— Dle von den Aeltesten der Kaufmannschaft von Berlin im Börsengebäude, Berlin C., Burgstr. 28 1 Lwochentäglich: 12 — 2 Uhr) errichtete Zentralkriegsauskunftsstelle hat seit dem Viertel- 6 ihres Best⸗hens äber 1600 Anfragen erledigt, die sich, abgesehen von rem juristischen Auskünften, wesen lich auf die durch die Kriegsnot geschaffenen Verhältnisse im Kredit,, Wechsel, Hypotheken, und Miet⸗
kehr bezogen, wozu noch zahlreiche Anfragen über Moratorten,
K (gegen England, Frankreich, Rußland), Ein und
usfuhtverbote, Einigungtämter u. a. m. kamen Das Material ist bis auf die neuesten amtlichen Eingänge der staatlichen und kommunalen Behörden sowie der privaten Hilfginstitute ergänzt worden und steht den Nachsuchenden nebst den nöligen Formularen, soweit diese erhältlich
md, zur Verlügung.
!; . Der Ac r der Siem ens Halske A.⸗G. am 31. Jult 1914 zeigt laut Meldung des W. T. B. einen Reingewinn, von 11151 967 66 (im Vorjahr 12511197 46). Nach Berücksichtigung der Spezialreserve mit 2000 000 Ss, des Digpositionssonds mit 500 900 d und nach Zuweisung von 900 0909 M für Gratifikationen an Angestellte und Arbeiter, alles wie im Vorjahre, soll der auf den 7. Januar einzuberufenden Eeneralversammlung eine Dividende von 10 ,o gegen 12 0/9 im Vorjahr in Vorschlag gebracht und 1214810 ½ (in Vorjahr 1219 262 Æ) auf neue Rechnung vorge⸗ tragen werden.
1. In der vorgestrigen Bilanzsitzung des Aufsichtfrats der Sie⸗ meng⸗Schuckert⸗Werke, G. m. b. H, die laut Meldung des W. T. B. zum ersten Male im neuen Verwaltungs gebäude in Siemensstadt tagte, wurde der Abschluß für den 31. Jult 1914 vorgelegt. Das erzielte Erträgnis hätte wiederum die Verteilung einer Dividende von 1000 ge⸗ stattet. Mit Rücksicht auf dem Ausbruch des Krieges wurde beschlossen, die Ausschüttung einer Dividende von 70 o vorzuschlagen. Aus dem Reingewinn von 11 495 104 ½ (in Vorjahre 13 8.67 970 ) sollen wiederum 2 509 900 M dem Reservefondz, 00 900 6 dem Dispositionsfonds zugeführt, 1 500 000 1 als Gratifikation für An⸗ gestellte verwendet und 245 104 M (im Vorjahre 347 970 ½ ) auf neue Rechnung vorgetragen werden. .
— Nach dem Jahresbericht der Leipziger Bierbrauerei zu Reudnitz Riebeck C Co. Aktiengesellschaft für das Ge⸗ schäftsjahr vom 1. Oktober 1913 bis 30. September 1914 brachten die ersten Monate des Jahres eine Absatzsteigerung, da der Räckgang bezw. Stillstand in der Industrle und der Bautätigkeit sich in dem erwarteten Umfange nech nicht überall geltend machte, Auch in den folgenden Sommermonaten konnte sich der Ausstoß auf der Höhe des Vorjahres halten, bis dann nach Ausbruch des Krieges die Monate August und September eine erhebliche Verminderung deg Absatzes brachten, durch die auch das Ge— winnergebnis ungünstig beeinflußt wurde. Die am 30. September 1913 ausgegebenen und voll gezahlten Vorzugsaktien im Nennbetrage von 3006 500 M nehmen in diesem Geschähtsjahre erstmalig am Gewinn teil. Von der Kriegsanleihe erwarb die Gesellschaft 75 000 Reschsanleihe und 5 000 S Sckatzanweisungen. Den Familien der zum Heere einberufenen Beamten und Arbester gewährte sie ju den vom Staate und den Gemeinden gezahlten Krlegsunterstützungen bis auf weiteres regelmäßige Beihllfen. Um das lausende Geschäͤftsjabr nicht zu stark damit zu belasten, sollen 40 00 „ als Kriegsfürsorge in der Jahresrechnung zurückgestellt werden. Die Pividende beträgt 80 / Im neuen Geschäflsjahre rechnet die Gesellschaft mit bedeutend höheren Gerstenpreisen, auch werde die Ausbeute der in diesem Sommer gewonnenen deutschen Gerste voraussichtlich geringer sein. Gerste aus Böhmen, die sonst in Deutschland für Brauzwecke in größerem Umfange verwendet wird, dürfte überhaupt nicht zu beschaffen sein. Andererseits sei die Gesellschaft mit elnem großen Vorrat von vor—⸗ züglichem Malz in das neue Geschäftsjahr eingetreten. Von neuem Hopfen habe sie bereits größere Posten über den Jahresbedarf hinaus zu billigen Preisen gekauft. Dagegen seli während des Krieges mit einem starken Rückgang des Absatzes bestimmt zu rechnen. .
— Nach dem Geschäftsbericht des Porstandes der Gin sied ler Brauhaus Aktiengesellschaft in Ein⸗ sfiedel für 19131914 war der Absatz bis Ende Juli ein sehr zufriedenstellender, sodaß sich bis dahin ein erheb⸗ licher Mehraugftoß feststellen ließ. Die mit dem Ausbruch des Krieges eingetretene allgemeine Siockung im geschäftlichen und im geselligen Leben beeinflußte auch die Gesellschaft, sodaß am Schlusse des Ge— schäftejahrs ein Minderabsotz von ungefähr 1000 hl gegen das Vor— jahr zu verzeichnen war. In Rücksicht auf die völlig unabsehbare Ge⸗ schäftslage des begonnenen Berrlebsjahrs bringt, der Vorstand 40 lo Diwidende in Vorschlag. Das begonnene Geschäftejahr brachte sehr billige Hopfenpreise. Andererseits sind die Malzprelse außergewöhnlich hoch. Da in Berücksichtigung der vorjährigen niedrigen Malzpreise und sehr guten Beschaffenheit des Malzes erhebliche Eindeckungen über den Bedarf hingus vorgenommen wurden, dürften die diesmaligen ungewöhnlichen Prelse dieles Rohmaterials auf das Ergebnis von ge⸗ ringerem Einfluß sein. Das Resultat des laufenden Geschäftsjahrs werde in der Hauptsache von der Gestaltung der politischen Verhält ⸗ nisse abhängen. .
f J 11. Dezember findet, laut Meldung des W T. B. aus Essen, eine Beiratssitzung des Rheinisch-Westfälischen Kohlen— syndikats Essen statt, auf deren Tagegordnung nur Geschäftliches steht. Im Anschluß daran wird eine Zechenbesitzerversammlung ab⸗— gehalten, die . für den Monat Januar des
ächsten Jahres festsetzen soll.
J ö. dd,, des W. T. B.“ betrugen die Einnahmen der Anatolischen Eisenbahn vom 24. bis 30. September 1914: 227 792 Fr. (weniger 122 897 Fr.). Seit 1. Januar 1914: 7 629 391 Francg (weniger 1213 649 Fr.. — Die Einnahmen der Maze dontsfchen Gisenbahn (Saloniki — Monastir) betrugen vom 24 bis 30. September 1914: 416643 Fr. (weniger 18 410 Fr.). . Seit 1. Januar 1914: 1 827 120 Fr. (gegen das Vorjahr weniger 189 774 Fr)
2
Berlin, 3. Dezember. Produkte nmarkt. Die amtlich er ⸗ mittelten Preise waren (für 1000 kg) in Mark:
Weizen geschäftslos.
Roggen geschäftslos.
Ha fer geschäftslos.
Mais geschäftslos. .
Weizenmehl (für 100 kg) ab Bahn und Speicher Nr. O0 z6 0 = 460 00. Fest.
Roglgenmehl (für 190 kg) ab Bahn und Speicher Nr. O und 1 gemischt 30, 49. 431 50. Fest.
Rü böl geschäftslos.
Berlin, 2. Dezember. Bericht über Speisefette von Gebr. Gause. Butter: Da die kleinen Zufuhren inländischer Butter nicht im entferntesten genügen, den, wenn auch nur schwachen Bedarf zu decken, mußte die Notierung den Forderungen des Auslandes ent⸗ sprechend wesentlich erhöht werden. Billige und mittlere Arten fehlen fast ganz. Die heutigen Notierungen sind. Hof ⸗ und Genossen⸗ schafts butter La Qualitat 162 - 165 υs, do. IIa Qualität 155 - 162 4. — Schmalz: Die Läger sind andauernd gegenüber dem Bedarf zu klein, sodaß die Preise bei fester Tendenz noch immer stelgend sind. Die heutigen Notierungen sind: Choice Western Steam 98,00 — 99, 900 sz, aer fn fr raffiniertes Schmalz 190, 00 6, Berliner Stadtschmalz Krone 99 0 — 104,09 4M, Berliner Bratenschmalz Kornblume 100,00 bis 104,00 SS. — Speck: fest.
Kursberichte von auswärtigen Fondsmärkten.
London, 2. Dejember. (W. T. B.) Sllber 231 6, Privat dikkont 25 à 3 0/09. Bankausgang 1000 000 Pfund Sterling zur Tilgung kleiner Noten. . ;
Bordeaux, 1. Dezember. (W. T. B.). 3 oo Französische Rente 74,00, H oso Russen von 1906 89, 00, Spanische äußere Anleihe Sl, 00, 4 oo Türken — — Aegyvter unifizierte 83, 90, Credit Lyvonnais 1014, Suezkanal 3990, Panamakanal 95,00, Nord de l'Espagne — —, Saragossa — —, Rio Tinto 1270. ?
Amsterdam, 2. Dezember. (W. T. B.) Scheck auf Berlin 52, 90 — 53, 40, Scheck auf London 11,99 — 12,09, Scheck auf Paris 47, 90 — 48,40.
New York, 1. Dezember. (W. T. B.) (Schluß. Cable Transfers 48985. Wechsel auf London (60 Tage) 4 8575. Sicht ⸗ wechsel Paris 51100, Sichtwechsel Berlin 855. Silber Bulllon 493. Atchlson, Topeka u. Santa⸗Föé 4 0 00 Bonds 893, Baltimore u. Ohio 45 6/9 Bonds 833, Chesapeake u. Ohio 443 60 konvp. Bonds —, Northern Pacifie 30/0 Bonds 64, Northern Pacifie Prior Lien 4 oo Bonds 833, Southern Pacific konv. 40, 1929 MIS Bonds 801, Union Pacific konv. 4 0/0 Bonds S5.
Rio de Janeiro, 1. Dezember. (W. T. B.) Wechsel auf London 1335.
Kursberichte von auswärtigen Waren märkten.
London, 2. Dezember. (W. T. B.) Zuckermar kt. Tendenz stetig. Weißer Javazucker loko 25.9 — 26 —.
London, 2. Dezember. (B. T. B.) Kupfer prompt 56. . . 2. Dezember. (W. T. B.) Roheisen für Kasse 52 sh. — d.
Am sterdam, 2. Dezember. (W. T. B.). Ja va Kaffee ruhlg loko 465. Santog⸗Kaffee für Dezember 334, für März 30,
für Mai 29. . . (W. T. B.) Rüböl träge,
Am sterdam, 2. Dezember. loko 504, für Dezember 49. ö.
New York, 1. Dezemher. (W. T. B.) Schluß.) Baumwolle loko middling 765, do. für Dezember 14 *), do. für März 749 *), do. für Maß! T-6lñ **), New Orleans do. loko middling lis, Petroleum Refined (in Cases) 10,59, do. Standard withe in New Jork 8,09, do. in Tanks 450, do. Credit Balances at Oll City 145, Schmalz Western Steam 9, 99, do. Rohe u. Brothers — —, Zucker Zentrifugal 396, Weizen loko Nr. 2 Red. 126, do. für Dezember 1223, do, für Mai 1295, do. für Juli — — Mehl Spring, Wheat elears h. 6 — b, 25, Getreidefracht nach Liverpool 6, Kaffee Rio Nr. 7 loko 6k, do. für Dezember 5,49, do. für März h,e9, do. für Mai 5.96, do. für Juli 6, 64, Kupfer Standard loko — —, Zinn 33,00 — 33,35.
t
Rio de Janeiro, 1. Dejember., (BW. T. B) Kaffee.
Zufuhren: in Rio 12 000 Sack, in Santos bs 000 Sack.
Mitteilungen des Königlichen Asronautischen Observatoriums,
veröffentlicht vom Berliner Wetterbureau. Drachenaufstieg vom 2. Dezember 1914, 7— 9 Uhr Vormittags: Station Seehöhe ..... 122 m 500m 1000m 1500m 2000m! 2700 m
Temperatur (009) 74 65 32 038 ä
Rel. Ichtgt. G/oę 355 54 84 55 55 68 Wind- Nichtung. W Kö W. ö Geschw. mps. 7 15 15 1
Himmel bedeckt. Zwischen 1580 und 1840 m Höhe überall 0, 1 Gr.
In 300 m Höhe WSW⸗Wind von 20 mps. Geschwindigkeit.
*
vom 3. Dezember 1914, Vorm. 91 Uhr. —
Wind⸗
. i. Wetter
staͤrke
Wetter berich
g in
Witterungs⸗ ver lau der letzten 24 Stunden
Name der Beobachtungs⸗ station
in 459 Breite Temperatur in Celsius Nie derschla
Barometerstand auf Oe, Meeres⸗ 24 Stunden mm
niveau n. Schwere Barometerstand in Stufenwerten )
meist bewölkt meist bewöltt ziem lich heiter vorwiegend heiter ziemlich heiter Vorm. Niederschl. meist bewölkt ztemltch better ztemlich heiter 1 gtemlich heiter Vorm Niederschl. k ziemlich hener
:
4 . dẽ
4. EJ
Borkum gberect — seitum 7 wolkig Hamburg 5 wolkig Swinemünde 76390 halb bed. Neufahrwasser 767, 1 Nebel 3 .
.
*
2
Memel Nebel Aachen . bedeckt Hannover halb bed Berlin 317 2 wolkig 36 3
4
— dẽ ee e = = e r oe e
3 — ö. 8
—
Dresden halb bed. Breslau voltenl. Bromberg woltenl Metz
Frankfurt, M.
898
—
Nebel 4 0 0 Nemlich helter Rarlgruhe, B. woltig 1 0 0 ziemlich heiter München 3 wolkenl. 0 nemlich herrer Jugspitze 5335 SW N hester
N rorwiegend heiter Wilhelmshav. j 5 bedeckt O0 1 ziemlich heiter Kiel 56 3 woltenl. 7
0 X Forwiedend bester
Wuslrow. M. 5 halb bed. . melst bewoltt Königsberg NJ — Cassel ⸗ — . — Magdeburg 8 heiter —1 ziemlich heiter Grunberg Schl 766.3 SSO J hener . ziemlich heiter Mülhausen,. C. SW 3 volkig ziemlich heiter Frledrichshaf. 7 heiter Jdorwiegend heiter Bamberg 7,5 s halb bed ziemlich heiter Růügenwalder⸗
münde heiter Vlissingen 755, 98 E bedeckt Helder 753.6 8 bedeckt Bodõ 7a5,7 wolkig Christiansund 7370 S bedeckt Skudenes 739.3 bedeckt Vardö 738,9 Windst. wolkig Skagen 751,1 bedeckt Hanstbolm — — — Kopenhagen 758, 1 3 Dunst 6 Stockholm 758,9 wolkig Herndsand T76i, 1 SW A bedeckt Haparanda Iö0 0 SW 5 woltenl. Wieby I, S NJ heiter Karlstad 754,1 S 4 bedeckt 12 Dammerhug * . . Livorno Budapest
8 2
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ö S — O do 2
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Vorn. Niederjcl. 0 —
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melst bewölkt
messt bewöllt. anhalt. Niederschl.
774.3 N I bedeckt Ii S8 Nebel 70.8 SSO 1 Nebel I 6 N NJ heiner
Cagliari 7765 NM W 3 halb bed. 7 Zůrich Jo o S Y khelter Genf ö —
Tugano 17 N bedeckt
Santis 26 — ö.
Brindisi — .
Triest 7744 Windst. bedeckt 6 0 0 d demberg
Hermannstadt —
) Aenderung des Barometers (Barometertendenz) von 5 bis 8 Uhr Morgens nach folgender Sala: 0 — 0.0 bis 9.4 mm; 1 — 05 bis 1,4 mm:; 2 — 1,5 bis 2.4 mm; 3 — 235 bis 8,4 mm; 4 — 3,5 bis 44 mm; 5 — 4,5 bis 5,4 mm; 6 — 535 bis 64 mm; 7 — 6,5 bis 74 mm; 8 — 75 bis 84 mm; g t beobachtet. Bei negativen Werten der Barometertendenz (Minuszeichen) gilt bselbe Chiffrestala.
Ein nordostwärts schreitendes Tiefdruckgebiet liegt über West⸗ und Mitteleuropa, sein Mmnimum von 735 mm liegt über dem Nordmeer; ein Hochdruckgeblet über 772 mm über Südrußland ent⸗ sendet einen Hochdruckausläufer nach Nordskandinavien. — In Deutsch⸗ land ist das Wetter, außer im Nordwesten, ziemlich heiter und kälter; im Alpenvorland, wo schwacher Frost herrscht, ist es ruhig, sonst wehen schwache, an der Nordseeküste lebhaftere Südwinde; fast durchweg blieb es trocken. Deutsche Seewarte.
Berichte von deutschen Getreidebörsen und Fruchtmärkten.
// // /
— — —
Hauptsächlich gezahlte Preise für 1 t (1000 kg) in Mark
1914
Dezember Marktorte
Tag
Wetzen
Roggen .
*
mittel
J Breslau. Chemnitz. Biberach a. Riß . 1 Altenburg S. ⸗A. *
Damhurg .
1914 Weizen
250 247 - 252 267 277 254255 250 — 255 268-271
Königsberg i. Pr.. 249
209 20 36 26h 20. 212 195 = 294 227 213 =*15 35 Iz =*14 215-214 206 -= *06 ze = z66 = *16* 3361 21
Roggen
Hafer
225 2385 22
Braug erste Futterger te
Dezember Bayerlsche Marktorte
Tag
mittel mittel
mittel gering gut mittel gering gut gering
Dinkelsbüůbl ..
Schweinfurt
k ) Angebote fehlen, Notierung ist nominell. Anmerkung. ) über 68 kg.
Berlin, den 3. Dezember 1914.
244
Kaiserllches Statistisches Amt. Delbrück.
220 . 208 **
3mweite Beilage
zum Deutschen Neichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
n 284.
Deutscher Reichstag. Sitzung vom 2. Dezember 1914, Nachmittags 4 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Am Bundesratstische: der Reichskanzler Dr. von Beth⸗ mann Hollweg, die Staatsminister, Staatssekretär des Reichsmarineamts, Großadmiral von Tirpitz, Staatz sekre⸗ tär des Innern Dr. Delbrück, Justizminister Dr. . ler, Minister für Handel und Gewerbe Dr. Syd ow, li⸗ nister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Frei⸗ herr von Schorlemer, Minister des Innern von Loebell, Staatssekretär des Reichsschatzamts Kühn und Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Jagow, ferner der Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke, der Staats⸗ sekretär des Reichskolonialamts Dr. Sol f, der bayerische Ministerpräsident Dr. Graf von Hextling, viele Bevoll⸗ mächtigte zum Bundesrat und Kommissarien.
Der Präsident Dr. Kaempf eröffnet die Sitzung mit folgender Ansprache: .
Meine Herren! Nach viermonatiger Vertagung heiße / ich Sie alle zu treuer Arbeit in diesem Hause willkommen, diejenigen aber unter uns, die mit in das Feld haben ziehen können und die aus dem Felde herbeigeeilt sind, um an den wichtigen Arbeiten des Reichs⸗ tages teilzunehmen, begrüße ich auf das allerherzlichste. Eebhafte Zu⸗ stimmung.) Seitdem wir am 4. August unter dem gewaltigen Ein⸗ druck der auf uns einstürmenden Ereignisse uns getrennt haben, sind wichtige welthistorische Ereignisse eingetreten. Vor allem aher hat sich gezeigt, daß alle Gedanken des deutschen Volkes auf 36 ge⸗ waltigen Krieg gerichtet sind in dem Vertrauen, daß die Einigkeit des deutschen Volkes alle Hindernisse überwinden werde, in dem Bewußt⸗ sein des Sieges, das getragen wird von der Stärke der militärischen Macht Deutschlands zu Wasser und zu Lande und von dem Bewußt⸗ sein der wirtschaftlichen Stärke des deutschen Vaterlandes. (Erneuter lebhafter Beifall Weit über zwei Millionen Kriegsfreiwilliger haben sich gestellt, und doch hat nur ein kleiner Teil von ihnen in die Armee eingereiht werden können. Aus unserer Mitte sind 65 Abgeordnete und 27 unserer Beamten zu den Fahnen gerufen, und der Erste aus unseren Reihen, der auf dem Schlachtfelde (sämtliche Mitglieder des Hauses und des Bundesrats erheben sich von den Plätzen) den Tod für das Vaterland gefunden hat, war ein Kriegsfreiwilliger. (Beifall.) Alle diejenigen im Deutschen Reich, denen es nicht vergönnt ist, mit in den Krieg zu ziehen, wetteifern in den Werken, die dazu bestimmt sind, die Leiden des Krieges zu lindern, für die Familien unserer Sol⸗ daten zu sorgen, unseren tapferen Kriegern dort draußen ihre schwere Arbeit zu erleichtern und den Verwundeten, die keinen sehnlscheren Wunsch haben, als wieder in das Feld zu ziehen, Hilfe, Beistand zu leisten und die Herstellung von ihren Wunden zu ermöglichen. Eine Opferfreudigkeit sonder gleichen zieht durch das Land. Fürsten und Volk ohne Unterschied, alt und jung, Frauen und Männer haben keinen anderen Gedanken, als sich werktätig zu beteiligen an dem Kriege, der ein Volkskrieg ist im wahrsten Sinne des Wortes, ein Volkskrieg, an dem jeder für seinen Teil an der Stelle, an die er gestellt ist, verantwortungsvoll teilnimmt, mit der Verantwortung für das, was auf dem Spiele steht. Noch eine andere Aufgabe ist den⸗ jenigen zugefallen, die zu Hause geblieben sind, Sorge und Aufrecht⸗ erhaltung des wirtschaftlichen Lebens. Verständnisboll ist die Be⸗ völkerung dem Rufe gefolgt, durch Selbsthilfe den Gefahren des Krieges, die drohen, zu begegnen und durch weise Selbstbeschränkung dafür zu sorgen, daß die Gefahren nicht wachsen. Die großartige Organisgtion des Kredit- und Geldwesens, die durch die Reichsbank herbeigeführt worden ist, findet ihren Gipfelpunkt in der erfolgreichen Zeichnung der Kriegsanleihe, die nicht weniger als 455 Milliarden Mark in die Kaffen des Reichs geführt hat. (Beifall Manch schwere wirtschaftliche Wunde ist für den einzelnen geschlagen, aber die Gesamtheit trägt auf starken Schultern das Gebäude unseres wirtschaftlichen Lebens. (Beifall) Alles dieses zusammen bildet den Hintergrund, vor dem sich das gewaltige Drama dieses Krieges ab⸗ spielt. Nur vier Monate sind seit dem Beginn des Krieges ver⸗ flofsen, und welche Fülle von kriegerischen Ereignissen hat sich in dieser kurzen Spanne Zeit zusammengedrängt. Ju unseren Gegnern hat sich das japanische Reich gesellt, das für seinen Undank nur an⸗ führen kann Beutegier nach den Wahrzeichen deutscher Kultur, die wir in fernem Osten aufgerichtet haben, zum Besten der Kultur. (Beifall. Sehr richtig) Dagegen ist den treuverbündeten Reichen Oesterreich Ungarn und. Deutschland ein Bundesgenosse erstanden in dem Osmanischen Reiche (Beifall, das entschloffen ist, die Hed rohung durch das englische. Joch abzuschütteln in gleicher Weise wie die anderen Länder mit moslemitischer Be— völkerung und durch die islamitische Bewegung die Grundfesten der Kolonialreiche unserer Gegner zu erschüttern droht. In den vier Monaten haben wir ganz Belgien, bis auf wenige Quadratkilometer im Westen besetzt und einen nicht unbedeutenden Teil des nördlichen und östlichen Frankreichs auf der Linie Verdun — Lille bis zum Meere. Starke Festungen, die als uneinnehmbar galten, sind überwunden worden, Lüttich, Ramur, Antwerpen und Maunbeuge. In jeder Feldschlacht hat unser Heer den Feind geschlagen. Ich er⸗ snnere nur an die Schlachten von Mülhausen in französisch Lo— Ihringen, im Ysten bei Tannenberg, nördlich der Masurischen Seen, bei Lodz und bei Lowitsch, und alle diese Schlachten haben bewiesen, daß alle unsere Truppen, dom Ersten bis zum Letzten, daß unsere zinientruppen wie, unsere Reserven, unsere Landwehr, unser Land— sturm, daß Kavallerie, Artillerie, Pioniere und alle Spezialwaffen von dem gleichen Geiste beseelt sind. Mehr als einmak ist uns Rsagt worden, daß unsere Truppen unter dem Gefange „Deutschland, Deutschland über alles“ die feindlichen Stellungen gestürmt haben. Beifall) Unserem Heere steht ebenbürtig zur Seite unsere Flotte. Lebhafter Beifall). Das Herz geht uns auf, wenn wir uns an die Kreuzer „Göben“ und „Breslau“ erinnern, die, gezwungen den neu⸗ tralen Hafen zu verlassen, unter den Klängen der Wacht am Rhein
hinausgezogen sind in das von den feindlichen Flotten erfüllte Mittel⸗
meer. Das Herz geht uns auf bei dem Gedanken an unseren Kreuzer
WGmden. (Cebhafter Beifall), der alle, Meere unsicher gemacht hat, obgleich er selbst nur ein einzelnes verhältnismäßig kleines Schiff war,
und bor dem die Flotten unserer Gegner gezittert haben. Ich erinnere In die Schlacht bei Coronel, wo eine überlegene Strategie zur See 3 Sieg davongetragen hat. (Beifall). Ich erinnere an die glorreichen Taten unserer Unterseeboote LKebhafter Beifall, die heute den Schrecken ger ganzen britischen Flotte und des ganzen britischen Volkes bilden. (Lebhafter anhaltender Beifall und Händeklatschen). Leider ist unser heimatlicher. Boden nicht von den Schrecken des Krieges verschont geblieben. Teile don Elsaß⸗Lothringen, Teile von Ostpreußten zeigen nur zu deutlich die Spuren der kriegerischen Verheerung. Aber wir können nicht dankbar genug sein, daß im großen und ganzen der Krieg sich abspielt auf dem Gebiete unserer Feinde. (Beifall) Wahr⸗ , win alles dieses uns vergegenwärtigen, drängt sich uns das Gefühl der Bewunderung auf für unser Heer und unsere Flotte (Heifalh, deren Taten sich ebenbürtig zur Seite stellen denen der
liege rischen 9 aller Jeiten und aller Völker. Tebhafter
. all) Ih, dieser Bewunderung bringen wir unseren Dank dar her Wbessten Leitung des Heeres und der Flotte, den Generalen und Admiralen, den Offizieren und den Mannschaften, die alle vom Erften
Berlin, Donnerstag, den 3. Dezemher
bis zum Letzten mit unvergleichlichem Mute gekämpft haben und denen die feindlichen Stellungen selten haben standhalten können. GBeifall ) Wir schließen in diefen Dank ein die tapferen Bewohner unserer Kolonien, die in schwieriger Lage heldenmütig für das Deutschtum lämpfen. Wir danken nicht minder denen, die an höchster Regierungs⸗
stelle stehen, die eine ungeheure Verantwortlichkeit mit ihren Mit
arbeitern tragen und eine gleich große Ärbeitslast bewältigt haben und täglich bewältigen, die nicht hoch genug eingefchätzt werden kann im Interesse des deutschen Vaterlandes. (Beifall. Wir danken allen den Deutschen, die freiwillige Arbeit mitübernommen haben, die Leiden des Krieges zu mildern und für unsere Verwundeten zu sorgen. (Beifall) Schwer sind die Verluste an Verwundeten von vielen Tausenden, die für ihr ganzes Leben ein schweres Schicksal infolge des Krieges zu tragen haben, dieses Schicksal aber heldenmütig tragen. Schwer sind auch die Verluste an Menschenleben, die der Krieg fordert. Manch Frauenherz verzehrt sich in Kummer um den gefallenen Gatten und Bruder, manch Vater und Mutterherz verzehrt sich in Gram um die ihm entrissenen Söhne. Wir ehren ihren Schmerz und tragen ihn mit ihnen, das Vaterland aber dankt ihnen und ist stolz auf seine gefallenen Heldensöhne, die ihr Blut vergossen und ihr Leben hingegeben haben in dem Weltkriege, den wir um unsere Existenz zu führen haben, ein Weltkrieg, denn aus allen Weltteilen, Asien, Afrika, Australien, Amerika haben unsere Feinde ihre Vasallenheere auf den europäischen Kriegsschauplatz gezogen, um uns zu vernichten. Meine Herren, das schreckt uns nicht, im Vertrauen auf die Ge— rechtigkeit unserer Sache wehren wir uns, wenn es sein muß, gegen die ganze Welt. Eebhafter Beifall) Unter der Fahne unseres Heeres, unter der Flagge unserer Flotte werden wir siegen. (Leb hafter Beifall. — Meine Herren, ich habe Ihnen dann noch einige Mitteilungen trauriger Natur zu machen. (Der Reichstag und die Mitglieder der Regierung erheben sich) Am 23. September verschied in seiner Heimat der Herr Kollege Dr. Semler, gewählt für den 2. Wahlkreis Hannover, am 7. Oktober verschied in seiner Heimat unser Herr Kollege Ritter, gewählt für den 1. Wahlkreis des Re⸗ gierungsbezirk Bromberg, am 8. Nobember verschied unser Herr Kollege Metzger, gewählt für den 3. Wahlkreis Hamburg, und am 20. November verschied unser Herr Kollege Dr. Braband, gewählt für den 6. Wahl⸗ kreis Schleswig⸗Holstein. Am 3. September ist unser Kollege Herr Dr. Frank⸗Mannheim, der beim Ausbruch des Krieges sich als Kriegs⸗ freiwilliger gestellt hatte, von einer Kugel in den Kopf getroffen und starb so in dem ersten Gefecht, das er mitgemacht hat. An dem Platz, an dem wir sonst seine markige Gestalt zu sehen gewohnt waren, liegt ein Lorbeerkranz, den der Reichstag seinem den Heldentod ge⸗ storbenen Kollegen gewidmet hat. Ich habe, nachdem ich die Nachricht von dem tragischen Ende unseres Kollegen erhalten hatte, der sozial⸗ demokratischen Fraktion das Beileid des Reichstags ausgesprochen. Seitens des Herrn Stellvertreters des Reichskanzlers ist mir fol⸗ gendes Schreiben zugegangen: „Im Kampfe um Deutschlands Ver⸗ teidigung ist als erstes Mitglied des Reichstags der Abgeordnete Dr. Ludwig Frank auf dem Felde der Ehre gefallen; er hat damit die Gesinnung, die er durch seinen Eintritt als Kriegsfreiwilliger bekundet hatte, mit seinem Tode besiegelt. Ich habe die Ehre, im Namen des Reichskanzlers dem Reichstag den Ausdruck des aufrichtigen Mit⸗ gefühls auszusprechen, und bitte, diesen Ausdruck ihm zu übermitteln.“ Ich danke dem Herrn Reichskanzler für den Ausdruck seiner warmen Anteilnahme an unserem tragischen Verlust. Meine Herren, Sie haben sich sowohl zu Ehren der in ihrer Heimat verstorbenen Mit⸗ glieder wie auch zu Ehren unseres auf dem Felde der Ehre gefallenen Kollegen Dr. Frank von Ihren Plätzen erhoben, ich stelle dies fest und danke Ihnen dafür.
Der Präsident Dr. Kaempf teilt darauf mit, daß er Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin zum Geburtstage die Glückwünsche des Reichstags übermittelt habe, und verliest das darauf eingegangene Danktelegramm Ihrer Majestät. Er verliest ferner das von ihm aus Anlaß des Falles Tsingtau an Seine Majestät den Kaiser und König gerichtete Telegramm, in welchem er die Gefühle des Reichstags aus diesem Anlaß kundgibt, und teilt mit, daß er darauf folgende Depesche Seiner Majestät erhalten habe:
„Ich danke Ihnen für den Ausdruck der Gefühle des Schmerzes und des Vertrauens auf die Zukunft, von welchen der Reichstag und alle deutschen Herzen angesichts des Falles von Tsingtau erfüllt sind. Die heldenmütige Verteidigung der in langjähriger Arbeit ge— schaffenen Musterstätte deutscher Kultur bildet ein neues Ruhmes⸗ blatt für den Geist der Treue bis zum Tode, den das deutsche Volk mit seinem Heere und mit seiner Flotte in dem gegenwärtigen Ver— teidigungskampfe gegen eine Welt voll Haß, Neid und Begehrlich— keit schon so mannigfach, will's Gott, nicht vergeblich betätigt hat.
Wilhelm I. R.“
Der Präsident gibt ferner den Wortlaut der Depesche be⸗ kannt, die er aus dem gleichen Anlaß an den Staatsfekretär des Reichsmarineamts gerichtet hat, sowie die von letzterem an ihn gerichtete telegraphische Antwort. Der Präsident läßt sodann die telegraphische Solidaritätskundgebung verlesen, die der Vizepräsident des Ungarischen Abgeordnetenhauses ihm hat zugehen lassen, und ebenso die von ihm darauf namens des Reichstags gegebene Antwort.
Das Verzeichnis der inzwischen eingegangenen Vorlagen und der im Bundesrat eingetretenen Veränderungen wird ver— lesen. Darauf tritt das Haus in die erste Lesung des Gesetz⸗ entwurfs, betreffend die Feststellung eines zweiten Nachtrags zum Reichshaushaltsetats für 1914, ein, durch welchen weitere 5 Milliarden an Kriegskrediten gefordert werden.
Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg:
Meine Herren, Seine Majestät der Kaiser, der draußen bei der Armee ist, hat mich beauftragt, der deutschen Volksvertretung, mit der er sich in Sturm und Gefahr und der gemeinsamen Sorge für das Wohl des Vaterlandes bis zum Tode eins weiß, seine besten Wünsche und seine herzlichen Grüße zu überbringen (lebhafter Beifall), und zugleich in seinem Namen von dieser Stelle aus der ganzen Nation Dank zu sagen für die beispiellose Aufopferung und Hingabe, für die gewaltige Arbeit, die draußen und daheim von allen Schichten des Volkes ohne Unterschied geleistet worden ist und weiter geleistet wird. (Erneuter lebhafter Beifall.)
Auch unsere Gedanken gelten zuerst dem Kaiser, der Armee, der Marine, unseren Soldaten, die draußen auf dem Felde und auf hoher See für die Ehre und die Größe des Reiches kämpfen. (Bravo Voller Stolz und mit felsenfestem Vertrauen blicken wir auf sie sstürmischer Beifall im ganzen Hause), blicken wir zugleich auf unsere österreichisch⸗- ungarischen Waffenbrüder, die treu mit uns vereint in glänzend bewährter Tapferkeit den großen Kampf kämpfen. (Wiederholter stürmischer Beifall.)
1914.
Noch jüngst, meine Herren, hat sich uns in dem aufgedrungenen Kampfe ein Bundesgenosse gesellt, der genau weiß, daß mit der Ver⸗ nichtung des Deutschen Reiches es auch mit seiner eigenen staatlichen Selbstbestimmung zu Ende wäre; das ist das osmanische Reich. Wenn unsere Gegner auch eine gewaltige Koalition gegen uns auf⸗ geboten haben, so werden sie hoffentlich erfahren müssen, daß der Arm unserer mutigen Verbündeten bis an die schwächsten Stellen ihrer Weltstellung reicht. (Lebhafter Beifall.)
Am 4. August bekannte der Reichstag den unbeugsamen Willen des gesamten Volkes, den ihm aufgezwungenen Kampf aufzunehmen und seine Unabhängigkeit bis zum äußersten zu verteidigen. Seitdem ist Großes geschehen! Wer will die Ruhmes⸗ und Heldentaten der Armeen, der Regimenter, der Kompagnien und Schwadronen, der Kreuzer und Unterseeboote aufzählen in einem Kriege, der seine Schlachtlinien durch Europa, ja durch die Welt zieht! Erst eine spätere Zeit wird davon erzählen können. Aber fassen wir nüchtern, was ist.
Die unvergleichliche Tapferkeit unserer Truppen hat, trotz der ungeheuren Uebermacht unserer Feinde, den Krieg in Feindesland ge⸗ tragen. Dort stehen wir fest und stark da und können mit allen Zuversicht der Zukunft entgegensehen. (Lebhafter Beifall) Aber, die Widerstandskraft des Feindes ist nicht gebrochen. Wir sind nicht am Ende der Opfer. Die Nation wird diese Opfer weiter tragen mit demselben Heroismus, mit dem sie es bisher getan hat, denn wir müssen und wollen den Verteidigungskrieg, den wir, von allen Seiten bedrängt, für Recht und Freiheit führen, bis zum guten Ende durch⸗ kämpfen. Lebhaftes Bravo.) Dann wollen wir auch der Unbill ge⸗ denken, mit der man sich an unseren in Feindesland lebenden wehr— losen Landsleuten, zum Teil in einer jeder Zivilisation hohnsprechen⸗ den Weise, vergriffen hat. (Stürmischer, wiederholter Beifall.) Die Welt muß erfahren, daß niemand einem Deutschen ungesühnt ein . krümmen darf. Stürmisches, wiederholtes Brabo und Hände⸗
latschen.)
Meine Herren, wenige Augenblicke, nachdem jene Sitzung vom 4. August zu Ende gegangen war, erschien der großbritannische Bot⸗ schafter, um uns ein Ultimatum Englands und nach dessen sofortiger Ablehnung die Kriegserklärung zu überbringen. Da ich mich damals zu dieser endgültigen Stellungnahme der britischen Regierung noch nicht äußern konnte, will ich jetzt einige Ausführungen dazu machen.
Die Verantwortung an diesem größten aller Kriege liegt für uns klar. (-Sehr richtig)h Die äußere Verantwortung tragen die⸗ jenigen Männer in Rußland, die die allgemeine Mobilisierung der russischen Armee betrieben und durchgesetzt haben. Sehr richtigh Die innere Verantwortung liegt bei der großbritannischen Regierung. (Wiederholte lebhafte Zustimmung) Das Londoner Kabinett konnte den Krieg unmöglich machen, wenn es unzweideutig in Petersburg erklärte, England sei nicht gewillt, aus dem österreichisch⸗serbischen Konflikte einen kontinentalen Krieg der Großmächte herauswachsen zu lassen. (Sehr richtig) Eine solche Sprache hätte auch Frankreich gezwungen, Rußland energisch von allen kriegerischen Maßnahmen abzuhalten. (Erneute Zustimmung) Dann aber gelang unsere Vermittlungsaktion zwischen Wien und Petersburg, und es gab keinen Krieg. England hat das nicht getan. England kannte die kriegs lüsternen Treibereien einer zum Teil nicht ver vortlichen, aber mäch⸗ tigen Gruppe um den Zaren. (Allgemeine Zustimmung) Es sah, wie das Rad ins Rollen kam, aber es fiel ihm nicht in die Speichen. Trotz aller Friedensbeteuerungen gab London in Petersburg zu verstehen, England stehe auf Seite Frankreichs und damit auch Rußlands. (Hört, hört) Das zeigen klar und unwiderleglich die inzwischen erfolgten Publikationen der verschiedenen Kabinette, insbesondere das Blaubuch, das die englische Regierung herausgegeben hat. (Sehr richtig) Nun gab es in Petersburg kein Halten mehr. Wir besitzen darüber das gewiß unverdächtige Zeugnis des belgischen Geschäfts⸗ trägers in Petersburg. Er berichtet — Sie kennen seine Worte, aber ich will sie hier wiederholen — er berichtet am 30. Juli an seine Regierung: Heute ist man in Petersburg fest überzeugt, und man hat selbst die Gewißheit dabon, daß England Frankreich beistehen wird. Dieser Beistand ist von enormem Gewicht und hat nicht wenig dazu beigetragen, der Militärpartei die Oberhand zu verschaffen. Lebhafte Rufe: Hört, hörth 1 n
Bis in den Sommer hinein haben die englischen Staatsmänner ihrem Parlament versichert: kein Vertrag, keine Abmachung binde das schrankenlose Selbstbestimmungsrecht Englands, falls ein Krieg ausbrechen sollte. Frei könne Großbritannien sich entscheiden, ob es an einem europäischen Kriege teilnehmen wolle oder nicht. Also, meine Herren, war es keine Bündnispflicht, kein Zwang, es war auch keine Bedrohung des eigenen Landes, die die englischen Staatsmänner veranlaßte, den Krieg entstehen zu lassen und dann sofort selbst in ihn einzutreten. Dann bleibt nur übrig, daß das Londoner Kabinett diesen Weltkrieg, diesen ungeheuerlichen Weltkrieg kommen ließ, weil ihm die Gelegenheit gekommen schien, mit Hilfe seiner politischen Entente⸗ genossen den Lebensnerv seines größten europäischen Konkurrenten auf dem Weltmarkt zu zerstören. (Stürmische Zustimmung im ganzen
Dause.)
So, meine Herren, tragen diese beiden Staaten England mit Rußland zusammen — über Rußland habe ich mich am 4. August ausgesprochen — vor Gott und der Menschheit die Verantwortung für diese Katastrophe, die über Europa, die über die Menschheit herein⸗ gebrochen ist. (Lebhafte Zustimmung.)
Die belgische Neutralität, die England zu schützen vorgab, ist eine Maske. Am 2. August, Abends um 7 Uhrs teilten wir in Brüssel mit, die uns bekannten Kriegspläne Frankreichs zwängen uns, um unserer Selbsterhaltung willen durch Belgien zu marschie ren. Aber schon am Nachmittage dieses 2. August, also bevor in London das geringste von unserer Demarche in Brüssel bekannt war und bekannt sein konnte, hatte England Frankreich seine Unterstützung zugesagt hört, hört), und zwar bedingungslos zugesagt für den Fall eines Angriffs der deutschen Flotte auf die französische Küste. Von der
belgischen Neutralität war dabei mit keinem Worte die Rede. Diese