1914 / 182 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 05 Aug 1914 18:00:01 GMT) scan diff

Nachdem das Haus am Abend wieder zusammengetreten war, ergriff der Staatssekretär Grey das Wort und sagte, er wolle dem Hause eine Mitteilung machen, die er inzwischen

erhalten habe. Die belgische Gesandtschaft in London sei benachrichtigt worden, I Note gesandt

daß Deutsch land am. Montag abend Belgien eine habe, die Belgien frundliche Neutralität mit freiem Durchmarsch deutscher Truhen dutch zeißistbzs Hebei vorhesblaren und. bie . haltung der Unabhängigkeit bei e r rn. versprochen hätte. Belgien habe erwidert, daß ein Angriff auf seine Neutralität eins Verletzung des Vöõlkerrechts sein würde. Die Annahme des deutschen Vorschlagz bedeute das Opfer der Ehre. Belgien sei entschloffen, einer Pflicht bewußt, einem Angriff mit allen möglichen Mitteln zu begegnen. Grey fügte hinzu, die Regierung ziehe bie empfangene Information in ernstliche Crwägung; er mache keine weitere Be⸗

merkung. Frankreich.

Der deutsche Botschafter Freiherr von Schoen hat, wie W. T. B.“ meldet, vorgestern abend mit dem Personal der Botschaft, dem deuischen Konsulat und den Mitgliebern der bayerischen Gesandtschaft Paris verlassen und den Bot— schafter der Vereinigten Staaten gebeten, die Sorge für die Interessen der Deutschen in Frankreich zu übernehmen.

Die französische Regierung hat den Botschafter Cam bon angewiesen, Berlin zu verlassen und das Archiv der Botschaft und den Schutz der französischen Interessen dem amerikanischen Botschafter anzuvertrauen.

Die gestrige Sitzung der Deputiertenkammer wurde vom Präsidenten Deschanel pün ktlich um 3 Uhr eröffnet. Der russische Botschafter Iswolsky wohnte der Sitzung auf der Diplomaten⸗ tribüne bei. Nachdem Deschanel Jauras einen Nachruf gewidmet hatte, der unter allgemeiner Aufmerksamkeit und begeistertem Beifall angehört wurde, gab er dem Minister des Aeußern Viviani das Wort, der eine Botschaft des Prä— sidenten verlas, die die Kammer stehend und unter häufigen Beifallrufen anhörte. Das Publikum stimmte in den Beifall der Deputierten mit ein. Viviani erstattete darauf ein diplomatisches Expofs über die Lage. Lauter Beifall er— tönte, als der Nedner der Haltung Belgiens huldigte. Mit Begeisterung nahm die Versammlung die Mitteilung über die französische und die russische Mobilisation sowie die An⸗ kündigung von der englischen Mobilisation auf. Viviani ver⸗ las darauf unter größter Aufmerksamkeit des Hauses die diplomatischen Dokumente, die Frankreich und England ver— binden. Zum Schluß erklärte der Redner inmitten un⸗ beschreiblicher Ovationen: Wir sind ohne Vorwurf und ohne Furcht. Minister Noulens zählte darauf die Gesetzes vorlagen auf, deren Annahme bie Regierung wünsche, namentlich die⸗ jenige, betreffend die Zulassung von Elsaß⸗Lothringern in die französische Armee. Sämtliche Gesetzes vorlagen wurden ange⸗ nommen. Der Präsident verlas ein von der serbischen Skupschtina übersandtes Sympathietelegramm und seine Ant⸗ wort darauf, in der er der tapferen serbischen Nation den Gruß Frankreichs ausgesprochen habe. Darauf wurde die

Sitzung aufgehoben. Italien.

Eine gestern veröffentlichte Erklärung des Minister⸗ rats besagt der „Agenzia Stefani“ zufolge:

Da einige Mächte Europas sich im Kriege zustand befinden, Italien aber im Zussande des Frledens mit allen Kriegführenden fei, seien die Regierung sowohl wie die Bürger und die Üntertanen des Königs verpflichtet, die Pflichten der Neutralität zu beobachten.

Die „Agenzia Stefani“ kündigt die Einberufung der ersten Kategorie der Jahrgänge 1889 und 18960 der Armee für den 8. August und zer Jahrgänge 1889 und 1890 der Mannschaften der niglichen Marine an. Außer⸗ dem werden unter die Fahnen gerufen sieben Jahrgänge Unteroffiziere, und zwar Maschinisten, Heizer, Steuerleute und Elektriker der Marine sowie das ganze kriegsdienstpflichtige Signalpersonal.

Ferner werden folgende Dekrete veröffentlicht:

Erstens werden die Sparkassen außer den Postsparkassen und dle Banken, mit Ausschluß der Emissionsbanken, ermächtigt, vom 4. bis zum 20. August Rückzahlungen auf Guthaben in aufen der Rechnung, welche in dem angegebenen Zeitraum zurückgefordert werden können, auf 5oso des Guthabens zu beschränken, jedoch müssen sie bis zu 50 Lire auszahlen.

Zweitens wird die Fälligkeit von Wechseln, welche innerhalb des Königreichs vom 1. bis zum 20. August fällig werden, um 20 Tage hinauggerückt.

Drittens wird Emissionsbanken um

der Maximalbetrag des Notenumlaufes der ein Drittel des bisherigen Betrages erhöht.

Schmeiz.

Der Bundesrat hat zum Chef des Generalstabes der schweizerischen Armee? den Oberstkorps kommandanten Sprecher von Bernegg, bisher Chef der Generalstabt⸗ abteilung des schweizerischen Militärdepartements, ernannt

Dänemark.

Da Krieg ausgebrochen ist zwischen Deutschland und Rußland sowie zwischen Deutschland und Frankreich, hat die dänische Regierung, wie „W. T. B.“ meldet, beschlossen, ab solute Neutralilät während dieser Kriege zu be⸗

obachten. Schweden. Die Regierung hat nach einer Meldung des „W. T. B.“ Schwedens absolute Reutralstät während der gegen⸗ wärtigen Kriege zwischen fremden Mächten erklärt.

Norwegen. Die Regierung hat laut Meldung des „W. T. B.“ ein De kret erlassen, welches die usfuhr von Korn und Mehl⸗ waren, Kartoffeln, Kohlen, Koks und mineralischen Oelen ver⸗

bietet. Türkei.

Die Regierung teilt fiel mit, daß sie, um die Neutra— lität der Türkei streng wahren zu können, die Meerengen der Dardanellen und den Bosporus für fremde Schiffe geschlossen hat. Vie „W. T. B.“ meldet, ist durch ein Dekret vom estrigen Tage für die Türkei ein Moratorium für die auer eines Monats angeordnet worden.

Rumänien.

In einem unter dem Vorsitze des Königs in Sinaia ab— lt Ministerra te, dem auch der Thronfolger, der er Abgeordnetenkammer, der frühere NMinister⸗

mehrere ehemalige inister und einige

eiwohnten, uurde die von

Rumänien unter den gegenwärtigen Umständen zu beobachtende Haltung einer Prüfung unterzogen. Der „Agence Roumaine“ zufolge beschloß der Ministerrat fast einstimmig, daß Rumänien alle Maßregeln zur Verteidigung seiner Grenzen ergreifen solle.

Amerika.

Der Präsident Wilson hat die Neutralitätserklä⸗ rung der Vereinigten Staaten von Amerika er⸗ lassen.

Der Präsident des Deutsch-Amerikanischen Nationalbundes erklärt, wie W. T. B.“ aus Washington gemeldet wird, in einem Aufrufe: „In dieser schweren Zeit Deutschlands ist es Pflicht, daß, wir Deutsch⸗Amerikaner fest und treu zusammensflehen. Vie Exekutive des National⸗ bundes ist auf der Wacht für die besten Interessen des Deutschtums, für die beste Art und Weise der Bewahrung des deutschen Namens gegen die Gehässigkeit und Unwissenheit einer Minderheit in unserem eigenen Lande.“ Der Aufruf regt an, überall Sammlungen zu veranstalten.

Das Rote Kreuz hat beschlossen, seine Dienste allen krieg⸗ führenden Nationen anzubieten.

Kriegsnachrichten.

Königsberg, 4. August. (W. T. B.) Bei Lengwethen wurden acht Mann einer russischen Ulan enpatrouille von unserem Landsturm gefangen genommen.

Königsber g, 4. August. (W. T. B. Deutsche Truppen haben Kibarty ge stürm t. Die Russen gingen unter Zurück⸗ lassung von Gefangenen nach Osten zurück. Die eigenen Verluste sind gering.

Berlin, 5. August. (W. T. B.) Kurz nachdem bei Soldau be⸗ findliche Truppen heute morgen angetreten waren, umsstarke russische Kavallerie zurückzuwerfen, erfolgte der Angriff einer russischen Kavalleriebrigade. Unter dem Feuer der deutfchen Truppen brach der russische Kavallerieangriff unter schwersten Verlusten zusa mm en. Gestern nachmittag griff deutsche Kavallerie das von Russen besetzte Kibarty an, an der Bahn gelegener russischer Grenzort östlich Stallupönen. Die Besatzung von Kibarty verließ fluchtartig den Ort, der besetzt wurde. Eine in der Nähe befindliche russische Kavalleriedivision sah dem Kampf untätig zu. Der feindliche Grenzschutz ist hiermit durchbrochen, was für unsere Aufklärung von größter Wichtigkeit ist.

Berlin, 5. August. (W. T. B.). Die im Mittel mere befindlichen deutschen Kriegsschiffe sind gestern an der Küste von Algier erschienen und haben einzelne befestigte Plätze, die Einschiffungsorte für die französischen Truppen⸗ transporte sind, zerstört. Das Feuer wurde erwidert.

Statistik und Volkswirtschaft,

Branntweinproduktion, besteuerung und verbrauch im deutschen k im Betriebsjahre ,

Nach der vom Kaiserlichen Statistischen Amt veröffentlichten Statistik über die Branntweinbrennere und z besteuerung im deutschen Branntwein steuergebiet wurden im Betriebsjahre 1912/13 insgesamt 3 753 265 hl Alkohol erzeugt, und damit die vorjährige Erzeugung (3 466 347 hl) um 296 9I8 hl übertroffen. Von der Mebrerzeugung entfallen 264 918 hl auf landwirtschaftliche, 37 287 M auf gewerb⸗ liche, 20 hl auf Obstbrennereien; in den den Obstbrennereien gleich. gestellten Brennerejen wurden 5807 p weniger erzeugt.

Die landwirtschaftlichen Kartoffelbrennereien erzeugten 2985108 hl Alkohol 911/12: 2479 695 hl), die, landwirtschaftlichen Getreide; brennereien 265 850 hl Alfohol (1911112: 506 344 bij, pte gewerb⸗ lichen Kartoffelbrenneresen 22 134 M Altohel (1911/12: 18 922 hy, die, gewerblichen Getreidebrennereien 309 784 hl Alkohol (1911,12. 288 4538 hl), die Melassebrennereien 141 665 n] Alkohol (1911,12 128 154 hl), die sonstigen gewerblichen Brennereien 298 hI Affohol 191112: 1000 hl), die Obstbrennereien 7189 h] Alkohol (1911/12 669 hh), die den Ohstbrennereien gleichgestellten Brennerelen 21 297 31 Alkobol (1911/12: 27 104 hh.

Die Verbrauchgabgabe ergab einen Reinertrag von 226 277 944 H (911/12: 202 9679935 A); an Betriebsauflage wurden II 678 883 t mehr vergütet als vereinnahmt (1911/12: 2 4538 894 u Ueberschuß an Betrtebsauflage). Die Uebergangsabgabe für Branntwein aus Luxem⸗ burg betrug 17 4K 191112: 13 ).

Gegen Entrichtung der Verbrauchsabgabe wurden 1 857 299 hl Alkohol (1911/12: 1922 409 hl) in den freien Verkehr gesetzt (ab- züglich der gegen Vergütung der Verbrauchsabgabe ausgeführten Alkobolmengen), gegen Entrichtung des Zolles 13 gol h Alkohol (1911/12: 11123 hl), zusammen 1 871 260 7 Alkohol (— 2381 auf den Kopf der Bevslterung) gegen 1 933 532 ni (= 2,0 1 auf den Kopf) im Vorjahre.

Zur steuerfreien Verwendung wurden im ganzen 1 724 507 hl Alkohol (— 26 ] auf den Kopf) abgelassen (191112. 1573 839 b] 2 1 auf den Kopf), datßon T378 367 hl nach vollständiger (1911/12: 1219 693 hh), 309g 2565 bl nach unvollständiger Vergällung (911III2: 324777 hl) und 36 880 hl ohne Vergällung (1911/12: 29 369 hh).

Der Gesamtverbrauch von Branntwein für Genuß⸗ und ge⸗ werbliche Zwecke berechnet sich demnach für das Betriebsjahr 91213 auf 3 595 707 h] Alkohol (= 5 1 auf den Kopf) gegen 3 ho7 371 hl ( 531 auf den Kopf) im Jahre 1911/12.

Der Güterverkehr der deutschen im Jahre 1913.

Die kürzlich vom Kaiserlichen Statistischen Amt veröffentlichte uch vorläufige Angaben über den wichtigeren Schleusen und der Von den 135 Häfen, die ngen vom 25. Juni 1908 als wichtigere 2) an der Statistik betessigt. Von diesen hatten Gesamtverkehr von Über 1 Million Tonnen. An erster Stelle steht Puizbur g⸗Rubrort mit 28 gi3 460 onnen, dann folgen in weitem Abstand Hamburg mit 12 5632 618 t, Mannheim mit 5 520 670 t, Alsum mit Schwel⸗ gern mit 4302953 t, Stettin mit 240 535 t, Berlin mit 3931269 t und Kofel mit 3698 247 t. 5 Häfen hatten einen Verlehr von 2 biz 3 Millionen und 13 einen solchen von 1 bis 2 Millionen Tonnen. Der Sch leusenverkehr ift für 58 wich⸗ tigere Schleusen nachgewtefen. Den größten DVurchgangsgüterverkehr hatte die Brandenburger Vorstadtschleuse (ape mit 5 432 506 t, ihr folgen mit 3 bis 4 Millsonen Tonnen die Reue Tiergarienschleuse bei Oh lau, die Bredglauer Giöschelschleuse, die Rathenower Hauptschleuse, die Charlottenburger Schleuse, die Mühlendamm— schleuse in Berlin, die Schleufen bei Wernsdorf, Fütsten berg a. O. Münster 1' und bei Herbrum— Der Verkehr, der ar f Binnenwasserstraßen (einschließlich des Vodensees) die Grenjen des Beutschen Reichs ein. und auggehend überschritten hat, betrug 1913 45 163 905 t, wovon 25 092 187 t auf

Binnenhäfen

den Grenzeingang und 20 010 221 t auf den Grenzausgang entfielen.

Emmerich ist an dem gesamten Grenzverkehr allein mi 37 461 539 t beteiligt; dann folgen Schandau mit 3316517 t, Lagarde mit 1262 689 t und Sch mallening en mit 1150 363 6.

Mannigfaltiges.

Berlin, 5. August 1914.

Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin nahmen an dem Gottesdtenst im Dom teil. = Die angeordneten Gotteg⸗ dienste sind überall außerordentlich stark besucht gewesen, u. a. war an der Neuen Kirche ein so großer Andrang, daß der Gottesdienst im Freien auf dem Gendarmenmarkt abgehalten wurde. Der Prediger sprach von der Freitreppe des Schauspielhauses aus.

Lehrstellen im Nahrungsmittelgewerbe. Die Mobil— machung hat den einzelnen Zweigen des Nahrungsmittelgewerbes, vor allem den Bäckerei- und Fleischereibetrieben eine gewaltige Zahl von Arbeltskräften entzogen, die nur zum Teil aus der Zahl der Arbeitslosen werden ersetzt werden können. Es ist notwendig, den genannten Handwerken junge Arbeitskräfte, Lehrlinge, k mit denen die Betriebsinbaber die Versorgung Berlins mit den wichtigsten Lebensmitteln, Brot und gie. aufrecht erhalten können. Die Aussichten in diesen Berufen sind als durchaus günstig zu bezeichnen. In der Zentralstelle für Lehrstellenvermittlung in Berlin 80. 16, Am Köllnischen Park 3 sind gute Lehrstellen für Bäcker und Fleischer in großer Zahl ge⸗ meldet. Den Eltern, deren Söhne jetzt die Schule verlassen, werden dort täglich von 9 bis 3 und von 4 vis 7 Uhr gute, ausichtsreiche Lehrstellen in den genannten wie in allen Berufen kostenlos nach- gewiesen. Bäcker⸗ und Fleischerlehrlinge erhalten bei den Lehrherren Kost und Wohnung, in bielen Fällen auch Kleidung.

In vielen gewerblichen und kaufmännischen Betrieben ist durch die allgemeine Mobilmachung eine weitgehende Personaleinschränkung eingetreten; zahlreiche welbliche Arbeitskräfte sind beschäf⸗ tigungslos geworden. Der Zentralarbeits nachweis der Stadt Berlin fordert alle diese Frauen und Mädchen auf, sich in dem Buregu der Zentralstelle für die Vermittlung von weiblichem Aibeitspersonal, Rückertstraße 9, zu melden. Das Bureau ist jetzt von 7 Uhr Morgens bis 6 Uhr Abends ununker brochen geöffnet; Gebühren werden vorläufig nicht erhoben. Es wird nicht möglich sein, alle Arbeitslosen sofort wieder in Stellen unter⸗ zubringen; dennoch ist es für die Beschaͤftigungelosen von großer Be⸗ deutung, sich schon jetzt vormerken zu lassen, damit sie sofort bei Ein- gang von Stellenanmeldungen benachrichtigt werden können.

Doppelt bedeutungsvoll war in diesem Jahre die Feier, mit der die Köntgliche Friedrich Wilhelms -Univerfität am 3 August dag Gedächtnis ihres Stifters, des Königs riedrich Wil⸗ helm III. beging. Mittags um 12 Uhr verfammelten ich in der alten Aula der Üniversität hie Professoren und Studenten mit den Ehrengästen, unter denen * sich, wie hiesige Blätter be richten, der Staatsminister Sr. von Studt, der Wirk- liche Geheime Rat und Abteilungsdirektor im Ninisierium der geist⸗ lichen und Unterrichtsangesegen heiten Pyr. Naumann und der Wirkliche Geheime Oberregierungsrat Dr. Elster befanden. Der Akt vollzog sich zunächst in den üblichen Formen; feierlicher Chorgesang leitete ihn ein, worauf der Rektor, Geheimer Regierungsrat Professor Dr. Planck das Katheder betrat, um die Festrede üßer Problem der Gesetzlichkett in der Wissenschaft zu halten. Mit ruhiger Sachlichkeit erörterte der Redner zunächst das Ver⸗ halten zwischen dem dynamischen und dem statischen Prinzip der naturwissenschaftlichen Forschung, um zuletzt, vom Gegensatz der belden Prinzipien ausg— hend, in denen sich der Gegensatz von Makrokosmus und Mikrokos mus spiegele, auf den Auf⸗ stteg ins Allumfassende hingumessen, der! aug em wissenschaftlich Begrenzten empormachse: die Gefetzlichkeit der Physik wachse hinüber in die ethische Welt, wo menschliche Freiheit und Selbstbestimmung zu ihr irete. Nachdem der Redner dann das Ergebnis der Preisbewerbung bekanntgegeben und die neuen Preitz⸗ aufgaben für 1915 verlesen hatte, fuhr er etwa folgendermaßen fort: Es wird so mancher der Kommilltonen diese Aufgaben nicht mehr bearbeiten, der jetzt binaus muß, um mitzuhelfen, den feigen und niederträchtigen Ueber fall auf Deutschland abzu⸗ webren. Viele haben bereits die Untversität verlassen zu höherer Pflicht. Nach Erschöpfung beispielloser Langmut hat Deutschland das Schwert gezogen gegen die Brutstätten schleichender QAnterhältigkeit. Vor 199 Jahren ftand an dieser Stelle August Boeckh und feierte den Sieg der Freiheitskrtege. Damals wurden Hardenberg und Blücher zu Ehrendoktoren promoviert. Heute gibt es kein freudiges Erinnern, nur ein Vorwärts in die furchtbar ernfte Wirklichkeit. Gott schütze den Kaiser und das heiß geltebte Vaterland!“ Brausender Belfall der Versammlung, die sich von den Sitzen erhoben hatte, folgte den Worten, und donnernd erklang das Hoch auf Seine Majestät den Kaiser und König, das der Staatsmintister Dr. von Studt aus⸗ brachte Als letzter sprach der Defan der jurtstischen Fakultät, Geheimer Justtzrat Professor Dr. Kahl eine Mahnung an die⸗ jenigen, die nicht mit den Waffen dienen können; ihr Arbeitsfeld sollte freiwillige Krankenvflege semn. Eine Annahmestelle für Mel⸗ dungen sei in der Univerfität eingerichtet.

Möllendorff und Or.

Der Hauptvorstand des Vaterl Vereins hat für die Zwecke der Kriegskt Beträge seinen Verbänden und Vereinen Übe Herstellung von Bett. un lazarette der Nähabtellung band der Vaterländischen burg für sein Veresnsfazar walde, 10 9000 64 dem burg für sein Vereinsla stande des Verbandes d Lothringen für die do zur Helferinnenausbild Verein Lublin

ine in Elsa t vom Roten Kreuz in Vaterländischen Fraue egstätigkeit, 1000 „6 d ne im Regierungsbezf

Cöhn, 5. August. (W. T. B.) Vie „Kölnische melt aus Cochem: Der Landrat gibt bekannt: Pi Na n Gastwirt Nicolal den Tun nef bei Gochem zu sp

sucht habe und standrechtlich erschossen worden set,

Frau und Tochter nach der Karthause gebracht worde

funden.

Freiburg i. Br., 4. August.

lung des hiesigen Ausschusses des

Tagen gegen 60 0090 ergeben. (Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilag /

n . 1

. (W. T. B.) Die erste Sa m⸗ oten Kreuzes hat in wegen

Verantwortlicher Redakteur: .

Direktor Dr. Tyrol in Charlottenburg. Verlag der Cppebltion (3. V: Koys in Bertin Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und erlegen l Berlin 8W., Wllhelmstraße Nr. 32. .

Drei Beilagen.

J .

das

Mit dem hegeisserten Gesang der Nationalhymne, die die Piofessoren Dr. von Wilamowitz⸗ Lasson im Hinausschreiten anstimmten, verließ darauf die Versammlung nach ditser erhebenden Stunde den Saal.

Deutscher Reichstag. II. Session 1914. 1. Sitzung vom 4. August 1914, 3 Uhr Nachmittags. Gericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Am Tische des Bundesrats sind erschienen der Reichs—⸗ kanzler Dr. von Bethmann ö eg, die Staats⸗ minister, Staatssekretär des Innern Dr. Delbrück Staats⸗ sekretär des Reichsmarineamts, Großadmiral von Tirpitz, Justizminister Dr. Beseler, Minister der öffentlichen Ar⸗ beiten Lon Breitenbach, Minister für Handel und Ge⸗ werbe Dr. Sydow, Minister der geistlichen und Unterrichts⸗ angelegenheiten Dr. von Trott zu Solz, Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Freiherr von S chor⸗ lem er, Finanzminister Dr. Lentze, Minister des Innern von Loebell, Staatssekretär des Reichsschatzamts Kühn und Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Jagow, ferner der Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke und der Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Lis co.

Der Abg. Dr. Kaem pf eröffnet die Sitzung mit fol⸗ genden Worten:

Nach §.1 der Geschäftsordnung habe ich als Präsident der letzten Session die jetzige Session zu eröffnen. Ich tue dies hiermit, übernehme den Vorsitz un f . 99. Fisch Berlin, Engelen, Dr. Bärwinkel und Rogalla von Bieberstein; ich bitte

die Herren, an meiner Seite Platz zu nehmen.

Nach 82 der Geschäftsordnung ist der Reichstag durch das Los in sieben Abteilungen zu teilen. Der Abg. Basser⸗ mann (ul) beantragt, von der Verlosung des Reichstages in sieben Abteilungen und von deren Konstituierung Abstand zu nehmen. Das Haus beschließt dementsprechend.

Es würde nunmehr nach der Geschäftsordnung der Namensaufruf vorzunehmen sein. Auch hiervon wird auf Vorschlag des Abg. Dr. Sp ahn GZentr.) mit Rücksicht auf die augenscheinliche und auch vom Bureau festgestellte Be⸗ schlußfähigkeit des Hauses abgesehen.

Auf Vorschlag des Präsidenten wird von der Wahl der Fachkommissionen vorläufig Abstand genommen; sollte eine Kommission notwendig sein, so wird man sich darüber später schlüssig machen.

Eingegangen ist eine Reihe von Petitionen. Der Prä⸗ sident bittet den Abg. Schwabach, den früheren Vorsitzenden der Petitionskommission, die Berichterstattung zu übernehmen.

Der Abg. Graf von We st arp Ckons.) beantragt, die Wahl des Vorstandes sofort vorzunehmen und zum Präsidenten und zu Vizepräsidenten und zu Schriftführern diejenigen Herren, die am Schlusse der vorigen Session diese Aemter geführt haben, durch Zuruf wiederzuwählen. Gegen diesen Vorschlag wird von keiner Seite Widerspruch erhoben; die drei Präsi⸗ denten und die Schriftführer werden einstimmig wiedergewählt und nehmen sämtlich die Wahl mit Dank an.

Präsident Dr. Kaempf: Reichstag ist konstituiert. Ich werde nicht unterlassen, Seiner Majestät dem Kaiser bon der Kon⸗ stituierung des Hauses Kenntnis zu gehen. Ich kann bereits mitteilen, daß Seine Majestät der Kaiser den Wunsch ausgesprochen hat, das Präsidium heute abend 7 Uhr zu empfangen, und ich hoffe, daß ich in der Lage sein werde, alsdann Seiner Majestät Mitteilung zu machen, daß samtliche Vorlagen, die heute in der zweiten Sitzung beraten werden, Annahme gefunden haben.

Zu Quästoren beruft der Präsident die Abgg. Basser⸗ mann und Dr. von Savigny und fährt dann fort:

In der Zeit, wo der Reichstag nicht versammelt gewesen ist, hat

er große, schwere Verluste erlitten. Seine Königliche Hoheit der Großherzog Adolf Friedrich von Mecklenburg⸗Strelitz und Seine Doheit der Herzog Georg von Sachsen⸗Meiningen sind dahingeschieden. Ich habe nicht verfehlt, im Namen des Reichstages das innigste Bei⸗ leid auszusprechen. Aus Anlaß des fluchwürdigen verbrecherischen Attentats auf Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit den Erzherzog Franz Ferdinand und seine Gemahlin habe ich dem K. K. Botschafter von Oesterreich⸗Ungarn die Gefühle tiefsten Schmerzes und wärmster Anteilnahme namens des Reichstages aus⸗ gedrückt. Nachdem der Präsident Mitteilung von den seit dem Schluß der vorigen Session eingetretenen Veränderungen im Mitgliederbestande des Hauses gemacht hatte, ergreift das Wort der

Reichskanzler Dr. von Bet hmann Hollweg:

Ein gewaltiges Schicksal bricht über Europa herein. Seit wir uns das Deutsche Reich und Ansehen in der Welt erkämpften, haben wir 44 Jahre lang im Frieden gelebt und den Frieden Europas ge— schirmt. In friedlicher Arbeit sind wir stark und mächtig geworden und darum beneidet. Mit zäher Geduld haben wir es ertragen, wie unter dem Vorwande, daß Deutschland kriegslüstern sei, in Ost und West Feindschaft genährt und Fesseln gegen uns geschmiedet wurden. Der Wind, der da gesät wurde, geht jetzt als Sturm auf. Wir wollten in friedlicher Arbeit weiterleben, und wie ein unausgesprochenes Gelübde ging es vom Kaiser bis zum jüngsten Soldaten: nur zur Verteidigung einer gerechten Sache soll unser Schwert aus der Scheide fliegen. (CLebhaftes Braboh Der Tag, da wir es ziehen müssen, ist erschienen gegen unseren Willen, gegen unser redliches Bemühen. Rußland hat die Brandfackel an das Haus gelegt. (Stürmische Rufe: Sehr richtigh Wir stehen in einem erzwungenen Kriege mit Rußland und Frank- reich.

Meine Herren, eine Reihe von Schriftstücken, zusammengestellt in dem Drang der sich überstürzenden Ereignisse, ist Ihnen zugegangen. Lassen Sie mich die Tatsachen herausheben, die unsere Haltung kenn⸗ zeichnen. Vom ersten Augenblick des österreichisch serbischen Konflikts an erklären und wirken wir dahin, daß dieser Handel auf Oesterreich⸗ Ungarn und Serbien beschränkt bleiben müsse. Alle Kabinette, in⸗ sonderheit auch England, vertreten denselben Standpunkt. Nur Rußland erklärt, daß es bei der Austragung dieses Konfliktes mitreden müsse. Damit erhebt die Gefahr europäische Verwicklung ihr drohen⸗ des Haupt. Sobald die ersten bestimmten Nachrichten über militärische Rüstungen in Rußland vorliegen, lassen wir in Petersburg freund⸗ schaftlich aber nachdrücklich erklären, daß kriegerische Maßnahmen gegen Desterreich uns an der Seite unseres Bundesgenossen finden würden

Der

d berufe zu vorläufigen Schriftführern die Abgg. Fischer⸗

auf reichsländisches Gebiet eingebrochene französische

Erste Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und König 3 S2.

Berlin, Mittwoch, den 5. August

sstürmischer Beifall), und daß militärische Vorbereitungen gegen uns selbst uns zu Gegenmaßregeln zwingen würden. (Erneuter lebhafter Beifall) Mobilmachung aber sei nahe dem Kriege. Rußland beteuert uns in feierlicher Weise seinen Friedenswunsch sstürmische Rufe: Hört, hörth, und daß es keine militärischen Vorbereitungen gegen uns treffe. (Bewegung. Inzwischen sucht England zwischen Wien und Petersburg zu ver⸗ mitteln, wobei es von uns warm unterstützt wird. (Hört, Hört! und Bravoh Am 28. Juli bittet der Kaiser telegraphisch den Zaren, er möge bedenken, daß Oesterreich⸗Ungarn das Recht und die Pflicht habe, sich gegen die großserbischen Umtriebe zu wehren, die seine Existenz zu unterhöhlen drohten. (Sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberalen) Der Kaiser weist den Zaren auf die solidarischen monarchischen Interessen gegenüber der Freveltat von Serajewo hin. Er bittet ihn, ihn persönlich zu unterstützen und den Gegensatz zwischen Wien und Petersburg auszugleichen. Ungefähr zu derselben Stunde und vor Empfang des Telegramms bittet der Zar seinerseits den Kaiser um seine Hilfe, er möge doch in Wien zur Mäßigung raten. Der Kaiser übernimmt die Vermittlerrolle. Aber kaum ist die von ihm angeordnete Aktion im Gange, so mobilisiert Rußland alle seine gegen Oesterreich⸗Ungarn gerichteten Streitkräfte. (Lebhafte Rufe: Hört, hört! Unerhört! Pfuih Oesterreich⸗Ungarn selbst aber hatte nur seine Armeekorps, die unmittelbar gegen Serbien gerichtet sind, mobilisiert. Gegen Norden zu nur zwei Armeekorps und fern von der russischen Grenze. (Hört, hört! rechts) Der Kaiser weist sofort den Zaren darauf hin, daß durch diese Mobilmachung der russischen Streitkräfte gegen Oesterreich die Vermittlerrolle, die er auf Bitten des Zaren übernommen hatte, erschwert, wenn nicht unmöglich ge⸗ macht würde. Trotzdem setzten wir in Wien unsere Vermittlungs⸗ aktion fort, und zwar in Formen, welche bis an das Aeußerste dessen gehen, was mit unserem Bundesverhältnis noch verträglich war. (Hört, hört! rechts und im Zentrum) Während der Zeit erneuert Rußland spontan seine Versicherungen, daß es gegen uns keine mili⸗ tärischen Vorbereitungen treffe. (Hört, hört! Pfuih Es kommt der 31. Juli! In Wien soll die Entscheidung fallen. Wir haben es bereits durch unsere Vorstellungen erreicht, daß Wien in dem eine Zeitlang nicht mehr im Gange befindlichen direkten Verkehr die Aussprache mit Petersburg wieder aufgenommen hat. (Hört, hört! rechts und im Zentrum) Aber noch bevor die letzte Entscheidung in Wien fällt, kommt die Nachricht, daß Rußland seine gesamte Wehr⸗ macht, also auch gegen uns mobil gemacht hat. (Hört, hört! rechts und im Zentrum) Die russische Regierung, die aus unseren wieder— holten Vorstellungen wußte, was Mobilmachung an unserer Grenze bedeutet, notifiziert uns diese Mobilmachung nicht, gibt uns zu ihr auch keinerlei erklärenden Aufschluß. (Hört, hörth Erst am Nach⸗ mittag des 31. trifft ein Telegramm des Zaren beim Kaiser ein, in dem er sich dafür verbürgt, daß seine Armee keine provokatorische Haltung gegen uns einnehmen würde. (Hört, hört! und Heiterkeit.) Aber die Mobilmachung an unserer Grenze ist schon seit der Nacht dom 30. zum 31. Juli in vollem Gange. Während wir auf russisches Bitten in Wien vermitteln, erhebt sich die russische Wehrmacht an unserer langen, fast ganz offenen Grenze, und Frankreich mobilisiert zwar noch nicht, aber trifft doch, wie es zugibt, militärische Vor⸗ bereitungen. Und wir wir hatten absichtlich bis dahin keinen Reserve⸗ mann einberufen, dem europäischen Frieden zuliebe. ELebhaftes Bravo.) Sollten wir jetzt weiter geduldig warten, bis etwa die Mächte, zwischen denen wir eingekeilt sind, den Zeitpunkt zum Losschlagen wählten? (Vielfache Rufe: Nein, nein) Dieser Gefahr Deutsch⸗ land auszusetzen, wäre ein Verbrechen gewesen! (Stürmischer, lang anhaltender Beifall; Darum fordern wir noch am 31. Juli von Rußland die Demohbilisierung, als einzige Maßregel, welche noch den europäischen Frieden retten könnte. (Sehr richtig) Der Kaiserliche Botschafter in Petersburg erhält ferner den Auftrag, der russischen Regierung zu erklären, daß wir im Falle der Ablehnung unserer Forderung den Kriegszustand als eingetreten betrachten müßten.

Der Kaiserliche Botschafter hat diesen Auftrag ausgeführt. Wie Rußland auf unsere Forderung der Demobilisierung geantwortet hat, wissen wir heute noch nicht. (Lebhafte Rufe: Hört, hört! Tele— graphische Meldungen darüber sind nicht bis an uns gelangt (Hört, hörth, obwohl der Telegraph weit unwichtigere Meldungen noch über⸗ mittelte. (Erneute lebhafte Rufe: Hört, hörth

So sah sich, als die gestellte Frist längst verstrichen war, der Kaiser am 1. August, Nachmittags 5 Uhr, genötigt, unsere Wehr⸗ macht mobil zu machen. Cebhaftes Bravo.)

Zugleich mußten wir uns bersichern, wie sich Frankreich stellen würde. Auf unsere bestimmte Frage, ob es sich im Falle eines deutsch⸗russischen Krieges neutral halten würde, hat uns Frankreich geantwortet, es werde tun, was ihm seine Interessen geböten. (Tachen.) Das war eine ausweichende Antwort auf unsere Frage, wenn nicht eine Verneinung unserer Frage. (Sehr wahrh

Trotzdem gab der Kaiser den Befehl, daß die französische Grenze unbe⸗ dingt zu respektieren sei. Dieser Befehl wurde strengstens befolgt, bis auf eine einzige Ausnahme. Frankreich, das zu derselben Stunde wie wir mobil machte, erklärte uns, es werde eine Zone von 10 Kilometer an der Grenze respektieren. (Hört, hört! rechts) Und was ge⸗ schah in Wirklichkeit? Bombenwerfende Flieger, Kavalleriepatrouillen, Kompagnien! (Hört, hört Damit hat Frankreich, obwohl der Kriegszustand noch nicht erklärt war, den Frieden gebrochen (Mehrseitige Rufe: Sehr richtig) und uns tatsächlich angegriffen. (Sehr richtigh

Was jene Ausnahme betrifft, so habe ich vom Chef des General⸗ stabs folgende Meldung erhalten: .

Von den französischen Beschwerden über Grenzverletzungen unsererseits ist nur eine einzige zuzugeben. Gegen den ausdrüsck— lichen Befehl hat eine, anscheinend von einem Offizier geführte Patrouille des 14. Armeekorps am 2. August die Grenze über⸗ schritten. Sie ist scheinbar abgeschossen, nur ein Mann ist zurück gekehrt. Aber lange bevor diese einzige Grenzüberschreitung er⸗

lich Preußischen Staatsanzeiger.

1914.

folgte, haben französische Flieger bis nach Süddeutschland hinein auf unsere Bahnlinien Bomben abgeworfen (Lebhafte Rufe: Hört, hörth, haben am Schluchtpaß französische Truppen unsere Grenzschutz⸗ truppen angegriffen. Unsere Truppen haben sich, dem Befehle gemäß, zunächst gänzlich auf die Abwehr beschränki. So weit die Meldung des Generalstabs.

Meine Herren, wir sind jetzt in der Notwehr (Lebhafte Zu⸗ stimmung); und Not kennt kein Gebot! (ELebhaftes Bravo) Unsere Truppen haben Luxemburg besetzt Eebhaftes Bravo), vielleicht schon belgisches Gebiet betreten. (ebhaftes Bravo.) Meine Herren, das widerspricht den Geboten des Völkerrechts. Die französische Re⸗ gierung hat zwar in Brüssel erklärt, die Neutralität Belgiens respek⸗ tieren zu wollen, solange der Gegner sie respektiert. Wir wußten aber, daß Frankreich zum Einfall bereit stand. (Hört, hört! rechts.) Frankreich konnte warten, wir aber nicht! Ein französischer Einfall in unsere Flanke am unteren Rhein hätte verhängnisvoll werden können. (Lebhafte Zustimmung) So waren wir gezwungen, uns über den berechtigten Protest der luxemburgischen und der belgischen Regierung hinwegzusetzen. (Sehr richtig) Das Unrecht ich spreche offen das Unrecht, das wir damit tun, werden wir wieder gutzumachen suchen, sobald unser militärisches Ziel erreicht ist. (Bravo) Wer so bedroht ist, wie wir, und um sein Höchstes kämpft, der darf nur daran denken, wie er sich durchhaut! (An⸗ haltender, stürmischer Beifall und Händeklatschen auf allen Seiten des Hauses.)

Meine Herren, wir stehen Schulter an Schulter mit Oesterreich⸗ Ungarn. Was die Haltung Englands betrifft, so haben die Erklä⸗ rungen, die Sir Cdward Grey gestern im englischen Unterhaus ab⸗ gegeben hat, den Standpunkt klargestellt, den die englische Regierung einnimmt. Wir haben der englischen Regierung die Erklärung abge⸗ geben, daß, solange sich England neutral verhält, unsere Flotte die Nordküste Frankreichs nicht angreifen wird, und daß wir die territori⸗ ale Integrität und die Unabhängigkeit Belgiens nicht antasten werden. Diese Erklärung wiederhole ich hiermit vor aller Welt (Hört, hörth, und ich kann hinzusetzen, daß, solange England neutral bleibt, wir auch bereit wären, im Falle der Gegenseitigkeit keine feindlichen Operationen gegen die französische Handelsschiffahrt vorzunehmen. (Bravo h

Meine Herren, so weit die Hergänge. Ich wiederhole das Wort des Kaisers: „Mit reinem Gewissen zieht Deutschland in den Kampf!“ (Bravo) Wir kämpfen um die Früchte unserer friedlichen Arbeit, um das Erbe einer großen Vergangenheit und um unsere Zukunft. Die 50 Jahre sind noch nicht vergangen, von denen Moltke sprach, daß wir gerüstet dastehen müßten, um das Erbe, um die Errungenschaften von 1870 zu verteidigen. Jetzt hat die große Stunde der Prüfung für unser Volk geschlagen. Aber mit hellet Zuversicht sehen wir ihr entgegen. (Stürmischer Beifall) Unsere Armee steht im Felde, unsere Flotte ist kampfbereit hinter ihr das ganze deutsche Volk! (Andauernder lebhafter Beifall und Händeklatschen auf allen Seiten des Hauses und auf den Tribünen. Der Reichstag erhebt sich) Das ganze deutsche

Volk bis auf den letzten Mann! (Wiederholter stürmischer Beifall.)

Sie,

meine Herren, kennen Ihre Pflicht in ihrer ganzen Größe. Die Vorlagen bedürfen keiner Begründung mehr.

Ich bitte um ihre schnelle Erledigung. (Stürmischer Beifall)

Präsident Dr. Kaempf: Der Ernst der Lage, über den niemand unter uns sich mehr hat täufchen können, ist in seinem vollsten Um⸗ fange und in seiner vollen Schwere in den Worten unseres Herrn Reichskanzlers zum Ausdruck gekommen. Wir befinden uns mächtigen Gegnern gegenüber, die uns von rechts und links bedrohen, ohne Kriegs⸗ erklärung über unsere Grenzen hereingebrochen sind, und die uns den Kampf zur Verteidigung unseres Vaterlandes aufgezwungen haben. Wir sind uns bewußt, daß der Krieg, in den zu ziehen wir geswungen sind, ein Kampf der Abwehr ist, gleichzeitig aber auch für Deutsch— land ein Kampf um die höchsten geistigen und materiellen Güter der Nation, ein Kampf auf Leben und Tod, ein Kampf um unsere ganze Fxistenz. Der Augenblick, in dem der Reichstag sich anschickt, ange⸗ sichts des Ausbruches des K rieges die Gesetze zu votieren, die für den Krieg und für das Wirtschaftseben der Nation während des Krieges die sichere Grundlage zu bieten bestimmt sind, ist ein feierlicher und tiefernster, zu gleicher Zeit aber auch ein unendlich großer und er— hebender. Schwere Lasten müssen dem ganzen Volke auferlegt, schwere Opfer von jedem einzelnen gefordert werden; aber es gibt niemand im ganzen Deutschen Reiche, der nicht ein volles Verständnis hätte für das, was auf dem Spiele steht, si

und freudig diese Lasten übernimmt, freudig bereit ist, diese Opfer dem Vaterlande darzubringen. Die Be⸗ geisterung, die wie ein Sturm durch das ganze Land braust, ist uns Zeuge dabon, daß das ganze deutsche Volk Gut und Blut zu opfern gewillt ist für die Ehre des Deutschen Reiches. Niemals hat das Volk einmütiger ismmenge standen als heute. Auch diejenigen, die sonst sich grundsätzlich als Gegner des Krieges bekennen, eilen zu den Fahnen. Ihre Vertreter im Reichstage bewilligen ungesäumt die für die Verteidigung des Reiches notwendigen Mittel. Die Gesamtheit des Volkes steht somit fest und brüderlich ein für die Sühne des uns zu⸗ gefügten Unrechtes und für die Abwehr des uns aufgezwungenen Kampfes. Wir wissen uns hierbei eins mit den verbündeten Regie⸗ rungen. Wir alle, Regierungen und Volk, haben nur den einen ö. danken: Ehre, Wohlfahrt und Größe des Deutschen Reiches. So zieht das Volk in Waffen im Bewußtsein seiner Stärke hinaus in den heiligen Kampf, alt und jung von gleicher Begeisterung durchdrungen. Aus den Augen unserer Brüder und Söhne blitzt der alte . Kampfesmut. Siegesfroh und siegesgewiß stehen wir zur Leitung unseres Heeres und unserer Marine: die Einmütigkeit der ganzen Nation, die Starke des Volkes in Waffen, die Kaltblütigkeit der Heeres⸗- und Marineleitung verbürgen uns den Sieg in dem Kampfe, den wir mit dem Bewußtfein der Gerechtigkeit unserer Sa führen zur Verteidigung der Ehre und Größe unseres Vaterlandes. Eebhafter Beifall auf allen Seiten des Hauses und auf den Tribünen.)

Der Präsident schlägt darauf vor, die Sitzung jetzt zu schließen und die nächste Sitzung um 5 Uhr Nachmittags zur Beratung der Vorlagen abzuhalten. Das Haus stimm dem Vorschlage zu.

Schluß 3 Uhr 50 Minuten.