1914 / 108 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 08 May 1914 18:00:01 GMT) scan diff

Rechtes, die Vorschriften für das Heer zu erlassen, eine Neubearbeitung der Bestimmungen angeordnet, deren Ergebnis jetzt vorliegt. Die Derausgabe wurde dadurch etwas erschwert und verzögert, daß es sich um ein Gebiet handelt, auf dem die Landesgesetzgebung die Grundlage zu geben hat, woran natürlich nichts geändert werden sollte. Es war deshalb ein Wortlaut zu finden, der in den in Betracht kommenden Bundesstaaten keinen staatsrechtlichen Bedenken begegnete. Man mußte daher davon absehen, alles das in die Vorschrift aufzunehmen, was vielleicht in einzelnen Bundesstaaten infolge der dortigen Rechtslage noch hätte aufgenommen werden können. Die neue Vorschrift ist also nichts anderes wie eine Zusammenstellung allgemein anerkannter Rechtsnormen zum Zwecke der Instruktion der Militärbefehlshaber. Sie hat Geltung für Preußen sowie für die unter preußischer Ver⸗ waltung stehenden Kontingente, außerdem für die in dem Reichslande stehenden Truppen aller Kontingente. Soweit in einigen Bundes⸗ staaten kleine Zusätze, ohne den Charakter der Vorschrift zu ändern, nötig waren, sind sie durch besondere Verordnung den Truppen mitge⸗ teilt worden. Wenn ich recht unterrichtet bin, gedenkt Sachsen die Vorschrift für sein Heer zu übernehmen. Wie Bayern und Württem— berg sich endgültig dazu stellen, ist mir noch nicht bekannt.

Auf den ersten Teil der Bestimmungen glaube ich hier nicht näher eingehen zu brauchen. Er enthält lediglich Festsetzungen, die die not⸗ wendige Folge bestehender Gesetze oder Rechtsauffassungen sind. Das⸗ selbe trifft zwar auch für den zweiten Teil zu; trotzdem möchte ich den darin behandelten Fall des Eingreifens des Militärs bei Unruhen doch mit einigen Worten berühren, weil er zu vielen Diskussionen hier Veranlassung gegeben hat. Ein derartiges Eingreifen darf nur erfol⸗ gen auf Ersuchen der Zivilbehörde, oder wenn bei dringender Gefahr für die öffentliche Sicherheit die Zivilbehörde infolge äußerer Umstände außerstande ist, die Anforderung ergehen zu lassen. Dabei ist natürlich Voraussetzung, daß nicht etwa einer der im ersten Teil behandelten Fälle vorliegt oder daß nicht etwa der Belagerungszustand oder Kriegs⸗ zustand erklärt ist; das ist ja aber selbstverständlich.

Durch den soeben zitierten Wortlaut der neuen Verfügung ist eine völlig klare Abgrenzung der Befugnisse der Zivil⸗ und Militärgewalt angestrebt und hoffentlich erreicht worden. Ihr liegt nicht die Absicht zugrunde, die Mitwirkung des Militärs bei Unterdrückung von inneren Unruhen auch da auszuschließen, wo sie leider, um noch Schlimmeres zu verhüten, nötig werden sollte ein solcher Verzicht käme einer Kapitulation der Staatsgewalt vor Unruhestiftern gleich —; wohl aber war die Absicht maßgebend, das Recht und die Pflicht der Zivil⸗ behörden, selbständig und unabhängig für Ordnung zu sorgen, so⸗ lange sie überhaupt verfügungsfähig sind, nicht zu beeinträchtigen.

Irgendwelche weiteren Erklärungen zu der Vorschrift zu geben zum Zwecke der Belehrung der Befehlshaber, bin ich nicht imstande; und ich lehne auch alle Erklärungsversuche zu diesem Zweck, die irgendwo gemacht werden sollten, ab. Es ist ausschließlich Sache der einzelnen Militärbefehlshaber, im gegebenen Falle zu beurteilen, ob die Be⸗ dingungen, die die Vorschrift, sich streng an die Gesetze bindend, auf⸗ gestellt hat, vorliegen oder nicht. Sie werden ihre Entschließungen

vor ihrem König und vor dem Gesetze zu verantworten haben. Niemand

kann ihnen dabei helfen wir sind dann alle nicht zugegen wie ihr eigenes Gewissen und ihr eigenes Pflichtgefühl. (Sehr richtig! rechts. Zurufe von den Sozialdemokraten Ich zweifle aber keinen Augenblick, daß jeder deutsche Militärbefehlshaber, getragen von dem Bewußtsein, daß die ihm anvertraute Macht die ultima ratio regis und damit des Vaterlandes ist, sie auf Grund der neuen Vorschrift so zu verwenden wissen wird, wie es zum Heile der Ord⸗ nung und des inneren Friedens nötig sein wird. (Bravo! rechts. Zurufe von den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, ich gehe dann über zu der nach diesem Gegenstand hier am meisten behandelten Frage, der des Wehrvereins. Man hat hier von verschiedenen Seiten eine Erklärung der Heeresverwaltung darüber verlangt, wie sie sich zu dem Wehrverein, zu dessen Bestrebun⸗ gen und zu den für ihn tätigen alten Offizieren stellt. Meine Herren, die Heeresverwaltung hat zu dem Wehrverein keine Beziehung (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) und lehnt es entschieden ab, in irgend⸗ einer Weise für ihn verantwortlich gemacht zu werden oder dazu ge⸗ braucht zu werden, einen Einfluß auf ihn auszuüben. Wahrscheinlich würde übrigens ein solcher Versuch kläglich ablaufen; denn, soweit ich unterrichtet bin, sind die Herren des Wehrvereins auf ihre Un⸗ abhängigkeit ganz außerordentlich stolz. (Heiterkeit) Heeresverwaltung und Wehrverein haben also gar nichts miteinander zu tun. CEachen bei den Sozialdemokraten Warten Sie ruhig ab, meine Herren, ich sage Ihnen meine Ansicht ganz offen, das wissen Sie ja —. Diese Tatsache ändert aber gar nichts daran, daß das allgemeine Ziel des Wehrvereins, Hebung der Wehrkraft des Reiches, sich mit der vor—⸗ nehmsten Aufgabe der Heerespverwaltung deckt. (Lachen bei den So⸗ zialdemokraten Es wäre infolgedessen geradezu unnatürlich, wenn die Heeresverwaltung, wie es hier, glaube ich, gefordert worden ist, an⸗ statt einer völligen und in jeder Beziehung neutralen Stellung dem Wehrverein gegenüber eine feindliche Haltung einnehmen wollte, nur deswegen, weil dieser Verein einem uns allen ja gemein⸗ samen Ziele auf Wegen zustrebt, die nicht die der Heeresverwal⸗ tung und nicht die einiger Parteien sind. Mögen die Parteien ihren Hader unter sich ausmachen, wir mischen uns nicht darein.

Noch weniger, meine Herren, kann die Tatsache, daß die Heeres⸗ verwaltung mit dem Wehrverein nichts zu tun hat, daran etwas ändern, daß mehrere der führenden Männer sie sind hier genannt worden, ich brauche die Namen nicht zu wiederholen einst zur Armee gehörten und, wie alle alten Kameraden, noch jetzt kamerad⸗ schaftlich zu ihr gehören, solange sie nichts Unehrenhaftes tun. Daß aber ihre Tätigkeit im Wehrverein etwas Unehrenhaftes sei, das wird wohl selbst der Herr Abgeordnete Müller⸗Meiningen nicht behaupten wollen. (Sehr richtig! rechts. Heiterkeit) Es ist daher unver⸗ stindlich, worauf man die Forderung stützen will, die Armee solle jene alten Offiziere von sich abschütteln, was doch heißen soll: sie soll sie kameradschaftlich oder gesellschaftlich boykottieren. Wer eine solche Forderung aufstellt, der weiß nicht, wie stark die Bande sind, die sich um die Armee und um ihre alten Kameraden schlingen. (Bravo! rechts. (Lachen bei den Sozialdemokraten.) Ich meine die Bande der Treue und der Kameradschaft und der Dankbarkeit für das, was die Alten für uns geleistet haben. (Bravo rechts.)

Im übrigen wird jeder Versuch von jeder Seite, Politik in die Armee oder in das Offizierkorps zu tragen, unter welchem Vorwande es auch sei, auf das entschiedenste abgewehrt werden. Sollte in der Versammlung des Wehrvereins in Straßburg, von der hier die Rede gewesen ist, von politischen Fragen gesprochen worden sein, so wird

keiner mehr seine Anwesenheit dort bedauert haben als der General von Deimling und die 50 Offiziere, die neben ihm dort waren. Na, na! bei den Sozialdemokraten. Sehr richtig! rechts.)

Ich darf mich jetzt, nachdem ich diese Fragen behandelt habe auf die Frage des Herrn Dr. Müller⸗Meiningen über die Kommando⸗ gewalt und die Stellung des Chefs des Militärkabinetts werde ich noch zurückkommen einigen praktischen Anregungen zuwenden. Der Herr Abgeordnete Erzberger hat mir gestern Sparsamkeit bei den Bauten ans Herz gelegt. Der Herr Abg. Erzberger weiß, daß die Heeresverwaltung auf dem Wege ist, in dieser Beziehung Fortschritte zu machen, und er kann sich darauf verlassen (Andauernde große Heiter⸗ keit.), daß wir nicht aufhören werden, weitere Sparsamkeit in den Bauten und ihre schnellere Ausführung anzustreben; denn tatsächlich werden durch langsames Bauen viele Hunderttausende unnötig ver⸗ schleudert. (Sehr richtig! im Zentrum.)

Derselbe Herr Abgeordnete hat dann die Angelegenheit mit den eigenen Stuben für Unteroffiziere zur Sprache gebracht. Wir sind seit Jahren bemüht, den Unteroffizieren besondere Stuben zu ver⸗ schaffen. Leider ist es nicht möglich, das schnell durchzuführen, weil unsere bestehenden Kasernen bestimmte Abmessungen haben. In neuen Kasernen wird das Prinzip aber durchgeführt, und wir werden auch bestrebt sein, es in alten Kasernen durch Anbauten und Umbauten in die Wirklichkeit zu übersetzen. (Bravo! rechts.)

Schließlich hat der Herr Abgeordnete Erzberger in Gemeinschaft mit dem Herrn Abgeordneten Dr. Müller⸗Meiningen und dem Herrn Abgeordneten von Bieberstein eine Besserstellung der Sanitätsoffiziere angeregt. Wie der Herr Reichsschatzsekretär bereits in der Budget⸗ kommission erklärt hat, wird sich die Anrechnung der Studienzeit auf das pensionsfähige Dienstalter der Sanitätsoffiziere aus grundsätz⸗ lichen Bedenken leider nicht durchführen lassen. (Hört, hört! links.) Es schweben aber zurzeit Erwägungen darüber, wie den Sanitäts⸗ offizieren auf andere Weise geholfen werden kann. Die Angelegenheit, an der die Heeresverwaltung das größte Interesse hat, wird nach Mög⸗ lichkeit beschleunigt werden, und es ist nicht ausgeschlossen, daß man schon bei der dritten Lesung des Etats mit positiven Vorschlägen in dieser Beziehung hervortritt. (Bravo!)

Meine Herren, dann sind ich glaube von dem Herrn Abgeord— neten Dr. Müller⸗Meiningen Wünsche geäußert worden auf so— ziale Gleichstellung, soziale Hebung der Sanitätsoffiziere. (Zuruf links: Gesellschaftliche Hebungh

Meine Herren, eine soziale Hebung haben unsere Sanitäts— offiziere nicht nötig. Ich kann Sie versichern, daß die Aufnahme in den Kameradenkreisen genau dieselbe ist, ob es ein Sanitätsoffizier oder ein anderer Offizier ist. (Na, na! links Da gibt es keinen Unterschied. Wenn bestimmte Beschränkungen oder bestimmte Erleich— terungen für die Sanitätsoffiziere für den Eintritt in das Kasino bestehen, so ist das auf eigenen Wunsch der Sanitätsoffiziere erfolgt. Es wäre nicht bequem, wenn das geändert würde. Ich habe darüber mit sämtlichen Generalkommandos und dem Generalstabsarzt der Armee eingehende Erörterungen und Besprechungen gehabt; besonders der Generalstabsarzt der Armee ist doch der Herr, der diese Wünsche zunächst an mich zu bringen hat.

Der Herr Abgeordnete Bassermann hat Ihnen dann die An— nahme des Pressereferats empfohlen. Ich kann mich ihm nur an— schließen. (Große Heiterkeit) Wenn der Herr Abgeordnete Erz— berger an seine unbedingte Zustimmung die Bedingung knüpfte, daß ich ihm die Versicherung gäbe, daß das Pressereferat nicht zu partei. politischen Zwecken ausgenutzt werden soll, so ist diese Bedingung hiermit erfüllt. (Bravo! rechts. Heiterkeit links Solange ich Kriegsminister bin, wird es jedenfalls nicht dazu verwandt werden. (Erneute Heiterkeit. Zurufe von den Sozialdemokraten: Wie lange?) Im übrigen, meine Herren, würde ich jetzt endgültig vor⸗ schlagen, diese Einrichtung nicht mehr Pressereferat zu nennen, son— dern sie als das zu bezeichnen, was sie wirklich ist, als die Nachrichten—⸗ stelle im Kriegsministerium, als die Nachrichtensammelstelle und die Nachrichtenausgabestelle. (Sehr richtig) Der Titel Pressereferat ist in den Etat hineingekommen, nicht weil er uns besonders gefiel, sondern weil wir es für wünschenswert hielten, zu zeigen, daß wir den Wünschen der Presse entgegenkommen, in denen wir auch die Wünsche des deutschen Volkes zu erkennen glaubten.

Der Herr Abgeordnete Bassermann hat sich ferner in NUeber— einstimmung mit dem Herrn Abgeordneten von Bieberstein für die Bildung von Kavalleriedivisionen im Frieden ausgesprochen. Ich darf den Herren nicht verhehlen, daß ich in bezug auf die Aufstellung von Kavalleriedivisionen im Frieden mich annähernd so skeptisch verhalte, wie mein Herr Vorgänger. Ich möchte die Gründe dafür hier nicht im einzelnen auseinandersetzen. Dagegen bin ich durchaus mit den anderen Herren, die zu diesem Punkt gesprochen haben, vor allen Dingen mit dem Herrn Abg. Bassermann darin einverstanden, daß es notwendig ist, daß Stäbe für die Kavalleriedivisionen geschaffen werden, die im Krieg an die Spitze der dann aufzustellenden Ka— balleriedivisionen zu treten haben. Auf diesem Wege wird vorge⸗ gangen werden, und ich hoffe, daß wir zu einem ersprießlichen Ziel kommen. Darüber kann nicht der geringste Zweifel sein, daß die Tätigkeit der Kavalleriedivisionsführer im Krieg durch zweckmäßige Organisationsvorbereitungen im Frieden und durch häufigere Uebungen in Kavalleriedivisionen im Frieden gefördert werden muß, als sie bisher der geringen Mittel wegen stattfanden.

Von verschiedenen Seiten ist dann den Herren die Auskunfts— stelle für pensionierte Offiziere im Kriegsministerium zur Bewilli⸗ gung empfohlen worden, für die wir die Etatsmittel angefordert hatten, die aber die Budgetkommission gestrichen hat. Ueber die Ablehnung der Stelle würde man ja schließlich hinwegkommen, trotz— dem ich es im Interesse und im Sinne unserer alten Kameraden auf das tiefste bedauern würde, wenn Sie mir die Mittel für diese Stelle nicht bewilligten. Aber über eins bin ich gestern doch schlecht hinweg gekommen, das ist das, daß der Herr Redner der sozialdemokratischen Partei sich für befugt erachtete, mit Hohn über diese Einrichtung zu sprechen, mit Hohn darüber zu sprechen, daß wir versuchen, unseren

alten Offizieren, die im Dienst des Vaterlandes ihre Gesundheit ge—⸗

opfert haben, ein besseres Auskommen und eine Beschäftigung zu verschaffen. Um das bißchen Geld, Herr Abgeorbneter Schulz, han= delt es sich für unsere Offiziere nicht, sondern darum, daß unsere Offiziere nicht in jungen Jahren mit gelähmtem Bein dasitzen und nichts zu tun haben, dem Fluch des Nichtstuns ausgesetzt sind. (Bravo! rechts) Meine Herren, das wollte ich feststellen. Ich bitte um Verzeihung, wenn ich mich einen Augenblick habe hinreißen

lassen. (Rufe von den Sozialdemokraten: Ohoh Darum wurden wil verhöhnt. Das schließt sich würdig dem an, was ich Ihnen vorhin aus dem „Vorwärts“ vorgelesen habe.

Meine Herren, der Herr Abgeordnete Dombek hat gestern be— mängelt daß die polnischen Rekruten an einzelnen Stellen lediglich wegen ihrer polnischen Abstammung schlecht behandelt worden seien. Ich kann das natürlich in einer so allgemeinen Fassung nicht nach⸗ prüfen; daß aber irgendeiner von uns, irgend jemand in der Armee sich dazu hergeben könnte, will mir unbegreiflich scheinen (Na, na! bei den Sozialdemokraten), und ich bitte den Herrn Abgeordneten Dombek, mir gütigst die Beläge dafür zukommen zu lassen. Ich hoffe, sie stehen auf festeren Füßen als die Behauptung, die er in bezug auf den Besuch polnischer Eltern am Totenbette ihres Sohnes im Lazarett hier aufstellte. Er sagte nämlich, die Verfügung des Kriegsministeriums, wonach in der Kaserne Deutsch gesprochen werden soll, verhindere den Besuch, im Lazarett mit dem Sohne, der krank wäre, polnisch zu sprechen. Meine Herren, ich will das hier bloß erwähnen; auf Widerlegungen möchte ich mich da nicht einlassen. (Zurufe von den Sozialdemokraten.)

Der Herr Abgeordnete von Bieberstein hat heute, wie schon in der Budgetkommission, seine Sorgen in bezug auf die Remontierung der Armee zum Ausdruck gebracht. Ich kann nur sagen, daß die Heeresberwaltung diese Frage mit der allergrößten Aufmerksamkeit verfolgt. (Bravo! rechts) In der Budgetkommission habe ich auch dargelegt, was wir zu tun beabsichtigen, und ich hoffe, daß damit die Anstände, die im vorigen Jahre bei großen Ankäufen, wie ich offen zugeben will, hervorgetreten sind, beseitigt werden. (Beifall rechts.)

Ich will mich dann zu den Worten des Herrn Abgeordneten Müller⸗-Meiningen wenden. Der Herr Abgeordnete hielt es für nötig, uns hier eine alte Kabinettsorder vor Augen zu führen, die schon im Jahre 1910 der Herr Abgeordnete Ledebour wenn er hier ist, wird er es ja wissen vorgeführt hat, in der es heißt:

„Sie sind es,

die Bürger nämlich

nicht ich, die die Armee unterhalten.“ Meine Herren, mein Herr Vorgänger hat schon am nächsten Tage darauf hier im Reichstage festgestellt, daß bereits im Jahre 1895, ebenfalls durch einen Kriegsminister, festgestellt war, daß diese Ka— binettsorder eine Fälschung ist. (Sehr richtig! im Zentrum. Hört, hört! rechts. Rufe links: Schade) Sie bedauern das, meine Herren, und sagen: schade —? Ja, die Kabinettsorder war nicht nötig! Was darin steht, weiß jeder Offizier, dazu brauchen wir keine Kabinetts⸗ order. ECachen bei den Sozialdemokraten.)

Der Herr Abgeordnete Müller⸗Meiningen hat dann die Muste⸗ rungen nach Konfessionen erwähnt. Ich möchte ihn bitten, mir freund⸗ lichst das Material dafür zur Verfügung zu stellen. Die Nachricht klingt allerdings auch mir so abenteuerlich, daß ich sie kaum zu glauben wage. Ich würde dankbar sein, wenn Sie es mir schicken wollten. Jedenfalls, meine Herren, kann ich Sie versichern, daß die Heeresver⸗ waltung mit solchen konfessionellen Scheidungen nicht gearbeitet zu sehen wünscht, und daß sie die Wiederholung derartiger Vorgänge ver—= hindern wird.

Der Herr Abgeordnete hat gemeint, die Beantwortung der Re— solutionen des Reichstags vom vorigen Jahre enthalte die Absicht, die parlamentarischen Rechte einzuschränken. Meine Herren, ich bitte sehr um Verzeihung: es ist niemand, der daran mitgearbeitet hat, in den Sinn gekommen, parlamentarische Rechte einschränken zu wollen. Ich wünschte nur, daß auch auf der anderen Seite vor wohlbegründeten Rechten dieselbe Achtung bestände, die bei der Heeresverwaltung für die Rechte des Parlaments lebendig ist. (Sehr richtig! rechts. Lachen und Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Ich komme nachher noch einmal darauf zurück.

Derselbe Herr Abgeordnete hat mit dem Beispiel der Einberufung zur Kriegsakademie nachweisen wollen, daß die Garde vor der Linie be⸗ vorzugt wird (Zuruf rechts: Alter Schinken! Heiterkeit) sehr richtig! dieselbe Beobachtung, die der Herr Abg. Müller-Meiningen gemacht hat, daß nämlich von der Garde zur Kriegsakademie mehr Offiziere geschickt würden als von der entsprechenden Zahl Linien— regimenter. Das hat den Chef des Generalstabes im vorigen Jahre zu einem ganz verzweifelten Versuch bewogen. Es wurden nämlich Vorkehrungen getroffen, daß alle Arbeiten ohne Namen und ohne jedes Zeichen den Examinatoren zugingen, die Namen wurden an ganz anderer Stelle mit der allergrößten Vorsicht aufbewahrt, und diese Vor⸗= sichtsmaßregeln sind auch wirklich durchgeführt worden. Das Resultat, meine Herren, war dasjenige, was viele vorausgesehen hatten, daß näm⸗ lich von der Garde wieder mehr zur Akademie einberufen wurden. Ist das nicht sehr überraschend? Meine Herren, die Offizierkorps der Garderegimenter sind stärker, und es ist seit alter Zeit in diesen Re⸗ gimentern der Zug zur wissenschaftlichen Ausbildung besonders aus- geprägt. (-Zurufe und anhaltendes Lachen bei den Sozialdemokraten.)

Der Herr Abgeordnete Müller⸗-Meiningen hat sich endlich gegen die ehrengerichtliche Verordnung gewandt, er hat sie einen Hohn auf die Gerechtigkeit genannt. Meine Herren, ich will heute nicht den Kampf um die ehrengerichtliche Verordnung weiter führen, weil wir anderes zu tun haben. Aber ich möchte doch den Herrn Abgeordneten bitten, sich erinnern zu wollen, daß diese ehrengerichtliche Vexordnung augen⸗= blicklich zu Recht besteht, und daß es nicht angemessen ist, zu Recht be= stehende dienstliche Vorschriften mit derartigen Ausdrücken zu belegen. (Sehr richtig! rechts. Lachen und Zurufe links.) Verzeihen Sie, meine Herren, ich kann doch wohl meine Stellungnahme zu der Sache kennzeichnen. Guruf bei den Sozialdemokraten: Nur immer feste druff! Heiterkeit.)

Der Herr Abg. Müller⸗Meiningen hat mich dann nach einem Ge— heimerlaß gefragt; ob im Anschluß an diese Dienstverordnung ein Ge— heimerlaß ergangen sei. Ich habe keinen erlassen. (qurufe links.) Wenn Sie mir gütigst einen Hinweis geben wollen, worauf Sie sich beziehen, so bin ich gern bereit, zu antworten. Sollten Sie Aus führungsbestimmungen meinen, dann bitte ich Sie, mir zu sagen, worauf Sie abzielen, dann werde ich die Frage beantworten.

Schließlich möchte ich mich nochmals zu dem Herrn Redner der sozialdemokratischen Partei won gestern wenden. Der Herr Abg. Schulz hat bestritten, daß die Sozialdemokratie einen Haß gegen das Heer nährt. (Zurufe bei den Sozialdemokraten) Meine Herren, gestatten Sie, daß ich Ihnen aus dem Protokoll für die sozialdemokwatische Jugendorganisation Stuttgart 1907 vorlese. Dort wird unter anderem gesagt: 09

neulich hier im Reichstage, ob bei

Herbst hervorgetreten ist. missar instruiert, so zu antworten, wie er geantwortet hat.

demokratie wolle von dem Heere nichts Schlimmes.

„Vor allem soll auch der militärische Geist des deutschen Volkes zermürbt und zersetzt werden, Lebhafte Rufe rechts: Hört, hörth wozu die Jugendvereine ganz besonders geeignet sind. Lebhafte Rufe rechts: Hört, hörth In diesen haben wir die jungen Leute gegen jeden Dienst mit der Waffe mit Ekel und Abscheu zu erfüllen. Kebhafte Rufe rechts: Hört, hört! Pfuih Müssen sie sich dann zum Militärdienst stellen, so werden sie zur Desorganisation der Armee schon das nötige beitragen. Kebhafte Rufe rechts: Hört, hörth Sorgen wir dafür, daß die internationale Jugendbewegung im Rantimilitaristischen Kampf eine ehrenvolle Rolle spiele!“ (Erneute Rufe rechts: Hört, hörth Meine Herren, wenn aus diesen Worten kein Haß spricht, dann weiß ich nicht, was Haß ist. (Lebhafte Zustimmung vechts) Ich zitiere diese Worte, um auf den Fall zu kommen, den der Herr Ab⸗— geordnete hier gestern lange behandelt hat, den Fall Stöcker. Meine Herren, entsprechend dieser Vorschrift hat der junge Mann vom 17. bis zum 20. Lebensjahre seine Agitation getrieben. (Unruhe und Zu— rufe bei den Sozialdemokraten Die Art seiner Agitation war ent— sprechend diesen Vorschriften. (Unruhe bei den Sozialdemokraten und Zurufe: Beweise! Tatsachen) Meine Herren, die Tatsachen können Sie jederzeit einsehen. (Erneute Unruhe bei den Sozialdemokraten und Zurufe: Bitte) Wir können in der Armee nicht Leute brauchen, nicht Leute als Einjährig-Freiwillige brauchen (Lebhafte Rufe bei den Sozialdemokraten: Ach soh, die so ausgesprochen die Unterwühlung der Grundlagen der Armee im Auge haben. Gustimmung rechts.) Unser Einjährig-Freiwilligeninstitut ist nicht nur geschaffen, um wohl⸗ habenden Leuten und Leuten, die sich ein gewisses Wissen erworben haben, einen Unterschlupf zu bieten, sondern es ist geschaffen, um uns Führer der Armee für den Krieg zu liefern. Wir sind durch die Be— stimmungen verpflichtet, jeden Einjährig-Freiwilligen entweder zum Offizier oder zum Unteroffizier auszubilden. Wir sind verpflichtet, jedem Einjährig⸗-Freiwilligen den Diensteintritt da zu gestatten, wo er ihn nehmen will. Meine Herren, können wir derartige Agitatoren in solche Stellungen in der Armee bringen? ECebhafte Rufe rechts: Nein) Wir würden uns selbst lächerlich machen, und das können wir nicht. Geifall rechts. Unruhe und Zurufe bei den Sozialdemokraten. Meine Herren, ich bitte mich gegen diesen Zwischenruf verwahren zu dürfen. (Erneute Zurufe und Unruhe bei den Sozialdemokraten) (Glocke des Präsidenten.)

In unseren Gesetzen steht, daß diejenigen, die nicht die nötige moralische Qualifikation besitzen, nicht zugelassen werden sollen. (Große Unruhe und lebhafte Zurufe bei den Sozialdemokraten) Es handelt sich nicht um Sittlichkeit oder Unsittlichkeit; davon ist gar keine Rede. (Erneute lebhafte Unruhe und Zurufe bei den Sozial⸗ demokraten) Diese Bestimmung kann nur im Sinne unserer Heeres— verfassung ausgelegt werden; das ist ganz klar. Gustimmung und Beifall rechts. Unruhe und Zurufe bei den Sozialdemokraten.)

Es ist hier schon ich möchte das nicht nochmals tun von der sehr üblen Preßkampagne gesprochen worden, die aus Anlaß einer Uebung in Thüringen inauguriert worden ist. In der Anfrage einem Infanterieregiment in Straßburg soundsoviel Leute gestorben wären, soundsoviel Leute sich aus Verzweiflung über den Dienst selbst ermordet hätten, glaubte ich einen Teil des Geistes zu sehen, der in den Preßerzeugnissen vom Deswegen habe ich meinen Herrn Kom— Bravo!

rechts) Ich trage die Verantwortung, meine Herren, und ich bitte,

die Vorwürfe mir zukommen zu lassen. (Abgeordneter Dittmann: Was peißt das?) Das heißt, was ich sage, ich trage die Verantwortung,

und ich bitte, daß, wenn hier Erklärungen der Regierung verlesen werden, dann nicht die Herren Kommissare angegriffen werden, sondern

daß die Angriffe an die Adresse desjenigen gehen, der die Verantwor—

tung trägt. (Zuruf von den Sozialdemokraten. Glocke des Prä— sidenten.)

Der Herr Abgeordnete Schulz-Erfurt hat gesagt, die Sozial— In demselben Atemzug hat er gesagt, er und seine Partei strebten die Republik an, und dann, meine Herren, wundern sich die Sozialdemokraten, wenn ich als Vertreter eines Heeres, das auf die Monarchie aufgebaut ist, Cebhafte Zurufe und Widerspruch bei den Sozialdemokraten.)

das auf die Monarchie aufgebaut ist (Zuruf von den Sozial⸗ demokraten: Volksheer ), ach, meine Herren, verwechseln Sie doch nicht Nebensächlichkeiten und Dinge, die nicht hierher gehören (Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) mit der Hauptsache. Volks— heere sind die französischen, englischen und russischen Heere auch. Unser

. Heer ist zum Unterschied vom französischen Heer auf die Monarchie

aufgebaut. (Zurufe von den Sozialdemokraten: Umgekehrt! Und dann, meine Herren, ich wiederhole es wundern Sie sich, wenn ich mich als Vertreter dieses Heeres gegen Ihre Agitation und Ihre Hetze verwahre. (Unruhe und Zurufe von den Sozialdemokraten: Hetze?) Ich meine die Sozialdemokratie außerhalb des Hauses. (Große Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, der Herr Abgeordnete Schulz-⸗Erfurt hat sich veranlaßt gesehen, uns Soldaten und den anderen Herren hier im Hause als Zeugen für die Tätigkeit sozialdemokratischer, antimilita— ristischer Agitatoren die Geister von Gneisenau, Scharnhorst und Boyen zu beschwören. Meine Herren, ich wußte in dem Augenblick wirklich nicht mehr, was ich sagen sollte. Cachen und Zuruf von den Sozialdemokraten) Meine Herren, ist denn die Geschichte nichts? Weiß denn der Herr Abgeordnete nicht, daß die ganze Tätigkeit dieser Männer erfüllt war von der glühendsten Vaterlandsliebe (Lachen und ZJurufe von den Sozialdemokraten), daß sie für ihre Nation kämpften und starben? (Zuruf rechts.), und, meine Herren, für ihren König auch? (Bravo rechts. Lebhafte Zurufe von den Sozialdemokraten.) Die Leute haben es richtig angefangen Guruf von den Sozial demokraten: Als Demagogen wurden sie denunziert), die Leute haben es richtig angefangen, sie haben gezeigt, wie man es besser machen kann. Sie (zu den Sozialdemokraten) zeigen uns nicht, wie wir es besser machen sollen, Sie zeigen uns nur das, was wir allein schon Schlechtes an uns wissen und vergröbern es und verallgemeinern es, tragen es ins Volk und verhetzen das Volk gegen uns. (Bravo! rechts. Unruhe bei den Sozialdemokraten) meine Herren, ich bitte um Verzeihung (Lebhafte Zurufe von den Sozialdemokraten), der Ausdruck ist mir entglitten. (Zuruf von den Sozialdemokraten: Hetzen

Sie ruhig weiter) Meine Herren, ich muß doch meinen Stand⸗ punkt hier vertreten. (Zuruf von den Sozialdemokraten: Ja, hetzen Sie nur noch weiter!)

Schließlich hat der Herr Abgeordnete einen Vergleich gezogen zwischen den Heeren, die in Zukunft kämpfen werden, und den Heeren, die früher gekämpft haben. Er sagte ungefähr, wir sollten uns nicht einbilden, daß wir mit den gleichen Heeren in Zukunft in den Krieg ziehen könnten, mit denen wir früher in den Krieg gezogen sind. Nun, meine Herren, wenn der Herr Abgeordnete damit andeuten wollte, und wenn es wahr wäre, daß unsere Kulturfortschritte es dahin gebracht hätten, daß wir nicht mehr mit dem Vertrauen auf unser Heer in den Krieg ziehen könnten, mit dem unsere Väter es im Jahre 1870 getan haben (Zuruf bei den Sozialdemokraten), wenn das wahr wäre verzeihen Sie mir das Wort, Herr Abgeordneter! —, dann kann mir die ganze Kultur gestohlen bleiben. (Große andauernde Heiterkeit.) Meine Herren, es ist nicht wahr, sage ich nochmals, sondern wir können uns darauf verlassen, daß, wie unsere Väter gefochten haben, so auch unsere durch die Schule der Dienstzeit gegangenen Söhne tapfer im Felde stehen werden, mögen sie nun aus sozialdemokratischen oder anderen Familien kommen das ist ganz gleich. Es sind deutsche Soldaten und sie werden deutsche Mannhaftigkeit, deutsche Kraft und deutsche Treue hochhalten. (Mehrseitiges lebhaftes Bravo) Dann hat der Herr Abgeordnete Dr. Müller⸗-Meiningen die alte Frage des Verhältnisses zwischen dem Kabinett und dem Kriegsministerium zur Sprache gebracht. Wenn dadurch die Befürchtung angedeutet werden sollte, daß ich die mir zur Erfüllung meiner Aufgaben als Kriegs⸗ minister und Vertreter der gesamten Heeresinteressen in diesem hohen Hause nötigen und deshalb auch zuständigen Befugnisse nicht wahren würde, so bin ich überrascht, hier einen so schwachen Eindruck gemacht zu haben. Er beruht aber auf Täuschung. Jedenfalls werde ich mir von diesen Befugnissen von niemandem etwas nehmen lassen. (Bravo! rechts In meiner bisherigen Amtsführung habe ich übri⸗ gens auch noch gar nicht bemerkt, halte es auch für gänzlich unwahr⸗ scheinlich, daß der Herr Chef des Militärkabinetts irgendwelche düstern Absichten auf Einbruch in fremdes Arbeitsgebiet hegen sollte. (Heiter⸗ keit) Er hat nämlich in seinem eigenen Gebiete genug zu tun. Außerdem wird bei dieser Diskussion immer übersehen, daß der Ehef des Militärkabinetts und der Kriegsminister doch nicht allein in dieser Welt sind, wie die beiden Loöwen in der Wüste, die sich auffraßen, bis nur noch die Schwänze übrig blieben. (Große Heiterkeit bei den Sozialdemokraten) Nämlich, meine Herren, über dem Chef des Militärkabinetts und dem Kriegsminister steht be— kanntlich kein Schemen, sondern der König von Preußen. (Bravo! rechts Der König von Preußen hat bei der Einrichtung des Militär⸗ kabinetts gewisse Bestimmungen erlassen, dahingehend, daß an der Stellung des Kriegsministers durch diese Einrichtung nichts geändert werden, und daß der Kriegsminister von allem Kenntnis erhalten solle, und die Königliche Führung würde von diesen Leitsätzen abirrende Or⸗ gane darauf können Sie sich verlassen sehr bald auf den richtigen Weg zurückzubringen wissen. Die Gefahr einer Verschärfung des in Rede stehenden Verhältnisses ohne Aenderung der Grundlagen, auf denen es beruht, ist also nicht sehr groß. Die Herren, die davon ge⸗ sprochen haben, müssen daher eine solche Aenderung dieser Grundlagen bewußt oder unbewußt im Auge haben.

Um das nachzuprüfen, bitte ich Sie, mir zu erlauben, etwas weiter auszuholen. Ich halte mich dabei an meine Aufzeichnungen, weil mir die Angelegenheit zu wichtig erscheint, um sie frei vor⸗ zutragen.

Die Befugnisse des Königs von Preußen gegenüber der bewaffne⸗ ten Macht Preußens sowie den ihr durch Konventionen angegliederten anderen Staaten sind in der preußischen Verfassung enthalten und durch die Reichsverfassung erweitert, aber in keinem Punkte einge⸗ schränkt worden. Seine Majestät der Kaiser und König übt diese Befugnisse innerhalb der Gesetze völlig selbständig aus. Ein Mit⸗ wirkungs recht des Reichstags besteht dabei in keiner Weise. obschon natürlich nicht bestritten werden soll, daß der Reichstag zuständig ist, bei seinen gesetzgeberischen Arbeiten seine Wünsche in bezug auf das Militärwesen zur Sprache zu bringen. (Aha! bei den Sozial⸗

demokraten.)

Welchen Umfang die Königlichen Befugnisse haben, ergibt sich aus der Anführung einer einzigen, der Offizierstellenbesetzung. Da es sich hierbei, wie Sie wissen, um die Personalien von etwa 30000 aktiven Offizieren und fast ebensovielen Offizieren des Beurlaubten⸗ standes handelt, brauche ich nicht näher darzulegen, welche Arbeits⸗ leistung dabei allein zu erledigen ist. Die peinliche Sorgfalt aber, mit der diese Arbeit getan werden muß, wird jedem klar sein, der sich die unbestreitbare Wahrheit des alten Satzes vor Augen hält, daß der Geist der Armee in ihren Offizieren steckt. Zur Erledigung solcher Befugnisse bedarf der König eines Organs, das seine Entschließungen geschäftsmäßig vorbereitet und seine Befehle zur Erledigung bringt. Dieses Organ ist das Militärkabinett.

Meine Herren, diese Darlegung ist hier schon einmal gemacht worden. Ich halte es aber nach dem, was der Herr Abg. Müller⸗ Meiningen vorgebracht hat, für nötig, sie zu wiederholen.

Das Militärkabinett ist also nach außen keine selbständige Be⸗ hörde, sondern arbeitet lediglich nach den Weisungen Seiner Majestät. Infolgedessen ist der Kabinettschef auch nur dem Könige verantwort⸗ lich und sonst niemand. Zweifellos könnte der König die Angliederung des Kabinetts an das Kriegsministerium verfügen. Dieser Zustand hat früher schon bestanden. Dann würde der Kriegsminister eben die Verantwortung für die Tätigkeit des Kabinetts Seiner Majestät gegenüber tragen müssen. Im übrigen würde sich aber nichts ändern. Im besonderen käme eine Ministerverantwortlichkeit gegenüber den ge⸗ setzgebenden Körperschaften in den hier in Frage stehenden Angelegen⸗ heiten nicht in Frage. (Sehr richtig! rechts., und es wäre psychologisch sehr verständlich, wenn gerade ein Minister seine Unabhängigkeit in diesen Fragen besonders eifersüchtig hüten würde. Ich sehe deshalb nicht ein, wie durch eine derartige Angliederung des Kabinetts an das Ministerium die Zwecke der Herren (nach links) oder des Herrn Abg. Müller⸗Meiningen gefördert werden könnten. Es sei denn, er beab— sichtigte, was ich indessen nicht einen Augenblick zu vermuten wage einen verfassungswidrigen Einfluß auf den Minister dadurch auszuüben, daß er ihm in Budgetangelegenheiten den Brotkorb höher hängen wollte (Abg. Gothein: Das ist verfassungswidrig?), damit der Minister in den Angelegenheiten, die dem Könige vorbehalten sind, dementsprechend seinen Vortrag einrichtet.

Aus diesen Darlegungen folgt, wie ich das hier schon einmal ge⸗ sagt habe, daß unbedingt Verfassungsänderungen nötig wären, wenn

man in der von dem Herrn Abg. Müller⸗Meiningen als wünschens⸗ wert bezeichneten Richtung vorgehen wollte. Dabei würde eine Aende⸗ rung der Reichsverfassung, die in diesem Hause doch allein diskutiert werden kann, noch gar nichts nützen. Vielmehr wäre eine Aenderung der preußischen Verfassung unentbehrliche Voraussetzung; denn es be⸗ steht nicht der geringste Zweifel, daß der Zustand, wie ich ihn vorhin geschildert habe, in Preußen bei der Gründung des Reichs verfassungs⸗ rechtlich volle Gültigkeit hatte (Sehr richtig! rechts), und durch die Reichsverfassung nicht geändert ist.

Hiernach werden Sie, meine Herren, die äußerlichen Schwierig- keiten ermessen können, die sich der Verwirklichung solcher Absichten ent⸗ gegenstellen würden. Die inneren sind aber noch weit größer; sie sind darin begründet, daß diese Absicht den Reichsinteressen nicht förderlich ist, weil sie Preußen derjenigen Einrichtungen berauben würde, denen es seine Stärke, denen Deutschland die Schaffung und Erhaltung des Reichs verdankt. Allein dadurch, daß das preußische Heer durch die Verfassung dem Parteigetriebe, der Einwirkung ehrgeiziger Partei⸗ führer entrückt wurde (Gelächter bei den Sozialdemokraten), und nur einem Willen, dem des Königs, untersteht, ist es das geworden. was es ist: der sichere Hort des Friedens nach außen und nach innen. ECebhafter Beifall rechts) Es wäre eine Verblendung sondergleichen, meine Herren, wenn man nach allem, was jetzt in der Welt um uns vorgeht, daran denken wollte, an diesem Grundpfleider unseres Seeres zu rütteln. (Lebhafter Beifall rechts. Zischen bei den Sozial. demokraten.)

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Meine Herren! Ich habe zu konstatieren, daß ich die Angaben über das Protokoll der sozialistischen Jugendorganisationen Stuttgart 1907 so vorgelesen habe, wie es mir zugegangen ist. Gurufe von den Sozial⸗ demokraten) Von welcher Seite es mir zugegangen ist, werde ich fest⸗ stellen. Im Augenblick ist das Material leider schon fortgeschickt. Wenn Herr Liebknecht mir es vorher gesagt hätte, hätte ich es hier be⸗ halten. Ich werde gelegentlich Mitteilung darüber machen. (Zurufe von den Sozialdemokraten) Ferner, Herr Abgeordneter Müller⸗ Meiningen, war am 25. März Mariä Verkündigung, also katholischer Feiertag. (Große Heiterkeit rechts.)

251. Sitzung vom 7. Mai 1914, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Am Bundesratstisch der Kriegsminister, Generaleutnant

von Falken hayn, der Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke, der Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Lisco und der Staatssekretär des Reichsschatzamts Kühn. ö Zur ersten Beratung steht der von dem Abgeordneten Speck (Zentr.) im Einverständnis mit allen Parteien ein⸗ gebrachte Gesetzentwurf, durch den die U npfändbarkeit der Aufwands entschädigung an Familien für im Reichs⸗ heer, in der Marine und in den Schutz truppen ein⸗ gestellte Söhne ausgesprochen und diese Bestimmung in die Zivilprozeßordnung aufgenommen werden soll.

Abg. Speck Gentr.): In der Heeresvorlage vom Jahre 1913

ergab sich neben der finanziellen Belastung der Bevölkerung auch eine rößere Belastung der betreffenden Familien durch Entziehung der Ar⸗ zeitsraft der Söhne. Daz trat ganz besonders hervor bei denjenigen Familien, wo drei oder mehrere Söhne ihrer Dienstpflicht zu genügen hatten. Im Etat des Reichsamts des Innern sind nun für jede Familie, wo drei oder mehr Söhne in das Heer eingestenlt sind, für jeden Fall eine Aufwandsentschädigung von 240 jͤhrlich vorge⸗ sehen. Es handelt sich hierbei um eine im Interesse der Allge⸗ meinheit der betreffenden Familie zukommende Entschädigung, i um eine höchst persönliche Zuwendung, die dem Zugriff des Gläubigers eigentlich entzogen bleiben sollte. Tatsaächlich sind auch bereits Pfän⸗ dungen auf diese Aufwandsentschädigun gen. vorgenommen worben. Damit werden aber die Absichten des Reichstages durchkreuzt, der diese Wohltaten den betreffenden Familien selbst zugute kommen lassen wollte. Hier Abhilfe zu schaffen, ist Zweck des vorliegenden Gesetz⸗ entwurfes. Auf jeden Fall muß man den betreffenden amilienvätern die Wohltaten des Gesetzes zuwenden, die bei Gehaltspfändungen Offizieren und Beamten gewährt werden. Sielegen hte ge e er⸗ reuen sich ja in der juristischen Welt keiner besonderen Wertschätzung. Aber in diesem Falle ist ein derartiges direkt geboten. Da das Gesetz von Vertretern aller Parteien unterzeichnet ist, so hoffe ich auf ein= stimmige Annahme. ;

Ohne weitere Debatte wird die Vorlage darauf in erster und in zweiter Lesung erledigt und unverändert ein— stimmig angenommen.

. Es folgt die zweite Beratung des Gesetzent wu rf s einer dritten Ergänzung des Besoldungs⸗ gesetzes.

Referent Abg. Dr. Beck⸗Heidelberg (nl): Die Kommi sion hat an dem Entwurf nur wenige Aenderungen vorgenommen. 6 hat die Regierung erklärt, daß diese Aenderungen für sie unannehm⸗ bar seien, Mit Rücksicht darauf glaube ich mich auf die Hervorhebung zweier Gesichtspunkte beschränken zu können. Die Regierung wollte nur die Konsequenzen aus der Aufbesserung ziehen, die das vorjährige Besoldungsgesetz gebracht hat. Die Kommussion hat sich in ihrer Ge⸗ samtheit auf denselben Stanz pun t gestellt und mit Rücksicht auf die Finanzlage des Reiches die Erfüllung mancher an sich berechtigten Wünsche der Beamten für eine spätere Reform zurüͤckgestellt. gin nach zwei Richtungen hat sie eine Erweiterung des 5 Sent⸗ wurfs vorgenommen. Die eine bezieht sich auf die gehobenen Unter— beamten der Post⸗ und der Eisenbahnverwaltung; sie war der An⸗= ,. der gehobenen 1 auch die erforderlichen Mittel ent⸗ prechen müssen. Sie hat sich aber gleichwohl auch hierbei Beschrän⸗ lung auferlegt. Die zweite Erweiterung bezieht sich auf die höheren Postbeamten. Sie konnte sich dabei auf Zusicherungen stützen, die diesen Beamten früher von der Regierung gegeben worden sind. Die Kommission hat trotz des Unannéhmbar“ der Regierung an ihren Beschlüssen festgehalen, und ich hoffe, daß das Plenum des Reichs⸗ tages ihnen beitritt.

Staatssekretär des Reichsschatzamts Kühn: 5.

Meine Herren! Den Gang der Verhandlungen in der Bubgelt⸗ kommission hat der Herr Berichterstatter Ihnen dargestellt. Ich habe namens der verbündeten Regierungen die Erklärung zu wiederholen, die ich bereits in der Budgetkommission abgegeben habe, dahin, daß, wenn der Reichstag dem Entwurfe in der Form, wie er die Kom— mission verlassen hat, zustimmen sollte, die verbündeten Regierungen 5 dem Entwurfe die Genehmigung versagen müßten. (Oh! inks.)

In der Kommission hat man erklärt, daß das ein Scheitern der Vorlage bedeute, daß dieses Scheitern eine weitgehende Verstimmung im Volke hervorrufen würde, daß aber die Verantwortung hierfür allein die verbündeten Regierungen treffe. Cebhaftes Sehr richtig links) Meine Herren, ob dieses „Sehr richtig' draußen im Lande einen Wiederhall finden wird Cachen links), ist mir sehr