ae ne. Regierung für den Fall eines drohenden Angriffs von eiten einer dritten Macht, sofort in einen Meinungtaugtausch parüber einzutreten, ob gemeinsames Handeln zur Abwehrung des Angriffs geboten sei, und = . ob und inwieweit die bestehenden militärischen Vereinbarungen zur Anwendung zu bringen sein würden.
Die Fassung der Vereinbarungen trägt mit feiner Berechnung der englischen Mentalität Rechnung. England übernimmt formell keinerlei Verpflichtung zu militärischer Hilfeleistung. Es behält dem Wortlaut nach die Hand fret, stets nur seinen Interessen entfprechend handeln zu können. Daß aber durch diese Vereinbarungen in Verbindung mit den getroffenen milttärischen Abmachungen England Ae facto dem französtschen Revanchegedanken bereits rettungslos ver⸗ schrieben hat, bedarf kaum einer befonderen Ausführung.
Die englische Regierung spielt ein gefährliches Spiel. Sie hat durch ihre Politit in der bosnischen und in der marokfanischen Frage Krisen hervorgerufen, die Europa zweimal an den Rand eines Krieges brachten. Die Ermutigung, die sie direkt wie indirekt andauernd dem französischen Chauvinismus zuteil werden läßt, kann elnes Tages ju einer Katastrophe führen, bei der englische wie französische Soldaten auf französischen Schlachtfeldern englische Einkreisungspolltik mit ihrem Blute bezahlen werden.
Die Saat, die König Eduard gesät hat, geht auf.
Brief Sir E. Grey's Foreign Office an den Französischen Botschafter 22. November 1912. Paul Cambon. My dear Ambassador,
From time to time in recent vears the French and British naval and military experts have consulted together. It, has always been understood that such consultation does not restrict the freedom of either Government to decide at any future time whether or not to assist the other by armed force. We have agreed that consultation between expérts is not and ought not to be regarded as an engagement that commits either Government to action in a contingency that has not arisen and may never arise. The disposition for instance of the French and British fléets respectively at the present moment is not based upon an engagement to cooperate in war.
ou have, however, pointed out that if either Govern- ment had grave reason to expect an unprovoked attack by a third Power, it might become essential to know whether it could in that event depend upon the armed assistance of the other.
L agree that, if either Government had grave reason to expect an unprovoked attack by a third Power, or something that threatened the general peace, it should immediately discuss with the other whether both Govern- ments should act together to prevent aggression and to Preserve peace, and, if so, what measures they would be prepared to take in common. If these measures involved action, tho plans of the general staffs would at once be taken into consideration and the Governments would then decide What effect should be given to them.
Londres, le 23 Novembre 1912. Brief des Französischen Botschafters M. Paul Cambon an Sir FE. Grey
Par Votre lettre en date d'hier 22 Novembre, Vous m'avez rappels que dans ces dernières années les autorités militaires et navales de la France et de la Grande— Bretagne s'staient consultöes de temps en temps; qu'il avait toujours été entendu que ces consültations ne restréeig- naient pas la liberté pour chaque Gouvernement de décidér dans Lavenir s'ils se pr6teraient Bun autre 1 concours de leurs forces armées; que de part et d'autre ces consultations entre spécialistes n'étaient et ne devaient pas Stre considérées comme des engagements obligeant nos Gouvernements à agir dans certains cas; que cependant je Vous avais fait observer que si lun ou Lautre Gouvernement avait de graves raisons d'appréhender une attaque non provoquése de la part d'une tierce Puissance, il deviendrait essentiel de savoir s'il pourrait compter sur l'assistance arm6ée de l'autre. Votre lettre réöpond à cette observation et je suis autoriss 4 Vous döéclarer que dans 186 cas ol l'un de nos Gouverne— ments aurait un motif grave d'appréöhender soit agression d'une tierce Puissancèe, soit quelque 6évéönement menagant pour la paix générale, ce Gouvernement examinerait immédiate- ment avec Lautrs si les deux Gouvernements doivent agir de concert en vue de prévenir l'agression on de sauvegarder la paix. Dans ce cas. les deux Gouvernsments délibéreraient gur les mesures qu'ils seraient disposés à prendre en commun; si ges mesures comportaient une action, les deux Gouverne- ments prendraient aussitöt en considsration le plan de 10urs Etats-Majors et décideraient alors de la suite qui devrait 6tre donnée à ces plans.
II.
.... Mu 1914.
Ueber die politischen Ergebnisse des Besuchs des Königs von England in Paris erfahre ich, daß zwischen Sir Edward Grey und Herrn Doumergue eine Reihe politischer Fragen erörtert worden ist. Außerdem ist französischerseits die Anregung erfolgt, die bestehenden besonderen militärpolitischen Abmachungen zwischen Frankreich und England durch analoge Abmachungen zwischen England und Rußland zu ergänzen. Sir Edward Grey hat den Gedanken sympathisch aufgenommen, sich aber außerstande erklärt, ohne Befragen des englischen Kabinetts irgend, eine Bindung zu üher— nehmen. Der Empfang der englischen Gäste durch die französische Regierung sowle die Parlser Bevölkerung soll auf den Minister in hohem Grade Eindruck gemacht haben. Es ist zu befürchten, daß der englische Staatsmann, der zum ersten Male in amtlicher Eigenschaft im Aus— land geweilt und, wie behauptet wird, überhaupt zum ersten Male den englischen Boden verlassen hat, französischen Einflüssen in Zukunst noch in höherem Grade unterliegen wird, als das bisher schon der
Fall war. III. , , Jun 1914.
Die Nachricht, daß französischerseits anläßlich des Besuches des Königs von England in Paris milltärische Abmachungen iwischen England und Rußland angeregt worden sind, wird mir bestätigt. Ueher die Vorgeschichte erfahre ich zuverlässig, daß die Anregung auf Herrn Jewoltkt zurückgeht. Der Gedanke des Botschafters war es gewesen, die erwartete Feststimmung der Tage von Paxis zu einer Umwandlung der Tripleentente in ein Bündnis nach Analogie des Dreibundes auszunutzen. Wenn man sich schließlich in Pariz und Peters. burg mit weniger begnügt hat, so scheint da tür die Erwägung maßgebend gewesen zu sein, daß in England ein großer Teil der öffentlichen Meinung dem Abschluß förmlicher Bündnisverträge mit anderen Mächten durchaus ablehnend gegenübersteht. Angesichts dieser Tatsache hat man sich trotz der zahlreichen Beweise für den gänzlichen Mangel an Widerstandt, kraft der englischen Politik gegen Einflüsse der Entente — ich darf an die Hefolaschaft erinnern, die noch jüngst Rußland in der Frage der deutschen Militärmission in der Türkei von England erfahren hat — offenbar gescheut, gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. Ea ist vielmehr die Taktik langsamen schrittweisen Vorgehens beschlossen worden. Sir Edward Grey hat die französisch russijche Anregung im englischen Ministerrat warm vertreten, und das Kabinett hat sich selnem Votum angeschlossen. Es ist beschlossen worden, in erster Linse ein Marineabkommen ins Auge zu fassen und die Verhandlungen in London zwischen der englischen Admiralität und dem russischen Marmenttachs stattfinden zu lassen. ,
Die Befriedigung der russischen und französischen Diplomatie über diese erneute Ueberrumpelung der englischen Politiker ist groß. Man hält den Abichluß eines formellen Bändnisvertrages nur noch für eine Frage der Zeit. Um dies Ergebnis zu beschleunigen, würde
man in St. Petersburg sogar zu gewissen Schelnkonzessionen an England in der perstschen graf bereit seln. Die zwischen den beiden Maͤchten in dieser Hinsicht in letzter Zeit aufgetauchten Meinungs—⸗ verschiedenheiten haben noch keine Erledigung gefunden. Russischer⸗ seits arbeitet man vorläufig mit beruhigenden Versicherungen wegen der Besorgnisse, die in England im Hinblick auf die Zukunft Indiens in neuerer Zeit wieder hervorgetreten sind.
IV. i m Man ist in St. Petersburg und London sehr beunruhigt wegen der französischen Indiskretionen über die russisch⸗englische Marine— konvention. Sir Edward Grey befürchtet Anfragen im Parlament. Der Marineattachs Kapitän Wolkow, der einige Tage in St. Peterg⸗ burg gewesen ist, vermutlich um Instruttionen für die Verhandlungen in Empfang zu nehmen, ist nach London zurückgekehrt. Die Ver⸗ handlungen haben bereits begonnen.
V. — e , ot.
Im Unterhause wurde von ministerieller Seite an die Regierung die Anfrage gerichtet, ob Großbritannien und Rußland jüngst ein y abgeschlossen hätten, und ob Verhandlungen zwecks Abschluß einer solchen Vereinbarung unlaͤngst zwischen den beiden Ländern stattgefunden hätten oder gegenwärtig im Gange seien.
Sir Edward Grey nahm in seiner Antwort Bezug auf ähnliche im Vorjahre an die Regierung gerichtete Anfragen. Der Premier⸗ minister habe damals, so fubr Sir Edward Grey fort, geantwortet, es bestünden für den Fall des Ausbruchs eines Krieges zwischen europäischen Mächten keine unveröffentlichten Vereinbarungen, die die freie Entschließung der Regierung oder des Parlaments darüber, ob Großbritannien an einem Keiege teilnehmen solle oder nicht, einengen oder hemmen würden. Diese Antwort sei heute ebenso zutreffend, wie vor einem Jahre. Es selen seither keine Verhand—⸗ lungen mit irgend einer Macht abgeschlossn worden, die die fragliche Erklärung weniger zutreffend machen würden; keine derartigen Ver handlungen seien im Gange, und es sei auch, soweit er urteilen könne, nicht wahrscheinlich, daß in solche eingeireten werden würde; wenn aber irgendein Abkommen abgeschlossen werden sollte, das eine Zurücknahme oder Abänderung der erwähnten letztjährigen Erktärung des Premtermmnisters nötig machen sollte, so müßte dasselbe seiner Ansicht nach, und das würde auch wohl der Fall sein, dem Parlament vorgelegt werden. J
Die englijche Presse entbält sich in ihrer großen Mehrzahl jeg— licher Bemerkungen zu der Erklärung des Miniflers..
Nur die beiden radikalen Blätter Daily News“ und „Manchester Guardian“ äußern sich in kurzen Leitartikeln Die erstgenannte Zet⸗ tung begrüßt die Worte Sir Edward Greys mit Genugtuung und meint, sie seien klar genug, um jeden Zweifel zu zerstreuen. England sei nicht im Schlepptau irgend eines anderen Landes. Es sei nicht der Vasall Rußlands, nicht der Verbündete Frankreichs und nicht der Feind Deutschlands. Die Erklärung sei eine heilsame Lektion für diejenigen englischen Preßleute, die glauben machen wollten, daß es eine Tripleentente! gebe, die dem Dreihund wesensgleich sei.
Der „Manchester Guardian“ hingegen ist durch die Erklärung des Ministerz nicht berriedigt. Er bemängelt ihre gewun dene Form und sucht nachzuweisen, daß sie Auslegungen zulasse, die das Vorhandensein gem fer vielleicht bedingter Verabredungen der gerüchtweise verlaut⸗ arten Art nicht durchaus ausschlössen.
Dle Erklärungen Sir Edward Greys entsprechen einer vertrau— lichen Aeußerung einer Persönlichkeit aus der nächsten Umgebung des Ministers:
Er könne aufs ausdräcklichste und bestimmteste versichern, daß keinerlei Abmachungen militärischer oder maritimer Natur zwischen England und Frankreich bestünden, obwohl der Wunsch nach solchen auf französischer Seite wiederholt kundgegeben worden sei. Was das englische Kabinett Frankreich abgeschlagen habe, werde etz Rußland nicht gewähren. Es sei keine Flottenkonveation mit Rußland ge— schlofsen worden und es werde auch keine geschlossen werden.“
VI. w
Sir Edward Grey hat offenbar das Bedürfnis empfunden, den Ausführungen des Manchester Guardian“ über seine Jaterpellations. beantwortung in Sachen der angeblichen englisch-russischen Flotten⸗ entente sogleich nachdrücklich entgegenzutreten. Die „Westminster Gazette“ bringt an leitender Stelle aus der Feder Mr. Spenders, der bekanntlich zu den intimsten politischen Freunden Sir Edward Greys gehört, ein Dementi, das an Bestimmtheit nichts zu wünschen übrig läßt. Es ist darin gesagt: Es besteht kein Flottenabkommen und es schweben keine Verhandlungen über ein Flottenabkommen zwischen Großbritannien und Rußland.
Niemand, der den Charakter und die Methoden Sir Edward Greys kenne, werde auch nur einen Augenblick annehmen, daß die von ihm abgegebene Ertlarung bezwecke, die Wahrheit zu verschleiern.
VII. . Juni 1914.
Daß die Erklärung Sir Edward Greys im englischen Unter— hause über das russischenglische Marineabkommen von der öffent- lichen Meinung in England so bereitwillig akzeptiert worden ist, bat hier und in Petersburg große G uleichterung hervorgerufen. Die Drahtzleher der Aktion hatten schon befürchtet, daß der schöne Traum des neuen Dreibundes ausgeträumt sein könne. Es fällt mir übrigens schwer daran zu glauben, daß es dem ‚„Manchester Guardian“ allein beschieden gewesen sein sollte, den Trick zu durchschauen, dessen sich Sir Edward Grey bediente, indem er die Frage, ob Verhandlungen über ein Marineabkommen mit Rußland schwebten oder im Gange seien, nicht beantwortete, sondern die ihm garnicht gestellte Frage verneinte, ob England bindende Verpflichtungen bezüglich der Beteiligung an einem europäischen Kriege eingegangen sel. Ich neige vielmehr der Ansicht zu, daß die englische Presse in diesem Falle wieder einmal einen Be⸗ weis für ihre bekannte Diszivlin in Behandlung von Fragen der aus wärtigen Politik gegeben und, sei es auf ein mot d'ordre hin, sei es aus polttischen Instinkt geschwiegen hat. Welchen Kritiken und welchen Bemängelungen seitens der deuischen Volksvertreter und der deutschen Presse würde nicht die Kaiserliche Regierung ausgesetzt sein, welches Geschret über unsere auswärtige Politik und unsere Biplomaten wüde sich nicht erheben, wenn eine ähnliche Erklärung vor dem Reichstag abgegeben würde! In dem parlamentarischen England schweigt jedermann, wenn ein Minister in so offenkundiger Weise die eigene Partei, die Volksvertretung und die öffentliche Meinung des ganzen Landes irre zu führen sucht. Was bringt nicht England alles seiner Germanophobie zum Opfer.
. ... Juni 1914.
Von einer Stelle, die sich die alten Sympathien für Deutsch= land bewahrt hat, ist mir mit der Bitte um strengste Gebeimhaltung die gehorsamst beigefügte Aufzeichnung über eine Konferenz zug“ gangen, die am 26. Mat d. J. beim Chef des russischen Marinestabes stattgefunden hat und in der die Grundlagen für die Verhandlungen über das russisch⸗englische Marineabkommen festgestellt worden sind. Zu welchem Ergebnis die Verhandlungen bis jetzt geführt haben, wußte mein Gewährgmann noch nicht, äußerte aber sehr ernste Be— sorgnisse über die Förderung, die der russische Nationalismus ersah en werde wenn das Abkommen tatsächlich zustande komme. Sei man des Mitgehens Englands erst gewiß, so würden die bekannten pan— slawistischen Hetzer nicht zögern, die erste sich bietende Gelegenheit zu benutzen, um es zum Kriege zu bringen. Auch Herr Sasonow treibe zusehends mehr in das Fahrwasser der russischen Kriegspattei.
Anlage.
St. Petersburg, den 13. 26. Mal 1914. Von der Erwägung ausgehend, daß elne Verembarung z vischen Rußland und England erwünscht sei über das Zusammenwürkken ihrer
maritimen Streitkräfte . Fall kriegerischer Operationen Ruß⸗ lands und Englandz unter Teilnahme Frankreichs, gelangte die Kon—= ferenz zu folgenden Schlüssen:
Die geplante Martnekonvention soll die Beziehungen jwischen den russischen und den englischen Streitkräften zur See in allen Einzel heiten regeln, deshalb ist eine ,, über Signale und Spezialchiff res, Radtotelegramme und der Modus des Verkehrs zwischen den russischen und englischen Marinestäben herbeizuführen. Die beiden Marinestäbe sollen sich außerdem regelmäßig gegenseitig Mtittetlung machen über die Flotten dritter Mächte und über ihre eigenen Flotten; besonders über technische Daten sowte über neu ein⸗ geführte Maschinen und Erfindungen.
Nach dem Vorbild der franko⸗russischen Marinekonventton soll auch zwischen dem russischen und dem englischen Marinenab ein regel⸗ mäßiger Meinun gaustausch zur , . von Fragen, welche die Marineministerlen beider Staaten interessieren, herbeigeführt werden.
Das russische Marineabkommen mit England soll gleich dem franko russischen Marineabkommen vorher vereinbarte, aber getrennte Aktionen der russischen und der englischen Kriegsmarine ins Auge fassen. Im Hinblick auf die strategischen Ziele ist zu unterschetden einerseits zwischen den maritimen Operationen im Gebiet des Schwarzen Meeres und der Nordsee, anderseits zwischen dem voraus—⸗ sichtl ichen Seekampfe im Mittelmeer. In beiden Gebieten muß Räß⸗ land bestrebt sein, von England Kompensationen dafür zu erhalten, daß es einen Teil der deutschen Flotte auf die russische abzteht.
Im Gebiet des Bosporus und der Dardanellen sollen zeitweilige Unternehmungen in den Meerengen als strategische Operationen Rußlands im Kriegsfalle ins Auge gefaßt werden.
Die russischen Interessen in der Ostsee verlangen, daß England einen möglichst großen Teil der deutschen Flotte in der Nordsee fest⸗ hält. Dadurch würde die erdrückende Uebermacht der deutschen Flotte über die russische aufgehoben und vielleicht eine russische Landung in Pommern möglich werden. Hierbei könnte die englische Rezierung einen wesentlichen Dienst lelsten, wenn sie vor Beginn der Kriegs⸗ operationen eine so groß) Zahl von Handelsschiffen in die baltischen Häfen schickte, daß der Mangel an russischen Trantzportschiffen aus— geglichen wird.
Was die Lage im Mittelmeer anbetrifft, so ist es für Rußland höchst wichtig, daß dort ein sicheres Uebergewicht der Streitkräfte der Entente über die austro, italienische Flotte hergestellt wird. Denn falls die österreichischitaltenischen Streitkräfte diefes Meer heberrschen, würden Angriffe der österreichischen Flotte im Schwirzen Meer möglich sein, was für Rußland ein gefährlicher Schla wäte. Es muß angenommen werden, daß die austro⸗-italtenischen Streitkräfte den französischen überlegen sind. England müßte daher durch B lassung der notwendigen Zahl von Schlffen im Mittelmꝛer das Ucbergewicht der Streitkräfte der Ententemächte mindestens so lange sichern, als die Entwicklung der russischen Marine noch nicht so weit fortge— schritten ist, um die Lösung dieser Aufgabe selbst zu übernehmen. Russisbe Schiffe müßten mit Zustimmung Englands als Basis im englischen Mittelmeer die englischen Häfen benützen dürfen, ebenso wie die französtsche Marinekonvention der russiichen Flotte ge⸗— stattet, sich im westlichen Mittelmeer auf die französischen Häfen zu basieren.
IX. .
Gelegentlich meiner hentigen Unterhaltung mit Herrn Sasonow wandte sich das Gespräch auch dem Besuch des Herrn Poincars zu. Der Minister hob den friedfertigen Ton der gewechselten Trinksprüche hervor. Ich konnte nicht umhin, Heren Sasonow darauf aufmerksam zu machen, daß nicht die bei derartigen Besuchen auszetauschten Toaste, sondern die daran geknüpften Preßkommeniare den Stoff zur Beunruhigung geliefert hätten. Derartige Kommentare seien auch diesmal nicht ausgeblieben, wobei sogar die Nachricht von dem ang b⸗ lichen Abschluß einer rassisch englischen Marinekonventton verbreitet worden sel. Herr Sasonow griff diesen Satz auf und meinte unwillig, eine solche Marinekonvention existiere nur in der Idee des Berliner Tageblatts' und im Mond“.
8 Juli 1914.
Euer pp. beehre ich mich, beifolgend Abschrift eines Schreibens zu übersenden, das der Adjutant eines zurzeit hier wellenden russischen Großfürsten unter dem 25. d. M. von Petersburg aus an den Großfürsten gerichtet hat und über dessen wesentlichen Inhalt ich bereits telegraphisch berichten durfte. Das Schreiben, von dem ich auf vertraulichem Wege Kenntnis erhielt, erweist meines gehorsamen Dafürhaltens, daß man schon seit dem 24. d. M. in Rußland zum Kriege entschlossen ist.
Anlage. 12. 25. Jult, Petersburg.
In Petersburg waren große Unordnungen unter den Arbeltern, sie fielen sonderbar mit der Anwesenheit der Fransosen bei uns und mit dem ößsterreichischen Ultimatum an Serbien zusammen. Gestern hörte ich von dem französischen Mllitäragenten General de la Guiche, er hahe gehört, daß Oesterreich an den Arbeiterunruhen nich! unschuldig set. Jetzt kommt aber alles rasch zu normalen Verhältnissen. Und es scheint, daß, von den Franzosen ermutigt, unsere Regierung auf— gehört hat vor den Deutschen zu zittern. Es war längst Zeit. Es ist besser, sich elnmal klar auszusprechen, als sich ewig hinter den pro—= fessionellen Lügen“ der Diplomaten zu verbergen Das Ultimatum Oesterreichs ist von unerhörter Frechheit, wie alle hiesigen Zeitungen einmütig sagen. Eben habe ich die Abendseitungen gelesen — gestetn war Sitzung des Ministerrats; der Kriegsminister hat sehr energisch gesprochen und bestätigt, daß Rußland zum Kriege bereit sei, und die übrigen Minister haben sich voll angeschlossen; es wurde in entsprechendem Geist ein Bericht an den Kaiser fertiggestellt, und dieser Bericht wurde an demselben Abend bestätigt. Heute wurde im „Russischen Invaliden“ eine vorläufige Mitteilung der Regierung ver— öffentlicht, daß ‚die Regierung sehr durch die eingetretenen Ereignisse und die Absendung des österreichischen Ultimatums an Serbien be— sorgt sei. Die Regierung verfolgt aufmerksam die Entwicklung der serbisch⸗österreichischen Zusammenstäße bei denen Rußland nicht gleichgültig bleiben kann. Diese M etteilung ist von allen Zeitungen mit . günstigen Kommentaren nachgedruckt worden. Wir alle sind überzeugt, daß dieses Mal keine Raspatins Rußland ver⸗ hindern werden, seine Pflicht zu erfüllen. Deutschland, das Oesterreich vorschickt, ist fest entschlossen, sich mit uns zu messen, bevor wir unsere Flotte ausbauen, und die Balkanstaaten haben sich doch nicht vom Kriege erholt. Auch wir müssen der Gefahr ins Gesicht seben und nicht unseren Kopf verstecken, wie während des Balkantrieges, als Kokowzow nur an die Börse dachte. Damals aber wäre der Krteg leichter gewesen, da der Balkanbund voll bewaffnet war. Aber hei uns trieb man die Straßendemonstrattonen, die gegen das elende Oesterrelch ge⸗ richtet waren, durch die Polizet auseinander! Jetzt aber würde man ebensolch Demonstrationen freudig begrüßen, überhaupt wollen wir hoffen, daß das Regiment der Feiglinge lch Art Kokowzows) und ge⸗ wisser Schreter und Mystiker vorüber ist. Der Krieg ist ein Ge⸗ witter. Mögen auch Katastrophen kommen, es wäre immer besser, als in dieser unerträglichen Schwüle zu beharren. Aus Erfahrung weiß ich bestimmt, daß für mich der ruhigste if in der Front ist, wo man die Gefahr in ihrer natürlichen Größe sieht, und das ist gor nicht so furchthar; am schlimmsten ist es in der Nachhut, in der die Atmosphäre der Feigheit herrscht, unwahrscheinliche Gerüchte um= aufen und Pantken entstehen. Im künftigen Kriege aber wird das Innere Rußlands die Nachhut sein.
Der Staatskommissar für das Flüchtlingswesen, Landes⸗ hauptmann von Berg, teilt zur Aufklärung der Frage, in welchem Umfange ostpreußischen Flüchtlingen die Rück; kehr in die Heimat möglich ist, laut Meldung des, W. T. B.“ folgendes mit:
Die Provinz Ostpreußen wird auch zur Zelt noch von den Russen bedrängt. Es ist unseren Truppen aber bisher im wesentlichen ge⸗ lungen, die Russen an dem Betreten osspreußischen Bodens zu hindern. Aus dem Kreise Lyck in den sie zeitweise eingedrungen waren, sind sie hinaus-; gedrängt worden. Es ist die 896 begründet, daß ein nochmaliger Einbruch der Russen in die Provinz wird verhindert werden können. Immerhin können die Grenzkreise der Provinz zur Zeit als voll— kommen ungesährdet nicht bezeichnet werden. Im größten Tell der 5 erscheint die Rückkehr aber unbedenklich, und zwar gilt das un= zedingt für den ganzen Regierungsbezirk Königsberg, für den Re— gierungsbezirk Allenstein bis zur Line Lötzen —Nikolaiken — Ortelg.« burg —Neidenburg, für den Regierungsheztrk Gumbinnen diesseits der Linie Inster, Angerapp und Lötzen. Dementsprechend werden Frei⸗ fahrtscheine nach diesem ungefährdeten Teil der Provinz Osspreußen begeben, sobald für den Aufenihalt des Flüchtlings der zuständige Amtsvorsteher, Landrat oder Bürgermeister dem Flüchtling eine Be⸗ scheinigung ausstellt, daß er zur Zeit mittellos ist und seiner Rückkehr bon dem mit Namen anzuführenden Aufenthaltsorte nach dem gleichsalls mit Namen anzuführenden Heimatsorte nichts im Wege sieht. In kem Besirke jenseits der Linte Instet = Angerapp = Lötzen und jenseits der Linie Lötzen —Nikolatken Ortelsburg und Neidenburg werden Freischeine zur Heimkehr zurzeit noch nicht erteilt. Wer aber auf eigene Kosten heimreisen will, wird auch an der Rücktehr in diese Beinkke nicht gehindert, insbesondere ist die Rückkehr von Beamten, Kaufleuten und Handwerkern, welche reichlich Arbeit haben, sehr er— wünscht. Die Namen der vom Feinde volllommen zerstörten Ort schaften sind durch die betreffenden Landräte zu erfahren. Der Bahn verkehr in sämtlichen Teilen der Provinz Ostpreußen, soweit er unter brochen gewesen ist, ist im wesenilichen wiederhergestellt.
Nach einer Mitteilung der hiesigen Botschaft der Ver— einigten Staaten von Amerika ist die Adresse der Nach⸗ richtenstelle für Kriegsgefangene (Ihe Prisoners 6f War Information Bureau) in London 49 Wellington Street, Strand. An diese Adresse können Briefe für deutsche Kriegsgefangene in England gesandt werden.
Vor Uebersendung von Zündhölzern und gefüllten Taschenfeuerzeugen in Paketen an die Feldtruppen wird dringend gewarnt, da mehrmals durch Selbstentzündung Schaden entstanden ist.
Der heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staatsanzeigers“ liegen die Ausgaben 110, 111, 112 und 113 der Deutschen Verlustlisten bei. Sie enthalten die 52. Verluftliste der preußischen Armee, die 27. za ff der bayerischen Armee, die 32. Verlustliste der sächsischen Armee, die 36. Verlustlifte der württembergischen Armee sowie die 8. Berlustliste der Kaiserlichen Marine.
Eine neue österreichische Verlustliste ist erschienen und liegt, wie die übrigen bisher erschienenen Listen, in der Geschäftsstelle des Deutsch⸗Oesterreichisch⸗Ungarischen Wirtschafts verbandes, Berlin W., Am Karlsbad 16, den Interessenten wochentäglich während der Zeit von 11 bis 1 Uhr Vormittags und 4—6 Uhr Nachmittags unentgeltlich zur Einsicht aus.
Oesterreich⸗ Ungarn.
Infolge der Intervention der italienischen Regierung hatte die österreichisch⸗ungarische Regierung den österreichisch⸗ ungarischen Militärattachs in Rom ermächtigt, sich mit einem österreichisch⸗ ungarischen Marineoffizier, der Sachverständiger in Minen⸗ fragen ist, nach Venedig zu begeben, um die Umstände zu unter⸗ suchen, unter denen in der Adria Minen freigeworden sind. Wie „W. T. B.“ meldet, ist diese Untersuchung bereits ab⸗ geschlossen und hat zu der Feststellung geführt, daß durch unberechenbare Zufälligkeiten einzelne der an der österreichisch⸗ ungarischen Küste festangebrachten Seeminen sich von ihrer Ver⸗ ankerung losgerissen haben und sodann durch den Wind und die Strömung gegen die italienische Küste abgetrieben worden sind. Die österreichischungarische Kriegsmarine hat sofort alle Maßnahmen ergriffen, die geeignet sind, derartigen Unglücks⸗ fällen in Zukunft vorzubeugen.
— Auf Huldigungsdepeschen der Ausgemusterten aller Militärbil dungsanstalten sind vom Kaiser Franz Joseph Antwortdepeschen eingelaufen, in denen der Kaiser die warmempfundene Huldigung entgegennimmt und herzlichst für die bei einem solchen bedeutungsvollen Anlaß kundgetane Treue und Anhänglichkeit dankt. Zugleich drückt der Kaiser seine zuversichtliche Hoffnung aus, daß die nun begeisterungsfreudig zur Pflichterfüllung vor die Feinde eilenden neuernannten Offiziere, von des Allmächtigen Schutz geleitet, zum Siege und Ruhme der österreichisch⸗ungarischen Waffen mit jugend⸗ lichem Mannesmut nach besten Kräften beitragen werden.
Der Armee⸗Oberkommandant Erzherzog Friedrich hat an . ausgemusterten Zöglinge folgende Begrüßungsworte gerichtet:
Den jungen Kriegern, denen Dank der Gnade unseres erhabenen Alleihöchsten Krie sherin heute das hohe Glück zuteil geworden ist, zu unseren siegreichen Fahnen eilen zu dürfen, entbiete ich meinen herzlichsten tamerasschaftlichen Gruß. Ich bin überzeugt, daß unsere lungen Kameraden getreu der altberühmten und in den heutigen Tagen mit Heldenblur neuerdings besiegelten Tradition der öster⸗ riichischuungarischen Offiziere mit dem hetligen Gelöbnis ins Feld ziehen, für Kaiser, König und Vaterland zu fiegen oder zu sterben.
. — Wie aus dem Kriegspressequartier amtlich gemeldet wird, wurde am 2. Oktober beim Festungskommando in Przemysl folgender an den Kommandanten der Festung ge⸗ richteter Brief durch einen Parlamentär überbracht:
Herr Kommandant! Das Glück hat die K. und K. Armee ver⸗— lassen. Die letzten erfolgreichen Kämpfe unserer Truppen haben mir die Möglichteit gegeben, die Eurer Eyzellenz anvertraute Festung Drzemysl zu umringen. Irgendwelche Hilfe für Sie von außen halte ich für unmöglich. Um das unnütze Blutvergießen zu vermeiden, sinde ich es jetzt an der Jeit, Eurer Erzellen; bie Unterhandlung über die Uebergabe der Festung vorzuschlagen, da es in diesem Falle möglich wäre, für Sie und die Gamnifon ebrenvolle Bedingungen beim Allerhöchsten Oberkssmmando zu erbitten. Falls Eure Exjellenz die Unt rhandlungen zu beginnen wünschen, so wollen Sie unserem nt prechend bevollmächtigten Delegieren, Oberstleutnant Wandam, Fhre Bedin ungen gütigft mitteilen. Ich benutze diesen Anlaß, um Eurer Exz len; mein Hochachtung auszusprechen.
Das Kommando der Przemysl blockterenden Armee,
. General Rabko Dimitrieff
Die sogleich auf dieses Schreiben erteilte Antwort lautete:
Derr Kommandant! Ich finde es unter melner Würde, auf Ihr schimpflicheg Ansinnen eine meritorische Antwort zu ertemlen.
Der Kommandant der Besatzung von Przempysl.
— In dem Hochverrgtsprozeß Princip und Genossen wurde gestern die Vernehmung der Angeklagten fortgesetzt.
Der Angeklagte Princip schilderte bei der Fortsetzung des Ver- börs eingehend das Zusammentreffen der Verschwörer in Tizla zur Entgegennahme der Bomben und Waffen von Jovanovitsch. Am Tage des Attentats verteilte Ilitsch in seiner Wohnung in Serajewo die Bomben und Waffen unter de Werschwörer. Als Princip nach der ersten Bombenerplosion die Verhaftung von Cabrinovitsch sah, wollte er erst ihn und dann sich selbst umbringen; das Menschen⸗ gedränge verhinderte ihn jedoch daran. Als er sah, daß das Attentat mißlungen sei, wartete er die Rüdckehr des Thron⸗ folgers aus dem Rathause ab und gab, als das Automobil in die Franz Joseyhgasse einbog, aus unmittelbarer Nähe zwei Schüsse ab, um den Erzherzog zu töten. Princip gibt seine Beziehungen mit der Narodna Odbrana in Belgrad zu. Ber nächste Angeklagte Grabez bekennt sich zu radikal nationalistischen Ideen und bezeichnet die Vereinigung der südslawischen Länder unter serbischer Vorherrschaft und die Logreißung Bosniens bon der Monarchie durch Krieg oder Revolution als sein Ideal. Den Enzherzog⸗Thronfolger haßte er, weil er nach Ansicht der Belgrader Kreise der Vereinigung aller Serben im Wege stand. Von einem Attentat hat Grabez zuerst mit Pringip gesprochen, später auch mit Cabrinovitsch. Ueber die Lieferung der Bomben und Waffen durch Ciganovitsch und Major Tankositsch sagt Angeklagter übereinstimmend mit Princip aus. Nach seiner Ansicht ist Ciganovitsch der Hauptschuldige. Nach dem Attentat wollte Grabez entfliehen, wurde jedoch auf dem Wege nach Visegrad verhaftet Er habe die fesie Absicht gehabt, den Thronfolger zu töten; sein Motiv sei einzig und allein die großserbische Idee gewesen, deren Verwirk-⸗ lichung nach seinen in Belgiad gewonnenen Anschauungen der Erz⸗ herzog im Wege gestanden habe. Der Führer des ganzen Unter nehmens sei Prineip gewesen. Während die bisher vernommenen Verschwörer ihren früheren prinzipiellen Standpunkt beibehielien, bot der ehemalige Dorfschullehrer und spätere Bankbeamte und Journalist FJlitsch ein klägliches Bild. Er versuchie, seine in der Vorunteisuchung gemachten positiven Angaben abzuschwächen und antwortete, wenn man ihm seine Wider sprüche vorhielt, mit sterotppem „ich weiß nicht“. Er ist im Be⸗ sonderen beschuldigt, die Waffen und Bomben nach Serajewo ge⸗ bracht, sie in seiner Wobnung verborgen und Popovitsch im Ge⸗ brauche der Bomben unterwiesen zu haben. Er redet sich damit aus, daß er geglaubt habe, die Verschwörer würden von ihrem Plane abstehen, gestebt jedoch ein, die von ihm persönlich angeworbenen Ver—⸗ schwörer Gjukitsch und Popovtisch im Gebrauche der Bomben unter⸗ wiesen zu haben. Der Angeklagte Vaso Oubriloypitsch gesteht die Absicht zur Tötung des Erzherzogs ein und gibt als Motiv an, daß man in Serbenkreisen den Erzherzog für einen Serbenfeind ge⸗
hallen habe. Großbritannien und Irland.
Dem „Daily Telegraph“ zufolge hat die Regierung neue strenge Bestimmungen über die Ausfuhr von Wolle und Wollwaren erlassen. Dadurch wird die Ausfuhr von Wolle und Wollgarn und allem wollenen Tuch, das für Uniformen brauchbar ist, sowie die Ausfuhr von aus Merinowolle herge⸗ stellter Ware und einer Menge wollener Kleidungsstücke nach allen ausländischen Bestimmungsorten außer den britischen Be⸗ situngen verboten. Die Folge wird eine wesentliche Ein— schränkung des Handels auf den bedeutenden neutralen
Märkten sein. Frankreich.
Auf einen Bericht des Ministers des Innern hin hat der Präsident Poincaré eine Verordnung über die Aufnahme in das Feuerwehrkorps während der Kriegsdauer erlassen. Die Aufnahme erfolgt durch den Korpsführer selbst oder durch seinen Vertreter. Wer sich stellt, soll alle Rechte des Gesetzes vom 31. Juli 1907 und des Erlasses vom 1. Februar 1910 genießen.
Niederlande.
Die Regierung wird an die Flüchtlinge aus Ant— werpen und der innerhalb des äußersten Fortsgürtels liegenden Dörfer einen Aufruf zur Rückkehr richten.
Belgien.
Der Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg hat vorgestern mit dem Generalgouverneur Freiherrn von der Goltz und dem Chef der Zivilverwaltung von Sandt eine Besprechung abgehalten und sich gestern nach Antwerpen be— 6 Heute wird der Reichskanzler ins Hauptquartier zurück— ehren.
— Am 9. Oktober nahm ein höherer Offizier persönlich einen bewaffneten, zur Besatzung von Antwerpen gehörig ge⸗ wesenen belgischen Infanteristen (Grenadier) gefangen und entwaffnete ihn. Wie „W. T. B.“ meldet, trug das ge— ladene Gewehr die Nummer „F S2517 MU 1886 M 593 manufacture d'armes Saint Etienne“. In seiner Patronen⸗ tasche, die man ihm abnahm, befanden sich 80 belgische . französischen Gewehr passende Patronen, von enen die noch verpackten die Aufschrift: „Ars. 17. 2. 14. 8 gartouches model 1886 d“ trugen. Ein französisches Gewehr, belgische dazu passende Patronen und der Zeitstempel 17. 2. 14 dürften auch als Material dazu beitragen, daß Frankreich und Belgien (sicher schon im Februar 1914) einig waren, nur gemeinsam zu fechten.
— Der Bürgermeister der seit fast zehn Wochen von deutschen Truppen besetzten Stadt Wem mel hat an den Generalgouverneur Freiherrn von der Goltz ein Schreiben ge— richtet, in dem er obiger Quelle zufolge das Verhalten der deutschen Truppen als durchaus tadellos bezeichnet und in wärmsten Worten die Gerechtigkeitsliebe und entgegen kommende menschenfreundliche Haltung des Platzkommandanten Oberstleutnants von B. hervorhebt. Die Bevölkerung Wemmels, die durch dieses Vorgehen von tiefster Dankbarkeit erfüllt sei, sehe deshalb der Zukunft vertrauensvoll entgegen.
Rumänien.
Anläßlich des Todes des Königs Carol hat der Kaiser Franz Joseph an die Königin-⸗Witwe folgende Beileids⸗ depesche gerichtet:
Die Nachricht vom Tode des Königs, Delnes vielgeliebten Gatten, hat mich tief bewegt. Ich beweine von ganzem Herzen den Verlust dieses teuren Freundes, an den mich so enge Bande knüpften. Ich nehme an Delnem Schmerze teil, dessen ganze Größe ich verstche. Möge Gott Dich in diesen schweren Augenblicken schüßzen und tröͤsten.
Gestern früh fand in Gegenwart der Königin⸗Witwe, des Königs Ferdinand, der Königin Maria und der Königlichen
Erzbischof zelebrierte.
dem außer der Königlichen Familie fämtliche Minister, das diplomatische Korps und hohe Würdenträger teilnahmen. Dann wurde der Sarg unter demselben Zeremoniell, wie von Sinaia, auf einer Lafette durch Truppenrelhen unter Teilnahme einer großen Menschenmenge mit Trauerfahnen nach dem Norb— bahnhof gebracht, von wo der Trauerzug nach dem Kloster
Nachmittag ein. In den Straßen des Städtchens, die von einer überaus zahlreichen Menschenmenge gefüllt waren, die aus ganz Rumänien gekommen war, um dem geliebten König die letzte Huldigung darzubringen, bildeten Veteranen, Soldaten, Schulkinder und Gemeindevertretungen mit ihren Bürgermeistern sowie Vereine Reihen. Der Zug bewegte sich in derselben Ordnung wie in Bukarest vom Bahnhof nach dem Kloster, wo der Sarg mit den sterblichen Ueberresten des Königs in der Gruft zu Füßen des Sarges des Fürsten Neaghe Basarab, des Gründers des Klosters, beigesetzt wurde. Die Kanonen sämtlicher Forts und sämtlicher Garnisonen gaben um diese Zeit 101 cf ab und die Glocken sämtlicher Kirchen begannen zu läuten.
Gegen die englischen Sendlinge Noel und Charles Buxton, die in Rumänien und Bulgarien für den Anschluß dieser Staaten an die Mächte der Tripel— entente agitierten, ist gestern in Bukarest ein Anschlag verübt worden. Als die beiden Brüder mit einem Sohne Geschovs im Automobil zur Teilnahme an dem Leichenzuge für den König Carol ausfuhren, feuerte, wie die „Rumänische Telegraphenagentur“ meldet, ein junger Türke, namens Paschil Hassan, der von Saloniki . war und einen am 26. September in Konstantinopel visierten Paß besaß, vier Revolverschüsse auf sie ab. Der eine Bruder erhielt einen Schuß durch die Lunge, der andere wurde leicht ver⸗ letzt, eine Kugel ging durch Geschows Hut. Der Täter wurde verhaftet.
Curtea Argesch abfuhr. Dort traf der . am
Bulgarien.
Wie die Sofioter Blätter, darunter die halbamtliche „Narodni Prawa“, melden, nehmen die serbischen Greuel in den Bezirken Gewgeli, Istip, Doiran, Radowischte und Maleschewo ungeheure Ausdehnung an. Im Dorfe Udowo wurde kürzlich ein Türke, in Bedschet Tschausch zwei Bulgaren, im Dorfe Sermenin im Bezirk Gewgeli eine Bulgarin ge⸗ kreuzigt. In Sofia herrscht darüber große Erregung.
Amerika.
Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika hat der „Frankfurter Zeitung“ zufolge entschieden, daß Baum⸗ wolle niemals Konterbande ist. Deshalb kann die Ausfuhr nach allen Ländern weitergehen.
Kriegsnachrichten.
Westlicher Kriegsschauplatz.
Großes Hauptquartier, 15. Oktober, Mittags. (W. T. B.) Bei Antwerpen wurden im Ganzen 4000 bis 5099 Gefangene gemacht. Es ist anzunehmen, daß in nächster Zeit noch eine große Zahl belgischer Soldaten, welche Zivilkleidung angezogen haben, dingfest gemacht wird. Nach Mitteilung des Konsuls von Terneuzen sind etwa 20 000 belgische Soldaten und 2000 Engländer auf holländisches Gebiet übergetreten, wo sie ent⸗ waffnet wurden. Ihre Flucht muß in größter Hast vor sich gegangen sein; hierfür zeugen Massen weggeworfener Kleidersäcke, besonders von der eng⸗ lischen Royal Naval Division. Die Kriegsbeute in Ant⸗ werpen ist groß. Mindestens 5090 Geschütze, eine Unmenge Munition, Massen von Sätteln und Woylachs, sehr viel Sa⸗ nitätsmaterial, zahlreiche Kraftwagen, viele Lokomotiven und Waggons, vier Millionen Kilogramm Getreide, viel Mehl, Kohlen, Flachs, für 10 Millionen Mark Wolle, Kupfer und Silber im Werte von etwa einhalb Millionen Mark, ein Panzereisenbahnzug, mehrere gefüllte Verpflegungszüge, große Viehbestände. Belgische und englische Schiffe befanden sich nicht mehr in Antwerpen. Die bei Kriegsausbruch im Hafen von Antwerpen befindlichen 34 deutschen Dampfer und drei Segler sind mit einer Ausnahme vor⸗ handen; jedoch sind die Maschinen unbrauchbar gemacht. Angebohrt und versenkt wurde nur die „Gneisenau“ des Nordddeutschen Lloyd. Die große Hafen⸗ schleuse ist intakt, aber zunächst durch mit Steinen be⸗ schwerte versenkte Kähne nicht benutzbar, die Hafenanlagen find unbeschädigt. Die Stadt Antwerpen hat wenig gelitten. Die Bevölkerung verhält sich ruhig und scheint froh zu sein, daß die Tage des Schreckens zu Ende sind, be⸗ sonders da der Pöbel bereits zu plündern begonnen hatte.
Die Reste der belgischen Armee haben bei Annäherung unserer Truppen Gent schleunigst geräumt. Die belgische Regierung, mit Ausnahme des Kriegsministers, soll sich nach Le Havre begeben haben.
Angriffe der Franzosen in Gegend von Albert wurden unter erheblichen Verlusten für sie abgewiesen, sonst im Westen keine Veränderungen.
Großes Hauptquartier, 16. Oktober, Mittags. (W. T. B. Brügge wurde am 14, Ostende am 15. Ok⸗ tober von unseren Truppen besetzt.
Heftige Angriffe der Franzosen in der Gegend nordwestlich Reims wurden ab gewiesen. Die Franzosen melden in ihren amtlichen Bekanntmachungen, daß ke an ver⸗
schiedenen Stellen der . z. B. bei Berry au⸗Baec,
nordwestlich Reims, merkliche Fortschritte gemacht hätten. Diese Meldungen entsprechen in keiner Weise den Tat⸗
sachen.
Oestlicher Kriegsschauplatz.
Großes Hauptquartier, 15. Oktober, Mittags. (W. T. B.) Im Osten ist der russische mit starken Kräften unternommene Vorstoß auf Ostpreußen als gescheitert anzusehen.
Der Angriff unserer in Polen Schulter an Schulter mit dem österreichischen Heere kämpfenden Truppen befindet sich im Fortschreiten. Unsere Truppen stehen vor Warschau. Ein mit etwa acht Armeekorps aus Linie Iwangorod—
Warschau über die Weichsel unternommener russischer Vor⸗
Familie ein feierliches Requjem statt, das der katholische stoß, wurde auf der ganzen Linie unter sch weren
Später folgte das feierliche Requiem des orthodoxen Metropoliten unter Assistenz sämtlicher Bischöfe, an
Verlusten für die Russen zurückgeworfen. Die in russischen Zeitungen verbreiteten Gerüchte über erbeutete deutsche Geschütze entbehren jeder Begründung.
Großes Hauptquartier, 16. Oktober, ,, (W. T. B.) Die Russen versuchten am 14. Oktober, sich wieder in den Besitz von Lyck zu setzen. Die An griffe wurden zurückgewiesen. S809 Gefangene, 1 Geschütz und 3 Maschinengewehre fielen in unsere Hände.