Regierung in Cassel zur weiteren dienstlichen Verwendung überwiesen, der Regierungsassessor Hammacher aus Düssel⸗ dorf dem Landrat des Kreises Hadersleben, der Regierungs⸗ assessor von Ra ppard aus Vohwinkel dem Landrat des Kreises errschaft Schmalkalden, der Regierungsassessor Boeh mer aus renzlau dem Landrat des Kreises Rheinbach, der neu ernannte egierungsassessor Freiherr von Schorlemer aus Breslau dem Landrat des Kreises Coesfeld, der neu ernannte Re— ierungsassessor Eich aus Breslau dem Landrate des Kreises önigsberg i. N⸗M., der neu ernannte Regierungtassessor von Krosigk ans Potsdam dem Landrate des Kreifes Arnsberg und der neu ernannte Regierungsassessor von der Lühe aus Potsdam dem Landrate des Landkreises Recklinghausen zur Hilfeleistung in den landrätlichen Geschäften zuteilt worden.
Die Regierungsreferendare Dr. Jun kermann aus Cöln, von Saldern aus Potsdam, Georg Rimpan aus Schleswig, Fritz Henkel aus Posen und Dr. Freiherr von Dobenecck gus Cöln haben die zweite Staatsprüfung für den höheren Verwaltungsdienst bestanden. .
Seine Königliche Hoheit der Kronprinz Rupprecht von Bayern ist gestern morgen in Dresden eingetroffen und auf dem Bahnhof von Seiner Majestät dem König Friedrich August, dem bayerischen Gesandten Grafen Montgelas dem bayerischen Generalkonsul, Kommerzienrat Reichel und den Herren des Ehrendienstes empfangen worden. Nach der Begrüßung und der Vorstellung der Gefolge geleitete Seine Majestät der König seinen hohen Gast in das Residenz— schloß. Mittags fand Königliche Tafel in der Villa Wachwitz statt, an der außer den Mitgliedern der Königlichen Familie der Kronprinz Rupprecht mit Gefolge und Ehrendienst, der bayerische Gesandte und andere teilnahmen.
. De sterreich⸗ Ungarn.
Nach dem gestrigen Bericht über das Befinden des Kaisers war die Nacht besser als die vorhergehende. Das Allgemeinbefinden ist ganz befriedigend, der katarrhalische Zu stand ist der gleiche.
Großbritannien und Irland. Der Herzog von Argyll, der Gemahl der Prinzessin Luise von Großbritannien, ist einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge vorgestern abend gestorben.
Frankreich.
Nach dem endgültigen Ergebnis des ersten Wahl— gangs der Kammerwahlen sind, wie „W. T.“ meldet, 32 Kenservative, 27 Mitglieder der Action liberale, 54 fort— schrittliche Republikaner, 52 Republikaner der Linken, 27 radikale Republikaner, 11 sozialistische Radikale, 89 geeinigte sozialistische Republikaner, 17 sozialistische Republikaner, 40 geeinigte Sozialisten, mithin 349 Abgeordnete gewählt worden. In dem zweiten Wahlkreise von Martinique ist das Resultat der Wahlen nicht veröffentlicht worden, die Akten werden der Kammer übersandt werden. 252 Stichwahlen müssen stattfinden. Die Konservativen gewinnen 5 Sitze, davon einen neugeschaffenen. Die Action libérale gewinnt 4 Sitze, davon einen neugeschaffenen und verliert 3 Sitze. Die Progressisten gewinnen 7 Sitze, da— von einen neugeschaffenen, und verlieren 8, davon einen durch Abschaffung. Die Republikaner der Linken gewinnen 12 Sitze und verlieren 10, die radikalen Republikaner gewinnen 2 und verlieren 7 Sitze, die sozialistischen Radikalen gewinnen 4 und verlieren 3 Sitze, davon einen durch Abschaffung, die geeinigten sozialistischen Radikalen gewinnen 12 und verlieren 15 Sitze, einen ebenfalls durch Abschaffung. Die sozialistischen Republi— kaner verlieren 3 Sitze, die geeinigten Sozialisten gewinnen 5 Sitze und verlieren einen.
Nußland.
Ein gestern veröffentlichter Ukas des Kaisers ordnet nach einer Meldung des „W. T. B.“ die Probemobilisie rung zweier Bezirke und die Einberufung der Reservisten in zwei anderen Bezirken des Gouvernements Jekaterinoslaw an.
— Der Gehilfe des Ministers des Auswärtigen hat der Budgetkommission der Duma mitgeteilt, daß der Minister während der Beratung seines Etats mit Ermächtigung des Kaisers eine Erklärung über die auswärtige Politik Rußlands abgeben werde.
R
— Die ordentliche Sezession des finnischen Landtages ist vorgestern geschlossen worden.
) Türkei.
Vorgestern nachmittag erfolgte auf der Pforte zwischen dem deutschen Botschafter Freiherrn von Wangenheim und dem Großwesir Said Halim Pascha ein Notenaustausch, durch den einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge die Geltung des am 25. Juni ablaufenden deutsch⸗türkischen Handels- und Schiffahrtsvertrags vom 26. August 1890 sowie die Geltung der Zusatzkonvention vom 7. April 1907 vorbehaltlich der beiderseitigen parlamentarischen Genehmigung auf ein Jahr verlängert wird.
— Das von der Pforte den Botschaftern überreichte Memorandum bezüglich der Verfolgung der Musel— manen in Mazedonien rekapituliert die von der Pforte gegen die Verwaltung in Mazedonien erhobenen Beschwerden und stellt obiger Quelle zufolge fest, daß die Lage der Musel⸗ manen immer unerträglicher werde. Die Zahl der aus⸗ gewanderten Muselmanen betrage 163 9000. Das Memorandum weist auf die Angriffe hin, die gegen Personen, deren Eigentum und Religion begangen werden, und erklärt, daß alle bei der griechischen Regierung bisher unternommenen Schritte wegen Anwendung des Artikels 2 des Friedensvertrags erfolglos ge— blieben seien. Das Memorandum schließt mit den Worten, daß in ganz Griechisch⸗Mazedonien nicht eine Spur von Gesetz gegen—⸗ über den Muselmanen bestehe. .
— Die Pforte hat der französischen Regierung Tabellen übermittelt, in denen angegeben wird, welcher Betrag der öffentlichen Schuld und der anderen Schulden der Türke; einschließlich der schwebenden Schuld auf jeden einzelnen der Balkanstaaten zu entfallen hätte. Nach hel Tabellen, die an die fremdländischen Delegierten der internationalen Kommission für die finanziellen Balkanfragen zu verteilen sind, hätte Griechenland 14315 406 türkische Pfund, Bulgarien 4 075590,
Serbien 1 451 73, Albanien 1 090 585 und Montenegro 151 040 türkische Pfund zu übernehmen. Die Kommission soll am 15. Juni ihre Arbeiten wiederaufnehmen. Die ottomani⸗ schen Delegierten haben auch eine Liste der Forderungen otto⸗ manischer Privatpersonen für den ihnen während des Krieges seitens der Balkanstaaten verursachten Schaden vorbereitet.
Albanien.
Meldungen des ‚W. T. B.“ aus Epirus besagen, daß dort völlige Angrchie herrsche. Zographos sei nicht Herr der ö. Die Aufständischen richteten arge Verwüstungen an, die mohammedanische Bevölkerung sei den Uebergriffen der Banden schutzlos preisgegeben.
Vorgestern am späten Abend sind der albanischen Regie⸗ rung obiger Quelle zufolge Nachrichten aus Koritz a zu⸗ gegangen, wonach die Albaner im Laufe des Tages einen er— folgreichen Angriff gegen die Aufständischen unternommen, viele in der Gegend des Feindes befindliche Dörfer zurück— erobert haben und bis Bomati in der Nähe von Kolonia vorgedrungen sind, Die Regierung hegt die volle Zuversicht, daß auch Kolonig in allerkürzester Zeit zurückerobert werden wird. In ganz Albanien macht sich eine patriotische Bewegung bemerkbar. In allen Teilen des Landes rüstet man zur Befreiung des vom Feinde bedrohten Gebiets. In Tirana allein meldeten sich 2000 Freiwillige, die nach Koritza abmarschiert sind. Die Frei— willigen aus Elbasan, Berat und Dibra sowie aus dem Ljuma— und Matigebiete zählen nach Tausenden, sodaß man das Ein— treffen von etwa 10 0090 Freiwilligen in Koritza erwartet. Die Regierung hofft mit Hilfe der heranrückenden Scharen von Freiwilligen die Aufstandsbewegung binnen kurzem niederwerfen und die Epirusfrage einer für Albanien günstigen Lösung zu⸗ führen zu können. Die für gestern angekündigte Protestver— sammlung in Durazzo gegen die Bandengreuel in Epirus ist von der Regierung verboten worden.
Amerika.
Nach einer Unterredung zwischen dem Staatssekretär Bryan und den Vertretern der drei vermittelnden südameri— kanischen Staaten hat das Staatsdepartement in Washington eine Erklärung veröffentlicht, wonach die Vermittler die Ruf— forderung zur Ernennung von Vertretern, die mit ihnen verhandeln sollen, der Regierung der Vereinigten Staaten überbracht und an Huerta und Carranza abgesandt haben.
Wie „W. T. B.“ meldet, hat die mexikanische Re⸗ gierung die Einstellung der Feindseligkeiten während der Ver— mittlung befohlen. Das dreifache Abkommen für den Waffenstilltand ist von den Vertretern der Vereinigten Staaten, der Bundestruppen und der Rebellen unterzeichnet worden. Aus El Paso wird gemeldet, daß der General Carranza es formell abgelehnt habe, während der Vermittlungsverhandlungen die Feindseligkeiten gegen Huerta einzustellen. Eine Note dieses Inhalts sei am Sonnabend nach Washington gesandt worden.
Vorgestern sind amerikanische Vorposten bei Water— plant, neun Meilen von Veracruz, von Mexikanern an⸗ gegriffen worden, die die Absicht hatten, die Wasserzufuhr abzuschneiden. Wie der General Funston meldet, sind nur wenige Schüsse gegen die die Wasserwerke bewachenden amerikanischen Truppen, die keine Verluste hatten, abgegeben worden. Die von Veracruz abgesandten Verstärkungen sind dorthin zurückgekehrt.
Sowohl Huerta wie Carranza haben nunmehr die amtliche Zusicherung gegeben, daß die Oelquellen bei Tampico während der Kämpfe geschont werden sollen.
Nach telegraphischer Meldung von dem deutschen Kreuzer
„Nürnberg“ vom 28. April aus Guay mas ist dort die Lage unverändert. In Mazatlan haben die Deutschen, denen Gelegenheit zur Abreise geboten war, sich entschlossen, unter dem Schutz des japanischen Kreuzers „Idzumo“ am Orte zu bleiben. Entsprechend einer Vereinbarung der deutschen, eng— lischen und japanischen Seebefehlshaber wird der Schutz der Staatsangehörigen der drei Nationen gemeinsam ausgeübt. Die Deutschen haben den Schutzdienst in Guaymas über— nommen, die Engländer in San Blas und die Japaner in Mazatlan. Von dem amerikanischen Kanonenboot „Petrel“ ist in Washington ein drahtloses Telegramm eingelaufen, wonach die Revolutionäre Puerto Plata auf San Domingo heftig angreifen. Der Kampf sei seit einer Woche im Gange. Der Gouverneur Felin und der General Pegnero, der Befehlshaber des Forts, führen Streitkräfte gegen den Pläsidenten Bordas. Die Lage des letzteren sei schlecht. Die Truppen des Generals Arias hätten ihm den Rückzug nach San Diego abgeschnitten; er trachte sewärts zu entkommen. Der Konsul der Vereinigten Staaten berichtet, daß die Fremden wohlauf sind.
Der Kongreß von Costa Rica hat, einer Meldung des, W. T. B.“ zufolge, Alfredo Gonzales zum Präsidenten der Republik gewählt.
Der brasilianische Kongreß ist mit einer Bot— ft des Präsidenten wieder eröffnet worden. Wie W. T. B meldet, hebt die Votschaft die Politik der Spar— samkeit und Gerechtigkeit sowie die Aufhebung des Be— lagerungszustands hervor und stellt ferner die allgemeine Herz⸗ lichkeit der auswärtigen Beziehungen Brasiliens fest, die das Anerbieten der Vermittlung in dem Streit zwischen den Ver— einigten Stagten und Mexiko möglich gemacht habe, deren Er⸗ folg zwar schwierig, aber doch möglich sei. Die Botschaft würdigt weiter die Bedeutung der Besuche des Prinzen Heinrich von Preußen und des ehemaligen Präsidenten Roosevelt und dankt den Vereinigten Staaten für die Aufnahme, die der Minister des Auswärtigen Lauro Müller im ver— gangenen Jahre gefunden habe. Ferner wird die Not— wendigkeit betont, das Heer zu reorganisieren, Reserven zu schaffen und das Flugwesen zu erweitern. Die Eisenbahn⸗ linien seien im letzten Jahre um 2303 km verlängert worden, sodaß sie jetzt ein Gesamtschienenetz von 24 590 km umfassen; die Schiffahrtszölle brachten 42 359 Kontos, die Einnahme aus Hafengebühren verspreche einen Ertrag von 27 828 Goldkontos und 14544 in Papier. Der Betrag der ausgezahlten internationalen Postmandate erreichte 10500060 Fr. Die Telegraphenlinien seien um 2768 km vermehrt worden. Die Lage des Staatsschatzes sei schwierig, aber nicht unheilbar. Die Einnahmen aus dem Jahre 1913 betrügen 135 750 Gold⸗ kontos und 407 671 in Papier. Die ausländische Schuld habe im Dezember 103 772 780 Pfd. Sterl. betragen, die inneren Schulden 26 746 Kontos, der Außenhandel ausschließlich der Metalle hätte 1913 einen Wert von 132 015061 Pfd. Sterl. gehabt, das bedeute eine Verminderung um 6058719 gegen 1912. Die Ausfuhr an Kaffee und Kautschuk sei um 11499 Pfd.
schaf 9
Sterling zurückgegangen. Eine Revision des Zolltarifs sei gegenwärtig in Vorbereitung.
Astien.
Die Zusgmmensetzung des neuen chinesischen Kabinetts ist vorgestern bekannt gegeben worden. ie W. T. B.“ meldet, ist Schuschihchang Staatssekretär Sunpaochi übernimmt das Aeußere, Tuanchihjui das Kriegs- und Liukuanhsiung das Marineministerium.
Afrika.
Nach einer Blättermeldung aus Tanger hat die Kolonne des Generals Courreau das auf dem El-⸗Hodoani⸗-Berge gelegene Lager des Roghi von Nord marokko angegriffen und vernichtet. Die Truppen des Roghi leisteten hartnäckigen Widerstand, wurden aber schließlich doch zur Flucht gezwungen.
Im portugiesischen Kongogebiet sind, wie „W. T. B.“ meldet, infolge von Steuererhöhungen Unruhen ausgebrochen. Truppen schlugen und verfolgen die Rebellen; die Ruhe ist zum Teil bereits wieder hergestellt. .
Parlamentarische Nachrichten.
Die Schlußherichte über die vorgestrigen Sitzungen des Reichstags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten Beilage.
— — Das Haus der Abgeordneten heutigen (71.) Sitzung, welcher der Unterrichtsangelegenheiten D. Dr. beiwohnte, die zweite Beratung des steriums der geistlichen und heiten, und zwar zunächst die Besprechung des Kapitels „Höhere Lehranstalten“ fort, zu dem der Antrag der Abgg. Dr. Heß und Genossen (Zentr.), betreffend Nicht⸗ bevorzugung von Schülern, die von Vorschulen kommen, vorliegt. .
Abg. Pietz ker (fortschr. Volksp.) bespricht unter fortdauernder Unruhe des Hauses, sodaß der Präsident wiederholt um Ruhe bttten und das Haus auffordern muß, die Privatgespräche nicht zu laut zu führen, den Extemporalienerlaß, Mittel für die Ein— schränkung der Frequenz an den höheren Schulen und die Rang⸗ verhältnisse der Oberlehrer und führt aus: Ich bringe diefe Dinge nicht im persönlichen Interesse zur Sprache, sondern um die allgemeine Aufmerksamkeit auf die erwähnten Wünsche und An schauungen zu lenken. Mit der Schulreform von 1900 kann ich mich im allgemeinen einverstanden erklären; ich muß aber wünschen, daß den Bedürfnissen der modernen Zeit und dem steten Fortschritt auf allen Kusturgebieten entsprechend in immer welterem Umfange Reform⸗ anstalten errichtet werden. Wenn Herr von Kessel für die humanistischen Gymnasien nach wie vor die führende Stellung beansprucht, so kann ich dem nur sehr bedingt zustimmen. Die Aufgabe des Lehrers muß es vor allem sein, bei den Schülern Intereffe für seinen Unter⸗ richt zu erwecken und er muß von allen Hemmungen befrest werden, die seiner Betätigung in dieser Richtung entgegenstehen. Der Lehrer muß vor allen Dingen Optimift sein, er muß den Blguben an das Gute im Menschen besitzen. Damit gibt er dem Schüler auch zugleich ein Beisplel und Vorbild. Der Lehrer mu auch, der Berater der Schüler sein. Ohne Unfehlbarkest für in Anspruch zu nehmen, kann und wird er doch 66 haupten und feine Schüler gewinnen. Der Lehrer soll aber auch in den Sland gesetzt werden, an den Normen mitzuarbeiten nach denen der Unterricht erteilt wird, und ich begrüße die Anregung, die in dieser Hinsicht der Kollege Eickhoff gegeben hat. Dazu gehört auch, daß bei der. Besetzung der Direltorenslellen gewisse Be— schränkungen, die bisher geübt wurden, fallen und die Auswahl aus einem g ößeren Kreise erfolgt. Bei der heutigen Uebung kommen auf den Schüler durchschnittlich 5 Stunden Unterricht und 3 Stunden häusliche Arbeit täglich. Beb dieser Inanspruchnahme kommt die per⸗ sönliche Veranlagung des Schülers nicht zu ihrem Recht; Freiheit muß für die Entwicklung der Eigenart des Schülers geschaffen werden. Von diesem Gesichtspunkt aus möchte ich also eine Herabfetzung des Maßrs der Schul for derungen wünschen. Nun hat man die Forderung der Erhöhung des Lehrziels der Abiturienten verlangt. Soll das geschehen dann muß erst recht auf der anderen Seite für Erleichterungen ge⸗ sorgt werden Dem deutschen Aufsatz hat man bisher im Unterricht eine große Rolle zugewiesen, eine so große, daß die ganze Prüfung als schlecht bestanden gilt, wenn der deutsche Aufsatz nicht genügt. Es wird da aber von den Schülern zu viel berlangt, Fier würde auch zu reformieren sein. Für die Bürgerkunde, das Staatsrecht sollte sich die Schule und sollten sich die Lehrer auf Anregungen be— schränken; das Gleiche gilt für die philosophische Propädeutik. Reformbedürftig üist serner auch das Prüfungswesen. Wenn ein Schüler auf Grund seiner Klassenleistung und seiner schrift⸗ lichen Arbeiten befriedigt, sollte er von vornherein von“ der mündlichen Prüfung befreit sein. Diese Prüfung selbst muß aber auch umgestaltet werden. Man soll dem Schüler ö Gelegenheit geben, sich ausführlich im Zusammenhang zu äußern, damit er zeigt, daß er in den Geist der Sache eingedrungen ist; die Pnüsung muß eine Probe des Verständnisses sein, das der Schüler für den Gegenstand erlangt hat. Die Schule muß Männer mit hellen Blicken und mit hellem Geist erziehen, die dereinst Führer der Nation zu werden bestimmt sind. Dann werden auch diefe Männer . Dank wissen und befähigt sein, die Geschicke der Ration zu leiten.
Hierauf nimmt der Minister der geistlichen und Unter— richtsangelegenheiten D. Dr. von Trott zu Solz das Wort, dessen Rede morgen im Wortlaute wiedergegeben werden wird.
(Schluß des Blattes.)
di setzte in der Minister der geistlichen und von Trott zu Solz Etats des Mini Unterrichts angelegen⸗
Statistik und Volkswirtschaft.
Zur Arbeiterbewegung.
Die im Düsseldorfer Wagenbaugewerbe beschäftigten Gehilfen haben der Rh.⸗Westf. Itg. zufolge nachdem der pit⸗ herige Larifbertrag mit den Arbeitgebern am 1. Mai abgelaufen war, infolge Streitigkeiten über Lohn und Arbeitszeit die Arbeit niedergelegt.
Vie organisierten Maurer und Zimmerer von Lübbecke und
Umgegend beschlossen, wie dasselbe Blatt meldet, da ihre Forderung, den Stundenlohn von 040 auf 045 S zu erhöhen, von den Unter— nehmern abgelehnt ist, unverzüglich in den Ausstand zu treten.
In Velbert sind, wie die „Köln. Ztg.“ mitteilt, die An—⸗ streichergehilfen in den Ausstand getreten. Ste fordern die An⸗ erkennung des im vergangenen Jahre abgeschlossenen Reichttariftz durch die dortigen Meister.
In New Jork kam es, wie W. T. B.“ erfährt, am Freitag⸗ abend bet einer sozialist schen Versammlung auf dem Unionplatze zu Ausschreitungen. Mitglieder der Gewerkschaft der In⸗ du strtear better drangen auf den Platz vor und verursachten Ruhe—⸗ störungen. Zahlreiche Polizeibeamte gingen mit ihren Knüppeln gegen sie vor. Eg entstand unter der versammelten Menge, die auz 165 000 Männern, Frauen und Kindern hestand, eine Panik, wobei ungefähr zwölf Personen verletzt wurden.
. leibt ehme ildnisse, noch die prickelnde Farbengebung, die geistreiche lebendige NMalweise, die der moderne Impressionismus angeblich besitzen soll.
elungen ist, das auch als Komposition eindrucksvoll wirkt.
Auis Wasfhington wird dem W. T. B.“ gemeldet: Der kriegsfekretär Garrison hat nach einer Besprechung mit dem Prä—⸗ denten Wilson Befehl gegeben, die Zahl der Bundestruppen m Streikrevßer von Colorgdo zu vervterfa chen. Der kriegssekretär erließ ferner einen Aufruf, in dem Niederlegung der
Baffen gefordert wird. (Vergl. Nr. 103 d. Bl).
Weitere Statistische Nachrichten! s. J. d. Zweiten Beilage.)
sunst und Wissenschaft.
Erste Ausstellung der „Freien Sezession“. J. Die Zeiten, in denen der Berliner Sezession von einem großen
ich der plötzlichen, lärmvollen Entdeckung dieses guten Malers vor r jetzt allgemein beliebten Ueberschätzung seiner Kunst hüten, man ird aber gern zugestehen, daß seine besten Bilder, die an die be⸗ Heutenden deutschen Maler des 19. Jahrhunderts anknüpfen und ihre Urt fortsetzen, wertvoller sind als die meisten Werke der beliebten zodemaler von der Berliner Sezession. Der „Fall Hagemeister“ eweist wieder einmal die Wahrheit der Richard Wagnerschen Er⸗ enntnis, daß für die deutsche Kunst nur der „Winkel“ produktiv ist, cht die „großen Marktplätze, Ring⸗ und Promenadenplätze?'. Die ruhigende Gewißheit, daß die Kultur unseres Landes schließlich doch cht am Kurfürstendamm gemacht“ wird, tröstet leicht darüber hin⸗ daß die diesjährige Sezessionsauestellung sehr schlecht geraten ist.
reie Sezession“ nennt sich jetzt die Gruppe, die sich im vorigen ahre infolge künstlerischen Zwistes von der alten Sezession ab⸗ nderte. Es gehören ihr alle jene Künstler an, deren Werke von her den Berliner Sezessiongausstellungen das charakteristische Ge⸗ äge verliehen, und da sie auch das alte Ausstellungsgebäude inne⸗ ben, so unterscheidet sich diese erste Ausstellung der Freien ezession! nicht wesentlich von den bisher hier veranstalteten nstausstellungen. Der Gepflogenheit, neben den letzten chöpfungen der Mitglieder berühmte ältere Werke der modernen inst vorzuführen, ist man gleichfalls treu geblieben. In diesem Fahre zeigt man Auguste Renoirs 1873 entstandene sogenannte Amazone“. Dieser Spazierritt“ — wie die zutreffendere Bezeichnung m Kataloge lautet — stellt vor einer Landschaft eine Reiterin und Ihr zur Seite einen reitenden Knaben dar. Die Figuren sind an⸗ hernd lebensgroß. Neben Renoirs ‚Lisen und Manets Balkon⸗ ene“ und ‚Olympia“ gehört dieses Riesenbild zu den bekanntesten Werken, die der Impressionismug in Frankreich hervorge⸗ bracht hat. Im guten Sinne populär ist es freilich nicht — hie überhaupt die Maler des Impressionismus nicht die Kraft be⸗ aßen, auch nur ein einziges volkstümliches Werk schaffen zu können! Rn der Hamburger Kunsthalle, der es gehört, wirkte das Bild unge⸗ mein grau und flach. Hier in der Sezession hängt es zwischen derb malten Leinwänden und dadurch gewinnt sein Aussehen an lühender Zartheit und farbigem Duft. Für sich betrachtet, es aber ein mäßiges Bild, das uns heutige voll⸗ kalt läßt. Es hat weder die in eine vor⸗ Sphäre entrückte wirkungsvolle Haltung alter Reiter—⸗
Die stoffliche Wiedergabe der Frauenbluse und ein pagr geschmackvolle zarbenflecke sind als Malerei ganz gut. Aber diese Vorzüge kommen hegen den unangenehmen Eindruck der hölzernen Pferde, der hinge⸗
Pischten, kulissenhaft wirkenden Landschaft und des stumpfen Bodens
icht auf. Wenn schon dieses Hauptwerk des Impressionismus ver⸗ gt, so ist es kein Wunder, daß die Durchschnittsbilder der Berliner ammlung Julius Stern, der man ein Zimmer eingeräumt t, erst recht völlig gleichgültig berühren. Diese Sammlung reicht kei weitem nicht an die wahrhaft bedeutende moderne Berliner ivatgalerie Arnhold heran; was sie enthält, ist landläufige bessere eutsche Kunsthändlerware: moderne Franzosen und Berliner Bezessionisten. Der Gesamteindruck dieser Bilder ist liebens⸗ sbürdig und gefällig, nett und gepflegt. Das sind zwar alles ngenehme Eigenschaften, aber es fehlt den hier vertretenen Fünstlern an Kraft und Leidenschaft, und so packen sie Ens an keiner Stelle. Das virtuos zusammengestrichene „Porträt der adame D.“ von Manet, ein Blumenstilleben von Cézanne,
q von heiterer, pariser Luft durchwehte Boulevardbild Pisfsaros
d einer jener Frauenakte Renoir, in denen der Künstler nach funder plastischer Form strebt, sind im Rahmen dieser ammlung die besten Werke. Erfreulich überrascht Eug ne arrisreg Gemälde „Freundinnen? mit dem diesem ver⸗ appten süßlichen Salonmaler ein verinnerlichtes Werk Claude Nonets knapp und gelstreich behandeltes holländisches Hafenbild us dem Jahre 1870 erreicht nur die dekoratiyhe Wirkung geschmack⸗ oller kunstgewerblicher Erzeugnisse; die Strandlandschaft dieses önstlers ist eines seiner recht häufigen unerträglich faden Bilder. ter den Werken der Berliner Maler ragen in der Sammlung tern zwei ältere Arbeiten Max Liebermanns hervor: das
n Menzelschem Geist erfüllte Bild der Kösener Kaiser Friedrich⸗Gedächtnisfeier in einem Walde, dessen Blätter ngemein leicht und zart wiedergegeben sind, und das 1881 entstandene Altmännerhauss. Unter den neueren Arbeiten Liebermanns ist eine ker flott und stellenwelse flüchtig heruntergemalten Reiterszenen am rande (Sammlung Stern) wertvoller als das bisher noch nicht ge—⸗ gte Bildnis Ludwig Fuldas und als die nichtssagenden undebilder. In altgewohnter männlicher Kraft und Frische itt in diesem Jahre Wilhelm Trübner wieder auf den RIUlan. Das Bildnig seines Sohnes in silberner Rüstung ber gelbem Vorhang ist freilich ein wenig hart und derb und farbig hne stärkere Wirkung. Wie gut sind aber seine Bilder aus der Um— egend von Stift Neuburg! Der Pinselsirich in der „Parkmauer n Stift Neuburg“ ist straff und von überlegener Sicherheit, der arbige Ausdruck voller Kraft und Klarheit und dabei nicht grob, ndern fein und wundervoll abgestuft. Von Adolf Oberländer ieht man auch in diesem Jahre zwei seiner mehr gezeichneten, als emalten treuherzigen Bilder, einen „Viehmarkt? und ein Bauerngehöft mit Hühnern“, die wie alle Gemälde Oberländers an ine genialen Zeichnungen aus den 80er und 90er Jahren nicht ranreichen. Der Umstand, daß man von Leibl und von Hans on Marseg zwel recht belanglose Porträts ausstellt, deutet darauf un, daß der Kunsthandel seinen Vorrat an den stark begehrten emälden dieser Meister erschöpft hat. Hans Thoma hat einen Raum allein inne und trägt mit feinen Bildern einen Klang aus mer ganz anderen Welt in diese Ausstellung. Man sieht von ihm 9 Arbeiten aus der Zeit von 1862 bis 1895, von denen zwei Bild⸗ lisse, eine mit Herbststimmung und mit dem Geruch welkender hlätter erfüllte Parklandschaft, der Kinderreigenꝰ und die „Wasser⸗ älle von Tivoli? als besonders schöne Bilder nachhaltigen Eindruck sinterlassen. Es gibt fast Überall verschwommen gemaste oder schlecht sezeichnete Stellen — aber was will das den deutsch empfundenen, derb und voll schlichter Einfalt gestalteten künstlerischen Gebilden genüber besagen! Wir haben uns heute an brillant gemalten Hildern des Impressionigmut., von denen nie ein gemütvoller Funke 1 uns übersprang, wahrhaftig satt gesehen. „Die Deutschen ollten in einem Zeltraum von dreißig Jahren das Wort Gemüt nicht ussprechen, dann würde nach und nach Gemüt sich wieder erzeugen.“ Diese drei Jahrzehnte, von denen Goethe spricht, liegen hinter
uns. Wenn heute Schriftsteller wie Max Brod sentimentalen Bildern das Wort reden — freilich noch zögernd, noch in leicht ironischer Form —, und wenn es auf den Leinwänden ultramodern sein wollender Maler, auf den verrannten Er⸗ zeugnissen der Futuristen von literarischen Dingen wimmelt, so kann man selbst darin Anzeichen erblicken, wohin die Entwicklung führt zu Bildern mit Jahalt, zu der Ausdruckskunst eines Haider und Thoma. Die Sezession, die mit dieser Thoma. Ausstellung eine leutselige Huldigung beabsichtigte, ahnt wahrscheinlich gar nicht, daß sie damit eine verwegen moderne Tat vollbracht hat, und weiß wahr— scheinlich nicht, daß dieser Expressionismus ssärkere Zukunftsmöglich⸗ keiten in sich birgt als alle Bilder der Liebermann, und Corinth— Schule. Dr. P.
A. F. In der letzten Sitzung der Berliner Gesellschaft für Anthropologie sprach als erster Vortragender des Abends der Dr. Felix Speiser über seine Forschungsreisen in den „Neuen Hebriden“. Er begleitete seine Mitteilungen durch gute Lichtbilder, die Land und Leute dieser Südseeinseln trefflich ver⸗ anschaulichten, die Bevölkerung aber in einem ungewöhnlich tiefen Kulturzustande zeigten. Sie gehört der melanesischen Rasse an, die überhaupt wohl in kurzem dem Untergang geweiht ist, weil die Gesamtheit ihrer Kultur — Geheim— bünde, Schweineopfer — so boffnungslos selbst den eifrigsten Menschenfreunden erscheint, daß sie dem modernen Verkehr wohl in naher Zeit unterliegen wird. Von einem ursprünglichen, materiellen Kulturgut dieser Menschen, wie es doch sonst fast überall, wenn auch in bescheidensten Formen, vorhanden ist, hatte der Vortragende deshalb nicht das Geringste zu berichten. Die in der letzten Zeit über die Inseln niedergegangenen furchtbaren Naturereignisse werden den Untergang einer Bevölkerung von ganz hoffnungs⸗ loser Entwicklung voraussichtlich beschleunigen. — Als zweiter Redner sprach unter Begleitung von Lichtblldern Dr. Fosef Bayer-⸗Wien über „Die Chronologie der diluvialen Kulturen und Ablagerungen in den Alpen und in Nord- deutschland“. Im Eingang seiner Darlegungen erörterte der Vortragende die zurzeit unter den Geologen ziemlich zwiespältige Ein⸗ teilung des Eiszeitalters: die von A. Penck und F. Wiegers in Berlin und die abweichende der französischen Schule unter Führung von M. Boule und H. Obermaier. Beide Anschauungen sind nach Ansicht des Redners in manchen Punkten nicht mehr aufrechtzuerhalten. Seine eigenen Untersuchungen, bestrebt, die Eiszeitprobleme in besseren Einklang zu bringen mit den Ergebnissen geologischer, paläontologischer und k Forschungen, lehren, daß die älteste, sicher beglaubigte Kultur in die Mindel⸗Riß⸗Zwischen⸗ eiszeit zu versetzen ist (Pen unterscheidet bekanntlich vier Eiszeiten: Würm, Riß, Mindel und Günz, von denen Würm die jüngste, Günz die älteste darstellih. Das wäre mithin die vorletzte Zwischeneiszeit, eine Periode, die, nach dem Vorkommen von Hlephas antiquus und dem Merckschen Rhinozeros zu schließen, wärmer gewesen sein muß als unser heutiges Klimg. In die vorletzte Eiszeit fällt die Kultur des jüngeren Moustérien, in die letzte Zwischeneis⸗ zeit Riß⸗Würm dagegen des Aurignacien, die Periode, welche die erste Entfaltung diluvialer Kunst aufweist. Der letzten Würm⸗Eiszeit ent⸗ spricht das Solutréen, dem Nachglazialzeitalter ist hinwieder das Magdalsnien, das Renntierzeitalter par excellence zuzurechnen. Zwischen ihm und dem Bühlstadium glaubt der Vortragende keinen erheblichen Zeitunterschied annehmen zu dürfen. Zur Rechtfertigung
seiner Verlegung des Aurignaeien in die letztere Zwischeneiszelt, deren
ganze Dauer es ausfüllte, führt Dr. Bayer die Beobachtung ins Feld, daß das vollentwickelte Aurignacien zwischen zwei Abteilungen des jüngeren“ Löß liegt, deren erste sich bei Beginn der letzten Zwischeneiszeit gebildet hat, während die andere später zur Zeit des Heranrückens der letzten, der Würmvereisung, entstanden ist. Aehnlich beweist der in die Zeit des heranrückenden Rißeises zu ver— setzende ältere! Löß zugunsten des Acheulsen, als in diese Zeit fallend, was vor allem die Fauna dieser Formation gut erkennen läßt. Wenn Penck und Wiegers das jüngere Moustérien auch der letzten Zwischeneiszeit, statt wie oben der vorletzten Eiszeit, zuweisen, so liegt, wie der Redner an den Profilen von St. Acheul und Achenheim nachzuweisen sich bemüht, eine Verwechselung des Acheulsen der vorletzten Zwischen⸗ eiszeit mit Moustérien vor. Die Lößfundstelle von Willendorf an der Donau in Niederösterreich zeigt außerdem einwandfrei, daß für ein letztzwischeneiszeitliches warmes“ Moustérten kein Platz ist, daß nämlich die vorletzte zwischeneiszeitliche Antiquusfaung ngch der vor⸗ letzten, der Rißelszeit, überhaupt nicht wiederlehrt. Die letztzwischen⸗ eiszeitliche Fauna besteht aus einer ganz verschiedenen Ttergesellschaft — Mammut, Pferd, Hirsch, vollhaariges Rhinozeros — alle ausgesprochen arktischen Elemente fehlen. Für die Richtigkeit dieser Anschauung spricht auch die Ueberein— timmung der alpinen und der norddeutschen Dilupialablagerungen. Es laufen somit parallel die älteste Eiszeit Norddeutschlands mit der zweltältesten, der Mindel⸗Etszeit der Alpen, alsdann die erste nord⸗ deutsche Zwischeneiszeit (Berliner Paludinenbank) mit der zweiten alpinen (Mindel⸗Riß), ferner die zweite norddeutsche Eiszeit mit der dritten alpinen, der Riß -Eiszeit, und die zweite norddeutsche Zwischeneiszeit mit der dritten alpinen (Riß⸗Würm), end⸗ lich die dritte norddeutsche Eiszeit mit der vierten alpinen, der Würm -⸗Eiszeit. Der Bühlvorstoß in den Alpen entspräche dem⸗ nach der baltischen Endmoräne Ischnitz und den süd⸗ und mittel⸗ schwedischen Endmoränen. Der Berliner Geologe und Konchylien⸗ kenner Dr. H. Menzel bestätigte, wie der Redner hervorhob, bei seiner jüngsten Anwesenheit in Oesterreich diese Beobachtungen rückhaltlos. Beide Forscher werden im laufenden Jahre noch an den wichtigsten österreichischen Kulturstätten des Eiszeitalters gemein⸗ same Grabungen ausführen, hauptsächlich in Willendorf, um diese Sachlage nach jeder Richtung hin befriedigend aufzuklären. - Dlesem beifällig aufgenommenen Vortrage Dr. Bayers folgte eine längere, zustimmende Kundgebung des von ihm angerufenen Landesgeologen Dr. H. Menzel. Dieser brachte noch einige nähere Ausführungen über die paläontologischen Grundlagen der Chronologie des Diluvialmenschen. Obwohl die typolo— gische Gliederung der Kulturen von den früheren Forschern be— friedigend festgestellt ist bleibt doch ihre geologische Stellung noch immer strittig, und auch deren durch Wiegers⸗Berltn nachdrücklich vertretene Erklärung hat noch keineswegs alle Zweifel zu heben vermocht. Es muß die Paläontologie zu Hilfe kommen und sie vermag wirksame Hilfe zu leisten. Die Tier⸗ welt konnte sich zumeist nicht in dem Maße wie der Mensch den wechselnden, klimatischen Verhältnisen anpassen, und, obwohl sich unter den Wirbeltieren Formen von Anpassungsfähigkeit an Kälte⸗ extreme finden, gibt es nur wenige oder keine solche Leitformen für gemäßigtes Klima. Auf Grund der Reste voön Wiubeltieren allein war deshalb bisher eine einwandfreie Gliederung der Diluvialschichten nicht möglich. Besser hierfür geeignet zeigten sich die Muscheltiere (Konchylien), die sich, in fast allen, außer den rein glaztalen, dilubialen Schichten vorfinden. Viel empfindlicher gegen Klimaeinflüsse als die Wirbeltiere, bilden gerade sie für den steten Wechsel von „Feucht“ und „Trocken“, von Warm“ und ‚Kalt“ ein ausgezeichnetes Erkennungsmittel. Dr. Menzel konnte schon mittels der Konchylienfaunag eine Gliederung der Spät und Nach, Eiszeit in Norddeutschland durchführen. Ebenso war es ihm mit Hilfe dieser Konchylienfaung möglich, die Gliederung des nord⸗ und mitteldeutschen Dilupiums, genau zu verfolgen und zwei in Betracht kommende, sich zwischen Eiszeiten einschlebende Zwischeneiszeiten zu unterscheiden. Aus dieser Sonderfauna ergibt sich die ältere dieser Zwischeneis zeiten als die längere und wärmere, die jüngere als eine mit gemäßigtem Klima, aber von kürzerer Dauer und vielleicht auch von mehr kontinentalem Charakter. In Norddeutschland liegen diese zwischeneiszeitlichen Bildungen meist zwischen eiszeitlichen Ablagerungen, nur in den Rand— gebieten und in vielen Teilen Mitteldeutschlands sind diese Ablagerungen aus der Eiszelt ersetzt durch Kieg⸗ und Sandabsätze mit eiszeitlicher Fauna. Also auch hier vermögen wir aus der eingeschlossenen
Konchvlienfaung mit Sicherheit eiszeitliche und zwischeneiszeitliche Schichten voneinander zu scheiden, ja selbst die Zwischeneisschichten wissen wir durch besondere Leitformen voneinander ju trennen. Auch die Lößformatlon ist mittels der Binnenkonchylien näher zu gliedern, ein Ergebnis, das, wle Dr. Menzel bestätigte, durch Dr. Bayer und ihn im Donautale bei Krems und Willen dorf jüngst erzielt worden ist. Dort zeigt der jüngere Löß unter einer ganz jungen Schwemmlöß⸗ und Verlehmungszone eine Ausbildung als reiner äolischer Löß mit glazialer Fauna, darunter liegt Schwemmlöß geschichtet, Sand und Gerölle eingelagert ent⸗ haltend. In ihm kommt zu oberst noch eine kühle Fauna vor, weiter unten eine gemäßlgte mit vielen Schnecken (heli), vor allem Wein bergschnecken, darunter solgt die von Bayer bestimmte Göttweiger Verlehmungszone und hierunter nochmals äolischer Löß mit glazialer Fauna. Die Aurignaclen⸗Schichten des Donautales liegen nun oberhalb der Göttweiger Verlehmungszone in dem Schwemm⸗ löß mit Schnecken und reichen bis an die Basis dez jüngeren Löß hinauf. In ihrem unteren Horizont, also durchaus zwischeneiszeitlich, gehören sie in die letzte Zwischen⸗ eiszeit, Riß⸗Wärm, und werden an anderen Orten von der echten Lößkultur, dem Solutréen, überlagert. In die Spätglazialzeit fällt das Magdalénien. Demnach bleibt für Wiegers' warmes Moustérien“ kein Platz in der letzten, der Riß⸗Würm Zwischeneiszeit, vielmehr ist das jüngere Moustérien in das Maximum der Riß⸗Ciszeit zu stellen, das ältere vor dies in die erste Hälfte dieser vorleßten Etszeit, welche noch Reste von gemäßigter Fauna zeigt und wo glaziale Formen noch zurücktreten. In die zweite Hälfte der Mindel⸗Riß⸗Zwischeneiszeit fällt das Acheulsen, in die erste das Chellsen. Somit gelangte Dr. Menzel zu einer Chronologie des Diluvialmenschen, die mit der von Dr. Josef Bayer aufgestellten fast in allen Punkten genaue Ueber⸗ einstimmung ergab.
Literatur.
— Walter von Molo: Die Freiheit. Schlllerroman 3. Band. Preis geheftet 4 A, gebunden 5 . Verlag von Schuster u. Loeffler, Berlin W. Ergreifend nahe bringt uns Walter von Molo im 3. Band seines Werkes den schwerkranken, um seine Ideale ringenden Schiller. Weimar mit Goethe und seinem Kreise steht vor uns in packender, lebendiger, bis ins kleinste charakterisierter Weise auf. Wir erleben Schillers Ehe, lernen seine treue kleine Lotte lieben und fühlen mit diesen beiden Menschen die bitterste Not körperlichen und seelischen Darbens mit. Neben tiefem Ernst gibt uns dies Buch aber auch eine Fülle der humorvollsten Szenen, die Zeichnung derber und drolliger Ge⸗ stalten, wie z. B. des Vaters Kaspar Schiller. Den alternden Goethe erblicken wir bei Beginn des Romans in ferner Einsamkeit von Schillers Lebenshorizont und mit Spannung erleben wir dann die Annäherung dieser beiden entgegengesetzten und doch zu har⸗ monischer Ergänzung bestimmten Geister am Schluß des Buches, dessen Still gewachsen ist mit Schillers entwickelter Wesensart.
— Lundowsky: Menschen II. Bd. Frauen. Geheftet 5 4A, gebunden 7 6. Tenienverlag in Leipzig. Die heroische Frau, die, Über das Geschlechtliche hinauswachsend, ein Vollmensch wurde, ist es, der Lundowsky in dem 2. Bande seines mit Begeisterung für alles Hohe und Große geschriebenen Werkes ein Denkmal setzt. Mit liebevollem Verstehen zeichnet er die verschiedensten Frauengestalten, von der urwüchsigen Liselotte, Herzogin von Orleans, bis zu Gertrud Prellwitz, der modernen, nach Wahrheit strebenden Dichterin. Lebens volle Porträts der betreffenden Frauen führen uns in jedes neue Lebensbild ein, und in buntem Wechsel ziehen Gestalten von größter Eigenart an uns vorüber, die ihre frauliche Veranlagung zu höchster Entwicklung brachten. Voll Interesse wird man auch dem Abschnitt über die Frauenbewegung folgen, in dem Lundowsky den Frauen vollste Gerechtigkeit zuteil werden läßt, ihnen zugleich aber auch die Beschränkung zeigt, in der sie Meisterinnen werden können und sollen zum Segen für die Menschheit, der Mann und Weib, gleichwertig, doch nicht gleichartig, dienen sollen.
— Oscar Mysing: Ber fremde Vetter. Skizzen aus England. Preis 3 . , ,, Alfred Schall, Berlin. Verein der Bücherfreunde. Sehr unterhaltsam und dabel bildend sind diese Skizzen, die Mysing zuerst in der „Kölnischen Zeitung“ als feuilletonistischer Berichterstatter veröffentlichte. Sein fließender Stil sowie seine Begabung, vom Einzelnen aus das Ganze zu beleuchten, die Fähigkeit, nicht nur scharf und ernst zu beobachten, sondern auch heiter und witzig plaudern zu können, geben dem Buch entschieden Anziehungskraft. Ohne jemals ermüdet zu werden, erhalten wir ein Bild des modernen Englands bis zu intimen, charakterischen Einzelheiten, und wir folgen dem Ver⸗ fasser ebenso gern, wenn er Einzelfiguren aus dem Alltagsleben schildert, als wenn er Fragen der großen Politik in den Kurs seiner Grörterungen zieht.
Technik.
Aus der Geschichte der Färberei. Daß die Färberet zu den ältesten Gewerben gehört, ist begreiflich, denn zunächst bedurfte es zu ihrer Entstehung wohl kaum einer eigenen Erfindung. Es war ein einfacher und fast selbstverständlicher Vorgang, wenn der Mensch irgend einen farbigen Stoff von genügender Lockerheit fand, daß er ihn auf irgend einen Gegenstand seines Gebrauchs zu übertragen suchte, um diesem ein hübscheres Ansehen zu geben. Die Benutzung insbesondere der natür⸗ lichen Ockererden mußte dem Menschen schon sehr früh einfallen und sie reicht weit in die vorgeschichtliche Zeit zurück. Wurden doch solche Farben, die keiner weiteren Zurichtung bedurften, vom vor⸗ geschichtlichen Menschen sogar schon zum Malen benutzt, wie die Wandbilder in manchen Höhlen, namentlich Südfrankrelchs, be— weisen. Eine derartige Verwertung natürlicher Farbstoffe kann freilich noch nicht Färberei oder gar Färbekunst genannt werden. Immerhin bestand eine solche als Gewerbe im alten Aegypten wahr⸗ scheinlich schon 3000 Jahre vor unserer Zeitrechnung. Von diesen Anfängen aber bis zur Färberel der Neuzeit und gar der Gegen⸗ wart ist ein weiter Weg, denn eine Unzahl von Kom⸗ binationen zwischen Färbemitteln und Stoffen, auf die sie übertragen werden sollten, blieb dem Menschen zu untersuchen. Für die Geschichte der Färberei im Altertum ist man haupt⸗ sächlich auf die erhaltenen Schriftsteller angewiesen. So ist es interessant, im alten Plutarch, der im ersten Jahrhundert n. Chr. lebte, schon die Erwähnung eines Ausdrucks zu finden, der ungefähr der deutschen Bezeichnung in der Wolle gefärbt“ entspricht. Noch heute wendet der Sprachgebrauch diese Redensart in eigentlichem und übertragenem Sinne an, um eine echte und dauerhafte Färbung zu kennzeichnen. Im Englischen sagt man dafür im Korn gefärbt“, und das verweist auf den Ursprung des Verfahrens. Mit dem Korn ist nämlich das Scharlachkorn oder die Scharlachbeere gemeint, die seit alter Zeit zum Färben gedient hat. Vom alteren Plinius er⸗ fahren wir weiterhin, daß in derselben Zeit des römischen Kaiserreichs schon die Anwendung von Beizmitteln mit Alaun und Eisen bekannt war. In anderen Ländern aber ist die Entwicklung eine andere und frühere gewesen. So soll die Färbekunst in Persten ins graue Altertum zurückgehen. Uebrigens hat sich in Persien bis auf den heutigen Tag die Sage erhalten, daß Jesus Christus ein Färber ge⸗ wesen sei und eine regelrechte Lehre in diesem Gewerbe durchgemacht habe. Diese Ueberlieferung hat sich derart befenigt, daß in Persien die Färber noch heute Christus zum Schutzheiligen haben, obgleich sie Mohammedaner sind, und nach einem jetzt freilich verschwundenen Brauch wurde eine Färberei in Persien eine Werkstatt Christi“ ge⸗ nannt. Die ersten eigentlichen Färbereien, also Häuser, die aug⸗ schließlich zum Faͤrbereibetrieb ausgenutzt wurden, hat eg in Europa erst seit dem 8. Jahrhundert gegeben, und zwar zuerst in Italien. Die älteste Gilde von Schwarzfärbern wurde in Deutschland im Laufe des 10 Jahrhunderts errichtet. Im Mittel⸗ alter war die Stadt Jerusalem die richtige Umgebung und der Sitz einer berühmten und elnträglichen Färberel, die hauptsächlich von Juden betrieben wurde. Daß die Technik auf unsicherem Fuße stand und häufigen Schwankungen unterlag, kann nicht wunder. nehmen, da sie eigentlich ohne jede Kenntnis der Chemie in der Luft