zweifelhaft. Sehr richtig! rechts) Das ist der Anlaß, weshalb ich mich verpflichtet fühle, meiner Erklärung noch einige Bemerkungen folgen zu lassen.
Sehen wir uns doch die Sachlage näher an. Im vorigen Jahre hat der Reichstag eine Novelle zur Besoldungsordnung beschlossen, und die verbündeten Regierungen haben dem zugestimmt, um einem langjährigen Wunsche des Reichstags hiermit zu entsprechen. Trotz der großen Bedenken, welche gegen jede Aenderung der festgefügten Besoldungsordnung bestehen, und trotz der Bedenken, die namentlich dagegen zu erheben sind, in kurzen Zwischenräumen mehrere Aende⸗ tungen aufeinander folgen zu lassen, haben sich die verbündeten Re— gierungen entschlossen, in diesem Jahre eine neue Vorlage zu bringen, die, abgesehen von einigen kleinen Aenderungen, die Konsequenzen aus der von Ihnen beschlossenen Novelle des Vorjahres ziehen und außerdem, ebenfalls einem Wunsche des Reichstags entsprechend, die Bezüge der Deckoffiziere neu regeln soll. .
Meine Herren, eine Meinungsverschiedenheit besteht zwischen den beiden gesetzgebenden Faktoren insofern nicht, als wir alle der Ueber— zeugung sind, daß den Beamten, welche in der Novelle aufgeführt sind, eine Aufbesserung zuteil werden soll. (Sehr richtig! rechts) Eine Meinungsverschiedenheit besteht nur, und zwar eine sehr tiefgehende Meinungsverschiedenheit, in der Beziehung, daß der Reichstag noch weitere Beamtenklassen zu bedenken wünscht, die Regierungen dies jetzt aber nicht für möglich halten. Ich weiß nicht einmal, ob ich diese Meinungsverschiedenheit, die ich als tiefgehende bezeichnet habe, eine grundsätzliche nennen soll; jedenfalls nicht in vollem Umfange. Z. B. bezüglich der gehobenen Unterbeamten haben die Regierungen in keiner Form und in keinem Stadium der Verhandlungen erklärt, daß sie einer Aufbesserung dieser Beamtenklasse im Prinzip entgegen⸗ stehen. Was sie erklärt haben, war immer nur, daß sie zurzeit auf die Anregungen des Reichstags nicht eingehen könnten, und dies ist mit sachlichen Gründen belegt worden, die Sie anerkennen müssen. Jede Aenderung der Besoldungsordnung über die wohlbedachten Gren— zen der Novelle hinaus würde zu weiteren Konsequenzen führen. Diese Konsequenzen bestehen nicht nur für das Reich, sie bestehen auch für die Bundesstaaten und schließlich auch für die Kommunen. Alle diese Fragen müssen aufs genaueste und sorgfältigste geprüft sein, ehe man Ihnen eine entsprechende Vorlage unterbreiten kann. Im Augenblicke läßt sich das noch nicht bewirken, es muß einer späteren Zeit vorbehalten bleiben.
Nun, meine Herren, kann ich es vollkommen verstehen, wenn der Reichstag einmütig wünscht, daß noch weitere Beamtenklassen bei der Gehaltsaufbesserung berücksichtigt werden. Es sind das Wünsche, die sich mit den Wünschen in den Kreisen der verbündeten Regierungen begegnen. Die Regierungen lassen sich in der Sorge um ihre Beamten von niemandem übertreffen (Zzurufe bei den Sozialdemokraten) und sie werden mit entsprechenden Vorschlägen an Sie herantreten, sobald die Vorarbeiten dafür erledigt sind und die Möglichkeit besteht, die Maßnahme durchzuführen.
Aber, meine Herren, was ich nicht verstehe, das ist, daß, weil einzelne Beamtenklassen nicht den Wünschen des Reichstags ent— sprechend berücksichtigt werden können, deshalb auch diejenigen Klassen unberücksichtigt bleiben sollen, deren die Vorlage bereits gedacht hat. Ich kann es nicht verstehen, warum, wenn sich im Augenblick nicht auch den gehobenen Unterbeamten eine Zulage gewähren läßt, des— halb auch die Landbriefträger einer solchen Zulage verlustig gehen sollen. Ich kann es nicht verstehen, daß, weil man sich über die Gehaltsverhältnisse einzelner Beamtenklassen in Elsaß Lothringen zurzeit nicht einigen kann, deshalb auch die Regelung der Gehalts— verhältnisse der Deckoffiziere ins Ungewisse hinausgeschoben werden soll. Meine Herren, diese Gesichtspunkte, glaube ich, rechtfertigen die Bitte, die dringende Bitte, die ich jetzt an Sie richte, im Inter— esse des Zustandekommens der Vorlage Ihren ablehnenden Stand— punkt aufzugeben und dem Gesetzentwurf, wie er Ihnen von der Regierung unterbreitet ist, zuzustimmen.
Abg. Ebert (Soz.): Nach dieser heutigen Erklärung des Schatz sekretärs scheint das Schicksal der Besoldungsnovelle besiegelt zu sein. Der Schatzsekretär meint, es sei unzweckmäßig, wenn sich der Reichstag in so schneller Folge mit Aenderungen der festgefügten Besoldungsordnung zu befassen habe. Dafür ist aber vor allem die Reichsregierung selbst verantwortlich zu machen, indem die Reform von 1909 nur eine unzulängliche Regelung speziell für die Unter— beamten gebracht hat. Es gelang ihr damals, noch im letzten Augen⸗ blicke die Mehrheit des Reichstages umzustimmen und die Erwarktun— gen der Unterbeamten zu täuschen. Wenn jetzt, in einer Zeit an— dauernder Teuerung, der Reichstag verlangt, daß den Unterbeamten jetzt gegeben werden soll, was ihnen 1909 vorenthalten wurde, so ist das nur ein Gebot der Notwendigkeit. Für einige Klassen von Unterbeamten ist das durch die vorjährige Vorlage geschehen, die jetzige sollte die Konsequenzen ziehen. Aber selbst den bescheidensten Anforderungen in dieser Hinsicht genügt die Vorlage in keiner Weise, sie bringt nur ganz dürftige und geringe Aufbesserungen. Die Ge— haltsklasse der Beamten von 11—1700 „ soll eine Aufbesserung von 100 Mt erhalten, darunter befinden sich die Landbriefträger; die unteren Reichseisenbahnbeamten bekommen aber in Wirklichkeit nicht einen roten Heller mehr als bisher, weil ihnen der ihnen bisher gewährte Zuschuß von 100 „ jetzt entzogen werden soll. Auch die Regierung hat zugestehen müssen, daß die Sache so liegt. Diese Bestimmung der Vorlage zu streichen, ist uns in der Kommission gelungen, die Regierung will aber davon nichts wissen und läßt lieber die ganze Vorlage scheitern. Dabei ist diese Streichung von der Kommission einstimmig beschlossen worden. Die gehobenen Unterbeamten der Reichspostverwaltung sollten nach der Vorlage überhaupt nicht berück— sichtigt werden, obwohl die Notwendigkeit der Besserstellung dieser Kategorie vom Reichstage wiederholt anerkannt worden ist. Es han— delt . dabei vor allem um die Oberschaffner. Die Kommission will hier anstatt 1500— 2190 M ein Gehalt von 1600 200 S gewähren und die Aufrückungsfrist von 18 auf 15 Jahre . Auch diese Konzession ist nur sehr mäßig, und nicht leicht haben wir unsere weitergehende Forderung zurückgestellt, um eine möglichst einmütige Stellungnahme des Hauses herbeizuführen. Die jetzigen Kommissions— vorschläge sind das Allermindeste und Allerdringendste, was den ge⸗ hobenen Unterbeamten gewährt werden muß. Verhält sich der Bun— desrat dagegen ablehnend, so ist dabei wohl seine Stellung zu dem jetzigen Reichstage überhaupt maßgebend gewesen; diesem Reichsta gegenüber soll nur das Wort gelten: Vogel, friß oder stirb! Wo bleib da das verfassungsmäßige Recht des Reichstages? Und will er sich hier völlig ausschalten lassen? 36 unwürdigen Zustande muß endlich ein Ende bereitet werden. Finanzielle Erwägungen können für die verbündeten Regierung nicht entscheidend gewesen sein; weitere Konsequenzen für die unteren Reichsbeamten können daraus auch nicht gefolgert werden, und Preußen darf doch nicht dem Reichs— tag einfach seine Beschlüsse diktieren. Wir brauchen Loch nicht dar auf Rücksicht zu nehmen, wenn Preußen glaubt, mit seinen Beamten machen zu können, was es will, wenn es seine Beamten u . be⸗ handelt, (Der Hräsident hält 3 Aeußerung für unflatthaft Und ersucht den Redner, nicht näher auf die . Verhältnisse
lagen nicht der Fall war.
einzugehen) Die en, , ,,. einfach die Tasche zu und weist den Unterbeamten die Tür. s müssen wir verurteilen. Wir stimmen für die Beschlüsse der Kommisston.
Abg. Nacken rt, Trotz der schönen Darlegung des Schatz sekretärs werden wir für die Beschlüsse der Budgetkommission timmen. Wir wollen keine Novelle verabschieden, ohne den Wün— chen der gehobenen Unterbeamten und einer Anzahl höherer Post- eamter Rechnung . tragen. Sie stehen im . mit Wünschen, die im Vorjahre geäußert worden sind. Der Reichsschatz⸗ sekretär hat ja auch diese Wünsche anerkannt. Wir haben bei der Be= ,. der jetzigen Novelle andere dringende Wünsche zurückgestellt, um all das aus dem Wege zu räumen, was dem Zustandekommen dieser notwendigen Vorlage schädlich sein kann. Wir sind umsomehr überrascht, daß der Bundesrat einen einmütig . Beschluß des Reichstags direkt ablehnt. Dieses Verhalten muß unter den Be⸗ amten des Deutschen Reiches eine große Mißstimmung auslösen. 5 eine Rückwirkung auf den Reichstag dürfte nicht ausbleiben. Auch an dem Punkte dürfte doch die Regierung nicht achtlos vor— übergehen, daß es gelungen ist, alle bürgerlichen Parteien zu ver— einigen. Dadurch wird für die Zukunft dieses Zusammengehen viel⸗ leicht unmöglich U Man muß annehmen, daß der Regierung nicht viel daran liegt, mit den vereinigten bürgerlichen 1 im Einvernehmen zu leben. Meine polltischen Freunde hoffen trotz alledem, daß bereits im kommenden Jahre die verbündeten Regie⸗ rungen sich veranlaßt sehen, den Beschlüssen der Budgetkommission ihre Zustimmung zu geben, weil die Lage unhaltbar ist. Wenn man uns rät, der . soll nachgeben, so rufe ich der Regierung zu, sie soll es tun.
Abg. Bgssermann (al): Die Budgetkommission hat in ihren Beschlüssen diesmal ein Maß gehalten, wie es bei anderen Vor— Aus allen Teilen des Reiches ist man an uns wegen Erweiterung der Vorlage herangetreten. Durch die Eini— gung der bürgerlichen Parteien gelang es zunächst, ein gewisses Maß don Forderungen festzuftellen. Bieses Ergebnis liegt jetzt im Plenum vor. Die Regierung kann nicht sagen, daß sie einen unbequemen Reichstag hat. Die Vorgänge der letzten Tage liefern dafür den Be⸗ weis. Der Reichstag hat es verstanden, dem Grundsatz Rechnung u tragen, daß das politische Leben auf Kompromissen der gesetzgeben⸗ en Faktoren beruht. Das trat hervor beim Spionagegesetz und bei den Beratungen über die Konkurrenzklausel. Es ist unberständlich, weshalb die Regierung jetzt so intransigent ist, bei einem so gering⸗ fügigen Anlaß, während sie sonst doch bei so wichtigen Gesetzen, wie bei der Deckung für die Heeresvorlage, zum Entgegenkommen bereit war. Es ist uns unverständlich, wie die * ierung jetzt, die sich sonst so viel Mühe gibt, die Parteien unter einen . zu bringen, über einen solchen Vorgang mit kühlem Lächeln hinweggeht. Diese intransi—⸗ gente Ablehnung wird eine große Erbitterung herworrufen. Sie wird es nicht verhindern können, daß die Wähler der Abgeordneten die J für das Scheitern der Vorlage auf die Regierung ab⸗ wälzen.
Abg. Dr. Oertel (dkons ): Auch ich bitte, den Beschlüssen der Budgetkommission einstimmig zuzustimmen. Diese Zustimmung muß uns durch die Ueberzeugung erleichtert werden, daß das, was wir fordern, maßvoll und begründet ist, und in unmittelbarem Zu⸗ sammenhang mit den Forderungen des Jahres 1913 steht. Auch uns war es überraschend, mit ö Leichtigkeit sich im vorigen Jahre der Reichsschatzsekretär die Ummodelung der Deckungsvorlage gefallen ließ. Diese damalige Leichtigkeit ist mit der heutigen Starrheit aller dings nicht leicht in Einklang zu bringen. Im Vorjahre wünschten wir, daß die Landbriefträger, die damals seer ausgegangen waren, möglichst bald berücksichtigt werden sollten. Auch verlangten wir, ö die gehobenen Unterbeamten der Post⸗- und Telegraphenverwaltung aufgebessert werden sollten, und daß den Wünschen der höheren Post— beamten in der Ausgestaltung ihrer Laufbahn Rechnung getragen wer⸗ den sollte. Wir glaubten damals gerade die Ansprüche dieser Be⸗ amten vertreten zu müssen, weil sie sonst hier weniger berücksichtigt werden, als die anderen Klassen. In der Novelle und im Etat steht weder etwas für die gehobenen Unterbeamten, noch für die höheren Postbeamten. Die wenigen Stellen der Vizedirektoren, die gefordert werden, genügen nicht. Ich danke den Herren von den anderen Par⸗ teien auch hier, wenn sie andere Wünsche zurückgestellt haben, so daß wir uns auf einer Linie in der Budgetkommission einigen konnten. Ueber die Berechtigung unserer Forderung brauche ich kein Wort zu berlieren. Auch ich meine, daß das Scheitern der Vorlage eine tieße Verstimmung hervorrufen muß. Wir freuten uns im Vorjahre, daß endlich die Mißstimmung der Postunterbeamten beseitigt werde. Ganz besonders die gehobenen Unterbeamten mußten erwarten, daß bald die Konsequenzen aus der vorjährigen Besoldungsordnung gezogen wür— den. An dieser Mißstimmung tragen wir keine Schuld, wir haben das unsrige getan. In dieser Vorlage sollten alle die Wünsche er⸗ füllt werden, deren Berechtigung überall anerkannt worden ist. Schei⸗ tert diese Vorlage, dann werden weitere Wünsche in gewaltiger Hoch⸗ flut auf uns einströmen. Wenn der Schatzsekretär mit Recht sagte, die Sache müsse vorbereitet werden, so ist die beste Vorbereitung die Zustimmung zu dieser kleinen Vorlage. Dann werden die Beamten erkennen, daß auch ihren weiteren berechtigten Wünschen kein Wider⸗ stand entgegengebracht wird. Wir möchten uns deshalb den Be⸗ schlüssen der Budgetkommission anschließen. Diese Vorlage bringt auch eine wesentliche Besserstellung der Deck- und Oberdeckoffiziere. Durch das Scheitern der Vorlage wird die begründete Hoffnung dieser Beamten vorläufig ins Wasser fallen. Auf wie lange, wissen die Götter und der Reichsschatzsekretär. In den letzten Tagen mußte ich auf Schleichwegen in dieses hohe Haus kommen, um unbemerkt in den Sitzungssaal zu gelangen, draußen saßen die Herren, die ihre Wünsche vorbringen wollten. Dem Kollegen Quhrich, der mir zunickt, ist es vielleicht schlimmer ergangen. Sehr viele sagten mir: Lassen Sie doch das Ding 4 Im nächsten Jahre . etwas Besseres kommen. Die Zustimmung zu dem Antrag der Budgetkommission ist deshalb eine politische Not⸗ wendigkeit. Wir alle werden uns dem Gewicht der Frage nicht ent⸗ ziehen können. Ich möchte die Frage nicht aus dem Handgelenk entscheiden, ob es besser ist, jetzt die Vorlage anzunehmen, oder die Beamten noch länger warten zu lassen. Auf jeden Fall werden sie uns und der Regierung den Vorwurf machen, wenn die Vorlage scheitert. Einen Teil der Verantwortung für die Mißstimmung werden wir dann auch zu tragen haben. Ob wir diese Verantwor⸗ tung tragen können, das fragt sich. Ich beneide den, der diese Frage zj schon bejahen kann. Wie die Dinge liegen, haben wir die Pflicht, ohne Rücksicht auf die verbündeten Regierungen unser Ge⸗ wissen zu prüfen, welche Verantwortung wir tragen können. Daß ich etwa zum Umfallen geneigt sein sollte, das ist wohl nicht anzu— nehmen. Das kann ich nicht in Aussicht stellen. Ich hoffe, daß es zwischen der zweiten und dritten Lesung noch zu einer Verständigung kommen wird. Diese zu finden, ist bei einigem guten Willen möglich. Diesen guten Willen stelle ich in Aussicht. Ich glaube, keiner von Ihnen wird sich ausschließen wollen. Sie alle sind davon beseelt. Möge auch der Staatssekretär diesen guten Willen zeigen, dann kommen wir vielleicht doch noch zu einer wirklichen Ver— ständigung.
Staatssekretär des Reichsschatzamts Kühn:
Meine Herren! Der Herr Abgeordnete Bassermann hat eine Frage gestellt, die der Herr Vorredner, wenn ich richtig gehört habe, als „pikant und interessant“ bezeichnete. Er hat gefragt: wie können denn die Regierungen heute so fest bleiben, während sie im Jahre 1913 bei der großen Deckungsvorlage den Wünschen des Reichstags in weit⸗ gehendem Maße entgegengekommen sind? Meine Herren, auch ohne die politische Seite der Sache zu berühren — was ich durchaus ver- meiden möchte —, läßt sich, wenn man schon eine Antwort auf die Frage sucht, ein Unterschied in der parlamentarischen Situation von
damals und heute unschwer erkennen, Seinerzeit lag die Sache so.
daß das Scheitern der ganzen großen Vorlage in Aussicht stand, wenn die Regierungen den Wünschen des Reichstags nicht entgegenkamen. (Widerspruch) Heute liegt die Sache so, daß die Vorlage scheitern muß, wenn der Reichstag es nicht über sich gewinnt, sich auf den Standpunkt der verbündeten Regierungen zu stellen. (Große Heiterkeit und Rufe: Ohoh Die einfache Konsequenz der Darlegungen des Herrn Abgeordneten Basser⸗ mann gebietet somit, daß wir, um das Gesetz zustande zu bringen, uns auf dem Boden der Regierungsvorlage zusammenfinden. Meing Herren, Sie können darauf um so leichter eingehen, als ich schon vorhin erklärt habe, daß die Regierungen es niemals im Prinzip abgelehnt haben, die gehobenen Unterbeamten besser zu stellen. Sachliche Er⸗ wägungen sind darüber anzustellen, in welchem Umfange dann auch andere Beamtenkategorien zu berücksichtigen wären, und diese Er— wägungen erfordern eine längere Zeit. Vor Abschluß der Vorarbeiten ist es den Regierungen nicht möglich, einen entsprechenden Gesetz⸗ entwurf auszuarbeiten, also auch nicht Ihrem jetzt gestellten Antrag zuzustimmen. .
Meine Herren, ich glaube wirklich, es ist hier eine Basis gegeben, die von allen betreten werden könnte. ;
Ablehnen möchte ich noch, was von mehreren Seiten behauptet worden ist, daß ausschließlich oder überwiegend finanzielle Gründe die Haltung der verbündeten Regierungen bestimmt hätten. Das ist nicht der Fall, und wenn die Herren meine ersten heutigen Ausführungen aufmerksam verfolgt haben, so werden sie bemerkt haben, daß ich von der finanziellen Seite der Sache überhaupt nicht gesprochen habe.
Abg. Kop sch (sortschr. Volksp.): Die Haltung der Regierung ist insofern verständlich, als sie einem Vorschlage zustimmt, wenn sie neue Einnahmen bekömmt, je mehr, um so lieber. Sie bleibt aber sest, wenn es sich um Ausgaben handelt, besonders um Ausgaben, wie sie der Reichstag für die Beamten auszugeben wünscht. Wir haben auf manche Wünsche verzichtet, die uns aus Beamtenkreisen entgegen⸗ getreten sind. Wir haben diese Wünsche zurückgestellt in der Hoff⸗ nung, die Zustimmung der Regierung zu unseren bescheidenen Vor— schlägen zu finden. Diese bezogen sich auf die gehobenen Unter— beamten und die oberen Postbeamten. Für die letzteren wünschen wir eine durchgehende Skala, unabhängig von der Einrichtung neuer Stellen. Wir halten es nicht für angängig, neue Beamtenstellen nur einzurichten, um ein besseres Avancement zu ermöglichen. Bei diesen Beschlüssen haben wir uns stets gefragt, wie sie auf die Bundesstaaten, insbesondere auf Preußen finanziell einwirken würden. . haben wir von der Regierung ein glattes Unannehmbar gehört. Darauf hat offenbar die Stellung der preußischen Regierung eingewirkt. Gerade für Preußen ist aber eine Aufbesserung gewisser Beamtenkategorien nötig. Der , . Staat hat ja auch am ersten die Mittel dazu, er braucht nicht Millionen aufzuspeichern. Wenn die preußische Re— gierung erst das Votum des Reichstages abwarten will, so können wir umgekehrt Preußen den Vortritt lassen, dann wird die Reichsregierung schon folgen. Was würden denn unsere Beschlüsse dem Reiche kosten, wenn die Regierung nachgibt? Ganze zwei Millionen. Die Verantwor⸗ tung trägt allein die Regierung. Gewiß hat auch der Mittelstand schwer zu kämpfen, aber auch der Beamtenstand befindet sich in einer Not— lage. Wenn die Regierung sagt, sie lasse sich in der Sorge für die Beamten von niemand übertreffen, so entspricht das doch nicht den Tatsachen. Nirgends gibt es einen Beamtenstand, der so seine per⸗ sönlichen Interessen dem Wohl der Allgemeinheit unterordnet. Er denkt nicht an Streik. Die Regierung a es sich doppelt und drei⸗— fach überlegen, ob sie an ihrem Nein festhalten darf. Wenn die Re⸗ gierung 1 ihrem Unannehmbar besteht, dann trägt nicht der Reichs— tag, dann trägt die Reichsregierung die Schuld!
Abg. Schultz⸗Bromberg (Rp.): Ich werde mich in den Streit, wer die Schuld trägt, nicht einmischen, denn damit ist den Beamten nicht geholfen. Es kommt darauf an, noch einmal zu ver— suchen, ob es einen Weg zur Verständigung gibt. Ich möchte aller— dings sagen, wenn man die Parteiredner hört, so ist lediglich ein Zu— stand der Hoffnungslosigkeit gegeben. Im zweiten Teil seiner Rede hat aber Dr. Oertel die Möglichkeit einer Verständigung mit großer Gewandtheit angedeutet. Ich möchte auch annehmen, daß die Rede des Abg. Kopsch in ihrem zweiten Teil an den zweiten Tell der Rede des Abg. Oertel anklang. Wen wird für das Scheitern die Miß— stimmung treffen? Ich glaube, sie wird in überwiegendem Maße den Reichstag treffen, jed? h in den Kreisen der vielen Tausenden Be— amten, die in ihren Hoffnungen auf die Regierungsvorlage ge— täuscht werden. Dringend werden wir aus diesen Kreisen gebeten, zu nehmen, was da ist. Weil wir aber die Kommissionsbeschluͤsse an sich im Prinzip billigen, stimmen wir jetzt dafür, hoffen aber mit Be— stimmtheit auf eine Einigung und deren Zustandekommen zwischen der zweiten und driten Lesung.
Abg. Dr. Haegy (Els.): Wir stehen auf dem Boden der Be⸗ schlüsse der Kommission, wie sie heute vorliegen. Wir freuen uns des ernsthaften Versuches der Kommission, auch die gehobenen Unter⸗ beamten in die Verbesserung einzubeziehen, und bedauern nur, daß es nicht gelungen ist, noch andere Klassen, wie die Weichensteller 1. Klasse, mitzubedenken. Die Enttäuschung wird sich besonders auch bei den Eisenbahnunterbeamten geltend machen, denen die Kommission durch die Beseitigung des ominösen § 5 entgegenkommen wollte. Wenn man diesen Eisenbahnbeamten die nichtpensionsfähigen Zu— schüsse, die sie 1909 zum Ausgleich bekommen haben, wieder weg- nimmt, so bekommen sie auch bei der Besoldungserhöhung in rtf. keit nichts. Die Streichung dieses 5 ist also für uns in Elsaß⸗Loth—⸗ ringen eine unbedingte Notwendigkeit. Es würde sonst eine Erbitte— rung in diesen Kreisen geschaffen werden, die auch politisch un— angenehme Folgen haben muß. dies die Zulage belassen werden. Mit der Entziehung der Zulage kann nur bei einer allgemeinen Besoldungsverbesserung vorgegangen werden.
Abg. Werner-⸗Hersfeld (wirtsch. Vgg.): Man hätte die heutige
Vorlage nicht nötig gehabt, wenn 1909 ganze Arbeit gemacht worden ö
wäre. hobenen darf nicht ausschlaggebend sein.
Das Entgegenkommen des , hinsichtlich der ge—⸗ Unterbeamten genügt nicht.
empfehle ich dem besonderen Wohlwollen der Reichsverwaltung.
Witzepresident Br., Pa gfche Kiilet, biese Ausführungen nicht weit i-
auszudehnen, da sie mit der Vorlage nicht unmittelbar zusammen⸗ hängen. Ebenso sollten die Telegraphensekretäre und Obersekretäre bessergestellt werden. . das Gesetz doch noch zustande komme, muß namentlich im Interesse der vielen kleinen Beamten, der Landbrief— träger usw. gehofft werden.
Abg. Dr. Weill (Soz.) schließt sich den Ausführungen des ö
Abg. Haegy bezüglich der reichsländischen Eisenbahnunterbeamten an und erklärt, pe auch für die dritte Lesung das unerschütterliche Fest— halten seiner Fraktion an den Kommissionsbeschlüssen feststeht.
Damit schließt die zweite Beratung. Ohne Digkussion wer⸗ den die Kommissionsbeschlüsse im einzelnen einstimmig an— genommen.
Darauf setzt das Haus die Spezialberatung des Etats für die Verwaltung des Reichsheeres bei dem . Ausgabetitel „Gehalt des preußischen Kriegsministers“ ott. w
ö. (Fortsetzung in der Zweiten Beilage !
Den höheren Beamten soll ja über⸗
ie Rücksicht auf Preußen Für die Streichung des 5 5 habe auch ich in der Kommission gestimmt; ich halte diese Streichung fü notwendig, um den Eisenbahnunterbeamten der Reichslande eine wirk⸗ liche Aufbesserung zuteil werden zu lassen. Die Telegraphenmechaniker
Zweite Beilage
zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
M OS.
(Fortsetzung aus der Ersten Beilage.)
Preußischer Kriegsminister, Generalleutnant von Fal⸗ kenh ayn:
Meine Herren! Am Schluß der gestrigen Sitzung hat sich dec Herr Abgeordnete Liebknecht gegen einen Punkt meiner Ausführungen in bezug auf das Stuttgarter Protokoll gewendet. Ich möchte dem⸗ gegenüber feststellen, daß ich den Herrn Abgeordneten Liebknecht in meinen Ausführungen mit keinem Wort erwähnt habe, aus dem ein⸗ fachen Grunde nicht, weil ich gar nicht wußte, daß er bei dieser Stutt⸗ garter Sitzung zugegen gewesen ist und dort sogar eine Hauptrolle ge⸗ spielt hat. Mittlerweile habe ich mir nun heute früh mit einiger Mühe den offiziellen Bericht über die erste internationale Konferenz der Jugendorganisationen, der im Buchhandel nicht mehr zu haben ist, verschaffen können.
In diesem Bericht sind folgende Punkte dessen, was ich gestern gesagt habe, enthalten:
„Das wesentliche Ziel der antimilitaristischen Propaganda ist die Zermürbung und Zersetzung des militaristischen Geistes zur Be—⸗ schleunigung der organischen Zersetzung des Militarismus.
(Hört, hört! rechts.)
Die leider vielfach betriebene Agitation zur Nichtgestellung der einberufenen Mannschaften ist der denkbar größte taktische Fehler. Dadurch werden ja gerade die für den Militarismus unzuverlässigen Elemente, die zur Desorganisation beitragen, von der Armee fern⸗ gehalten
(Hört, hört! rechts.), wodurch deren Gefährlichkeit vermehrt wird.
Sorgen wir, daß die internationale Jugendbewegung im anti⸗ militaristischen Kampfe eine ehrenvolle Rolle spielt.
Schließlich wird noch der Punkt, den ich auch erwähnt habe, in dem Protokoll erwähnt, daß die Gründung der Jugendorganisationen für den antimilitaristischen Kampf ganz besonders geeignet sei. (Zuruf von den Sozialdemokraten: Wo steht das mit dem „Ekel und Abscheu'? — Glocke des Präsidenten.)
Nur in einem Punkte habe ich in diesem Protokoll nicht eine Be⸗ stätigung dessen gefunden, was ich gestern gesagt habe, in dem Punkte nämlich, wo ich aus meinem Material anführte: „In diesem haben wir die jungen Leute gegen jeden Dienst mit der Waffe mit Ekel und Ab⸗— scheu zu erfüllen. (Aha! bei den Sozialdemokraten.)
Meine Herren, ich habe dem Herrn Abgeordneten Dr. Liebknecht gestern zugesagt, daß ich ihm mitteilen würde, aus welchem Material ich diese Angaben habe. Ich kann das heute ruhig tun. Es ist kein Spitzelmaterial — mit derartigen Angelegenheiten befaßt sich die Heeres⸗ verwaltung nicht (Aha! und Widerspruch bei den Sozialdemokraten. — Sehr richtig! rechts), sondern es ist aus verschiedenen Publikationen (Zuruf von den Sozialdemokraten: Welche? Namen nennenh, aus großen Berliner Zeitungen, die ich Ihnen sofort nennen kann, jeder⸗ zeit, und gegen die von sozialdemokratischer Seite meines Wissens nicht der geringste Einspruch erhoben worden ist. Hätte ich diese Angaben bezweifeln können, so würde ich diesen Satz nicht ausgesprochen haben — (Lebhafte Zurufe von den Sozialdemokraten. — Glocke des Prä—⸗ sidenten) — denn zur Charakterisierung dessen, was ich charakterisieren wollte, ist er durchaus unnötig nach dem, was in dem offiziellen Pro— tokoll steht. Unruhe und Widerspruch bei den Sozialdemokraten. — Lebhafte Zustimmung rechts.)
Meine Herren, im übrigen wird der Herr Abgeordnete Liebknecht mir, glaube ich, nicht bestreiten wollen, daß er gerade die hier be⸗ anstandeten Worte in ganz ähnlichem Sinne bei anderen Gelegenheiten verwendet hat. Die ganze Sache ist also ein Streit um Worte. (Große Unruhe und Widerspruch bei den Sozialdẽmokraten) Mir kommt es aber nicht auf Worte, sondern auf die Sache an, wie sie hier in diesem offiziellen Protokoll charakterisiert ist. Diese Sache legt mir die Pflicht auf, gegen Ihre Betätigung mit allen meinen Kräften zu kämpfen. (Lebhafter Beifall rechts. — Unruhe und Zurufe von den Sozialdemo— kraten.)
Abg. Stücklen (Soz): Der Kriegsminister wird von der ge⸗ samten reaktionären Presse wegen seiner gestrigen Rede gefeiert, als kommender Mann bezeichnet. Wir fürchten ihn nicht, wir werden noch da fein, wenn er dereinft verschwunden ist. Wie es mit seinen He— hauptungen steht, hat sein heutiger Rückzug gegenüber dem Abg. Liebknecht bewiesen. Sein Pressebureau sollte ihn künftig anders in⸗ formieren, als es jetzt geschehen ist. Er sagte, es komme nicht auf Worte an, sondern auf den Sinn. Der Kriegsminister hat dem Abg. Liebknecht einen Sinn untergelegt, den dieser nicht im Auge gehabt hat. Der Kriegsminister konnte sich nur auf Aeußerungen der Reichs⸗ verbandspresse ftützen. Wir haben nicht sopiel Personal, um alle Schwindeleien richtig zu stellen, die Tag für Tag über uns verhreitet werden. Der Kriegsminister hat gezeigt, daß er über alle Fragen schlecht informiert war. Wir Sozialdemokraten haben es gern, wenn gegen uns mit offenem Visier gekämpft wird. Der. Kriegsminister hat wenigstens das Verdienst, einen anderen Ton in die Debatte gebracht zu haben. Die Rede des Abg. Hegenscheidt klang so, als sollte ein neuer Nagel in eine Fahnensfange geschlagen werden. Der Kriegs⸗ minister sprach davon, er wolle sparen. Seine Sparsamkeit führt in die Victoriastraße. Von Sparsamkeit ist in der Militärverwaltung keine Rede. Die glatte Durchführung der Heeresvorlage war kein be— sonderes Verdienst der Verwaltung, die Vorarbeiten lagen weit zurück. Es wäre noch schöner, wenn sie bei einer solchen Sache versagt hätte. Die Aushebungen haben in einer gt der Krisis stattgefunden, da konnte das Wirtschaftsleben nicht erschüttert werden. Aber bei einer
ochkonjunkfur werden uns die Hunderttausende fehlen, die jetzt in den . sind; da werden el . Arbeiter als Lohndrücker ver— wendet werden. Auch das Kapitulieren der Unteroffiziere hängt mit
der wirtschaftlichen Krisis zusammen. Die Versorgungsschwierigkeiten für die ern n steigen ins Ungemessene. Die Unteroffiziere, die 12 Jahre gedient haben, haben keine Lust, auf das Land als. kleine Bauern zu gehen, sie ziehen ein Amt vor. Die 38 000 Ueberzähligen erstrecken sich offenbar auf 3 Jahre. Diese 38 0090 werden ein neuer Anreiz für die Rüstungstreiber sein, eine neue Heeresvorlage einzubrin— gen. Ein Mitglied der Kommission könnte einen Brief vorlegen, wonach einem Festungsbauunternehmer mitgeteilt ist, er möchte sich auf neue Bauten vorbereiten, der Bedarf würde durch das letzte Drittel des Wehrbeitrages gedeckt werden. Ich glaube, daß bis dahin eine neue Militärvorlage kommt, wenn der Kriegsminister auch gesagt hat, daß eine neue Vorlage nicht ausgearbeitet werde. Der Abg. Erzberger sagte,
Berlin, Freitag, den 8. Mai
—
die Resolutionen des Reichstags seien Hypotheken auf die Militärvor⸗
lage. Das sind Hypotheken, die auf der 6. Stelle stehen, also oher⸗ faule Hypotheken. Gewiß ist manches erreicht worden, z. B. bessere ie für die Mannschaften. Aber die Regierung hat sich zu diesen und ähnlichen Konzessionen erst drängen lassen müssen. Der Urlaub für die Soldaten ist problematisch, weil er von der Gnade der Vor⸗ gesetzten abhängt. Wir haben weit mehr verlangt, als durchgesetzt werden konnte. Wir hätten die Regierung zwingen können, auf diese Forderung im Gesetz einzugehen. Alles war nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir haben in der Armee keine Garantie, daß in der Armee der gute Gesundheitszustand bleibt. Es fehlen uns nicht weniger als 57 95 Assistenzärzte, obwohl in Berlin Aerzte sogar von der Armenpflege unterstützt werden müssen. Das liegt daran, daß die Aerzte von den Offizieren über die Achsel angesehen werden, daß jüdische Aerzte nicht eingestellt werden. Die Einjahrig⸗Freiwilligen, die als Aerzte eingestellt werden, sind ein höchst trauriger Notbehelf. Der Prinz Friedrich Leopold hatte 5 Adjutanten, ohne daß er in der Armee eine Stellung bekleidet? gespart worden ist nur ein einziger Adjutant, indem man seinen Söhnen jetzt auch je einen Adjutanten gegeben hat. Das war der Wille des Reichstages nicht. Die Offi⸗ zierkasinos sind höchst überflüssig, sie dienen nur und wollen nur dienen der Abschließung der Offiziere vom Bürgertum. Auf diese Weise wird mit den Millionen aus den Steuergroschen Schleuderwirtschaft ge⸗ trieben. Bei den Pensionierungen wird ungeheuer splendid vorge⸗ gangen; mit dem verderblichen Prinzip, daß ein Hauptmann in Pension gehen muß, wenn sein Hintermann zum Major befördert wird, bricht man nicht. Daß die Soldatenmißhandlungen erheblich zurückgehen, wird behauptet, aber wir müssen es bezweifeln. Diesem Krebsschaden kann man nur den Garaus machen, wenn man jeden Soldatenschinder einfach davonjagt. Der Kriegsminister gab seinem Abscheu vor den Mißhandlungen schärfsten Ausdruck, aber solche Versicherungen haben wir noch von jedem Kriegsminister hier gehört. Die Schinder kommen mit außerordentlich milden Strafen dabon. Eine Soldatenmißhand⸗ lung ist eine bodenlose Heibi, weil der Soldat sich nicht wehren darf. Die Offiziere wollen ein besonders hochgespanntes Ehrgefühl haben, wäre das der Fall, dann würde kein Offizier sich an einem Soldaten vergreifen. Kein Tag vergeht, an dem nicht neue Militär⸗ mißhandlungen und Prozesse darüber sich abspielen; wir werden darüber dem Kriegsminister noch eine lange Leporelloliste zur Kenntnis bringen. Wenn der Kriegsminister meint, wir wollten mit, dem Bekanntgeben solcher Fälle die Armee herabsetzen, so ist er auf dem Holzwege. Nicht nur Soldaten werden drangsaliert, auch Unteroffiziere. Ein befonders krasser Fall, eine Soldatentragödie in des Wortes verwegenster Bedeutung 6. 64 in Metz zugetragen. Der betreffende Unteroffizier hat sich das Leben genommen, weil ihn der Hauptmann aufs Blut peinigte, ihn wegen der geringsten Kleinigkeit schlecht machte. Der Hauptmann schrieb an die Eltern in trockenstem Ge⸗ schäftston, er bedaure, daß der Mann sich erschossen habe, er könne es aber nicht ändern; hoffentlich würden die Eltern mehr Freude an ihren anderen Kindern erleben. Dann bekamen die Eltern noch einen Brief, worin ein Kamerad des Verstorbenen trotz des Ver— bots, etwas mitzuteilen, ihnen riet, die Unteroffiziere der Kompagnie bei der Gerichtsverhandlung als Zeugen anzugeben, dann würden sie ihren Hauptmann los werden. Auch die Einjährigen werden schikaniert; in Luckenwalde hat sich ein solcher erschossen, weil ihn sein Kompagnie— offizier in einer Weise drangsaliert hatte, daß er es nicht mehr aus⸗ halken konnte. Wären die Sffiziere wirklich die hochgebildeten Leute, die sie sein wollen, so müßten sie das doch auch den Mannschaften gegenüber zum Ausdruck bringen. Ein Leutnant vom 60. Regiment in Weißenburg wurde wiederholt mit Stubenarrest belegt, weil er die Reserbisten mit Ausdrücken wie „Sauherde“, Saubande“ be— dachte. Ein anderer Affizier bezeichnete Reservisten als „Wackes', „Hanaken“, „Schweinepriester“ usw. In neuester Zeit scheint eine ganz neus Methode der Mißhandlung in Schwung gekommen zu sein, das Austrinken von Spucknäpfen. Daß die Leute krank davon geworden sind, kann niemand bezweifeln. In der Armee gibt es eine große Zahl von Selbstmorden und Selbhst— mordversuchen. Ueber 10 000 Leute haben sich in den Kasernen seit Gründung des Reichs das Leben genommen, meist aus Furcht vor Strafe. Diese Zahlen sprechen für sich; sie bedürfen keines Kommen⸗ tars. Der Kriegsminister führte als Entschuldigung an, daß draußen im Lande viel mehr Mißhandlungen vorkommen. Das ist kein Be⸗ weis. Der Kriegsminister meinte, wir bauschten die Mißhandlungs⸗ fälle auf, und er berief sich auf den „Vorwärts. Dieser soll nichts davon mitgeteilt haben, daß eine Anzahl von Offizieren die Rettungs⸗ medaille erhalten habe. Er bringt solche Fälle, wenn sie in Berlin passieren; er kann aber doch nicht aus jedem Winkel des Reiches be⸗ richten; er ist kein Publikationsorgan des Kriegsministers. Diese Rettungsmedaillen können doch nicht die Mißhandlungen kompen⸗ sieren. Weiß er nicht, daß unsere Genossen ihr Leben eingesetzt und berloren haben bei Rettungsversuchen in den Bergwerken? Sie legen aber keinen Wert auf Dekoration. Wenn dem „Vorwärts“ ein Vor⸗ wurf daraus gemacht worden ist, daß er dekorierte Offiziere nicht er⸗ wähnt hat, warum hat dann das „Militärwochenblatt, die Helden⸗ taten der Bergleute nicht gebracht? Der Abg. Müller⸗Meiningen hat die neuen Vorschriften über den Waffengebrauch als einen Fort⸗ schritt bezeichnet. Er denkt wohl nicht an das sogenannte liberale Vereinsgesetz. Wir bestreiten einen Fortschritt. Solche Dinge müssen auf dem Wege des Gesetzes geordnet werden. Nach den neuen Vor⸗ schriften kann der Offizier unter Umständen schon nach eigenem Er— messen einschreiten. Die militärische Putativnotwehr entspricht eigentlich der Kleptomanie, sie existiert nur bei Offizieren. Daß einem Soldaten, der sich gegen einen Vorgesetzten zur Wehr gesetzt hat, die Putativnotwehr zugebilligt wurde, ist nicht bekannt geworden. Die Verordnung enthält in anderen Beziehungen eine Verschlechte— rung. Eine . Regelung ist schon deshalb notwendig, weil das Leben der Zivilverwaltung in Frage steht. Man beruft sich auf die Kommandogewalt. Diese ist in der Reichsverfassung genau fest⸗ gelegt, darüber hinaus kann sie nichts bestimmen. Artikel 64 deckt keineswegs das, was hier als neue Vorschriften vor uns liegt. Der Begriff der Notwehr ist in einer Weise definiert, die noch manches erwarten läßt. Was heißt ein rechtswidriger Angriff gegen die Ehre eines Soldaten? Es kann sein, . ein Soldat unter Umständen auf dem Ballsaal von der Waffe Gebrauch machen zu können glaubt. Wie soll der einfache Soldat in dem kritischen Moment entscheiden können, ob eine Notwehr vorliegt? Ueber diese Sache darf feen fh, nicht die Kommandogewalt entscheiden. Wenn ein Unteroffizier sich einbildet, daß die Zivilbehörde nicht ausreiche, so kann er gegen innere Unruhen eingreifen. Das ist doch unhaltbar. Der Kriegsminister hat eine Erklärung der Vorschriften abgelehnt. Das war klug, er wollte sich und seine Nachfolger nicht hinden. Die Verantwortung der Befehlshaber wird ihnen sehr leicht gemacht. Hoffentlich wird diese Verordnung nicht auf andere Bundesstaaten übertragen. Was das Presseburegu betrifft, so möchte ö bemerken, daß wir gegen eine Abteilung, die . nitte sammelt, nichts einzuwenden haben. Das Presseburegu at aber ein Pamphlet verbreitet, in dem die Parteien des Reichstages mit Ausnahme der Konfervativen in der unflätigsten Weise beschimpft werden. Der Kriegsminister hat das allerdings als einen Mißgriff bezeichnet. Gerade der Hinweis des Ministers auf die Marinerundschau mußte uns stutzig machen. Sie berinflußt die öffentliche Meinung zu gunsten von Flottenvorlagen. Der Kriegsminister scheint ein Organ schaffen zu wollen, wodurch die öffentliche Meinung beeinflußt
1914.
werden soll. Das Zentrum hat 1906 und 1907 auf diesem Gebiet sehr üble Erfahrungen gemacht. Einen inaktiven Offizier mit dem Nachrichtendienst zu betrauen, hat der Kriegsminister abgelehnt; er möchte an möglichst vielen Stellen aktive Offiziere haben, sogar bei den Bekleidungsämtern. Bei den Lehrschmieden haben wir aktive Offiziere. Es kann uns nicht zur Zustimmung zu einer Vergrößerung des Bureaus bestimmen, daß auch sozialdemokratischen Zeitungen Aus⸗ kunft erteilt werden soll. Wir sind dagegen, daß eine offiziöse Mei⸗ nungsfabrik aus der Stelle wird. Der Vorwurf, daß wir verab⸗ schiedete Offiziere beleidigt hätten, ist nicht stichhaltig. Wir haben uns nur dagegen gewendet, daß verabschiedete Offiziere im Handel angestellt werden. Vielleicht können sie als Verkäufer in Zigarrenge⸗ schäßften angestellt werden. Aber das sollen sie nicht, sie sollen Ver= trauensstellungen einnehmen. Die Firma Krupp kann allerdings ver⸗ abschiedete Offiziere brauchen. Der Kriegsminister hat sich, vielleicht aus Versehen, an eine Gewerkschaft für Lithographen gewendet. Was soll eine Gewerkschaft mit einem verabschiedeten Offizier machen? Höchstens könnte sie ihn als Streikposten verwenden; aber das will die Polizei nicht. Ich freue mich, daß die J es abge⸗ lehnt haben, die Offiziere in Vertrauensstellungen zu nehmen. Ge⸗ wiß gibt es verabschiedete Offiziere, die sich in prekärer Lage befin⸗ den. Aber dann sollte man nicht diese Offiziere so früh absägen. Es laufen viele verabschiedete Offiziere herum, die sich einer beneidens werten Gesundheit erfreuen. (Der Redner führt einen Fall an, wo ein Offizier zuerst ins Irrenhaus gesteckt, dann für gesund erklärt und pensioniert worden ist). Man pensioniert in ganz unglaublicher Weise darauf los. Allein die pensionierten Generale könnten einen ganz stattlichen Kriegerverein bilden. Wäre man früher schon so vor⸗ gegangen, dann wäre Moltke schon 1866 nicht mehr im Heere ge⸗ wesen. Namen wie Liebert, Keim und Wrochem bedeuten geradezu ein Programm. Diese verlangen immer eine Verstärkung des Heeres. Das Publikum glaubt, weil sie hinter ihren Namen den Generals— titel setzen, es seien lauter Moltkes. Wir haben einen General, den es im aktiven Dienst nur bis zum Leutnant der Reserve gebracht hat. Das ist Herr von Bethmann Hollweg. Von dem Drang der Gardeoffiziere nach wissenschaftlicher Ausbildung hat man früher nichts gehört. Es gibt immer noch zwei Gruppen von Offizieren. Man hätte uns die Namen der Offiziere nennen sollen, deren Väter Unteroffiziere in einem Garderegiment oder Unterbeamte sind. Die , nach der Grenze wird von den Offizieren selbst als Strafe angesehen. Die burschikose Art des Generals von Deimling hat der Kriegsminister als das beste an ihm erklärt. Offiziere in seiner Stellung sollten sich aber der Tragweite ihrer Worte mehr bewußt sein. Die zivil behörden in Straßburg haben es abgelehnt, zur Tagung des Wehr⸗ vereins zu gehen. Der General von Deimling erschien dort an der Spitze mehrerer Dutzend Offiziere Woher weiß der Kriegsminister, in welchem Sinne die Vorträge des Redakteurs Stöcker gehalten waren? Er stützte sich auf angebliche Aeußerungen des Abg. Liebknecht die er aber selbst als nicht getan anerkennen mußte. Der Kriegsminister hat die sozialdemokratische Tätigkeit als unmoralisch bezeichnet. Das wird keine guten Früchte tragen. Sind denn die französischen, die schweize⸗ rischen Offiziere unmoralisch, weil sie Republikaner sind? In der Schweiz hat über das Leben unseres Kaisers ein Offizier gewacht, der zu unserer Partei gehört. Die heutige Armee ist nicht dieselbe Armee, wie die von 1850. Es ist zweifelhaft, ob solche Massen= heere fo bewegt werden können, wie es früher der Fall war. Solche Massenheere können auch nicht verpflegt werden. Der Generalstah hat Studien zur Kriegsgeschichte herausgegeben und weist nach, daß in den letzten Kriegen es mit der Verpflegung ganz außerordentlich gehapert hat. Das würde auch in Zukunft nicht anders sein, trotz aller Vervollkommnung des landwirtschaftlichen Betriebes. Der Ge⸗ neralstab stellt fest, daß die Soldaten des ersten Napoleon zu Räuber⸗ banden geworden sind, weil sie nichts zu essen hatten. Die mangel hafte Ernährung hat 1866 zu Cholera geführt, es fehlte an Pro⸗ viantkolonnen, 1870 71 war es nicht besser. Als die Truppen aus- rückten, waren die Truppen auf die Opferwilligkeit der Bevölkerung angewiesen. Die Bevölkerung kann aber nicht hergeben, was sie nicht hakt. Der Generalstab stellt fest, daß ein Streit um die Lebens- — Armeekorps vorkam. Auf dem
Die Schwierigkeiten der Ver⸗
Wenn wir
1
geworden ir haben
metallischen Beigeschmack; wir müssen gegen den Militarismus sein, weil er fich gegen den inneren Feind richtet. Können Sie verlangen, daß wir die Gewehre liefern, die möglicherweise gegen uns abgeschossen werden? Der Kriegsminister hat die Bestrebungen der Sozialdemo⸗ kratie unmoralisch genannt. Was der Kriegsminister n uns ge⸗ sagt hat, berührt uns nicht. Die Sozialdemokratie steht zu hoch. Ber Präsident ruft den Redner wegen dieser Aeußerung zur i rdnung) Wir werden gegen den Militarismus weiter kämpfen, und wir werden Sieger bleiben.
Preußischer Kriegsminister, Generalleutnant von Fal⸗ kenhayn:
Meine Herren! Nur einige wenige tatsächliche Feststellungen. Ich habe nicht die Sozialdemokratie unmoralisch genannt, sondern ich habe die Bestrebungen, das Heer, den Schutz unserer Vaterlandes, zu desorganisieren, unmoralisch genannt. (Sehr richtig! rechts. Lachen bei den Sozialdemokraten.)
Eine zweite Feststellung! Der Herr Abgeordnete hat mich ge fragt, ob ich denn die Reden des hier vielgenannten Herrn Stöcker gelesen hätte. Der Herr Abgeordnete ist vielleicht nicht darüber orientiert, daß derartige Angelegenheiten von den Zivilersatzbehörden