Groszbritannien und Irland. Die letzte Verlustliste nennt 45 Offiziere und 1593
Mann. Frantreich.
Unter dem Vorsitz des Generalissimus Joffre ist gestern vormittag in Paris der erste Kriegsrat der Verbündeten abgehalten worden. Der „Agence Havas“ zufolge nahmen daran teil der frühere Chef des russischen Generalstabes General Gilins ki, der Unterchef des ttalienischen Generalsigbes General Porro und der Oberst Stefanowitsch als Ver⸗ treter Serbiens. Auch England und Belgien waren vertreten.
— Die Stellung des Chefkommandanten der Nordostarm ee wird dem „Temps“ zufolge nicht wieder hergeste llt. Joffre behält die Oberste Leitung und Ver⸗ antwortlichkeit für die militärischen Operationen auf allen Fronten. Dagegen wird ihm ein Offizier im Generalsrang beigegeben, der in ständiger Fühlung mit ihm die Leitung der Operationen auf der französischen Front hat.
— Emile Constant wird am Donnerstag eine Inter⸗ pellation einbringen über die Erwägungen, die die Regierung zu ihrem Erlaß über den Qberbefehl veranlaßt haben, und Über die Tragweite dieses Erlasses.
Rußland. Nach einer Meldung der St. Petersburger „Telegraphen⸗ Agentur“ wird durch Kaiserlichen Utas die Einberufung des Jahrgangs 1917 für 1916 befohlen.
Italien.
Der Papst hielt gestern mit dem gewohnten Zeremoniell ein geheimes Konsistorium ab. Nach verschiedenen Er⸗ nennungen hielt der Papst eine längere Ansprache.
— Mailänder Blätter melden den Tod des Generals Tromsi auf dem Karst.
Spanien.
In der Kammer brachten die Parteien der Minderheit den Antrag ein, die wirtschaftlichen Fragen vor den militärischen zu beraten. Graf Romanones begründete den Antrag. Der Ministerpräsident Dato lehnte, der „Agence Havas“ zufolge, den Antrag ab, verließ die Kammer und begab sich zum König, um den Rücktritt des Kabinetts zu unterbreiten.
Niederlande. Im November sind an der nie derländischen Küste
47 Minen angespült worden, darunter 2 englische, 15 deutsche und der Rest unbekannten Ursprungs. Im ganzen wurden bisher gefunden: 727 Minen, darunter 381 englische, 57 fran⸗
zösische, 112 deutsche und 177 unbekannten Ursprungs.
Belgien.
Nachdem die Provinzen Hennegau, Limburg, Lüttich, Luxemburg, Namur, Ost⸗ und Westflandern bereits in der Sitzung der Provinzialräte vom 30. November über die Finanzierung der auferlegten Kriegskontribution Beschluß
efaßt haben, sind, wie, W. T. B.“ meldet, nunmehr auch die . der Provinzen Antwerpen und Brabant zu einer endgültigen Entschließung gelangt; sie sind dem Be⸗ schluß der sieben anderen Provinzialräte beigetreten. Hierdurch ist die Finanzierung der Kriegs kontribution im Sinne der Verordnung des Generalgouverneurs gesichert.
;Schweiz.
Der Nationalrat hat, wie „W. T. B.“ meldet, zum Präsidenten den bisherigen Vizepräsidenten Arthur Engster⸗ Appenzell (freisinnig! und der Ständerat, den bisherigen Vizepräsidenten Pyth on⸗Freiburg (katholisch⸗konservativ) zum Präsidenten gewählt.
Griechenland.
Die am 3. Dezember der griechischen Regierung überreichte Note der Verbandsmächte hat, wie die „Kölnische Zeitung“ meldet, den Schwebezustand beendet. Die Note erkenne die Neutralität Griechenlands auch fernerhin an und fordere nur die Regelung verschiedener für die Sicherung und Bewegungs⸗ freiheit der Verbandstruppen in Mazedonien unerläßlichen Maß⸗ nahmen. Das Versprechen der unverkürzten Rückgabe des für die Operationen benutzten griechischen Gebietes und eines Schadenersatzes sei besonders unterstrichen. Sofern die Regie⸗ rung sich mit dem Inhalt der Note einverstanden erkläre, solle sofort die Aufhebung der bisherigen Zwangsmaßregeln erfolgen. Ueber die Einzelheiten der notwendigen militärischen Maß⸗ nahmen, welche die Verbandsmächte verlangen, würden die Verhandlungen beginnen.
Rumänien.
Nach einer Meldung des „W. T. B.“ wird. aus dem Kriegs ministerium verlautbrt, daß zur Assentierung der Klassen 1917 und 1918 sich auch alle naturalisierten Fremden zu melden haben, die das 49. Lebensjahr nicht überschritten haben. Desgleichen haben sich zu melden alle jene, die, wenn sie auch nicht naturalisiert sind, sich doch des rumãänischen Schutzes erfreuen.
— Gegen 500 rumänische Landwirte waren vor⸗ gestern in Bukarest versammelt, um über die Forderung einer gründlichen Erleichterung der rumänischen Aus fuhr zu beraten. Sie stellten, obiger Quelle zufolge, nach⸗ stehende Forderungen auf: Abschaffung der Ausfuhrtaxe, bessere Ausfuhrgelegenhelt zu Wasser und zu Lande, Regelung der Ausfuhr von lebenden Schweinen und Geflügel, Ergänzung der rumänischen Zentralkommission für den Verkauf und die Ausfuhr durch sechs von den landwirtschaftlichen Syndikaten zu bezeichnende Mitglieder, Aenderung der Reglements der Zentralkommission und Feststellung derjenigen Warenmenge, die der Landwirt mit Rücksicht auf den inneren Bedarf zurück— behalten muß; wenn die Häöchstpreise für den Inlands verbrauch aufrecht erhalten würden, so sollten auch Höchstpreise für die Bedürfnisse der Landwirte eingeführt werden.
Bulgarien.
Durch feierliches Glockengeläute wurde gestern früh der Hauptstadt die in der Nacht eingetroffene freudige Nachricht von der Einnahme Monastirs verkündet und die Bevölke⸗ rung aufgefordert, dem Allmächtigen für die so sehnlich er⸗ wariete Verwirklichung des durch Jahrhunderte gehegten nationalen Traumes und für den Ausgang der blutigen Kämpfe zu danken, die das bulgarische Volt durch lange Jahre u bestehen hatte. Sämtliche Häuser der Stadt legten Flaggenschmuck an. Ueberall finden Kundgebungen statt.
Araerika.
Der amerikanische Kongreß ist gestern eröffnet worden. Einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“ zufolge werden die Ausgaben nach dem neuen Haushalt 1285 858000 Dollar betragen, ungefähr 179 Millionen mehr als im letzten Haushalt. Die Vermehrung der Ausgaben ist hauptsächlich auf den Flottenvoranschlag zurückzuführen.
Kriegs nachrichten.
Großes Hauptquartier, 7. Dezember. (W. T. B.) Westlicher Kriegsschauplatz.
Bei Berry au Bac glückte eine größere Sprengung. Der französische Graben ist mit seiner Besatzung ver schüttet, eine fast vollendete feindliche Minenanlage ist zerstört. Oenlich von Auberive (in der Champagne) wurden etwa 230 m des vorderen französischen Grabens genommen; über 60 Mann fielen gefangen in unsere Hand.
Oestlicher Kriegsschauplatz. Die Lage ist im allgemeinen unverändert. Balkan kriegsschauplatz.
Ipet ist erreicht. Etwa 1250 Gefangene und 6 Geschütze wurden eingebracht. Die Franzosen haben vor der drohenden Umfassung ihre Stellungen im Cerna⸗ (Karasu⸗ — Vardar-Bogen aufgeben müssen.
Oberste Heeresleitung.
Wien, 6. Dezember. (W. T. B.) Amtlich wird gemeldet: Russischer Kriegsschauplatz.
Nichts Neues.
Italienischer Kriegsschauplatz.
An der Isonzofront hielt das feindliche Geschützfeuer an; es war an einzelnen Stellen, insbesondere gegen den Görzer Brückenkopf, zeitweise ziemlich lebhaft. Auch die Stadt Görz und der anschließende Ort St. Peter wurden aus allen Kalibern beschossen. Im Abschnitt der Hochfläche von Doberdo setzte italienische Infanterie unter Tags bei Redipuglia und Polazzo, Abends bei San Martino zum Angriff an; sie wurde überall abgewiesen. An der Tiroler Front dehnte sich die gegen den befestigten Raum von Lardaro gerichtete Tätigkeit der feindlichen Artillerie nun auch auf die anschließenden Stellungen nördlich des Ledrotales aus.
Südöstlicher Kriegsschauplatz.
Unsere Truppen sind nun auch westlich und südwestlich von Novipazar und an der don Mitrovica nach Ipek führen— den Straße auf montenegrinisches Gebiet vor⸗ gedrungen. Im Karstlande der Pestera wurden monte— negrinische Vortruppen auf ihre Hauptstellungen zurückgeworfen. Oestlich von Ipekt schlugen wir eine serbische Nachhut; unsere Spitzen nähern sich der Stadt. Die Zahl der in den gestrigen Kampfen eingebrachten Gefan genen übersteigt 2100 Mann.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes. von Hoefer, Feldmarschalleumant.
Der Krieg der Türkei gegen den Vierverband.
Konstantinopel, 6. Dezember. (W. T. B.). Amt⸗ licher Bericht vom 5. Dezember. An der Irakfront sammelt sich der geschlagene Feind bei Kut⸗el-Amara in vorher be— festigten Stellungen. Unsere Truppen näherten sich am 3. De zember Kut⸗-el⸗Amgra auf eine Entfernung von zwei Weg⸗ stunden. Indem sie den Feind von Norden und von Westen bedrängen, zwingen sie die feindlichen Truppen, die sich auf dem Kut-el-Amara gegenüberliegenden Ufer befinden, sich auf ihre Schiffe zu flüchten. Zwischen Kut-el-Amara und Bagh Kale erbeuteten wir ein unversehrtes, mit Munition beladenes feindliches Schiff und machten einige Gefangene. Wir finden im Fluß viele Leichen des Feindes.
An der Dardanellenfront bei Anafarta nahm unsere Artillerie, indem sie die vom Feinde zu Lande und zu Wasser aus geführte Beschießung energisch erwiderte, die Stellungen der feindlichen Infanterie und Artillerie mit Erfolg unter Feuer. Bei Ari Burun richtete ein feindliches Torpedoboot am 1. Dezember sein Feuer nach verschiedenen Punkten. Am gleichen Tage zeitweilig Artillerie und Bombenkampf. Zwei feindliche Transportschiffe wurden auf der Höhe von Ari Burun durch unser Feuer gezwungen, sich zu entfernen. Bei Sedil Bahr zerstörten am 4. Dezember zwei Minen, die wir vor unserem rechten Flügel zur Entzündung brachten, eine feindliche Gegenmine. Der Feind eröffnete darauf ein heftiges Infanteriefeuer gegen diesen Flügel, warf eine Menge Bomben und beschoß sodann zwei Stunden lang ununterbrochen unsere Stellungen. An der Beschießung nahm auch ein Monitor und ein Panzerkreuzer teil. Auf dem linken Flügel schwaches Infanteriefeuer. Der Feind warf dorthin eine große Anzahl Torpedogeschosse.
Unsere Flugzeuge setzlen ihre Erkundungsflüge und An— griffe mit Erfolg fort. Der Führer eines Kriegsflugzeuges, Leuinant von Hansen, Beobachter von Schiltmigen, warfen Bomben auf einen feindlichen Monitor und zwangen ihn, sein Feuer einzustellen und sich zurückzuziehen. Im übrigen ist nichts zu melden. .
Der Krieg zur See.
Wien, 6. Dezember. (W. T. B.) Amtlich wird gemeldet: Am 5. laufenden Monats früh hat unser Kreuzer „Novara“ mit einigen Zerstörern in San Giovanni bi Medua drei große und zwei kleine Dampfer, fünf große und viele kleine Segelschiffe, während sie Kriegs⸗ vorräte landeten, durch Geschützfeuer versenkt. Einer der Dampfer flog in die Luft. Die Flotille wurde dabei von etwa zwanzig Geschützen am Lande sehr heftig, aber erfolg— los beschossen. Nahe davon hat S. M. Schiff „Waras diner“ das französische Unter see⸗ boot „Fresnel“ vernichtet und den Kommandanten, den zweiten Offizier und 26 Mann gefangen genommen. Eine andere Flottille hat in der Nacht auf den 23. No⸗ vember einen mit drei Geschützen armierten Dampfer und einen größeren Motorsegler, beide italienisch, voll beladen auf der Fahrt von Brindisi nach Durazzo, ver⸗ sen kt, die Ueberlebenden des Dampfers, darunter vier von der Kriegsmarine, gefangen genommen, die Bemannung des Motorseglers in Booten freigelassen. Floltenkommando.
Die deutsche Heeres kavallerie östlich Wilna.
Aus dem Großen Hauptquartier wird dem, W. T. B.“ geschriehen:
Alg nach dem Fall von Kewno die‘ Armee sich an Wilna beranaibeitese, beglenete ein starles deutsches Kavallerie korps dieses Vorgeben auf dem Inken Flügel längs der Straße Wiltomier — U jany. i)
Es verlobnt sich, diese Bewegungen unserer Heeres kavallerie zu veifolgen; ein Büd zu gewinnen von den großen unz vielseitigen Auf⸗ garen, die der jetzige Krieg an die Reiterwaffe stellt: Leistungen zu würdigen, die einẽ ruhmvolle Erinnerung prachtvoller Taten deutschen Reitergeintes bleiben werden.
Am 9. September trat das zunächst aus 3 Divisionen bestehbende Kavalleriekorps an, um im taktischen Zusammenbang mit dem rechten, auf Dünaburg vorgebenden Flügel der Njemen⸗ Armer zu operieren. Seenengen, welliges und bewaldetes Gelände, zahlreiche Wasserlãufe bildeten beiderseitz der Straße nach Dünaburg die natürlichen Ver⸗ teldigungsmittel der dichtauseinandeifolgenden russischen Stellungen. Ein engmoschiges Netz von Schützengräben und Drahthindernissen er⸗ schwerte alle Bewegungen. In diesen besonders für die Verwendung großer Reitermassen außerordentlich ungünstigen Verhältnissen mußte dem Kavalleriekorps die zwetsache Aufgabe gesleßt werden, durch ständige Flankenwirkung das Vorgehen des rechten Armeeflügels zu erleichtern und die russische Deereskapallerle aus dem Felde zu schlagen. Schwere, aber dankbare Aufgaben sür den deutschen Reiterführer und seine prachtige Waffe.
Im Fußgefecht mit der Feuerwaffe wurde die erste Auf⸗ gabe geloͤft. Staͤndige Bedrohung selner Flanke durch unser Ravallersekorps veranlaßte den Gegner, leine starten Stellungen zu⸗ messt nach kurjem Kampf mit der frontal angreifenden Inzanterie zu räumen. Unter dem Druck der flankierenden Kavallerie wurden Stellungen aufgegeben, die andernfalls nur im erbitterten Angriff⸗ gesecht mit großen Verlusten hätten gengmmen wersen tönnen.
Selbst die ungewöhnlich starken Abschnltte der Seenenge bei Antalosi“) hielt der Feind gegen den am 11. Sepiember von Süden über Pokolne?) durchgeführten Flankenangriff einer Kavalleriedivision nur kurze Zeit und trat alsbald einen eiligen Rückiug an. Dankbar und freudig begrüßte die Infanterie der Njemen Armee dliesen Ersolg der Schwesterwaffe, der das Blut so manches braven Musketiers erfparte! Gleichzeitig wurden sädlich der großen Straße russische Kavalleriemassen auf Kukuzischki?) zurückgeworsen.
Die zweite Aufgabe ließ das Herz jeden deutschen Reiters mannes höher schlagen. Es hieß: Vorwärts — gegen die feindliche Heereskavalle rte! Aber den heißen Wunsch, am 12. September die an der Sernenge von Taurogina «) und nördlich zusammen— gezogene Kavallerie angreifen und schlagen zu dürfen, vereitelte der Feind. Vor unseren über die Linie Dawgeli 4 — Taurogina vor- brechenden Kavalleriedipisionen wichen die russischen Reitermassen eiligst aus.
Das Korps erhi⸗lt den Befehl, nunmehr die Operationen der Armee Fstlich Wilna zu unterstützen, und zwar zunächst durch starken Druck gegen den russischen Nordflügel, später durch eine aus. holende Bewegung gegen den Rücken des Feindes. Unter dem Flankenschutz einer seiner Divisionen ging das Kavallertekorps zunächst über Kukuzischt— Labonain *) auf Mal. Meshanv ?) 12 km westlich Swen inv an Bahnlinie Wilna —Dünaburg und über Tauroginga auf Koltynjany ) vor.
Das waldreiche, von zahlreichen Seen und Sümpfen durch— schnittene Gelände bot an sich schon schwaͤcheren Truppen die Mög⸗ lichkeit nachhaltigen Widerstandes. Die Aufgabe aber verlongte schnelle Raumgewinnung in füdöstlicher Richtung. Ohne Zögern wurde der Verteidiger der Bahnlinie westlich Swenzjany und an den Seenengen bei Koltvnjanv angegriffen und geschlagen. Trotz feind⸗ sschen Widersiandes, trotz der Ungunst des Geländes mit seinen tiefen, aufgeweichten Wegen, überschritt das Kavalleriekorvs hereits am 13. September die Bahnlinte, unterbrach sie an wich igen Punkten und erreichte noch am Abend die Gegend von Lyntupy n). Das he— setzte Schloßgut wurde angegrlffen und ein Trupp Kosaken daraus vertrieben. Eine Anzabl dieser Reitergleute wurde mühelos ge fangen. Sie lagen in Haufen und betrunken umher zwischen den Ge⸗ bäuden der Brennerei. Den Befehl ibrer Führer, den dort lagernden Spirituz auslaufen zu lassen, hatten sie mit gründlichstem Eifer, aber in ibter Auffassung über sinngemäß: Ausführung erhaltener Befehle befolgt. Immerhin wurden hier noch über 40 000 1 Spiritus be— schlagnahmt.
Von Lyntupy wurden sogleich Anordnungen getroffen zur Unter⸗ brechung der Bahnlinte Molodeczno— Poloczt. So ging noch in der Nacht eine Sprengabteilung unter Rittmeister von Pappen heim in Stärke von 2 Eskadrons, Radfahrern, 4 Maschinengewehren, einem Geschütz und Plonieren zur Zerstörung der Bahn nach Krzywicse J. Rittmeister von Pappenheim erreichte die Bahn an der befohlenen Stelle, griff ohne Zögern ein von Molodeczno eintreffendes rässisches Bataillon an, warf es zurück und unterbrach die Bahnlinie. Ein langer Zug mit Rampenmaterial wurde verbrannt, während ein verladenes russisches Geschütz, dessen Mimahme unmöglich war, ge⸗ sprengt wurde.
Der 14. September brachte sür das Kavalleriekorvs die Fort setzung des in breiter Front angelegten Marxsches in den Rücken der rufsischen Armee und gegen ihre rückwärtigen Verbindungen üer die Linie Zodziskls,—Dubatowkam) — Nowy Miadzjol (östlich des Narccz Sees). Eine Unternehmung, ebenso kühn im Entschluß wie rücksichtelog in der Durchführung. Ein Reiterzug — angesetzt gegen die Lebengadern einer in beiden Flanken bedrohten Armee. Ein Vor⸗ tragen der gefürchteten schwarz⸗weißen Lanzenflaggen weit hinter die ruffische Front! Während sich im Norden und Süden die Zangen einer eisernen Klammer in Gestalt der Infantertedivisionen der und Armee um die Flanken des russischen Heeres legten, begann im Osten, im Rücken des Heeres, die frisch zufassende Arbeit der deulschen Veereskavallerie.
Ein einziger Ausweg schien dem Feind zu bleiben zum Ent⸗ weichen: — der Abschniit zwischen dem Swir See und den Bereiyng⸗ Sümpfen südlich Wischnew. Nieser Abschnitt sowte die von NMoloteczno auf Wilna, Lida und Minsk führenden Bahnlinien, ferner die Eisenbahn Minsk — Smolensk bildeten die neuen Zeelpankte der kühn geplanten, inlt herrlichem Reltergeist durchgeführten Bewegung unseres Kavallerie korps.
Gegen die genannten Babnlinten gingen 2 Kavallerledivlsionen über die Wilia auf Soly und Smorgon vor. Die dritte Divlsion wurde zunächst gegen die Bahn Wilesta — Poloczk eingesetzt.
Sehr bald und gründlich machte sich nun unsere Kavallerie im Rücken des Feindes bemerkbar. Schon am Miadziol See wurde eine etwa 5o0 Wagen starke Kolonne mit Proviant und Ausrüstungsstücken abgefangen Auf die Wagen setzten sich die Leute eines zugeteilten Jägerbatalllons, um nun besser den schnellen Bewegungen ihrer Kavallerie: diwision zu folgen. Bei Dubatowka wurde eine Anzahl ruffischer Intendanjurbeamten gefangen. Sie führten eine Kasse mit 1060 Rubein russischer Staatsgeider bei sich. Viehdevots und Vorrats⸗ lager aller Art wurden beschlagnahmt. Daz russische Etappengebiet gab deutscher Heereskavallerle, was sie brauchte.
Im Kampf wurde die Wilia überschritten, Smorgon wurde im Sturmangriff genommen, der Bahnhof Smorgon wurde zerstört. Da Kavallerlekorps schwenkte von Simorgon nach Süd. westen und von Zodziszkt in Richtung Solv — Shuprany ein. Gz galt in Gegend Soly = Smorgon die Hauptkräfte des Korps zunächst
70 em nordwestlich Wilna, halbwegs Wilkomierz — Dünaburg. Rim Umkreise von Uzianv. nordwestlich Swenzijanv. 12 ki südöstlich Swenzjany. 190 kim östlich Wilna. füdwestlich des Narocz- Sees. 87 km südöstlich Wilna.
Uzjany
zusammenuhalten cegen starke wesslich und nordwestlich Syoln gemeldete, auf etwa 4 Divlsionen geschätzte, Iumsisch- Veerer kavnllerie. Zwischen Solv und Smorgon wurde die Bahäalirie durch Sprengung iner Ueber sührung zerstöct. Ein gerade in Smorgon ingelaufener Fisenbabnzug wurde mit Volldampf in das gesprengte Tiũmmeꝛfeld pineinge aht.
Vejrige Gefechte in der Gegend Sworgon — Solv — Shupran v sahen die kommenden Tage. Am 16. September wurde dag siark be⸗ seßzte Sol im Sturmangriff genommen. Mit dem Haionett wurde 6 Stadt und das Rittergut von unserer Kavallerte gestürmt. Sürlich
huprand wurde inzwischen ein feindlicher Angriff abgewiesen wobel in schneidiger Attacke auf vorgehende russische Jafanterie 4 Offiziere und 300 Mann ju Gefangenen gemacht wurden. An willkommener Beute waren am 165. September allein bei einer Kavalleriedmision zu verzeichnen: 1 Maschinengewehr, d Prop santkolonnen, Bãäckereikolonne, äber 1009 sonstige Fahrzeuge und 17000 Rubel russischer Staats. gelder. Einer zur Zerstörung der Bahnstrecke Molodeczno — Lida ent- sendeten Patrouille gelang clae wirksame Sprengung mitten während den lebhasten Zugverkehrs.
Gine andere Kavalleriedivision hatte inzwischen das besetzte
Stãdichen Wllejka angegriffen und gestürmt. Auch hier kam die Reiterattacke zur Geltung und jzu Ehren. Das Husarxenregiment rirt gegen eine russische Kompagnie an und nahm dabei über 100 Mann gefangen. Sudlich Wilejka winkte dem deutschen Reiter als verlockendes Ziel die als Gisendabnknotenpunkt und damaliger Etappen Hauptort wichtige Stadt Molo deczno. Sein Besiß war die erstrebenswerte, aber wahrlich nicht leichte Aufgabe, die sich die Kavalleriedivision zu stellen hatte.
Die Straße Wilejka—Molodechno ist beiderseits großenteils von Sumpfniederungen begleiiet, die eine breitere Angriffsemfaltung fast unmöglich machen. Auch wurde die Straße selbst von der aus Wisejta herauzgeworfenen nun schiittweise auf Molodecho zurück- gehenden russischen Inianterie hartnäckig verteidigt. Der Divisions- kommandeur befahl deshalb den Hauptangriff aus nordwestlicher und westlicher Richtung, das Vorgehen von Terlkräften gu] der Strate, während gegen die wichtige Bahnlinle Minsk — Molodecmo eine Syrengabteilung entsendet wurde.
Wie vorautgeseben, stieß der Angriff auf Molodeczno in dem schwiertgen Sumpfgelände auf die in Rechnung gestellten Hindernisse. Nur mühsam, buchstablich Schritt für Schritt, konnte der Angriff vorgetragen werden. Zwar gelang es, den Bahnhof unter kräftiges Artilleriefeuer zu nehmen; gegen die sehr starke Oitsbesatzung aber und neu eintreffende, auf freier Strecke ausgeladene und zum Gegen⸗ angriff schreitende russische Batalllone erwiegz sich der Angriff alz nicht erfolgversprechend. Vor sehr großer feindlicher Ueberlegenheit ging deshalb die Divlsion am 18 September zurück. Für das ruhige planmäßige Zurückgehen der Diviston, deren einzelne Verbände wieder den gemeinsamen AÄnschluß suchten, mag allein die Tatsache sprechen, daß das in tiefem Sumpfge lände kämpfende Dragonerregiment ““ zwar 16 Stunden allein sich abmühen mußte, um einen etwa 5 km breiten Morastgürtel zu überwinden, daß es aber lediglich mit ver— schwindend geringem Verlust wenlger Pferde, ohne einen Reiter dabei zu verlieren, den Anschluß an die Division fand.
Inzwischen war die gegen Bahnlinie Minsk — Smolensk entsandte Sprengabteilung in Gewaltmärschen auf ibr Ziel vor- gegangen. Rittmeister Lohmann war der ebenso schneldtge wie über⸗ legt handelnde Führer seiner durch 1 Geschütz und 2 Maschinengewehre perstärkten Ezkadron. Sorgsam vermied er alle größeren Straßen und Ortschaften. In lautloser Stille b wegte sich die kleine Truppe auf ihren geheimnisvollen nächtlichen Märschen. Reiter und Pferde
aben das Pöchstmaß ihrer Kräfte her; aber schließlich war die Deistungsfählgkeit erschöpft. In Molode (eiwa 12 Rm noidöstlich Togojgk a mußte der Führer seine Truppe zurücklassen. Nur mit 10 der bestberittenen Jäger zu Pferde und einigen Pionieren schlug sich Rittmeister Lohmann weiter durch alle Schwiertg⸗ keiten hindurch, seinem Ziel Zodzino (östlich Smolewieze) ent⸗ gegen. In der Nacht vom 19. zum 20.9. erreichte er dort die Bahn⸗ linie und unterbrach sie nachhaltig an mebreren Stellen. Aus dem Dunkel der Nacht leuchtete der Bahnhof von Zodzino zu Rittmeister Lohmann herüber. Deutlich konnte er den Gesang russischer Soldaien aus den auf dem Bahnhof haltenden Trane portzügen vernehmen. Von russischer Kavallerte scharf verfolgt, erreichte der schneidige Reitecosfizier glücklich seine Schwadron und mlt ihr zusammen den Arschluß an eine dem Kavallerietorps neu zugeteilte Kavalleriedivision in Gegend von Orpa.
Um einer Katastrophe zu entgehen, hatte der Gegner inzwischen starke Kräfte bei Oschmjang und Soly mit Marschrichtung Nordost zusammengezogen. Mit täglich wachsender Ueberlegenheit ging er gegen die Hauptfräfte unserer Heeres kavallerie in dieser Richtung vor. Für den 19. 9. war das Vorgehen einer deutlchen Infanterie division von Geljuny auf Smorgon zu erwarten. Die *** Kavallerie⸗ division hielt daher ihre Stellung bei Smorgon, seltst nachdem der Anmarsch eines ganzen russischen Armeekorps über Linie Krewon) — Borunv festgestellt war. In einer brückenkopfartigen Stellung um Smorgon erwartete die kampferprobte Kavallertedipssion den Angriff dez weit überlegenen Gegners. Die früberen Gefechte bei Meygs= zagola und Jawluny hatten erwiesen, daß diese Kavalleriedipision in der Lage war, den Angriff eines ganzen Armer korps mit zuversicht ˖ licher Ruhe zu erwarten. Hatte doch damals sogar das russtsche Gardetorps nach mehrtägigen erbitterten Kämpfen gegen diese Division von weiteren Angriffen absehen müssen.
Die erwartete Infanterie traf zunächst nicht ein, hingegen er neuerte der Feind am 20. 9. seine überaus besftigen Angriffe unter Umfassung des Iinken Divistonsflügels, der schließlich vor erdrücken der Uebermacht zurückgenommen werden mußte. Gegen Abend wurde die Brückenkopfstellung unhaltbar. Nach zweitägigem harten Kam pf gegen Truppen fast eines ganjen Armeekorys — einer Glanzlelstung unserer Kavallerie in der ihrer Eigenart doch so wenig entsprechenden Verteidigung — ging die Division auf das nördliche Wtiltaufer zurück. Der Gegner drängte in dieser Nacht nicht nach, sondern begnügte sich mit dem Vorfüblen durch Patrouillen über den Fluß, wo inzwischen eine Infanteriedivision in Gegend Zodzistki— Dubatowka eingetroffen war.
Neue Anordnungen des Armeeoberkommandos siellten an den folgenden Tagen dem Kavallertekorps neue strategische Aufgaben und Ziele. Führer, Unterführer und Reiter haben in jener Zeit geleistet, wag von ihrer Umsicht und Kühnheit, was von deutschem unverwüst⸗ lichem Reltergeist gefordert und erwartet wurde. Die Anerkennung des obersten Kriegherrn gilt als Ansporn zu neuen gleichen Leistungen.
Eine seltene Anerkennung sollte unserer Kavallerie zuteil werden. Der feindliche Armeeführer, der am melsten den furchtbaren Druck der deutschen Reitermassen in seiner Flanke und in seinem Rücken gespürt hatte, erließ folgenden, von uns im Schützengraben erbeuteten Befebl: =
Die Kavallerie soll sich ein Beisplel an der energischen mutigen und freien Tätigkeit der deutschen Kavallerie nehmen; ich halte dieses vorerst für genügend, um den Kavallerie⸗ abteilungen, inebesondere den Kosaken und ibten Führern, den früheren ,,. ihrer Vorfahren ins Gedächtnis zurückjurusen — die genaue ecke Aufklärung an der Nase deg Feindes, insbesondere in seinem Rücken, bolle Freiheit in feinen Batterien und Kolonnen zu wört— schaften, über seine ermüdete J. Infanterie berzufallen Das ist die Tätigkeit, von der jeder Führer leuchtende Beispiele aus der Geschichte der rufsischen Kavallerie wissen muß, denen die deutsche Kavallerie jetzt so erfolgreich nacheifert.“
WQ km südöstlich Wileika. 20 ki südwestlich Smorgon.
Parlamentarische Nachrichten.
Wie die „Niederrheinische Volkszeitung“ herichtet, ist das Mitglied des Hauses der Abgeordneten Peter Ho eveler (Zentr.), Gutsbesitzer in Benrad bei Hüls (Kreis Creseld), Vertreter der Kreise Geldern und Kempen im Regierungsbezirk Düsseldorf, am 6. d. M. gestorben.
Ttatistik und Volkswirtschaft.
Kostenanschlag für auskömmliche Ernährung.
Bei der Knappheit und den bohen Pieisen zahlreicher Lebens- mittel ist es jetzt für manche Haus rau nicht leicht, sih und ihre Familie auskömmlich zu ernähren. Die Aufgabe wird ihr dadurch noch eischwert, daß ihr meist eine genaue Kenninis der während des Krieges auf dem Lebensmitte lmarkt eingetretenen Veränderungen fehlt. Auch die Gemeindeverwaltungen, die Wohl fahrte vereine und die anderen Organisatlonen, die die Kriegerfrauen u. a. unterstützen, sind sich nicht überall darüber klar, welche Mindestbeträge für eine zu⸗ teichende Ernährung ihrer Schützlinge erforderlich sind. In dem „‚Nachrichtendienst für Ernäbrungsfagen?! (Diuck und Verlag von Wolffs Telegraphlichem Bureau“, Berlin) machen nun der Direktor des Siatistischen Amts der Stadt Berlin⸗Schöneberg Dr. Kuczynski und der Direktor des Tierphvsiologischen Instituts der Königlichen Land- wirtschaftlichen Hochschule in Berlin, Prosessor Dr. Zuntz den Versuch, eine Wochenration jusammen ustellen, die möglichst billig ist, aber doch neben ausrelchender Ginährung eine gewlsse Abwechslung gewähr- leistet. Für die Bemessung der Nahrunggt mengen wurden ns besondere Zufammenstellungen von den beiden Gelehrten König und Backhaus Ferwertet. Als Nährstoffberarf sind hier für den erwachsenen Mann 3000 verdaute Kalorien (mit 765 g verdautem Eiweiß), füt die Frau und ebenfo für Kinder über 14 Jahre 2500 Kalorien (55 g Giwejsß), für Kinder von über 10— 14 Jahren 2000 Kalorien (45 8g Eiweiß), für solche von 4— 10 Jahren 1500 Kalorien (26 8 Emweiß), für Kinder bon 1—4 Jahren 1000 Kalorien (32 g Eiweiß) und ür Säuglinge 500 Kalorien (24 g Eiweiß) gerechnet. Als Zuschlag für
unvermeidliche Verluste sind Hoso beim Einkauf hinzugesetzt. Als Prelse wurden die in Berlin um Mitte November 1916 üblich ge— wesenen zugrunde gelegt.
Wöchentlicher Bedar Kind“) von Mann Fraun) jg - 14 410 Jahren Jahren
*
Preis für 1000
Nahrungẽmittel Kalorien
*
238 3 8
Roggenbrot. 41 1 1950 15 1500 1500 Roggenmehl .. 48 k — 250 250 260 Reismehl ... 35 125 2 125 — Kartoffelmehl .. 18 400 400 200 200 Gerstengraupen. 3 125 25 125 — Maisgries ... ; 2560 26 250 200 Matkaroni . .. 29 17 — — Kartoffeln.. 8000 6 4500 2500 Kohllüben. 500 1 250 — Mohrrüben . l z 500 500 500 H00 Weißkobl . 9 250 26 250 Wirsingkohl . 2 8 250 250 —
w 35 70 500 500 Marmelade 160 4 300 300 300 22 56 350 350 250 Kunsthonig .. 100 s 125 125 125 Rindfleisch . 280 9 250 150 150 Pöktelfleisch . 240 125 — Blutwurst . 240 98 250 125
Hering, gesalzen 120 . 250 200
Klippfiich .. 80 J 150 150 Schmalz... 500 5 100 50
Margarine .. 320 125 ;
K 400 4 20
ö 30 500
ö 200 36 300
K 360 25
ö, 50 3
d // 24 100
. 320 5 l 5 Kö 50 5 ö 25 —
) Ebenso für ein Kind von über 14 Jabren; für stillende Frau oder für Flaschenkind unter 1 Jahr 5h 1 Milch und 75 8 Mais grieß mehr.
) Für ein Kind von 1—4 Jahren: 4 1 Milch, 1500 9 Brot, 250 g Roggenmehl und 1090 g Maiggrieß (es wird natürlich, z. B. beim Brof, mit einem Austausch der Nahrungsmittel unter den Familienmitgliedern gerechnet).
Es ergeben sich danach als Mindestwochenverbrauch für den Mann 7,67 „, für die Frau und ebenso für dite Kinder von über 14 Jahren 5,79 * und als Berarf für jedes Kind von 10 — 14 Jahren 4,36 4, für jedes von 4— 10 Jahren 2.35 M, für jedes von 1—- 4 Jahren 219 und für jedes Kind von unter 1 Jahr 1,55 (6.
Der monatliche Nahrungsmindestorbrauch beträgt somit z. B. für eine Kriegerfrau mit 1 Kind von 5 Jabren 3750 6, für eine solche mit 3 Kindern von 11, 5 und 2 Jahren 66 S, für eine Kriegerftau mit 5 Kindern von 13, 11, 8, 5 und 2 Jahren 97 „ .
Die europäische Teuerung. III. Knapphett und Teuerung in Rußland.
Knappheit und Teuerung in Rußland? Das klingt unglaublich. Das ungebeure Rußland, in dein alles Agrarische ins Riesenbafte wächst, soll Schwierigkeiten in der Lebengmittelversorgung haben? Dieses Rußland, die Kornkammer Europas, das relchste Nahrungs . mittelgeblef, Hauptherkunfts land für Futiermittel aller Art, das Land des größten Viehbestandes, hat heute sein Teuerunge problem und für weite Gebiete sein Knappheitsproblem, obwohl die ungeheuren, sonst ausgeführten Bestände infolge der Verschließung des Aus landgmarktes im Lande geblieben sind. .
In der Tat, wenn die Vertreter der russischen Städteorgani⸗ sation am 15. Dezember zu einem Kongreß zusammenkommen, um über die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung zu beratschlagen, werden sie reichlich Arbeit finden Dos russische Knappheits. und Teuerungsproblem ist ein Großstadtproblem, ein Problem der Heeresaufmarschgebtete und ein Flücht lings problem. Damit ist gleichzeitig schon gesaat, wo der tiefere Grund für die Knappheit Liegt: er liegt in der mangelhaften Regelung des Vertehrs und im Mangel an Transportmitteln. Ueber schußgebiete mit sich ftauenden Vorräten und Bedarfsgebiete stehen außer Ver⸗ bindung mitemander. Nach einer Erklärung des Wegebauministers sind seit Kriegsausbruch kaum neue Wagen gebaut worden, die vorhandenen Wagen sind durch die Truvppenverschlebungen vollständig von ihren Heimatstationen abgekommen und liegen an einzelnen Knotenpunkten fest, wo sie ernste zerkebrs bindernisse bilden. Der Minister erklärte, erft in zwel bis drei Monaten könnten geordnete Zastände und die Möglichkeit ceregelter Lebensmitteljufubr eintreten. Aus dem Material über die russische Lebensmittelversorgung sel einiges mitgeteilt: In Jekatertinoslaw berrscht Brotmangel; es fehlt an Mehl, die Bäcker schränken ihren Betrieb ein. Ver⸗ schiedentlich fanden Krawalle falt. Die Start bewilligte 300 000 Rubel zum Einkauf von Mehl und anderen notwendigen Lebensmitteln. In St. Petersburg wurden die offiziellen Höchsspreise für Butter auf aeheben; die Folge war ein Steigen der Butterpreise von srüber hö = 70 RKopeken auf 1 Rubel bis 1 Rubel 12 Kopeken für das russische
Pfund ( dez deutschen Pfunde). In Petergburg berrscht starker Mangel an Hlüisch, sberh upt an allem, was jum Leben notwendig sn, da bie Tan vortkäbne zu Hunderten auf den Kanälen eingefroren sind. A4haliche Ver älsniss? werden au Mog kau und aus anderen Städten des Reich s berichtet. Sogar das kaukasische Gebiet ist Tochenlang ohne Brot und ohne andere Lebengmittel geblieben; bäufige Gungerrevosten waren die Folge. Die Notlage wird ver⸗ schärst dakurch, daß in einzelnen Gebieten die kommandierenden Generãle bie Aut uhr Veibleten und so die Säädie schlicht und mangelbasn fich versorgen können. Neutste Meldungen, vornehmlich aus Süd⸗ riß land, schildern die Lage im allerschwärzesten Lichte. Die Teuerung sei ungeheuer, die Preise für Butter, Milch und Kae seien um ein Mehrfaches gestiegen, der jür Flelsch sei insbefondere durch die Konkurrenz der Militärintendanturnn unerhört gestitgen. Erklärlich sind diese Teuerungs⸗ und Knapyheits⸗ erscheinungen in den rein agrarischen Bezirken durch die Zusammenziehung von Truppen im russischen Süpweslen, teilweise auch durch den An⸗ drang von Flüchtlingen aus den Otkupationsgebieten nach Inner⸗ rußland hin. In Samara, dem wichtigsten Getteidegebiet der Wolga, hat sich die Lebenshaltung folgendermaßen verteuert: ge⸗ stlegen sind im Preise Weizen um 29 o, Roggen um 13 90lñ0, Buch ⸗ weszen um 150 do, Petroleum um 59 oo, Holz um 60 /o, Eier um 15 do, Zändhölzer am 150 o, HFuhilbpone um 150 cio Koble ist infolge der Besetzung der wchtigsten russischen Bergbaugebiete eben falls auf unerschwingliche Höhe gestiegen. . Alle die angeführten Preiesteigerungen geben erst ein richtiges Bild, wenn man berücksichtigt, daß . ein Agrarland mit un⸗ geheueren Ueberschüssen ist, wenn man ferner in Erwägung zieht, daß die Kaufkraft der russischen Massen sehr viel geringer ist als die Kaufkraft des deutschen Volkes, und wenn man beachtet, daß diese Verhältniffe während des Kriegea keine Aussicht auf Besserung haben, dagegen alle Aussicht auf Veischlechterung, weil mit dem strengen Winier die Wesserstraßen vereisen und die Bahnen und sonstigen Besörderungswege unzureichend sind. Die städtische Bevollerung Rußlands wird durch die Teuerung und Knappheit unertrãglich schwer getroffen, in einer Weise, die keinesfalls sich vergleichen läßt mit den Wirkungen von Teuerung und Knappheit für den deutschen Ver⸗
braucher. Kunft und Wissenschaft.
Das Faradaysche Omega. Das Staunen, das Sichwundern ist die Ursäche alles Wlssens. Die Wahrheit dieses Satzes zeigte sich kaum jemals eindringlicher als bei Michael Faraday (1791 - 1867), dem armen Buch binderjungen, der fret von Schulmeinungen mit nalvem Erftaunen an die Natarerschelnungen heranttat und dann Eant⸗ deckungen von der folgeschwersten Bedeutung machte, die namentlich auf unsere Vorssellungen von dem Wesen der eleftrischen Kräfte den tiefgreifend sten Einfluß ausübten. Es sei hier nur an eine fleine hon Faraday gemachte Beobachtung erinnert, die zuerst völlig unerklärlich schien. Bie Glektrizität fucht im allgemeinen stets den bequemsten sich ihr darbietenden Weg, auf dem sie den geringsten Widerstand sindet. Der elektrische oder galoanische Widerstand einer Leitung gilt gewöhnlich als eine bestimmte zahlenmäßig aus dꝛũckbare, fonstant!? Größe, und jwar ist der Widerstand Janger Metaliftrecken außerordentlich viel geringer als der Wider stand selbst kleiner Luftstrecken. Der Widerstand einer noch so kleinen Luftftrecke ist so groß, daß das Einschieben einer solchen in eine Metalleitung einen Strom von gewöhnlicher Stärke sofort unter- bricht, wovon z. B. in den elektrischen Klingeln Gebrauch gemacht wird, da das Klingeln durch das fortwährende Unterbrechen und Wieder- schließen des Stroms hervorgerufen wird. Eniladet man eine Leidener Fiasche durch einen Kupferdraht, den man an einer Stelle wie ein griechlsches Smega gebogen hat, das heißt kreisförmig, wobei der Kreis nicht völlig geschlossen ist, sondern unten zwischen zwei Spitzen eine offene Luftstrecke hat, so sollte man erwarten, daß die Entladung durch das Metall dez Omega hindurch erfolgt. Faraday be⸗ merkte aber, daß im Augenblick der Entladung zwischen den Spitzen bes Dmega ein Funken überspringt, daß die hochgespannte EGlektriität der Leldener Flasche anstatt der bequemen Drahtleitung den Weg durch die einen viel größeren Widerstand bildende Luftstrecke porzscht. Nach dein heutigen Stand unseres Wissens reiht sich dieser merkwürdige Vorgang in eine große Gruppe ähnlicher Erschetnungen ein. So gehen bei Wechselströmen bon außerordentlich hoher Wechsel⸗ jahl, den sogenannten Teslaströmen, die Entladungen leichter durch die Luft vor sich als durch Drähte, obwohl der Widerstand der betreffenden Luftstrecke im allgemeinen ben der Brähte um mehrere milllonen mal. übersteigt. Auch bei der Funkenentladung der Leidener Flasche handelt es sich um außer ordentlich lang verlaufende schwir gende Bewegungen. Man kann sie ver⸗ langsamen und die Entladung schließlich dauernd machen, wenn man in die Entladungsbahn eine schlecht leitende Strecke, etwa eine nasse Schnur, einschlebt. Die Entladung geht dann nicht mehr durch die Täststrecke zwischen den Spitzen des QOmega vor sich, sondern in gewöhnlicher Weise durch den Drabt. Der Widerstand zeigt sich also hon der Form der Entladung selbst abhängig.
Literatur.
Das Dezemberheft der von Ludwig Stein herausgegebenen Monattschrift Nord und Süd hat, folgenden Inhalt: Geh. Tustizrat Dr. Heinrich Dove, Zweiter Vizepräsident des Deutschen Reichstages: Die Bewährung der deutschen Sozialpolitik im Welt⸗ krieg. Kgl. Wirkl. Rat O. Osel, Mitgljed der bayr. Kammer der Abgeordneten: Zum deutsch⸗ Sserreichisch · ungarischen Wirtschafts⸗ hündnis. Pie Wahrbeit! über Indien. Von einem Inder. Väiquez Mella: Spaniens Stellung zum Weltkrieg. Ueber- fetzt von Dr. G. Bender. Dresles Daskaljuk: Zur ukraĩni⸗ schen Frage. Tegallongrat Dr. Jentzsch: Serbien. Dr. Eugen Fꝛiidrichowieß: Eln amerikanischer Staatsrechte lehrer über die * Ursachen, die Zwecke und die voraussichtlichen Ergebnisse des europäischen Krieges. Dr. N. Hansen: Frankreichs industrtelle Zukunft. Werner Köhler: An der belgischen Küste. Ernst Sartorius: Die Üntveisität Löwen. Professor W. Prosch: Wie England Verträge alt“, wenn sie ihm unbequem werden, und wie es die Freiheit der Schwachen schützt. Br. Paul Ostwald: Rußland und Finnland. Fritz Müller: Weizen. Karl Röhrig: Der Deutschen Lied. Marie von? Bunsen: Das Hoffräulein Donna Inez. Roman aus der Verfallzeit des spanischen Reiches (Fortsetzung) — Rundschauen.
Das Dejemberbeft der von Richard Fleischer herausgegebenen „Deutschen Revuen hat folgenden Inhalt: Dr. Wilhelm Rraknot, Titularbischof von Arbe: Zur Entstehungsgeschichte des Dreibundvertragg. Steht das Ende des Weltkrieges nahe bevor John L. Stoddard (Meran): Amerikas Stellung zum Weltkriege. Dr. Freiherr von Jeitel: Der Bukarester Frieden. Kurd von Schlöser: Jugendbriefe. Karl von Stengel: Die Zukunft des Völkerrechts. Verdeutschung. Von einem preußlschen General. Friedrich Bock: Gin neuer Brief von Ernst. Moritz Arndt. A. von Kirchenheim: Politisches Gleichgewicht. Fünfter volkerrecht · licher Brief Wilbelm ven Wannisch, Feldmarschalleutnant a. D.: Eine Charakterlstik unfrer Gegner und die sich ergebenden Folgerungen. M. von Käller: Cuius culpa? Eine psychologische Studie. Im Königreich Westfalen. Dr. Carl Niessen (Cöln), Kriegsfreiwilliger Unteroffizier der Feldartillerie: Die Franzosen im Urteil eines Sroft— onkelz Goethes. Otto Kaus: Flüchtlingsneurosen. — Titerarische Berichte. — Eingesandie Neuigkelten des Büchermarktes.
Das Dezemberheft der Deutschen Rundschau. (Heraus- gegegeben von Dr. Bruno Hate, Verlag Gebrüder Paetel, Berlin) bringt an eister Stelle einen Beitrag des früberen ungarijchen Mi- nifterpräsidenten, Graf Jullkus Andtsssv, über Entwicklung und Ziele Mitteleuropas, Betrachtungen, die gan besonders interes sieren dur den. Die Veröffentlichung von „Carl Bertuchg Tagebuch vom Wiener Kongreß‘, mitgeteilt von Hermann Freiberrn von Egloffstemn, wid fortgesezt. Emil Ermatinger vermittelt unbekannte Gottfried Feller- Briefe“. Den Wideistreit jwischen Metapbosik und Naturforschnaag erörtert der Berliner Biologe Professor Dr. Walther Wb, auf