1914 / 110 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 11 May 1914 18:00:01 GMT) scan diff

der Urheber. Einem andern kotts zugesagt, wenn er den Die Arbeiterorganisationen Sachsens sind so stark, daß ihnen der kott nichts schaden kann. häufig Mitglieder der Parteien der Rechten sind. Auf ebung des Boykotts auch im Interesse des Mittelstandes not— wendig. Die Verhängung des Boykotts aus politischen Gründen ist außerdem unmoralisch.

. Königlich sächsische, Generalleutnant Freiherr Le uckgrt von Weißdorf: Das Milstäwerbot wird von den militärischen Be fehlshabern, die für die Disziplin der Truppe verantwortlich sind, ledig lich aus disziplinären Rücksichten verhängt. Soweit möglich, werden die wirtschaftlichen Interessen der Saalinhabe? berücksichtigt. Allein der Militärbefehlshaber vermag zu beurteilen, ob das Militäwerbot dauernd oder für einzelne Tage zu verhängen ist. Soweit er sich dabei nicht auf eigene Wahrnehmungen stützt, stützt er sich auf die Behörde, auf die Polizei. An dieser Handhabung des Militärverbots halten wir sest Interesse der Disziplin, die kein

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und lassen nicht nach, im Deer entbehren kann. In diesem Zusammenhang möchte ich die Vor würfe zurückweisen, die der Vorredner gegen die sächsische Militärver waltung erhoben hat. Im übrigen gehe ich auf die Bemerkungen des Abg. Schmidt nicht ein; sie gehören in ihrer Mehrzahl zum Ministe rium des Innern. Ich habe im vorigen Jahre, als er einen Fall vor brachte, ihn darauf hingewiesen, er möchfe sich mit feiner Beschwerde an das Ministerium wenden. Er hat, ich weiß nicht aus welchem Grunde, dies nicht getan, sondern es vorgezogen, die Sache hier zu Sprache zu bringen. Abg. Keil (Soz.): Vor eini

dos M .

der

wort erteilt, in der er, wie nicht

verbot des Kommandos zu

habe sich nur auf die Zeit von M

sei pflichtmäßig erfolgt, damit die n nicht in K

ihren Dienstpflichten gerieten. al an sich einwandsfrei ist, unterliegt keinem Zweifel. ner t es sich n um eine Politische Versammlung, sondern un dunterhaltung. Dem Verein gehören nicht sondern auch andere Mitglieder. Der Verein verfolg olitischen Zwecke. Der Versuch, Soldaten von der S fernzuhalten, bedeutet eine Beleidigung der großen en, die Sozialdemokratie ihr Vertrauen schenken. Was sind denn überhaup Keinem vernünftigen Menschen wird es einfallen, im daten irgendetwas zu unternehmen, was Disziplin gefährdet; man würde die Soldaten damit in Gefahr b n. die Militärver waltung die Disziplin festigen sie dafür sorgen, daß die Soldaten menschenwürdig be Auch sollten keine un⸗ sinnigen Befehle gegeben werder Mannschaften mißver standen werden können und deren rtliche Befolgung diese in Strafe bringt. Im vorigen Jahre sind die Militärbehörden von Württemberg bei der Beratung der Resolutionen hier besonders gerügt worden. Die Handhabung der Bestimmungen in Württemberg ist aber keineswegs so günstig, wie sie hier geschildert worden ist. Man treibt dort nach preußischem Muster eine Politik der Schikanierung.

Königlich württembergischer Generalleutnant von Graeveni tz: Der Vorredner hat behauptet, der Gesangverein, über den das Mil tärverbot verhängt worden ist, sei kein politischer Verein, das Pro gramm sei so harmlos gewesen, daß es in jedem anderen Verein hätte borgetragen werden können. Ich stelle fest, daß die Mehrzahl der Mitglieder dieses Gesangvereins Sozialdemokraten sind, und dann muß ich sagen, es ist überhaupt nicht Sache der Militärbehörden, festzu⸗ stellen, was ein sozialdemokratischer Verein ist und was nicht; das ist in erster Linie Sache der Polizeibehörden. Es ist durchaus bestim⸗ mungsgemäß dieses Verbot verhängt worden. Den vorhandenen Be— stimmungen war also die Erklärung des württembergischen Kriegs⸗ ministers durchaus entsprechend. .

Abg. Schöpflin (Soz): Wir fragen, ob die sächsi⸗ schen Militärbehörden sich über eine mildere Handhabung des Militärhoykotts einigen wollen; der Kriegsminister kann veran— lassen, daß sich die beiden kommandierenden Generale darüber ber ständigen. Es war schon eine mildere Handhabung vorhanden; neuer⸗ dings geht man wieder mit schikanösen Maßnahmen vor. Die Sgche

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gehört auch nicht vor das Ministerium des Innern, sondern den Mili tärboykott spricht der Garnisonälteste aus. Das Militärverbot ift eine schwere Schädigung der bürgerlichen, nicht der sozialdemokratischen Kreise, Gestern abend haben wir gelesen, daß der oberste aller deutschen Soldaten, der Deutsche Kaiser, sich kordial mit einem Soizaldemokraten unterhalten und ihm die Hand gedrückt hat, nämlich mit dem Führer des Zuges der Gotthardbahn. Könnten sich das die sächsischen Mili tärbehörden nicht zum Muster nehmen? Generalleutnant Leuckart von Weißdorf: Ganz sicher verhängt die Militärbehörde das Militäwerbot. Was ich dem Abg. Schmidt⸗Meißen erwiderte, bezog sich auf die Fälle, wo er sich über das Verhalten der Zivilbehörden beklagte. Abg. Schmidt⸗Meißen (Soz.): Der Generalleutnant Leuckart von Weißdorf ist nicht richtig informiert. Er hat die Gendarmen vorhin in Schutz genommen; einer seiner Gewährsmänner dürfte derselbe sein, der jetzt eine gerichtliche Bestrafung erfahren hat. Im vorigen Jahre hat der General sich mir gegenüber ganz anders ausgelassen als heute. Generalleutnant Leuckart von Weißdorf: Ich muß dieser Behauptung ganz entschieden widersprechen. Ich bin dem Abg. Schmidt Meißen in dem Falle der Schneiderschen Wirtschaft entgegengekommen und habe ihn um sein Material ersucht. Die dann eingeleitete Un tersuchung hat die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung des Verbots ergeben. In seiner Zeitung hatte der Abg. Schmidt der Wahrheit zu , sagt, die Amtshauptmannschaft habe die Gründe nicht ange ste eine Berichtigung bringen. Ich habe ihm weiter ge—

ringe doch selbst den besten Beweis für die Richtigkeit des er alle vier Wochen in seiner Zeitung auffordere, nur zu besuchen.

jor Wild von Hohenborn: Wir nehmen zu

dawon Notiz, daß der Abg. Schöpflin gesagt hat: Wir ht die völlige Beseitigung des Militärverbots. Nach n von dem Kriegsministerium ergangenen Direktiven ist durch die Generalkommandos bereits eine sehr milde Handhabung eingetreten. Das Verbot des Betretens von einzelnen Wohnungen findet nicht mehr statt; das tageweise Verbot sonst einwandsfreier Lokale an Ver— sammlungstagen wird immer weiter durchgeführt und hat gute Früchte getragen. Nach den günstigen Erfahrungen mit der jetzigen Form des . kann ich eine noch mildere Handhabung nicht in Aussicht stellen.

Abg. Schmidt⸗Meißen (Soz): Es entspricht nicht den Tat— sachen, daß meinerseits etwas widerrufen worden ist, auch nicht, daß alle vier Wochen, aufgefordert worden sei, nur in diesen Lokalen zu verkehren.

Ahg. Schöpf!lin (Soz): Ich habe nicht gesagt, wir verlangen nicht die völlige Beseitigung, sondern ich würde mich begnügen, wenn wenigstens eine Milderung erzielt würde, da die völlige Beseitigung nicht zu erreichen ist; wenn man wenigstens allgemein so weit gehen würde, wie früher in Sachsen gegangen worden it An unserer grund⸗ sätzlichen Stellung ist nichts geändert. Mit höchstem Bedauern nehme ich die Erklärung zur Kenntnis, daß eine weitere Milderung nicht ein— treten soll. Wir haben noch jetzt in Preußen Bezirke, wo das Verbot dauernd verhängt wird, sobald nur eine einzige sozialbemokratische Ver— sammlung in dem Lokal abgehalten wird. Es wird so nicht gehalten, was der General von Heeringen uns versprochen hat.

Generalleutnant Leuckart von Weißdorf: Was i esagt habe, entspricht vollständig den Tatsachen. (Abg. Schmidt⸗Meißen (Soz.): Nicht wahr!)

Das Kapitel wird bewilligt.

Zu dem Ausgabekapitel Gouverneure, Kom⸗ mandanten und Platzmajore“ liegen Anträge vor, die wiedereingestellten Posten für Kommandanten in Darm

Wirt hatte man die Aufhebung des Boy⸗ Sozialdemokraten sein Lokal , .

Geschädigt werden nur die Gaftwirte, die Deshalb ist die

stadt, Karlsruhe und Königstein zu streichen. Auf Vorschlag des Vizepräsidenten Dove wird die Diskussion über diese An— träge und über das ganze Kapitel angesichts der schlechten Besetzung des Hauses auf Montag verschoben.

Bei den Ausgaben für den Generalstab und das Landesvermessungswesen, und zwar bei den For⸗ derungen für das Bureau des Chefs der Landesaufnahme usw. bemerkt der

Abg. Zimmermann (ul): In der Königlichen Landesauf— nahme hat infolge der Anordnungen des Grafen Moltke immer ein harmonisches Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Untergebenen ge⸗ herrscht. Das erkennen hauptsächlich die Kupferstecher an, für die eine kombinierte Entlohnung vorgesehen ist durch festes Gehalt und Be zahlung von Akkordarbeiten. Nach dem alten Verfahren können diese ein jährliches Cinkommen von 6799 „n erreichen. Bas kann auf den ersten Blick sehr viel erscheinen. Man darf aber nicht vergessen, daß die Kupferstecher ja letzten Endes keine Arbeiter, sondern Künstler sind. Durch die neuen Bestimmungen wird ihnen auf einmal zuge— mutet, daß sie in Zukunft an 9090 AM jährlich weniger verdienen. Fer ner habe ich den Auftrag, im Namen des deutschen Buchhandels hier die Bitte vorzutragen, daß der Vertrieb der Generalstabskarten allein durch den Buchhandel erfolgen soll. Bezüglich der Kupferftecher habe ich mir mit einer Reihe von Abgeordneten zufammen erlaubt, folgende Resolution einzubringen: Der Reichstag wolle beschließen: den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, den Entlohnungsverhältnissen der Kupfer— stecher der Königlichen Landesaufnahme die Verfügung des Chefs des Großen Generalstabes, Feldmarschalls Grafen Moltke, von 1876 unter Aufhebung der inzwischen ergangenen anderweitigen Anordnun gen wiederum zugrunde zu legen.

Die Abstimmung über diese Resolution findet später statt.

Generalmajor von Schöler: rade bezüglich der Verhältnisse der Kupferstecher grundlegende Aen derungen eintreten zu lassen. Diese sind früher im Verhältnis von Akkordarbeitern von der Heeresberw ltung beschäftigt worden. Seit 137tz wird das kombinierte Verfahren angewandt. Es entspricht sonst nicht den Gepflogenheiten der Heeresverwaltung, so zu verfahren. Man hat, deshalb die von den Kupferstechern geleifteie Arbeit ihrem' Wert nach abgeschätzt. Von dieser Geldentschädigung wurde ein gewisser Teil als Gehalt abgerechnet, und zwar nach dem niedrigsten Gehalts atze der in Betracht kommenden Klasse. Dazu kommt dann noch der Wohnungsgeldzuschuß. Es wurde eine Arbeitszeit von acht Stunden zugrunde gelegt. Was er darüber arbeitet, wird ihm dann ersra ver gütet. Man hat dabei das Höchsteinkommen der Kartographen zugrunde gelegt. Es handelt sich übrigens nur um zwei Personen; um diese nicht zu schädigen, ist eine gewisse Uebergangszeit gewährt worden, indem man ihnen einen Zuschlag von 33 733 zugebilligt hat. Abg. Zimmermann (nl): Auch nach den Ausführungen des Regierungsbertreters muß ich bei meiner Auffassung bleiben, daß das alte kombinierte Verfahren in diesem Falle das beste ist. Es kommt doch nicht darauf an, ob es sich um eine oder 56 Personen handelt. Generalmgjor von Schöler: Ich möchte noch zu bedenken geben, daß die neue Verordnung noch gar keine Probe bestanden hat. Das mussen wir erst abwarten, ob sich überhaupt Ungerechtigkeiten gegen irgend jemand ergeben.

Abg. Zimmermann (ul): Das ganze graphische Gewerbe ist m Niedergang begriffen. Da sollte die Regierung nicht auch noch azu beitragen. Zu den Ausgaben für die Geldver pflegung der Truppen, und zwar zu der Geldverpflegung der Offiziere, bemerkt der

Abg. Held (nl): Bei der Versetzung von Offizieren nach den kleinen Grenzgarnisonen muß gerecht vorgegangen werden. Man soll te einen Offizier nicht aus einer Grenzgarnison in die andere versetzen. Man kann es , . daß die betreffenden Offiziere verbittert und lerbös werden. Auch müßte die Regierung mehr Sorge für gute gif ee, nnen, in den betreffenden kleinen Garnisonen tragen. Zu begrüßen ist es, daß etwas geschehen ist zur Hebung des Trains.

Generalmajor Wild von Hohenbvorn? Wir verkennen nicht die Nachteile der Grenzgarnisonen, aber eine regelmäßige Ver⸗ setzung wird sich nur schüer durchführen laffen. Jedes ff r . bildet einen geschlossenen Körper, und man soll diesen Charakter nicht ahne Grund zerstören. Man darf auch nicht vergessen, daß manche Offiziere in einer Garnison Rückhalt an ihren Familien haben, ohne den sie in einer anderen nicht existieren könnten. Dann ist es auch schwer, in den Grenzgarnisonen die richtigen Offiziere auszuwählen. Es geht doch nicht an, gerade immer die besten fortzunehmen. Man hat infolgedessen Generalstabsoffiziere und andere häufiger in die Grenzgarnisonen versetzt. Aus der Statistik geht hervor, daß die Zahl der Offiziere, die eine allzulange Zeit in den Grenzgarnisonen bleiben, nicht allzu groß ist. Es ist ganz ohne Zweifel, daß man durch Schaffung besserer Offizierswohnungen viel tun kann. Bie Heeres⸗ berwaltung hat deshalb gerade in den kleinen Grenzgarnisonen schon viele Offizierswohnungen geschaffen. Ich freue mich, daß anerkannt ist, was für die Hebung des Trains geschehen ist. Das wird auch weiter geschehen. Um die Wehrhaftigkeit und das Bewußtsein dafür im Train zu heben, sind eine ganze,. Reihe von Vorkehrungen getroffen worden, so hat man andere Offiziere zum Train kommandiert, und Trainoffiziere mehrere Jahre zum Militärreitinstitui geschickt. Den Namen Train hat man auf Wunsch der Truppe nicht geändert. Sie wollte ihn beibehalten, da sie ihn in den letzten Feldzügen mit Ehren getragen hat. Der Train hat auch heute noch troz Autos und Eisen bahnen seine große Bedeutung für das Heer behalten.

Bei den Besoldungen für Beamte und Untero ffi zie ne als Gehaltsempfänger tritt der Abg. Ponschab Genkr.) für eine Waffenmeister ein.

Generalmajor Wild von Hohenborn: Dafür, daß die Privattätigkeit der Waffenmeister nicht einen Umfang annimmt, der den privaten Unternehmern Konkurrenz macht, ist durch die Be— stimmungen gesorgt. Der Charakter der mittleren Beamten kann ihnen nicht gewährt werden. Wollten Sie untere Beamte in die höhere Beamtenklasse übernehmen, so widerspräche das ihrer hand—⸗ werklichen Tätigkeit. Ebenso ist eine Ueberführung der Waffenmeister in eine Zivilbeamtenstellung aus misitärischen Gründen nicht möglich. Abg. Erzberger (Jentr.): Ein einfacher Ausweg wäre, diese Beamten zu gehobenen Unterbeamten zu machen; dann könnte man ihren Gehaltsansprüchen entgegenkommen.

Generalmajor Wild von Hohenborn: Die gehobene Stel lung anzustreben, würde meinem persönlichen Empfinden entsprechen, eine bestimmte Zusage kann ich nicht machen. Eine Gehaltsaufbesse⸗ rung wird jedenfalls zweifellos bei nächster Gelegenheit in Angriff genommen werden müssen.

Bei den Offizieren usw. des Beurlaubten und inaktiven Standes bringt der

Abg. Pa uly⸗Cochem (Zentr.) zur Sprache, daß zahlreiche Re—⸗ servisten und Landwehrleute aus dem Moselgebiet gerabe zur Weinlese zu Uebungen einberufen worden seien. Das habe große Beunruhigung da re. Der Kriegsminister möge dafür sorgen, daß in Zukunft Abhilfe geschaffen wird. Eine große Beurlauhung würde nichts helfen.

Abg. Schwabach (nl) trikt für die Errichtung eines Bezirks— kommandos in Memel ein. Leider habe Memel jahrelang vergeblich um eine Vermehrung der Garnison gebeten; auch bei der letzten Heeresvorlage sei Memel leer ausgegangen. Militärische Gründe ,, aber gegen die Errichtung eines Bezirkskommandos in Memel nicht.

. Generalmgjor Wild von Hohenborn: Nach den Be— stimmungen sollen die Verhältnisse des Weinbaues berücksichtigt wer⸗ den. Die Einberufungen sollen den Betreffenden so früh wie möglich übermittelt werden, damit sie sich darauf einrichten können. Wenn ein Notfall eintritt, bleibt ja immer noch ein Telegramm übrig: „Reb⸗ laus, bitte Sohn schicken“. Die Frrichtung eines Bezirkskommandos

Es liegt die Absicht vor, ge—

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dienstliche Hebung der

in Memel soll in wohlwollende Grwägung gezogen werden.

Bei den Mannschaftsbesoldungen bemerkt der

Abg. Zu beil (Soz.); Die Klagen und Beschwerden der Zivil⸗ musiker sind bisher tauben Ohren begegnet. Der Kampf der Militar= musiker gegen die Zivilmusiker ist ein ungleicher. Für die Militär⸗ musiker ist durch den Etat gesorgt; sie brauchen keine Steuern zu zahlen. Ihr Einkommen in den großen Städten, wie z. B. Berli nähert sich zum Teil einem Ministergehalt. Ist ihr Rock auf⸗ gebraucht, so erhalten sie einen neuen. Die Zivilmusiker entbehren alle diese Vorteile, und ihre Existenzmöglichkeit ist ihnen durch die unlautere Konkurrenz der Militärmustker so gut wie genommen. Es mag eine Musik sein, wie sie will; bei Schweineschlachtfesten, Bock biertrubel, Hochzeit, Kindtaufen usw., überall saugt das Militãärmusik⸗ korps den Honig heraus. Der Verein der Berliner Musiker hat sich die, größte Mühe gegeben, einen einheitlichen Mindesttarif zwischen Militär- und Zivilmusikern zustande zu bringen. Alles war vergeb⸗ lich. Das Generalkommando hat in dem Schreiben versprochen, auf eine Beseitigung der Gegensätze hinzuwirken; dazu sei es aber nötig, daß die Ortsgruppen eine Vollmacht von dem Zentralverband deutscher Mäusiker erhalten für die Verhandlungen. Ber Zentralverband hat nicht mit Unrecht abgelehnt, eine Volkmacht zu geben, und steht auf dem Standpunkt, daß er einen Vertreter zu diesen Verhandlungen zu entsenden habe. Darauf hat das Generalkommando es rundweg ab⸗ gelehnt, mit den Zivilmusikern in irgend eine Verhandlung über den Tarif J treten. An dieser nichtigen Tatsache scheiterte die Feststellung eines Mindesttarifs mit der Militärbehörde. Wie notwendig solcher Tarif ist, beweist die Tatsache, daß die Militärkapellen die Zivil— kapellen unterbieten. Am 3. Mai follte in der „Neuen Welt“ eine Dragtoriumsaufführung stattfinden. Der Dirigent wandte sich an ein hiesiges Zivilorchester. Als für die Vorproben 4, und für die Auf führung 8 M für den Mann verlangt wurden, antwortete der Dirigent er müsse sich an eine Militärkapelle wenden. Das geschah. Auf Be schwerde des Zivilmusikervereins antwortete das Generalkommando

die Kapelle des Pionierbataillons hätte die Musik dieses Sratoriums

übernommen, weil dem Dirigenten des Oratoriums mitgeteilt sei, daß das Zivilorchester aufgelöst und eine Stellvertretung nicht zu be— schaffen sei. Wo hat das Generalkommando diese falsche Nachricht her? Die Kapelle war nicht aufgelöst, sondern Direktor Spemann war ver⸗ anlaßt worden, sich an das Pionierbataillon zu wenden, weil dieses zu niedrigeren Preisen, h und 3 (S, seine Kapelle der „Neuen Welt' zur Verfuͤgung stellte. In Jüterbog hat man es glücklich auch zu der Vernichtung der dortigen Zwilkapelle gebracht. Die Militärmusiker werden durch ihre Kapellmeister ausgebeutet; an der Spitze der Aus⸗ beuter steht der Schwiegersohn des Musikinspizienten, ein hiesiger Regimen tsmusikdirektor. Im „Hofjäger“ in der Königgrätzerstraße haben von 20 Konzerten, in denen dieser Kapellmeister in großer Uniform dirigierte, nur 4 künstlerischen Wert gehabt, die übrigen 165 waren die gewöhnlichste Bockbiertrubelmusik. Durch die Reichs versicherungsordnung wird das Los der Zivilberufsmufsiker noch mehr erschwert. Die Militärmusiker haben, trotzdem sie ein Gewerbe be treiben, keine Beiträge zu leisten; ein Grund mehr, daß die Lokal inhaber die Zivilberufsmusiker abschaffen, um sich die Beitragsleistung zu ersparen. Zu Unrecht behauptet das Oberverwaltungsgericht, daß jeder Musiker für sich sein Gewerbe betreibe: tatsächlich werden sie ja von den Kapellmeistern dazu gezwungen. Gerade bei der Kleinmusik bei. Hochzeiten, Kindtaufen und Schlachtfesten kann doch von künst lerischer Bedeutung und kulturellen Verdiensten nicht die Rede sein; gerade diese Kleinmusik muß den schwer um das tägliche Brot rin genden Zivilmusikern vorbehalten bleiben, des Königs Rock darf nicht dazu gemißbraucht werden. Hier muß der Reichstag eingreifen. Das Publikum wird gerade durch die Militärmusik zum größten Teil von den guten, wirklich kulturschaffenden Konzerten abgelenkt. Es wird Lon den Militärkapellen mit den Gassenhauern aus den neuesten Operetten regaliert. Die Kapelle des Infanterieregiments Nr. 60 in Weißenburg im Elsaß veröffentlichte das Programm eines Konzerts und gleichzeitig die Refrains, die das Publikum mitsingen durfte, so u. a.: „In der Nacht, in der Nacht, wenn die Liebe erwacht“ usw. usw. Eine andere drastische Veröffentlichung zeigt an, daß in einer Hunde ausstellung eine Fütterung der Hunde mit Hundekuchen unter den Klängen einer Militärkapelle stattfinden wird. Diese Beispiele zeigen, eine wie schmutzige Konkurrenz die Militärmusik den Ziwilmufikern bereitet, die nicht imstande sind, soviel zu verdienen, um ihre Familien bor Not und Elend zu schützen. Sehen Sie sich doch einmal die Volkskonzerte an, die die Berliner Arbeiterschaft veranstaltet, mit welcher Andacht die Massen da zuhören, welche künstlerische Wirkung ohne allen äußerlichen Aufputz und Klimbim erzeugt wird. Aber Sie werden ja in solche Konzerte nicht gehen, das wäre ja für Sie anrüchig. Durch eine Gerichtsverhandlung ist ferner erwiesen worden, daß mit den Militärkapellmeisterstellen direkt ein Schacher getrieben wird, daß 1600 bis 2000 „6 der Satz ist, den die Nachfolger bezahlen müssen— Das Gericht hat den Betreffenden freigesprochen mit der Begründung, es sei zwar ein nicht zu billigendes Geschäft, aber kein dienstliches Vergehen. Die Zivilberufsmusiker haben geglaubt, auch die Kino musik in den Tarif einbeziehen zu müssen, die so gut wie ganz ihnen heute durch die Militärmusiker aus den Händen genommen ist. Alle Tarife, die ohne Zuziehung der Zivilberufsmusiker gemacht werden, müssen zum Nachteil für die letzteren ausschlagen; während diese für Kinomusik 9 66 für 7 Stunden in erstklassigen Kinos verlangen müssen, geht die Militärbehörde auf 7 beziehungsweise 565 zurück. Anstatt die Militärmusikerzahl einzuschränken, hat man sogar Re servemusiker und Freiwillige eingestellt. Die Zivilmusiker sind es auch wert, daß wir hier für sie eintreten, damit ihnen nicht ihre Existenz bis aufs äußerste unterbunden wird.

Generalmajor Wild von Hohenborn: Das offenbar warme Herz des Vorredners für die Zivilmusiker hat auch die Meik tärverwaltung. Sie verübelt es ihnen nicht, wenn sie für ihre Interessen eintreten. Aber schließlich müssen auch wir uns unserer Haut wehren. Auf Anregung dieses Hauses sind schon so viele Be stimmungen über Einschränkung und Verminderung der Etatsstärke gemacht, daß weiter nicht mehr gegangen werden kann. Nachdem im Jahre 1906 27 Bataillonsmusiken aufgehoben wurden, konnte man im Jahre 1911 die Angelegenheit als abgeschlossen ansehen. Gegenüber diesen Einschränkungen ist die Zahl der infolge der Heeresvorlage notwendigen neuen Musiker nur ganz minimal. Nicht nur die Bevölkerungsziffer ist gestiegen, sondern auch das An bedürfnis hat sich in geradezu erschreckender Weise gehoben. Man kann in Berlin keine Tasse Kaffee trinken, ohne daß es nicht überall pfeift und geigt, Ich will es nicht übel nehmen, das ift Geschmacks ache. Aber dabei gilt auch der Ausspruch von Busch: Musik wird störend oft empfunden, weil sie meistens mit Geräusch verbunden. Wenn die Zivilmusiker eben nicht genügend Beschäftigung haben, dann zeugt es von einer Ueberfüllung des Berufes. Jeder junge Mensch, der dielleicht nichts anderes werden kann, lernt Musiker. Er lernt ein bißchen Pfeifen und Fiedeln und eins, zwei, drei ist der Musiker fertig. Später kommt dann das Elend des Lebens. Gehälter wie Minister haben unsere Musikmeister nicht. In den großen Städten berdienen sie vielleicht einige Tausend Mark. Außerdem sind es doch Angehörige des Mittelstandes. Wenn nun einmal ein Soldat, der aus dem Unteroffizierstande heworgegangen ist, etwas Gesd verdient so sollte man sich doch freuen. Bafür tritt doch sonst auch immer die, Sozialdemokratie ein. Die Militärverwaltung hat sich viele Mühe gegeben, eine Einigung zustande zu bringen. Im Jahre 1911 wurde ein sich eng an den Zwilmusikertarif anschließender für die Militärmusiker festgestellt. Die Zivilmusiker erhöhten dann den ihrigen und verlangten dasselbe vom Generalkommaänbo von Berlin. Dieses wollte zuerst nicht sich so auf Kommando etwas befehlen lassen, berhandelte aber dann und verlangte nur, daß die betreffenden Unter händler sich als Vertreter der Zivilmusiker Berlins ausweisen sollten, was diese nicht konnten. Es gibt eben in Berlin eine ganze Reihe bon Musikerverbänden. Um Frieden zu schaffen, wollte man alte diese Vereine zusammenbringen und lud auch die Saalbesitzer dazu. Eine Einigung gelang nicht, weil ein Teil der Berliner Zivil⸗ musiker sich mit den anderen zu gemeinsamen Forderungen nicht verständigen kann und will. (Zuruf des Abg. Zubeil: Das ist nicht richtig) Die Militärmusiker in Berlin sind übrigens nur der kleinste Teil der Konkurrenz für die Zivilmusiker. Man hraucht

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nr.

400 Zuschriften

dich auch an Orten außerhalb der Garnison spielen können.

. ind

verkauft;

in die Lokale zu gehen, da findet man Leute wie Slowaken, schwedische Damenkapellen usw. Das ist eine fremde

Ueber die Einzelfälle bin ich zurzeit nicht orientiert.

Fälle prüfen und, wenn etwas nicht in a Man wirft dem Musikmeister vom Alexanderregiment vor, daß er seine Leute zu sehr ausnutzt. Aber diese verdienen doch auch. Während meiner Zugehörigkeit zum Regi⸗

nur gigeuner, 9

jnbasion. . Srdnung ist, Remedur schaffen.

ment habe ich mich immer gefreut, wie frisch gerade diese Leute

im Dienste aufgetreten sind. Es ist die Frage aufgeworfen worden, 6b Musik ein, Kulturfaktor ist. Aber nur Oratorien zu spielen, das kann doch kein Mensch verlangen. Ich muß darauf aufmerksam

machen, daß das eine von dem Abg. Jubeil vorgetragene Gedicht

pon einer Fastnachtsfeier stammte. Da gehen die Wogen doch manch⸗ mal ein bißchen drüber und runter. Ich gebe zu, daß der Kultur.

faktor dabei etwas unter den Tisch gefallen ist. Die preußische Mili⸗

ärmusik ist und bleibt ein Kulturfaktor. Der Abg. Erzberger hat ja

rüher einmal sich darüber ausgesprochen, wie alles sich über die NMilitärmusik freut. In großen Orten mag es ja manchmal nicht so einwandöfreie Programme geben. In kleinen Srten ist die Mili—⸗ lärmusik auf jeden Fall ein großer Kulturfaktor. Wir haben um Garnisonen bekommen. Dort wird gerade die Militärmusik gerühmt. Sie wollen ein Bataillon und Mili⸗ färmusik. Da haben wir Stimmen des Landes und sehen, daß die Wertung der Militärmusik sehr hoch ist, Man bittet uns sogar, daß wir die Bestimmungen für die Militärmusiker erleichtern, damit Das Verlangen, kleine Musiken unter 5 Mann nicht mehr zu geben, können wir nicht erfüllen. Wir haben zuviel Garnisonen, wo die Kapellen ohne diese kleine Musiken nicht existieren können. Wir

mhaben Lücken in unseren Regimentskapellen. Üͤns fehlen sogar Musik⸗

dirigenten, da es Schwierigkeiten macht, solche Stellen zu besetzen. Die Sache mit dem Verkauf der Stellung ist allerdings ernst. Wir durch einen Fall aufmerksam geworden, daß hier etwas nicht Ein Kapellmeister hat seine Stellung an einen anderen ob es noch mehr stattfindet, wissen wir nicht. Es ist zum ersten Male zu unserer Kenntnis gekommen. Aber es kommt nicht wieder vor und es darf nicht sein. Das erste Gericht kam zu der Auffassung, daß, weil Noten mit übergeben wurden, ein Vergehen nicht begangen ist. Die höhere Instanz hat das Verfahren wieder aufgenommen und der, Mann ist verurteilt worden. Man macht dem Regiment die Vorwürfe. Da kommt ein alter Musikmeister zum Regimentskommandeur und sagt, daß er nicht mehr kann. Der Kommandeur kann vielleicht den Feuerzauber nicht von einem Straußschen Walzer unterscheiden. Er wendet sich an seinen Adjutanten, der wielleicht das: Heil Dir im Siegerkranz und den Regimentsmarsch mit Not pfeifen kann. Da ist es dann doch nicht ungewöhnlich, daß die Sache mit dem Musikmeister besprochen wird, der dann Vorschläge macht. Früher konnten die Militärmusiker die ganze Nacht durchspielen.

stimmt.

Dann wurde ausge— sprochen, daß es sehr angemessen sei, wenn nicht üher 1 Uhr nachts gespielt würde. Nach diesem Entgegenkommen verlangen die Zivil musiker, daß nur bis 12 Uhr gespielt werden darf. Geht das so weiter, dann geht es schließlich das ganze Zifferblatt herum, und wir sind bald bis 12 Uhr Mittags angekommen. Das über die Reserve musiker Mitgeteilte trifft nicht zu, die hatten wir immer. Es wareen erst 9 975 der halben und 9 5 der ganzen Musikstärke. Sie werden als Soldaten mit der Waffe eingestellt. Der Ausdruck Reserve musiker zeigt ja ihre Tätigkeit. Sie treten in die Kapelle ein, sowie eine Lücke entsteht. Die Gtatsstärke wird dadurch nicht überschritten. Ohne den Gewerbebetrieb können wir die Musik nicht auf der Höhe halten. Auch die Soldaten haben sie nötig. Es sind für sie die lustigsten und nettesten Stunden, wenn die Musik spielt. Der Abg. Noske hat auch einmal ausgesprochen, man wolle Marschmusik den Soldaten nicht nehmen. Also lassen wir es dabei, daß der Soldat auf dem Marsche und im Biwak seine Militärmusik behält. Sie ist auch das Bindeglied zwischen Volk und Militär. Auf dem Marsche kann man es sehen, wie sie auf den Soldaten einwirkt. Sie begleitet den Soldat in das Gefecht. Wenn sie im Gefecht selbs nicht mehr blasen kann, dann werden die Musiker als Hilfskranken⸗ träger eingestellt, und spielen dann am Schlusse nach sieg⸗ reicher Schlacht hoffentlich immer: Heil Dir im Siegerkranz und Nun danket alle Gott.

Abg. Pon s(chab Gentr.); Wenn die Militärmusiker den Zivil musikern keine Konkurrenz machen sollen, dann müssen sie auch hin reichend bezahlt werden. Man hat sie gegenüber den andern Soldaten schon ohnehin benachteiligt durch Entziehung der Militärfahrkarten usw. Die Gastwirte beklagen sich, daß der Tarif der Militärkapelle zu hoch ist. Konzertreisen werden von den Militärkapellen meist un⸗ ternommen, wenn auf dem Standorte nichts mehr zu verdienen ist. Nicht zu vergessen ist auch die Konkurrenz der ausländischen Musiker. Auf den Promenaden genießt das Publikum eine Musik, die gar nichts kostet. Außerdem werden die Militärkapellen zu. Dienstkonzerten her—

angezogen, die ihnen so gut wie garnichts einbringen. Die Offizier

korps müssen ganz erhebliche Zuschüsse leisten. Die gewerbliche private Tätigkeit der Militärmusiker darf jedenfalls nicht beschränkt werden. Bei den großen Infanteriekapellen müßte die etatsmäßige Stärke erhöht und eine soziale Besserstellung, der Militärmusiker in Erwä⸗ gung gezogen werden. Eine Rangerhöhung würde auf die Qualität der Militärmusiker günstig einwirken.

Abg. Gunßer (ortschr. Volksp.): Den Forderungen der Zivil musiker stehen wir, soweit sie berechtigt sind, sympathisch gegenüber. Es ist menschlich verständlich, daß man für den Niedergang der Zivil musik einen Sündenbock sucht. Diesen findet man in den Militär kapellen. Gerechterweise muß man zugeben, daß die Zivilkapellen den gesteigerten Anforderungen an die Musik nicht immer genügen. Die Militärmusik ift sehr häufig überlegen, und darum werden die Militär⸗ musiker zur Verstärkung von Zivilmusikorchestern herangezogen. Ein generelles Verbot der privaten Tätigkeit der Militärmusiker herbei⸗ zuführen, geht doch entschieden zu weit. Die Verhältnisse Berlins dürfen mit denen des platten Landes nicht verglichen werden. Ein generelles Verbot würde geradezu zu einer Verödung des Musiklebens in den kleinen Orten, auf dem platten Lande führen. Die Militär— kapellen leisten Kulturarbeit. Ein generelles Verbot würde den Zivilkapellen eine Monopolstellung geben. Der Gastwirtsverband meint dann auch, daß eine Ausschaltung der Militärkapellen die Zivil kapellen zu ganz exorbitanten Forderungen veranlassen würde. Darin liegt ein gewisser berechtigter Kern. Den berechtigten Forderungen der Zivilmusiker ist seitens der Verwaltung entsprochen worden. Un angebracht ist es andererseits, wenn der Allgemeine Deutsche Muftker verband behauptet, daß die Militärmusiker eine Schmutz konkurrenz machen. Die Hauptkonkurrenz machen vielmehr die ausländischen Musiker, Damenkapellen usw. Unter den Zivilmusikern herrscht ein. gewisser Futterneid. Das Publikum zieht in der Regel die Militärmusik vor, weil ihre Leistungen besser sind als die der Zivil kapellen. Selbst die Sozialdemokraten find von einer Vorliebe für Militärkapellen nicht frei. Wenn der Abg. Zubeil auf den „Hofjäger“ in Benin hingewiesen hat, . muß ich sagen, daß ich sehr häufig dort in Gesellschaft meiner Kollegen von der Linken und der äußersten Linken gewesen bin, und daß der Abg. Zubeil seinen Groll gegen dieses Lokal dort gesammelt hat. Der Abg. Zubeil hat keine Beweise gegen den Kapellmeister im „Hofjäger“, daß er an der Spitze der Ausbeuter stehe, erbracht. Ich glaube, der Abg. Zubeil hat selbst seine Freude an den zitierten Versen gehabt, das verriet sein Schmunzeln. Er wollte wohl nur seinen Schmerz darüber zum Ausdruck bringen, daß er in seinen alten Tagen nicht mehr dabei sein kann. Die Erhaltung und Förderung unferer Militärmusik ist ein Gebot der Notwendigkeit. Ich habe das Vertrauen, daß das Kriegsministerium den berechtigten Forderungen der, Zivil musiker tunlichst Rechnung tragen wird, damit zwischen Militär- und Zwil musikern ein friedliches Verhältnis möglichst bald zustande kommt.

Abg. Zubeil (Soz.): Die Konkurrenz der Ausländer ist mit der Konkurrenz der Militärmusiker in keiner Weise zu vergleichen. Die Reservemusiker verstärken doch die Kapellen bei öffentlichen Konzerten. Die, Zahl des Regierungsvertreters kann also nicht stim men. Die Militärkapellen an sich wollen wir nicht abschaffen; wir

wenden uns nur gegen ihren Gewerbebetrieb im Umherziehen, wodurch den Zivilberufsmusikern ihr Erwerb erschwert wird. Dies t bei⸗ pielcweise auch in r. der Fall gewesen. Die Kleinmusik des ber n, ist unter keinen Umständen notwendig. Nehmen Sie den Militärmusikern bei der kleinen Musik die Militäruniform, so ist ihr Nimbus für das Publikum dahin. Die Städte petitionieren des wegen um Garnisonen mit Militärkapellen, weil diese billiger spielen, als die Zivilkapellen, die für ihre Familien zu sorgen haben.

Generalmajor Wild von Hohenborn: Bis 1911 wurde die Kurmusik in Kolberg von einer Militärkapelle ausgeführt. Es wurde dann zwei Jahre mit der, Zivilmusik versucht. Diese steigerte aber ihre Forderungen so, daß die Stadt Kolberg sich veranlaßt sah, den Regimentskommandeur um die Militärkapelle zu bitten. In bezug auf die fremden Musiker verweise ich auf einen Artikel der „Deutschen Musikerzeitung“, der Vertretung der Zivilmusiker, worin gesagt wird, daß wir eine wahre Hochflut fremder Musiker haben. Die 9 25, Re—⸗ serbemusiker, die ich erwähnte, bezogen sich auf die Beteiligung an Konzerten. Ueber die Reisen der Militärkapellen sind einschränkende Bestimmungen vorhanden. Ohne Genehmigung des Generalkomman dos dürfen die Militärkapellen überhaupt keine Konzertreise unter— nehmen. Im äußersten Westen finden solche Reisen sehr selten statt, weil die Kapellen in kleinen Orten, in Mörchingen usw., nicht viel verdienen. Was die Beiträge der Offiziere zu den Kosten der Militär— kapellen angeht, so sind diese wirklich reichlich genug. Wenn ein Leutnant monatlich 2 M und ein Regimentskommandeur 10.50 „, also 126 M im Jahre, beiträgt, so ist das, glaube ich, genug.

Bei den „anderen persönlichen Ausgaben“ erneuert der

Abg. Belzer Gentr) seine schon im vorigen Jahre vor getragene Bitte, doch eine Garnison nach Hechingen zu verlegen, die dann auch das Wachkommando auf der Burg Hohenzollern stellen könnte. Dieses Kommando sei jetzt außerordentlich verkleinert wor den, und nicht ein Mann des aktiven preußischen Heeres sei dort noch untergebracht. Es sei seinerzeit die Erhaltung der Garnison auf der Burg zugesagt worden; jetzt seien nur noch 20 Mann dort. Aus militärischen Gründen sei eine Garnison in Hechingen durchaus ge rechtfertigt; andererseits müsse das große Preußen seinem kleinen Stammland gegenüber das Wort walten lassen: Loblesse oblige!

Generalmajor Wild von Hohenborn: Die Kompagnie des Regiments Nr. 114, die bisher dort untergebracht war, ist durch die Etatsverstärkung des vorigen Jahres zu groß geworden; sie konnte dort nicht bleiben, und statt dessen ist nur ein Wachkommando dort verblieben. Der Kaiser hat das genehmigt, und er, als der Aelteste des Geschlechts, hat doch wohl am ersten zu beurteilen, ob damit seinen Vorfahren genügend Ehre widerfahren ist. Die Sache hat damit ihre Erledigung gefunden. Hechingen ist in die Liste der sich um eine Garnison bewerbenden Städte aufgenommen, und die Be werbung wird wohlwollend geprüft werden.

Abg. Pon schab Gentr.) bemängelt die Gleichmäßigkeit der Zu schüsse der Kammerunteroffiziere bei den Truppenstärken mit Durch schnitts und mit hohem Etat.

Der Rest der dauernden Ausgaben für die Geldverpflegung der Truppen wird bewilligt.

Darauf wird um 6 Uhr die Fortsetzung der Beratung des Militäretats auf Montag 11 Uhr vertagt.

Preusbischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

76. Sitzung vom 9. Mai 1914, Vormittags 11 Uhr.

(Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Das Haus setzt die zweite Beratung des Etats des Ministeriums der geistlichen und Unterrichts— angelegenheiten, und zwar zunächst die allgemeine Be sprechung des gesamten Volksschulwesens in Verbindung mit der Erörterung der Anträge Ernst (fortschr. Volksp.) und Künzer (nl) auf Neuregelung der Schulunterhaltungs pflicht in den Provinzen Westpreußen und Posen und des Antrags Viereck (freikons auf Befreiung der Beamten, Geistlichen usw. von den Schulsozietätsbeiträgen in der Provinz Posen fort. . . ;

Auf die Ausführungen des Abg. von Ditfurth (kons.), über die bereits im Hauptblatt der vorgestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden ist, erwidert der

Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten D. Dr. von Trott zu Solz:

Meine Herren! Sie haben aus der Generaldebatte über Volksschulwesen eine Reihe von wichtigen aktuellen Fragen geschlossen und der besonderen Behandlung überwiesen. Damit dürfte es einigermaßen zusammenhängen, daß nun in der Generaldebatte eine große Reihe von Einzelheiten vorgebracht worden ist. Ich werde mich bemühen, wenigstens auf einige von diesen einzugehen, wenn ich auch nicht alle zu berühren vermag; ist es doch vielleicht auch begreiflich, daß die Aufnahmefähigkeit am 12. Tage der Kultusdebatte nicht mehr ganz dieselbe ist wie am ersten Tage. (Sehr richtigh

Eine Ausnahme von dieser Art der Behandlung der Dinge in der Generaldebatte hat ja mein Herr Vorredner gemacht, indem er viel leicht sogar etwas über den Rahmen des Volksschulwesens hinaus mit warmen, sympathischen Worten hier für die deutsche Sprache eintrat. Ich bin durchaus bereit und auch bemüht, nach dieser Rich tung hin tätig zu sein, und ich glaube, wenn mein Herr Vorredner immer noch an Verfügungen, die von behördlichen Stellen ausgehen, vom Standpunkte des Deutschen Sprachvereins Kritik üben mußte, daß er doch auch im allgemeinen eine wesentliche Besserung in dieser Beziehung bereitwilligst anerkennen wird. (Sehr richtig Die Be⸗ hörden sind in der Tat bemüht, den alten Kurialstil immer mehr auf— zugeben und eine einem jeden verständliche und einfache Sprache in ihren Erlassen zu benutzen. Nach dieser Richtung hin wird weiter zu streben sein, und ich bin auch bereit, in meinem Etat Versuche zu machen (Heiterkeit), dort in noch größerer Zahl vorhandene Fremd wörter zu beseitigen; ganz wird es ja nicht möglich sein. (Sehr richtigh Die absolute Sprachreinigung des Deutschen von Fremdwörtern halte ich auch nicht für richtig (Sehr richtigh; es gibt in der Tat gewisse Ausdrücke, die prägnanter und besser durch ein Fremdwort bezeichnet werden können (Sehr richtigh, und es ist m. EG. auch gar nichts da— gegen einzuwenden, für solche Bezeichnungen Fremdwörter zu brauchen. Das gilt auch von den Titeln. Wir haben uns schon oft, wenn es sich um die Schaffung eines neuen Titels handelte das kommt ja öfter vor, wie Sie wissen den Kopf zerbrochen, einen geeigneten deutschen Ausdruck zu finden, und haben dann doch wieder auf den fremdländischen zurückgreifen müssen. Aber die allgemeine Tendenz, die aus den Ausführungen meines Herrn Vorredners hervorgegangen ist, teile ich völlig, und ich bin, wie gesagt, auch bereit, in diesem Sinne tätig zu sein.

Meine Herren, um nun zu den Einzelheiten zu kommen, so haben verschiedene Herren über die von mir beabsichtigte Aenderung in unserem Seminarbetrieb gesprochen. Ich habe mich darüber

das aus

bereits im Vorjahr in der Kommission und, wenn ich nicht irre, auch

in diesem hohen Hause geäußert und dabei namentlich herborgehoben, daß nicht daran gedacht würde, die Bestimmungen vom Jahre 1901 zu beseitigen. Ich habe vielmehr anerkannt, daß diese Bestimmungen sich bewährt hätten, und daß an ihnen auch festzuhalten wäre. Es handelt sich also nicht um eine Beseitigung dieser Bestimmungen, sondern um eine gewisse Aenderung im inneren Lehrbetriebe, um ge⸗ rade das Ziel zu erreichen, was der Herr Redner der konservativen Partei als das zu erstrebende hingestellt hat: die Unterweisung an den Seminaren nicht in die Breite, sondern in die Tiefe zu führen; nicht multa, sondern multum wollen wir dort lehren. (Sehr richtig h Gerade nach dieser Richtung gehen die Absichten der Unterrichts⸗ verwaltung, und nach dieser Richtung hin wird auch die Aenderung des jetzigen Lehrbetriebs ins Auge gefaßt. Da ich von den Seminaren spreche, darf ich vielleicht gleich auf den Fall kommen, der hier von meinem Herrn Vorredner berührt ist und der sich in Ostpreußen bei einer Seminarprüfung zugetragen hat. Ich glaube, daß der Herr Vorredner den Hergang, wenn ich auch be⸗ greife, daß er durch ihn verletzt ist, doch etwas zu tragisch genommen hat. Es ist da eine Ungeschicklichkeit vorgekommen, das muß ich zu⸗ geben. Es war nicht glücklich, unsere Nationalhymne zu benutzen, um eine kritische Erörterung der Form einer Dichtung vorzunehmen. zeiter ist aber auch nichts geschehen. Dem Provinzialschulrat hat es völlig ferngelegen, irgendwie an dem Inhalt und der Bedeutung der Nationalhymne eine Kritik üben zu lassen. Es handelte sich bei ihm nur um die poetische Form. Aber ich gebe zu, daß es sehr viel besser gewesen wäre, wenn er sich zu diesem Behufe ein anderes Gedicht aus gesucht hätte. Ich muß aber doch hinzufügen, daß über die Königs treue und die Vaterlandsliebe dieses Beamten nicht der geringste Zweifel herrschen kann. Er ist ein ausgezeichneter Beamter, der auch

M

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bisher jederzeit, soweit ich das zu übersehen vermag, überall den er

wünschten Takt bewiesen hat. eben einmal eine gewisse Entgleisung untergelaufen, die man ihm wohl mit Rücksicht auf sein sonstiges nach jeder Richtung hin einwandsfreies Verhalten wird ver

zeihen können.

Es ist ihm da

Bedauert habe ich, daß Herr Abg. Ernst keinen Anstand genom⸗ men hat, hier den Prozeß Waschow in Weise zur Sprache zu bringen. Ich habe das eigentlich nach dem Urteil, das ich mir über die Persönlichkeit des Herrn Abg. Ernst gebildet habe, nicht erwartet. Es ist ja bekannt, daß gegen ihn selbst ein Beleidi⸗ gungsprozeß schwebt, den die Königliche Regierung in Bromberg wegen beleidigender Aeußerungen, die Herr Abg. Ernst aus Anlaß jenes Prozesses gegen die Regierung getan hat, anzustrengen sich ge zwungen sah. Dieser Prozeß schwebt noch; er konnte bisher nicht zu Ende geführt werden, weil Sie, meine Herren, die Zustimmung dazu nicht gegeben haben. Ich muß mir deshalb jede Stellungnahme zu dieser Angelegenheit vorbehalten, bis dieser weitere Prozeß zu Ende geführt ist; denn es würde ja geradezu ein Eingreifen in ein schweben des Verfahren sein, wenn ich in diesem Augenblick in der Ange⸗ legenheit nach der einen oder anderen Richtung hin Stellung nehmen wollte. Ich hätte gewünscht, daß Herr Abg. Ernst auch demgemäß verfahren wäre.

Was nun die Volksschulen selbst anlangt, so sind auch da ver⸗ schiedene Einzelheiten berührt worden. Insonderheit ist darüber ge⸗ klagt worden, daß die Abgrenzung der Schulverbände nicht überall eine glückliche sei, daß vielfach weite Schulwege vor— handen wären, und daß da doch Abhilfe geschaffen werden müsse. Wo das möglich ist, muß das gewiß geschehen, und ich bitte nur, an die zuständigen Instanzen die einzelnen Fälle zu bringen. Aber ganz lassen sich natürlich diese Uebelstände nicht beseitigen, wenn Sie sich bergegenwärtigen, wie zerstreut in vielen Gegenden die Wohnungen auf dem Lande sind; da sind eben auch weite Schulwege unvermeidlich.

Dann ist von einem Herrn des Zentrums darüber Klage geführt worden, daß unnötigerweise die Schulen, die bisher geteilt in ver schiedene Klassen von Mädchen und von Knaben besucht worden seien, zusammengelegt würden, und daß dadurch die ihm unerwünschte ge— meinschaftliche Unterweisung und Erziehung der beiden Geschlechter herbeigeführt werde. Ich habe mich über diese Frage ja auch hier im Hause schon wiederholt geäußert und meine Stellung dahin genom— men, daß ich im allgemeinen durchaus kein Förderer der gemein⸗ schaftlichen Erziehung der beiden Geschlechter bin. Aber ich glaube, daß man dabei auch nicht zu weit gehen soll. Nament⸗ lich in den unteren Klassen kann doch in der Tat ein Bedenken da gegen nicht mit Recht geltend gemacht werden. (Abg. Otto⸗Char⸗ lottenburg: Sehr richtig) Wenn es durch die gemeinschaftliche Unter—⸗ weisung in den unteren Klassen möglich gemacht wird, das Schulsystem zu verbessern, aufsteigende Klassen zu schaffen, so ist dagegen, glaube ich, nichts einzuwenden (Sehr richtigh, wenn man da, wo andere Be⸗ denken nicht entgegenstehen, bei der geteilten Unterweisung der Kinder bleibt und diese Teilung namentlich in den höheren Klassen der Volks- schule vornimmt.

Gewiß ist es nicht im Sinne der Unterrichtsverwaltung, wenn die Rektoren allein den Verkehr mit den Eltern pflegen. Es ist durchaus mein Wunsch, daß auch die einzelnen Lehrer in nahen Beziehungen zum Elternhause stehen (Hört, hört! und Bravo! links.), wie ja überhaupt die Schule in enger Beziehung zum Eltern- hause sich halten soll, weil das gewiß zum Segen der Schule dienen wird.

Dabei möchte ich auf einen Vorgang eingehen, der in der Bud⸗ getkommission berührt worden ist. Ich konnte damals noch keine Auskunft geben und hatte mir vorbehalten, das hier im Hause zu tun. Ein Herr des Zentrums hatte Klage darüber geführt, daß im Regie= rungsbezirk Oppeln von der dortigen Regierung eine Verfügung er— lassen sei, die den Anschein erwecke, als wenn die Schulbehörden den Gottesdienst an festlichen Tagen gewissermaßen über⸗ wachen sollten. Meine Herren, der Fall liegt folgendermaßen: Die Regierung in Oppeln hat an die Kreisschulinspektoren eine Verfügung gerichtet, die ich, um die Sache am einfachsten klarzulegen, mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten in ihrem maßgebenden Teil ver⸗ lesen möchte:

Infolge mehrfacher bei uns eingelaufener Klagen nehmen wir Veranlassung, die Herren Kreisschulinspektoren zu ersuchen, die Lehrpersonen auf die genaue Befolgung der Vorschriften, die für die Beaufsichtigung der Schulkinder in den für sie eingerichteten Gottesdiensten ergangen sind, hinzuweisen. Es kommen hierbei die für die Schuljugend angesetzten Gottesdienste an den Sonn⸗ und Feiertagen, sowie die Gemeindegottesdienste an Sonn⸗ und

breiter

Feiertagen, sofern hier den Schulkindern besondere Plätze einge⸗