ö Mjessat dem Kaiser war auch Seine Königliche Hoheit der Prinz August Wilhelm von Preußen erschienen.
Der Minister der öffentlichen Arbelten von Breitenbach hielt an Seine Majestät den Kasser folgende Ansprache:
Eure Kalserliche und Königliche Majestät!
Die glanzvolle Entwicklung, das Blühen und Gedeihen unseres gesamten Wirtschaftslebens, sich gründend auf die Machtstellung des Deutschen Reichs, wird kaum von einem Zweige der Staatsverwal⸗ tung unmittelbarer und augenfälliger empfunden, als von dem Ressort der öffentlichen Arbeiten, dem die großen Verkehrsstraßen des Landes anvertraut sind — Wasserstraßen und Eisenbahnen, die erstberufenen Vermittler der Bezüge und Erjeugnisse der arbeitenden, arbeitsamen, gewerbetätigen Bevölkerung. Zu? allen Zeiten ist in , . der Schaff ing und Ausgestaltung der Verkehrswege, ihrer
npassung an die jeweillgen Bedürfniffe des Landes die ganze Sorge. des Staates zugewendet worden. Jahrhunderte * vor der Inbetriebnahme von Gisenbahnen haben die Herrscher des Hohenzollernhauses — trotz schwieriger polltischer Verhält- nisse und knapper Finanzen — diese Fürsorge durch die Anlage von Wasserstraßen mit zäher Tatkraft weiischauend betätigt. Auch dtese neue Wasserstraße, deren Weihe durch Eure Majestät uns zu ehrfurchts⸗ vollem Dank verpflichtet, bedeutet nur einen weiteren Schritt auf diesem Wege, Schon vor dem Dreißlajährigen Kriege im Jahre 1606 ist unter dem Erlauchten Vorfahren Eurer Majestät, dem Kurfürsten Joachim Friedrich, mit dem Ausbau einer die Spree und Havel mit der Oder verbindenden Wasserstraße, dem heutigen Finowkanal, be⸗ onnen in der Erkenntnig der Bedeutung einer folchen für den Verkehr der Landeshauptstadt mit dem gesamten Odergebiet. Die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges mit ihren unheilvollen Folgen der Verödung staatlichen und wirtschaftlichen Lebenz und der völligen Erschöpfung der Finanzkraft des Landes haben den inowkanal — diese erste kuͤnstliche Wasserstraße Preußens — ald nach lhrer im Jahre 1620 erfolgten Inbetriebnahme verfallen lassen, so sehr, daß die Erinnerung an shr Vorhandensein dem Gedächtnis der Lebenden völlig entschwunden war. Erst dem großen Könige Preußens Friedrich II. war es vorbehalten, auch dieses Kultur⸗ werk wieder zu beleben und dem Betriebe zu übergeben, um dann später das zweite große Friedengswerk in hlesiger Landschaft, die Urbarmachung des Oderbruches, anzuschließen. Fast 170 Jahre sind seit dieser zweiten Inbetriebnabme des Finowkanals vergangen, und so bescheiden, an unseren Auffassungen gemessen, die Anlage des vielschleusigen Kanals sich darstellt, so Er⸗ sprießliches hat sie für die jew'iligen Verkehrsbedürfntsse in der Ver⸗ gangenheit geleiftet. Aber die Erkenntnis ihrer Unzulänglichkeit für den gewaltig gestlegenen neuzeitlichen Verkehr der Reichshauptstadt wie ihres weiten Hinterlandes, der Wunsch, den blühenden, in sich er— starkten Ostseehafen Stettin in gesteigertem Maße zum Vermittler dieses Verkehrs zu machen und gleichzeitig die Intereffen der Landes— kultur in den Propinzen Brandenburg und Pommern zu fördern, führten zur Erbauung dieses neuen Schiffahrtsweges in wesentlich poll⸗ sommenerer Ausgestaltung, mit weit geringerer Schleusenzahl und in Abmessungen, die den Bedürfnissen des Verkehrs auf lange Zeit Rechnung ragen werden, gleichzeitig aber zum Ausbau der Oder bis Stettin, Um das Werk zu vollenden, haben erste Kräfte der Technik und Verwaltung ihr Bestes geleistet, ihr ganzes Können und Wissen eingesetzt, so manche Stunde der Sorge im Kampfe mit den natürlichen Widerständen und Gewalken bis zum Gelingen Perbracht. Tausende von fleißigen Händen haben sich Jahr aus Jahr ein geregt. Ihnen allen) gebührt Anerkennung und Dank für ihre nützliche, dem Staate geweihte Arbeit. Unter Eurer Majestät lebhaftester Anteilnahme und starker Förderung ist das große Verkehrzwerk im Einvernehmen mit den gesetzgebenden Körperschaften und nach Uebernahme der geforderten Garantien von seiten der Städte Berlin und Stettin fowie unter Beteiligung anderer Interessenten, insbesondere der Provinz Pommern und der Stadt. Charlottenburg, vorbereitet und vollendet. Seine Weihe vollzieht sich heute angesichts der vierstufigen Schleusentreppe, des hervorragendsten Bauwerks der neuen Wasserstraße, die das Herz der Mark mit den Fluten der Ostsee kraft⸗ voller als bisher verbinden wird; sie erfolgt angesichts des alten, dem Verkehre verbleibenden Wasserwegeg, des Finowkanals und angesichts der frohblühenden Fluren des einstigen Oberbruches. Große Kultur⸗ werke aus Vergangenheit und Gegenwart umgeben uns und sind uns Zeugen der Kraft und der Biüte preußischer Lande unter. der Hohenzollern Schirm und Schild. Und wenn ich mit Eurer Majestät Ermächtigung dieser Schiffahrts— straße zwischen der Haupt- und Restdenzftadt des Reiches und Landes und dem Oderstrome den Namen „Hohenzollernkanal“ beilege und diesen Namen hiermit verewige, so geschieht dieses in Dankbarfeit und zur bleibenden Erinnerung an die friedlichen Großtaten unseres an- gestammten, geliebten Fürstenhaufes, denen sich dleses jüngste Werk des Veikehrs zum Segen unseres Preußenlandetz ruhmpoll anschließt Durchdrungen und erfüllt von solchen Empfindungen, bitte ich, sich zu vereinen in den Ruf der Treue und Ergebenheit: Seine Majestät unser Allergnädigster Kaiser, König und Herr Hoch! Hoch! Hoch!
Hierauf gab der Minister dle aus Anlaß der Kanaleröff nung verliehenen Auszeichnungen bekannt. Seine Ma jestät der Kaiser dankte allen, die an dem Werke mitgeholfen hatten, und erklärte den Großschiffahrtsweg, der den Namen „Hohenzollernkanal“ führen soll, für eröffnet. Nun⸗ mehr wurden die Plane, Modelle und Zeichnungen des Kanal- und Hebeweris besichtigt, zu denen pon einem Neglerungzvertreter Erläuterungen gegeben wurden. Hieran schloß sich die Vorstellung von Vertretern der be— teiligten Körperschaften, insbesondere des Wasserstraßenbeirats. Um 12 Uhr begab sich Seine Majestät der Kaiser, gefolgt von der Fest⸗ gesellschaft, zur Schleuse 1, wo die Schlffe bestiegen wurden. Nachdem die Durchschleusung zur Schleuse 2 erfolgt war, wurde mittels Durchschneidung einer vor der Schleuse ausgespannten Schnur die Fahrrinne freigegeben, worauf die Weiterfahrt nach Eberswalde erfolgte. Um 1 Uhr
Theater. Akten von Max Neal und Max Ferner.
Gastspiel Miß Mac Keen. Freitag und müde Theodor.
Keen.
Berliner Theater. Donnerst. Abends
3 Uhr: Wie einst im Mai. Posse mit Gesang und Tanz in vier Bildern von Bernauer und Schanzer.
Freitag und folgende Tage: Wie einst im Mai.
Theater in der Käniggrützer
Strauße. Mr. Wu. Englisch chinesisches Spiel in drei Akten von H. M. Vernon und Harold Owen.
Freitag und folgende Tage: Mr. Wu.
Deutsches Künstlertheater (So-
müde Theodor.
olnär. Freitag und folgende Märchen vom Wolf.
zietät). (Nürnbergerstr. 70 7! gegenüber theater) Donnerstag, Abends 8 Uhr: Wolff. dem ole r Garten.) , , , ,,, a tfpiet 2 erge. in dre en von re mieden. , n, . Freitag: Mein erlauchter Ahnherr. Sonnabend: Mein erlauchter Ahn⸗
Komödie in fünf Akten von Ludwig Holberg.
Freirgg und solgende Tage: vom Berge.
Theater an der Meidendammer z lir;: zilein Cha.
Akten von Olga Ott. Brücke. Donnerstag, Abends 8 Uhr: Freitag: Heiligenwald. Der müde Theodor. Schwank in drei
Jeppe herr.
30 Minuten mach der Dampfer Alrcrand ia. mit Selngt Majestät dem Kaiser an Bord an der Wassertorbrücke fest. Hier wurde Seine Majestät von der Stadtvertretung von Eberswalde be—⸗ grüßt. Auf eine Ansprache des Büärgermeister? Hoyf, ant⸗ wortete Seine Majestät der Kaiser: „Ich beauftrage Sie, die Bürgerschaft Metnes fortlaufenden Interéffes zu versichern. Es hat Mich gefreut, daß die Stadt einen solchen Aufschwung genommen hat.. Hierauf begrüßte Seine Majestät die Krögerhereine, die Schätzengllde und sonstige Vereine. Dann erfolgte in Automobilen die Rücksahrt nach dem Neuen Palais.
Der Großschiffahrtsweg Berlin — Stettin hat eine Baugeschichte von nahezu einem Jahrzehnt. Am g. April 1904 ging dem preußt⸗ schen Abgeordnetenhause ein Gesetzentwurf, betreffend die Herstellung und den Aushau von Wasserstraßen zu, der an zweiter Stelle die Summe von 43 Millionen Mark für die Herstellung eines Großschiffahrtsweges Berlin- Stettin (Wasserstraße Berlin —Hohensaaten) forderte. le gesetzgebenden Körperschaften Preußens stimmten nach eingehenden Beratungen dieser Forderung zu und so sah das Wasserstrahengesetz vom 1. April 1905 den Bau einer leistungsfähigen Schiff ahrts. verbindung Berlin — Stettin wor. Neben dem alten, nicht erweiterungs⸗ fähigen Finowkanal mit seinen zahlreichen Schleusen, auf dem nur vollbeladenen Fahrzeuge bis zu 170 t Tragfähigkeit verkehren können, sollte ein Kanal von Berlin nach Hoöhensaaten für S600 t⸗Schiffe mit nur 4 Staustufen geschaffen werden. Dieses Werk ist jetzt vollendet. Ursprünglich glaubte man dle feierliche Eröffnung schon im Jahre 1913, im Jubiläum s jahre des Kalsers, vornehmen zu können. Aber im letzten Augenblick, als bereits der versuchs weise Betrieb eingerichtet war (April 1913) traten an Schleuse II der großen Niederfinower Schleusentreype Undichtigkeiten auf, die das Bauwerk durch Unterspülung gefährden konnten. Auch bei Schleuse 19 zeigte sich ein Schaden und die Gründung der Schleusen mußte durch umfangreiche Sicherungs⸗ und Verstãrkungs⸗ gubetten verstärkt werden. Diese umfangreichen Nacharheiten sanden zu Beginn des Jahres 1914 ihren Abschluß und im März 1914 konnte der versuchswelse Betrieb auf der Schleusentreppe erneut aufgenommen werden. Der Schiffahrtsbetrieb auf der übrigen Kanalstrecke nach Berlin sowie der Verkehr durch die Hohen⸗ saatener Schleusen war durch diese Nacharbeiten nicht berührt worden. Infolge der gestiegenen Arbeitslöhne, der Mehrkosten für den Grunderwerb und leistungsfähigeren Gestaltung der Schiff⸗ fahrtsanlagen wird der Kostenvoranschlag ' um 6 Millionen Mark über schritten werden, nämlich um 33 Millionen für den eigentlichen Kanal und um 23 Millionen für das in Vorbereltung befindliche Hebewerk. Die Schiffahrtsstraße, welche wesentlich die Aufgabe hat, die größte preußische Seehafenstadt Stettin in ihrem Wetthewerb mit den nicht preußischen Nord- und Ostseehäfen zu stärken, der für Stettin durch den Nord-⸗Ostseekanal wie durch den Elbe⸗Travekanal, und andere Wasser⸗ . erheblich erschwert worden ist, beginnt in Plötzensee, folgt zunaͤchst der Linie des alten Spandauer Schüiffahrtskanals, verläßt diese aber bei Saatwinkel und mündet in die Spandauer Havel ein, deren Lauf sie bis Finow folgt. Sie benutzt dann die ausgebaute alte Havel bis zum dehnitzsee und durchquert diesen See in seiner ganzen Länge. An seinem Nordende beginnt mit der Lehnitzschleufe die Scheitelhaltung des Großschiffahrtsweges, der von Malz ab im wesentlichen dem Zuge des alten Malzer Kanals folgt. Bei Dusterlake verläßt er den Kanal und nimmt seinen Lauf fast ganz östlich bis zum Abstieg bei. Niederfinom. Wenige Kilometer westlich von Zerven⸗ schleuse wird die Wasserscheide zwischen Elbe und Oder überschritten, dann der Finow und der Werbellinkanal gekreuzt. Nördlich von Eberswalde wird die Berlin⸗Stettiner Bahn mittels eines Rückenkanals überschritten und demnächst das Ragoser Fließ auf einem etwa 28 m hohen Damm. Bei Niederfinow erfolgt der Abstieg von der Scheitelhaltung in das Tal der alten Oder durch die . erwähnte Schleusentreppe, die einen Höhenunterschied von 36 m überwindet. Der Unterkanal der Schleufentreppe mändet bei den Lieper Schleusen in den alten Finowkanal, weiterhin benutzt, der Großschiffahrtsweg die Gewässer des Lieper und Oderberger Sees und verfolgt von Oderberg ab den Lauf der alten Oder bis Hohen⸗ saaten. Hier ist die Einmündung mit zwei Schleppzugschleusen einer⸗ seits in die Stromoder, andererseits in die Westoder.
Tie neue Schiffahrtsstraße ist von den Plötzenfeer Schleusen bls Hohensaaten rund 1090 km lang. Diese ganze Strecke zerfällt, wie aus dem Gesagten hervorgeht, in nur 3 Haltungen: Die Havel⸗ haltung, von Plötzensee bis Lehnitzschleuse, die Scheltelhaltung von Lehnitzschleuse bis Niederfinow und die Oderhaltung von Ober⸗ finow bis Hohensaaten. Der Großschiffahrtsweg ist im all⸗ gemeinen. zweischisfig ausgebaut, jedoch ist emne Erweiterung zum dreischiffigen Verkehr vorgefehen. Der Wasserquerschnitt ist so bemessen, daß Schiffe von 506 t Tragfähigkeit, nämlich von 65 m Länge, 8 i Breite und 1ů,75 m Tiefgang auf dem Kanal verkehren können. Wendestellen sind in größerer Zahl auf der Kanalstrecke ver⸗ teilt. Der Großschtffahrtsweg wird von Essenbahnlinien und einer großen Anzahl von Straßen durchkreuzt. Zur Ueberführung sind im ganzen 36 Brücken gebaut worden. Der schon erwähnte Brückenkanal, auf dem der Kanal die Berlin⸗Stettiner Eisenbahn etwa 2 km nördlich vom Bahnhof Eberswalde überschreltet, hat Raum für einen dreischiffigen Verkehr. In der Scheitelhaltung ermöglichen drei Sicherheitstore oder Wassertore im Fall eines Dammbruches die unverzügliche Ab⸗ sperrung des Kanals, damit Gefahren für den Kanal und das Ge⸗ lände abgewendet werden. Die Tore liegen am Pechteich, bei Lichter⸗ felde und Cbergwalde. Das Senken und Heben der Tore vollzieht sich in 11 Minuten.
Die Kanalabgaben sind auf 30 — 50 3 für jede Tonne vorgesehen, während sie bisher auf den märkischen Wasserstraßen erster Ordnung 20-44 3 betrugen. Dagegen beträgt die Frachtermäßigung für Transporte zwischen Berlin und Stettin infolge des Großschiffahrts⸗ weges 75 8 für die Tonne.
Während die Vorlage über den großen Wasserwe wie die übrigen Bestandtelle der großen wasserwirtschaftlichen Vor⸗
Budde vertreten wurde, ist die ganze Ausführung des mãchtigen Werkes unter seinem Nachfolgtr von Breitenbach erfolgt, dem nacheinander die Unterstaatsekretäre Schultz, Holle — später Kultusminister — und Freiherr bon Coels van der Brügghen sowie die Ministerialdirektoren von Doemming und Peters zur Selte standen. Die technischen Angelegenheiten für den Kanal von Berlin bis Hohensaaten bearbeitete der Geheime Oberbaurat Gerhardt, die Bauten im Berelche der Oder der Oberbaurat Germelmann, alle Ver⸗ waltungsangelegenheiten der Wirkliche Geheime Oherregierungsrat Bredow. Dag durch Königliche Verordnung vom 2. April 1906 ein- gesetzte Hauptbauamt für die Herstellung des Grohßschiffahrtsweges unterstand der Reihe nach den Regierungs- und Bauräten Nakonz, Niese und Holmgren für die technischen, den Regierungsträten Biehler und Friedheim für die Verwaltungzangelegenheiken.
Kiel, 16 Juni. (W. T. B.) Bei der heutigen zweiten Segelwett fahrt in der Kieler Föhrde um den Prels von Belgien wurde die Jacht Ilse 47 vom Hamburger Segler⸗ verein erste, Bajazzo‘ vom Lübecker Jachtklub zweiter, Nurdug“ vom Königlich Dänischen Jachtklub dritter und Margarete“ von der Kieler Seglervereinigung vierte.
Cassel, 17. Juni. (W. T. B.) Aus einem großen Teile Kurhessens und dem angrenzenden Eichsfe lde, kommen Mel—⸗ dungen über schwere Schäden, die gestern nachmittag und abend durch wolkenbruchartigen Gewitterregen angerichtet worden sind. In vielen Orten sind die Feld— und Gartenfrüchte durch schwere Hagelschläge vernichtet oder durch die Fluten der aus den Ufern getretenen Wasserläufe mitsamt der Muttererde weggeschwemmt. Kleine Brücken, leichte Baulichkeiten. Geräte und Materialien, eßenso das frisch gemähte Heu wurden fortgerissen. Mehrfach mußten die Wohn⸗ häuser geräumt werden. In der Homburger Gegend lag der Hagel fünf Zentimeter hoch. Der Blitz hat an mehreren Srten Anwesen eingeäschert. In Baumbach schlug er in das Station gehäude und tötete ein Kind des Vorstehers, ein zweites wurde verletzt. In Binsförth er schlug der Blitz zwei italien ische Arbeiter. In Küllstedt wurde die 13 jährige Tochter des Gastwirts Wehenkel auf dem Heimwege vom Felde, in Solz bei Bebra der 20 jährige Sohn des Tischlermelslers Schmauch durch den Blitz getötet.
Paris, 17. Juni. (W. T. B.) Eine fünf Quadratmeter große Erdfenkung von zwei Metern Tiefe hat fich auf der Place Isna über den Arbeiten der Untergrundbahn gebildet. Zwei andere Erdeinstürze sind an der Wegekreuzung Gluck— Halsvystraße und an der Place de Rome festgestellt worden. Die technischen Beamten versichern, daß keinerlei Gefahr bestehe. — Der Pariser Deputierte Binder teilte dem Minister der öffentlichen Arbeiten mit, daß er ihn über die vorgestern abend durch die Erdeinstürze verursachten Unglücksfälle sowie über die Maßnahmen befragen werde, welche die Behörden zu ergreifen ge⸗ denken, um in Zukunft derartige Vorkommnisse unmöglich zu machen. — Bisher wurden die Leichen von sechs Ver⸗ unglückten zutage gefördert. Nach den der Polizei zugegangenen Meldungen werden noch sechs Personen verm ißt; man fürchtet, daß sie bei den Erdeinstürzen ihr Leben eindebüßt haben. Unter den Vermißten befindet sich auch der Rentner Emile de Mallmann, ein Angehöriger einer bekannten Bankierfamille. — Die Besitzer der durch die Erdeinstürze gefährdeten Häuser haben die Absicht, gegen die Stadt Paris einen Schadenersatzprozeß anzustrengen.
Moskau, 15. Juni. (W. T. B.) Durch einen Brand, der infolge einer Explosion ausbrach, wurde heute die Zelluloidkam m⸗ fabrik von Kaminsky zerstört. Es sind bereits fünf Leichen geborg en worden. Der Besitzer der Fabrik und vierzig Arbeiter wurden schwer, außerdem mehrere leicht verletzt.
Lüttich, 16. Junk. (W. T. B) Heute nachmittag ist in einer Spinnerei ein Brand ausgebrochen. Die 300 Arbeiter verließen fluchtartig das Gebäude. Zwei Frauen sind verbrannt. Viele Personen wurden verletzt.
Kopenhagen, 16. Inni. (W. T. B.) Der Internationale Pressekongreß (ogl. Rr. 139 d. Bl.) hielt hente seine Schluß⸗ üitzung ah,. der unter anderen auch der Ehrenpräsident des Kongresses, Minister des Innern Rode und andere hervorragende Persönltchkeiten beiwohnten. Der Präsident des Kongresses, Redakteur Sing er⸗Wien, dankte dem dänischen König, der Regierung, den städtischen Behörden von Kopenhagen und dem dänischen Komitee für den einzig dastehenden herzlichen Empfang und für die Festtage, welche die Kongreßteilnehmer in Kopenhagen verbracht haben. Nachdem der Ehrenpräsident, Minister des Innern Rode gedankt und noch eine Reihe anderer Redner ihren Dank dargebracht hatte, erklärte der Präsident Singer den Kongreß für geschlossen.
Konstantinopel, 17. Junk. (W. T. B) Der belgische Landwirtschaftsingenieur Tack, der von Räubern entführt worden war, ist wieder freigelassen worden. (Vgl. Nr. 128 d. Bl.)
Quebee, 16. Juni. (W. T. B) Vor der Kommission, die die Ursachen des Untergangs des Dampfers Empreß of Ireland“ (vgl. Nr. 127 8d. Bl.) untersucht, sagte der Kapitän der Empreß of Ireland? Ken dall aus, daß er nach seiner Rettung durch ein Boot der ‚Storstad? auf den Kapitän des Dampfers Storstad' zugegangen sei, und ihm gesagt habe: „Sie haben mein Schiff zum Sinken gebracht. Sle find mit voller Geschwindigteit gefahren.. Er erklärte weiterhin, daß er auf dem Deck der „Storstad vor Erschöpfung zusammengebrochen sei.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.)
fog g erh R. Direktion: Georg Hartmann.)
Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Der
Sonnabend: Klein Eva.
lage im Landtage noch von dem verftorbenen Minister von
8 32
2
Deutsches (Opernhaus. (Char— lottenburg, Abends 8 Uhr: Undine.
Lortzing. in Freitag: Iphigenia in Aulis. Sonnabend: Der Zigeunerbaron.
Liebe.
Donnerstag, Abends 87 Uhr: Der Juz ⸗ TFleitag
Mustik von Walter Kollo. Freitag und folgende Tage: Der Juzbaron.
liege Schwank in drei Akten von
ranz Arnold und Ernst Bach.
Freitag und folgende Tage: Die spanische Fliege.
leys Tante.
Montis Oy ; Bismarck Straße 34—37. Neues Theater) Donnergtag, Abends ; . onnerstag,ů 3 Uhr: Ensemblegastspiel des „Hamburg- Vęrghelicht; hr Romantisch⸗ Altonaer Stadttheaters“ Als ich noch komische Oper in vier Akten von Albert im Flügelkleide. Ein fröhliches Splel t vier Akten von A. M. Frehsee. (Sommerpreise.) — . . 96 . Tage: Als ich Sonntag. Nachmittags 3 r: Die noch im gelkleide. Lessingtheater. Donnerstag, Abends lustigen Weiber von Windsor., 8 Uhr? Das Märchen vom Wolf. Abends: Der Zigeunerbaron. Donnerstag, Abends 8 Uhr: Cin Spick in brei Atien un Franz
Tage: Das Theater am Nollendorfplatz. Sutwig Hirschfeld. KJ R . folgende ; baron. Posse von Pordes⸗ Milo und verflixte Liebe. Schillertheater. 0. (all'ner- k er. Gesangsterte von Willi
Thaliatheater. ( Direktion: Kren und
Schönfeld) Donnerstag, Abends 8 Uhr: Direktor Dr. Tyrol in Charlottenburg.
Wenn der Frühling kommt! Posse ö . n mit Gesang 9 . drei Aften pon Verlag der Expedition (J. V.:: Kove)
ö Jean Kren und Georg Okonkowsky. Ge— Lustspielhaug. (Frledrichstraße 236) fande en e, fist Shen rene worn ; Charlottenburg. ö. bn Donnerstag, Ahende 8 Uhr: Die spanische hon Jean Gilberi. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und ustspiel in dre
Familiennachrichten.
Rittmeister Hugo Frhr. von Eickstedt mit Frl. Maria von Waldthausen (Gersfeld, Rhön). Geboren:; Ein Sohn: Hrn. Felix J Grafen Behr. Bandelin (Bandelin). — Eine Tochter: Hrn. Hermann Grafen zu Dohna (Groß Kotzenau). — Hrn. Hauptmann Hans⸗Maurus von Wickede (Berlin). = Hrn. von Heyden (Dresden). Carl Böckmann (Rittergut
erettentheater. ( Früher:
Hrn. Residenztheater. Donnerstag, Abends Daykh g, Kr Teit n))
. ,,, , Gestorben; Hr. Landrat Frledrich von
Maröeß (Namslau). — Hr. Pastor
Tage: Die Gustav Schiller (Probsthainz.
Verantwortlicher Redakteur:
in Berlin.
Freitag und folgende Tage: Wenn Verlagsanstalt, Berlin, Wilhelmstraße 32.
der Frühling kommt! Sonntag, Nachmittag 33 Uhr: Char⸗
Acht Beilagen leinschließlich BörsenbeilageJn!
M H40.
Preußzischer Landtag. Herrenhaus. 15. Sitzung vom 16. Juni 1914, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Ueber den Gesetzentwurf, betreffend die Einziehung stagtlicher Schiff ahrtsabgaben durch Ge⸗ meinden und Private, berichtet namens der Kom— munalkommission Herr von Buch-Earm zo w. Die Kom⸗ mission empfiehlt die Vorlage in der vom anderen Hause be⸗ schlossenen Fassung. .
Das a beschließt demgemäß ohne Debatte.
Der esetzentwurf zur Abänderung der Besol⸗ dungsordnun g ist von der Finanzkommission vorberaten worden. Den Bericht erstattet Herr Dr. Hillebrandt: Die Komnission hat einstimmig . Ihnen zu empfehlen, die Vorlage so anzunehmen, wie sie bon der Regierung eingebracht und vom anderen Hause . worden ist, sich auch damit einverstanden zu erklären, daß die Novelle mit Wirkung vom J. April 1914 in Kraft tritt. Die beabsichtigten Erh r fhe neh; erfordern einen Alufwand von etwa 25 Millionen Mark. Bem Reichstage in der Besoldungsfrage zu folgen, lag keine Veranlassung vor, ber preußische Landtag würde damit ohne Grund einen Teil seiner Selbständigkeit geopfert haben. Die Wohltat einer Gehaltszulage wird durch' die Vorlage etwa 1I0 000 Personen bezw. Familien zuteil. Vielleicht wäre es ja wünschenswert gewesen, auch die Klassen — 12 der Besoldungs⸗ drdnung auszubessern. Aber die Vorlage hatte dann keine Aussicht auf Billigung durch die Staatsregierung, und dank der Festigkeit des Finanzministers ist es gelungen, dem Andrängen der Parteien im anderen Hause in dieser Beziehung erfolgreich Widerstand zu leisten. Zu erwägen wäre ja gewesen, ob nicht auch die höheren? Beamten einen in euch auf ein höheres Gehalt hätten, namentlich solche, die für zahlreiche Kinder zu sorgen haben. Ebenso wäre zu erwägen, ob nicht eine kleine Erweiterung des Besoldungssystems angebrachf wäre. Der 5, hat in der Begründung des Entwurfs ausgeführt, daß die Erhöhung der Besoldungen sich innerhalb des bisher geltenden Besoldungssystems halten müsse, daß von einem Uebergang zu einem anderen System vorläufig Abstand genommen werden müsse, weil die Frage noch nicht reif sei. Gewiß ist auf diesem Gebiete eine Vorsicht geboten. Es müßte ernstlich erwogen werden, ob nicht Erziehungsbei⸗ hisfen obligatorisch allen Beamten, auch den höheren, gewährt werden sollten. In manchen rm tenkreisen hat ja das System der Kinder heihilfen Widerstand gefunden. Wir dürfen uns aber durch solche Urteile nicht abhalten lassen, diese Frage ernstlich in Erwägung zu ziehen. Die unverheirateten und kinderlosen Beamten sind nach meiner Meinung ausreichend fundiert. Die Schwierigkeit beginnt erst mit der Kindererziehung. Man könnte vielleicht in dem . gungsgesetz mutatis mutandis einen gewissen Anhalt dafür finden. Diese a. ist in der Kommission akademisch erörtert worden, ohne zu einem 6a. se geführt zu werden, Ich glaube ja nicht, daß das Gesetz dauernde Ruhe bringen wird. Schon IS65 wurden 'n nliche Be⸗ 66 laut wie jetzt, da niemand , Gehalt leben könne. Der Staat kann seine, ö nur erfüllen nach, dem Prinzip der Gerechtigkeit und sorgfältiger Abwägung der finanziellen erhaͤltnisse. In diesem Sinne erscheint die Besoldungsnovelle abgefaßt, und ich empfehle Ihnen im Namen der Kommission ihre Annahme.
Finanzminister Dr. Lentze:
Meine Herren! Als die Besoldungsordnung im Jahre 19609 verabschiedet wurde, war man allgemein der Ansicht, daß mit dieser Besoldungsordnung für längere Zeit alle Besoldungswünsche und Besoldungsansprüche befriedigt worden wären. Die damalige Besol⸗ dungsordnung hat einschließlich der Erhöhung der Pensionen und Reliktenbezüge rund 200 Millionen Mark Mehrausgaben für den Staat erfordert, und zwar nicht einmalige, sondern dauernde Mehr⸗ ausgaben, für die der Staat damals sogar nicht einmal die Deckungs— mittel bereit hatte, sondern für die er erst teilweise neue Steuern und Steuerzuschläge einführen mußte, und für die im übrigen ganz allmählich durch äußerste Einschränkung in unseren Ausgaben eine Deckung gefunden worden ist. Die damaligen Besoldungserhöhungen waren zum Teil recht beträchtliche, und die Erwartungen, die man an die Besoldungsordnung geknüpft hatte, erschienen infolgedessen durchaus begründet. Aber nichtsdestoweniger hat sich inzwischen ge⸗ zeigt, daß in mancher Hinsicht im wirtschaftlichen Leben Verschie⸗ bungen eingetreten sind, welche die Erwartungen nach der einen oder anderen Richtung hin nicht als ganz zutreffend erwiesen haben. Es war damals bei der Aufstellung der Besoldungsordnung der Grund— satz beobachtet worden, daß bei der Gleichartigkeit der Beamten— verhältnisse im Reich und in Preußen die preußischen und die Reichsbeamten, soweit sie sich in gleichen und parallelen Stellungen befanden, eine gleiche Besoldung beziehen sollten. Nur bei drei Beamtenkategorien hatte das Reich damals eine Ausnahme gemacht: nämlich bei den Vortragenden Räten, bei den Reichstagsbeamten und bei den Postassistenten, indem es diesen drei Beamtenkategorien eine bessere Besoldung zubilligte als den entsprechenden preußischen Beamtengruppen. Es wurde aber damals an der preußischen Besol⸗ dungsordnung nichts mehr geändert. Ihr Aufbau und ihr Zustande— kommen war doch so schwierig gewesen, daß die Staatsregierung davon absah, nun noch einmal an eine Aenderung heranzugehen, und die Be—= soldungsordnung blieb so, wie sie beschlossen worden war. Die Unterschiede, welche bezüglich der Besoldung der Postassistenten be—⸗ standen, waren an sich gar keine erheblichen. Die Gehälter der Eisen⸗ bahnassistenten unterschieden sich von der Besoldung der Postassistenten nur in den fünf unteren Gehaltsstufen, im Höchstgehalt waren die Gehälter schon wieder gleich. Aher selbst diese Ungleichmäßig⸗ keit führte doch zu großen Beschwerden bei unse ren Eisenbahnassistenten. Sie wurden jahrein jahraus bei dem Abgeordnetenhaus vor⸗ stellig, es möchte doch eine Gleichstellung zwischen ihnen und den Post⸗ assistenten auch bei den fünf ersten Stufen eintreten. Das Abge⸗ ordnetenhaus hatte zunächst nicht den Wunsch, daß die nur mühsam zustande gekommene Besoldungsordnung so bald wieder abgeändert werden möchte, und ersuchte deshalb bei der ersten Petition die Staatsregierung, unter Aufrechterhaltung der Besoldungs— ordnung für einen Ausgleich zu sorgen. Ein derartiger Ausgleich war nur dadurch herbeizuführen, daß die Unterstützungsfonds heran- gezogen wurden und daß dort, wo eine besondere Notwendigkeit be⸗ stand, den einzelnen Beamten eine besondere Unterstützung zuteil wurde. Dieses geschah dann auch. Die Assistenten begnügten sich aber da⸗
ö Erste Beilage zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
Berlin, Mittwoch, den 17. Juni
mit nicht und wurden in den folgenden Jahren wiederum auf Gleich⸗ stellung mit den Assistenten im Reiche vorstellig. Schon nach der zweiten Petition gab das Abgeordnetenhaus nach und ersuchte die Staatsregierung, selbst unter Abänderu ng der Besoldungs— ordnung die Gleichstellung herbeizuführen. Die Staats regierung konnte sich aber dazu nicht entschließen, weil die Besoldungsordnung ein zu schwieriges und künstliches Werk war, welches in Gefahr kam, daß es, wenn man an einzelnen Teilen änderte, entweder ganz oder zum großen Teile einer Aenderung unterworfen werden müßte.
Meine Herren, eine Besoldungsordnung ist ungemein schwie rig aufzustellen. Wir haben in Preußen ein solches Heer von Beamten und so verschieden geartete Verwaltungszweige, daß man tatsächlich nur unter den allergrößten Schwierigkeiten nach den eingehendsten Prüfungen überhaupt eine einigermaßen zutreffende Besoldung, die nach Möglichkeit befriedigt, festsetzen kann. Es kommt noch hinzu, daß zwischen den einzelnen Verwaltungszweigen große Unterschiede bestehen und trotzdem der Wunsch vorhanden ist, die einzelnen Be— amtengruppen nach Möglichkeit in die gleiche Besoldungsklasse hinein⸗ zubringen. Da wird von allen Seiten aufgepaßt, ob nicht die eine oder die andere Gruppe dabei besser fährt, und infolgedessen hat jed— wede Zuwendung an irgendeine Beamtengruppe sofort zur Folge, daß eine ganze Reihe von anderen Beamtengruppen sich meldet und er— klärt: da ist unseren Interessen zu nahe getreten, wenn die etwas bekommen; bei uns sind die Leistungen und Anforderungen, die an uns gestellt werden, derartig, daß wir mindestens dasselbe verlangen müssen usw. Es ist tatsächlich ohne die allergrößte Vorsicht unüber⸗ sehbar, wohin man kommt, wenn man der einen Gruppe viel oder auch nur irgend etwas zuwendet, ohne die anderen mit zu bedenken.
Meine Herren, es kommt noch hinzu, daß ja die Besoldungen bei uns im Staate doch auch notwendig eine Rückwirkung haben auf die Besoldungen sowohl im Reiche wie auch in den Bundesstaaten, wie auch in den Provinzen, Kreisen und Kommunen. Namentlich die Provinzen, Kreise und Kommunen müssen notwendig sofort folgen, wenn der Staat mit Besoldungserhöhungen vorgeht; denn sie be⸗ kommen sonst keine Beamten, wenn sie nicht entsprechend gleichfalls aufbessern. Ebenso liegen ja die Verhältnisse bekanntermaßen im Reiche. Aber damit ist es noch nicht genug. Unsere Besoldungs⸗ ordnung hat ganz ohne Frage auch eine Rückwirkung auf die Privat⸗ wirtschaft. Wenn wir die Beamtenbesoldungen erhöhen, dann wird auch die Privatwirtschaft in Mitleidenschaft gezogen, und auf sie müssen wir doch ebenfalls nach jeder Richtung hin Rücksicht nehmen. Es ist infolge⸗ dessen nicht so leicht, wie es scheinen möchte, eine Besoldungsordnung festzusetzen. Es sind dabei die allerschwierigsten und kompliziertesten Fragen zu berücksichtigen. Man muß sehr große Vorsicht walten lassen, selbst wenn man das beste Herz hat, den Beamten möglichst viel zuzuwenden.
Der ablehnende Standpunkt der Königlichen Staatsregierung gegen eine Abänderung der Besoldung hat sich nicht mehr halten lassen, seitdem im Jahre 1913 im Reich die Besoldung der Post⸗ assistenten und Postschaffner erhöht worden war. Im Jahre 1913 wurde die Besoldung für did Postassistenten um 300 erhöht, eben⸗ so die der Postschaffner um 100 466. Da war dieser Standpunkt nicht mehr innezuhalten; denn die Ungleichheit, die vorher schon bezüglich der fünf untersten Stufen zwischen Post⸗ und Eisenbahnassistenten bestand, wurde dadurch ganz wesentlich verschärft, daß alle Post⸗ assistenten im Endgehalt 300 „S6 mehr bezogen, es war ganz unmög⸗ lich, mit Ausgleichszuwendungen fernerhin auszukommen. Die Staatsregierung mußte deshalb an eine Aenderung der Besoldungs⸗ ordnung herantreten. Dabei ergab sich aber, daß eine Aenderung auch voll Platz greifen mußte bei denjenigen Beamtenkategorien, bei welchen die Besoldung als nicht mehr ausreichend anerkannt werden mußte, und das waren die drei untersten Besoldungsklassen eins, zwei und drei, in denen die Ueberzahl aller Unterbeamten sich be⸗ findet. Die Beamten dieser Besoldungsklassen hatten auch nach Ansicht der Staatsregierung dringend eine Aufbesserung nötig. In⸗ folgedessen hat die Staatsregierung diese drei Beamtenklassen auch mit in die Aufbesserung hineingezogen. Im übrigen aber wurde nur die Klasse 5 noch mit hineingezogen, welche der Klasse 4 so einiger⸗ maßen entsprach, weil die Staatsregierung es auch bei dieser Klasse für notwendig hielt, eine Besoldungserhöhung eintreten zu lassen. Die Klassen 13 bis 16 wurden der Assistentenklasse gleichgestellt, zum Teil ohne daß die Inhaber der einzelnen Aemter auch noch eine Zulage bekamen, sodaß wir tatsächlich eine Besoldungsänderung haben, welche nicht unmittelbar aufeinander folgende Besoldungs⸗ klassen, sondern die Besoldungsklassen 1 bis 5 und 13 bis 16 um— faßt; die dazwischen liegenden Besoldungsklassen sind zurzeit nicht berücksichtigt worden. Es hat sich leider nicht ermöglichen lassen, auch die zwischen 5 und 13 liegenden Besoldungsklassen mit zu berücksich⸗ tigen; die Mittel waren nicht vorhanden, und außerdem wäre auch eine Reihe von Rückwirkungen eingetreten, welche die Staats— regierung unbedingt verhindern mußte, die sie nicht eintreten lassen konnte. Dieses Auslassen hat ja verschiedentlich große Kritik her⸗ vorgerufen, und ich muß erklären, daß die Königliche Staats⸗ regierung ihrerseits ja auch sehr gern diese Klassen mit berücksichtigt hätte, wenn es möglich gewesen wäre, da ihr das Wohl ihrer Beam— ten sehr am Herzen liegt, aber es war ausgeschlossen, und infolgedessen konnte die Besoldungsordnung sich nicht auf diese Beamtenklassen er⸗ strecken. Von gegnerischer Seite ist nun wiederholt der Staats⸗ regierung der Vorwurf gemacht, sie täte gar nichts für die Beamten, wenn sie nicht gedrängt würde durch die Parlamente. Das ist abso⸗ lut unzutreffend. Die Staatsregierung muß diesen Vorwurf ent⸗ schieden zurückweisen.
Wenn die preußische Staatsregierung sich lediglich auf eine schematische Gleichstellung mit den Besoldungserhöhungen im Reiche hätte beschränken wollen, dann hätte sie rund 40 000 Beamte be— denken müssen, nämlich lediglich die Beamten der Besoldungsklassen 13 bis 16 und die Klasse 4. Die Staatsregierung ist aber erheblich weiter gegangen, sie hat nicht allein diese 40 000 Beamten, sondern
1914.
auch die Beamtenklassen 1 bis 3 mit 91 000 und die Klasse 5 mit 21 000 Beamten berücksichtigt. Das sind 110 000 Beamte mehr, als eine bloße mechanische Gleichstellung erfordert hätte. Der Vor⸗ wurf ist also absolut ungerechtfertigt.
Andererseits muß die Staatsregierung für sich in Anspruch nehmen, daß sie die Initiative für die Erhöhung der Beamtenbesoldungen und die Aenderung dieser Besoldungen selbst in der Hand behalten muß. (Sehr richtig) Sie darf sich diese Initiative vom Parlament nicht aus der Hand nehmen lassen, denn die schwierigen und komplizierten Zusammenhänge der ganzen Verhältnisse und ihre Folge ist allein die Staatsregierung imstande zu übersehen. (Sehr richtig) Sie muß die Verantwortung tragen und deshalb die Initiative behalten. Aus diesem Grunde hat die Königliche Staatsregierung von vornherein erklärt, daß sie in die Zwangslage versetzt werden würde, die Besol⸗ dungsordnung zurückzuziehen, wenn Aenderungen an derselben vor⸗ genommen würden, und zu unserer großen Freude war das Abgeord⸗ netenhaus nach Lage der Sache so einsichtig, sich dem anzuschließen und den Gesetzentwurf zu genehmigen. Wir stehen also heute davor, daß wir zahlreichen Beamten eine erhebliche Besoldungsvermehrung zuwenden, sobald dieses Gesetz zur Verabschiedung gelangt. Dieses Gesetz bringt keineswegs wenig. Es erfordert allein 19.3 Millionen Mark für Gehälter, dann für Pensionen und Reliktenbezüge rund 4 Millionen, und außerdem sind zu gleicher Zeit neben der Besol⸗ dungsordnung die Bezüge des Fahrpersonals der Eisenbahnverwal⸗ tung noch erhöht worden, was rund 3 Millionen Mark mehr erfor⸗ dert. Es ist also doch erhebliches durch diese neue Novelle an Zu— wendungen geleistet worden.
Meine Herren, die neue Nobelle ist lediglich auf dem bisherigen Besoldungssystem der Dienstalterszulagen aufgebaut worden. Von dem Uebergang zu dem System der Kinderzulagen, welches wiederholt empfohlen worden ist, hat die Staatsregierung Abstand genommen, weil diese Frage zurzeit noch nicht reif ist. Es würde ein Abgehen von unserm bisherigen Besoldungssystem bedeuten, wenn wir Kinder⸗ zulagen gewähren wollten, und ein solcher Schritt will reiflich über⸗ legt sein. Unsere bisherigen Besoldungen sind darauf aufgebaut, daß der Beamte nach den Anforderungen bezahlt wird, die das Amt an ihn stellt. Wenn dagegen ein Beamter für ein oder mehrere Kinder Zulagen erhält, dann würden seine persönlichen Verhältnisse berück- sichtigt, es würden nicht mehr allein objektive, sondern auch sub⸗ jektive Momente in Betracht gezogen. Nun ist in keiner Weise zu leugnen, daß die Gewährung von Kinderzulagen ein durchaus sym= pathischer Gedanke ist. Denn ein Beamter mit einer stärkeren Kinderzahl hat natürlich eine sehr viel größere Mühe, mit dem Ge⸗ halte auszukommen, als ein Beamter mit einer kleineren Familie. Aber die Frage ist doch noch nicht reif. Denn ebenso wie unsere jetzigen Besoldungen ihre Rückwirkungen auf andere Beamten⸗ kategorien und auf unsere private Volkswirtschaft haben, ebenso wird auch ohne Frage der Uebergang zu einem solchen Besoldungssystem die gleiche Folge zeitigen. Wenn wir unseren Beamten Familien⸗ zulagen geben, dann müssen wir sie auch den Staatsarbeitern ge⸗ währen, und wenn diese sie bekommen, werden sie auch die Privat⸗ arbeiter verlangen. (Sehr richtigh Also der Kreis zieht sich immer weiter. Ob sich etwas Derartiges durchführen läßt, ist augenblicklich nicht zu übersehen. Jedenfalls muß aber diese Frage reiflich ge= prüft werden. In einem Staate sind die Familienzulagen bereits durchgeführt, das ist in Ungarn. In Ungarn bekommen die Beamten Familienzulagen, und zwar verschieden nach zwei Gruppen. Die erste Gruppe bekommt für ein Kind 100 Kronen, für zwei Kinder 200 Kronen, für drei und mehr Kinder 300 Kronen Zulage. Die zweite Gruppe bekommt 200, 400, 600 Kronen für dieselbe Anzahl von Kindern. Wenn wir die ungarischen Bestimmungen auf unsere Beamten anwenden wollten, würde das für Preußen eine Mehr⸗ ausgabe von rund 60 Millionen Mark erfordern. Nun ist man in der Beamtenschaft selbst sich auch noch nicht darüber einig, ob es angebracht ist, Kinderzulagen zu gewähren oder nicht. Ein Teil der Beamten verhält sich den Kinderzulagen gegenüber ablehnend, und zwar aus dem Grunde, daß sie fürchten, wenn erst einmal Familien⸗ zulagen eingeführt sind, die Grundgehälter sehr viel schwerer erhöht werden würden. Eine Familienzulage hat natürlich zur Voraus⸗ setzung, daß sie nur auf Zeit gewährt wird, und zwar nur auf die Zeit, wo der betreffende Beamte seine Kinder noch zu erziehen hat. Wenn ein Kind ein bestimmtes Alter erreicht hat, dann muß natür⸗ lich die Familienzulage für dieses Kind in Fortfall kommen. Ebenso sind auch die Familienzulagen nicht pensionsberechtigt. Diese drei Momente veranlassen manche Beamtengruppe bisher, sich der Gewäh⸗ rung von Familienzulagen gegenüber ablehnend zu verhalten. Aber, wie ich vorher schon sagte, die Frage ist zurzeit noch nicht reif, sie muß noch weiter geprüft werden; jedenfalls bei der heutigen Besol⸗ dungsordnung konnte sie nicht weiter in Betracht kommen. Diese Vorlage müßte auf dem alten bewährten System aufgebaut werden, damit die Beamten auch möglichst bald in den Genuß der Gehalts⸗ erhöhung kommen. (Bravo) Ich möchte deshalb das Haus bitten, der Besoldungsvorlage seine Zustimmung zu erteilen. Bravo
Derr von Buch- Egrmzow: Ich habe wiederholt Gelegen= heit gehabt, hier über Besoldungsfragen zu sprechen, und ich habe dabei die Unterstützung von der andern Seite des Hauses gefunden. Im Ge⸗ gensatz zu früheren Vorlagen hat der Finanzminister den Wünschen gegenüber, die hier laut geworden sind, schroff den Standpunkt der Regierung gewahrt. Die Frage ber Beamtenbesoldun ist Sache der Regierung. Die Regierung, die nicht dafür sorgt, daß . Beamten angemessen bezahlt werden, und die nicht rechtzeitig darauf abgezielte Anträge stellt, verletzt ihre Pflicht. Auf der andern Seite ist es aber ine vollständige Verschiebung der Verhältniffe und steht mit dem Sinne der Verfassung nicht im Einklang, wenn in dem Wahl rlament dauernd, auf eine Erhöhung der Gehälter der einzelnen ategorien gedrängt wird, denn ohne Wahl und ohne Qual wird die Erhäbung guf Grund. der Petitionen befürwortet, und die Parteien laufen Wette, sich lieb Kind bei den einzelnen Beamtenkategorien zu machen, um bel den Wahlen sich deren k zu sichern. Dagegen in wieder einmal Verwahrung eingelegt und dies auch einmal wieder o fen aus⸗
gesprochen werden. In den einzelnen Parlamenten haben 1 ür die verschiedenen Beamtenkategörien geradezu besondere Schu hill