Dem Maschinenbauschuldirektor, Professor Dipl.Ing. Lohse ist die Stelle des Direktors der Königlichen Maschinenbau⸗ und Hüttenschule in Gleiwitz übertragen worden.
Krieg sm inisterium.
Aenderung der Anstellungsgrundsätze vom 20. Juni 1907. (Beschluß des Bundesrats vom 10. Dezember 1914.) 1 515 Absatz 1 der Anstellungsgrundsätze für den Reichs⸗ und Staats dien st und 5 11 Absatz 1 der
Kommunalanstellungsgrundsätze erhalten fol—
genden Ii n Während eines Krieges sind Mllitäranwärter, solange sie sich im aktiven Militärdienst befin en, als verhindert anzusehen, sich rechtzeitig um eine Stelle zu bewerben, eine
Annahmepiüfung abzulegen oder eine informalorische Be—
schältigung abzuleisten. Bei nachträglicher Erfüllung dieser
Forderung innerhalb angemessener Frist sind sie in das Be⸗
werberverzeichnis als Stellenanwäcter so aufzunehmen,
als ob sie sich rechtzeitig um die Stelle beworben und dieser
Reihenfolge entsprecend die Prüfung abgelegt oder eine
informatorische Beschästigung abgeleistet hätten. Als recht-
git se Meldung gilt dann für Milttäranwärter, die den
Zivil versorgungsschein bereits vor dem Krieg erworben haben,
der erste Mobilmachungstag oder, wenn sie erst später in das Heer usw wieder eingetreten sind, der Tag ihres Wieder⸗ eintrüts in den attiven Militardienst; für Militäranwärier, die den Zivilversorgungeschein während des Krieges erworben haben, der erste Tag des dreizehnten Militärdienstjahres. 2) 5 15 Absatz 2 der Anstellungsgrundsätze für den
Reichs⸗ und Staats dienst und 8 11 Absatz 3 der
Kommunalanstellungsgrundsätze erhalten fol⸗
genden Zusatz:
Während eines Krieges sind die Milltäranwärter, solange sie sich im aktiven Militärdienst befinden, als verhindert anzusehen ihre Meldung rechtzeitig zu wiederholen. Bei nachträglicher Bewerbung innerbalb angemessener Feist sind sie im Bewerberverzeichnis zu belassen.
Erläuterung: Die Festsetzung einer „angemessenen“ Be⸗ werbungsfrist bleibt der Entscheidung des Bundesrats vor⸗ behalten.
Berlin, den 15. Dezember 1914.
Der Kriegsminister. J. A.: Frhr. v. Langermann.
Ministe rium des Innern.
sachdem der Bundesrat durch Beschluß vom 17. Dezember d. J einen Nachtrag zur Deutschen Arzneitaxe 1914 genehmigt hat, bestimme ich, daß dieser Nachtrag vom 1. Januar 1915 an für das Königreich Preußen in Kraft tritt, im übrigen aber die deutsche Arzneitaxe 1914 auch nach Ablauf des Jahres 1914 bis auf weiteres gültig ist.
Die amtliche Ausgabe des Nachtrags ist im Verlage der Weidmannschen Buchhandlung in Berlin 8W. 68, Zimmer— straße 94, erschienen und im Buchhandel zum Ladenpreise von 25 8 zu beziehen.
Berlin, den 22. Dezember 1914.
Der Minister des Innern. von Loebell.
Finanz ministerium. Die Rentmeisterstel le bei der Königlichen Kreiskasse in Neuhaldensleben, Regierungsbezirk Magdeburg, ist zu besetzen.
Aichtamktliches. Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 22. Dezember 1914.
Der Bundesrat versammelte sich heute zu einer Plenar⸗ sitzung; vorher hielten die vereinigten Ausschüsse für Handel und Verkehr und für Justizwesen, der Ausschuß für Handel und Verkehr sowie der Ausschuß für Justizwesen Sitzungen.
Wie „Wolffs Telegraphen⸗Bureau“ mitteilt, bringen holländische Blätter in den letzten Tagen Berichte über die Beschießung der englischen Küste mit dem Vorwurf, Deutsch⸗ land respektiere nicht offene Städte. Demgegenüber sei fest⸗ gestellt, daß die englische Flotte seit Wochen völkerrechts⸗ widrig belgische Küsten- und Badeorte beschießt und dort schon großen Schaden verursacht hat. So ist der Badeort Westende teilweise zerstört worden, und auch andere Orte haben stark gelitten.
Der heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staatsanzeigers“ liegen die Ausgaben 283 und 284 der Deutschen Verluft⸗ liften bei. Sie enthalten die 108. Verlustliste der preußi⸗ schen Armee, die 125. Verlustliste der bayerischen Armee, die 80. Verlustliste der sächsischen Armee, die 82. Verlustliste der württembergischen Armee sowie die 13. Verlu stliste der Kaiserlichen Marine.
Sachsen. Seine Königliche Hoheit der Kronprinz hat nach Beendigung seiner Kur gestern Wiesbaden verlussen und sich wieder ins Feld begeben.
Oesterreich⸗ Ungarn.
Die „Wiener Zeitung“ veröffentlicht eine Ministerialver⸗ orbnung über die Festsetzung der Höchstpreise für Hafer— die im Großhandel für einen Meterzentner 2,50 bitz 27,50
in den verschiedenen Kronländern betragen. Die Ver⸗ orbnung tritt am H. Dezember in Kraft.
Großbritannien und Irland. Der König hat an den Sultan von Aegypten ein Be⸗ stelegramm gerichtet, in dem er ihn seiner Freundschaft imd Unterstützung in seiner Regierungztätigkeit versichert. Der Sultan hat dem König telegraphisch seinen Tant autz⸗
— Der frühere deutsche Konsul Ahlers ist auf Ver⸗ anlassung des Homeoffice am Sonnabend nachmittag auf freien
Fuß gesetzt worden. Frankreich.
Der Ministerpräsident Viviani kündigte dem Ministerrat im Elysée an, daß die Regierung heute eine Erklärung in den Kammern abgeben werde. Der Ministerrat stimmte dem Gesetz⸗ entwurf, daß die Naturalisierung der Untertanen der feindlichen Mächte in gewissen Fällen widerrufen werden kann, zu, ebenso dem Gesetzentwurf, daß der mit Geldstrafe oder Gefängnis bestraft wird, der direkt oder durch einen Mittelsmann irgendwelche Geschäfte mit einem Untertanen einer feindlichen Macht abschließt.
— Der Finanzminister Millerand erörterte gestern im Armeeausschuß der Kammer die Frage der Bewaffnung und Lebensmittelzufuhr und der Munition. Der Aus⸗ schuß erklärte einstimmig seine Zufriedenheit mit den ge⸗ troffenen Maßnahmen und billigte die Gesetzvorlagen bezüglich der Nationalverteidigung. Der Budgetausschuß nahm die von der Regierung geforderten Ergänzungskredite zum all⸗ gemeinen Budget an.
Nach Berichten der statistischen Gesellschaft hat das besetzte französische Gebiet, wie der „Temps“ mitteilt, eine Bevölkerungszahl von 3 255 000 Seelen, also 8,20 Proz. der gesamten französischen Bevölkerung. Der Wert der unbebauten besetzten Gebiete betrage ungefähr vier Milliarden, der Wirtschafts⸗ gebäude 1,1 Milliarden, der Fabriken 15 Milliarden, der Geschäfts⸗ häuser 142 Milliarden, der Wohnhäuser 5,5 Milliarden, des Handels⸗ und Industriematerials eine Milliarde; der Ge⸗ samtwert der besetzten Gebiete ist demnach auf un⸗ gefähr 14,5 Milliarden zu veranschlagen. Der Wert der Hypothekenschuld der besetzten Gebiete betrage ungefähr eine Milliarde.
— Die ärztliche Untersuchung der zurückgestellten und ausgemusterten Mannschaften der Jahresklassen 1894 bis 1901 im Bezirk Lyon hat am Sonnabend statt— gefunden. Von 877 wurden 236 für tauglich befunden; 65 wurden in die Hilfstruppen eingereiht, 55 zurückgestellt.
Belgien.
Ueber die erfolgte Regelung der belgischen Kon⸗ tributionen erhält „Wolffs Telegraphen⸗Bureau“ folgende Darstellung:
Die am 19. Dezember gefaßten Beschlüsse der Landtage der neun belgischen Provinzen, die der Bevölkerung Belgtens vom General- goͤuverneur auferlegte Jahreskontribution von 480 Millionen Franes durch Ausgabe von Schatzscheinen aufzubringen, erledigten eine Reihe wichtiger Fragen. Bisher waren Kontributionen einzelnen Städten auferlegt. Mehrere Kontributionen konnten überhaupt nicht oder nur zum Teil beigenieben werden. Wo eine Finanzierung möglich war und erfolgte, war sie sehr verschiedenartig; die vielfältigen Kipital⸗ beschaff nngsarbeiten waren geeignet, Verwirrung in den Kapitalmarkt zu bringen. Es erschien ferner nicht gerechtfertigt, daß die Kontribu⸗— tionen nur den Städten auferlegt waren, während das wohlhabende flache Land davon verschont blieb. Eine Vereinheitlichung der Kontributionen und ihrer Auterlegung auf das ganze Land war daher geboten. Der Weg einer Staatsanleihe oder der Begebung von Schatzscheinen durch das Land Belgien wollte die deutsche Verwaltung schon aus völkerrechtlichen Rücksichten nicht betreten, darum wurde der Weg gewählt, die Kontribution den neun Propinzen aufzuerlegen und sie für die Aufbringung des Be⸗ trages solidarisch haftbar zu machen. Bei den Vorverhandlungen mit den Vertretern der Dépulations Permanenteä zeigte sich deren Bestreben zum Entgegenkommen und selbst eine gewisse Geneigtheit zu sachlicher Mitarbeit. Namentlich fand der Vor⸗ schlag der deusschen Verwaltung, die Kontribution durch Schasscheine aufzubringen, die von einem alle größeren belgischen Banken um⸗ fassenden Konsortium zu übernehmen und von der neu zu schaffenden Notenbank zu begeben sind, Verständnis bei den Provinzvertretern. Sie begrüßten es offenbar, daß dem Lande eine unmittelbare Be⸗ lastung gegenwärtig erspart bleibt und die Deckung der Schatzscheine auf die Friedenszeit übertragen wird. Mit diesen Verhandlungen wurde die Regelung der Requisitionen verbunden.
Die Requisitionen wurden bisher mit Bons bezahlt, deren Ein⸗ lösung der Zeit nach Friedensschluß vorbehalten blieb. Nunmehr sollen die Requisitionen durch Barzablung beglichen werden. Be- sondere Beachtung ersorderte die Frage der Bezahlung der in Ant— werpen, Gent und anderen Stapelplätzen des Landes vorgefundenen Warenporräte, über die die Rohstoffabteilung des Kriegsministeriums versügt. Die belgischen Eigentümer werden volle Bezahlung für die Waren erbalten, sobaid sie in Deutschland ein⸗ getroffen und nach ihrem Wert abgeschätzt sind. Diese Be⸗ zahlang soll in einer Weise erfolgen, daß während des Krieges Geld⸗ übertragungen von Deutschland nach Belgien nicht stattzufinden brauchen. Es ist gewiß freudig zu begrüßen, daß es gelungen ist, mitten im Kriege neun Provinziallandtage zusammenzuberufen und sie zur Annahme des Vorschlags der deutschen Regierung zu bestimmen. Die Art und das Ergebnis der Lösung der Kontributions, und Requisitionsfragen wird in gleicher Weise den Forderungen des Siegers wie der Leistungsfähigkeit des Landes und seiner Verfaffung gerecht und bringt in seine schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse die dringend benötigte Ordnung. .
Schweiz.
Nach den von den Vertretungen der Nachbarländer an das eidgenössische politische Departement gelangten Mitteilungen kann die Heim schaffung der deutschen, österreichisch⸗ ungarischen und französischen Zivilinternierten durch gemeinsame Transporte als beendigt angesehen werden. Im ganzen sind rund 11000 Personen, meist Frauen und Kinder, durch die Schweiz in ihre Heimat zurückgelangt. Die Etappenkommissionen und Heimschaffungsbureaus werden nunmehr ihre Tätigkeit am 214. Dezember einstellen. Nur das Berner Bureau wird noch schwebende Geschäfte sowie die Abrechnung erledigen.
Amerika.
Der Staatssekretär Bryan erklärte der „Frankfurter
Zeitung“ zufolge, daß der Präsident Wil son nicht auf der
Gesetzvorlage über das Verbot der Ausfuhr von Kriegs⸗ material bestehe.
Afrika.
Der Sultan von Aegypten hat an den Prxemier⸗ minister Ruschdi Pascha ein Schreiben gerichtet, in dem er ihm der „Times“ zufolge mitteilt, daß die britische Regierung ihn zum Khediviat mit dem Titel Sultan be⸗ rufen und daß er die Berufung angenommen habe. Der Thron werde sich in der Familie Mehemed Alis vererben. Der Sultan erklärt ferner, er wünsche das Programm wirt— schaftlicher und anderer Reformen, das bereittz begonnen sei, sortzusetzen, und beabsichtige, die Bevölkerung in wachsendem Maße zur Anteilnahme an der Regierungsarbeit heranzuziehen.
Nach einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“ ist der
wurden auch gestern ab gewiesen.
Kriegsnachrichten.
Westlicher Kriegsschauplatz.
Großes Hauptquartier, 21. Dezember, Vormittags. (W. T. B.) Französische Angriffe bei Nieuport Zwischen Riche bourg⸗ lAvous und dem Kangl d'Aire⸗à La Bassse griffen unsere Truppen die Stellung der Engländer und Inder an. Die feindlichen Schützengräben wurden gestürmt, der Feind aus seinen Stellungen unter schweren Verlusten geworfen. Wir erbeuteten ein Geschütz, fünf Maschinengewehre, zwei Minenwerfer und nahmen A0 Engländer und Inder, darunter zehn Offiziere, ge⸗ fangen. Der bei Notre Dame de Loreite am 18. De⸗ zember an den Gegner verlorene Schützengraben ist zurückerobert. In der Gegend Souain⸗Massi ges (nordöstlich Chalons) griffen die Franzosen gestern heftig an und drangen an einer Stelle bis in unseren Vorgraben vor. Ihre Angriffe brachen jedoch sämtlich in unserem Feuer zusammen; vier Offiziere, 310 Mann ließen die Franzosen in unserer Hand, eine große Zahl gefallener Franzosen liegt vor unseren Stellungen. In den Argonnen nahmen wir eine wichtige Waldhöhe bei le Four de Paris, eroberten drei Maschinengewehre, eine Revolverkanone und machten 275 Franzosen zu Gefangenen. Die mit großer Heftigkeit ge⸗ führten Angriffe der Franzosen nordwestlich Verdun scheiterten gänzlich. Die große Regsamkeit der Franzosen vor unserer ganzen Front ist erklärlich durch folgenden bei einem gefallenen fran⸗ zösischen Offizier gefundenen Heeresbefehl des Generals Joffre vom 17. 12. 14:
Armeebefehl vom 17. Dezember 1914. Seit drei Monaten sind die heftigen und ungezählten Angriffe nicht imstande gewesen, ung zu durchbrechen. Ueberall haben wir ihnen siegreich widerstanden. Der Augenblick ist gekommen, um die Schwäche auszunützen, die sie uns bieten, nachdem wir uns verstärkt haben an Menschen und Material. Die Stuwmde des Angriffs hat geschlagen. Nachdem wir die deutschen Kräfte ir Schach gehalten haben, hindelt es sich darum, sie zu brechen und unser Land endgültig von den Eindringlingen zu befreien. Soldaten, mehr als jemalt rechnet Frankreich auf euren Mut, eure Energie und euren Willen, um jeden Preis zu siegen. Ibr habt schon gesiegt an der Marne, an der Mser, in Lothringen und in den Vogesen. Ihr werdet zu siegen berstehen bis zum schließlichen Triumph. Joffre.“
Oberste Heeresleitung.
Großes Hauptquartier, 22. Dezember. (W. T. B.) Bei Nieuport und in Gegend Ypern herrschte im allgemeinen Ruhe. Zur Wiedererlangung der am 20. Dezember verlorenen Stellungen bei Festubert und Givenchy machten die durch französische Territorials verstärkten Engländer gestern und heute Nacht verzweifelte Vorstöße, die zurück— gewiesen wurden. In Gegend Richebourg gelang es ihnen, in ihren alten Stellungen wieder Fuß zu fassen. Die gestrigen Angriffe der Franzosen in Gegend Albert, nord⸗ östlich Compiégne, bei Souain und Perthes wurden unter schweren Verlusten für sie abgeschlagen. Im westlichen Teil der Argonnen nahmen wir einige Schützen⸗ gräben; östlich der Argonnen, nordwestlich und nördlich Verdun wurden die französischen Angriffe zum Teil unt schwersten Verlusten für die Franzosen leicht zurück⸗ gewiesen.
Wir haben leider erst nach der Veröffentlichung fest— gestellt, daß der gestern bekannt gegebene Befehl des französischen Generals Joffre vom 17. Dezember 1914 folgenden Nachsatz hatte:
„Der Befehl ist heute abend allen Truppen bekannt zu geben und zu verhindern, daß er in die Presse gelangt.“
Oberste Heeresleitung.
Oestlicher Kriegsschauplatz.
Großes Hauptquartier, 21. Dezember, Vormittags. (W. T. B.) In Ost⸗ und Westpreußen ist die Lage
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unverändert. In Polen fortschreitender Angriff gegen die Stellungen,
in denen der Feind Front gemacht hat. . Oberste Heeresleitung.
Großes Hauptquartier, 22. Dezember. (W. T. B.) Auf dem östlichen Kriegsschauplatz ist die Lage in Ost⸗ und Westpreußen unverändert. In Polen stehen unsere Truppen in heftigen Kämpfen um den Bzura⸗ und Rawka⸗ abschnitt. An vielen Stellen ist der Uebergang über, diese Abschnitte schon erzwungen. Auf dem rechten Ufer der Pilica steht der Kampf der verbündeten Truppen noch.
Oberste Heeresleitung.
Wien, 21. Dezember. (W. T. B.) Amtlich wird ge⸗ meldet: In den Karpathen macht unser Angriff im oberen Flußgebiete der Latoreza gute Fortschritt e. Nordöstlich des Lupkower Passes, an der Front nördlich Krosno— Tuchgw und am unteren Dunajec wird heftig weiter⸗ gekämpft. Die Lage in Südpolen hat sich nicht geändert.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes: von Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Der Krieg der Türkei gegen den Dreiverband.
Konstantinopel, 21. Dezember. (W. T. B.) Das Haupt⸗ quartier meldet; Ein französisches Schiff beschoß gestern die Küste nördlich Alexandrette, ohne irgendwelchen Schaden an⸗ zurichten. Von den übrigen Kriegsschauplätzen ist nichts von Bedeutung zu melden.
Konstantinopel, 21. Dezember. (W. T. B.) Bie das Blatt, Turan“ erfährt, hat der Araberhäuptling Ibn Soud eine Streitmacht von etwa sechstausend Reitern, darunter dreitausend Meharisten, ausgerüstet und sie in der Richtung von 56sr ausgesandt, damit sie zum türkischen Heere stoßen. Er selbst soll mit der Hauptmacht seiner Stämme bemnächst nach dem Jemen abgehen. Ein anderer mächtiger Häuptling, Nebschd Ibn Reschid, habe gleichfalls eine be— deutende Streitmacht ausgerüstet und warte nur die Befehle der türkischen Regierung ab, um ins Feld zu ziehen.
Burengeneral Wolmarans gefangen genommen worden.
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Kunst und Wissenschaft.
A. F. In der letzten prähistorischen Fachsitzung der Gesellschaft—
für Anthropologie — Vorsitzender Professor Dr. Olsbaufen — sprach als erster Redner der Königliche. Bezirksgeologe Dr. F. Wiegers über „Die Entwicklung der altsteinzeitlichen Kunst“ mit bejonderer Berücksichticung der Darstellung des Menschen: Eine der interessantesten Fragen, so leitete der Vor- tragende sein Thema ein, ist unter den vielen Fragen, die uns die Erforschung des dilupialen Menschen zur Beantwortung vorlegt, die nach „Uisache! und ‚Wesen“ der „dilupialen Kunst?“. Fast un= vermittelt tritt diese älteße Kunst uns in der Mitte der jüngeren Altsteinzelit entgegen, anscheinend ohne Vorläufer von Belang, gleich in einer erstaunllchen Höhe der Vollendung. Um so merkwürdiger ist diese Erscheinung., als auf solche Entwicklung der kaum minder erstaun liche Rückschlag folgt, daß am Ende der Eiszeit anscheinend jede Kunstäußerung wiederum völlig aufhört.
Zunächst darf den Forscher die Frage beschäftigen: Ist anzunehmen, entweder daß die Kunst aus einem ursprünglichen Schönheitegefühi geboren wunde, das sich bereits bei den Diluplalmenschen offenbarte, oder als eine zweite Möglichkeit, war es mehr oder weniger zuerst ein Zufall, daß der Mensch dem zu praktischem Nutzen geformten Gerät eine gefällige Form gab und Nachahmung dann das ihre tat? Betrachtet man, diese Frage mündlich erwägend, die zu den allerältesten Zeug⸗ nissen menschlicher Tätigkeit gehörigen, außerordentlich sorgfältig und streng symmetrisch gearbeiteten Faustkeile! des jüngeren Acheulden 86 der zweiten Hälfte der vorletzten Zwischenciszeit und der vorletzten
iszeit), so scheint die Symmetrie dieser Geräte in der Tat wesentlich, durch ein nscht, geringes Paß von Schönheits— empfinden bedingt, und es scheinen die Geräte mehr als Pruntwaffen gedient, denn zu Gebrauchsgegenständen bestimmt gewesen zu sein. Schon wegen ihrer zwei scharfen Schneiden waren sie an sich unpraktisch, und daß bereits in der nachfolgenden Periode, dem Moustérjen, der Faustkeil mit Hintansetzung der äußeren Schön heit in die beiden überwiegend nützlichen Werkzeuge der Mouftler— spitze und des Moustterschabers übergeht, scheint den Beweis zu er— hringen, daß die überwiegende Nützlichkest und Gebrauchefähigkeit des Gerät dem Diluvialmenschen des Acheulen an zweiter, das gefällige Aussehen aber an erster Stelle gestanden hatte. Die oben auz— gesprochene zweite Vermutung der ältesten und eigentlichen Ursache künstlerischer Betätigung ist somit gegebenen Falls wenigstens als nicht zutreffend zu erachten. Allerdings war die ganze Moustierzett (letzte Zwischeneiszeit und Anfang der letzten Eiszelt) jeder künstlerischen Be— tatigung noch völlig bar. Wenn auch die im jüngeren Acheul den begonnene Benutzung des Knochens hier schen in größerem Umfange aufttitt, so geschah es doch nur ju wirklichen Nutzzwecken und selten zu anderem als zu Unterlagen füc die Stelnwerkzeugbearbeitung. Erst dem Aurigngcten, der nachfolgenden Periode, ist es vorbehalten geblieben, die früheste in der Tat mehr dem Gefallen an dem Dargestellten entsprungene Kunst des Menschen erstehen zu lassen! Ter Vor— tragende erklärte, an diesem Punkte seiner Ausführungen angelangt, indessen, die näher zu besprechenden Anfänge der Kunst nur im Sinne ihrer geologisch-chronologischen Entwicklung und nur gelegentlich an— deutend im Sinne der einleitend angeregten Fragen vom Standpunkt des Aesthetikers un? Psychelogen betrachten zu wollen. Dagegen liege ihm daran, der in letzter Zeit auch in der anthropologischen Gesell— schaft geäußerten Meinung durch gute Gründe en'gegenzufreten, wonach die kretische und griechische Kunst aus dem Ende der jüngeren Steinzeit und dem Beginn der Bronzezeit die unmittelbare Fort. setzung der ältesten, steinzeitlichen Kunst gewesen sein soll. Die Kunstäußerungen des diluvialen Urmens hen treten unt entgegen als plastische und bildliche Wiedergabe des von ihm in der Natur Beobachteten, als Darstellungen zuerst von Menschen, weit später erst von Tieren und Pflanzen. Es fehlt gä zlich die Darstellung der landschaftlichen Natur. Frei erfunden ift offenbar, zum Teil durch Stilisierung natürlicher Vorbilder, die vorhandene Ornamentst. Ihrem Gebiet angehörige Darstellungen sind indessen verhältnismäßig selten. Es handelt sich, wo sie sich finden, wie in dem kunstreichen Gebiet nördlich der Pyrenäen und in der tantabrtschen Propinz Nordspanienz, meist um zusammenhanglose Einzeldarstellungen. Eine berühmfe Ausnahme bildet der Pferdefrieg von Cap blanc bei Laussel, und ziemlich häufig finden sich im südlichen und östlichen Spanien, und zwar in den jüngsten paläolsthischen Phasen, sogar Tänze und Jagdszenenen dargestellt. Mit Bezug auf die Art und die angewandten Mittel der Darstellung . zu unterscheiden: Rundplastik (Bildhauerkunst und Tonhildneret),
elief (meist Flachrelies) und ausgeschnittene Figuren, Gravüren (geritzte Strichzeichnungen), Farbenzeichnung und Wandmalerei in einer oder mehreren Farben. Oft eng verbunden mit diesen eigent⸗ lichen Aeußerungen der Kunst sind jene, die sich mit der Herstellung don Körperschmuck und Zierat (durchbobrte und verzierte Tierzähne, Muscheln, Schmucktäfelchen usw.) befassen. Ersichtlich finden wir also. im Diluptum die Anfänge der gesamfen heutigen Kunst. Am häufigsten begegnen wir, wie im einzelnen noch zu zelgen sein wird, den Darstellungen von Tieren, viel wensger häußfg solchen des Menschen, von dem in den älteren Skulpturen öfter das weibliche, in jüngeren Gravüren öfter das männliche Ge— schlecht dargestellt ist. Es ist nur ein einziges Bild, das Tanzbild von Copul, bekannt, auf, dem sich beide Geschlechter vereint vorfinden. Bezüglich der Chronologie dieser Kunstwerke hat man sich daran zu er— innern, daß die letzte Eiszeit eingeleitet wird durch das jüngere oder kalte Moustérlen, in seiner typischen Ausbildung charakterisiert durch die obere Grotte von Le Moustier im Tal der Vösre. Wie weil sich daz Moustérien in die letzte Giezeit hineinerstreckt hat, ist heute noch nicht mit Sicherheit zu sagen. Jedenfalls finden sich in den unteren Schichten des während der letzten Eiszeit in ihrem Anfang ab— gelagerten jüngeren Löß an manchen Stellen im Elsaß und in Nordfrankreich noch Moustétienartefakte. In der Zeit des Aurignacien waren die an ein kaltes Klima gewöhnten Tiere am weitesten nach Süden herab— gewandert, so finden wir den Moschusochsen (im Vézäretal), das Renntier am Mitte ländischen Meere (Mentone), Eis fuchs und Lem— ming (in der Dordogne, südlich der Pyrenäen, in Nordspanten — Cedillo, Altamira). Es liegt daher nahe, das Aurignacten mit dem Höhepunkt der letzten Verelfung zusammenfallen zu klaffen, deren aug— klingende zweite Hälfte das Solutréen und das Magdalsnten umfaßt. Diese gewaltige Zeitspanne, also von der größten Ausdehnung der letzten Eiszeit bis zu ibrem Ende, deren mutmaßliche Dauer in Jahren noch eingehender Erwägung unterzogen werden wird, ist die Zeit der diluvialen Kunstentfaltung. Bei der Betrachtung der uns bis heute bekannten künstlerkschen Hintersassenschaft des diluvialen Menschen ist es notwendig, zu vergegenwärtigen, daß die bisherigen Funde wohl nur einen Teil der ganzen bieitlichen Kunst darstellen und daß sie deshalb keine so zusammen
angende Entwicklung zeigen kann, wie wir sie in unseren Museen ei der historischen Kunst zu sehen gewohnt sind, deren Perioden ja 6 unvergleichlich geringere Dauer gehabt haben. Von großer Wichtig. . ist natürlich die möglichst genaue Feststellung des Alterg der Kunstwerke. Hieraus allein können sichere Schlüffe auf die Ent- wicklung der Kunst gezogen werden. Bei den Werken der Klein kunst wird sich nun am sichersten eine Bestimmung des Alters er- relchen lassen, vorausgesetzt nämlich, daß sie mit charakteristischen Werlheugen in Kulturschichten Uiegen. Welt schwieriger ist eg, die Wandkunst: richtig zu datieren. Auf direktem Wege ist dieg nur in wei Fillen möglich: Ersteng, wenn die Wandbilder verdeckt sind durch 9 öden ausgehäufte Kulturschicht, Massen von zerriebenem, durch . Wasser geführtem Gestein, was beweist, daß sie älter sind als ,. Schicht, ader zweitens, wenn sich in den Kulturschichten der be— erf g Höhle , Knochenzeich ungen“ finden, welche rel an der Wand ef dlichen Zeichnungen entsprechen, ihnen nachgebildet sind. In nm. Falle wird. man auf glelcheg Älter von Kulturschicht und
Kandbildern schließen dürfen. . enthält in vielen Fällen die
öhle keine bestimmtere Kusturschichl, dann ist die absolute Alters-. nnn, de. Bilder nur durch Analogieschluß möglich. Das re= ) *. . h i en ganz oder tetlweise überdeckenden Bilder l aus er Ueberje chnung eicht zu folgern. Ein bedeutender Fortschtitt in
Mammut geschnittenen Rundfiguren, sitzende menschliche
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der Aufhellung der Altersfrage der franzesischen Diluvialkunst — um diese handelt es sich in der Hauptsache — st dem Abbé B. Breuil zu danken, der mit großer Mühe in die älteren Arbeiten Pielles Ordnung gebracht hat. Pille war ein fleißiger Sammler und Er— forscher diluvialer Kulturstätten, besonders in den Pyrenäen, und hat die Ergebnisse seiner Ausgrabungen in einer Reihe klesner Abhand- lungen und in einem großen Taselwerk niedergelegt. Lesder sind seine Schlüsse kaum zu verwundern und entschuldkar bei der un geheuren Fülle des von ihm bewältigten Materials — nicht von zu⸗ sammen fassen den, lebendigen Entwicklungsgedanken beseelt, sondein tragen mehr das. Gepräge antsquarischer Stuhengelehrsam— keit. Seie Einteilung der Schichten beruht lediglich auf ker Wertung ihres Inhaltß an Kunstwerken und hält sich nicht fret von Voreingenommenheit über das Alter der An— wendung verschiedener Darstellungsweisen. Indem Pielle sein Schema auf alle von ihm untersuchten Fundorte übertrug, kam er auf recht anfechtbare Ergebuisse und machte ganz ve len ncktf, Schichten gleichaltrig, z. B. Aurignacien von Brassempony und Nagdal en ler von Mas d' Agil, nur weil sich in beiden Schichten Rundskulpturen finden. Infolge dieses einseitigen Standpunkts er— wies sich die Piellesche Gliederung, zumal sie den ganzen übrigen Inhalt der Kulturschichten, die Artefakte vor allem, entweder nicht genügend berücksichtigte oder nicht richtig erkannte, je länger desto mehr als unbrauchbar, und es war des Abts Breuil Ver— dienst, sie durch ein Altersschema zu ersetzen, das jetzt allgemein als maßgebend anerkannt ist und die Kunstwerke führende Schichten auf Grund ihres Inhalts und sicherer wohl erwogener Krllerien dem Aurignacien, dem Solutr cen und dem Magdalsnten einordnet. Breuil bedient sich dabei der Einteilung der diluvialen Kunffwerke in 2 Hauptgruppen, die sich sinngemäß deutsch mit den Ausdrücken „Kleinkunst“ und. Wandkunst‘ wiedergeben le ssen. Dieser Einteilung folgend, ist zunächst darauf aufmerksam zu machen, daß das Aur ig nacien in mehr als einer Begehung eine Wendung in der Geschichte der Erdbewohner bedeutet, über deren Ursachen wir allerdings noch völlig im Unklaren sind. Zunächst ist der Mensch ein anderer ge— worden. Die alte Neandertaler Raffe, die uns noch im Moustérien im Neandertal, in Spy und an anderen Orten enigegen— tritt, ist anscheinend völlig verschwunden. An ihre Stelle ist in Frankreich die großgestaltige Cromagnon⸗-Rasse getreten, Men— schen bis zu 190 m Körperlänge mit gut entwickellem Gehirnschädel, hoher Stirn und vorspringendem Kinn. Das Werkzeuglnventar zeigt einen wesentlichen Fortschrut in Bezug auf Material, Form und größere Vielseuigkeit, der Fauskeih verschwindet, die Moustter= Spitze wird zur messeracligen Ctateiperton, und Gravette⸗ Spitze, die echte Klinge tritt in großer Zahl auf, Schaber und Kratzer erhalten neue Formen. Hierzu tritt, besonders vom mittleren Aurignacien ab, das Werkzeug des Künstlers, der Grab— stichel, in mannichfacher Ausbildung. Neben dem Stein-
werkzeug aber beginnt, wieder vom mittleren Aurignacken ab,
das Knochenwerkzeug an Bedeutung zu gewinnen, von ver einfachen Knechenspitze steigend bis zur feinen Nadel und doppelsestigen Harpune des Magdalsnien. Mit dem Knochenwerkzeug setzt endlich auch die künstlerische Bearbeitung des Knochens und des Steins ein, etwa um die Mitte der Aurignackenkultur. Als die ältesten Skulpturen sind nach Erachten des Vortragenzen diei Steinplatten anzuschen, die im Musée du Périgord in Psérigueux aufbewahrt werden und von Didon im mittleren Aurignacien des Abri Blanchard, Kommune Serge ge, gesunden wurden. Sie stellen in ursprünglicher Art der Ausführung Teile des weiblichen Körpers dar und sinden ihr Gegenstäck in einigen in der gleichen Ablagerung gefundenen, aus Renntiergeweih geschnittenen Teilen des männlichen Körpers. Von kiesen rohen Darstellungen ist ein großer Sprung zu den Elfenbeinfiguren, die aus dem mittleren Aurignacien der (Grotte du pape bet Brassempouy stammen und den ersten Anspruch auf wirkliche Kunst möchen. Am besten gelungen sind die weivlichen Kigaren, leider sind sie intolge Zerbrechlichten des Materials nur tetlweise erhalten. Der weibliche Kärper ist teils in ziemlichem Ebenmaß der Form gehalten, teils in Uebertreibungen der Büste, der Hüften und Schenkel, wobei es aller— dings zweifelhaft bleibt, ob die anscheinende Uebertreibung nicht zu⸗ weilen Eigenart des diluvialen Weibes wiedergibt, wie es z. B. in einem Falle für die Darstellung von Fettsteißbildung, verbunden mit fast horizontaler Lagerung des Kreuzbeines, wohl der Fall ist. Die sogenannte Venus von Brassempouy zeigt neben einer merkwürdigen, vielleicht Behaarung oder Tätowierung ande ntenden Strichelung U⸗ber= treibungen der angedeuteten Art in besonderer Stärke. Interessant an ihr ist das Köpfchen mit stark hervorragenden Augenhrauenbogen, nur ist es merkwürdig, daß Augen und Mund nicht durch Skulptur dargestellt sind, vermutlich, well sie aufgemalt waren; denn der Aurtanueien · Mensch kannte bereits die Anwendung verschiedener Farben. Auffallend ist der Kopfputz der Venuz, darstellend eniweder eine Kapuze oder die geflochtene, stark an ägypiische Bilder aus der Phargonenzeit erinnernde Haarfrisur. Zwei weitere Figuren zelgen den Entwurf einer Puppe und eine schmale, armlose weibliche Fimnr. Als Seltenhelt ist ein mit einem Rock beklejdeter Torfo zu erwähnen. Aus dem oberen Aurtgnacien haben die Grotten von Mentone, die sogenannten Grimaldi⸗Grotten, einige aus Speckstein geschnittene Figuren geliefert. Auch hier findet sich jenes als Uebertreibung ver⸗ dächtige starke Hervortreten von Bauch, Hüften und Busen. Das Gesicht ist nicht ausgearbeitet, der Kopf nur in den Umrissen an- gedeutet. Während des oberen Aurignacten erfährt die Kunst eine Erweiterung an der Skulptur zum Reltef. Hierfür haben die Funde in dem Abr von Laussel, in der Dordogne glänzende Beleastücke er— bracht. Die ersten drei Funde wurden zuerst 1912 darch Gaston Lalaume, bekannten französischen Irrenarzt in Le Bouseat bei Bordeaux, veröffentlicht. Die vollständigste und schönste Darstellung zeigt eine unbekleidete Frau mit starken Hüsien, mit vollem Busen, in der rechten Hand ein ver— ziertes Trinkhorn, haltend, dem der durch Verwitterung des Kalksteins zum Teil zerstörte Kopf zugewandt ist, während die Linke mit gespreizten Fingern auf dem Leibe ruht. Die Darstellung erweckt den Eindrack, als klopfe sich die Frau nach einem woblschmeckenden Trunk nach Kinderart in vollem Wohlbehagen den Magen. Die anderen heiden Reliefs sind nicht mehr vollständig: eines der Torso eines nackten weiblichen Körpers, der Kopf unter Frisur oder Beklei— dung verschwindend, dag andere ein nackter Mann, dem Füße, Gesicht und Teile der Arme fehlen, in der Hüftgegend ist ein Gürtel an— gedeutet, wegen des erhobenen Arms wahrscheinlich die Gestalt eines Bogenschützen. Ein viertes Relief von derselben Fundstätte befindet sich im Besitz des Berliner Museums für Völkerkunde, es stellt gleich= falls eine unbekleidete Frau dar.
Die hauptsächlichsten bisher bekannten Aurignacienfundplätze von Skulpturen beschränken sich auf Südfrankreich, die übrigen Funde dieser HerstellungsZswelse sind äußerst spärlich — in Belgien im Trou Margtite bei Pont à Lesse ein kleines unvollendetes menschliches Figürchen aus Renntiergeweih und in Oesterreich einige allerdings be= sont erß interessante Skulpturen. In Brünn wurde 1891 im unge— störten Löß ein Skelett mit zahlreichen Beigaben gefunden, darunter eine nackte, aus Elfenbein geschnitzte, ursprünglich wohl 25 em große männliche Figur, von der ö nur der Kopf, der größere Teil dez Rumpfes und der linke Arm erhalten waren. Berühmter ist die Venus von Willmdorf⸗ (bel Wien), 19190 gefunden, ein kleines Figürchen, in allen Stücken die oben schon hervor- gehobenen körperlichen Merkmale der franösischen Frauen⸗ skupturen wiederholend, das Gesicht unter einer starken Frisur ver steckt. Die Figur ist aus oolithischem Kalkstein gefertigt und dann rot bemalt. Da dieser Kalkstein in der Tertiärformation sowohl
rankreichs wie Oesterreichs vorkommt, ist aus dem Material kein
chluß auf den Herstellungsort der Statuette zu ziehen, nur säßt die große Aehnlichkeit mit den entsprechenden füdfranzösijchen Leistungen die Deutung zu, daß das Stück durch Wanderung nach Oesterreich gekommen ist. In der auf das Aurignacten folgenden Periode des Solutrgzen ist ein Nachlassen der skulpturellen Kunsttätigkett be— merkbar. Der einzige sichere Fund warde im Löß von Predmost gemacht, bestehend aus 7 roh aus Hand und Fußwurzelku ] vom alten
darstes end, von derartig roher Beanbelturg, daß kelnerlet Beziehungen zur vorauigegengenen ersten Kunstve rode zu entdecken sind. Dagegen ist von weitaus g ößerem Interesse ein Flachrelief aus dem unteren Solutr den von Laussel (Dordogne). Der Fund ist zwet Jahre vor dem oben rwähnten aus der unmittelbar darunter folgenden Schicht des oberen Aurignacien flammenden gemacht worden. Das Relief siellt eine Doppelfizur Far, eine auf dem Rücken liegende weibliche Figur, Kopf rund, Gesicht duich Verwitterung zerstört, die unteren Teile des Kßipers nur mehr angedeutet, Oberschenkel hervorttet nd, Arme laag am Körper berunterhängend, Hände an den unteren Gliedmaßen anliegend. Dle zweite Person ist in entgegen gesetzter Lags von dem Ftörper sind nur Kopf und Brust gut skulpieit erhalten. Wenn dies Relief auch im unteren Solutréen ge⸗ sunden worte, so beneht doch die Möglichkeit, daß ihm ein höheres Alter zukemmt und es zu din am selben Ort in tieferen Schichten gesundenen vier oben beschriehenen Reliefs gehört. Vermutlich hatten alle 5 ursprünglich an der Felt wand gesessen, waren also eigentlich zur Wandtunst zu rechnen, und sind zu voenschiedenen Zeiten durch Verwitterung des Felsens abgestürzt und dabei zum Teil zerbrochen. Bei dir ser Annahme dürfen diese Reliefs als Beweig für die Auf⸗ fassung dienen, daß die erste Da ffellung des Menschen lediglich aus erotischen Ursachen erfolgt ist. Diese Vermutung findet Bestätigung dadurch, daß sich im Aurignacien wie im Soluträéen ganz nahezu alle Skulytur auf Wiedergabe des Menschen beschränkt. Einsst hierin ein un= zweifelhaft wesentlicher Gegensatz zur Kunst des Magdalsniens zu exkennen, die in erstet Linie Tiere und nur ganz vereinzelt noch den Menschen darstellt, vämlich nur in 4 bisher entdeckten Skulpturen. Von diesen ist eine in Mas d'Agil gefundene welbliche Figur aus einem Pserdezahn geschnitten, ? untzollständige rohe Schnitzereien menschlicher Gestalten in Langerie Basse gefunden, aus Renntker= geweih und eine weibliche Figur von demselben Fundort, die sogenannte Länus impudidue, ous Glienben, letzterer fehlen Kopf und Arme. Skulviuren von Tleren treten iuemst, auch nur noch vereinzelt, in Solutréen auf, nämlich an der klassischen Fundstätte von Solutré wo, aus kieseligem Falk geschnitten, leider stark verstümmelte, mit ein= gezogenen Beinen auf dem Boden lagernde Tiergestalten gefunden wurden. Dagegen erlebt im Magdalnien die Tierstulptur ihre Blüte⸗ zeit. Als Schnitzmaterial dient seltener das Elfenbein des Mammut stoßzahns, in der Regel das Rennttergeweih, Ueber der Vollskusptur und dem Relief kommt es nun zur Entwicklung der Rundstabfigur; die Kunst will weniger Einzelfiguren nachbilden, als Geräteschmuck
schaffen.
Es ist, zurückblickend auf die bisher in der Diluvialkunst beschriebenen Ginzelerscheinungen, von allerhöchstem Interesse, daß jene glücklich durchgeführten Breutlschen Jeltbestimmungen den unzweifelhaften Bewel erlaubt haben, daß das erste Objekt, dem sich der dilupiale Künstler zugewandt, durch lange Zeiträume der Mensch, allein der Mensch, gewesen ist und daß die Offenbarung vor einer andern der künstlerisch in Wiedergabe werten Natur ihm nicht früher als in der mit dem Rückgange der Giszeit, dem Eintritt eines milderen Klimas, dem allmählichen Aufhören der Beschränkung der Wohnstatten auf Höhlen verbundenen Magdalsnien- Zeit aufgegangen ist. Der Mensch war dem Künstler der Migdalsnien fortan sogar, bei der Fülle der Ericheinungen ringsum, fast ein miß⸗ achteter Gegenstand seiner Darstellungen. Wo er in seltenem Falle dargestellt ist, sieht man ihn z. B. als Jäger, der das verfolgte Wild täuscht, indem er sich ein Hirschaewelh aufsetzt oder sich ähnfich ver⸗ kleidet. Die Hauptsache der Entwicklung der Magdalénten-FRunst ist nächst der Erweiterung ihrer tünstlerischen Zwecke im Ausbau der Darstellungsmittel zu fuchen. Aurignoc en und Solurréen harten nur Skulptur und Flachrelief gerannt, jetzt kamen alle die verschiedenen Mittel zur Geltung, die eingaags erwähnt sind, nur die Töptem kunst blieb der Alisteinzeit versagt und selbstverständlich auch die An- wendung der Metalle, mit deren Benutzungsbeginn die Jungsteinzeit abschlseßt, wie sie mit der Uebung der Töpferkunst und dem Ver⸗ blassen der diluptalen Urkunst beginnt. Jene Urkunst aber, die in der naturgetreuen Wiedergabe des Dargestellten, wie in der künstlerischen Auffassung nicht nur erstaunlich, fondern schlechthin unbegrefflich er⸗ scheint, ist vielfach zu erklären versucht worden. Vor allem für dte Wandkunst in den Höhlen hat man ethnographische Vergleiche herangezogen, den Totemismus der Indianer Nordamerikas und der Ureinwohner Australiens. Alle diese Vergleiche versagen indessen völlig. Man muß die Höhlen Südfrankreichs und Spaniens selbst durchwandert und durchkrochen, muß selbst beim Schein der Kerze vor Len Bilbern gestanden haben, um die Schwierig. ketten für das Verständnis dieser Bilder zu ermessen. Da finden sich in einer Höhle die ersten Malereien nicht allzuweit vom Eingang, in (iner anderen beginnen sie erst nach - bis 650 m oder gar oog m. Dier ist die Decke einer saalartigen Eiweiterung mit Dutzenden von Figuren bemalt, dort ist in einem engen, gewundenen Gange ein ein— zelnes Tierbild oder einige hintereinander angebracht. Dag eine Bild tst, in Augen Zöbe, das andere in Kniehöhe, dleses ist im weiten Raum bei guter Beleuchtung gleichzeitg für viele Beschauer leicht zu erkennen, jenes im engen Gange kann nur ven Einjelnen betrachtet werden, und selbst mit einer Fackel in jeder Hand ist kaum der ganze Anblick möglich. Schon erwähnt wurde, daß in manchen Höhlen der Baden mit einer Kulturschicht bedeckt ist, in der sich Werkjeuge und Knochenreste der erlegten und verzehrten Tiere befinden. Man follte nun glauben, daß diese verschtedenen Tierarten an den Wänden abgeblldet ind. Aber der Mensch, der das Rhineozeros, das Mammut, den Riesenhirsch jagte, malte Pferde, Anttlopen und Rinder ab. Das Renn, von dem sich zahlreiche Reste finden, wird an dieser Stelle nur ein einziges Mal im Silde angetroffen, an anderen Stellen haben sie berdenweise Darftellung gefunden. Warum sind an einer Stelle die Mammuts, zu einer Zeit, wo sie schon selten zu werden anfingen, über mehr⸗ aarbige Fresken eingrapiert worden? Warum sind in La Madeleine bänderte von Pferden abgebildet, während in den Küchenabfällen die Pferdereste gering siad und für gleichaltrig zu Haltende Wand malereren haupt ächlich Biions enthalten? Fische fehlen an den Winden gänzlich, in Knochen eingerttzt sieht man sie oft. Diese Fragen lassen sich leicht dermehren. Sie befagen, daß die fern zurückltegenge dilupiale Kanst ein Problem ist, an dessen Losung noch piel ernste Arbeit gesetzt n muß. Wie lange zurückliegend aber ist diese Kunst zu erachten? Wentel taesend Jahre liegt ihr Anfang zurück und wiediel tau end Jahre hit sie felbst gedauerk? Geologen, Ustronomen, Präbiftoriker, alle geben derschtedene Antworten auf die Fragen.
Nünsch hat auf Grund der in der Schweiz von ihm aus⸗ gegrabenen Schickten den Begtan des in den Alpen mit dem Bühl. dorstoß zusammenfallenden Magdalsnten auf etwa 24000 Jahre vor der Gegenwart verlegt, indem er die feit 2009 Jahren hier vor⸗ handenen Ablagerungen durch Verwitterung des Felsens mit der Menge der aus gleicher Ursa be vorbandenen Ablagerungen verglich. A. Heim kam auf geringere Wert: durch Vergleich der von Reuß und Muotta seit der leßten Gisjeit im Vierwaldstätter See abnela zerten Kees. und Sandmassen. Gr ermlttel te so die Zeit von 16 000 Jahren für die Nacheiszeztt. Penck häëu diese Zeit für zu niedeig, die Gefamtheit der im See ngesammelten Schlammassen müsse berücksichtigt werden. Ser schwedische Astronom Erkholm schlägt zur Berechnung einen ganz abweichenden Weg ein. Er berechnet die Marima und Minima der Temperaturen. die auz den Schwankungen der Schiefe der Ekliptik und aus der Erzentrtzität der Erdbahn sich ergeben. Nach ibin dairfte der Höhepunkt der li zen Vergletscherung Nordeuropag also deg La gnar en, ctwa 28 000 Jabre zurückliege. Stolter setzt die Abschmel weriode des letzten Fiseg auf A G6 Jahre vor heuie und schließt sich auf Grund von diluvialpflanznt Forschungen der An⸗ sicht don Etbolm an. Dlernach wäre fomtt für lar s een. Soluträen und Magdalenien zusamwmen, alio fär die fungpaläblstisch Nunstepoche, eine Dauer von 7. His 10 956) Jahren anzunehmen, von denen 3. bis 4009 auf die Kunsthlüte der Mä gdaldnsen entfallen würden. Setzt man, die Stolterschen 21 009 Jahre Schluß der Abschmelwerlede alg wahr ich annehmend, oo Jahre, geschichtlicher Entwicklung big zur Gegenw⸗ bliebe für die jüngere Neuzeit nach dem Ende deg Magbo