklärte, von seinem Rechte keinen Gebrauch zu machen, und die Frauen zu seinen Vor— lesungen in neuerer Literatur während des Propisoriums zuzulassen, das einzurichten ich mich entschließen mußte. Daß mir das keine er⸗ wünschte Lösung dieser Frage war, brauche ich wohl nicht zu versichern; ich habe das ja auch in der Kommission des näheren dargelegt. Es handelt sich, wie ich wiederhole, lediglich um ein Provisorium, nicht um eine endgültige Regelung. Dies Probisorium ist aber auch nicht so eingerichtet, daß Professor Röthe nunmehr allein die Disziplin der deutschen Literatur zu vertreten hätte; das würde in der Tat eine zu große Anforderung an einen Mann stellen. Es ist ihm zur Seite gestellt Professor Heusler, der bisher lediglich nordische Philo logie vertreten hat und nun den Professor Röthe in der älteren deutschen Literatur unterstützen wird, und außerdem ein junger Privat⸗ dozent Professor Dr. Schneider, der den Professor Röthe in der neueren Literatur unterstützen wird, sodaß also die Tätigkeit auf drel Herren verteilt ist. Hiernach trifft die Annahme meines Herrn Vor- redners, daß Professor Röthe zurzeit allein die deutsche Literatur hier auf der Berliner Universität Berlin lese, nicht zu. (Abg. Münster⸗ berg: Als einziger Ordinarius) Ich betone aber nochmals: es handelt

lich vertieft, und dies

sich hierbei um ein Provisorium, das, wie ich hoffe, von nicht allzu langer Dauer sein wird.

Wenn ich mich in der Kommission dahin geäußert habe, daß es zurzeit an einem prädestinierten Mann gefehlt habe, und daß die Schwierigkeiten, in die wir hier geraten sind, ebenso in Wien be⸗ standen, wo es auch außerordentlich schwierig gewesen ist, eine Per⸗ sönlichkeit für den gleichen Lehrstuhl zu finden, der gleichzeitig mit dem hiesigen frei geworden war, so habe ich damit gemeint, daß doch aus unseren jüngeren Gelehrten eine Persönlichkeit erstehen und sich zei⸗ gen würde, die geeignet wäre, der Nachfolger von Erich Schmidt zu werden. Das kann auch schon in kürzerer Zeit der Fall sein; darüber brauchen nicht lange Jahre hinzugehen. Insofern glaube ich doch, daß ich auch in dieser Beziehung in der Kommission zutreffendes gesagt habe.

Nun hat Professor Roethe also die Frauen zu seinen Vorlesungen zugelassen. Wenn das die Folge haben sollte, daß er sich davon überzeugte, daß man auch vor Frauen deutsche Literatur lesen kann (Heiterkeit), so würde ich mich sehr darüber freuen, und ich bin über⸗ zeugt, wenn er diese Ueberzeugung gewinnt, dann wird er sie auch zum Ausdruck bringen und dementsprechend handeln. Denn er ist ein außerordentlich überzeugungstreuer Mann, der überall von der einmal gefaßten Ueberzeugung Rechenschaft ablegt und sich danach verhält, ohne Rücksicht darauf, ob es Gefallen findet oder nicht. Das macht mir seine Persönlichkeit außerordentlich sympathisch (Bravo! rechts.), und ich habe mich hier gern mit einigen Worten für ihn eingesetzt. (Lebhafter Beifall rechts.)

Die Debatte wird geschlossen.

Zur Geschäftsordnung bedauert

Abg. Dr. Keil (nl) nicht mehr zum Wort gekommen zu sein, um den Wunsch der Anatomen nach vermehrtem Leichenmaterlal zu erörtern.

Abg. Dr. Heß (Zentr. bedauert, dem Geheimen Rat Tilmann nicht in bezug auf die Zahl der immagturen Doktoren widersprechen zu können. Ferner habe ihm ein persönlicher Angriff auf Profe ssor Moethe ferngelegen. . t

Abg. Münsterberg fortschr. Volksp,) bemerkt gleichfalls, daß ihm eine Beleidigung des Professors Roethe ferngelegen und er nur im Juteresse des Unterrichts gesprochen habe.

Abg. Rosenowm (fortschr. Volksp.) bedauert, die Frage nicht erörtern zu können, ob mehr Universitäten errichtet werden sollen.

Abg. Dr. Arning (nl) bedauert, an einer Erwiderung auf die Ausführungen des Geheimen Rats Tilmann verhindert zu sein.

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Vas aus wendet ich er Beratung der zu em Universitätskapitel gestellten Anträge zu.

Die Abgg. Winckler (kons.) u. Gen. beantragen: die Regierung zu ersuchen, an der zukünftigen Univerität Frankfurt a. M. eine theologische Fakultät zu errichten und die Ausgaben für dlese Fakultät erforderlichenfalls in den Staatshaushaltsetat einzustellen.

Die Abgg. Dr. Friedberg (nl.) u. Gen. beantragen: die Regierung wird ersucht, auf die Errichtung einer theologischen Fakultät an der Universität Frankfurt hinzuwirken, ohne dafür Staatsmittel in den Staatshaushaltsetat einzustellen.

Abg. Winckler (kons.): Wir haben uns in den letzten Jahren wiederholt mit der im Werden begriffenen Universität in Frankfurt am Main hbeschäftigt. Diese Universität weicht von den übrigen Uni⸗ persitäten Preußens ab, indem sie keine theologische Fakultät hat. Auch die gelehrten Kreise haben sich mit dieser Frage beschäftigt. Dieser Mangel hat es zuwege gebracht, daß das öffentliche Interesse auf diesen Unterschled hingelenkt worden ist und die Bedeutung Ter theologischen Fakultät einmal ins rechte Licht gerückt wurde. Die Theologen können auf das Urteil über ihre Fakultät stolz sein. Die vorliegenden beiden Anträge sind ein Beweiß dafür, wie auch hier die theologischen Fakultäten bewertet werden. Ich möchte besonders das Gemeinsame beider Anträge betonen:; den Wunsch nach Grrichtung einer theologischen Fakultät. Direktoren der preußischen Universitaäten haben ebenfalls die ungeheure Bedeutung der theologischen Fakultäten zum Ausdruck gebracht. Der Evan⸗ gelische Bund sieht in Untversitäten ohne tbeologische Fakultäten eine große Gefahr. Schließlich hat die Bezirkasynode Frankfurt am Main einstimmig einen Antrag angenommen, in dem das Fehlen einer theo⸗ logischen Fakultät bedauert wird. Der Mintster hat in der Kom⸗ missien erklärt, daß ein grundsätzlicher Ausschluß nicht vorliege, nur seien die Miltel für eine theologische Fakultät nicht vor⸗ handen. Meine Freunde sind nach langen Verhandlungen zu der Ueberzeugung gekommen, daß hier Staattmittel aufgebracht werden sollen, wenn diese anderweitig nicht zur Verfügung gestellt werden. Wir haben die Notwendigkeit der Errichtung einer Universität in Fiankfurt a. M. verneint, deshalb waren wir ursprünglich der An⸗ sicht, daß Staatsmittel nicht verwendet werden möchten. Jetzt, nach= dem die Sache so weit gediehen ist, würde die Aufwendung von staatlichen Mitteln nicht mehr den Charakter haben wie früher, da es jetzt eine große Gefahr abzuwenden, gilt, die darin bestebt, daß der eiste Schritt gemacht wird, der die Theologie als eine Wissenschaft uberhaupt nicht mehr kennt. Da wächst diese Frage über das lokale Interesse weit hinaus. Wir sind dafür, daß an der neuen Universität zunächst zwei Professuren eingerichtet werden. Ich hoffe aber, daß die Herren, die in so großzügiger Weise die Meittel für die Unwersität zur Verfügung gestellt haben. durch unsere Verhandlung und durch die Besprechung in der Oeffentlichkeit dahin e führt werden, noch einmal zu prüfen, ob nicht eine Ergänzung der Mittel angezeigt sein möchte. Darauf kann es ihnen um so weniger ankommen, weil Frankfurt a. Main teilnehmen soll an dem Ansehen und Ruhm unserer preußischen und deutschen UntversitätSstädte. Die Regierung wolle deswegen nach der Richtung hin noch einmal in Verhandlungen ein⸗ treten. Im übrigen bitte ich, beide Anträge der Budgetkommission zu überweisen. Wir würden aber auch einer Uebeiweisung an die Unterrichte kommission nicht entgegen stehen.

Aba. Dr. Dittrich (Zentr): Die theologische Fakultät nimmt unter allen Fakultäten die eiste Stellung ein Es ist erwünscht, daß in den Strom der Wissenschaften, der von Flanksurt aus über die Gefilde Deutschlands sich ergießen soll, auch ein thrologisches Wasser einfließt. In unseren stuxentischen Kreisen ist das Interesse an Religions wissenschaften im Steigen begriffen, und man sollte daher dem Bedürfnis durch Errichtung ein er theolouischen Fakultät nach- kommen. Nach Lage der Verhälinisse ist allerdings nicht zu hoffen, daß Frankfurt aus eigenen Mitteln die Kosten dafür bestreitet. Es ist da ber zu wünschen, daß der Staat eingreift. Wenn wenigstens ein eil der Unlbersität vom Staate erhalten wird, so wird die Unterrichtg⸗ verwaltung auch einen ganz anderen Ginfluß auf den Geist r Wm. versität ausüben können, als es sonst der Fall wäre. Adẽrdĩ rg wurde dieser Einfluß auch bejahlt werden müssen mit einem ganz er⸗ heblichen Aufwand von Staattzmitteln. Ich glaube, daß man die

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